Hoffnung zu Asche von matvo (Schatten und Licht, Band 2) ================================================================================ Kapitel 25: Ein verlockender Gedanke ------------------------------------ Irene und ihr Vater staunten nicht schlecht, als man sie in die Gästezimmer des Herrscherpaares Farnelias in Astorias Palast führte. Die Wände waren mit hellen Farben bemalt, die in weichen Kontrasten zu einander standen und mit Goldornamenten unter der Decke geschmückt waren. Im Zentrum des Wohnraums stand ein kleiner, kunstvoll geschnitzter Tisch, der von zwei elegant geschwungen Sofas umstellt war. Direkt gegenüber der Eingang öffneten weite Fenster einen ausgedehnten Blick auf die Stadt, die unter der Morgensonne glänzte. Durch die einzige andere Tür schlüpfte gerade Van, der sich sofort seinen Gästen zu wandte. „Willkommen, Baron und Baroness von Sarie.“, begrüßte er sie. „Euer Besuch ehrt uns. Meine Frau kann euch zur Zeit leider nicht empfangen.“ „Wie geht es ihr?“, platzt es aus Irene heraus und unterbrach dabei Fabians Antwort, dessen Blick sich verärgert auf seine Tochter heftete. Van hingegen konnte angesichts so viel ehrlicher Sorge nur schmunzeln und beruhigte sie. „Es geht ihr gut. Sie zieht sich nur um, für ihren großen Auftritt vor der Vollversammlung der Allianz.“ Sein Hand wies zur Tür, durch die er gerade gekommen war. „Sie freut sich sicher, wenn du ihr Gesellschaft leistest.“ Ohne die beiden Erwachsenen zu beachten stürmte das Mädchen in das Schlafzimmer und knallte lautstark die Tür hinter sich zu. „Meine Tochter ist keine Gesellschafterin.“, stellte Fabian verstimmt klar. „Aber eine gute Freundin, sowohl für meine Frau als auch für meine Schwester.“, konterte Van gelassen und forderte den Adligen mit einer Geste auf sich zu setzten. „So viel ich weiß, hat Irene den Kontakt gesucht, nicht umgekehrt.“ „Und was nützt ihr die Freundschaft der beiden jetzt?“, zweifelte Fabian. „Die Nachricht, dass sie Hitomi vor dem Ertrinken gerettet hat, hat sich wie ein Laubfeuer verbreitet. Erste Hassbotschaften lagen bereits vor unserer Tür.“ Van seufzte und verwünschte diese hartnäckigen Gerüchte, seine Frau wäre für die Zaibacher Kriege verantwortlich. Sie hatten seiner Frau schon viele unangenehme Erlebnisse beschert, selbst in Farnelia. Wenn das Mädchen jetzt ebenfalls darunter leiden müsste... „Wir beide sind Irene sehr dankbar für das, was sie getan hat.“, erklärte er und überlegte fieberhaft. Nach Farnelia konnte er sie nicht schicken. Das würde dem Geschwätz der Straße nur noch anheizen. Dann kam ihm eine Idee. „Wie würde ihr ein Urlaub in Fraid gefallen? Der Herzog hält für mich und meine Frau ein Haus abseits eines kleinen Dorfes bereit, in dem wir uns jetzt eigentlich erholen sollten. Sie wäre dort ganz für sich allein. Es wird sich wohl kaum jemand die Mühe machen und ihr nach reisen, nur um sie zu belästigen.“ „Das klingt akzeptabel.“, sagte ihr Vater, wandte dann aber ein: „Ich weiß allerdings nicht, ob ich sie dort allein lassen möchte.“ „Hat sie kein Kindermädchen?“ „Nein, bis auf die Arbeiter in der Werft beschäftige ich nur eine Dienerin. Sie vollbringt zwar wahre Wunder, aber teilen kann ich sie nicht.“ „Ich kann Herzog Cid bitten, dass er ihr eine Dienerin bei Seite stellt.“, schlug Van vor und ging zum Sekretär, klappte ihn auf und setzte ein Schreiben auf. „Kann ich sonst noch etwas für euch tun?“ „Habt ihr euch meinen Vorschlag vom Ball noch einmal überlegt?“, erkundigte sich Fabian. „Ja und meine Antwort ist die selbe wie damals: Nein.“ „Farnelias Wirtschaft wird elendig zu Grunde gehen, wenn ihr nicht langsam die natürlichen Ressourcen für das Handwerk freigebt!“ „Glaubt ihr, das weiß ich nicht?“, entgegnete der König genervt. „Aber Farnelias Wälder haben das Land seit jeher beschützt. Kein großes Heer hat es bisher gewagt, uns zu nahe zu kommen, weil wir sie dank der vielen Bäume jederzeit aus dem Hinterhalt überfallen könnten.“ „Und doch hat ein Geschwader Guymelefs gereicht, die Hauptstadt zu zerstören. Und das Heer der Gezeichneten scheint sich auch nicht am Grünzeug zu stören.“, konterte der Baron eiskalt. „Die scharfen Sinne ihrer Herren machen Hinterhalte nutzlos.“, gab Van zu. „Und auch den technologische Fortschritt durch die Zaibacher kann der Wald nicht aufhalten. Dennoch ist er ein Teil Farnelias. Vor ein paar Jahrhunderten hat man schon einmal versucht, das Holz großflächig abzuholzen. In den Jahren darauf kam es immer wieder zu Erdrutschen, die die Handelswege blockiert und viele Menschen unter sich begraben haben. Daraufhin dachte man, der Wald wäre den Drachen heilig und sie würden ihn beschützen. Man hat das Roden eingestellt und neue Bäume gepflanzt. Nach ein paar Jahrzehnten gab es nur noch wenige Gerölllawinen. Seitdem fällen wir in Farnelia Bäume nur noch zum Eigenbedarf.“ „Alles Aberglaube.“, tat Fabian die Geschichte als haltlos ab. „Hitomi stimmt ihnen zu.“, erklärte Van, was den Baron überraschte. „Sie sagt, dass in Wahrheit die Wurzeln der Bäume den Boden stabilisieren und so Erdrutsche verhindern, sollte der Grund vom Regen durchnässt werden.“ „So etwas hab ich ja noch nie gehört.“, zweifelte der Baron die Aussage an. „Mag sein, aber sie kommt auch nicht aus Gaia, sondern vom Mond der Illusionen, wo man anscheinend noch sehr viel mehr weiß als in Zaibach. Sie hat dort eine sehr gute Bildung genossen. Ich vertraue ihrem Urteil. Die Bäume werden nicht angerührt.“ „Hat sie auch Vorschläge, wie Farnelias Wirtschaft wieder auf die Beine kommt?“ „Einige. Erst einmal konzentrieren wir uns auf die Landwirtschaft, da Lebensmittel in Astoria und Chuzario dringend gebraucht werden.“, erklärte Van. „Gerade sind wir dabei Manufakturen in Farnelia aufzubauen, die unsere Erzeugnisse auch verarbeiten. Außerdem möchte meine Frau, nachdem wir die Gezeichneten abgewehrt haben, Wissenschaftler nach Farnelia locken, die eine ganz neue Richtung einschlagen, indem sie von der Natur lernen. Sie behauptet, in ihrer Welt würde das gut klappen.“ Fabian suchte verbissen nach weiteren Argumenten für sein Anliegen, da öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer und Hitomi trat an Irenes Seite ein, gefolgt von zwei blau gekleideten Dienerinnen. Der Adlige erhob sich sofort und begrüßte die Königin mit einer Verbeugung, woraufhin sie ihn Willkommen hieß. „Du siehst gut aus.“, bemerkte Van. Das königsblaue, mit Goldfäden verzierte Gewand kannte er zur Genüge und wurde doch nicht müde darüber zu staunen, wie Hitomi ihm Leben verlieh. Ihr immer länger werdendes Haar war wohl noch zu kurz zum Hochstecken und wurde stattdessen von einem schmucklosen Diadem von ihrem Gesicht ferngehalten. Ihre Haut wirkte sehr viel heller als sonst. „Jedenfalls sehr viel besser als ich dich zuletzt gesehen habe.“ „Die junge Dame hier hat mir ein bisschen den Kopf gewaschen.“, berichtete Hitomi anerkennend und legte eine Hand auf Irenes Schulter. „Und die Kosmetik tut ihr übriges.“, lobte sie dann die Frauen hinter ihr. „Wenn es niemandem etwas ausmacht, würde ich gern mit meiner Frau allein sein.“, verkündete Van freundlich, aber bestimmt. „Wir reden später weiter.“, tröstete Hitomi Irene. Das Mädchen war erst enttäuscht, strahlte dann aber wieder, als sie fragte: „Möchtest du mich mal besuchen kommen?“ Die Königin lächelte geschmeichelt. „Natürlich. Ich würde sehr gern sehen, wie du lebst.“ Fabian wollte etwas einwenden, doch seine Tochter unterbrach ihn. „Kann Merle auch kommen?“ „Ja, aber dann muss ich Van erst nach Farnelia schicken, sonst kann sie von dort nicht weg.“, erklärte Hitomi geduldig. „Macht euch keinen Aufwand wegen dem Essen oder sonstigen Dingen.“, riet Van unterdessen dem Vater des Mädchens. „Ihr habt sie ja gehört. Wegen den Zeitpunkt melden wir uns noch.“ „Hab ich eine Wahl?“, fragte Fabian verunsichert. „Nicht wenn das weibliche Geschlecht sich einig ist.“, resignierte der König. „Hier ist das Empfehlungsschreiben an Herzog Cid. Damit wird man euch zu ihm lassen und meine Bitte steht auch drin. Er ist ebenfalls Gast hier im Palast und wird nach der Konferenz sicher Zeit für euch haben.“ Sowohl die zwei Dienerinnen als auch die beiden Adligen verabschiedeten sich standesgemäß und ließen das Königspaar allein. Sofort kam Van auf Hitomi zu und zog stürmisch sie an sich. „Vorsicht.“, mahnte sie heiter. „Du verwischt noch den Puder.“ „Das macht nichts.“, meinte er leichthin. „Lass du dich erst mal schminken, dann reden wir weiter.“, ärgerte sie sich und schob ihn von sich weg. „Bist du bereit, die Welt zu verändern?“, erkundigte sich Van scherzhaft. „Nur wenn du an meiner Seite bist.“, antwortete sie nervös. „Ganz im Ernst, Van. Was soll ich vor so vielen Leuten?“ „Sag ihnen einfach, was sie wissen wollen.“ „Alles?“ „Du kannst ja so tun, als müsstest du erst überlegen, ehe du antwortest.“, schlug er vor. „Das gibt mir genug Zeit, dir über meine Gedanken mitzuteilen, was besser geheim bleiben sollte.“ Da sie sich noch immer nicht beruhigte, startete er einen weiteren Versuch. „Es ist doch nicht das erste Mal, dass du vor der Vollversammlung sprichst. Nach dem Ende der Zaibacher Kriege hast du verhindert, dass sich die Mitglieder der Allianz wegen der Scharmützel während der Entscheidungsschlacht gegenseitig die Köpfe abschlagen.“ „Damals war es ja auch nicht mein Leben, das auf dem Spiel stand.“, konterte Hitomi bitter. „Trotzdem hast du vor deiner Befragung gezittert und hattest ganz weiche Knie, aber während du da vorne gestanden hast, hat man davon nichts gemerkt.“, machte er ihr Mut. „Ich weiß, dieses Mal wirst du es genauso gut machen, wie letztes Mal und wie jedes Mal, das noch vor dir liegt.“ „Glaubst du etwa, die werden mich mit einer Anklage nicht davon kommen lassen.“, erkundigte sie sich besorgt. „Es wird jedenfalls nicht das letzte Mal sein, dass du dich rechtfertigen musst oder vor einem großen Publikum sprichst.“, raubte Van ihr die Illusionen. „Irgendwann gewöhnst du dich dran.“ Hitomi seufzte. „Dann sollte ich es wohl hinter mich bringen.“, meinte sie und ließ ihre Schultern hängen. „Denk einfach an das Haus in Fraid. Je schneller wir diese Anklage aus der Welt schaffen und den Gezeichneten in den Arsch treten, desto eher können wir dorthin.“ Sie lächelte. „Ein verlockender Gedanke.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)