Like a puppet on a string von Mir_Rage (So sehr ich mich auch wehr', ich komm nicht mehr los von dir) ================================================================================ Kapitel 2: Eine Begegnung vor vier Jahren ----------------------------------------- „Los! Komm schon! Schneller! Schneller und mit etwas mehr Schwung!“ Zwischen den Kommandos blies Kankuro immer wieder auf die kleine Pfeife um Shinkiro den Rhythmus vorzugeben. Die Kleine mühte sich gerade mit ihrer wohl siebzigsten Liegestütze ab. Die Arme schmerzen bereits, die Fußgelenke wurden steif und ihr Nacken brannte vor Anspannung. Der Schweiß lief Shinkiro in breiten Strömen den Rücken herunter, aber dennoch kämpfte sie verbissen weiter. »Ich werde nicht aufgeben! Ich werde verdammt noch mal nicht aufgeben!« hämmerte es laut durch ihren Kopf. „Jetzt schlaf hier nicht ein! Ich will mindestens hundert saubere Liegestütze von dir sehen. Beeilung, wir haben schließlich nicht die ganze Nacht Zeit.“ „Jetzt spar’ dir endlich mal die Sklaventreiber- Sprüche! Dafür hab ich schon meinen Vater!“ murrte das Mädchen und stemmte sich keuchend hoch. So ging das jetzt schon seit einer Woche. Kankuro hatte tatsächlich Wort gehalten und trainierte sie für die Gen- Nin Prüfung in acht Tagen. Und obwohl sie sich beide unglaubliche Mühe gaben und die Kleine jede Nacht bis zum Umfallen übte, wollten und wollten ihre Schwachstellen nicht weichen. Geradezu als hätten sie beschlossen, Shinkiro auf ewig zu begleiten. Wie ein bösartiger Fluch! Kein Wunder hatte das Mädchen ständig Alpträume. Wenn sie diese verdammte Prüfung vermasselte, würde es nur noch schlimmer werden. Aber wie viel schlimmer konnte es noch kommen, wenn man schon am Boden war? „So, genug aufgewärmt!“ „Wieso? Das waren noch keine hundert!“ „Schon. Aber wenn ich dich weiter machen lasse, klappst du mir noch zusammen. Los hoch mit dir und hol erst mal Luft.“ Erleichtert ließ das Mädchen sich aufhelfen und von Kankuro zu der Veranda führen. Mit einem müden Stöhnen lehnte sie sich an den Holzpfeiler. „Shin- Shin, was ist los? Du gefällst mir gar nicht! Du bist schon seit Tagen bleich wie ein Gespenst. Gibt’s wieder Ärger mit deinem Vater? Deiner Mutter? Oder beiden?“ Die Kleine schüttelte abwehrend den Kopf. „Ich... ich schlaf in letzter Zeit nur nicht gut. Diese verfluchte Prüfung verfolgt mich ständig. Wenn’s vorbei ist, hab ich sicher bald wieder Farbe.“ „Trotzdem, das gefällt mir ganz und gar nicht!“ „Machst du dir etwa Sorgen um mich?“ fragte Shinkiro und ein neckisches Lächeln huschte über ihre Lippen. „Natürlich mach ich mir Sorgen. Ich meine, du... du bist schließlich wie eine kleine Schwester für mich. Da wird man sich doch noch Gedanken machen dürfen.“ „So, eine kleine Schwester also!“ murmelte das Mädchen leise vor sich hin. Die Enttäuschung war nicht zu überhören. Kankuro aber hatte seine Aufmerksamkeit auf das Haus gelenkt. „Shhhtt!“ zischte er plötzlich und zog Shinkiro in den Schatten. „Was ist los? Temari? Dein Vater?“ „Ach, schlimmer. Der kleine Teufel!“ „Gaara?“ Neugierig reckte Shinkiro den Kopf, doch sofort drückte ihr Freund sie wieder zur Seite. „Nicht! Bist du übergeschnappt! Wenn der uns sieht....“ „Was denn? Hast du Angst er verpfeift uns an deinen Vater?“ Kankuro schnaubte kurz. Shinkiro meinte so etwas wie Trauer in seinen Augen zu erkennen. In all der Zeit die sich die beiden jetzt kannten, war Kankuro’ s jüngerer Bruder immer ein Tabu- Thema gewesen. Er sprach nicht gern darüber und sie wollte nicht unbedingt nachhacken, obwohl Shinkiro offen gesprochen doch immer wieder die Neugier plagte. Man erfuhr im Dorf so gut wie gar nichts über Gaara, außer das er eine wandelnde Zeitbombe war. Ein gescheitertes Experiment hatte sie mal irgendwo gelesen. Aber was und wieso und warum konnte ihr niemand erklären. Was wohl auch daran lag, dass es nicht erlaubt war Fragen zu stellen. „Alles klar! Er ist weg! Hoffe ich zumindest!“ Erleichtert atmete Kankuro auf. Das war gerade noch mal gut gegangen. „Sag’ mal,“ fragte Shinkiro schließlich doch „ warum.... warum bist du immer so komisch, wenn es um deinen Bruder geht? Man könnte ja fast glauben du hast Angst vor ihm.“ Eigentlich hatte die Kleine den letzten Satz scherzhaft gemeint, aber als sie jetzt Kankuro’ s verbittertes Gesicht sah reute sie jedes Wort. „Wie ginge es dir denn, wenn jemand die Verantwortung für den Tod deiner Mutter trüge, deinen eigenen Onkel tötet und ein absolut unkontrollierbares Monster ist!“ „Glaubst du das wirklich? Ein Kind von sechs Jahren kann man doch nicht verantwortlich für einen Unfall machen.“ „Das war kein Unfall! Gaara hat meinen Onkel umgebracht, gnadenlos und unbarmherzig. So ist er nun mal. Ein absoluter Psychopath.“ „Wenn dein Vater ihn aber noch länger abschottet, wird das nie besser mit ihm!“ „Das tut er zum Schutz der Bevölkerung, verdammt noch mal! Sonst würde das Biest hier innerhalb weniger Tage ein Massengemetzel veranstalten! Was soll das eigentlich! Bist du die neue Fürsprecherin für Gaara? Ich dachte du wolltest trainieren!“ „Will ich ja auch, aber mir geht diese Frage nun mal im Kopf herum.“ „Dann vergiss sie besser gleich wieder, oder dein Kopf sitzt nicht länger auf deinen Schultern!“ „Soll das ne Drohung sein?“ „Nein, eine Warnung! Hüte dich vor Gaara, oder du lebst nicht mehr lange!“ Shinkiro lag bereits eine bissige Erwiderung auf den Lippen, doch Kankuro’ s ernste Miene schien keine weiteren Widerworte zu dulden. Daher nickte sie nur wortlos. „Also schön, fangen wir an. Hoffentlich erwischt uns niemand. Vater wäre sicher nicht sehr erbaut darüber, das ich dir Nachhilfestunden gebe und Temari würde mir wieder in den Ohren liegen von wegen ich soll mich gefälligst um meinen eigenen Kram kümmern.“ „Danke, das du trotzdem das Risiko eingehst.“ „Hey ich dachte wir zwei haben einen Deal, oder etwa nicht. Da wir gerade davon sprechen. Wie lange brauchst du noch?“ „Weiß nicht. Das Schnittmuster hab ich endlich fertig. Morgen besorg ich den Stoff. Was für’ ne Farbe hättest du gern. Was in grau wie dein Trainingsanzug?“ „Nein, ich weiß nicht. Ich lass mich überraschen. Ihr Mädchen habt ja angeblich den besseren Modegeschmack.“ „Witzig, äußerst witzig!“ Das Training verlief ohne weitere Störungen, aber auch ohne große Erfolge. Wenigstens hatte Shinkiro es endlich im Griff mehr als einen Doppelgänger zu schaffen, einem Angriff durch Tauschjutsu auszuweichen und sie schaffte es auch mit dem Kunai ein Ziel zu treffen. „Na also, das ist doch was!“ versuchte Kankuro sie aufzumuntern, als die Kleine mutlos den Kopf sinken ließ. „Und was wenn ich wieder zu nervös bin? Dann geht’s wieder in die Binsen. Ich hab so verdammten Schiss. Warum müssen wir auch so ’ne verblödete Geländeübung als Prüfung haben? Und dann auch noch gegeneinander! Stell dir vor ich bekomm’ Taku als Gegner!“ „Ganz einfach, dann wirst du ihm eben vor der Nase davon rennen. Darin hast du doch Übung!“ Shinkiro verzog verärgert das Gesicht. Ihr war wirklich nicht nach lachen zumute. Sie musste die Prüfung bestehen, um jeden Preis. Nur dann gab ihr Vater endlich nach und ließ Mutter und sie gehen. Und darauf war Shinkiro’ s Mutter aus. Sie wollte weg und das so schnell wie möglich. Und das einzige Hindernis war ihre Tochter. Eigentlich hätte es die Kleine nicht weiter verwundert, wenn ihre Mutter sie einfach in Suna zurückgelassen hätte. Aber aus irgendeinem Grund wollte sie ihre Tochter mitnehmen. Ihr Vater jedoch würde sie erst gehen lassen, wenn Shinkiro ihre Ninja Registrierung hatte und darin Suna als Ausbildungsort vermerkt war. Verfluchter Patriot verfluchter. Daher hatte Eri ihrer Tochter auch mehr als einmal eingeschärft was passieren würde, sollte sie die Prüfung nicht schaffen! „Hey, was ist? Lach’ doch mal wieder! Das hab ich die letzten Tage echt vermisst.“ „Mir ist im Moment nicht danach!“ „So, schade. Hhhmmmm, wie bekomm ich mein kleines Shin- Shin Maskottchen denn nur zum lachen?“ „Ich sag’s jetzt zum letzten Mal. Nenn mich nicht so!“ Kankuro aber ließ sich davon nicht beirren und begann Fratzen zu schneiden. Eine blöder und alberner als dir vorherige. Shinkiro konnte nicht anders, sie musste lachen. „Na, endlich! Ich dachte schon, du hast vergessen wie das geht!“ „Blödmann! Bei so ’ner Visage kann ich ja gar nicht anders. In letzter Zeit erinnerst du sowieso mehr und mehr an einen Clown.“ „Na super! Dann geht meine Theorie ja auf!!“ „Welche Theorie denn?“ „Ist doch ganz einfach! Wenn mich mein Gegner für einen albernen Possenreiser hält, wird er unvorsichtig und macht es mir so einfacher.“ „Welch tiefsinniger Gedankengang und ich dachte schon die Bemalung hätte einen spirituellen Hintergrund.“ „Wie kommst du jetzt darauf?“ „Naja, weil es mich ein wenig an einen Tiger erinnert. Ich hab mal gelesen, früher bemalten sich die Krieger mit den Tierzeichnungen um so deren Stärke zu erhalten. Ist das also vielleicht vergebliches Wunschdenken von einem kleinen schwarzen Kater, der gerne ein gefährlicher Tiger wäre?“ „Ich bin ein gefährlicher Tiger!“ Grinsend stellte Kankuro die Hände wie Klauen auf und knurrte laut. Shinkiro kicherte aber nur: „Ja sicher, an dem Tag an dem ich Temari besiege!“ „Also irgendwann! Oh, da bringst du mich auf was! Wir müssen die nächsten Tage mit dem Training pausieren.“ „Was? Wieso denn?“ „Ganz einfach! Weil meine Gruppe einen Auftrag etwas außerhalb von Kaze no kuni hat. Aber mach’ dir keinen Kopf. Spätestens übermorgen bin ich wieder da und in der Zeit kannst du doch auch alleine üben.“ „Schon, aber trotzdem! Das wäre ja fast schon gegen unsere Abmachung!“ „Na und, du hast deinen Part ja auch noch nicht eingehalten. Oder siehst du hier irgendwo meine Mütze samt Emblem? Hhmmm?“ „Jetzt mach keinen Stress, alter Hektiker! Du kriegst sie schon noch. Ich beeil’ mich auch.“ „Na hoffentlich, all zu lange lässt Vater meine Ausrede, dass ich das Stirnband verlegt habe und nicht finden kann, nicht mehr gelten. Und dann... hab ich ein Problem!“ „Jajajaja! Du bekommst es wenn ihr zurück seid, okay. Fest versprochen!“ Leise schlich sich die schmächtige Gestalt an den Schatten der Häuser entlang. Die Sonne war bereits vor zwei Stunden untergegangen und langsam kam in Suna das Leben mehr und mehr zum Erliegen. Flink schnellte Shinkiro durch eine Gasse und drückte sich sofort wieder an eine Hauswand. So gelangte sie schließlich an ein Gebäude, das an den Kazekage- Turm anschloss. Hinter der hohen Sandstein mauer war der kleine Innenhof, in dem Kankuro und sie immer übten. Shinkiro’ s Herz hämmerte laut vor Aufregung. Heute waren endlich die zwei Tage vorüber und ihr heimliches Training würde weitergehen. Noch nie waren ihr 36 Stunden so unendlich langsam und träge vorgekommen. Aber sie hatte sie wenigstens gut nutzen können. In der Tasche an ihrer Seite, steckte ihr kleines Präsent. Hoffentlich gefiel Kankuro die Mütze! Sie hatte sich alle Mühe gegeben, stundenlang ohne Pause genäht und sich mindestens 15mal mit der Nadel gestochen. Aber das war noch nicht alles! Sie hatte ihrem Freund noch etwas viel interessantes zu berichten. Endlich hatte sie die niedere Stelle erreicht, ein schmales Wasserrohr wand sich hier nach oben und man konnte daran wunderbar hochklettern. Vorsichtig zog das Mädchen sich daran hoch und lauschte. „Hey Kankuro! Kankuro! Bist du da?“ rief sie so leise wie möglich. Nichts! Kein Ton, kein Signalpfiff. Hatte er sie etwa versetzt? Nein, jetzt konnte sie deutlich Schritte hören. Da war jemand im Hof, ganz sicher. Aber warum antwortete er ihr denn nicht. »Oh, na warte! Wenn du glaubst du kannst mich veralbern, hast du dich gewaltig geschnitten, Kankuro, altes Rabenaas!« Grinsend sprang sie wieder auf den Boden und ging an der Mauer entlang. Shinkiro spitze aufmerksam die Ohren, während sie einen etwa pflaumengroßen Stein vom Boden aufhob. »So mein Freund, dann wollen wir doch mal sehen was du davon hältst. Eigentlich hatte ich nicht vor das “so“ zu demonstrieren, aber du forderst mich ja regelrecht dazu auf!« grinste sie in sich hinein. Das Mädchen hielt kurz inne, dann faltete sie die Hände rasch zu vier Zeichen: „Affe- Hase- Tiger- und Ratte.“ Ohne jeden Laut rammte sie die rechte Handfläche gegen die raue Sandsteinmauer. Und obwohl diese sicher so dick wie Shinkiro’ s Arm lang war, schaffte es das Mädchen mit ihrer Technik durch sie „hindurchzublicken“. Natürlich war es kein richtiges Sehen. Wenn sie sich entsprechend konzentrierte, schaffte Shinkiro es das von ihr geschmiedete Chakra in Schallwellen umzuwandeln, diese selbst durch massive Hindernisse hindurch zujagen und dann aus der Reflektion ein genaues Bild zu rekonstruieren. Ähnlich wie eine Fledermaus. Es musste ein Talent sein, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Zwar kannte sie deren Jutsus nicht wirklich, aber Oto- Nin’ s waren ja bekanntlich Spezialisten im Bereich der Schallwellen und Klänge. Jedenfalls hatte sie es erst gestern durch einen Zufall entdeckt und die vergangenen Stunden damit verbracht mehr über diese Begabung herauszufinden. Was Shinkiro am glücklichsten machte, war das es jedes Mal hervorragend funktionierte. Endlich konnte sie mal etwas! So auch jetzt. Shinkiro erkannte so gut wie jede Einzelheit des Innenhofes und auch die Person, die darin langsam hin und her ging. Ihre >Schallsicht< wie sie es nannte war fast schon wie ein Radar mit Zielerfassung. Zufrieden grinsend betrachtete sie noch einmal den Stein in ihrer Hand. »So, jetzt pass mal gut auf, Freundchen!« Sie holte kräftig aus und schleuderte den Stein so fest sie nur konnte über die Mauer. „Autsch!“ Shinkiro zuckte erschrocken zusammen. Das war nicht Kankuro. Nein, das war eine andere Stimme. Verflixt, warum hatte sie jetzt so einen Blödsinn gemacht. Das gab jetzt sicher Ärger. In welch vertrackte Situation Shinkiro’ s Scherz sie gebracht hatte, bemerkte sie erst als sie sich nicht mehr bewegen konnte. Eine Sandwolke war über sie hinweg gefegt und umschloss nur ihre Beine bis hoch zu den Knien. Als das Mädchen erschrocken aufsah, entdeckte sie den Schatten auf der Mauer. Ängstlich fuhr sie zusammen. Es war Gaara. Lauernd blickte er die Kleine an, während er sich über die schmerzende Stelle am Kopf fuhr. Schließlich sprang er hinab und kam langsam auf Shinkiro zu. „D- das... war keine Absicht, ehrlich! I- ich hab nicht damit gerechnet... das ausgerechnet du...ich meine, ich habe... ich dachte....ich wusste nicht...“ Shinkiro verschluckte sich schier, als Gaara vor ihr stehen blieb und sie musterte. Diese Augen! Diese eiskalten Augen! Die blanke Angst jagte dem Mädchen den Rücken rauf und wieder runter. Es verstrich unendlich viel Zeit, zumindest kam es Shinkiro so vor weil sie sich nicht regen konnte und gezwungen war stehen zu bleiben. Schließlich begann die Sandfessel aufzubrechen und wehte in einer dichten Wolke zurück in die mächtige Kürbisflasche, die Gaara stets auf dem Rücken trug. Wieder erzitterte ihr Innerstes, als sie die kalten Augen auf sich bemerkte. Jeder anderer im Dorf, wirklich jeder andere ob Erwachsener oder Gleichaltriger und es wäre ihr egal gewesen. Sie hätte die Prügel oder Strafe eingesteckt und gut! Aber Gaara... Kankuro’ s Warnung kam ihr wieder in den Sinn. „Was sollte das!“ Es waren die ersten Worte, die er an sie richtete und genauso so kalt wie sein Blick waren . Verlegen biss sich Shinkiro immer wieder auf die Unterlippe, bis sie endlich den Mut fand um zu antworten. „Nichts! Wirklich! Ich habe... ich wollte...ich konnte doch nicht ahnen...“ „Ich kann Gejammer nicht leiden!“ Verzweifelt kämpfte Shinkiro gegen das Zittern an und versuchte es zu unterdrücken. Dennoch klapperte ihre Zähne immer mehr aufeinander. Mit einem Ruck krampfte sie sich zusammen und schaffte es eine einigermaßen demütige Verbeugung zustande zu bringen. „Ich bitte vielmals um Verzeihung. Es war ein bedauerlicher Irrtum, der nicht wieder vorkommen wird. Entschuldigung noch mal.“ So sehr sie bisher auch die harsche Art ihres Vaters nicht leiden mochten. Wenigstens hatte Shinkiro so gelehrt, sich auf kurze und zackige Art und Weise zu entschuldigen. Das Ganze erinnerte schon fast an einen militärischen Code. Manchen Erwachsenen gefiel es und Shinkiro war so schon mancher Strafarbeit oder einer Nachsitzstrafe entgangen. Gaara aber schien sich davon weniger beeindrucken zu lassen. „Entschuldigung. Ent- schul- di- gung. Entschuldigung.“ murmelte er immer wieder mit nichtssagender Miene vor sich hin. „Dieses Wort höre ich in der letzten Zeit verdammt oft! “Entschuldige dies!“ – “Entschuldige das!“ Die ganze Zeit schleichen und scharwenzeln sie auf Zehenspitzen um mich herum und katzbuckeln bei kleinsten Bewegung, die ich mache. Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung! Soll ich dir was verraten, ich hasse dieses Wort. Wenn man es so oft hört, klingt es schon fast so als wäre man selber schuld, das die anderen es sagen. Ent- schuldige! Was wenn ich nicht will?“ „Ich... ich meine es aufrichtig! Du... du hast schon recht. Manche Leute benutzen das Wort wie eine nichtssagende Floskel... so als würden sie es gar nicht ernst meinen. Ich aber meine es ernst... todernst!“ Im nächsten Moment wollte Shinkiro sich ihre lose Zunge abbeißen, als Gaara sie mit einem seltsamen Lächeln beäugte. „Tot- ernst, hmmm ein interessantes Wort. Klingt verführerisch. Auf jeden Fall besser als Entschuldigung.“ Wieder starrte er sie lauernd an wie die Schlange das Kaninchen. Im ersten Augenblick hatte Shinkiro Angst. Und dann, wie aus heiterem Himmel, wich ihre ängstliches Gesicht einer fragenden Miene. „Was?“ raunzte Gaara ungehalten. Solch einen Blick hatte er bisher noch nie gesehen. Furcht, Abscheu, Verachtung. Das waren für gewöhnlich die Blicke mit denen die Menschen, einschließlich seiner Familie, ihn bedachten. Aber dieses Mädchen... Fast könnte man es Interesse nennen. „Ich...nichts, nur...“ „WAS!“ „Mir ist noch nie aufgefallen, das du zwei unterschiedliche Stimmen hast.“ In diesem Augenblick geschah etwas, was noch nie zuvor geschehen war. „Meine... Stimme?“ fragte Gaara erstaunt. In dem Moment der Verwunderung, tastete er nachdenklich über seine Lippen. Dann aber hatte er sich wieder in der Gewalt und starrte das Mädchen grimmig an. „Was soll das heißen? Was willst du damit sagen? Willst du mich veralbern?“ „Nein, niemals. Nur... na ja, es ist mir erst jetzt aufgefallen. Wenn du sonst sprichst, dann klingst du anders als gerade.“ Verlegen sah Shinkiro auf. Gaara schien von der Antwort nicht sonderlich begeistert. „Und wie klinge ich gerade?“ „Wie soll ich das beschreiben? Sonst...ich meine, die ein zweimal in denen ich dich reden gehört habe, da... da hatte deine Stimme immer so eine bestimmte Tonlage, die deutlich herausstach. Die, die ist jetzt nicht da.“ „Und?“ „Ich weiß nicht warum, aber ich... ich... ich mag diese Stimme.“ Es war für einen kurzen Augenblick gespenstisch still. Shinkiro war selbst mehr als erstaunt, wie leicht und selbstverständlich ihr diese Worte über die Lippen gehuscht waren. Aber es stimmte. Diese andere Stimme, dieser andere Tonfall war... angenehmer. Er war zwar noch genau so abgeklärt und kühl, aber um Längen....menschlicher. „So, du magst sie!“ stellte Gaara nüchtern fest. „Ja, warum? Stört...stört es dich?“ „Das ist mir egal!“ war die knappe Antwort. „Was hattest du eigentlich hier zu suchen?“ „Ich... ich... Kannst du was für dich behalten?“ Wieder war Gaara für einen flüchtigen Moment sprachlos. Dieses seltsame Mädchen und ihr absonderliches Verhalten verwirrten ihn komplett. Sie tat so... vertraut mit ihm. Fast so als ob sie ihn...mochte. Aber nein, das konnte nicht sein. Niemand mochte ihn und er mochte niemanden. Das war die kurze und prägnante Regel in seinem Leben. //Hör nicht auf sie! Du weißt ganz genau, das die Menschen dich hassen. Sie versucht nur dein Vertrauen zu gewinnen.// meldete sich mit einem Mal die Stimme in ihm zu Wort. Vermutlich hatte sie recht. //Natürlich habe ich recht! So ist die Welt nun mal! Die Menschen können nichts anderes als hassen, und das was sie fürchten, das hassen sie am meisten. Diese Kleine da tut vielleicht unschuldig und nett. In Wahrheit aber hasst sie dich genau so wie alle anderen auch. Warum schenkst du mir nicht ihr Blut? Ein Mensch weniger der dich hasst und ein wenig Genuss für mich.// //Nein, ich will nicht! Sie ist viel zu schwach um ein gefährlicher Gegner für mich zu sein!// //Willst du warten, bis sie es seien wird?// Verwundert hatte Shinkiro festgestellt, dass in Gaara etwas vorging. Noch bevor sie überlegen konnte was das war, hörte sie die Stimme. Zwar nur sehr leise, aber das Mädchen erkannte sie sofort. Es war der Tonfall, der sonst aus Gaara’ s Stimme herausstach. Der, der bis jetzt geschwiegen hatte. „Ich hab zwar keine Ahnung, warum du mir das unterstellst. Aber ich bin alles andere als ein würdiger Gegner... Shukaku!“ versetzte sie verärgert. Sofort flog Gaara’ s Kopf herum. Auch die Stimme in seinem Inneren war mit einem Mal erstaunt verstummt. „Was hast du da gerade....?“ //Hab ich’ s dir nicht gesagt! Sie ist böse! Sie wird dich vernichten, wenn du sie nicht aufhältst! Sofort! Jetzt und hier!// „Hab ich nicht vor und werde ich auch nicht! Und im übrigen ist es verflucht unhöflich, wenn man sich in ein Gespräch einmischt. Selbst wenn man ein uralter Rachegeist ist!“ // Bring sie zum Schweigen! Sie soll still sein! Bring das Gör zum Schweigen! Auf der Stelle!// „HALT ENDLICH DIE KLAPPE, DU NERVENSÄGE!!! Ich unterhalte mich mit Gaara und nicht mit dir!“ Shinkiro machte blitzschnell eine Bewegung, eine unglaublich rasche Abfolge aller zwölf Zeichen. Im nächsten Moment berührte sie Gaara’ s Stirn. Dabei summte ihre Stimme einen Ton. Sofort schnellte das Mädchen erschrocken zurück. Das ganze hatte keine hundertstel Sekunde gedauert, weniger als der Sand brauchte um sie zu erreichen und zu fesseln. „Lass mich... lass mich los! Ich habe.... ich habe doch nichts...“ keuchte die Kleine verängstigt. Sie begriff ja selbst nicht warum und wie sie das jetzt gemacht hatte. Alles was sie wollte war, das der Dämon seine Klappe hielt und nicht dauernd auf Gaara einredete. Tatsächlich ließ der Sand von ihr ab und zog sich gehorsam in die Flasche zurück. „Was hast du da gemacht?...Wie hast du es gemacht?...Warum hört er auf dich und schweigt?“ „Ich weiß es nicht! Ich weiß es wirklich nicht! Bitte du musst mir glauben. Ich weiß es nicht!“ Immer mehr legte sich die Panik um das eingeschüchterte Mädchen und entlud sich in einem heftigen Weinkrampf, der sich nicht unterdrücken ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)