Merry Christmas von Yurippe (~Ohne dich ist Weihnachten nur halb so schön~) ================================================================================ Kapitel 2: Gefrorene Gefühle ---------------------------- Kapitel 2 Immer dichter fiel der Schnee vor Shuus Fenster und verdeckte ihm die Sicht auf die Stadt. Eigentlich konnte er überhaupt nicht mehr viel erkennen, egal wie angestrengt er hinausstarrte. Wenn der Schnee doch auch die Zeit verdecken könnte, die er mit ihr verbracht hatte... Shuu war damit beschäftigt, die restliche Weihnachtsdekoration zu verstauen. Im Hintergrund lief eine Fernsehübertragung eines Pokemonwettbewerbs, und ab und zu warf er einen Blick auf den Bildschirm. Nachdem sowohl er als auch Haruka etwa zehn Jahre lang herumgereist waren und in dieser Zeit massenhaft Siege errungen hatten, wollten sie etwas zur Ruhe kommen. Zwar waren sie noch jung und bei weitem nicht perfekt als Koordinatoren, aber es war irgendwie die Luft raus, zumindest hatten sie damals dieses Gefühl gehabt. Deshalb waren sie erst mal vorübergehend in ein kleines Haus in Herzhofen gezogen. Eine Wettbewerbshalle war schließlich in der Stadt vorhanden, und so trainierten sie manchmal mit jüngeren Koordinatoren. Shuu hätte niemals gedacht, dass dieses Leben ihm gefallen würde. Aber tatsächlich, es machte ihn sogar glücklich. Mit der Zeit waren die Wettbewerbe in den Hintergrund getreten und die beiden lebten ein ruhiges Leben. Haruka übernahm manchmal die Moderation, und er selbst war inzwischen zum Preisrichter aufgestiegen. „Also dem da würde ich nicht mal die halbe Punktzahl geben“, kommentierte er einen Auftritt im Fernsehen. „Da warst ja sogar du als Anfängerin besser. Ehrlich, als wir beide noch im Geschäft waren, hätten solche Leute nicht den Hauch einer Chance gehabt.“ Statt auf seine Bemerkung einzugehen, machte Haruka ein ernstes Gesicht. „Shuu, ich muss mit dir reden.“ „Willst du verreisen?“, fragte er verwundert. Wieso stand sie plötzlich mit gepackten Koffern vor ihm? „Also verreisen ist nicht der richtige Ausdruck. Es ist so...“ „Du verlässt mich“, stellte er trocken fest. Irgendwie hatte er es die ganze Zeit geahnt... Dabei waren sie doch eben noch so glücklich gewesen. Aber so war das wohl mit Träumen, wenn man aufwachte, fand alles auf einen Schlag ein Ende. „Ich muss bloß raus hier. Ich... brauche wieder Abwechslung in meinem Leben. Wieder Wettbewerbe, verstehst du? Das alles- Haus, fester Job...- dafür fühle ich mich noch zu jung.“ „Und für unsere Beziehung auch, nehme ich an?“ Shuu wusste nicht mal, wie er darauf reagieren sollte. Traurig? Verbittert? Wütend? „Nein, Shuu, hör mir zu! Ich liebe dich... denke ich. Aber ich denke auch, wir müssen erst mal noch eine Weile für uns selbst wachsen, ehe wir uns so festlegen. Deshalb gehe ich wieder auf Reisen und nehme an Wettbewerben teil. Ich weiß nicht, was du tun willst. Vielleicht bist du ja schon zufrieden mit deinem Leben. Aber ich kann so noch nicht leben. Es tut mir Leid.“ Shuu sah sie an, wie sie abreisebereit im Wohnzimmer stand. Offenbar hatte sie sich all das überlegt und nicht ein einziges Mal mit ihm beredet, bis sie ihm nun plötzlich die schmerzhafte Wahrheit auftischte. „Mir tut es auch Leid...“, murmelte er. Bevor sie das Haus verließ, drehte sich Haruka noch einmal um. „Wir... sehen uns ganz bestimmt wieder.“ Dann war sie weg. Wieder einmal hatte er sich beim Gedanken an längst vergangene Zeiten ertappt. Mit einem Ruck wandte Shuu sich vom Fenster ab und ließ sich aufs Bett sinken. Wenn er an ihrer Seite schlafen könnte... noch einmal ihre Wärme spüren... die eine Person festhalten, die ihm wichtig war... Aber es hatte ja keinen Sinn, sich an diesen Wünschen festzuklammern. Auch wenn es ihm schwer fiel, er wusste, dass er ihren Wunsch respektieren musste. Und irgendwie stimmte ja alles, was sie gesagt hatte. Sie hatten tatsächlich im Laufe der Jahre ihre ursprünglichen Wünschen aus den Augen verloren. Schließlich war er derjenige, der sein Leben lieber allein gelebt hatte, bevor sie sich nahe gekommen waren. Oder hatte er sich so sehr an sie gewöhnt? Vielleicht hatte er nie wirklich allein sein wollen, sondern nur den richtigen Menschen gebraucht, um ihm Gesellschaft zu leisten. War er wirklich bequem geworden? Verwöhnt von der Tatsache, nicht mehr allein sein zu müssen? Fast schien es ihm so, sonst würde er sich ohne sie wohl kaum so leer fühlen. Lustlos griff er nach der Fernbedienung und schaltete durch die Kanäle. Bei einer Wiederholung alter Pokemonwettbewerbe blieb er hängen und starrte gedankenverloren auf den Bildschirm. Plötzlich schreckte er auf. Unter all den vielen Schaukämpfen war doch tatsächlich einer zwischen ihm und Haruka dabei. Damals, als sie ihn im Halbfinale des Großen Festivals geschlagen hatte. Nachdem sie im Finale dann letztendlich doch noch gegen Saori verloren hatte, war natürlich er es gewesen, der sie wieder aufbauen musste. Danach waren sie zusammen durch Johto gereist und irgendwann an dem Punkt angekommen, an dem sie vor etwa einem Jahr ihre Beziehung beendet hatten oder auf Eis gelegt oder wie auch immer. Nicht einmal, woran er war, wusste er genau. Haruka, die ihn früher so sehr gebraucht hatte, war ihm einfach so davon geflogen, seinen Händen entglitten wie eine flüchtige Schneeflocke. Und nun war er derjenige, der das Gefühl hatte, alleine nicht mehr zurechtzukommen. Seit wann lebe ich eigentlich nur noch in Rückblenden?, fragte Shuu sich. Seit dem Tag, an dem sie ihn zurückgelassen hatte, war sein Herz gefroren... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)