Russians In The House von Minerva_Noctua (Die Blitzkrieg-WG) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Tag wie jeder, oder? ----------------------------------- RUSSIANS IN THE HOUSE KAPITEL 1: EIN TAG WIE JEDER, ODER? Hallo! Diesmal eine FF, die sich immer wieder nebenbei "mitentwickelt" hat. Was ein mögliches Pairing betrifft, bin ich vollkommen offen. In erster Linie wollte ich etwas witzigeres schreiben. Enjoy reading! Rei hatte sich nichts dabei gedacht, als er kurzerhand beschloss seinem ehemaligen Teamkameraden Kai einen mehr oder weniger kurzen Besuch abzustatten. Da der junge Chinese es gewöhnt war, dass sein Opfer schwer zu erwischen war und es ohnehin nichts brachte sich anzumelden, platze er eines schönen Frühlingstages einfach in die WG der Blitzkriegboys und erklärte dem armen Kerl, der die Tür öffnete, dass er für eine gewisse, unbestimmte Zeit bei ihm leben würde. Ivan, der dem nicht allzu viel entgegenzusetzen hatte, brachte ihn in die Küche, wo er in erheiternder Gesellschaft von Boris auf Kai wartete, der sich sonst wo herumtrieb. Yuriy und Sergej schienen auch nicht da zu sein. Zumindest hatte sie Rei nicht gesehen. Vollkommen still und geduldig saß der Tiger auf seinem Stuhl und blickte sich etwas um. Die Küche war groß und mit hellen Holzmöbeln ausgestattet. Wie er bemerkte, war das ganze Apartment in diesem Stil eingerichtet. Nun ja, zumindest der Gang... Es war wohl unnötig zu sagen, dass Rei das erste Mal hier war. Die Blitzkriegboys gingen noch zur Schule, soweit er sich entsinnen konnte. Die Tatsache, dass sie aber in einer so schnieken Wohnung mitten in Moskau lebten, sprach allerdings eher dafür, dass sie noch auf andere Weise an Geld kommen mussten, als die Bildungszuschüsse, welche nie im Leben für diese 7-Zimmerwohnung, plus Bad und Küche, gereicht hätten. Der Tiger hätte ja gerne nachgefragt, aber sein Tischgenosse schien nicht sonderlich in Labberlaune zu sein und stierte unentwegt auf seine Kaffeetasse, scheinbar mit den Gedanken ganz woanders. Die undurchdringbare Ruhe wurde jedoch jäh gestört, als eine Türe schwer ins Schloss fiel und ein lautes Stimmengewirr im Gang ertönte. Boris seufzte leise auf, als er sich erhob um Wasser aufzusetzen. Schwungvoll wurde die Küchentür aufgestoßen und ein breit grinsender Yuriy mit geröteten Wangen betrat die Küche, dicht gefolgt von einem mürrisch dreinblickenden Kai, der gerade zu weiteren Beschimpfungen ansetzte, als er Rei entdeckte. „Hallo, lange nicht gesehen! Ich dachte ich schau mal vorbei.“, lächelte der junge Chinese den beiden Russen entgegen, denen kurzzeitig die Überraschung ins Gesicht geschrieben stand. „Hi!“, grüßte Yuriy freundlich und ließ sich auf einen der Stühle sinken. „Hi.“, murmelte Kai zwischen zusammengebissenen Zähnen und warf dem rothaarigen Jungen einen bösen Blick zu, bevor er sich neben seinen Besucher und somit vor Yuriy setzte. Neugierig beobachtete der Tiger wie die beiden sich anfunkelten und Yuriy wieder begann zu grinsen. Wortlos wurde ihnen eine Tasse Tee vorgesetzt, doch als sich Boris ebenfalls wieder niederließ und die beiden Russen sich weiterhin anstarrten, wurde es dem Falken zu viel: „Was bei den Göttern ist nun schon wieder kaputt?!“ „Yuriy ist kaputt.“, zischte Kai abfällig, weiter in die Eiskristalle seines Gegenübers blickend. „Hey, sei mal nicht so ungerecht! Was ist schon dabei?“ Der junge Wolf zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Was schon dabei ist? Du hast mit deiner Professorin geschlafen, das ist dabei!“ Kais Augen schienen vor Feuer zu lodern, doch das schien an seinem Gegenüber abzuprallen. „Mit der Romanov?“, wandte sich nun auch Boris an den Wolf, welcher nur nicken konnte: „Ja, wieso auch nicht?“ „Hm.“, mehr gab der Falke nicht von sich, ganz so als wäre für ihn das Thema abgeschlossen. Interessiert blickte Rei von einem zum anderen: „Du studierst?“, wandte er sich schließlich mit amüsiert funkelnden Augen an den Rothaarigen. „Ja, Jura.“ „Wow.“ Rei hätte Yuriy so etwas nie zugetraut. Nicht, dass er ihn für dumm hielt. Es war vielmehr die Tatsache, dass sich der junge Russe zu SO etwas entschieden hatte. Bei seiner Vergangenheit war Jura nicht unbedingt die am nächsten liegende Berufswahl. So sah es zumindest Rei. „Wenn man davon absieht, dass er seine Noten mit Sex erkauft.“, kam es daraufhin missfallend von dem Phönix. „Hey, werd’ mal nicht ausfallend! Ich habe mir gar nichts erkauft. Darf ich hier nicht einmal mehr mit einer Frau meiner Wahl ins Bett?“, echauffierte sich der Wolf auch sogleich. Verächtlich stieß Kai die Luft aus, erhob sich und verließ mit einem Mörderblick die Küche. „Hey Kai! Wo willst du jetzt hin? Komm und lass uns das ausdiskutieren!“ Mit diesen Worten war auch Yuriy davon gestoben. Krachend fiel die Türe zu und kurz darauf konnte man russisches Gekeife vernehmen. Etwas perplex schaute Rei auf die geschlossene Küchentür, ehe seine Augen auf die Boris’ trafen. „Das ist immer so.“, beantwortete dieser die unausgesprochene Frage. „Ich habe Kai noch nie so expressiv erlebt.“ Verwundert schüttelte der Schwarzhaarige seinen Kopf. „Yuriy hat Kai schon immer aus der Reserve gelockt. Kann nur er so gut.“ „Ah ja?“ Gelangweilt schob der Russe ihm eine weitere Tasse Tee zu und stolperte mit seinem Blick über einen kleinen Koffer. „Ich sehe du hast nicht viel dabei. Ich weiß nicht, ob du bei Kai schlafen kannst, aber wir haben im Wohnzimmer eine Schlafcouch.“ „Danke. Ich möchte keine allzu großen Umstände bereiten.“, lächelte Rei freundlich und nahm einen Schluck des wohltuenden Tees. „Dafür ist es schon zu spät.“, nuschelte der Falke und gähnte. Der Chinese stutzte, beschloss im selben Moment aber sich solche Bemerkungen nicht zu Herzen zu nehmen. Das war nun mal Umgangston in der WG Blitzkriegboys. Am Abend hatte es sich Rei einfach auf der weinroten Eckcouch im vorderen Bereich des Wohnzimmers bequem gemacht, nachdem er den restlichen Nachmittag links liegen gelassen worden war. Kai war nach dem kurzen Treffen in der Küche wieder verschwunden und Yuriy hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen. Auch Boris hatte sich mit einem „Ich muss noch etwas erledigen“ mit Ivan davongemacht. Gut. So leicht würde sich der Tiger nicht rausekeln lassen! Gerade war er vertieft in sein Buch, als er ein durchdringendes Knallen hörte, kurz darauf ein genervtes Schnaufen und das Klimpern von Geschirr. Da war wohl jemand nach Hause gekommen. Desinteressiert wandte er sich wieder seinem Buch zu. Im Moment war die Ruhe ganz angenehm. „Hey, Rei.“ Angesprochener sah auf und erkannte Kai, der mit einer dampfenden Tasse auf ihn zu ging und sich auf dem Rand der Couch, auf welcher der Tiger lag, auf Hüfthöhe niederließ. „Hi!“, lächelte der Schwarzhaarige freundlich und musterte die müden Augen seines ehemaligen Teamleaders. „Anatomie des Menschen?“, skeptisch zog Kai eine Augenbraue in die Höhe, als er den Titel des Buches las. „Sportmedizin.“, lächelte der Tiger erneut und legte das Buch auf den schwarzen Couchtisch, wo sie von Kais Tasse nicht allein gelassen wurde. „Was machst du?“ Neugierig blickten die goldgelben Augen in Rubinrote. Es war ungewohnt nach eineinhalb Jahren wieder dieser mystischen und gleichfalls faszinierenden Ausstrahlung des Phönixes zu erliegen. „Bis jetzt BWL, aber ich werde im Herbstsemester mit Biologie anfangen.“ „Warum so etwas ganz anderes?“ „Da ich mit der Firma meines Großvaters nichts anfangen konnte und wollte und sie verscherbelt habe, mache ich dass, wozu ich Lust habe.“ „7-Zimmerwohnung.“, schlussfolgerte Rei trocken, was Kai überraschenderweise ein leichtes Lächeln entlockte, bevor er zynisch hinzufügte: „Unter Anderem. Ich glaube, die betrachten mich als hauseigenen Geldbaum.“ „Geldbaum?“, lachte der Tiger, beobachtend wie Kai mit einer Geste auf seine wirren Haare deutete. „Ist auf Yuriys Mist gewachsen.“ „Ach so.“, schmunzelte Rei und funkelte seinen zwangsläufigen Gastgeber an. „Was machen denn die Anderen?“ „Sergej studiert Maschinenbau, Boris kämpft sich durch Psychologie und Ivan beginnt im Herbst mit Geschichte und Musik.“ „Musik?“ „Ja, er spielt Klavier und Geige. Allerdings kann man von so etwas nicht wirklich leben, deswegen hat er auch noch Geschichte dazu genommen. Ich weiß zwar nicht, womit er da Geld verdienen möchte, aber er bildet es sich halt ein.“ „Wow. Alle doch recht unterschiedliche Richtungen.“ „Was hättest du erwartet?“ Etwas grimmig sah Kai auf den Schwarzhaarigen herab, der nur mit gerunzelter Stirn den Kopf schüttelte und sich ausgiebig streckte. „Bei uns ist das eher langweilig. Takao steigt bei der BBA ein, Max bei seiner Mutter, Kyouju studiert, wie sollte es auch anders sein, Informatik und Hiromi Design – bei ihrem Tick auch nicht weiter verwunderlich. Bei den White Tiger X sudieren Rai und Mao Humanmedizin und Gao lernt Koch.“, gähnend beendete Rei seine Aufzählung und schielte zu dem nachdenklich dreinschauenden Phönix. „Was denkst du?“ „Habt ihr alle noch Kontakt zueinander?“ Etwas überrascht stutze der junge Chinese einen Moment. „Ja, hin und wieder. Aber gesehen haben wir uns nur auf der BBA-Weihnachtsfeier.“ Ein Anlass, zu dem Kai wie so oft nicht erschienen war. Auch mit ein Grund für Reis Besuch. Er wollte die Verbindung zu dem nachlässigen Russen nicht erneut verlieren. Es war ja schon kompliziert – fast unmöglich - gewesen nach so kurzer Zeit an seine Adresse zu kommen, wie sollte es da in fünf oder mehr Jahren sein? „Hm.“ Erschöpft trank der Graublauhaarige einen Schluck Tee, wobei er seine Augen genießerisch schloss. „Warum Biologie?“, wollte der Tiger plötzlich wissen. „Warum Medizin?“ „Gut. Es überrascht mich nur etwas. Ich finde es auf jeden Fall super und viel interessanter als dieser trockene Wirtschaftskram.“ „Hm.“ Entspannt öffneten sich die rubinfarbenen Augen einen Spalt breit. Resignierend seufzte Rei auf und setzte sich auf. Urplötzlich kehrte wieder leben in Kais Augen und sie begannen zu funkeln: „Was machst du?“ „Aufstehen.“ Grinsend packte Rei sein Buch und wollte schon in den zweiten Teil des Wohnzimmers, wo die nachtblaue Schlafcouch stand, tänzeln, als er von einem festen Griff um sein Handgelenk aufgehalten wurde. Fragend blickte er über seine Schulter und fand zwei verschleiert funkelnde Rubine vor: „Du kannst gerne bei mir schlafen. Da ist es weitaus bequemer und ruhiger.“ Das letzte Wort betonte er leicht säuerlich. Scheinbar hatte er schon reichlich schlechte Erfahrung sammeln dürfen. Doch der Schwarzhaarige schenkte eher der freudigen Tatsache Beachtung, dass Kai bis jetzt kein Problem mit seinem Überraschungsbesuch zu haben schien und strahlte ihn an: „Sehr gerne!“ Von Reis Enthusiasmus etwas verwirrt, klaubte er seine Tasse auf und schlenderte in die Küche. „Hast du Hunger?“, fiel dem Graublauhaarigen ein und drehte sich zu dem Tiger um. „Hmm, ja, keine so üble Idee.“ Neugierig schielte er über Kais Schulter in den, nun ja, recht leeren Kühlschrank. Wütend schnaubte Kai, drehte sich so abrupt um, dass der Schwarzhaarige beinahe umgefallen wäre und raste aus dem Raum. „Yuriy! Du hattest heute gefälligst einzukaufen!“, schrie er durch dessen Zimmertür auf Englisch. Daraufhin folgten irgendwelche grobklingenden, russischen Wörter durch die Tür. Da Rei sie ganz gut hören konnte, ging er davon aus, dass auch diese eine gewisse Lautstärke hatten. Mit geballten Fäusten kam Kai zurück: „Leider haben wir nichts vernünftiges mehr zu essen.“ „Hmm.“ Kurzerhand öffnete der junge Chinese noch einmal den Kühlschrank und durchstöberte die Kühltruhe. „Ihr habt Spinat, Käse, drei Eier und ...fünf Scheiben Schinken. Habt ihr einigermaßen essbares Brot?“ „Ich bezweifle es.“ „Mehl?“ „Ja.“ Langsam ging der Halbrusse zu einem Küchenschrank und holte ein Behältnis mit Mehl heraus. „Gut. Magst du Pfannkuchen?“ Diese Frage wurde mit einem Lächeln beantwortet. Eine dreiviertel Stunde später konnte man schwere Schritte und das Plätschen einer Türe vernehmen, darauf folgten schwere Schritte und das Geräusch von Mänteln. Keine zehn Sekunden später schoben sich drei Leiber durch die Küchentür. Einer mit neugierigem, einer mit genervtem und einer mit gleichgültigem Blick im Gesicht. „Was esst ihr da? Pfannkuchen?“ Mit hochgezogener Augenbraue sah Ivan auf die spärlichen Überbleibsel auf den Tellern des Phönix’ und des Tigers. „Es ist nichts mehr da.“, antwortete Erster auf Ivans unausgesprochene Frage, welcher daraufhin skeptisch dreinblickte. „Bedank dich bei Yuriy.“ Genervt verdrehte die Schlange seine Augen. „Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst dir das Sandwich kaufen.“, stichelte Sergej mit besserwisserischem Ton. Sauer drehte sich Ivan im Absatz um und verschwand – vermutlich in sein Zimmer. „Er lernt für die Klausur.“, meinte Boris und holte sich ein Glas Wodka. „Ach und wozu das mit der Romanov?“ Gleichgültig schnappte sich auch Sergej ein Glas und füllte es bis an den Rand mit der klaren Flüssigkeit. „Blond, schlank, verheiratet.“ Achselzuckend leerte der Falke sein Glas und stellte es in die Spüle. „Mhm.“ „Ihr nervt!“, unterbrach Kai scharf das „Gespräch“ seiner Mitbewohner, die desinteressiert aus der Küche schlenderten, wobei auch Sergej seines auf Ex austrank. Verblüfft hatte Rei die ganze Szenerie beobachtet: „Ist das immer so?“ „Dasselbe auf Russisch.“ //Okay...//, dachte sich Rei. In Gedanken versunken kümmerte er sich um das Geschirr, als ihm der intensive Blick im Rücken auffiel. Sobald er sich umwandte, trafen seine Augen auf die Kais, welche ihn nachdenklich anfunkelten. Fragend entgegnete er diesem Blick. Dann geschah schon wieder so ein kleines Wunder und Kai lächelte. Später lag der junge Chinese in Kais Zimmer in dessen Bett. Nicht das genug Platz für eine Couch gewesen wäre, wenn das Bett nicht 2x3 Meter groß wäre. Dem Tiger konnte es soweit egal sein. Aber er war gespannt, was sein Überraschungsbesuch noch bringen würde. ____________________________________________________________________________________________________________________ Über Kommentare - positive wie negative - würde ich mich freuen! Ich sage dann auch Bescheid, wenn es weitergeht. Bye Minerva Kapitel 2: Alles normal, oder? ------------------------------ 2. KAPITEL: ALLES NORMAL, ODER? Hallo erstmal! Da habe ich am Wochenende dieses Kapitel weiter geschrieben und wollte jetzt eigentlich damit weitermachen. Allerdings habe ich einen kleinen Hänger, was mich die Entscheidung fällen ließ, einen Cut zu machen (es passt auch gerade so schön^^). Es handelt sich hierbei leider über ein Labberkapitel. Ich wollte mal das Rundherum aus Yuriys Sicht ins Spiel bringen. Aber nu' genug der Präambel^^. Enjoy reading! „Woran denkst du?“ Langsam drehte Yuriy seinen Kopf zur Seite und blickte in blaugraue Augen. Er lag in einem großen Bett, dessen edle schwarze Bettwäsche vollkommen durchwühlt war. Die Augen seines Gegenübers sahen ihn durchdringend an. Einen Blick dieser Art fand man nur bei Frauen wie ihr. Ende 30, reif, erfahren und unglücklich verheiratet. Man mochte meinen, Frauen diesen Alters seien nur begehrenswert für so junge Männer wie ihn, weil sie im Bett wussten was sie wollten und wie sie es bekommen konnten, was partiell wohl auch zutraf. Es wäre gelogen, wenn Yuriy sagen würde, er profitiere nicht auch davon, aber bei ihnen lief es anders als bei den meisten anderen Verhältnissen dieser Konstellation. Er floh nicht gleich mit niedergeschlagenen Augen nach dem Akt und die Gespräche in ihrer Liebesbeziehung bestanden nicht nur aus Ahs, Uhs und Ouhs. Er sprach gerne mit ihr und sah sie ebenso gerne an. Natürlich war ihre Haut nicht mehr so straff wie bei einer 20 – jährigen und die Cellolitis konnte man nicht mehr übersehen. Und das obwohl sie recht sportlich war. Das war nun mal das Schicksal der Frauen und es störte ihn nicht. Er fand diesen allgemeinen Schönheitswahn ohnehin lächerlich. Natürlich wollte man keine Tonnen auf dem Catwalk entlang stampfen sehen oder in Magazinen betrachten, aber Hungertücher waren mindestens genauso unansehnlich. Gutaussehend und normal schlank waren doch ausreichende Maßstäbe. Wenn die Models, welche für ihren Job zwangsweise körperlich fit sein mussten, etwas Orangenhaut hätten, wäre es doch okay. Es würde ihm besser gefallen, wenn die Frauen natürlicher aussehen würden und nicht jede Unebenheit und jedes Gramm wegretuschiert werden würde. Er wollte auch gar nicht erst wissen wie viele Mädchen gesünder leben würden, wären die Models natürlicher dargestellt. „Dies und das“, antwortete Yuriy nach einer Weile und schon zogen sich die feinen Striche ihrer Augenbrauen nach oben. Ein Anblick, der ihm schon aus den Seminaren bekannt war und immer dann zustande kam, sobald sich jemand etwas bei einer essentiellen Frage aus der Nase zog, die sich ihrer Meinung nach von selbst erklärte. Ja, ja, er lag mit seiner Professorin Svetlana Romanov im Bett... „Wenn ich dich frage, was du denkst, gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder du sagst es mir oder du gibst zu, dass es mich nichts angeht.“ Geradezu analytisch bohrten sich ihre Augen in seine. Er musste innerlich seufzen: „Wir haben Besuch in der WG.“ „Was veranlasst dich so darüber nachzudenken. Magst den Besucher nicht?“ Bei allen bisherigen Frauen, Svetlana war die Neugierigste: „Er ist mir egal. Nervt nur, dass er dauernd herumschleicht.“ „Wenn er dir egal ist, kann er dich nicht nerven.“ Das stimmte. Aber obwohl Rei eigentlich ganz in Ordnung und ein unkomplizierter Gast war – im Gegensatz zu gewissen Weltmeistern – regte es ihn schon nach einem Tag auf, dass es ihn gab. Ungerecht, vielleicht, aber eben nicht zu ändern. „Was ...“, aber Svetlana konnte nicht ausreden. Das Telefon auf dem Nachtisch schellte unangenehm laut auf. Genervt die Augen verdrehend drehte sie sich um und nahm ab: „Romanov?“ „ ...“ „So?“ „ ...“ „Ich dich auch. Bis dann.“ „Dein Mann?“ Sie seufzte genervt auf und nickte. „Er kommt heute Abend schon wieder zurück. Das Meeting morgen ist ausgefallen.“ „Na, dann geh’ ich mal.“ Gemächlich wühlte sich Yuriy aus dem Deckenwirrwarr und begann seine Kleidung aufzulesen. „Ja, solltest du. Bis später.“ „Ja, Tschüs.“ Unauffällig schlich sich der Rothaarige aus dem hauseigenen Garten der Romanovs und verschwand wie ein Geist im scheinbaren Nichts. Wer hätte gedacht, dass der Drill der Abtei mal bei dem aus dem Haus schleichen seiner verheirateten Liebhaberinnen nützlich sein könnte... Auf einer der Hauptstraßen Moskaus angekommen, verlangsamte Yuriy sein Tempo und ließ sich im lebhaften Gewirr der Menschen treiben. Gestern hatte er die Klausur geschrieben und nun wieder mehr Luft und Zeit für sich. Und eigentlich hatte er sich darauf gefreut einfach zu Hause rumzuhängen und mit seinen Freunden das Nachtleben unsicher zu machen, Tätigkeiten, die in den letzten zwei Monaten auf der Strecke geblieben waren. Aber nun wurde ihm die Aussicht auf seine Highlife-Zeit genommen. Nun musste ja der Gast, der jetzt, den Ankunftstag mit eingerechnet, den dritten Tag da war und da war und da war, einfach da sein. Der junge Chinese hatte ihm noch nie was getan oder ihm auch nur im Entferntesten einen vertretbaren Grund gegeben, so auf ihn zu reagieren, bis auf die Tatsache, dass er eben da war. Doch konnte man Rei noch nicht einmal als störend oder gar unfreundlich bezeichnen. Er schaffte es sogar ganz natürlich freundlich und anspruchslos zu wirken, dabei aber 3-Gänge Menüs aus dem Ärmel zu schütteln, einzukaufen und bei der Hausarbeit zu helfen ohne das es nach Schleimerei - auch nur im weitesten Sinne - aussah. Er war einfach so. Und man konnte es auch, wie man es drehte und wendete, nicht in einen negativen Bereich lenken. Ihn als Hausmütterchen bezeichnen oder so. Der Chinese hatte so unverschämt viele gute Eigenschaften und Charakterzüge, dass es einem einfach nur den Wind aus den Segeln nehmen konnte. Ein rundum guter Kerl, der einfach mal sein ehemaliges Teammitglied besuchen wollte und zur Entschädigung für seinen spontanen Aufenthalt etwas zur Hand ging. Yuriy ballte seine Hände zur Faust und stieß verächtlich den Atem aus. Es war albern, aber ihn störte genau dieses „guter Kerl“ sein von Rei. Konnte er sich nicht auch wie jeder andere Gast einfach bekochen lassen und zu Sachen wie einkaufen zumindest bitten lassen? Von Abwaschen und Staubsaugen ganz zu schweigen. Darum würde man keinen Gast wirklich bitten. So viel Benehmen besaß sogar er! Der Rothaarige murrte innerlich bei diesen Gedankengängen. Er konnte nur hoffen, dass Rei nicht länger als maximal zwei Wochen bleiben würde. Dieser Zeitraum schien ihm zwar fürchterlich lange, wenn er da an die letzten drei Tage dachte, in denen er keine Zeit gehabt hatte den Jungen öfter als bei den Mahlzeiten zu sehen, aber er konnte schließlich nicht mit der Frage nach seiner Aufenthaltsdauer den Anschein erwecken lassen, Rei nicht früh genug loswerden zu können. Ehe sich Yuriy versah, stand er vor dem Gebäude, in dem sie ihr Apartment hatten. Nachdem er die Schlüssel aus seiner Jackentasche gezogen hatte, die Treppen hinaufgeeilt war, stand er nun vor der Wohnungstür im dritten und obersten Geschoss und sperrte auf. Sogleich empfing ihn die angenehme Ruhe der Wohnung. Ein Blick auf den Kleidungsständer links neben der Tür reichte, um sich zu vergewissern, dass alle da waren, auch Rei. Es war Nachmittag, was bedeutete, dass Yuriy das Mittagessen verpasst hatte, was seinem Magen so gar nicht gefallen wollte und ihn konsequenterweise in die Küche lockte. Der Rotschopf musste feststellen, dass der Kühlschrank seinem Zweck wieder nachkam und sinnvoll gefüllt war – nicht mit alkoholischen Getränken, Fertiggerichten und Wurst in Plastikverpackungen oder nichts wie üblich. Glücklicherweise befand sich darin auch ein Rest Gulaschsuppe in einem Topf, die er sich sogleich unter den Nagel riss. Sogar frisches Brot war da mit dem er sie essen konnte. Normalerweise war schon altes, nicht bereits weglaufendes Brot Mangelware in diesem Haushalt. Genüsslich fing er dann auch an die aufgewärmte Suppe in sich hinein zu schlürfen, als er Schritte bemerkte. Kurz darauf trat auch schon Boris in den Raum. „Auch schon wieder da.“, grüßte der Lilahaarige und begann sich Tee aufzusetzen. „Was war heute so?“ Diese Momente waren selten. Momente, in denen sie reden konnten. So lächerlich es sich auch anhörte, diese Augenblicke waren nicht häufig, obwohl es nicht an Zeit oder Möglichkeiten mangelte. Seit sie zusammen in der Abtei – nach Kais verschwinden - in einem Zimmer gelebt hatten, hatte sich eine Art seltsame Freundschaft aufgebaut. Sie war mit einem Draht zu vergleichen: Immer da, aber nur hin und wieder unter Strom stehend. Die meiste Zeit über lebten sie in stiller Übereinkunft und in Frieden nebeneinander her. „Heute Vormittag Uni. Ich darf mich jetzt durch die Freud’schen Theorien ackern und dann darüber ein Referat halten.“ Boris zog bei diesem Gedanken die Auenbrauen zusammen, während er das heiße Wasser in seine Tasse goss und einen Teebeutel mit Kamille hineingab. „So etwas interessiert dich doch. Du hast doch gesagt, dass du den Stoff so faszinierend findest und deshalb Psychologie studieren willst.“ „Sicher. Aber ich habe trotzdem keinen Bock den anderen Schwachmatten ein Referat zu kreieren, das so auf unterstem Niveau ist, damit sie auch verstehen können von was ich denn da bitteschön spreche.“ Seufzend setzte sich der Lilahaarige gegenüber Yuriy. „So dumm werden die nicht sein können.“ „Sie lernen alles nur auswendig und kratzen nur an der Oberfläche, anstatt wirklich zu begreifen, was sich die Leute gedacht haben, als sie diese Thesen ect. aufstellten.“ „Aha.“ Genervt trank der Falke einen Schluck: „Du warst wieder bei deiner Professorin.“ „Mhm.“ „Was gefällt dir so an ihr, dass du sogar mit ihr ins Bett hüpfst?“ Sie war hübsch, ja, aber das reichte Boris als Begründung nicht. Yuriy überlegte, ehe er antwortete: „Ihre blaugrauen Augen. Sie strahlen Wissen, Dominanz, Stolz und Einsamkeit aus. Zumindest hauptsächlich. Außerdem ist es nicht von der Hand zu weisen, dass ich den Sex wirklich sehr genieße.“ „Du springst wohl immer auf denselben Typen an.“ „Wie meinst du das?“ Er hatte schon viele Frauen, ja, dass auch ein Schema zu erkennen war, war verständlich, aber Boris würde so etwas Unnötiges nicht erwähnen, wäre da nicht mehr im Busch. „All deine Frauen haben den gleichen Ausdruck in den Augen.“ „Booo!“ Jetzt begann es Yuriy zu nerven. Dieses hinterm Berg halten von Informationen, dieses Versteckspiel darum herum machte ihn sauer. „Ich finde nur, dass es interessant wäre, herauszukriegen woher diese Neigung kommt. Wo der Ursprung liegt.“ „Worauf willst du hinaus? Sag’ jetzt endlich!“ Er verlor die Geduld. „Yuriy“, tadelte Boris leise, „achte einfach nur mal darauf.“ „Humpf.“ Mürrisch verschränkte er seine Arme vor der Brust. „Wenn ich du wäre, würde ich das Wohnzimmer meiden.“, wechselte der Lilahaarige das Thema. „Sind Kai und Rei dort?“ „Ja. Aber sie nerven. Die reden über naturwissenschaftliche Themen und über die Studienwahl und das Leben der Anderen. Das ist so ermüdend.“ Fast gequält rieb sich Boris an den Schläfen. „Aha.“ „Okay, dann werde ich mich mal wieder dem guten Freud zuwenden“ Mit diesen Worten stand er auf und spülte die Tasse ab, ehe sich der Lilahaarige mit einem viel sagenden Lächeln zu Yuriy umschaute und die Küche verließ. Eine Weile lang saß der Wolf noch da und ließ sich Boris’ Worte durch den Kopf gehen. Seine Eroberungen waren tatsächlich alle starke Frauen, die eine gewisse Trauer, beziehungsweise Einsamkeit in sich trugen. Klar, sonst wären sie ja nicht mit ihm fremdgegangen. Aber warum sollte dies so auffällig sein, damit Boris auf die Idee kam, dass er den Ursprung suchen sollte. //Was soll’s! Das werde ich schon noch herausfinden//, dachte sich Yuriy, als er anfing das Geschirr abzuspülen und aufzuräumen. Als er aus der Dusche kam, hörte er Ivan auf seinem Klavier irgendein Stück von Mozart – mittlerweile konnte er die Komponisten sogar unterscheiden – klimpern. Aufseufzend ging Yuriy sich anziehen, wobei ihm auffiel, dass es schon halb sechs Uhr abends war. Zum Ausgehen viel zu früh. Zu irgendeiner sinnvollen Tätigkeit wie lernen oder lesen konnte er sich beim besten Willen nicht aufraffen. Da blieb außer Musik hören und herumgammeln oder fernsehen nicht viel übrig. So wie er momentan drauf war, hätte er auch wieder gut zu Svetlana gehen können und sie... nun, aber das fiel flach. Ihr egomanischer Mann kam wieder von seiner Geschäftsreise zurück und wollte bemuttert werden. Er kannte ihn zwar nicht persönlich und Gott bewahre, dass sie sich mal begegnen, aber Svetlana hatte Yuriy ihre Beweggründe mal erläutert. Normalerweise sprach er mit seinen Bettgenossinnen nicht über deren Ehemänner. Sie wollten um alles in der Welt nicht an solcherlei denken, wenn sie mit ihm zusammen waren. Allein schon der versteckten Schuldgefühle wegen. Aber Svetlana war von Anfang an anders gewesen. Sie wusste genau was sie tat und vor allem wollte. Und neugierig war sie seit ihrem ersten Mal gewesen. Schon bevor ihre Affäre begonnen hatte, war sie interessiert an ihrem rothaarigen Studenten gewesen. Damals natürlich aus ganz sachbezogenen Gründen. Er war einfach gut und das hatte sie sofort erkannt. Auf jeden Fall hatte er es sich bei ihr geleistet, sie zu fragen, warum sie ihren Mann betrog. Kurz gesagt, der Typ schien ein egoistisches Arschloch wie aus dem Bilderbuche zu sein. Warum sie ihn nicht verließ, verriet Svetlana allerdings nicht. Die meisten Frauen hatten Angst vor einer Trennung, den Konsequenzen. Yuriy fragte sich nur was da auf Dauer wirklich schlimmer war. Innerlich seufzend wagte sich der Rothaarige ins Wohnzimmer. Kai und Rei saßen auf der blauen Couch im hinteren Bereich des Wohnzimmers und unterhielten sich über die ethische Problematik betreffend Wachkomapatienten... //Häh?// Yuriy zog nur die Augenbrauen hoch und dachte an Boris’ Worte. Aber ER würde sich nicht verscheuchen lassen. Wohin auch? Fies grinsend holte er eine DVD aus dem Regal und schob sie in den Rekorder. Einige Sekunden später erklang die laute Stimme des Erzählers, als der Film begann. Durch den Krach wurden die beiden Anderen auf ihn aufmerksam. „Oh, hallo Yuriy! Du warst aber lange weg. Hast du den Rest Gulaschsuppe gefunden?“, begrüßte ihn Rei sogleich freundlich lächelnd. „Ja, vielen Dank dafür. War gut.“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Wo warst du denn so lange.“, wollte Kai nun wissen. Ohne Grußwort ans Eingemachte. Das war typisch Kai. Na dann, wenn er es so wollte: „Ficken.“ Mit einem breiten, fiesen Grinsen blickte er in die roten Rubine, die empört aufblitzten. „Noten aufbessern, oder was?“ „Nein, Mama. Nur ficken. Den Rest besorge ich ihr mit anderen Qualitäten.“ „Du bist das Letzte, Ivanow.“ Kais Stimme klang tatsächlich abfällig. Das passte Yuriy gar nicht. „Du tust ja gerade wie die Jungfrau Maria. Bist ja nur neidisch, dass ich Frauen rum kriege, die mehr im Hirn haben als Make up und Haare.“ Der Blauäugige erkannte deutlich die lodernde Wut in Kais Augen und bereitete sich innerlich für ein Donnerwetter sondergleichen vor, doch da hatte er seine Rechnung ohne Rei gemacht, der sich als Diplomat versuchte: „Was schaust du da eigentlich?“ „300.“, ging Yuriy auch darauf ein, Kai ignorierend. „Das mit Sparta?“ „Genau. Etwas ethisch auch sehr lehrreiches.“ Er konnte es halt einfach nicht lassen. Mit einem Schnauben stand Kai nichts sagend auf und stürmte aus dem Zimmer. Natürlich nicht ohne Yuriy zuvor mit seinen Blicken zu erdolchen. Der ließ sich davon nicht mehr beeindrucken. Diskussionen solcher Art hatten sie schon hunderte. Der Graublauhaarige konnte seine Liebeleien mit Verheirateten einfach nicht akzeptieren. Dahinter steckte Kais ethisch-moralische Vorstellung von dem heiligen Bund der Ehe. Wieso er das so sah, wusste der Wolf nicht, aber er sah es eben anders. Die Ehe war für ihn nicht mehr als ein Zweckbündnis, gemacht nur der steuerlichen Vorteile wegen. Wenn man sich liebte, brauchte man das nicht. Und wenn man sich nicht mehr liebte, hatte der Bund der Ehe auch keine Bedeutung mehr. Er erschwerte höchstens die Trennung und machte diese schweineteuer. „Sag’ mal, wie machst du das immer?“, wurde der Blauäugige plötzlich aus seinen Gedanken gerissen. Rei war dageblieben und setzte sich jetzt neben Yuriy, betrachtete ihn neugierig. „Was mache ich wie?“ Verwirrt blickte er in die goldenen Augen. „Zweierlei: Wie bringst du Kai so auf die Palme ohne zu sterben und zweitens, wie kommst du zu diesen Frauen?“ „Erstes ist ganz einfach“, lachte Yuriy, „wir haben uns seit wir klein waren gegenseitig um den Verstand gebracht und es beide überlebt. Das ein oder andere Mal war allerdings auch eine Portion Glück mit dabei. Und das mit den Frauen ergibt sich immer so.“ „Wie?“ Der schwarzhaarige Chinese sah ihn fragend an. Es schien ihm ein Mysterium. „Das ist so: Am Anfang ist da ein Mann und eine Frau. Die ziehen sich dann aus und legen sich aufeinander. Dann muss...“ „Das weiß ich auch.“, unterbrach Rei ihn bei seiner Interpretation des „wie“, „Die verheirateten Frauen werden sich wohl kaum auf dich stürzen und dich anbetteln mit ihnen in die Kiste zu steigen, oder?“ „Oder?“ Yuriy ließ es sich nicht nehmen den Asiaten aufzuziehen, obgleich er über dessen Offenheit überrascht war. Sie kannten sich schließlich kaum und waren sich in ihrer ganzen Art und Lebensvorstellung fremd, was nicht zuletzt an Yuriys Vergangenheit in der Abtei lag. Und Themen wie diese fielen eindeutig nicht unter Small Talk. Aber dem Russen sollte es recht sein. Er hatte kein Problem über solche Dinge zu sprechen. Rei zog eine Grimasse und wollte schon aufgeben, doch der Rothaarige lenkte ein: „Bei meiner Professorin war es zum Beispiel so, dass ich sie mal zufällig in einem Café getroffen habe und mit ihr über irgendwelche juristischen Themen gesprochen habe. Am Ende unterhielten wir uns zwar auch oberflächlich über private Dinge, aber es war nichts von Bedeutung. Sie schätzte mich von Anfang an als guten Studenten und seitdem halt noch mehr.“ Yuriy begann zu grinsen, was den Chinesen seinen Kopf schief legen ließ. „Später, bei einer mündlichen Prüfung bemerkte ich dann jedoch wie sie mich ansah und das da mehr im Busch war als Wertschätzung.“ „Und dann?“ Der Rothaarige grinste überlegen, als er fortfuhr: „Dann habe ich sie geküsst.“ „Einfach so?“ Rei konnte sich eine derartige Dreistigkeit sogar bei dem Rothaarigen nicht vorstellen. Schließlich hätte das böse nach hinten losgehen können. „Wenn man die Frauen gut beobachtet erkennt man leicht an ihren Augen was sie wollen.“ Natürlich war es nicht ganz so einfach, wie er es darstellte. In Wahrheit war ihm schon ganz schön die Muffe gegangen, als er auf sie zugegangen war und seine Lippen forsch auf die Ihren legte. „Auf jeden Fall“, fuhr er fort, „hat sie erwidert und mich gleich auf dem Pult flachgelegt.“ Der Schwarzhaarige kam nicht umhin zu stutzen. Das musste vielleicht eine Marke von Frau sein... „Und empfindest du auch etwas für sie oder ist das einfach nur Sex?“ „Das geht dich nichts an.“, fiel nun der Vorhang. Themen wie diese lagen bei Yuriy in einer anderen Schublade, aber in einer ganz anderen. „Gut, okay. Das akzeptiere ich.“, sinnierte der Goldäugige und schaute nachdenklich zur Tür. Yuriy wollte schon einen Kommentar, dass ihm auch nichts anderes übrig bliebe, als es zu akzeptieren, zum Besten geben, als Rei fragte: „Was hältst du von Abendessen?“ „Viel.“, gab der Rothaarige etwas überrumpelt von sich. „Gut. Ich ruf’ dich dann.“ Freundlich lächelte Rei seinen zwangsläufigen Mit-Gastgeber an und verschwand. Der Blauäugige schüttelte seinen Kopf über diesen Jungen. Der Kerl war auf eine Art und Weise furchtbar, die selbst ihn teilweise entwaffnete. Kein Wunder, dass Kai mit ihm am Besten von den Bladebreakers auskam und ihn sogar auch noch gerne mochte. //Schlimm!// Ungefähr eine viertel Stunde später saßen tatsächlich alle WG-Bewohner an ein und demselben Tisch und genossen ein nahrhaftes Mahl mit frischem - merke frischem – Brot, allerlei Gemüse wie Tomaten, Radieschen und Gurken, sowie Schinken, Salami, Lachs und Streichwurst. Man wollte sich gar nicht vorstellen wie so ein Abendessen bei ihnen sonst aussah... Klare, nicht ganz unalkoholische Flüssigkeiten nahmen da die Hauptrolle ein, dicht gefolgt von Chips und Schokolade in der Zweitbesetzung. Also nicht unbedingt das Non plus ultra. Wohlwollend schob Yuriy ein Lachsbrot in seinen Mund, als er die düsteren Augen seines Gegenübers auf sich ruhen spürte: „Auch mal beißen?“ Freundlich lächelnd hielt er diesem das angeknabberte Brot hin. „Nein, danke.“, spuckte Kai schon fast aus und sah ihn bitterböse an. „Dann eben nicht.“ Mit diesen Worten verschlang der Rothaarige den Rest des Brotes und lächelte dabei selig. „Du bist ja so ein Idiot.“, gab Kai auf russisch von sich, als er diese Albernheit beobachtete. „Was denn?“ Yuriy sah es nicht ein die Sprache zu wechseln, nur damit der Chinese nichts von den Scharmützeln mitbekam. Als Kai ihn dann jedoch ignorierte und sich wieder dem Essen widmete, stellte Yuriy die alles entscheidende Frage in den Raum: „Wer geht heute mit mir aus?“ „Ganz sicher nicht.“, stieß Sergej sofort abschätzend aus. „Es ist Donnerstag.“, gab Boris abfällig von sich und bestrich sein Brot weiter mit Butter. „Im NC ist donnerstags auch immer die Hölle los!“, versuchte der Rothaarige seine Freunde zu gewinnen. „Ich begleite dich.“, meinte Ivan gelangweilt, während seine Augen über den Tisch huschten, sein nächstes Opfer suchend. „Klasse!“ Yuriy strahlte nun zu Kai hinüber, der ihn gekonnt ignorierte. „Ich würde auch gerne mitkommen, wenn es euch nichts ausmacht?“, stellte Rei die überraschende Frage. „Sicher! Das Moskauer Nachtleben musst du mal mitmachen.“ Die eisblauen Augen blickten kurz zu dem Chinesen, ehe er wieder Kai fixierte. Jetzt musste der Phönix fast mitkommen. Er konnte Rei schließlich nicht mit dem verruchten Yuriy allein losziehen lassen. „Mhm.“ Kai schien seinem Gedankengang zu folgen. Gut. Dann brauchte es nicht mehr viel. „Ach, komm schon. Das wird bestimmt lustig.“ Mit einem Welpenblick sondergleichen zog Yuriy eine Schnute und blickte in die rubinfarbenen Augen, die nur Missfallen für ihn übrig hatten. Erwartungsvoll beobachtete der Schwarzhaarige die Szenerie bis Kai schlussendlich unter einem tonlosen Seufzen nickte: „Meinetwegen.“ „Hervorragend. Dann gehen wir um halb neun.“ Unter diesen Worten stand der Rothaarige auf und legte seinen Teller in die Spüle, ehe er davon stob. ____________________________________________________________________________________________________________________ Ich hoffe das Kapitel gefällt^^. Über positive und negative Kommentare freue ich mich auf jeden Fall! Ohne euch, meine lieben Kommischreiber, wäre das Kapitel bis Weihnachten nicht fertig geworden. Aber durch die vielen Anfeuerungsversuche habe ich mich letztendlich aufgerafft (das letzte Kapitel hat mehr Kommis als meine anderen FF's)! Vielen Dank dafür^^! Ich habe mir überlegt, ob ihr mir nicht drei Stichworte sagen könntet - die ich mir dann von jemandem aussuche - und die ich dann in das jeweils nächste Kapitel einbringen könnte. Ist nur so eine Idee^^°. Merci beaucoup pour tout^^! Bye Minerva Kapitel 3: Nur Spaß, oder? -------------------------- 3. KAPITEL: NUR SPAß, ODER? Hallo meine lieben Leser! Diesmal ging es für meine Verhältnisse recht schnell mit dem Kapitel, zumal, ich jeder Woche eine Klausur hatte und noch habe^^°. Ich hoffe dieses Kapitel findet gefallen. Vielen Dank für die Stichworte^^! Ein paar habe ich eingebracht. Aber jetzt halte ich euch nicht länger auf: Enjoy reading! So standen sie also um kurz nach neun vor dem NC, einer angesagten Disco für Leute, die sich für etwas hielten und vor allen Dingen gut betucht waren. Darüber hinaus war sie ein Geheimtipp, was von vornherein bedeutete, dass da keiner hereinkam, den man nicht haben wollte oder nicht bekannt genug war. Rei sah noch einmal zu seinen Begleitern, ehe sie zum Eingang schritten. Yuriy ging voraus. Er trug eine dunkelblaue Jeans mit schwarzem Gürtel und ein weinrotes Hemd, welches wunderbar mit seinen roten Haaren harmonierte. Kai ging neben ihm und trug ein schwarzes Hemd, eine ebenso schwarze Hose und einen Ledergürtel von Hugo Boss, wobei das Boss natürlich mit silbernen Großbuchstaben an der Schnalle zu lesen war. Ivan trottete etwas lustlos hinter ihnen her und hatte eine Blue Jeans mit silbernem Gürtel und ein weißes T-Shirt von Ed Hardy mit Drachenmuster an. Rei selber trug ein oranges, ärmelloses chinesisches Oberteil und eine schwarze Hose passend dazu. Seine Haare hatte er diesmal ausnahmsweise zu einem dichten Zopf gebunden, anstatt sie in seinem Band zu „verstauen“, wie es viele bezeichneten. Rei sah, wie Yuriy mit dem Türsteher auf Russisch sprach und ihn dabei angrinste. Dieser verzog seine breiten Lippen zu einer Grimasse, die wohl ein Lächeln sein sollte und winkte die Gruppe zu sich. Staunend blickte der Schwarzhaarige in den Raum. Vom Eingang aus ging eine Treppe hinunter, welche auf eine riesige Tanzfläche führte. Links und rechts der Tanzfläche fanden sich Barhocker und lange Tresen mit jungen Frauen und Männern, die bedienten. Geradeaus ging wieder eine Treppe hoch auf eine andere Ebene, auf die sie auch zusteuerten. Ebenso wie unten gab es hier eine große Tanzfläche und eine Bar. Zudem waren in der Mitte vier Podeste zum Tanzen und vorne Couches und Sessel mit Tischen. Alles in allem eine wahnsinnige Location, um zu feiern. Verwunderlich war, dass schon zu dieser frühen Stunde recht viele Leute da waren und auch bereits das Tanzbein schwangen. Yuriy und Ivan verschwanden sogleich im Getümmel, während Kai und Rei auf die Bar zusteuerten und etwas zu trinken bestellten. „Seid ihr öfter hier?“, fragte Rei nach einer Weile. Die anderen Zwei waren in der Menge unauffindbar. „Hier und in noch einem Laden, wo eigentlich nur Studenten hingehen. Im NC ist allerdings mehr los und wenn man ein One-Night-Stand sucht, findet man es mit aller Wahrscheinlichkeit eher hier.“ „Sprichst du aus Erfahrung?“, rutschte es Rei mehr unabsichtlich heraus, doch der Blaugrauhaarige blieb ungewöhnlich kommunikativ, wie seit seiner Ankunft schon: „Ja. Alle Frauen, die ich hatte, habe ich eigentlich hier kennen gelernt.“ „Alle Frauen? Wie viele waren es denn?“ Im selben Moment hätte der Schwarzhaarige sich ohrfeigen wollen. Jetzt verstand er sich mit dem verschlossenen Russen so gut wie nie und nun setzte er die erneuerte Freundschaft durch seine Neugierde aufs Spiel. Rei wollte nicht wissen, wann bei Kai die Schmerzgrenze erreicht war, es ihm zu persönlich wurde und er sich hinter seiner inneren Mauer unwiderruflich verbarrikadierte. Aus Erfahrung wusste er, dass das von jetzt auf dann ging. „Fünf.“ „Was?“ Völlig aus seinen Gedanken gerissen, starrte der Chinese in die roten belustigt funkelnden Augen. „Frauen. Darunter vier von hier.“, schmunzelte Kai bei Reis ungläubigen Gesicht. „Warum fragst du mich Dinge, von denen du annimmst, ich würde nicht antworten?“ Der Graublauhaarige sah unverwandt in die bersteinfarbenen Augen und schien in ihnen lesen zu wollen. „Nun, es ist mir nur so herausgerutscht und ich habe nicht damit gerechnet, dass du tatsächlich – und zudem ernsthaft – antworten würdest.“, gab Rei sachlich zu. Kai zuckte bei dieser Aussage lediglich mit den Schultern und nippte bereits schon an seinem zweiten Wodka. „Du hast dich schon sehr verändert.“, nuschelte der Schwarzhaarige mehr, denn er sprach. Dennoch schien es der Rotäugige gehört zu haben. „Das täuscht. Da kannst du jeden Fragen. Ich bin genauso schwierig wie immer.“ „Und warum bist du zu mir dann so anders?“ Die goldenen Augen trafen auf unergründliche, rote Meere. Es schien ihm, er würde von ihnen verschluckt werden, da flackerte etwas in ihnen auf und Kai holte aus um zu antworten. Doch noch bevor ein Ton seine Stimmbänder verließ, wurde er unterbrochen: „Hey! Oh man, Yu nervt mich schon!“ „Was hat er wieder angestellt?“ Ivan bedeutete dem Barkeeper ihm einen Martini zu bringen, bevor er Kai bedeutungsschwer ansah: „Ich war so blöd und habe nebenbei erwähnt, dass ich gern eine Freundin hätte.“ „Hah! Selber schuld! Was redet ihr auch auf der Tanzfläche?“, lachte Kai fast schadenfroh. „Wir sind kurz auf dem Klo gewesen.“ „Ihr redet auf dem Klo über Beziehungswünsche?“ „Ach! Du nervst!“ Kai lachte daraufhin nur. „Was hat er denn gemacht?“ Rei kam da nicht mit. „Oh, erzähl du ihm das, Kai.“, genervt nahm Ivan sein Getränk entgegen und schlürfte genüsslich daran. „Wenn man verkuppelt werden will, dann ist Yuriy der richtige Ansprechpartner. Der macht einen Leistungssport daraus. Doch die Frauen, die er präsentiert kriegt man auf der Straße billiger.“ „Aber ich dachte er sei so anspruchsvoll?“ Rei war davon überzeugt, dass Yuriy auch deswegen ältere Frauen hin und wieder bevorzugte. „Er nimmt, was er kriegt.“, warf Ivan dazwischen, den Martini leerend. Kai schüttelte leicht den Kopf: „Er ist lediglich bescheuert.“ „Wer ist bescheuert?“, fragte es plötzlich hinter Kai und Rei und sie fanden einen verschwitzten Yuriy vor, der frech zwischen ihnen hindurchlangte und Kais Wodkaglas wie selbstverständlich an seine Lippen führte. „Du.“, kam die prompte Antwort von dem Phönix, der seinen Mitbewohner genau musterte. „Mhm, ach so.“, nuschelte er aus dem Glas hervor und trank fast alles aus, ehe er es Kai wieder gab, der mit einem tadelnden den-Rest-hättest-du-auch-noch-trinken-können Blick das klägliche Überbleibsel vernichtete. „Dann erbarme dich und tanze mit dem armen Idioten, der nichts anderes hat auf dieser Welt als sinnliche Freuden.“ Zuckersüß lächelte der Rothaarige seinen besten Freund an, der daraufhin eine Augenbraue hochzog und schmunzelnd den Kopf schüttelte. Keine Sekunde später drehte sich der Rothaarige mit einem freudigen Grinsen um. „Kommt ihr mit?“, fragte Kai höflichkeitshalber, während er von dem Barhocker herunterrutschte. „Später.“, lächelte Rei und Ivan ignorierte ihn, winkte lieber den Barkeeper erneut heran. Rei beobachte genau wie die beiden jungen Männer in der Menge verschwanden und wurde neugierig. Kai und tanzen? Eigentlich hätte er das schon gerne miterlebt. Allein schon um diese Erfahrung an die nachfolgenden Generationen weitergeben zu können. „Jetzt wird’s ne Party.“, gab Ivan plötzlich von sich, während er am nächsten Getränk hing. „Wieso?“ Gespannt blickten die goldenen Augen zu dem jungen Russen. „Du wirst es gleich sehen.“ Verständnislos zogen sich Reis Augenbrauen zusammen und beobachtete Ivan, der nur gegen die Tanzfläche nickte. Ein neues Lied begann. Bad Romance von Lady Gaga hämmerte durch die Lautsprecher, die Meute tobte. Zwischen den Tanzenden erkannte Rei plötzlich die Silhouette von Kai und Yuriy und ihm stockte der Atem. Der Anblick der beiden kühlen Russen auf der Tanzfläche allein, war bereits erstaunend. Sie aber quasi mit der Musik verschmelzen zu sehen, war etwas ganz anderes. „Die könnten Profitänzer werden.“, sinnierte Rei mit vor Fassungslosigkeit geöffnetem Mund. „Tja, die beiden haben’s eben drauf.“, murmelte Ivan trocken. „Als wären sie andere Menschen...“, murmelte Rei leise vor sich hin, nicht glauben könnend, wie fantastisch sich diese Körper bewegen konnten. Dabei dachte er von sich immer, er sei so ein guter Tänzer. Schnell hatte sich eine Traube um die beiden Beyblader gebildet. Die Leute riefen ihnen zu und pfiffen teils anerkennend, teils lüstern, wenn man es so nennen konnte, oder tanzten sie an. Es war eine richtige Show. Als das nächste Lied anfing, so weit er sich entsinnen konnte, musste es sich um Britney Spears’ Womanizer handeln, begann die Sicht in sich rhythmisch bewegenden Leibern zu verschwimmen. Vollkommen außer Puste kamen Kai und Yuriy an der anderen Bar gegenüber von Rei und Ivan an und deuteten dem Barkeeper mit einem Handzeichen: Wodka Lemon, wie immer nach dem Tanzen. „Ist doch gar nicht so schlecht heute.“, gab der Rothaarige von sich, während er sich mit der rechten Seite an die Bar lehnte, in der Rechten das Getränk hielt und den Graublauhaarigen verschmitzt anlächelte. „Mhm.“ Mehr gab Kai nicht von sich, als er an dem Wodka nippte. Plötzlich spürte er Finger seine Seiten entlang streichen, einen Körper, der sich genüsslich an seinen Rücken schmiegte. Irritiert und etwas verdrossen über diese starke Annäherung – mochte er es nicht, wenn nicht er entschied, wer sich ihm wann näherte und wer nicht – blickte er leicht hinter sich. Dunkelbraune Rehaugen sahen ihn verführerisch an und er erkannte: „Sasha.“ „Hallo Kai. Es ist schon eine Weile her.“ Mit diesen Worten stellte sie sich vor ihn, nicht ohne die Finger von ihm zu lassen. „Das stimmt. Wie geht es dir?“ Yuriy stand davor und beobachtete das Geschehen neugierig. „Gut, danke. Hättest du vielleicht Lust nachher mit zu mir zu kommen. Das letzte Mal war sehr schön.“ Sie lächelte zuckersüß und ihre Augen funkelten unwiderstehlich, während sie diese Worte sprach. Wie um ihr Angebot zu unterstreichen, fuhr sie lasziv mit ihrem Zeigefinger Kais Muskeln nach. „Ich würde ja gerne, aber ein Bekannter von weit her ist bei mir zu Besuch. Er ist hier im Club und es wäre unhöflich ihn stehen zu lassen.“ Unverschämt gewinnend lächelte er das Mädchen an und fing sanft ihre Hände ein, die ihn unaufhörlich berührten. „Ein anderes Mal gerne.“ Mit diesen Worten führte er eine Hand zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf die Finger. Es war ihr anzusehen, dass sie wachs in seinen Händen war. Yuriy grinste. Da eschoffierte sich der Phönix immer so über ihn, dabei war er kein geringerer Herzensbrecher. „Ich nehme dich beim Wort.“, versicherte sie noch einmal süß, bevor sie mit dem Zeigefinger über Kais Lippen strich, um kurz darauf einen zarten Kuss auf sie zu hauchen. Danach lächelte sie ihn an, löste sich von ihm und verschwand mit schwingenden Hüften in der Menge. Kai schüttelte kaum merklich seinen Kopf, ehe er erneut von dem Wodka trank. „Wer war denn das?“ Yuriy tat es dem Graublauhaarigen gleich, nicht ohne ihn schelmisch anzugrinsen. „Ein One-Night-Stand.“ „Ich dachte du hast danach nichts mehr mit ihnen zu tun.“ Soweit der Blauäugige sich erinnerte, machte Kai es Jeder klar, dass das eine einmalige Sache war und sie sich am besten nie wieder über den Weg liefen. „Habe ich auch nicht. Sie versuchen es trotzdem immer wieder.“ „Bei deiner großen „Ausbeute“ dürfte es ja recht überschaubar sein.“, zog der Rothaarige seinen Freund auf. „Gott sein Dank! Anderenfalls würde es ernsthaft in Stress ausarten.“ Yuriy stutzte und Kai quittierte dies mit einem lausbübischen Grinsen. Etwas später stießen sie wieder zu Ivan und Rei, fanden überraschenderweise nur ersten vor. Neugierig blickten sie auf die Tanzfläche und entdeckten den Chinesen tatsächlich zwischen etlichen Frauen, die sich nur so an ihn warfen. Recht ungewöhnlich. Eigentlich zogen die Russinnen in diesem Club Einheimische immer vor. Gut, solche Männer wie Rei sah man nicht alle Tage. Er sah schon interessant aus mit seinen langen schwarzen Haaren, den goldenen Augen und diesen kräftigen geschmeidigen Bewegungen, während er tanzte. Sowie der Chinese ihre Blicke bemerkte, kam er auf sie zu. Mit einem strahlenden Lächeln griff er nach seinem Ramazotti und begrüßte die beiden Russen. „Gut amüsiert?“, fragte Yuriy sofort interessiert. „Ja. Nur mit der Kommunikation ist es etwas schwierig.“ „Das macht doch nichts. Wer braucht einen hier schon zu verstehen.“ Der Rothaarige lächelte zweideutig. Rei zuckte lediglich mit den Schultern und trank einen Schluck. Gerade wollte Kai seinen Senf dazu geben, als ein Aufgrölen durch die Disco ging. „Was ist jetzt los?“ Verwirrt betrachtete der Schwarzhaarige die Leute, welche aufhörten sich zu bewegen. „Flaschendrehen.“, erwiderte Ivan teilnahmslos, wohingegen Yuriy sich voller Vorfreude die Hände rieb. „Bitte was?“ Fast schon entgeistert blickte Rei auf die Russen vor ihm. Flaschendrehen in einer Disco? Das konnte nur ein schlechter Scherz sein. Seine Begleiter sahen jedoch so gar nicht scherzhaft drein. Ivan trank murrend seinen Martini aus, Yuriy freute sich wie ein Kind auf Weihnachten und Kai rollte mit den Augen, dann wandte dieser sich zu ihm: „Es kann lustig sein. Meistens mit hohem Alkoholspiegel.“ „Hey! Rei ist nicht alle Tage in Russland! Das musst du mitmachen.“ Mit diesen Worten sah sich der Chinese von dem Rothaarigen hinterher gezogen. Keine Sekunde später stand er mit Yuriy in einem großen Kreis, in dessen Mitte nun so etwas wie ein runder Tisch mit einer darauf befestigten Flasche stand. Rei empfand das als absolut albern und wäre am liebsten wieder zur Bar hin verschwunden. Als er schräg gegenüber Kai und Ivan entdeckte, revidierte er seine Entscheidung doch noch einmal. Wenn die Beiden mitmachten, dann könnte er wohl auch eine Runde bleiben... Ein neues Lied begann. Zwei Frauen sangen irgendetwas auf Russisch und ein Scheinwerfer strahlte auf die Leute im Kreis, immer schneller, bis er auf einer Person haften blieb. Eine junge, reich gekleidete Frau mit blonden Locken trat unter Pfiffen hervor. Sie ging zu dem Pult und drehte an der Flasche. Diese wirbelte sehr schnell um die eigene Achse. Sowie sie langsamer wurde, schoss ein roter Laserstrahl aus dem Flaschenkopf hervor, fixierte so genau die Richtung. //Natürlich//, wurde Rei sich klar. Bei so einer Masse an Menschen wäre es anderenfalls schwierig gewesen zu erkennen, auf wen die Flasche im Endeffekt zeigte. So war es eindeutig. Der Strahl blieb an einem dunkelhaarigen Mann hängen, auf den dann auch der Scheinwerfer gerichtet wurde. Mit erotisch schwingenden Hüften ging die Russin auf ihn zu. Sie trafen sich in der Mitte ihres Weges und verwickelten einander in einen leidenschaftlichen Kuss, welcher pfeifend und grölend kommentiert wurde. Danach drehte er. „Was passiert, wenn man auf das gleiche Geschlecht trifft?“, fragte der Schwarzhaarige Yuriy ins Ohr. „Pech gehabt!“, lachte dieser: „Da kannst du dir dann was einfallen lassen. Allerdings musst du bedenken, dass hier auch zur Begrüßung auf den Mund geküsst wird. Die Berührungsängste sind also nicht sehr hoch.“ Na ganz toll! Im besoffenen Zustand dann wahrscheinlich erst recht nicht. Der Mann traf wieder auf eine Frau und das Prozedere wurde wiederholt. Wenn zwei Frauen aufeinander stießen wurde es immer besonders laut und diese schienen sich auch einen großen Spaß daraus zu machen den Saal so richtig einzuheizen. Bei den Männern war das ganz unterschiedlich. Die einen brachten es schnell mit einem kurzen Kuss auf die Lippen hinter sich, andere zogen es - zu Reis Leidwesen – ziemlich in die Länge, was ihnen nicht minder viel Jubel einbrachte. Dann traf ihn plötzlich der rote Strahl und er blickte mit leichtem Unwohlsein auf. Seine Augen trafen auf grüne Smaragde. Mit einem lasziven Lächeln auf den Lippen kam ihm eine wunderschöne Frau entgegen. Gut, dagegen hatte der Schwarzhaarige nichts einzuwenden. Zielstrebig ging er auf sie zu und sobald sich ihre Lippen trafen, wusste er warum Russinnen als wahre Raubkatzen im Bett verschrien waren. Nachdem sie sich voneinander getrennt hatten, war es an Rei die Flasche zu drehen. Das Glück war im hold. Hinterher stellte er sich wieder neben den Rothaarigen, welcher ihn angrinste: „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“ Rei wischte sich leicht über die Lippen: „Ich auch nicht.“ Diese Aussage brachte ihm ein herzhaftes Lachen ein. Der Schwarzhaarige schien nach einer Weile tatsächlich gefallen an der ganzen Geschichte zu finden und jubelte mit Yuriy laut auf, als Ivan zum Zug kam und beinahe verschlungen wurde. Sobald das rote Licht auf den Blauäugigen fiel, tobten die Leute und das Mädchen, das gedreht hatte, biss sich auf die Unterlippe. Da schien ja jemand berüchtigt zu sein. Der Russe legte wie erwartet einen filmreifen Kuss hin, dass einem sprichwörtlich die Spucke wegblieb. Danach stellte er sich grinsend wie ein Honigkuchenpferd neben den Chinesen, wobei womöglich alle Blicke schmachtend beziehungsweise neidisch auf ihm lagen. Rei schüttelte amüsiert den Kopf. Etwas eigenartig war es hier schon und er wunderte sich über diese abstruse Situation. Es handelte sich schließlich noch immer um die distanziertesten und gefasstesten Beyblader, die er kannte. Tja, es gab während seines Aufenthalts noch viel für Rei zu lernen, dass hatte er bereits am ersten Tag feststellen dürfen. Bei diesem Gedanken suchte sein Blick Kai, welcher just an die Reihe kam. Etwas skeptisch beobachtete der Chinese, wie sein ehemaliger Teamleader auf die braunhaarige Frau zuging, ein undefinierbares Funkeln in den roten Augen. Tatsächlich verwickelte er das hübsche Mädchen in einen sanft aussehenden Zungenkuss. Ein befremdender Anblick den kühlen Mann so, ja, irgendwie offen und unverfänglich zu sehen. Als sie sich voneinander gelöst hatten, schien die Braunhaarige gar nicht mehr gehen zu wollen, gab sich mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen dann innerlich einen Ruck und stolzierte mit verführerischem Hüftschwung zurück in die Reihe. Dann war es an dem Graublauhaarigen die Flasche zu drehen. Schnell drehte sie sich und der Laserstrahl erschien wieder, huschte über die Körper und Augen glitzerten erwartungsvoll, als sich die Flasche verlangsamte. Der Strahl kam Yuriy und ihm immer näher und sprang mühsam von einer Person zur nächsten. Rei beobachtete belustigt die Mimik der Frauen, die von dem Licht gestreift wurden, aber nicht drankamen. Auch die Frau neben ihm biss sich frustriert auf die Unterlippe und warf ihm einen missgönnenden Blick zu. Sein Amüsement verwandelte sich in Irritation und er blickte um sich. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Mit einem kurzen Blick an sich herunter erkannte er auch wieso. Das rote Licht bohrte sich geradezu in seinen Körper und auch der Scheinwerfer ruhte nun auf ihm. Er schaute zu Kai auf, dessen Rubine schalkhaft funkelten. //Oh mein Gott!// Ein weiterer Gedanke wollte ihm in diesem Moment nicht kommen. Er bemerkte Yuriys Grinsen neben sich, nur um sich anschließend wieder zu fassen. Gut, es war ein Kerl, aber man durfte nicht außer Acht lassen, dass es sich hierbei um Kai Hiwatari handelte mit dem er seit sie 14 Jahre alt gewesen sind befreundet war. Darüber hinaus erfasste ihn die Neugier. Dieser ganze Realisierungsprozess dauerte keine drei Sekunden, bevor er auf den Graublauhaarigen zuschritt. Direkt voreinander blieben sie stehen und Rei blickte herausfordernd in die roten Augen, welche aufmerksam leuchteten. Beide grinsten sich leicht an, bevor sie sich näher kamen, den Atem des anderen auf der Haut spürten. Hauchzart berührten sich ihre Lippen. Ein Kribbeln durchfuhr ihre Körper dabei, verlangte nach mehr. Noch einmal versiegelten sie ihre Lippen miteinander, diesmal ohne sich sofort wieder zu lösen. Als hätten sie Angst der Andere könnte zerbrechen, bewegten sie sich gegeneinander, doch so sollte es nicht lange bleiben. Mit zunehmendem Jubel vervielfachte sich die Intensität des Kusses und unter Ausschluss eines jeden klaren Gedankens begannen sie ein zärtliches Zungenspiel. Erst wieder herantastend, abwägend, dann steigerte sich dieses jedoch genauso unermesslich. Alsbald mussten sie sich schlussendlich aus Sauerstoffmangel trennen und erkannten erst jetzt, dass sie sich gegenseitig an der Taille festhielten. Zur selben Zeit fingen sie an zu lachen und legten kurz ihre Stirn aneinander, ehe sie sich endgültig lösten und Kai sich wieder einreihte. Rei hätte vor lauter Verblüffung fast vergessen, dass er nun mit Drehen am Zug war, letztlich fiel es ihm gerade noch rechtzeitig ein, bevor auch er kehrt machte. Unterdessen war Yuriy das Grinsen vergangen und eine deutliche Unlust noch weiter zu machen breitete sich in ihm aus. Sein Hals kratzte auch auf einmal unangenehm und er entschloss, dass es an der Zeit wäre die Bar aufzusuchen. Wenig später gesellte sich Ivan zu ihm. Das Spiel wurde nun im unteren Stockwerk der Disco fortgesetzt. Vielleicht sollte man erwähnen, dass sie sich hier im V.I.P. Bereich befanden und - obwohl der ganze Laden schon exklusiv war - wurde nicht jeder hier hoch gelassen. „Na, wie geht’s?“, fragte der Jüngere rhetorisch. „Wo hast du die anderen gelassen?“ Der Blauäugige nahm erneut einen kräftigen Schluck Wodka. „Keine Ahnung.“ Damit bestellte Ivan auch seine Portion Alkohol. Vier Uhr war gerade vorbei, als die Beyblader die Straße betraten. In der Disco war es noch recht gut gegangen, aber kaum waren sie an der frischen Luft, drehte sich ihnen prompt alles. „Ach, du Scheiße! Ich glaube, ich habe es übertrieben.“, brachte Yuriy gerade noch nicht lallend über die Lippen. „Ich glaube nicht nur du.“, kicherte Ivan auf und zeigte auf Rei, der kaum noch stehen konnte. „Oh je.“, murmelte dieser immer wieder vor sich hin, bemüht halbwegs elegant vorwärts zu kommen, beschränkte sich dann aber darauf überhaupt irgendwie vorwärts zu kommen. Sich kaum einkriegend vor Lachen deutete der Rothaarige auf den Chinesen und spürte im nächsten Moment einen heftigen Schmerz am Kopf, der ihn zurück taumeln ließ. Nun war es an den anderen zu lachen. „Was war denn das?“ Vollkommen perplex sah er nach vorne und entdeckte den wahrscheinlichen Übeltäter. „Ich bin doch nicht gerade gegen den Laternenmast gerannt, oder?“ Als hätte der Blitz eingeschlagen betrachtete der Rothaarige den Mast, kämpfte noch um einen sicheren Stand. Ein heiteres Lachen drang hinter ihm ans Ohr, ein Körper stützte ihn von hinten ab, damit er das Gleichgewicht behielt: „Doch, das bist du. Das Schicksal schlägt gnadenlos zurück.“ Yuriy verzog daraufhin belämmert das Gesicht, sagte allerdings nichts mehr dazu. Ohne zu murren und eigentlich ganz dankbar ließ er sich von Kai etwas stützen, der selber einen in der Krone hatte. „Ich trinke nie wieder was.“, schwur Ivan torkelnd. „Das sagst du immer.“, kam es synchron von seinen Mitbewohnern. Rei kicherte währenddessen total blau vor sich hin und versuchte schritt zu halten. Endlich zu Hause angekommen schleppten sich Ivan und Rei fix und fertig umgehend mit einem gemurmelten „Gute Nacht“ in ihre Zimmer, während ein betrunkener Kai einen noch stärker betrunkenen Yuriy in noch dessen Zimmer manövrieren musste. Der Rothaarige wäre sicherlich bereits wieder in der Lage gewesen das selber irgendwie zu schaffen, aber er wollte scheinbar einfach nicht und das erzürnte Kai, der immerhin auch noch zur Genüge angeheitert war. Er wollte den Anderen gerade auf dem Bett ablegen, als er unglücklicherweise das Gleichgewicht verlor und sie beide reinfielen, was der Blaugrauhaarige mit einem genervten Stöhnen kommentierte. „Sauf nicht so viel, wenn du nicht stehen kannst.“, bemerkte Yuriy nuschelnd. Keine Sekunde später fand er sein Kissen im Gesicht wieder. „Ein „Danke“ hätte es auch getan!“, entfuhr es Kai aufgebracht, bevor er den nach Luft ringenden Wolf von dem Kissen erlöste, welcher einen Lachanfall hatte. „Du bist wirklich ein Depp!“ Unter diesen Worten versuchte sich der Graublauhaarige aus dem Bett zu schieben. Dummerweise gelangte es ihm nicht rechtzeitig seine Beine zu aktivieren, als er seinen Schwerpunkt über das Bett hinwegsetzte und fiel peinlicherweise prompt auf den Boden. Als sich nach einem Fluch seitens Kai nichts mehr rührte, kroch Yuriy sterbensneugierig an die Bettkante und blickte herab. Kai lag grimmig schmollend auf dem Rücken und schien mit purer Gedankenkraft das Malheure ungeschehen machen zu wollen. „Ich hab’s gesehen. Es gibt Augenzeugen.“, gluckste der Blauäugige wie ein Schuljunge. Rubinfarbene Augen bohrten sich erbarmungslos in seine, aber Yuriy sah sich außer Stande mit dem Lachen aufzuhören. Unter übermäßigem Alkoholeinfluss geriet er meistens in euphorische Stimmungslagen und er machte nur Unsinn, was ihm im nüchternen Zustand überaus unangenehm war, hasste er es doch so die Kontrolle zu verlieren. Deswegen betrank er sich auch nie. Normalerweise. „Jetzt frisst er mich gleich!“, entfuhr es ihm gespielt panisch als Kai sich aufrichtete. Unschlüssig stand er einige Sekunden da, beobachte den Rothaarigen verständnislos, der nun an der Bettkante saß, ein Kissen zur Verteidigung hochhielt und bebte vor Lachen. Er seufzte: „Was muss man tun, um dich zum Schweigen zu bringen?“ Belustigt zog Yuriy eine Augenbraue in die Höhe und schielte an dem Kissen vorbei. Ein unheilvolles Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, als seine blauen Augen herausfordernd aufblitzten. Er richtete sich auf, stellte sich direkt vor den Graublauhaarigen und seine Finger fuhren sanft über dessen Wange, als er lasziv flüsterte: „Da gibt es schon ein paar Dinge.“ „Ich kann mir lebhaft vorstellen, was das wäre.“, entgegnete der Graublauhaarige skeptisch, dennoch schlich ein Grinsen um seinen Mund. Wenn der Wolf spielen wollte, konnte er das nur zu gerne haben. Die Rubine loderten überlegen auf und Yuriy erkannte den Stolz und die Überlegenheit in ihnen. Das spornte ihn nur noch mehr an. Hauchzart strich er über die weiche Wange, beugte sich vor und berührte fast Kais Lippen mit seinen. //So nah...//, durchflutete Yuriy die Erkenntnis. Der Rotäugige blickte ihn herausfordernd an, flüsterte ruhig: „Das wagst du nicht.“ Und ja! Er hatte Recht! Es wurmte den Blauäugigen ungemein, aber aus irgendeinem Grund flößte ihm der Andere tatsächlich so etwas wie Respekt ein. Das tat sonst kein anderer, noch nicht einmal Boris. //Rei hatte damit kein Problem gehabt!// Mit einem leisen „Huh“ trat Kai einen Schritt zurück, brachte Distanz zwischen sie. Er hatte gewonnen. Ein normaler Mensch hätte gefragt: was? Aber ein rational erklärbares „was“ existierte bei solchen Dominanzspielchen meistens nicht. Schon gar nicht bei ihnen. Und noch weniger im alkoholisierten Zustand... „Traust du dich nur an Asiaten und kleine Spielmädchen ran, oder was?“ Die Arroganz in den blauen Kristallen triefte nur so hervor und der Phönix wusste ganz genau, dass es Yuriy nicht passte, wenn Dinge geschahen, die er nicht unter Kontrolle vermutete. So war es auch mit Wesenszügen oder Handlungen, die er nicht vorhersah, eine Sache, die bei seinem analytischen Verstand selten geschah. Und doch hätte er nie vermutet, dass Kai Rei tatsächlich küssen würde. So küssen würde. Ein schelmisches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht: Er liebte es den Rothaarigen zu überlisten, egal um was es sich dabei handelte. Dies war wieder einer dieser Momente. Mit einem Schritt war er direkt vor Yuriy und hauchte: „Du hast keine Vorstellung.“ Durch aufgerissene Augen beobachte dieser das Geschehen, als wäre er ein Zuschauer, ehe er spürte. Kais Lippen pressten sich fordernd auf seine und sein Körper wurde zurück aufs Bett gedrückt. Er fühlte, wie sein Körper heiß wurde und ein Schauer den anderen jagte, wie die feurigen Lippen beinahe zärtlich anfingen sich gegen seine zu bewegen. Nur bruchstückweise realisierte Yuriy, wie er Kai mit sich zog, als er auf das Bett zurückfiel und den Kuss erwiderte, die Lippen ein wenig öffnete. Einen flüchtigen Augenblick lang berührten sich die Zungen vorsichtig zwischen ihren Lippen, dann stahl sich Kais forsch in seinen Mund, entfachte ein leidenschaftliches Spiel bei dem keiner der Sieger sein konnte. Krampfhaft krallten sich seine Finger in Kais Oberteil und er unterdrückte ein Seufzen, als sie sich beinahe voneinander lösten, um besser Luft bekommen zu können. Dennoch berührten sich ihre Zungen weiterhin, diesmal langsam und sanft, während sie fast synchron ihre Augen aufschlugen. Verschleierte, blaue Augen blickten in Rubinfarbene, die undeutbar funkelten. Langsam beugte sich Kai zu Yuriys Ohr und flüsterte leise: „So still, Ivanow?“ Dem Russen fiel in diesem Moment nur auf, dass er sich in Kais Seiten krallte und ließ hastig los, sagte jedoch nichts. Daraufhin richtete sich der Graublauhaarige mit einem unverschämten Grinsen auf und verließ mit einem triumphierenden „Schlaf süß“ das Zimmer. Yuriy konnte es nicht fassen wie heiß dieser Kuss war. Er hatte zwar vermutet, dass Kai ein guter Liebhaber sein musste, da er in allem was er tat gut war. Aber das er ein so guter Küsser war? Es war schließlich nicht so, dass der Rothaarige selber nicht genug Erfahrung hatte, um zu wissen, dass er gut war. Und doch lag er hier und schien seinen Meister gefunden zu haben. Kein Wunder, dass Kais One-Night-Stands ihm jedes Mal hinterherliefen... Wenn er nur halb so leidenschaftlich im Bett war, fragte sich Yuriy ernsthaft, was er nach mindestens der doppelten Frauenerfahrung – es waren schließlich nicht nur kleine Mädchen dabei gewesen - eigentlich die ganze Zeit machte! Mit einem kritischen Blick dachte er über seine bisherigen Eroberungen nach und fuhr er sich unbewusst über die Lippen. Er hielt inne, als er sich dabei ertappte. Es war ihm, als geisterten die Lippen des Anderen immer noch über seine. Ein Schauder überkam ihn. Er schüttelte den Kopf, als ob er versuchte alle Geister zu vertreiben. Es war nur mal wieder einer ihrer Albernheiten gewesen. Ärgerlicherweise hatte Yuriy dabei verloren, aber das ließ sich bei der nächsten Gelegenheit wieder wettmachen. Aber warum zum Teufel schlug sein Herz dann noch so heftig? ____________________________________________________________________________________________________________________ Im ersten Kapitel war der Anfang mit Rei und der WG. Im Zweiten kam Yu ins Spiel und seine Sicht der Dinge. Im Dritten geht die Handlung weiter. Im vierten Teil stehen diverse Krisenbewältigungsmaßnahmen an und a little bit daily life mit den Blitzkriegboys. Es ist noch nichts niedergeschrieben, also mal sehen, was sich da noch feines ergibt. Ich hoffe das Kapitel war okay. Ich muss zugeben, dass ich das Ende als erstes geschrieben habe und es mit der Discoszene deswegen etwas happern könnte. Außerdem könnten Rechtschreibfehler gehäuft aufteten. Ich habe keinen Beta-Leser und es nur noch überflogen. Das Wort "Spielmädchen" gibt es in diesem Sinne nicht, ich weiß. Seht es als Neologismus^^. Falls wieder jemandem Stichworte einfallen, nur her damit! Die können bei kreatiefs Wunder bewirken:) Ach und ja, ich habe noch nie Kussszenen ect. geschrieben und wäre deshalb für Kritik und Verbesserungsvorschläge sehr dankbar^^°. Gut, jetzt hör' ich aber auf! Bye Minerva Kapitel 4: Nichts Neues, oder? ------------------------------ KAPITEL 4: NICHTS NEUES, ODER? Oh man, Leute! Ich bin fertig. Erst war ein Viertel von dem Kapitel plötzlich weg, als ich mich gestern zum Schreiben hin gesetzt habe. Dann habe ich es tatsächlich geschafft noch 2000 Wörter zu schreiben und dabei die verlorene Stelle nachzuholen (ich hasse es, etwas zwei Mal zu schreiben) und wollte es um 10pm. hochladen. Gut. Als ich dann auf "Übernehmen" klicken wollte. Schwärze. Der Strom war ausgefallen. In der ganzen Nachbarschaft. Glücklicherweise ist das Kapitel im geöffneten Word Dokument nicht verloren gegangen*puh* Jetzt hat es endlich mit dem Kapitel geklappt und wünsche euch viel Spaß beim Lesen und danke euch noch recht herzlich für die tolle Unterstützung! Ohne euch wäre das Ding immer noch nicht fertig. Enjoy reading! ____________________________________________________________________________________________________________________ „Ach du Scheiße! Wie siehst du denn aus!“ Das waren die ersten Worte die Yuriy an diesem Morgen entgegenschlugen. Vollkommen übermüdet setzte er sich an den Küchentisch und ignorierte Boris Ausruf brummend. Der Russe schmunzelte schadenfroh, als er dem Rothaarigen einen starken Kaffee vor die Nase stellte. Ein Grummeln, das als „Danke“ interpretiert werden wollte, verließ die Stimmbänder des Verschlafenen, welcher fahrig zu der Tasse griff. „Und wie war es gestern?“ Boris lehnte sich sensationslustig an die Spüle und blickte seinen Freund beinahe erwartungsvoll an. Als nicht mehr als ein „Mhm“ über dessen Lippen kam, rollte er mit den Augen: „Schon klar, du Lusche. Ich muss jetzt sowieso in die Uni. Du übrigens auch.“ Diese Aussage ließ Yuriy mit dem Kopf auf die Tischplatte schlagen. „Vielleicht solltest du lieber auch nicht gehen. Die Leute rufen sonst womöglich den Kammerjäger.“, grinste der Lilahaarige. „Sehr lustig. Scheiße, verdammt.“, krächzte es zwischen seinen Armen hervor, ehe er kaum aus den Augen gucken könnend aufsah: „Ich muss. Heute hab ich Svetlana. Die killt mich, wenn ich nicht komme.“ „Wann denn?“ „Um halb elf.“ „Dann schwing mal die Hufe: Es ist bereits kurz vor zehn.“ Aufstöhnend wälzte sich Yuriy vom Stuhl und schlürfte Richtung Bad. Boris ließ es sich nicht nehmen ihn gemein grinsend dabei zu beobachten, bevor er selbst sich die Jacke überzog und aus der Wohnung eilte. Bis zur Uni brauchte man eine halbe Stunde mit dem Fahrrad. Sie hatten nur eins und der Lilahaarige hatte nicht vor dieses lange allein zu lassen. Sowie Kai seine Tür öffnete, schoss eine fluchende Gestalt an ihm vorbei. Die Jacke in der einen Hand, die Tasche in der Anderen und mit einer Mappe im Mund versuchte Yuriy irgendwie in seine Schuhe zu kommen. Kaum war es ihm gelungen, fetzte er aus der Tür und man hörte ihn die Treppen herunterrasen. Dann verstummte das Geräusch kurzzeitig, bis ein lautes Fluchen und Schimpfen zu hören war. Kais Lippen verzogen sich zu einem Grinsen und er schüttelte den Kopf. Boris hatte sich wohl als erster das Fahrrad geschnappt. Müde schlenderte der Graublauhaarige in die Küche und setzte eine Kanne Kaffee auf. Ein leises Geräusch drang an sein Ohr und er schmunzelte, als er Rei erblickte, der noch nahezu schlief. Total neben der Spur setzte sich der Chinese an den Tisch und massierte sich brummend die Schläfen. Es war ihm als würde jemand mit einem Hammer auf seinen Kopf schlagen und das nicht zu knapp. Langsam öffnete er wieder seine Augen und erblickte überrascht eine dampfende Tasse vor sich, sowie eine kleine weiße Tablette daneben. Verwirrt und unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, zogen sich seine Augenbrauen zusammen. „Das ist Aspirin. Danach wird es zumindest ein wenig besser.“, erklärte Kai lächelnd und ließ sich vor ihm nieder. „Danke.“, murmelte er leicht verlegen und nahm sogleich das Medikament mit einem kräftigen Schluck Kaffee zu sich. „Ich habe überhaupt nicht gemerkt, wann es zuviel wurde.“ Rei verzog missbilligend das Gesicht. Kai trank einen Schluck: „Das passiert schon mal.“ „Dir geht es gut, oder? Yuriy und Ivan schlafen anscheinend noch.“ Der Graublauhaarige lachte leise auf: „Nein, Yuriy ist gerade vorhin aus dem Haus gehetzt.“ „Wieso? Muss er denn heute zur Uni?“, stellte der Schwarzhaarige die unnötige Frage. Kai nickte und beide blickten auf, als die Küchentür aufschlug und Sergej herein trat: „Auch schon wach.“ Kühl blickte er Kai und Rei an, bevor er eine neue Kanne Kaffee aufsetzte. Der Graublauhaarige spürte eine kalte Wut in sich aufsteigen. Zurzeit war sein Mitbewohner zum an die Wand klatschen. Nicht, dass sie das nicht alle hin und wieder waren, aber da es nun schon mehr als zwei Wochen so ging, wurde es Kai langsam zu bunt: „Irgendein Problem?“ Ohne auf Kai zu reagieren schüttete er sich den Kaffee in eine Thermokanne und verließ die Küche mit plätschernder Türe. Das laute Geräusch ließ den Chinesen zusammenzucken und leise aufstöhnen: „Oh man, ist der immer so?“ „Er hat seine Phasen. Zu 65% der Zeit ist er eigentlich ganz umgänglich.“ „Was hat er denn?“ Kai zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung.“ „Mir kam Ivan gestern so missgelaunt vor. Hat das einen bestimmten Grund oder ist das auch eine Phase?“ Rei konnte den schnippischen Tonfall nicht ganz verbergen. Der Rotäugige lächelte nur darüber: „Er hat nächste Woche die Abschlussarbeiten und macht sich Sorgen. Außerdem hat ihn Yuriy gestern mit dieser Verkupplungssache genervt.“ Rei stutze: „Warum geht er an einem Donnerstag aus und heute nicht in die Schule, wenn er so etwas Wichtiges vor sich hat? Das macht die Sorgen auch nicht geringer.“ Fragend blickte er zu dem Russen. „Das ist Ivan-Logik. Der macht immer solche Dinge und funktioniert hat es bis jetzt auch immer. Deswegen sagt da keiner von uns mehr etwas.“ „Ach so.“ Er trank aus, stützte seine Ellenbogen auf den Tisch und hielt sich murrend den Kopf. Kais Lippen verzogen sich erneut: „Ich glaube heute bleiben wir besser zu Hause.“ Er erntete ein zustimmendes Brummen. Er war zu spät gekommen. Ein halbe Stunde zu spät, obwohl er gerannt war wie ein Irrer. Und nun saß er im Auditorium und musste fragen von Svetlana zu dem Referat eines Kommilitonen, welches er durch sein in den Saal stürzen unterbrochen hatte, über sich ergehen lassen. Dummerweise war es ein Referat über fünf Paragraphen aus dem Handelsrecht gewesen. Er hasste Handelsrecht. Demzufolge hatte er bei den Antworten improvisieren müssen, zumal er mehr als die Hälfte des Referats verpasst hatte. Glücklicherweise stellte er sich als Improvisationstalent heraus und er konnte alle Fragen richtig beantworten. Zwar ging er dabei nicht sonderlich in die Tiefe, er hatte ja auch keine Ahnung wie die aussah, aber Svetlana bohrte zum Glück auch nicht nach. Das machte sie mit jedem so, der ihr negativ auffiel, da war er keine Ausnahme, was er auch nicht sein wollte. Seine Professorin hatte ihre Prinzipien und was nach Rache für eine Unterbrechung eines Vortrages ect. geahndet wurde, war lediglich eine Ermahnung sich an ihre Spielregeln zu halten. Es war nur legitim, aber sie wurde von einigen Kommilitonen Yuriys dafür beinahe gehasst, hatte sie schon den einen oder anderen mit solchen Fragen schwer in die Bredouille gebracht. Den Rothaarige bisher noch nicht und das sollte auch heute so bleiben. Zufrieden lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf, als Svetlana von ihm abließ und die Vorlesung für beendet erklärte. Er schloss erschöpft seine Augen, bevor auch Yuriy aufstand, die missgönnenden Blicke neidischer Kommilitonen ignorierend. „Ivanow!“ Er wandte sich daraufhin zu seiner Professorin, die ihm bedeutete zu ihr runter zu kommen. Mit gerunzelter Stirn kam er ihrer „Bitte“ nach: „Was kann ich für Sie tun, Frau Romanov?“ „Pünktlich kommen.“, ertönte ihre Stimme harsch, während sie ihre Tasche einräumte. Dann erst drehte sie sich zu dem rothaarigen Studenten und sah ihm direkt in die Augen. Sie nahmen einen freundlicheren Ausdruck an, verrieten aber zu keiner Zeit etwas anderes als kollegiales Wohlwollen. „Du hast keine Ahnung von den Dingen, die du mir vorhin erzählt hast.“ Das war eine Feststellung. Vielleicht ein wenig verlegen grinste Yuriy daraufhin: „Aber es hat funktioniert.“ Sie seufzte tief, ehe sie fortfuhr: „Ich will, dass du ein Referat über drei Paragraphen aus dem Handelsrecht hältst. Du kannst sie dir aussuchen.“ Yuriy verzog den Mund. „Gemein, nicht wahr?“ Sie lächelte gönnerisch, schwang ihre Tasche um und ging in einen Nebenraum, der zur Vorbereitung der Professoren gedacht war: „Komm mit.“ Verwirrt folgte er ihr. Hier waren sie alleine. Sie ging zu einem Schrank und sah sich Arbeitsmappen durch. „Warum bist du zu spät gekommen?“ „Wir waren gestern noch aus. Unser Besuch wollte mal die Moskauer Nachtluft schnuppern. Und dann hat Boris noch das Fahrrad geklaut“, fügte er sauer hinzu. Svetlana lachte kurz auf und zog drei Mappen aus dem Schrank, schloss ihn wieder ab und sah Yuriy dann wieder an: „Nichtsdestotrotz hast du dich vorhin ganz passabel aus der Affäre gezogen. Daher und weil du einer meiner besten Studenten bist, die ich je hatte, werde ich dich für ein Stipendium vorschlagen.“ Dem Rothaarigen fielen dabei fast die Augen aus dem Kopf: „Was?“ „Du hast schon richtig gehört. Das wird dich bis ins Oberste Gericht pushen, wenn du fertig bist.“ „A... Aber warum?“ Svetlana hatte noch nie ein Stipendium hergegeben und war in der Uni nicht gerade als sonderlich großzügige Person bekannt. Im Gegenteil. Sie wurde nicht umsonst die „eiserne Lady“ der juristischen Fakultät genannt. Natürlich hinter vorgehaltener Hand. Ein Stipendium wäre aber nicht nur eine große Ehre, weil sie es war, die es vergeben würde, sondern auch deswegen, weil es sehr, sehr selten geschah, dass ein Student eines bekam. Man bekam dadurch nicht nur einen „Bildungszuschuss“ von ungerechnet 15 000 Dollar, sondern auch einen Schlüssel, der einen die Türen der besten Kanzleien öffnete. Das wäre es. //Aber...// „Verstehe mich nicht falsch. Es ist eine große Ehre für mich, dass du in Erwägung ziehst, mich vorzuschlagen, aber... können wir uns das auch leisten?“ Sie verstand: „Du bist ein sehr talentierter Student und eine erfolgreiche Zukunft liegt vor dir, wenn du so weitermachst. Das ich dich vorschlagen will, hat nicht im Entferntesten mit unserem Verhältnis zu tun.“ Ihre Stimme klang ernst und sachlich. Yuriy glaubte ihr. „Wird es dein Mann auch so sehen?“ Er konnte es nicht ganz von der Hand weisen, dass er sich sorgte. Svetlana zog eine Augenbraue hoch: „Selbstverständlich. Was ich in meinem Beruf tue, geht in ohnehin nichts an. Es interessiert ihn auch nicht.“ Mit diesen Worten kam sie auf ihn zu und strich mit ihren Fingern sanft über seine linke Wange. Da wusste der Rothaarige, dass sie ihn wirklich mochte. Ein Gefühl der Zuneigung überkam ihn und ihm wurde klar, dass diese Affäre nicht so einfach abzuharken sein würde wie die vorherigen. Mit einem Lächeln drehte sie sich um und verließ den Raum in Richtung der Hörsäle. Yuriys Lippen verzogen sich zu einem triumphierenden Grinsen. Er war ja so genial! Sie waren vollkommen ineinander verknotet. Das Bett sah aus, als hätte eine Schlacht darin getobt, doch die Beiden schenkten dem keine Beachtung. Leise seufzend erhob sich Rei und kam Kai näher, was sich in ihrer Lage als schwierig erwies. „Was machst du da?“ In Kais Stimme schwang Verwunderung mit. „Ich will dass du damit aufhörst.“, murrte der Andere etwas genervt. „Was stört dich daran? Leg dich wieder hin.“ Unbeirrt setzte der Schwarzhaarige seinen Kampf fort und legte seinen Kopf auf die Schulter seines Freundes: „Ich will nicht, dass du irgendwelche Bücher liest, die ich nicht verstehe.“, murrte der Chinese erneut, während er missmutig auf die kyrillischen Buchstaben starrte, die dadurch nicht verständlicher wurden. Kai ließ seinen russischen Roman sinken und zog eine Augenbraue hoch: „Geht’s noch? Schlaf weiter.“ „Ich kann nicht! Mir ist langweilig und übel.“, jammerte Rei, dem es endlich gelang eines seiner Beine aus der verstrickten Bettdecke zu befreien. Kai sah skeptisch in die müden goldenen Augen direkt neben sich, sagte aber nichts dazu und widmete sich wieder seinem Buch. „Hey!“ Protestierend setzte sich Rei nun neben den Graublauhaarigen auf: „Mach was Interessantes!“ Langsam aber sicher reichte es dem Phönix: „Du benimmst dich wie ein Kind! Was willst du denn machen? Sollen wir rausgehen?“ „Nein, ich bin zu müde, um etwas zu tun. Und für meine Lehrbücher auch.“ Jetzt kam ihm eine Idee: „Erzähl mir doch, was du da gerade liest!“ „Bin ich deine Märchentante, oder was?“ Er dachte immer Yuriy wäre anstrengend, doch Rei zeigte nun ähnliche Verhaltensweisen und war ungewöhnlich unruhig. „Komm schon. Du bist fast mit dem Schinken durch.“ Der Chinese brauchte jetzt einfach Ablenkung. „Du spinnst. Außerdem ist es von Konrad Lorenz. Verhaltensforschung und so. Das interessiert dich kaum.“ Für ihn war die Diskussion beendet und er wandte sich wieder dem Buch zu. „Ist das der mit den Gänsen?“ Überrascht blickte er wieder auf. Yuriy hätte jetzt aufgegeben, doch nicht Rei. „Du weißt was davon?“ „Hm, hab von dem gehört.“ Gemütlich kuschelte er sich wieder in die Decke und legte seinen Kopf auf Kais Schulter: „Erzähl!“ Resignierend klappte dieser sein Buch zu und begann zu erzählen. Als Ivan eine Stunde später an Kais Zimmertür klopfte und niemand öffnete, wagte er es hineinzusehen, mit dem Vorhaben sich ein Wirtschaftsbuch für seinen Abschluss auszuleihen, stutzte jedoch bei dem Anblick, der sich ihm bot. Kai saß im Bett an die Wand gelehnt und schien zu schlafen. An seiner Seite lag ein nicht minder schlafender Rei mit seinem Kopf auf Kais Schulter und dem Arm über dessen Bauch. Die Szene erinnerte an eine Katze, die sich vertrauensvoll an ihr Herrchen schmiegt. Verblüfft und kopfschüttelnd verließ Ivan das Zimmer wieder, nur um daraufhin mit einem Fotoapparat bewaffnet wieder zu kommen. Mit einem breiten Grinsen hielt er den Augenblick unbemerkt fest, bevor er sich zum Bücherregal schlich und dort den gesuchten Band herausnahm: Die Bilanz. Mit einem verekelten Blick huschte er wieder hinaus und schmunzelte schließlich. //Wenigstens das Bild könnte mir noch einmal ziemlich nützlich sein.// Kai wurde von dem Geräusch der sich schließenden Tür geweckt. Verschlafen gähnte er, als er das Gewicht bemerkte, welches auf ihm lag. Irritiert bemerkte er einen Arm, der sich eisern festhielt. Der Besitzer schlief tief und fest und hatte sich scheinbar vollkommen unbewusst so an ihn geklammert. Kai erschauderte. Es war schon viel gewesen, als sein ehemaliges Teammitglied seinen Kopf auf seiner Schulter ruhen ließ, denn früher waren sie sich nie so nahe gekommen. Yuriy war wohl der einzige Mensch, der ihn je so umarmt hat, denn sogar mit den Mädchen, mit denen er im Bett war, hatte er es immer vermieden danach zu kuscheln. Das mochte paradox klingen, aber er mochte Körperkontakt nicht sonderlich – vor allem wenn er dabei angefasst wurde - und Sex zählte für ihn weniger als Schmusen oder Streicheln und verlangte Vertrauen, das er nur mühsam zu jemandem aufbauen konnte und dann auch noch nicht gesagt war, dass er dessen Nähe dann auch zuließ. Doch das Verlangen Rei von sich zu drücken, hielt sich in Grenzen und er begann sich langsam damit abzufinden den Schwarzhaarigen nicht aufzuwecken. Vorsichtig griff er nach seinem Buch und schlug es nahezu lautlos auf, um zu Ende zu lesen. Nach einer Weile öffnete sich seine Tür erneut. Ivan spähte hinein und traf auf zornig funkelnde Augen. „Hi! Ich bring nur das Buch zurück...“ Mit diesen Worten und unter mörderischen Blicken hetzte der kleine Russe zum Regal hin und schlüpfte schnell wieder aus dem Raum. Verärgert widmete Kai sich den letzten Seiten seines Buches, als er spürte, wie sich Rei leicht streckte und tief einatmete. „Na? Wieder wach?“ Amüsiert beobachte der Graublauhaarige Reis orientierungslosen Blick, ehe er bemerkte wo er war und vor allen Dingen wie er lag. Unmerklich färbten sich seine Wangen rötlich und er setzte sich auf: „Wie spät ist es denn?“ Kai griff nach seinem Handy auf dem Nachttisch: „Fünf vorbei.“ Stöhnend zog sich der Chinese die Decke über den Kopf: „Wir haben den ganzen Tag verpennt.“ „Das passiert, wenn Asiaten Alkohol trinken bzw. in Russland Urlaub machen“, grinste Kai schalkhaft. „Sehr lustig,“ murmelte es unter der Decke, „Ich trinke nie wieder etwas.“ „Das sagen sie alle.“ Als Yuriy am frühen Abend mit Boris nach Hause kam, war er bester Laune. Vor lauter Freude hatte er sogar vergessen seinem Mitbewohner eine Strafpredigt darüber zu halten, dass er ihm das Fahrrad vor der Nase weggeklaut hatte, obwohl Boris es nicht so eilig gehabt hätte. Zusammen hatten sie zu Mittag gegessen und den Rest des Tages in der Bibliothek verbracht, weil der Lilahaarige seine Arbeit über Freud beschleunigen wollte. Und da hatte Yuriy die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und sein unliebsames Referat über einige Paragraphen aus dem Handelsrecht zusammengestellt. Jetzt war es fast sechs und sie hatten Hunger. Neugierig suchte der Rothaarige im Kühlschrank nach Essensresten vom Mittag, wurde aber nicht fündig. „Auch wieder daheim.“ Ivan war in die Küche gekommen und beobachte skeptisch, wie sich sein Teamleader durch das Gefrierfach wühlte. „Habt ihr heute nichts übrig gelassen?“, fragte er nach vergeblicher Suche. „Wir hatten heute nichts.“ Seine Mitbewohner sahen den kleinen Russen mit hochgezogenen Augenbrauen an, woraufhin er mit einer Geste bedeutete, dass sie warten mögen und verschwand. Fragend blickten sie sich an, bevor Ivan auch bereits wieder vor ihnen stand und ein Blatt vor ihrer Nase herumwedelte: „Ratet mal, was ich da Schönes habe!“ „Hör auf mit dem Scheiß und gib schon her!“ Ungeduldig riss Yuriy dem Jüngeren das Papier aus der Hand. Auf dem Blatt war im oberen Drittel ein ausgedrucktes Foto zu sehen, bei dessen Motiv der Rothaarige undefinierbar dreinschaute. Schaulustig lugte Boris ebenfalls auf das Bild und zog daraufhin die Stirn kraus: „Wann hast du denn das gemacht?“ „Heute Mittag. Ich hab ein Buch gebraucht. Die sind den ganzen Tag nicht aus dem Bett gekommen.“ „Ich wusste gar nicht, dass die so gut befreundet waren.“, wunderte sich der Falke. „Du hättest sehen sollen, wie die sich im NC abgeknutscht haben.“ „Ach, haltet doch die Klappe!“, sagte Yuriy schroff, ließ das Blatt fallen und stob davon. Verwundert blickten seine Teammitglieder hinter ihm her. „Wohin gehst du?“, wollte Boris wissen. „Die Turteltäubchen aus dem Bett schmeißen.“ Nichts Böses ahnend lümmelten Kai und Rei im Bett und beschäftigten sich mit ihren Büchern von der Uni, als plötzlich die Türe aufgerissen wurde und ein rothaariger Wuschelkopf mit breitem Grinsen hereingelaufen kam. „Sagt mal, hab ich heute Tag der Offenen Tür oder warum kommt ihr Arschgeigen dauernd ungebeten rein!“, begrüßte ihn Kai umgehend. „Schlecht geschlafen, Dornröschen?“, grinste der Rothaarige unverschämt und kniete sich aufs Bett, wobei ihn Phönixaugen zu erdolchen versuchten: „Du wirst nicht glauben, wie geil ich bin!“ „Hast Recht, ich glaub’s dir nicht.“ Yuriy ignorierte Kais drohenden Blick und fuhr unbeirrt fort: „Ich bekomme ein Stipendium für 15 000 Dollar und bin der geilste Jurastudent in ganz Russland!“ „Glückwunsch!“, brachte Rei hervor und bekam dafür ein Danke. „Ein Stipendium für was? Fürs Vögeln?“ Der Graublauhaarige machte keinen Hehl aus seiner Wut. Sein Mitbewohner hatte mit so einem Kommentar gerechnet und wedelte bedeutungsschwer mit dem Finger vor Kais Nase herum: „Du wirst es nicht glauben, aber manche Leute werden dafür ausgezeichnet, weil sie etwas hier drin haben,“ dabei tippte er auf Kais Kopf, „und nicht nur nach sexuellen Vorzügen beurteilt. Glaubst du nicht, dass es, wenn es so wäre, ich noch hier leben würde?“ „Raus!“, kam es leise zischend von Kai. Er kochte mittlerweile vor Wut und musste sich sehr beherrschen nicht auszurasten. Yuriy bewegte sich jedoch keinen Millimeter und grinste weiterhin so unverschämt drein, sodass Boris und Ivan, die das Spektakel neugierig beobachtet hatten, langsam anfingen um ihren Teamleader zu bangen. Keiner betrat ungestraft Kais Territorium ohne Erlaubnis und ohne sich dafür zu rechtfertigen, geschweige denn auf die Art, die Yuriy praktizierte. Der Phönix hatte seine Prinzipien und Regeln, an die man sich halten sollte, es waren schließlich dieselben, die eigentlich alle von ihnen hatten. „Raus!“, befahl der Rotäugige nun laut und barsch, wobei er sich wie ein Raubvogel auf sein Opfer zu stürzen drohte. Nun doch etwas beeindruckt, fuhr Yuriy auf und sprang aus dem Bett. Statt allerdings einfach wortlos zu verschwinden, drehte er sich demonstrativ um und stolzierte hüftschwingend aus dem Raum. Das Kissen, das ihm hinterher geworfen wurde, traf ihn nicht mehr und prallte an der Tür ab, welche die beiden anderen Russen schnell schlossen. Mit einem viel sagenden Blick zu Ivan schlug Boris vor: „Ich glaube wir bestellen heute lieber eine Pizza.“ ____________________________________________________________________________________________________________________ Die Handlung ist in diesem Kapitel auf der Strecke geblieben, aber dennoch zeigen sich ein paar Aspekte, die für die Geschichte bedeutsam sind. Also nicht ganz "nichts Neues"^^. Im nächsten Kapitel kommen Kai und Rei endlich aus dem Bett und eine interessante Begegnung zustande. Über Kommentare würde ich mich wieder sehr freuen! Ohne sie würde ich, wie erwähnt, nie weiter kommen^^°. Wenn ihr irgendwelche Anregungen oder Wünsche habt, was noch so passieren könnte, wäre ich neugierig es zu erfahren. Vielleicht lässt sich da ja etwas machen*g* Diese FF geht im Endeffekt ja nur weiter, weil sie so einen Anklang findet. Bye Minerva Kapitel 5: Nur ein Angebot, oder? --------------------------------- KAPITEL 5: NUR EIN ANGEBOT, ODER? Nach viel zu langer Zeit wieder ein Kapitel von mir. Die 5610 Worte fielen mir nicht so leicht zu schreiben, aber ich hoffe euch gefällt das Kapitel^^. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an WeißeWölfinLarka. Ohne deine Ermunterungen wäre ich immer noch lange nicht fertig*Blümchen hinhalt* Enjoy reading! Das Wochenende verlief eigentlich recht ereignislos und unproblematisch, sah man davon ab, dass Yuriy über die Maßen auf seinem Stipendium herumritt – obwohl es offiziell noch nicht beschlossen war. Während Kai seinen Gast quer durch Moskau schliff und ihm bei den ganzen Sehenswürdigkeiten keinesfalls langweilig wurde, umging er die meisten und üblichen Streitigkeiten in der Blitzkrieg-WG. Ivan lernte für seine Abschlussprüfungen, die er die Woche schreiben musste, Boris ging mit Sergej aus und schlief tagsüber, während Letzterer am Sonntagabend noch ein Date mit einer Discobekanntschaft hatte. Ja, der Gute wollte sich eine Freundin zulegen. Ein Unterfangen für das der Rest der Bewohner keinen Sinn hatte bzw. was Ivan betraf, der höchstwahrscheinlich noch unerfahren war, keinen Reiz hatte. Es gab zwar Momente, in denen er aus versehen das Wort „Freundin“ in den Mund nahm, aber getan hatte sich in diesem Punkt bis dato noch nix. Von Liebschaften des verschrobenen Allround-Talents hatte das Team keine Kenntnis. Es interessierte sie zwar auch nicht, sagten und meinten sie, obwohl sie gerne auf dem neuesten Informationsstand waren und sich wie Waschweiber gegenseitig nach den aktuellen Geschehnissen erkundigten, meistens nie bei der betreffenden Person direkt. Gespräche wurden bei ihnen schließlich mit nie mehr als fünf bis zehn Sätzen geführt. An diesem Montagmorgen mussten sie ausnahmsweise mal alle früh weg und trafen sich darum um kurz nach sieben in der Küche. Sergej, Boris und Yuriy saßen schon am Tisch, als Kai zu ihnen stieß. „Guten Morgen.“, murmelte der Halbrusse und goss sich einen brühwarmen Kaffee in eine riesige schwarze Tasse mit roter Innenfläche, die bestimmt einen halben Liter fassen konnte. „Wo ist denn dein Herzstück?“, wollte Yuriy gut gelaunt wissen. Kai, der es weder Laut noch sonderlich enthusiastisch in der Früh liebte, knurrte: „Im Bett, wo es hingehört.“ Yuriy entging das schelmische Aufblitzen in den roten Augen nicht und wollte gerade mit weiteren Ausführungen beginnen, als ihn Boris zuvorkam: „Studierst du ernsthaft weiter?“ „Das Semester will ich vernünftig beenden.“ „Wozu?“ „Um etwas zu lernen.“ „Auf einmal?“, wandte Yuriy ein. „Du bist die ganze Zeit kaum in der Uni gewesen. Hast du dich mit deinem Kätzchen gestritten?“ „Ich verfüge durchaus über die Fähigkeit mich ohne willige Professorin außerhalb der Uni weiterzubilden.“, antwortete Kai scharf, als Ivan in die Küche schlürfte. „Keinen Streit. Ich hab heute Prüfung in Wirtschaft.“, wandte der Jüngste in der Runde umgehend ein. „Na, und?“ Yuriy hob eine Augenbraue an. „Ich muss mich konzentrieren, was ich nicht kann, wenn ihr herumkreischt“, antwortete Ivan prompt und streng. „Ach, komm schon! Wirtschaft ist doch kein Problem! Das kann sogar Kai vom Bett aus!“ Kai versuchte die Provokation zu überhören: „Hat dir mein Buch geholfen, das du dir ungefragt ausgeliehen hast?“ „Ja, hat es. Ihr seid ja solche Arschlöcher!“ Mit diesen Worten drehte sich Ivan wütend um und ging wieder. „Hey! Wir haben doch nix gemacht!“, rief Sergej hinterher, der sich ebenfalls angesprochen fühlte. „Was geht denn mit dem?“ Kaffee schlürfend sah Yuriy fragend in die Runde. „Er hat Angst vor der Prüfung. Hinzu kommt, dass ihn unsere Teilnahmslosigkeit nervt und er ist generell unsicher, weil wir ihm in einigen Punkten einfach voraus sind.“, schloss Boris auf einem Brot kauend. „Aha.“, war der allgemeine Kommentar dazu. Mit einem tiefen Atemzug stand Kai auf: „Ich geh jetzt.“ „Das Fahrrad nehme ich!“, rief Yuriy hinterher und stolperte aus der Küche. Boris und Sergej hörten Gerangel und Flüche auf dem Gang, bevor die Tür zuschlug. „Du bist am Freitag zu Fuß nach Hause gekommen“, stellte der blonde Russe fest. Boris verzog die Lippen: „Yep.“ Ohne Fahrrad, dafür aber mit viel Gezanke standen Yuriy und Kai eine gute halbe Stunde später vor der Universität. Missmutig durchsuchten sie die Reihen mit den alten Drahteseln, doch keiner von ihnen kam ihnen bekannt vor. Man durfte an Universitäten keine Räder übers Wochenende stehen lassen. Das kam einer Einladung zum Mitnehmen gleich. Ein absolutes no Go. „Ich habe unser Schloss gefunden“, verkündete der Rothaarige zur Bestätigung. Es war weg. „Noch nicht einmal auf alltägliche Selbstverständlichkeiten kann man sich bei euch verlassen! Und du wolltest, dass wir uns einen Hund zulegen! Der wäre erst recht weg. Der kann nämlich im Gegensatz zum Fahrrad sogar selber weglaufen.“ „Hey! Boris hat das Ding vergessen und nicht ich! Außerdem, was hat das mit einem Hund zu tun? Das ist etwas ganz anderes!“ „Ja ja, etwas ganz anderes. Es geht ums Prinzip!“ Schon wollte der Blauäugige wütend kontern, als ihn eine Stimme stutzen ließ: „Guten Morgen, Yuriy Ivanow.“ Als Yuriy sich umdrehte, funkelten ihn blaugraue Augen wach und mit einer Spur Neugierde an. „Professorin Romanov.“ Er konnte seine Überraschung nicht verbergen. Ja, er war geradezu erschrocken. Was sollte er sagen? Er hatte hier mit Kai herumgeschrieen wie ein Idiot, welcher zu allem Überfluss anwesend war und den Namen der Professorin, mit der er schlief, sicherlich nicht plötzlich vergessen hatte. Die Party konnte beginnen! Kai kam auch prompt neben ihn und sah zu der blonden Frau, die auf sie zukam. Svetlana trug eine Umhängetasche und einen klassisch schwarzen Mantel mit Goldknöpfen. Yuriy musste nicht den Designer kennen, um zu wissen, dass das Ding schweineteuer war. Nun gut, er lebte auch nicht gerade im Armenhaus. Dank Kai... Die Professorin betrachtete den graublauhaarigen Mann neben ihrem Studenten und hielt ihm die Hand hin: „Svetlana Romanov.“ „Ich weiß. Kai Hiwatari.“ „Ich weiß.“ Sie sah tief in die rubinroten Augen, die sie mit demselben Interesse betrachteten, wie sie es ihm entgegenbrachte. „Und was hältst du von mir?“ Sie erkannte Feuer, wenn sie davor stand und liebte es damit zu spielen. „Hmm, ich würde sagen, Sie sind nicht sehr entscheidungsfreudig.“ Kai war durchaus von ihrem Auftritt beeindruckt. „Was glaubst du, warum ich Professorin geworden bin“, schmunzelte sie. „Da es in Russland keine Gerichte gibt, wäre alles andere auch wenig sinnvoll.“ Yuriy starrte beide an, als stammten sie aus einer anderen Welt. „Was studierst du?“ „BWL, aber ich fange nächstes Semester mit Biologie an.“ „Ah, da analysiert man doch den ganzen Tag Urinproben.“ „Unter anderem.“ „Wenn du dich mit Wirtschaft auskennst, könntest du Yuriy doch etwas auf die Sprünge helfen. Ich habe den Eindruck, es ist nicht so seine Sache.“ „Würde ich machen, aber leider hört er nie auf mich.“ „Ach, ich glaub du kommst zurecht.“ „Ich auch.“ „Hallooo?!“ Yuriy traute seinen Ohren nicht. Für seinen Ausruf erntete er lediglich Gelächter. „Kai Hiwatari, du gefällst mir. Ich erkenne einen scharfen Verstand, wenn ich ihn sehe: hast du dir schon mal überlegt mit Jura anzufangen?“ Sie genoss es zu sehen, dass sie den jungen Mann mit den roten Augen überrumpelt hatte. Auch Yuriy schien etwas, ja, fast aus der Fassung gebracht. Ein rarer, amüsanter Anblick. „Ich denke nicht, dass ich für den Umgang mit Menschen in diesen Kreisen geschaffen bin“, antwortete Kai schließlich ehrlich. „Aber mit Biologie hast du es nicht nur in Russland schwer.“ „Bevor ich verhungere, wird mir sicherlich etwas einfallen. Ich bin nicht sonderlich arbeitsscheu.“ Svetlana nickte anerkennend und reichte ihm zum Abschied die Hand: „Gut. Ich muss jetzt weiter. Es war mir ein Vergnügen, Kai Hiwatari.“ An Yuriy gewandt: „Und wir sehen uns um 10.00 Uhr.“ Dieser nickte nur. Als die Professorin weg war, meinte Kai: „Sie ist tatsächlich charmant. Du hast sie in Privatrecht?“ „Ja.“ Er war sprachlos. Er wusste weder, was er davon halten sollte, dass Svetlana höchstpersönlich Kai gerade beim ersten Treffen vorgeschlagen hatte doch in ihrem Fach sein Studium fortzusetzen – und ihm im gleichen Aufwasch Honig ums Maul geschmiert hatte – noch, wie er es zu bewerten hatte, dass die Beiden sich anscheinend sympathisch fanden. Etwas, was im Angesicht beider Charaktere eher ungewöhnlich war. Zumal Kai Svetlana gegenüber immer negativ eingestellt gewesen ist. Nun, sie waren sich ja auch noch nie zuvor begegnet. „Kommst du?“, holte ihn die ungeduldige Stimme seines Mitbewohners aus den Gedanken. Er hatte gar nicht bemerkt, dass der Graublauhaarige weitergegangen war: „Ja ja, hetz’ nicht so.“ Rei bereute es liegen geblieben zu sein. Er hätte mit Kai aufstehen, mit ihm zur Uni und von dort aus in die Stadt gehen sollen. Aber so war es bereits halb zehn und er lag immer noch wie erschossen im Bett. Er wusste ganz genau, dass er heute nicht mehr aus dem Haus kommen würde. Draußen war es trüb und bewölkt und sah aus, als könnte es jeden Moment anfangen zu regnen. Seufzend drehte er sich auf den Rücken und begann über das Wochenende nachzudenken. Es war sehr schön und interessant gewesen und das bezog sich nicht lediglich auf die Stadt und deren Sehenswürdigkeiten. Nie zuvor hatte er sich so gut mit dem sonst so stillen Beyblader verstanden. Sie hatten so viel geredet und gelacht! Kai hatte ihm sehr viel über sich erzählt und auch echtes Interesse an ihm gezeigt. Ihn Dinge gefragt, die seine anderen Freunde zwar schon längst wussten, aber die den Graublauhaarigen bis dato nie großartig interessiert zu haben schienen. Auf der anderen Seite wusste er Sachen, die er kaum hätte mitbekommen können. Da zeigte sich, dass sein ehemaliger Teamleader sehr wohl an seinen Mitmenschen interessiert war beziehungsweise sehr aufmerksam beobachtete was sie taten und sagten und es sich über Jahre merken konnte. Eigentlich fast schon wieder unheimlich. Rei hatte den Eindruck gewonnen, dass sie nun wirklich Freunde geworden waren und ein Band zwischen ihnen entstanden war, welches nicht mehr so leicht zu kappen sein würde. Ein schönes Gefühl. Sie lagen auf derselben Wellenlänge und hatten sogar einen ähnlichen Humor. Ein leichtes Lächeln breitete sich über seinen Lippen aus, als er sich mit einem Ruck aus dem Bett schwang. Nachdem er im Bad war und festgestellt hatte, dass er scheinbar alleine in der Wohnung war, stellte sich die Langeweile wieder ein. Kochen konnte er nicht, da er nicht wusste, wann die anderen wieder zurückkommen würden. Sein Buch lesen? Nein, dazu hatte er absolut keine Lust. Fernsehen hatte auch keinen Sinn, weil er kein Wort verstehen konnte. „Ah!“ Das war die Idee! Die Blitzkriegboys würden sicherlich DVDs mit englischen Untertiteln haben. Voller Enthusiasmus suchte er durch das DVD-Regal und fand schnell etwas, dass auch Audiooptionen in Englisch hatte: The Lord of the Ring. Es war zwar nicht so ganz Reis Geschmack, aber doch unterhaltsam genug um den Vormittag tot zu schlagen. Eine gute Stunde später hörte der Chinese die Haustür. Kurz darauf kam Ivan ins Wohnzimmer. „Hallo!“, begrüßte Rei ihn freundlich. Der schien etwas befremdet darüber den Schwarzhaarigen auf ihrer Couch lümmelnd ihren Film anschauend vorzufinden: „Bist du ganz allein?“ „Ja, scheint so. Ich hab mir herausgenommen mir eine DVD auszuleihen., wenn es nichts ausmacht.“ „Ist mir egal. Ich hab sie zwar gekauft, aber hier gehört sowieso alles jedem, irgendwie.“ Etwas müde ließ sich Ivan auf die andere Couch fallen. „Bist du mit der Schule fertig?“ Rei fühlte sich verpflichtet mit dem kleinen Russen zu sprechen. „Ich hatte heute meine Prüfung in Wirtschaft.“ Aus einem unerfindlichen Grund nervte der Chinese ihn nicht. Es tat fast gut, dass jemand mit ihm sprach – über ihn. „Und ging es dir gut?“ „Na ja, ich werde sie wohl bestanden haben.“ „Das ist doch gut.“ „Wahrscheinlich schon.“ Als sich Schweigen ausbreitete und Rei erkannte, dass Ivan womöglich gerne weiterreden würde, aber nicht wusste was, stellte der Chinese eine Frage, die ihn schon lange interessiert hatte: „Was ist eigentlich mir euren Eltern passiert?“ Ivan sah ihn überrascht an: „Hat dir Kai nix erzählt?“ „Nur, dass seine Eltern tot sind. Über euch gar nichts.“ War er zu weit gegangen? Doch der Russe schien amüsiert: „Das ist typisch für ihn. Gut. Ich bin gerade in der richtigen Laune.“ Ivan setzte sich auf und begann zu erzählen: „Kais Eltern sind bei einem Autounfall bei St. Petersburg ums Leben gekommen. Seine Mutter starb im Krankenhaus und die Ärzte haben einen Notkaiserschnitt gemacht und konnten Kai so einen Monat zu früh rausholen und retten. Er wuchs bei Voltaire auf bis dieser ihn mit vier in die Abtei verfrachtete. „Yuriys Vater war in irgendeinem Krieg gefallen und er lebte nur mit seiner Mutter in Nowosibirsk bis diese an irgendeiner Krankheit starb und er mit fünf in die Abtei kam. „Boris war schon immer ein Waisenkind und war öfters weggelaufen. Einmal ist er an Leute der Abtei geraten und wurde mit fünf dort eingewiesen. „Sergej wurde von seiner Mutter zur Adoption freigegeben und von einem Pärchen aufgenommen, dass ihn mit sechs an die Abtei verkauft hattte und ich, na ja, meine Eltern sind gestorben als ich sieben war. Mein Vater war Mafiosi, handelte sich Ärger ein und wie das in solchen Organisationen ist, wurde das Problem recht effektiv beseitigt. Mein Kindermädchen hat mich versteckt und in die Abtei gebracht, weil sie dachte, die würden auf mich aufpassen. Sie war nicht die Klügste, aber sehr nett. Ich weiß nicht, wo sie geblieben ist.“ Rei hatte sprachlos zugehört und konnte sich mitunter kaum verhindern ein paar Mal nach Luft zu schnappen. Das waren alles recht heftige oder zumindest traurige Schicksale. Der junge Russe schaute ihn jedoch an, als hätte er gerade über ein historisches Ereignis berichtet, dass nur der Vollständigkeit halber genannt werden sollte. „Und wenn wir schon dabei sind: Was ist mit deinen Eltern?“ Rei sah auf den Boden: „Sie sind in einer Schlammlawine umgekommen als ich sechs war. Das Dorf hat sich dann aber um mich gekümmert. Ich habe bei Rais und Maos Eltern gelebt.“ „Das ist nett.“ Der Chinese lächelte ihn an: „Ja, sie waren immer sehr lieb zu mir. Ich hatte Glück.“ „Hey, hab jetzt ja nicht irgendwelche Anwandlungen und meine uns bemitleiden zu müssen. Die Abtei und alles davor, das ist Vergangenheit. Uns geht es jetzt sehr gut. Kai hat wohl etwas wieder gut machen wollen, als er für uns alle die Wohnung besorgt hat, aber jetzt ist alles okay. Wir kommen miteinander aus und wenn es nötig ist, helfen wir uns. Wir werden mit guter Arbeit unser Leben bestreiten können.“ Rei wollte nicht nachhaken, was für Arbeitsaussichten ihnen in der Abtei prophezeit worden waren. „So! Genug der Märchenstunde. Ich habe Hunger. Magst du nicht irgendwas Leckeres kochen?“ Etwas perplex nickte der Schwarzhaarige, lächelte dann: „Klar.“ Der Tag verlief für Yuriy beschissen, um es gelinde auszudrücken. Er wurde in Strafrecht von ein paar minderbemittelten Kommilitonen ständig genervt, in Privatrecht bei jeder seiner Meldungen ignoriert und anschließend in der Mensa so angerempelt, dass seine Jeans auch etwas von der heißen Gulaschsuppe abbekam. Danach hatte er einfach keinen Bock mehr. Er ließ die letzte Vorlesung ausfallen und machte sich auf den Weg nach Hause. Während er die Straßen entlang schlenderte, gingen ihm noch allerlei Dinge durch den Kopf. Mit der Zeit schob sich jedoch immer deutlicher ein spezieller Gedanke in den Vordergrund: War Kai besser als er? Eine dumme und kindische Frage, wenn man bedachte, wie lange sie sich schon kannten und wie oft sie ihre „Reviere“ schon voneinander abgegrenzt hatten. Kai war ein herausragender Beyblader. Genau wie er. Kai war sehr klug und gewitzt. Genau wie er. Kai sah gut aus und musste sich um mangelnde Aufmerksamkeit in der Frauenwelt keine Gedanken machen. Genauso wie er. Nur Geld hatte Kai mehr, aber das lag an dem Erbe, das, wie er selbst immer betonte, ihm einfach in den Schoß gefallen war. Selber erreicht hatte der Blaugrauhaarige auch nicht mehr als Yuriy. Im Gegenteil, Yuriy war drauf und dran ein selten vergebenes Stipendium zu bekommen und das für seine guten Leistungen im Studium. Nicht mehr und nicht weniger. Aber was war es dann, dass ihm so zu schaffen machte? Der Rothaarige wusste es, aber er wollte es nicht einmal denken. Er war eifersüchtig auf Kai! Es passte ihm nicht, dass der Halbrusse überall genauso gut oder besser war als er. Dass er von der anspruchsvollen Romanov angeworben worden war, dass sie ihn sympathisch fand, dass er verdammt noch mal ein göttlicher Küsser und höchstwahrscheinlich auch Liebhaber war! Yuriy hatte sich stets insgeheim darüber gefreut, dass er so erfolgreich bei Frauen war. Und das nicht nur bei irgendwelchen Discoflittchen, sondern bei reifen, erfahrenen Frauen, die einschätzen konnten, was die Spreu vom Weizen unterschied. Ja, er, Yuriy Ivanow, war stolz darauf so gut im Bett zu sein! Er brauchte dies bei seinen vielen Talenten zwar eigentlich nicht für sein Selbstwertgefühl, aber doch, sein Ego litt immens darunter, dass er in diesem Punkt Kai genauso wenig voraus schien wie in den anderen. Und so gut, wie der küsste, nein, da konnte es kaum gelten, dass er ältere Frauen ins Bett gekriegt hatte. Er mochte nicht wetten, aber er konnte sich gut vorstellen, dass Svetlana genauso Kai in ihrem Bett dulden würde wie ihn selbst. Eine frustrierende, ärgerliche Erkenntnis. Doch was sollte er denn schon tun? Sich über die Bettqualitäten seines eigentlich besten Freundes Gedanken zu machen, sich davon einschüchtern zu lassen, war mehr als absolut lächerlich und überaus kindisch. Geschweige denn, wie peinlich und erniedrigend es wäre, würde jemand von seinen „Problemen“ Wind bekommen. War doch schön, wenn Kai in allem gut war. Es gab nichts schlimmeres als ständig frustrierte Menschen. Und er wollte sich nicht vorstellen, was für ein Sonnenschein ein sexuell frustrierter Kai Hiwatari wäre. Bestimmt nicht mehr feierlich. Er war so schon schwierig und nervig genug. Aller bemühten Rationalität zu trotz, diese Überlegungen blieben in seinem Kopf hängen und rotierten so lange, bis Yuriy mit einem dämlichen Entschluss vor der Haustür stand. Er würde Kai zu einem Beyblade-Match herausfordern und wenn er gewann, würde er jegliche Vergleiche mit ihm im Keim ersticken. Wenn er verlor..., diese Option gab es schier nicht. Als der Rothaarige die Wohnungstür aufmachte kam ihm bereits der leckere Essensduft entgegen. Schnell zog er Schuhe und Jacke aus und betrat mit hochgezogenen Augenbrauen die Küche, wo er Ivan und Rei am Tisch sitzend einen Blumenkohlauflauf essend vorfand: „Sonst geht’s euch gut?“ „Willst du auch was? Ist noch genug da“, bot Rei sogleich lächelnd an. „Ja, ich zieh’ mich nur schnell um.“ Das war das Stichwort: „Hast du dir in die Hose gemacht?“ Ivan schaute ihn mit großen Augen an. „Im Gegensatz zu dir bin ich aus dem Alter heraus“, blaffte Yuriy zurück. „Hm, riecht würzig. Du pinkelst Gulaschsuppe? Damit würde ich mal zum Arzt gehen“, mischte sich der Chinese unerwartet ein, woraufhin Ivan lachen musste. „Ach, packt euch doch ein!“ Mit geballten Fäusten stürmte der Rothaarige von dannen. „Welches Rind ist denn dir über die Hose gelaufen?“, rief sein Mitbewohner noch lachend hinterher. Yuriy fand das gar nicht witzig und viel zu albern, um sich auf eine Erwiderung einzulassen. Für heute. Sergej hingegen hatte einen klasse Tag. Im Studium gab es sowieso keine Probleme und jetzt schien es mit dem Privatleben auch langsam vorwärts zu gehen. Sein Date Katherina ging, wie sich herausgestellt hatte, dreimal in der Woche zur selben Zeit in dieselbe Mensa essen wie er. Und glücklicherweise hatte sie nichts dagegen diese halbe Stunde in nächster Zeit mit ihm und nicht mit ihren Freundinnen zu verbringen. Heute war so ein Tag gewesen und sie hatten sich köstlich amüsiert und für das kommende Wochenende ausgemacht ins Kino zu gehen. Ja, Sergej konnte sich durchaus vorstellen, dass es mit diesem Mädchen ernst werden könnte. Sie war hübsch, sehr kritisch und selbstbewusst, aber auch in genau den richtigen Momenten sehr humorvoll und ausgelassen. Und sie schien tatsächlich ihn zu mögen und nicht nur seinen guten Ruf. Boris, der gerade mit ihm nach Hause ging, schien seine gute Laune bemerkt zu haben: „Wie sah dein Date gestern eigentlich aus?“ „Lange braune Haare, dunkelbraune Augen, schlanke Figur.“ „Aha.“ Mehr würde er ohnehin nicht aus seinem Mitbewohner rauskriegen. „Sie studiert hier Physik“, fügte Sergej leicht lächelnd hinzu. Boris hob eine Augenbraue an, nicht nur milde überrascht über die als froh zu bezeichnende Mimik seines Mitbewohners: „Na, dann könnt ihr ja gut fachsimpeln.“ Zu Hause angekommen, stellten sie erst einmal fest, dass es für sie nichts mehr zu essen gab. Mürrisch blickten sie zu den drei jungen im Wohnzimmer fernsehenden Männern und es dauerte nicht lange bis Rei in der Küche stand und Spaghetti zubereitete. Ihnen war klar, dass es nicht die feine englische Art war so mit Kais Gast umzuspringen, aber ihnen und vor allem ihren knurrenden Mägen war das völlig egal. Just, als der Chinese Boris und Sergej die Teller vor die Nase stellte, öffnete sich die Haustür und ein nasser Hiwatari trat fluchend in die Wohnung: „So ein scheiß Wetter! Dreißig Meter vor der Tür musste es noch anfangen zu schiffen.“ Rei trat in den Flur: „Hallo! Gerade sind die Spaghetti fertig geworden.“ „Mach so weiter und wir sperren dich als unsere Hausfrau in der Küche ein“, kommentierte Ivan die Szene, als er sich eine Flasche Multivitaminsaft aus dem Kühlschrank zu trinken holte und entlockte Rei dabei ein Schmunzeln, das von Kai mit einer hochgezogenen Augenbraue quittiert wurde. Nach dem Essen gingen die Blitzkriegboys auf ihre Zimmer und der Chinese nutzte die Gelegenheit, um Kai zu erzählen, was Ivan ihm über ihre Eltern berichtet hatte. „Natürlich sind die Schicksale aller Abteikinder nicht sonderlich rosig, aber das ist lange her und es geht uns mittlerweile ganz gut.“ „Ja, schon. Aber das verfolgt einen doch trotzdem sein Leben lang.“ „Wir haben ja auch alle unsere Macken davon getragen.“ Kai hob amüsiert eine Braue an. „Hast du Bilder von deinen Eltern gesehen?“, wagte Rei vorsichtig zu fragen. „Erst als mein Großvater gestorben ist. In alten Truhen im Keller waren ein paar Sachen und Bilder von ihnen.“ „Hm.“ Es fiel dem Schwarzhaarigen nicht mehr schwer zu begreifen, warum die Blitzkriegboys alle eigenbrötlerisch und mehr oder weniger grausam gewesen waren, als sie sich kennen gelernt hatten. „Seine Eltern bei einer Naturkatastrophe zu verlieren ist auch nicht lustig.“ Kai wollte kein Mitleid. Seine Kindheit war nun mal im Arsch. Das ließ sich nicht mehr ändern. Es war ein Riesenglück gewesen, dass er zu den Bladebreakers gekommen war, Freunde gewonnen hatte, die ihn ohne äußere oder innere Zwänge, wie Einsamkeit oder Schutzbedürfnis, mochten und immer an ihn geglaubt hatten, egal wie verfahren die Situationen auch gewesen sein mögen. Und jetzt hatte er seine „alten Freunde“ unter einem Dach und sie konnten ihr junges Leben genauso beginnen, wie die meisten anderen auf der Welt. Nein, da gab es keinen Grund für Mitleid. Das war eine Geschichte mit Happy End. „Aber meine Umgebung war fürsorglicher“, antwortete der Goldäugige nachdenklich. Gerade als Kai zu sprechen ansetzen wollte, klopfte es an die Zimmertür. Ein genervtes „Ja“ ließ Yuriy die Tür öffnen. Sein Blick fokussierte sich auf Kai und Rei, die auf dem Bett lagen und ihn nun misstrauisch bzw. fragend ansahen. Kurz spürte er wie sich seine Bewegungen versteiften, bevor er jegliches Zögern mit einem Atemzug verdrängte und eintrat: „Mir ist langweilig“, verkündete er mit unbewegter Miene, „Ich will mit dir bladen.“ Kai betrachtete den Rothaarigen verwundert: „Jetzt?“ „Ja.“ „Keine Lust. Frag jemand anderen.“ Sonst noch was? Er konnte auf Yuriys Einfälle momentan verzichten. „Komm schon. Rei überlebt auch eine Zeitlang ohne dich.“ Er wollte nicht länger warten. Die Situation wurde dadurch schließlich auch nicht besser. Kai indes erkannte, dass mehr als Langeweile hinter der Aufforderung seines Mitbewohners stecken musste. Er wusste zu genau die verschiedenen Tonlagen seiner Stimme zu unterscheiden. Yuriy hatte ein Problem und da er sich nur einen Auslöser vorstellen konnte – genannt Romanov, musste er dieses fast mit ihm haben. Schließlich war dem Graublauhaarigen durchaus nicht entgangen, dass sein Freund zur Eifersucht neigte: „Na gut. Ich komme gleich.“ Ein Nicken und der Wolf war verschwunden. Dafür sahen ihn nun goldene Augen an: „Kann ich nicht zuschauen?“ „Er ist sauer auf mich, weil seine Professorin mich mag. Das ist eine der Varianten der Konfliktbewältigung, wie wir sie praktizieren.“ „Aha.“ Warum wunderte Rei das nicht... Kai zog sich um, packte Dranzer aus seiner Schatulle im Nachtschrank und verschwand mit einem „Bis gleich“. Rei drehte sich seufzend auf den Rücken und begann erneut zu warten. In der Nähe des Appartements gab es einen kleinen Sportpark mit ungefähr vier Quadratmeter großen Bey-Arenen. An einer von ihnen stand Yuriy und sah genervt aus der Wäsche. Kai konnte nicht sagen, ob er wegen ihm oder wegen seiner eigenen Aufforderung angepisst war. Seine Augen betrachteten skeptisch den dunklen Abendhimmel. Glücklicherweise regnete es wenigstens nicht mehr. Das hätte noch gefehlt und Yuriy hätte ihm den Buckel runterrutschen können. So jedoch stand er besagtem gegenüber und wortlos zückten sie ihre Starter. Mit einem lauten „Let it Rip“ schossen die Blades in die Bowl und augenblicklich schärften sich Kais Sinne. Wolborg raste wie ein Geschoss auf Dranzer zu und er konnte im letzten Augenblick noch ausweichen, um am Rand der Bowl kurz zum Stillstand zu kommen. Yuriy wollte ihm anscheinend keine Pause lassen, denn er griff weiter unentwegt an: „Hey Kai! Hör auf davon zu laufen und kämpf endlich!“ „Warum denn so wütend, Ivanow? Wurde dir heute zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt?“ Ein schnaubendes Lachen von dem Rothaarigen sollte die einzige Antwort sein, bevor Wolborg erneut angriff: „Los! Gib ihm den Rest!“ Unter grellem Licht erschien die große weiße Wölfin mit einem ohrenbetäubenden Knurren, dass den Boden vibrieren ließ. „Los Dranzer!“ Was Yuriy konnte, konnte er schon lange! Umgehend erhob sich ein roter Lichtkegel aus dem Blade und der gewaltige Phönix breitete mit donnerndem Kreischen seine Schwingen aus. „Na warte! Ich mach dich fertig, Hiwatari!“ Mit diesen Worten raste die Wölfin auf den lodernden Phönix zu und versuchte ihn durch einen Blizzard zu lähmen. Doch Kai wusste sich zu wehren und befahl Dranzer anzugreifen: „Blazing Gig!“ In einer finalen Attacke schossen die Blades aufeinander zu. Ein heller Lichtblitz zuckte empor, als sich die Kontrahenten trafen. Geblendet schlossen Kai und Yuriy ihre Augen. Als sie sie wieder öffnen konnten, blickten sie sprachlos auf die Szenerie vor sich. Die Bowl wies nun tiefe Risse auf und ihre Blades waren verschwunden. Ein Blick nach unten bestätigte Kai seine Ahnung und er hob Wolborg, welches vor seinen Füßen gelandet war, auf. Yuriy tat es ihm gleich. Wütend starrte er auf den blauen Blade in seiner Hand. Unentschieden. Das war schlimmer noch als zu verlieren. Ein beschissenes Unentschieden, dass ihm ins Gesicht lachte und über seine Einbildung besser sein zu können schmähte. Natürlich war es ein Unentschieden. Wie konnte er glauben, dass es beim Beybladen anders sein würde als in allen anderen Lebensbereichen. Gleichzeitig machte sich in ihm das Gefühl breit einfach absolut idiotisch zu handeln. Er zuckte unmerklich zusammen, als er Kais Hand spürte, die ihm Dranzer wegnahm und Wolborg hineinlegte. Er blickte auf und sah dunkelrote Augen, die ihn fragend musterten. „Ich werde nicht mit Jura anfangen“, brach er endlich die Stille zwischen ihnen. Der Rothaarige konnte nicht anders und brach auf diesen Satz hin in schallendes Gelächter aus, was Kai wiederum irritierte: „Das war doch dein Problem, oder? Du willst nicht, dass ich dasselbe mache wie du.“ Yuriy konnte sich nur mit Mühe zusammenreißen: „Ach, lieber Kai, du kannst studieren was du willst. Aber Jura wäre nicht zu empfehlen, wenn dich Wirtschaft schon nicht reizt.“ Der Graublauhaarige betrachtete seinen Mitbewohner verständnislos: „Die Romanov ist mir auch egal. Zumindest würde ich nicht auf die Idee kommen mit ihr ins Bett zu hüpfen. Sie mit mir sicherlich auch nicht.“ Yuriy hob seine Augenbraue: „Und wie kommst du darauf?“ „Sie hat es mir gesagt“, beantwortete Kai schlicht, was ihm einen verstörten Blick von dem Anderen einbrachte. „Wann denn das?“ Es klang zugegebener Maßen schärfer als beabsichtigt. „Wir sind uns am Mittag noch einmal über den Weg gelaufen und haben zusammen gegessen.“ „Was?!“ Der Rothaarige schnappte ungläubig nach Luft. Waren sie jetzt die besten Freunde geworden, oder wie? Kai schüttelte nachsichtig den Kopf, ehe er erklärte: „Wir sprachen übers Studium und irgendwann hat sie mich gefragt, weshalb ich sie nicht für entscheidungsfreudig halte. Lange Rede kurzer Sinn: Sie meinte, dass sie nicht geplant hätte fremdzugehen - es ein Zufall war, dass du gekommen bist – und es ihr geholfen hätte zu erkennen, dass höchstwahrscheinlich kein Weg um die Scheidung herumführen wird.“ Yuriy war sprachlos. Es hatte rein gar nichts damit zu tun, dass er charmant oder begehrenswert war, nein, Svetlana hatte einfach nur die Gelegenheit genutzt, als ein Student sie besprang? Kai hatte in einer Begegnung mehr von ihr erfahren als er bis heute. Es war einfach nur ungerecht. Wortlos drehte sich der Rothaarige um und ging nach Hause. Kai folgte ihm schweigend und nicht verstehend, warum sich sein Mitbewohner so seltsam verhielt. Nach einer Dusche stand Kai in seinem Zimmer und betrachtete sein Bett. Zusammengerollt wie eine Katze lag Rei in der Mitte und schlief tief und fest. Der Russe beschloss angesichts dieses Anblicks ihn in Ruhe zu lassen, noch etwas zu lesen und anschließend zu Yuriy zu gehen. Er wollte wissen, was mit dem Rothaarigen los war und was besseres zu tun, als den anderen zu nerven, hatte Kai ohnehin nicht. Als er hörte, dass Yuriy aus dem Bad war und in sein Zimmer ging, streckte er sich genüsslich, ehe er sich in Shirt und Boxershorts aufmachte und an der anderen Zimmertüre klopfte. Yuriy war keineswegs erfreut den Graublauhaarigen an seiner Wand lehnend zu sehen, aber rausschmeißen war ihm zu anstrengend und so fragte er ungeduldig: „Was willst du? Ich bin müde.“ „Was ist dein Problem?“ Der Halbrusse sah zu seinem Mitbewohner, der im Schlabberlook an seinem Schreibtisch saß. „Wenn ich einen Therapeuten brauche, wende ich mich an Boris. Gute Nacht!“ „Ich will wissen was los ist.“ Kai konnte nicht leugnen, dass es ihn ungemein reizte weiter zu bohren. „Schön für dich. Tschüs!“ Yuriy bedeutete ihm mit der Hand zu gehen, als sei er eine lästige Fliege, die es gewagt hatte seinen Teller anzufliegen. Gut, dann versuchte es Kai eben anders: „Deine Professorin hat mich überzeugt Medizin zu studieren, statt Biologie. Wegen der Berufschancen und weil es doch in die Richtung geht, die mich interessiert.“ „Und die Menschen? Da musst du mit Leuten umgehen wollen.“ Yuriy sah ihn skeptisch an. „Wenn es mir nicht liegt, kann ich immer noch in die Pathologie gehen“, grinste Kai und setzte sich aufs Bett. „Da bist du gut aufgehoben. Dr. Hiwatari.“ Yuriy schüttelte den Kopf. Das war eine seltsame Vorstellung. „Hab ich dir was getan?“, fing Kai wieder an. Die blauen Augen sahen ihn starr an. Innerlich überlegte Yuriy tatsächlich, ob er andeutungsweise mit der Wahrheit, von der er übrigens auch nicht genau wusste, ob er sie kannte, herausrücken sollte. „Es...“, fing er plötzlich an, „Es geht mir auf die Nerven, dass ich nirgends ausschließlich besser bin als du.“ Als er sah, wie sich Kais Augenbrauen empor schoben, bereute er bereits seinen Mund nicht gehalten zu haben und wehrte ab: „Vergiss, was ich gesagt habe. Gute Nacht.“ Der Graublauhaarige ließ sich aber jetzt erst recht nicht so leicht abschütteln: „Ist das dein Ernst? Das ist doch lächerlich.“ Verärgerung sammelte sich ein seinem Bauch: „Dann verschwinde!“ „Schon allein in Jura bist du herausragend.“ „Damit beschäftigst du dich ja auch nicht“, fauchte Yuriy nun gereizt. „Und mit was beschäftige ich mich? Beyblade? Als Vize-Weltmeister brauchst du dir auch nicht gerade Asche aufs Haupt streuen.“ „Es geht ums Prinzip.“ „Und an was denkst du dabei?“ „Du gehst mir einfach auf den Sack!“, fuhr Yuriy seinen Mitbewohner erneut an. „Und warum das nun mehr als sonst?“ Das wurde langsam wirklich interessant. Yuriy schwieg und starrte auf seine Finger, die sich unmerklich in die Armlehne seines Schreibtischstuhls gekrallt hatten. In Kais Kopf arbeitete es. Er machte es sich zur persönlichen Aufgabe den Auslöser von Yuriys plötzlichem und vor allem ungewöhnlichen Anfall von Neid zu finden. Es wollte ihm bei Gott oder wem auch immer nichts einfallen, außer: „Erstaunte es dich so sehr, dass du nicht der Einzige bist, den man in dieser WG als Playboy bezeichnen könnte?“ Yuriy schaute ihn dermaßen perplex an, dass er sich bestätigt fühlte. „Das soll doch wohl ein Scherz sein“, lachte Kai. „Ach, halt’s Maul!“ Die roten Augen funkelten weiterhin belustigt: „Was gibt dir Anlass dazu? Der Kuss? Das war doch nichts.“ „War es schon! Und das kotzt mich an!“ Kai kam es vor, als säße er vor einer Raubkatze, bereit ihn anzuspringen und zu zerfleischen. //Oh je// „Und was soll ich jetzt tun?“ „Nichts.“ Das war so peinlich. Die rubinfarbenen Opale wanderten durch den Raum, aber eine Lösung fanden sie nicht. Yuriy hätte indessen gerne die Zeit zurück gedreht. Das durfte er sich jetzt bis in alle Ewigkeit anhören. Warum er überhaupt angefangen hatte zu reden? Gute Frage. Manchmal überkam es ihn in Kais Gegenwart und seine Klappe ging auf und zu, ohne, dass er es kontrollieren konnte. Eine Angewohnheit, die sich aus Kindertagen wieder zu manifestieren schien, seitdem sie wieder angefangen hatten sich zu verstehen. „Dann finde es heraus“, unterbrach Kais Stimme seine Gedanken. „Was?“, fragte er verständnislos zurück, das seltsam flaue Gefühl im Bauch verdrängend. „Ob ich wirklich so gut im Bett bin, wie du glaubst.“ Es brauchte einen Moment bis der Rothaarige reagierte und ungläubig die Augen aufriss: „Du willst mich verarschen.“ Den Schauder, der ihn dabei plötzlich überlief ignorierte er stoisch. „Nein.“ Unbewegt sahen ihn die unergründlichen Rubine an und Yuriy nahm ihm beinahe ab es tatsächlich ernst zu meinen: „Was hättest du davon?“ „Befriedigung meiner Neugierde.“ „Warum solltest du neugierig sein mit einem Mann zu schlafen?“ Kai konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Ich bin neugierig, wie es ist mit dir zu schlafen der Neugierde willen. Ich weiß nicht, ob man dieses Wort wirklich genau definieren kann.“ Yuriy überkam bei Kais Worten einen heißen Schauder, den er nur zu gut deuten konnte. „Du bist verrückt.“ Kopfschüttelnd betrachtete er die roten Augen, die ihn weiterhin undurchschaubar musterten. „Okay. War nur ein Angebot.“ Mit diesen Worten erhob sich Kai vom Bett und schritt zur Tür hin. Gerade als er sie öffnen wollte, wurde sie von Yuriy wieder zu gedrückt. „Wenn das ein Witz sein soll, wirst du dir wünschen mich nie gekannt zu haben“, flüsterte der Rothaarige bedrohlich in Kais Ohr. Dieser kniff daraufhin lediglich die Augen etwas zusammen und sah in die eisblauen Opale Yuriys, ehe er äußerst unscherzhaft seine Lippen auf die des Anderen legte. _______________________________________________________________________________________________________________________ Das bisher längste Kapitel und dann so ein gemeines Ende. Aber es wäre sonst einfach zu viel geworden. Wer das nächste Kapitel nicht lesen kann, bitte ENS schicken. Ich hoffe das Verhalten der Protagonisten ist nachvollziehbar. Wenn nicht, bitte melden^^. Vielen Dank an alle Kommischreiber! Ihr bekommt wieder eine Nachricht, wenn es weiter geht. Bye Minerva Kapitel 6: Nur Sex, oder? ------------------------- KAPITEL 6: NUR SEX, ODER? Hi! Ich weiß, es ist unverschämt lange her, sorry:( Aber jetzt ist es endlich - nach einem KaRe-Trip - endlich fertig. Danke an alle, die trotz der langen Wartezeiten immer noch mitlesen und kommentieren*blümchen hinstreck* Enjoy reading! Vorsichtig, als hätten sie Angst vor einem Stromschlag, berührten sich ihre Lippen. Yuriy wurde dabei ganz anders. Sein Magen fuhr Achterbahn und er fing ernsthaft an, an seinem Verstand zu zweifeln. Selten hatte er einen einfachen Kuss so intensiv wahrgenommen. Kai begann allmählich an seiner Unterlippe zu kauen und mit der Zunge darüber zu streichen, ohne ersichtlich um Einlass zu bitten, ganz so, als wäre das schon das Höchste aller Dinge. Der Rothaarige hatte nicht so viel Geduld und fuhr fordernd über Kais Lippen, der diese bereitwillig öffnete. Feurig erkundete Yuriy den unbekannten Mund, saugte an der nachgiebigen Zunge, die seine sanft streichelte. Auffordernd stupste er gegen sie, was zur Folge hatte, dass er sich an der Tür abstützen musste, um sich auf den Beinen halten zu können, als Kai loslegte und den Kuss intensiv erwiderte. Yuriys Verstand vernebelte sich und er verdrängte den vorwitzigen Gedanken sich darüber zu wundern, was er hier tat, einen Mann küsste, als wäre es etwas vollkommen gewöhnliches. Er spürte erst spät, dass Kai den Reißverschluss seiner Trainingsjacke geöffnet hatte und am Knoten des Hosenbunds rumfummelte. Er unterbrach den Kuss, holte tief Atem und starrte etwas überrumpelt in die roten Augen, die ihn schelmisch anfunkelten. Kai drängte ihn langsam nach hinten Richtung Bett, wobei er den Rothaarigen wieder in ein feuriges Zungenspiel verwickelte und drückte ihn nachdrücklich auf die Matratze. Die eisblauen Augen sahen ihn eindringlich an, wollten zu Tage fördern, was ihn zu diesen Handlungen bewegte und Kai erkannte einen Hauch Unsicherheit in ihnen aufblitzen. Der Graublauhaarige hielt inne, stand über Yuriy gebeugt, die Hände auf dem Bett abgestützt. In diesem Augenblick zweifelte Kai an seiner eigenen Courage und wollte am liebsten abbrechen, doch hatte er seine Rechnung ohne den rothaarigen Russen gemacht, der ihn plötzlich zu sich herunterzog. Kai wusste nicht wie ihm geschah, aber er erkannte irritiert, dass er auf einmal mit dem Rücken auf der Matratze lag, Yuriy mit einem frechen Grinsen über ihn gebeugt, ihn von seinem Shirt befreiend. Der Halbrusse konnte nicht genau sagen, ob das flaue Gefühl in seinem Bauch von dem erneuten heißen Kuss stammte oder aus seiner aufkeimenden Furcht vor dieser Situation resultierte. Allerdings wurde der Graublauhaarige schnell von seinen Gedanken abgelenkt, als sich Yuriy auf ihn legte und sich seine warme Haut auf seinen bloßen Oberkörper presste. Ohne den berauschenden Kuss zu unterbrechen, streifte Kai dem anderen die nervige Trainingsjacke von den Schultern und warf sie auf den Boden. Yuriy ließ atemlos von den seltsam unwiderstehlichen Lippen ab und fuhr fiebrig mit seinen Händen in das blaugraue Haar. Er sah in die roten Augen, unfähig ihre Botschaft zu entschlüsseln, doch der Schleier, der sich über sie zog, verstärkte nur dieses aufwühlende Gefühl in seinem Bauch. Langsam näherte er sich den feuchten, leicht geöffneten Lippen des anderen und berührte sie sanft mit seinen. Er fuhr mit zarten Schmetterlingsküssen zu Kais Wange, den Wangenknochen hinauf und zu dessen Hals. Ein unerwartetes Aufseufzen ließ Yuriy kurz innehalten, ehe er realisierte, dass Kai für diesen Laut verantwortlich gewesen war. Zufrieden grinsend, biss er leicht in die empfindliche Haut und genoss unwahrscheinlich Kais Reaktion darauf, der tief ausatmete und seinen Hals darbot. Die überraschend weiche Haut roch unwiderstehlich nach Zedern und zog ihn an wie Katzenminze, als er wie ausgehungert über den Hals runter zum Schlüsselbein küsste, die Hände immer noch in den Haaren vergraben. Er spürte Kais Finger von seinem Becken sanft zu seinen Schultern streicheln, ehe sie dort innehielten und der Rothaarige hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit zu spüren, wie Kai leise anfing zu lachen. „Was ist?“, fragte er barsch und missmutig, ob dieser dummen Reaktion, was Kai vor unterdrücktem Lachen beben ließ. Mit hochgezogener Augenbraue sah Yuriy leicht pikiert in das Gesicht des anderen, der ihn daraufhin an seinem Nacken herunterzog, ihn kurz küsste und flüsterte: „Du bist so hektisch.“ Etwas verwirrt starrte er in die roten Augen, bis es ihm dämmerte und er sich für diesen typischen „Anfängerfehler“ am liebsten geohrfeigt hätte. Das war ihm seit den ersten drei Malen mit verschiedenen Frauen nicht mehr passiert, aber wie das immer so ist mit Ausnahmen von der Regel... „Jetzt zeig ich dir mal, wie das sein sollte“, hauchte es heiß in sein Ohr, ehe sich Yuriy auf den Rücken gedreht fühlte und erstaunt zur Abwechslung Kais Lippen an seinem Hals spürte. Leicht streiften sie über seine Haut und er musste wieder überrascht feststellen, wie weich sich auch diese anfühlten. Aber was erwartete er denn auch? Raue, aufgesprungene, „typische“ Männerhaut und –lippen? Er selber war doch nicht anders und trotzdem wunderte es ihn. Es fühlte sich angenehm an so sanft liebkost zu werden, obwohl es ein Mann war, der seine Haut berührte. Ein Wohlgefühl überwältigte ihn plötzlich und er nahm überdeutlich das weiche Bett wahr, auf dem er lag, spürte Kais Beine neben seinem Becken, die Wärme, die von dessen Haut ausging, seine Lippen und Zunge an seinem Hals. Wohlig seufzte er auf. Obwohl Kai diese Reaktion gefiel, war er nicht zufrieden mit sich. Yuriy atmete beinahe normal und seine Haut war unauffällig warm. Als erregt konnte man ihn nicht wirklich bezeichnen. Aber er wusste im Moment nicht, was er mehr machen sollte, als sich wie gehabt die muskulöse Brust hinunterzuküssen und mit seiner Zunge die weichen Brustwarzen zu umspielen, bis diese Hart wurden. „Hmm, das gefällt mir, aber wenn du so weiter machst schlafe ich ein“, kommentierte Yuriy Kais Bemühungen. „So?“ Das war natürlich nicht das, was dieser hören wollte. Forsch zwängte der Graublauhaarige seine Beine zwischen die des anderen und ließ sich auf diesen der Länge nach herabsinken, was in Anbetracht der nackten Haut auf seinem Oberkörper und der schweren Berührung an seinem Unterleib in der Tat etwas erfrischendes für Yuriy hatte. Unverzüglich fing Kai seine Lippen wieder ein und entfachte ein Zungenspiel, das sich sehen lassen konnte. Das musste man Kai letztlich lassen: Küssen konnte er und das unverschämt gut. Damit erreichte der Halbrusse zumindest, dass der Rothaarige anfing verlangend über seinen Rücken zu streichen. Kai keuchte unerwartet, als er seinen Unterleib hart auf Yuriys gepresst fühlte. Der Rothaarige hatte seine Beine forsch um seine Hüfte geschlungen und grinste bei dieser Reaktion in den Kuss hinein. Mit einem Ruck gelang es Yuriy den Graublauhaarigen auf den Rücken zu drehen, sodass er nun auf ihm lag. Diesmal nahm er sich bewusst Zeit und küsste langsam und ausgiebig die warme Haut, fuhr zart mit der Zungenspitze über die harten Brustwarzen und bemerkte mit Genugtuung wie Kai scharf einatmete und seine Seiten verlangend entlang strich. Mutig wanderte der Rothaarige immer tiefer und fuhr ohne erkennbare Verzögerung mit den Fingerspitzen sanft über den dünnen Stoff der Boxershorts, worunter er die heiße Erregung deutlich spüren konnte. Gleichzeitig bemerkte er den Blick des Rotäugigen im Nacken und versuchte sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Beherzt griff er mit den Händen den Bund der Shorts, zog sie vorsichtig herunter. Yuriy ließ sich nicht die Zeit, um darüber nachzudenken, was er nun tun würde. Betont langsam leckte er mit der Zungenspitze die ganze Länge von Kais Glied entlang und vergas, über dem Aufkeuchen des Halbrussen, sich davor zu grausen, was er tat. Der Rothaarige musste feststellen, dass es zwar auf jeden Fall anders war, aber nicht im Entferntesten widerlich oder abschreckend und er genoss es, wie Kai immer härter wurde, sich anfing unter ihm zu winden, schwer atmete, als er die Erregung in Zeitlupe in seinen Mund aufnahm, daran saugte und über die samtene Spitze schleckte. Yuriy versuchte sich ins Gedächtnis zurückzurufen, wie die Frauen das immer machten, was ihm gefiel, und anscheinend war er nicht schlecht darin. Kai bemühte sich zwar um Kontrolle, doch es war ganz offensichtlich, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis er kam. Der Rothaarige schmeckte die ersten Lusttropfen austreten und obwohl er sich sicher war, dass das nicht seine Leibspeise werden würde, überraschte es ihn erneut, wie gleichgültig es ihm war. Es war nur Sex, auch, wenn es sich dabei um einen Mann handelte, und daher keineswegs verabscheuenswürdig. Als er mit der Zunge rund um den Rand der Eichel wirbelte, keuchte Kai das erste Mal zügellos auf und drückte Yuriy sein Becken entgegen, der es jedoch festhielt und spürte wie sich Finger in seinen Haaren vergruben. Er verstand den Wink und ließ von der pulsierenden Erregung ab, sah auf. Der Graublauhaarige hatte sich aufgesetzt, umfasste nun Yuriys Kinn, um ihn verlangend zu küssen. Wie sie sich lösten sahen ihn die verschleierten Rubine erwartungsvoll an. Er verstand. Der blauäugige Russe kniete aufrecht im Bett, als er vergeblich versuchte den Knoten am Bund seiner Trainingshose aufzukriegen. Seine dummen Finger wollten ihm nicht richtig gehorchen, zu sehr saß ihm eine nervende Nervosität im Nacken. „Passiert dir das öfter?“, ertönte die amüsierte Stimme Kais und Yuriy spürte die Hitze der Verlegenheit in sich aufsteigen. „Normalerweise trage ich bei so was auch keine Hosen mit Schnüren“, fauchte er wütend. Auf Kais Lippen bildete sich ein frivoles Grinsen: „Vielleicht kann ich dich ja von deinem Keuschheitsgürtel befreien.“ Skeptisch beobachtete der Rothaarige, wie Kai sich vor ihn kniete, mit einem Arm seine Hüfte umfasste und keuchte auf, als der Graublauhaarige begann mit Zunge und Zähnen an dem Knoten rumzuhantieren. Die anfängliche Überraschung darüber wandelte sich schnell in Erregung, als Kai mit der anderen Hand schamlos in seinen Schritt griff, weiterhin an seinem Hosenbund ziehend. Und tatsächlich gelang es ihm den Knoten auf diese Weise zu lösen und zog die Hose vorsichtig herunter. Yuriy hatte ihn die ganze Zeit über dabei beobachtet, wurde bei dem Anblick ganz schummrig vor Erregung und Aufregung. Als Kai sein pulsierendes Glied mit seinen Lippen umschloss, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Tief stöhnte er auf, vergrub seine Finger in dem dunklen Haarschopf, wollte ihn aus Reflex näher an sich drücken, doch Kai packte eisern seine Handgelenke und bedeutete ihm, dass er das zu lassen hatte. Blöderweise kostete das Yuriy mehr Kraft als erträglich war. Kai trieb ihn mit seiner geschickten Zunge in den Wahnsinn und er wusste nicht wohin mit sich und seinen Händen. So legte er sie auf die Kais, die sein Becken fixierten. Heiße Schauer jagten seine Wirbelsäule hoch und runter, während ein aufgeregtes Zittern von seinem Bauch aus durch seine Glieder gejagt wurde. Dem Rothaarigen kam es vor, als würde er vor Lust von innen verbrennen, keuchte und stöhnte, wie er es schon lange nicht mehr tun musste, damit dieser innere Druck wenigstens ein wenig gemindert wurde. Kurz vor dem Höhepunkt setzte Kai aus, nicht ohne noch einmal quälend langsam über die Eichel zu lecken, und sah zu Yuriy, der schwer atmend mit verschleierten Augen auf ihn herabsah. Bedächtig erhob sich der Halbrusse und kniete nun ebenfalls mit senkrechten Oberschenkeln vor ihm, sah in die blauen Eiskristalle, ehe sie wie Verhungernde übereinander herfielen und beide aufstöhnten, als sich ihre harten Unterleiber berührten, die verschwitze Haut des jeweils anderen an die eigene gepresst fühlend. Yuriy umschlang Kais Hüfte mit der einen und seinen Nacken mit der anderen Hand und spürte sich selber im Kreuz umfasst und noch näher – wenn das überhaupt möglich war - an den Graublauhaarigen gedrückt. Sobald Kai damit begann sein Becken gegen seines zu bewegen, war bei Yuriy endgültig der letzte vernünftige Gedanke im Sinnesrausch untergegangen. Wollüstig fuhren seine Hände über den verschwitzten Körper, bewegte sich gegen ihn und erntete dafür ein heiseres Aufkeuchen. Fest krallten sich Kais Finger dabei in das Gesäß des Rothaarigen, erhöhte so den Druck gegen seinen Unterleib. „Ich will dich“, seufzte Yuriy schwer atmend zwischen zwei Küssen gegen seine Lippen, woraufhin der Graublauhaarige den Kuss unterbrach und in die blauen Augen sah, die ihm genauso aufgewühlt entgegenblickten wie die seinen. Dann veränderte sich ihr Ausdruck, nahmen einen Fragenden an. Kai verstand. „Wenn du Gleitgel und Kondome hast, lasse ich dich“, hauchte er mit halbgeöffneten Augen heiß in sein Ohr. Irritiert zogen sich die roten Augenbrauen kurz zusammen, bevor er langsam sagte: „Wenn du dachtest, ich hätte beides nicht da, dann muss ich dich enttäuschen.“ Kais Lippen verzogen sich zu einem Grinsen: „Was hast du denn bitte nicht da?“ Statt einer Antwort, küsste der Rothaarige ihn auf die Lippen, verwickelte ihn in ein etwas sanfteres Zungenspiel, Kai dabei in die Kissen drückend, der sich das widerstandslos gefallen ließ. Währenddessen gelang es seinem Mitbewohner zum Nachtkasten zu langen, zog eine Schubblade auf und legte kurz darauf das Akquirierte neben sie. „Warum hast du Gleitgel?“, bemerkte der Rotäugige dennoch. Yuriy verwöhnte gerade seinen Hals, als er mit leicht amüsiertem Unterton flüsterte: „Eigengebrauch.“ Geschickt gelang es ihm die Tube zu öffnen und etwas von dem kühlen Gel auf seinen Fingern zu verteilen, ohne dass es der Halbrusse merkte. Trotzdem musste er nur andeuten, dass Kai die Beine etwas mehr spreizen sollte, ehe er ungehindert an der Poritze entlangfuhr und zögerlich abtauchte. Den Kuss geflissentlich nicht unterbrechend, um ja keine störenden Gedanken zuzulassen, verteilte er das Gel um die Rosette, bevor er vorsichtig mit einem Finger eindrang. Kai stieß prompt die Luft aus den Lungen und drehte den Kopf zur Seite, die Arme über die Augen legend. „Soll ich aufhören?“ Yuriy war etwas erschrocken und sah zu dem Graublauhaarigen, der den Kopf leicht schüttelte. Er wollte nicht, dass der Blauäugige sein Gesicht sah und das wusste dieser. Umso überraschter war er, als er Yuriys Finger zärtlich über den freien Teil seiner Wange streicheln spürte, sein angespanntes Kiefer entlangfuhr. Allmählich entspannte sich Kai und konnte es ertragen, dass sich der Finger in ihm bewegte, auch beim Zweiten gelang es ihm sich zusammenzureißen, doch als der dritte Finger in ihn eindrang, konnte er ein schmerzerfülltes Stöhnen nicht mehr zurückhalten, wobei der Rothaarige sofort innehielt. „Ich will dir nicht wehtun.“ Das klang ziemlich ratlos. „Ich weiß“, brachte Kai hervor, sich zu entspannen versuchend. In Yuriys Bauch manifestierte sich ein mieses Gefühl. Er wollte dem Halbrussen Lust und nicht Schmerzen bereiten und obwohl er genug mitbekommen hatte, um zu wissen, dass das anfangs normal war, bereitete es ihm große Unzufriedenheit und irgendwie ein schlechtes Gewissen. „Vielleicht...“, begann er, wurde aber von Kai unterbrochen. „Yuriy. Wenn ich nicht mehr will, wirst du es als Erster erfahren.“ Seine Stimme klang rau und bestimmend. Ein Schauer jagte ihm über den Rücken, ehe er damit fortfuhr Kai zu dehnen. Als sich dieser seines Erachtens zur Genüge entspannt hatte, nahm er noch mal die Gleitcreme zur Hand und verteilte noch einmal schön viel davon um den Eingang des Graublauhaarigen, doch bevor er zu dem Kondom greifen konnte, fühlte er sich zu Kai hochgezogen. Sanft verschloss er seinen Mund mit einem intensiven Kuss, der den Rothaarigen wieder in Ekstase zu versetzen mochte. Mit zittrigen Fingern gelang es ihm letztendlich die Verpackung zu öffnen, das Kondom überzustreifen und bestimmt die halbe Tube der Gleitcreme über seiner pochenden Erregung zu verteilen. Als er sich positionierte, ertappte er sich dabei, wie er noch einmal fragend, beinahe unsicher, zu Kai blickte und begegnete postwendend starren Rubinen, die ihn etwas mahnend betrachteten. Yuriy war für einen Moment hin- und hergerissen. Einerseits verspürte er ein unbändiges Verlangen mit Kai zu schlafen, andererseits hatten sich bestimmte, ja, Moralvorstellungen in seinem Kopf eingenistet und die sahen es nicht vor mit einem Mann zu schlafen. Mit dem eigenen Freund und Mitbewohner ganz zu schweigen. Doch als seine Augen über den Körper unter ihm streiften, verwarf er diesen Gedanken wieder und begann vorsichtig damit seine Spitze gegen Kais Eingang zu drücken. Dieser zog scharf die Luft ein, als er weiter in ihn eindrang. Aber da der Graublauhaarige ihm versichert hatte, was zu sagen, wenn es ihm reichte, fuhr er behutsam fort, auch wenn es Yuriy zusehends schwer fiel sich nicht mit einem Stoß in ihm zu versenken, zu heiß und eng wurde seine Erregung umschlossen. Er hielt inne, als er in ihm war und sah schwer atmend zu dem Halbrussen, der sein Gesicht wieder unter seinen Armen verbarg. „Sieh mich an“, bat er mit belegter, zugleich ungewöhnlich sanfter Stimme. Abgesehen davon, dass Kai seine Schmerzen nicht zeigen wollte, spielte es sicherlich noch eine Rolle, dass er sich wegen seiner passiven Position schämte. Aber das war genau genommen völliger Unsinn. Wenn man diese Vorstellung an eine moderne Frau herantragen würde, würde man sicherlich in Schimpf und Schande davongejagt werden. Keine Frau fühlte sich auf Grund ihrer Anatomie als untergeordnet. Also war das hier genauso lächerlich, obgleich diese Ansicht in ihren Köpfen weit verbreitet schien. Nach kurzem Zögern, legte Kai seine Arme neben seinen Körper und sah ihn endlich an. Dann hob er eine Hand und bedeutete Yuriy sich zu ihm herunterzubeugen, wobei er die Bewegung in sich mit stoischer Fassung hinnahm. Ganz leicht berührten sich ihre Lippen, als Yuriy plötzlich aufkeuchte und unter heißen Schauern feststellte, dass der Graublauhaarige seine Beine in seinem Kreuz miteinander verhackt hatte, ihn noch stärker an ihn presste. Sie sahen sich an, bevor Kai gegen seine Lippen hauchte: „Ganz langsam.“ Der Rotäugige verwickelte ihn erneut in einen leidenschaftlichen Zungenkuss, während er sein Becken vorsichtig gegen Yuriy bewegte und trotz dessen Seufzern nicht von ihm abließ. Dieser wurde allmählich wahnsinnig. Kai hielt ihn mit seinen Beinen so stark fest, dass er nicht anders konnte, als diesem quälend langsamen Rhythmus zu folgen. Es war ein intensives Gefühl, aber es reichte ihm bei weitem nicht. Er wollte, dass sich der andere schneller an ihn gewöhnte, ebenfalls solche Lust empfand und ihn endlich loslegen ließ. Also griff er mit der einen Hand kurzentschlossen nach Kais Glied und begann es genauso langsam zu pumpen. Der Effekt war überraschend. Er wurde nicht nur wieder hart, sondern erhöhte auch sehr zu Yuriys Freude das Tempo. „Kai?“ „Jah?“ Huch, war der jetzt endlich auch mal außer Atem? Der Rothaarige biss neckisch in seinen Hals, was ihm ein Seufzen einbrachte, wobei er, soweit er konnte, in Kai stieß, der daraufhin unvermittelt aufkeuchte. „Ich denke, du weißt, was ich will.“ Statt zu antworten, entspannte der Graublauhaarige seine Beine, sodass sie nur mehr locker um Yuriys Taille lagen und er sich frei bewegen konnte. Man konnte dem Rothaarigen nicht unterstellen, er sei nicht rücksichtsvoll, denn obwohl er sehr mit sich ringen musste, schaffte er es ein paar Mal sich vorsichtig aus Kai heraus- und hineingleiten zu lassen und war mehr als froh, den anderen lustvoll Stöhnen zu hören. Mit einem lasziven Grinsen wiederholte er dies betont langsam und genoss es, wie Kai anfing sich unter ihm vor Lust zu winden und die Beherrschung zu verlieren. „Hnn!“ Plötzlich musste Yuriy laut aufstöhnen, als er spürte wie der Graublauhaarige dreist seine Muskeln anspannte, wenn er aus ihm glitt und seine Erregung dadurch noch enger umschlossen wurde, quasi gemolken wurde. Und das war zuviel für ihn. Gefangen im Rausch erhöhte er den Rhythmus, stieß tief und schnell in die enge Hitze und stöhnte jedes Mal dabei auf. Irgendwie schaffte er es dabei anscheinend diesen ominösen Punkt bei der Prostata zu stimulieren, denn der Halbrusse stand geradezu in Flammen, wurde wahnsinnig vor Erregung und eilte dem Höhepunkt entgegen. Als der Rothaarige schließlich wieder anfing ihn zu pumpen, konnte Kai sich nicht mehr zurückhalten und ergoss sich laut stöhnend in dessen Hand, wobei Yuriys Glied noch einmal mehr umschlossen wurde und ihn ebenfalls zum Keuchen brachte. Trotzdem machte er weiter. Etwas langsamer, dafür mit tieferen Stößen, was Kai trotz seines Orgasmus weiterhin Sterne sehen ließ. Yuriy versuchte weiterhin diesen Punkt in Kai zu treffen und stöhnte heiser vor Erregung. Auf einmal wand sich der Graublauhaarige erneut unter seinen Stößen und bewegte sich unter Gestöhne heftig gegen ihn, was ihm beinahe die Sinne vernebelte, bevor auch er mit einem gedämpften Schrei kam. Vollkommen außer Atem ließ er sich auf Kai nieder, dessen Brust sich genauso heftig hob und senkte. Mit geschlossenen Augen lauschte er dem schnellen Herzschlag unter sich, während seine Gedanken wild umherwirbelten und sich sein Körper von diesen starken Empfindungen erholte. Doch eines davon blieb fest in seinem Bauch sitzen und verursachte weiterhin ein berauschendes Gefühl von Aufregung in ihm. Plötzlich spürte er, wie ein Zittern durch den Körper unter sich fuhr. Verwirrt stütze er sich mit den Armen links und rechts von Kais Schultern ab und sah in sein Gesicht, das der zur Seite gedreht hatte, die Augen wieder geschlossen. Yuriys Finger gruben sich in das weiche, graublaue Haar und brachten Kai dazu den Kopf wieder zu ihm zu drehen, doch die rubinfarbenen Iriden gab er nicht preis. Stattdessen schlang er seine Arme um ihn und drückte den Rothaarigen fest an sich, sein Gesicht in Yuriys Halsbeuge vergrabend, ohne dass das Zittern aufhörte. Etwas hilflos stupste er mit seiner Nase gegen Kais Schläfe: „Hey?“ Der Griff um ihn wurde noch einmal kurz verstärkt, bevor er den Halbrussen ein paar Mal tief einatmen hörte und sich dann losgelassen fühlte. „Alles okay.“ Kai ließ von ihm ab und sah ihn nun an, aber Yuriy war es nicht möglich in seinen Augen zu lesen, zu sehr hatten sie sich vor ihm verschlossen. Seine Augenbrauen zogen sich daher fragend zusammen, was allerdings an dem Graublauhaarigen abprallte. „Du darfst jetzt ruhig aufstehen“, gab er gewohnt sarkastisch von sich. Der Blauäugige verzog das Gesicht zu einer Grimasse, während er sich postwendend aus Kai rausgleiten ließ und mit wackeligen Beinen zum Müllkorb, der unter dem Schreibtisch stand, torkelte. Das Kondom müsste es bis morgen dort aushalten müssen. Er verspürte momentan wenig Lust ins Bad zu schleichen. Als er sich umdrehte, wanderte sein Blick zurück zum Bett, auf dem Kai ausgestreckt lag. Den linken Arm hatte er wieder über seine Augen geschlagen, der andere ruhte neben ihm. Der junge Russe hatte ihn schon oft nackt gesehen und trotzdem war es jetzt irgendwie anders. Jetzt wusste er, was man alles mit diesem gut gebauten Körper anstellen konnte. Ein heißer Schauer jagte bei dem Gedanken seine Wirbelsäule hinab. Er schüttelte mental seinen Kopf und legte sich zurück ins Bett neben Kai. Yuriy lag nach dem Sex immer neben seinen Gespielinnen und mochte es auch nicht, wenn sie ihm zu sehr auf den Pelz rückten. Dasselbe wusste er auch von dem Graublauhaarigen, der noch nicht einmal zweimal mit derselben schlief. Ein seltsamer Kloß bildete sich in seinem Magen und er vertrieb jegliche Gedanken, die sich nicht gerade mit dem Hier und Jetzt beschäftigten. Er sah neben sich und bemerkte, wie sich Kais Hand krampfhaft in das Laken krallte. Ehe er es merkte, war er seinem Impuls gefolgt und hatte die Hand sanft umgriffen und ihre Finger miteinander verhackt. Der Graublauhaarige blickte ihn überrascht an und Yuriy war sich sicher genauso zurückzublicken. Doch etwas veränderte sich in den rubinfarbenen Augen und er meinte Sehnsucht in ihnen zu erkennen. Ohne zu realisieren, was sie taten, fanden sie sich in einer festen Umarmung wieder. Seufzend vergrub Yuriy sein Gesicht in den dunklen Haaren, während Kai seines gegen seine Halsbeuge drückte, wobei seine Lippen, wie ausversehen, sanft über sein Schlüsselbein strichen. Hauchzart streichelten die Finger des Halbrussen über seinen Rücken, verursachten dabei ein wohliges Kribbeln. Der Rothaarige verspürte auf einmal ein unbändiges Verlangen dasselbe zu tun und schickte seine rechte Hand auf Wanderschaft über die zarte Haut. „Weißt du eigentlich, dass du nach Zedernholz riechst?“, murmelte Yuriy mit rauer Stimme gegen seine Stirn. „Hmhm“, verneinte sein Mitbewohner. „Hast du irgendetwas, das danach riecht?“ „Nur dasselbe Shampoo wie du.“ Und das roch nach gar nichts. „Du benutzt mein Shampoo?“ Das klang nach einer Mischung aus Vorwurf und Verwunderung. „Nachdem du es mir geklaut hast schon“, gab Kai amüsiert zurück. „Oh.“ Seltsam verlegen vergrub er seine Nase in dem Haarschopf. Der Rothaarige seufzte wohlig auf, als der andere seinen Hals mit sanften Schmetterlingsküssen überschüttete. „Hm. Du riechst nur nach dir“, stellte der Halbrusse dabei fest. „Ist das gut oder schlecht?“, kam es sofort stutzig gefragt. Er spürte, wie Kai die Lippen zu einem Grinsen verzog: „Annehmbar.“ „Annehmbar, ja?“ Yuriy zog gespielt beleidigt an den graublauen Haaren, doch das hatte bloß ein leises Schmunzeln zur Folge. Zärtlich streichelten sie sich über den Rücken, die Seiten und Schultern des jeweils anderen und ignorierten dabei gekonnt, dass sie beide hingegen ihrer Gewohnheiten miteinander schmusten wie die Weltmeister und es einfach nur genossen. „Und? Immer noch neidisch?“, durchbrach der Graublauhaarige nach einer Weile die Stille. Yuriy zuckte bei der Frage unmerklich zusammen, ehe er wieder die Sprache fand. „Nein“, gab er mit nüchterner Stimme von sich und wurde von Kai sogleich neckisch in den Hals gebissen. „Ach ja?“ Er wusste, dass es gemein war, sich nachdrücklich an ihn zu pressen und grinste triumphierend, als der Rothaarige ungehalten aufseufzte. „Wir haben uns schon teilweise seltendämlich angestellt.“ „Ich hätte dich erschlagen, hättest du mich auch nur einmal noch so prüfend angesehen.“ „Das ist ungerecht“, beschwerte sich der Russe, gleichzeitig grinsend, „Außerdem: Kriegst du nach dem Sex öfter Panikattacken?“ Verlegen stupste Kai mit der Nase gegen seinen Hals: „Nein.“ „War es so schlimm?“ Verunsicherung schlich sich in seine Stimme. „Ganz furchtbar“, antwortete es ihm postwendend ernst. Yuriy löste sich etwas von ihm, sodass er Kai in die Augen sehen konnte. Die Rubine funkelten ihn amüsiert an. „Hmm...?“ „Was?“, wollte der Graublauhaarige wissen. Yuriy verschloss seine Lippen zu einem sanften Kuss, ehe er flüsterte: „Eins muss ich dir lassen, küssen kannst du.“ Herausfordernd blitzten Kais Augen auf: „Und du kannst dich ganz schön beherrschen.“ Es gefiel ihm zu sehen, wie Yuriy kurz verlegen blinzelte: „Übung.“ „Hm. Ich bin ein Naturtalent.“ „Du hast noch nie vorher jemanden geküsst?“ „Doch, aber ich konnte es von Anfang an“, grinste der Graublauhaarige schelmisch. „Haha.“ Das brachte ihn zu etwas anderem: „Wann hattest du denn dein erstes Mal?“ „Mit siebzehn.“ Yuriy starrte ihn mit offenem Mund an. „Was denn?“ „Wie hast du es so lange ohne ausgehalten?“, fragte er ehrlich verständnislos. „Das ging eigentlich ganz gut.“ Kai nickte betont bekräftigend. „O~kay.“ „Wann hast du denn angefangen?“ „Mit vierzehn.“ „Dafür hattest du aber nicht viele“, stellte der Graublauhaarige trocken fest. „Waren ja nicht nur einmalige Sachen.“ „Hm.“ „Was?“ „Vierzehn ist schon heftig. Da war ich eigentlich noch ein Kind.“ Yuriy zuckte mit den Schultern und vergrub sein Gesicht wieder in den weichen Haaren des anderen. „Kai?“ „Ja?“ „Warum hast du das getan?“ „Aus demselben Grund wie du.“ Der Rothaarige murrte unentschlossen. Er war ehrlich genug zu sich selbst, um sich einzugestehen, dass es ihm gefallen hatte und er sich in diesem Moment unverschämt wohl fühlte, aber.... „Hör auf zu denken und küss’ mich“, riss Kai ihn aus den Gedanken und er kam dieser Aufforderung nur zu gerne nach. leidenschaftlich rieben sie ihre Zungen aneinander, saugten aneinander und erforschten die bereits bekannte Mundhöhle des jeweils anderen. Als sie sich schwer atmend voneinander lösten, seufzte Kai wohlig auf und schmiegte sich wieder an Yuriy, der ihn fest umarmte und müde die Augen schloss, nachdem er einen Teil der Bettdecke über sie gelegt hatte. Im Stillen war er froh darüber, dass Kai bei ihm blieb und nicht aus dem Bett floh, ihn so noch etwas länger spüren konnte. _______________________________________________________________________________________________________________________ Mein erster Lemon und mir gefällt es nicht. Bitte kritisiert mich, damit ich besser werde;) Und ja, die zwei Süßen sollten sich ein wenig anstellen, schließlich haben sie so etwas noch nie gemacht*g* Über Kommentare würde ich mich wirklich sehr freuen^^! Bye Minerva Kapitel 7: Nie mehr dasselbe, oder? ----------------------------------- KAPITEL 7: NIE MEHR DASSELBE, ODER? Diesmal schneller. Vielen Dank an alle meine Kommi-Schreiber! Ihr seid die Besten! *Blumenstrauß überreich* Enjoy reading! Es war das leise Geräusch einer sich schließenden Tür, das Rei am nächsten Morgen weckte. Müde öffnete er die Augen und entdeckte Kai, der derangiert zum Bett ging und sich neben ihn auf dem Bauch darauf fallen ließ, seufzte und reglos liegen blieb. „Wo kommst du denn her?“, fragte der Schwarzhaarige verschlafen und zog bei diesem Anblick eine Augenbraue hoch. „Das willst du nicht wissen“, nuschelte es gegen die Bettdecke. Rei setzte sich auf und besah sich den Halbrussen genauer. Seine Haare wirkten zerwühlt, das Shirt zerknittert. „Du hast doch nicht?“, begann er ungläubig, „Nein, oder?“ „Hmm.“ Fahrig wanderten Kais Hände zum Kopfkissen vor ihm und zogen es über seinen Kopf. Rei saß mit offenem Mund im Bett und starrte auf den Graublauhaarigen. Der junge Chinese hatte am Wochenende viel mit Kai gesprochen, während sie durch die Stadt gelaufen waren – wahrscheinlich mehr als alle Jahre davor – und einiges von ihm erfahren. Unter anderem auch, dass ein gewisser rothaariger Russe eine unwahrscheinliche Anziehungskraft auf seinen Gastgeber ausübte. Wie Rei das herausgefunden hatte? Das wusste er selber nicht so genau. Irgendwie hatte er es geschafft, dass Kai ihm vertraute und ihm verschiedene Dinge preisgab. Auf jeden Fall hatte er erfahren, dass der Graublauhaarige Yuriy faszinierend fand und sich auf eine undefinierbare Art und Weise von ihm angezogen fühlte. Dass er jetzt anscheinend mit ihm im Bett gelandet war, überraschte Rei, machte ihn gleichzeitig neugierig. „Du hast nicht geduscht, oder?“ Mit gerümpfter Nase tippte der Schwarzhaarige gegen Kais Arm, der nur missgelaunt brummte. „Du legst dich einfach nach dem Sex ungeduscht neben mich? Das macht man nicht.“ „Hm.“ Der Halbrusse drückte das Kissen fester über seinen Kopf. „Geht’s dir gut?“ Ein Kopfschütteln. „War’s gut?“ „Du nervst“, murmelte es schlecht gelaunt. Rei legte den Kopf schief, überlegte, ehe er meinte: „Ich gehe jetzt Frühstück holen. Was magst du trinken?“ „Kaffee“, brummte es erneut kaum verständlich. Voller Tatendrang schwang sich der Schwarzhaarige aus dem Bett und raus in die Küche, wo er von zwei kühlen Augenpaaren skeptisch gemustert wurde. „Guten Morgen!“, begrüßte er die Russen freundlich, die daraufhin einfach wortlos wegsahen und sich wieder der Zubereitung ihres Frühstücks widmeten. Als wäre er hier genauso zu Hause, griff er in die richtigen Schränke und fand die gesuchten Gegenstände und Zutaten für Kaffee, Earl Grey und ein belegtes Brötchen für sich und Kai. „Großen Hunger, was?“ Sergej sah ihn entnervt an, den Sarkasmus in seiner Stimme nicht unterdrückend. „Das ist für Kai und mich.“ Rei war der Letzte, der sich von den Russen einschüchtern ließ. Boris verzog die Lippen zu einem beinah gehässigen Grinsen: „Frühstück im Bett? Muss ja eine lange Nacht gewesen sein.“ Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern: „Ich denke es liegt nur daran, dass Kai meine Anwesenheit als angenehmer empfindet als die eure.“ „Bedient sich hier, wie in einem Hotel und ist dann auch noch unverschämt“, knurrte der blonde Mann neben ihm und durchbohrte ihn mit seinen Blicken. „Kai bezahlt’s ja.“ Mit diesen Worten verschwand Rei mit einem Tablett in der Hand aus der Küche und bemerkte nicht, wie Boris amüsiert zu Sergej sah und grinste. Auf dem Gang hätte der junge Chinese fast alles fallen lassen, als Yuriy plötzlich vor ihm stand und gerade so vermeiden konnte mit ihm zusammenzustoßen. Überrascht starrten die goldenen Augen zu dem Rothaarigen herauf, der sichtlich aus dem Bad kam und mit einem Handtuch um der Hüfte auf das Tablett sah. „Hi!“ Reis Augen blitzten unwillkürlich amüsiert auf. „Morgen“, kam es wortkarg zurück. „Könntest du mir vielleicht die Tür aufmachen?“ Dabei nickte er zu der Tür von Kais Zimmer. „Mach’s dir selbst,“ entgegnete der Rothaarige mies gelaunt und ging an ihm vorbei, seine eigene Zimmertüre zuknallend. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah der Schwarzhaarige dem Russen noch nach, bevor er es sich umständlich selbst besorgte die Tür irgendwie auf zu kriegen, ohne das Tablett dabei zu sehr zu kippen. „Bei euch sind alle so gut gelaunt am Morgen! Das ist ja kaum noch auszuhalten, so viel Fröhlichkeit!“ Reis Ausruf ließ Kai unter seinem Kissen hervorlugen. Fahrig brachte er seine Glieder dazu sich zusammenzureißen und setzte sich im Schneidersitz auf das Bett, sich dabei an die Wand anlehnend. „Das solltest du mittlerweile gewöhnt sein.“ Müde strich sich Kai über das Gesicht. „Ja, aber es ist trotzdem jedes Mal aufs Neue erfrischend.“ Wohlwollend griff der Graublauhaarige zu der dampfenden Tasse Kaffee. „Mit wem hattest du denn die Freude?“ „Mit allen außer Ivan. Wahrscheinlich wäre der noch am Nettesten gewesen.“ Kai zuckte unbemerkt leicht zusammen: „Und was haben sie gesagt?“ Diese Frage zauberte ein schelmisches Grinsen auf Reis Lippen: „Interessierst du dich wirklich für das Gepöbel von Sergej und Boris oder nicht viel eher für Yuriys Reaktionen heute Morgen?“ Kai schnaubte und sah kühl zu dem Schwarzhaarigen, der sich nicht beeindrucken ließ, dennoch diplomatischer fortfuhr: „Er hat mich fast über den Haufen gerannt, als er aus dem Bad gekommen ist – ein Ort, den du auch aufsuchen solltest – mich angestarrt, das Tablett angestarrt und mich blöd angeredet, als ich ihn bat mir die Tür aufzumachen,“ Rei legte nachdenklich den Kopf schief, „Also auch nicht anders als sonst.“ Kai ertrank sich in seinem schwarzen Gebräu und hatte wohl nicht die Absicht irgendwas dazu zu sagen. „Bist du abgehauen, bevor er aufgewacht ist?“ Ein Nicken. „Habt ihr euch verstanden?“ Was sollte er denn sonst fragen, ohne dabei noch intimer zu werden? Wieder ein Nicken. Gut, dachte Rei. Langsam aber sicher würde ihn die Neugierde eben umbringen. Dann musste Kai halt erste Hilfe mit pikanten Details leisten. Am Besten er fing erst mal klein an; mit einer Hysterieattacke zum Beispiel: „Ach, komm schon! Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Ich sag es ja auch nicht weiter. Ka~i?!“ Der biss in sein Schinkenbrötchen, ihn gekonnt ignorierend. Als Yuriy an diesem Morgen aufgewacht war, hatte sich als erstes eine ungewöhnliche Sehnsucht in seine Sinne eingebrannt. Im Dämmerzustand hatte er sich ausgestreckt, als würde er das, was dieses Gefühl auslöste, so finden können. Sowie sein Geist halbwegs wach geworden war und er sich erinnert hatte, was zuvor passiert war, hatte er innegehalten. Mit einem Schlag war er hellwach gewesen, hatte sich aufgesetzt und auf die leere Betthälfte geblickt, durch das ebenso leere Zimmer. Er hatte schwer aufgeseufzt, als sich diese ungemeine Sehnsucht zu einem tonnenschweren Kloß in seinem Bauch zusammengefunden hatte. Sich innerlich seltsam zwiespältig fühlend, hatte er sich zurück in die Laken fallen lassen und es im selben Moment bereut, als sich der charakteristische Geruch von Zedern in seine Nase geschlichen hatte. Einen Moment war er versucht gewesen dem Impuls seine Nase in den duftenden Kissen zu vergraben nachzugeben, ehe er realisiert hatte, was er im Inbegriff gewesen war zu tun und geradezu erschrocken aus dem Bett gesprungen war. Daraufhin hatte er die Bettwäsche abgezogen, sich seine Trainingshose angezogen und war ins Bad gestürmt. Nun saß er auf seinem Schreibtischstuhl und starrte auf das frisch bezogene Bett. Er musste in zehn Minuten zur Uni und würde normalerweise in die Küche pilgern, was essen. Doch heute war ihm beim besten Willen nicht danach zumute. Er ärgerte sich stattdessen über seine dumme, unbegründet hysterische Reaktion als er aufgewacht war und versuchte zu begreifen, warum er sich so dermaßen scheiße fühlte. Er wusste gleichzeitig, dass er sich umsonst einredete, es nicht zu verstehen. Zum Teil stimmte das zwar tatsächlich, doch im Grunde wusste er wenigstens, warum es ihm nicht sonderlich gut ging. Er hatte mit Kai geschlafen. Seinem Mitbewohner und eigentlich Freund. Wie sollte er sich denn jetzt bitteschön ihm gegenüber verhalten? Normalerweise hatte er kein Problem mit solchen Dingen, aber da war es nur Sex gewesen, hier und da vielleicht noch Sympathie wie bei der Romanov. Doch mit Kai war es anders gewesen und das nicht nur in praktischer Hinsicht. Er hatte es genossen. Viel mehr und intensiver als je zuvor. Und das irritierte und verunsicherte ihn. Yuriy konnte sich keinen Grund denken, warum es so anders gewesen war. Vielleicht, weil sie sich schon lange kannten? Das war Unsinn. Was sie getan hatten war für sie beide vollkommen neu und seltsam, dass hatten sie mit dem ein oder anderen Malheure ja unter Beweis gestellt. Was war an Kai, das ihn so verrückt machte? Er war gut im Bett, genauso wie er. Er konnte ihn mit seinen Küssen seinen eigenen Namen vergessen lassen. Er roch ihm sehr gut. War ihm vertraut, ohne dass sie sich wirklich Nahe standen. Nicht mehr. Sie waren nun wahrscheinlich fast alles für einander gewesen, was Menschen für einander sein konnten. Freunde. Brüder. Feinde. Fremde. Kollegen.... Geliebte? Was waren sie nun? Was sollten sie sein? Diesmal hütete Yuriy sich zu spät in der Vorlesung der Romanov zu erscheinen und wurde diesmal auch nicht ignoriert, wenn er sich meldete. Am Ende ging er dennoch nach vorne zur Professorin, die von ein paar Kommilitonen umschwärmt wurde, die noch fragen hatten. Svetlana Romanov hatte nicht viel Geduld mit solchen Fragestellern, außer es waren wirklich interessante Überlegungen dabei. Zu Yuriys Leidwesen war das heute der Fall und er musste beinah sieben Minuten warten, ehe die Horde Wissbegieriger weiterzog. „Warum so mürrisch heute?“, riss ihn die neutrale Stimme der Professorin aus seinem geistigen Trott. Er blinzelte kurz: „Ich wollte Sie fragen, wann ich den HGB-Vortrag halten soll.“ Sie sah kurz auf den Terminplaner ihres Smartphones: „Morgen Nachmittag wäre gut.“ „Okay.“ Der Rothaarige nickte. Er war so gut wie fertig und nur froh, wenn er es hinter sich hatte. „Wenn du im Vortrag glänzt, werde ich einen Termin mit dem Dekan vereinbaren und ihnen meinen Vorschlag bezüglich des Stipendiums unterbreiten.“ „Und wenn nicht, dann nicht?“ „Scharf geschlussfolgert, Iwanov.“ Yuriy rümpfte daraufhin die Nase. Das hieß doch noch zusätzliche Arbeit für ihn bis morgen. „War das alles?“ Svetlana sah ihn abwartend an. „Ja, vielen Dank.“ Mit einem Nicken verabschiedete er sich und ärgerte sich über seine Zerstreutheit. Man konnte es nennen wie man wollte, aber der junge Russe fühlte sich nicht gerade gesegnet, als er in einem menschenleeren Gang plötzlich Kai aus einem Raum kommen sah und ihn prompt entdeckte. „Was machst du denn hier?“ Yuriy blieb stehen und sah ihn an. Kai kam ohne sichtbares Zögern auf ihn zu: „Ich habe mich umschreiben lassen“, und da ihn der Rothaarige blank ansah, „zu Medizin.“ Yuriy nickte: „Stimmt. Hast du erzählt. Das geht mitten im Semester?“ Das war eine eindeutig unangenehme Atmosphäre und eine noch viel überflüssigere Frage. „Unüblich, aber möglich.“ Kai musterte ihn, wie eine Katze, die ihr Herrchen in einer seltsamen Situation beobachtete. Ja, diese Tiere machten so etwas! Yuriy zwang sich zu kühler Ruhe und schweifte unauffällig mit dem Blick über den Graublauhaarigen. Er sah aus wie immer; als wäre nichts passiert. Trotzdem war es nicht dasselbe. Die Art, wie der Rothaarige ihn nun sah, hatte sich verändert. Bilder von der gestrigen Nacht jagten durch seinen Kopf, Empfindungen. Kurz schien es ihm, als drehe sich alles, ehe er sich wieder im Griff hatte. Die heißen Schauer, die über seinen Rücken gelaufen waren, verloren sich langsam wieder in seinen Gliedern, ein stetiges Flaugefühl in seinem Bauch zurücklassend. „Musst du nicht irgendwohin?“ Ein Hauch von Unsicherheit schlich sich in die roten Augen. „Arbeitsrechtseminar.“ „Solltest du dann nicht weitergehen?“ „Du bist ja auch noch hier.“ „Ich habe auch nichts mehr zu tun.“ Leichtes Amüsement. Es brauchte ungewöhnlich viel Kraft sich in Bewegung zu setzen. Wortlos ging er an dem Graublauhaarigen vorbei, blieb keine zwei Meter weiter dennoch stehen. „Wir müssen reden.“ „Ich wüsste nicht über was.“ Aufgebracht drehte sich der Blauäugige um: „Über was wohl?“ Kai hatte sich hinter seiner Mauer verbarrikadiert und starrte ihn kühl an: „Es war ein Experiment. Nur Sex. Wir sollten uns davon nicht kaputt machen lassen. Das war ja kaum der Zweck.“ Das stimmte. Yuriy war für gewöhnlich genau derselben Meinung. „Du glaubst also, wir können ganz normal weiter miteinander umgehen.“ „Zumindest insoweit was wir unter „normal“ verstehen.“ Ein mildes Lächeln schlich sich auf Kais Lippen. Der Rothaarige nickte: „Gut.“ Wie naiv konnte man eigentlich sein? Ivan hatte heute die letzten schriftlichen Prüfungen geschrieben und wollte das gebührend feiern, bevor nächste Woche die Mündlichen dran waren. Gekonnt hatte er es geschafft alle seine Mitbewohner samt Gast zu überreden mit ihm in einen Club zu gehen. Es war in Moskau nicht schwer an jedem Wochentag eine Spelunke zu finden, wo man sich die Kante geben konnte und so landeten sie im Rockz, einer beliebten Location für Studenten aus der Mittelschicht. „Ich kann nicht glauben, dass ich mich dazu habe überreden lassen.“ Rei hob seinen Kopf und lächelte Kai an, als er mit zwei Drinks ihm gegenüber Platz nahm, ihm einen Cocktail rüberschob. „Ist doch ganz in Ordnung. Nur halt mich bitte davon ab wieder so viel zu trinken.“ Sie saßen in einer Ecke des Clubs auf schwarzen Polsterstühlen und nippten schweigend an ihren Getränken, schweiften mit dem Blick über die vielen Menschen, die sich auf der Tanzfläche drängten. „Weißt du noch, was ich bezüglich Liebesabenteuer gesagt habe?“, begann Rei in Gedanken versunken. Kai grinste: „Willst du dir eine Russin angeln?“ Der Schwarzhaarige wandte sich wieder zu seinem Gastgeber: „Ich bin zumindest neugierig. Ich hab schon ein paar schöne Frauen gesehen, aber ich weiß nicht, wie ich das vernünftig anstellen soll.“ Die roten Augen funkelten ihn heiter an: „Einfach hingehen und mit einer tanzen, dann wickelst du sie schon um den Finger.“ „So einfach? Das kann ich nicht glauben.“ „Das ist der Vorteil von Attraktivität und Ausstrahlung.“ Kai zwinkerte ihm vielsagend zu. Der Schwarzhaarige stützte sich mit den Ellenbogen auf dem schmalen Tisch ab und bettete sein Kinn auf dem Handrücken. „Jetzt erzähl mir mal, wie es gestern Nacht bei dir war.“ Er war und blieb neugierig. Rei hatte die zwei Russen in der WG und auf dem Weg hierher beobachtet. Sie hatten es vermieden irgendwie zu interagieren und waren einfach anwesend gewesen, ohne den jeweils anderen zu beachten. Das hatte der Schwarzhaarige schon oft bei ihnen gesehen, dennoch schien es ihm diesmal gezwungen. Möglicherweise bildete er sich das auch nur ein, weil er wusste, was geschehen war und sein Verstand nach Ungewöhnlichem suchte. „Ich will eigentlich nicht darüber reden“, gab Kai zu, starrte dabei in seinen Cocktail. Rei nickte. Das war zwar nicht toll für ihn, aber nachvollziehbar. „Andererseits...“, begann Kai unerwartet, „vielleicht kannst du mir sagen, wie ich mich zu ihm verhalten soll.“ Der Schwarzhaarige sah ihn sanft an. „Es war gut. Viel zu gut, weißt du. Und danach war es auch schön. Aber am nächsten Morgen, als der Verstand wieder eingesetzt hat... Ich denke es war ein großer Fehler.“ Rei atmete tief ein, bevor er ehrlich meinte: „Wenn es schön war, kann es meiner Meinung nach nicht so falsch gewesen sein. Warum redet ihr nicht darüber?“ „Über was denn?“, fuhr Kai ihn ungewollt barsch an, „Über unsere Gefühle?“ „Zum Beispiel.“ Der junge Chinese ließ sich von dieser Reaktion nicht beirren. Kai schloss kurz die Augen, sah ihn dann wieder freundlich an: „Aber wenigstens hat er zugegeben, dass ich ein guter Küsser bin. Das heißt bei Yuriy schon was.“ Rei legte den Kopf schief, eine Angewohnheit von ihm: „Hm, dem kann ich nur beipflichten.“ Seine goldenen Augen blitzten amüsiert auf, als er Kais perplexe Reaktion beobachtete und lachte auf. Der Graublauhaarige war wirklich sprachlos. „Was denn?“ „So etwas aus deinem Munde“, brachte der Halbrusse hervor. Kai hatte festgestellt, dass außer den bereits bekannten Charakterzügen, Rei auch eine große Portion indiskrete Neugierde bezüglich fremder und Zurückhaltung bezüglich seiner eigenen romantischen Angelegenheiten mitbrachte. Dazu zählte auch so eine Äußerung, obgleich sie ihm schmeichelte. „Hm.“ Der Schwarzhaarige musterte Kai nachdenklich, was diesen eine Augenbraue heben ließ. „Willst du mir etwas sagen?“ „Ja, zwei Sachen. Erstens, ich würde gerne Donnerstag oder Freitag wieder fliegen“, er sah, wie der Halbrusse ihn leicht bedauernd anblickte, was ihn zum Lächeln brachte, „und zwar nach Japan, um Takao und die anderen dort zu besuchen. Auch Max wird dort sein. Aber ich will, dass du mit mir kommst.“ Bevor Kai den Mund aufmachen konnte, fuhr er fort: „Und zweitens, würde ich gerne noch einmal ausprobieren, wie gut du wirklich küsst.“ Jetzt war der Graublauhaarige endgültig verwirrt. „Und was sagst du dazu?“ Der junge Russe starrte ihn an, brauchte eine gute Minute. Rei konnte deutlich sehen, wie es hinter der Stirn ratterte, es beinahe körperlich spüren. „Ja“, meinte er dann schlicht. „Zu was?“ „Zu beidem.“ Reis Miene hellte sich augenblicklich auf und ohne zu zögern stemmte er sich etwas hoch, um die Distanz zwischen ihnen zu überbrücken. Sanft berührten sich ihre Lippen, bewegten sich gegeneinander. Fasziniert kostete Rei die weichen Lippen, fuhr mit der Zungenspitze vorsichtig über sie, tauchte nur zu gerne in die warme Mundhöhle. Es schien, als wolle Kai diesen sanften Kuss unendlich in die Länge ziehen, so zaghaft, wie er mit seiner Zunge über die seine strich, sie anstupste, liebkoste. Der Schwarzhaarige spielte nur zu gerne mit, doch mit der Zeit fachten diese langsamen, sinnlichen Berührungen sein Verlangen nach mehr an. Forsch legte Rei seine Hand in Kais Nacken, zog ihn somit näher zu sich, intensivierte den Kuss. Dabei spürte er, wie der Halbrusse seine Lippen zu einem Grinsen verzog, bevor er mit seiner Zunge den anderen Mund genüsslich erforschte. „Warum so grimmig?“ Boris folgte dem Blick seines Mitbewohners und hob eine Augenbraue, als er die Ursache seines Stierens entdeckte. „Da fehlt einem wohl das NC.“ Statt einer Antwort, floss Kognak heiß die Kehle des Rothaarigen herunter. Nachdrücklich knallte er das Glas auf die Theke und drehte sich wieder um. Er hätte sich lieber ertränkt, als zuzugeben, dass es ihn fuchsteufelswild machte zu sehen, wie der Chinese Kai küsste und wie unverschämt zärtlich dieser ihn erwiderte. Und das Letzte, was er brauchte, war Boris mit seinem Psycho-Blick, der nachher noch anfing ihn aufzuziehen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging er davon und ließ Boris einfach stehen, dessen Mundwinkel verräterisch zuckten. Als ihnen die Luft ausging und sie sich wieder zurück auf ihre Stühle sinken ließen, konnten sie sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen. „Ich kann Yuriy wirklich nur beipflichten.“ „Genug der homoerotischen Erfahrungen?“ „Ja, vorerst auf jeden Fall. Jetzt suchen wir mir eine hübsche Frau, okay?“ „Hast du schon eine ins Auge gefasst?“ Rei leckte sich über die Lippen, sah sich um: „Die Braunhaarige dort, die gerade zur Tür hereinkommt.“ Der Graublauhaarige musste sich umdrehen, um die Auserwählte sehen zu können. Kaum hatte er sie entdeckt, sah er wieder zu Rei: „Guter Geschmack. Sie ist eine Nette.“ Der Schwarzhaarige zog eine Augenbraue hoch: „Du kennst sie?“ „Kann man so sagen. Sie heißt Elena und studiert BWL.“ Neugierig bohrten sich die goldenen Augen in Kais Rubinfarbene und verlangten weitere Ausführungen, was diesem ein Lächeln abrang: „Das willst du nicht wissen. Aber ich könnte euch einander vorstellen.“ Der junge Chinese wusste, dass Kai ihn abwiegelte, aber dieses Angebot war zu verlockend, um jetzt eine Diskussion darüber vom Zaun zu brechen und nickte daher. Kai stand auf: „Ich komme gleich wieder.“ Rei sah überrascht zu, wie der Graublauhaarige auf die junge Frau zuging, die mittlerweile an der Bar stand. Als er sie ansprach, sah sie ihn verblüfft an, lächelte dann aber. Leider konnte der junge Chinese ihre Mimik nicht genau erkennen, genauso wenig wie die des Halbrussen. Dann kam Kai zu ihm zurück, alleine. „Sie meinte, du sollst doch zu ihr gehen.“ Rei stand auf: „Echt jetzt? Soll ich wirklich?“ Unsicherheit machte sich in ihm breit. Bisher hatte er noch keinen One-Night-Stand gehabt, nur Beziehungen. Und davon auch nur zwei. „Warum nicht? Sie ist gut.“ Kai zwinkerte ihm schelmisch zu. „Woher weißt du das?“, wollte der andere verwundert wissen. „Sie war meine Erste.“ Reis Mund klappte auf. Er schüttelte leicht den Kopf, bevor er die Sprache wiederfand: „Na toll! Das hättest du mir jetzt auch nicht mehr zu sagen brauchen.“ „Das spielt doch keine Rolle. Rede einfach mit ihr.“ „Ich kann doch nichts mit der Frau anfangen, die dich ... na ja.“ Kais Augenbrauen zogen sich warnend zusammen, dann gab er dem Schwarzhaarigen nachdrücklich einen kleinen Schubs in die richtige Richtung: „Geh einfach.“ Er hasste sich dafür in diesem Augenblick auf der geschlossenen Kloschüssel in einer Kabine auf dem Männerklo zu sitzen und sich zu verstecken, wie einer dieser theatralischen Darsteller aus einer dieser billigen Nachmittagsshows. Bei allen guten Geistern, er wusste nicht was mit ihm los war! Er fühlte sich schrecklich. Sein Herz raste wie behämmert und sein Magen fühlte sich an, als hätte er einen Sack Steine verschluckt. Und warum das Ganze? Wegen einem Anblick. Dem Anblick, wie Rei Kai küsste und dieser unverschämt sanft erwiderte. Natürlich wusste Yuriy, dass das nur Unsinn gewesen war, nichts ernstes. Aber war es bei ihnen denn nicht ebenso gewesen? War das nicht nur ein Experiment gewesen, um herauszufinden, wer besser war? Was spielte es schon für eine Rolle, dass es tatsächlich gut gewesen war, ihm gefallen hatte? Oder er sich danach so gänzlich anders verhalten und gefühlt hatte? Sie kannten sich schon seit fast fünfzehn Jahren. Da war es doch erlaubt, sich anders zu fühlen. Oder? Und das jetzt war keine Eifersucht, sondern lediglich Missgunst, weil Kai sich auf so einen Schwachsinn einließ. Außerdem wusste er, dass Rei auf jeden Fall nicht bi war. Allerdings hatte das ihn und Kai auch nicht aufgehalten. Und Yuriy wusste mit Sicherheit, dass er nicht auf Männer stand. Er sah, ob ein Mann gut aussah, klar, aber er hatte sich nie auch nur im Entferntesten von einem angezogen gefühlt. Na ja.... bis auf einen. Aber wie hieß es so schön? Die Ausnahme bestätigte die Regel. Und bei den Göttern, wann war Kai denn mal nicht eine Ausnahme gewesen? Aber was hieß das nun für ihn? Mit geballten Fäusten stob er aus der Kabine... und erstarrte, als er ausgerechnet den Graublauhaarigen am Waschbecken vorfand, der sich Wasser ins Gesicht spritzte. Als er ihn bemerkte, blitzten die rubinfarbenen Augen kurz überrascht auf, ehe sie ihn undeutbar musterten. Yuriy starrte ihn einfach an. Es war die unglaubliche Hitze, die seine Synapsen durchbrennen, seine Sicht, seine Gedanken verschwimmen ließ und sich seine Lippen wie Fremde auf den weichen, unwiderstehlichen Mund Kais pressten, nur nebenbei bemerkte Yuriy, wie er ihn gegen die Wand drückte. Er realisierte erst, was er tat, als er grob weggestoßen wurde. „Geht’s noch?“, fauchte Kai aufgebracht und wütend. Perplex sah der Rothaarige zurück, blinzelte ein paar Mal, als könnte er die wirren Gedanken und Empfindungen so abschütteln. „Hallo?! Ich rede mit dir!“ „Ich...“ Wütend kam Kai auf ihn zu, schnippte mit den Fingern vor seinem Gesicht, wobei sein Gesichtsausdruck an eine wild gewordene Raubkatze erinnerte. Yuriy fokussierte seinen Blick auf die blitzenden Augen: „Sei doch nicht so hysterisch.“ Er sah die Fassungslosigkeit durch Kais Augen huschen und begriff selber nicht, woher er diese todesmutigen Worte nahm. „Hysterisch? Noch so ein Spruch und ich schwöre dir, du wirst es bereuen.“ Der junge Russe musste zu seiner Verblüffung eingestehen, dass der andere ihn tatsächlich einschüchterte. Er hatte Kai lange nicht mehr so böse erlebt, und dennoch flossen nicht die günstigsten Worte über seine Lippen: „Stell dich doch nicht so jungfräulich an.“ „Jetzt hör mir mal zu“, zischte es bedrohlich, „Ich bin keine Nutte, die man einfach so auf der Toilette vögelt.“ Beschwichtigend wollte der Rothaarige Kai an der Schulter fassen, doch seine Hände wurden ihm sogleich weggeschlagen: „Wage es nicht mich anzufassen!“ Dadurch wohl doch genug erschrocken, kam Yuriy zurück auf den Boden der Tatsachen: „Ich... Ich wollte das nicht. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“ Fasziniert beobachtete er, wie die Wut von Kai abfiel wie ein Vorhang und einem resignierten Ausdruck wich. „Ich werde Ende der Woche mit Rei mitfliegen.“ Pures Entsetzen spiegelte sich kurz auf Yuriys Gesicht wider: „Für immer?“ „Nein, Yuriy. Nur um Takao und die anderen in Tokio zu besuchen“, entwich es Kai trocken mit tadelndem Unterton, „Du glaubst doch nicht, dass ich euch lange mit meinem Eigentum alleine lasse.“ Auch wenn er das Appartement für sie alle gekauft hatte. Der Rothaarige versuchte seine Aufgewühltheit zu verbergen, als er sachlich fragte: „Wie lange wirst du denn weg sein?“ „Ich weiß nicht. Ein paar Wochen vielleicht.“ Yuriy verkniff sich einen sarkastischen Kommentar, ob dieser präzisen Auskunft. „Schau mich nicht so an.“ „Wie schau ich denn?“, entfuhr es dem Rothaarigen ehrlich verwundert. „Als hätte ich kein Recht mit Rei zu fliegen. Als würde ich dir gehören müssen.“ Wie ein Fisch auf dem Trocknen öffnete der Blauäugige ungläubig den Mund, ehe ihm etwas passendes einfiel: „Genau genommen bin ich ja auch noch der Teamleader und daher dein Boss und du als „Angestellter“ mein Sklave.“ Statt einer hochgezogenen Augenbraue, sah sich Yuriy mit einem Lächeln konfrontiert: „Du bist verwirrt.“ „Du hast gesagt, wir können normal miteinander umgehen.“ Ein Zugeständnis. „Ich habe gelogen.“ „Na toll!“ „Von mir aus könnte es sein wie vorher. Du müsstest es nur abhaken.“ „Was soll ich abhaken?“ Er wusste es ja wirklich nicht. „Was passiert ist und alle Empfindungen, die es mit sich gebracht hat. Rationalisieren.“ „Wie immer.“ „Genau.“ „Es war... schön.“ „Ja.“ „Warum ist das so seltsam?“ „Boris könnte dir bestimmt ein aussagekräftiges, psychologisches Gutachten erstellen.“ Yuriy verzog den Mund: „Nein, danke.“ Kai lachte auf: „Ich gehe jetzt nach Hause und wenn ich von der Reise wiederkomme, werden sich unsere Gemüter schon abgekühlt haben.“ „Hm“, da fiel ihm ein: „Und dein Bettkätzchen willst du noch hier lassen?“ Kai nickte, grinste dann schelmisch: „Eifersüchtig auf Rei?“ Der Rothaarige zuckte unmerklich zusammen: „Nein. Aber eure „Späße“ verstehe ich nicht.“ „Neugierde.“ „Fickst du ihn auch?“ „Nein, er hat schließlich kein Problem mit meiner Autorität“, neckte der Graublauhaarige weiter, einfach, weil er es konnte. Ein Schulternzucken: „Ich mag dann und wann Selbstzweifel hegen, aber was ist mit dir los?“ „Ich habe lediglich mein Talent mich in missliche Lagen zu bringen nicht verloren.“ Ein Lächeln umspielte kurz Yuriys Lippen, ehe sie sich wieder streng aufeinanderpressten: „Und jetzt?“ „Gehe ich.“ Die eisblauen Augen versuchten in den Roten des Halbrussen zu lesen, doch es fiel ihm schwer etwas zu erkennen. Dabei übersah er die unterschwellige Wärme in ihnen genauso wie das Bedauern. „Gute Nacht. Und gib es auf mich verstehen zu wollen.“ „Aber dann müsste ich mir ein neues Hobby suchen“, gab der Rothaarige gespielt empört von sich. „Hmm, wie wäre es, wenn du an deinem seltsamen Blick arbeiten würdest. Damit wirst du dich eine Weile beschäftigen können.“ Die Antwort kam in Form eines genervten Schnaubens: „Ich habe keinen seltsamen Blick, sondern einen hypnotisierenden, außerdem...“ Kaum, dass er doch zu einem sarkastischen Kommentar ansetzen wollte, wurden seine Lippen auch schon versiegelt. Es waren vielleicht zehn Sekunden, in denen sich Kai nicht mehr unter Kontrolle hatte. Zehn Sekunden, in denen sich seine Lippen sanft gegen Yuriys bewegten und beinahe sofort ebenso zärtlich liebkost wurden. Dann war es vorbei. Mit einem innerlichen Ruck ließ er von dem Rothaarigen ab, drehte sich um und suchte seinen weg nach draußen: „Nur für dein Memo.“ „Sadist!“, rief Yuriy ihm hinterher. Zurück in der Menschenmenge suchte sich der Graublauhaarige erst einmal Rei und Elena und fand sie recht schnell an der Bar. Sie schienen sich gut zu verstehen, lachten und flirteten mit den Augen auf Teufel komm raus. Aufmerksam, wie sie war, entdeckte die Braunhaarige Kai sofort und lächelte ihn herausfordernd an, als er fast bei ihnen war: „Wow, Kai, so viel Aufmerksamkeit an einem Tag von dir, womit habe ich das nur verdient “, und an Rei gewandt: „Der Mann hat ganze zwei Jahre geschafft kein Wort mit mir zu wechseln.“ „Unvorstellbar“, erwiderte der Schwarzhaarige in einem Tonfall, der Kai die Augen verdrehen ließ. Den hat es ja ganz schön erwischt, schoss es durch seinen Kopf. „Rei, ich werde jetzt gehen. Kommst du zurecht? Die Anderen sind auch noch da und die Nummer vom Taxi...“ „Hiwatari, ich passe schon auf ihn auf“, unterbrach ihn Elena mit ihrer melodiösen Stimme und zwinkerte ihm bestätigend zu. Er nickte, als er Reis Hand an seinem Ellenbogen spürte, Aufmerksamkeit wollte: „Warum gehst du schon?“ „Es ist mir heute etwas zu voll“, erklärte er mit bedeutungsschwerem Unterton. Rei verstand: „Okay. Dann bis morgen.“ Mit einem Nicken verabschiedete er sich von den Beiden und fühlte sich, als würde ihm ein Stein vom Herzen fallen, als er nach draußen in die kühle Nachtluft trat. Boris und Sergej standen indessen an einer anderen größeren Bar und hatten Kais Abgang teilnahmslos beobachtet. Als Ivan wieder zu ihnen trat, zog er, ob dieses Anblicks, seine Stirn kraus: „Ihr erinnert mich an zwei Zombies.“ „Ich will auch nach Hause“, verkündete Sergej daraufhin, was ihm ein statisches Nicken des Lilahaarigen einbrachte. „Kommt schon! Wir sind zum Feiern hier!“, sprudelte es euphorisch aus Ivan. „Es ist langweilig“, meckerte Sergej, Boris nickte müde. „Ihr steht ja auch nur blöd rum. Geht halt Tanzen.“ Der Blonde nippte an seinem Wodka: „Wenn wenigstens Katharina da wäre, aber so.“ „Deine fast Freundin heißt also Katharina“, stellte Boris fest, wobei Ivan große Augen bekam. „Du hast eine Freundin?“ „Fast“, kam es synchron aus den Mündern der Älteren. „Warum weiß ich davon nichts?“ „Weil es dich nichts angeht. Und dich auch nicht“, wandte der Blonde sich am Schluss zu Boris. Vorwurfsvoll sah Ivan ihnen abwechselnd in die Augen: „Ihr gebt euch echt keine Mühe normal zu sein. Wo sind eigentlich Yuriy, Kai und Rei?“ „Rei steht dort und flirtet, Kai ist gegangen und Yuriy ist verschwunden.“ Mit ein wenig mehr Leben in den Knochen, sah sich Boris nun in der Bar um, doch der Rotschopf war nicht zu entdecken. Nach einer Weile gesellte sich Yuriy doch noch wortlos zu ihnen, wobei sein Blick auf Rei und die Braunhaarige fiel: „Wo hat er denn die her?“ Plötzlich wurde Boris wach, zur großen Verwunderung seiner anderen Mitbewohner: „Kai hat sie ihm verschafft. Als Rei sie entdeckt hat, ist Kai zu ihr gegangen. So wie das aussah hatten die mal etwas miteinander. Aber er konnte Rei trotzdem überzeugen zu ihr zu gehen. Alles in allem ist davon auszugehen, dass da mehr zwischen ihnen gewesen ist und das Mädchen es immer noch nicht ganz vergessen hat.“ Während ihn alle anstarrten wie ein Alien, wollte Ivan wissen: „Und mit Rei redet sie nur um Kai einen Gefallen zu tun?“ „Sieht das für dich etwa so aus, als würde sie das ungern machen?“, patzte Boris ihn daraufhin genervt an. „Äh...“ Yuriy stellte seinen Scotch, den er in wenigen Schlücken geleert hatte, mit einem lauten Knall auf dem Tresen ab: „Ich gehe.“ „Warum du auch?“ Ivan nervte es langsam, dass seine Mitbewohner und Freunde es nicht zustande brachten sich mit ihm zu freuen, einmal auch nur in irgendeiner Form selbstlos etwas zu tun, ohne dabei ein Gesicht zu machen, als hätte man ihnen damit gedroht ihnen etwas schlimmes anzutun. „Ich habe einen Vortrag, von dessen Gelingen es abhängt, ob ich das Stipendium kriege oder nicht.“ Der Jüngste nickte verstehend, sah dann streng zu den anderen Beiden. Die würden ihm nicht so einfach entkommen und das wussten sie auch und schwiegen. Kai konnte in dieser Nacht nicht schlafen. Er starrte an die Decke und grübelte über sein eigenes Verhalten nach. Reis Vorschlag war ein Segen, denn so konnte er Distanz gewinnen, ein Tapetenwechsel. Den Gedanken daran, dass er Takao und die anderen wiedersehen müsste, verdrängte er dabei geflissentlich. Seufzend stand Kai auf, ging zum Fenster und schaute hinaus in die Dunkelheit, erhoffte sich etwas Beruhigung. Die leere Wohnung war gespenstisch still, aber es machte ihm nichts aus. Er hatte sich zwar daran gewöhnt, dass immer irgendwelche Geräusche um ihn herum waren, sogar klassische Musik zu hören war, was er doch ziemlich genoss - Ivan spielte sehr gut – aber es gab Augenblicke, da brauchte er diese Stille, die er als Kind so verabscheut hatte. Ruhe und Einsamkeit. Danach sehnte er sich zurzeit besonders. Und keiner sollte ihm das nehmen. Ein Klicken verriet Kai, dass jemand nach Hause kam. Kurz schlich sich der Gedanke durch seinen Kopf, dass Rei womöglich schon zurückgekommen sein könnte und ging ein paar Schritte Richtung Tür. Doch dann erkannte er die leisen Schritte und stockte in der Bewegung. Diese Intensität lag wieder in der Luft. Sein Körper fühlte sich an wie paralysiert. Als er hörte, wie die Schritte vor seiner Tür innehielten, war es ihm als würde sein Herz bis zum Halse schlagen und ihm den Atem rauben. Yuriy auf der anderen Seite starrte auf das helle Holz vor ihm, streckte vorsichtig, als hätte er Angst sich zu verbrennen, die Hand aus und ließ seine Finger darüber streichen, wunderte und ärgerte sich dabei über sein dummes Handeln und sein dummes Herz, dass schwer gegen seine Rippen schlug. Plötzlich zuckte er kurz zusammen. Er mochte verrückt sein, aber er bildete sich ein, dass Kai gerade genau auf der anderen Seite stand, wie man es aus all diesen Kitschfilmen kannte. Innerlich aufseufzend gab sich Yuriy einen Ruck und ging in sein Zimmer. _______________________________________________________________________________________________________________________ Theatralisch, ich weiß. Aber ich konnte eben nicht anders. Hoffentlich ist aus Kai keine Furie geworden^^°. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen! Bye Minerva Kapitel 8: Ein neuer Anfang, oder? ---------------------------------- KAPITEL 8: EIN NEUER ANFANG, ODER? Diesmal recht schnell, aber kurz. Tut mir leid, dass ich nicht bescheid gesagt habe, aber ich konnte zeitlich einfach nicht. Sorry. Aber ich danke euch allen für diese tollen Kommentare! Ich freue mich so sehr, dass die FF ankommt^^! Falls es missverständlich war: Im letzten Kapitel ist Yuriy nicht zu Kai, sondern in sein eigenes Zimmer gegangen. Enjoy reading! „Rei? Wo zum Teufel bist du?“ „Das wüsste ich auch gerne...“ Ja, Rei wusste es wirklich nicht. Er stand auf irgendeiner Straße irgendwo in Moskau und krallte sich ans Handy. Genau genommen müsste er nicht so verloren dastehen, aber er hatte sich dazu entschieden. Als er heute früh aufgewacht war, neben sich diese wundervolle Frau... Nein, er war nicht geflohen. Sie hatten miteinander gefrühstückt, geredet, gelacht. Und dann war er Hals über Kopf gegangen. Er hatte sich so gut mit Elena verstanden, mit ihr zu schlafen war etwas Besonderes gewesen und das hatte in ihm die Panik hochsteigen lassen. Es wäre vollkommen irrational sich in diese Frau zu verlieben, wo sie doch so weit voneinander entfernt wohnten, lebten. Nein, er musste fliehen, zu sehr neigte er dazu sich in solche Sachen zu verrennen. „Such dir ein Taxi oder geh in die Metro, frag jemanden, wo du bist.“ „Hm, ja. Warte, ich ruf dich zurück.“ Der junge Chinese sah sich um. Er wollte einfach nur zurück. Entnervt klappte Kai sein Handy zu. Mies gelaunt nahm er seinen Kaffee und trank den Rest aus, spülte die Tasse ab und stellte sie zum Trocknen hin, ehe er zurück in sein Zimmer ging. Kaum wollte er sich auf das Bett fallen lassen, da klingelte sein Handy auch schon wieder. Doch Rei war es nicht, den er da am anderen Ende hören durfte. Als Yuriy den Hörsaal betrat, musste er unwillkürlich schlucken und sein Herz tat einen Sprung. Ganz oben auf der Galerie des Auditoriums saß das gesamte Dekanat mitsamt einiger Professoren der Juristischen Fakultät. Diese netten Leute würden seinem Vortrag also lauschen und danach mitentscheiden, ob er das Stipendium verdiente oder nicht. Na toll. Aber Yuriy hatte Glück, was Lampenfieber anging. Er fühlte sich bei so etwas sehr ruhig und konzentriert. Eine Eigenschaft, die er während seiner aktiven Zeit als Beyblader erworben hatte und ihm oft half. Dennoch sah er mit kühlen Augen leicht vorwurfsvoll zu Svetlana Romanov, die neben dem Rednerpult stand und erkannte in ihren Sturmaugen kurz Amüsement aufblitzen. Auch ganz nett. Aber es half alles nichts. Er atmete noch einmal tief durch, als er den USB-Stick in den Computer steckte. Der Rothaarige schaute noch einmal durch die Reihen, sah die abwartenden, gelangweilten, missgünstigen und neugierigen Blicke seiner Kommilitonen. Die Meisten mochten ihn nicht, aber – und davon war er überzeugt – er würde dieses Stipendium trotzdem kriegen und dass nur weil er gut war. Besser als sie. Nicht wegen seiner Popularität oder seines angeblichen Vermögens, von dem er gerne wüsste, wo das sein sollte. Es war mucksmäuschenstill als er anfing zu reden. Verwundert ging er auf die braunhaarige Frau zu, die im Außenbereich des Uni-Cafés saß und ihn schnell bemerkt hatte. Ihre violetten, fliederfarbenen Augen funkelten ihn freundlich an, immer mit einem herausfordernden Glanz in ihnen, als er sich zu ihr an den Tisch setzte. „Es freut mich, dass du gekommen bist.“ „Was wolltest du mir geben?“ Ja, er war tatsächlich ohne angegebenen Grund extra hergekommen. „Gleich auf den Punkt. Das ist typisch für dich, Kai.“ Der tadelnde Unterton ließ ihn eine Augenbraue heben, doch ehe er etwas dazu sagen konnte, schob sie eine dunkelbraune Brieftasche über den Tisch: „Rei hat heute Morgen seine Geldbörse vergessen.“ „Und warum gibst du sie mir und rufst nicht ihn an?“ „Ich habe seine Telefonnummer nicht.“ „Aber meine?“ Sie trank einen Schluck von ihrem Latte: „Na ja, in seinem Handy war nur eine Nummer mit russischer Vorwahl. Da hab ich eins und eins zusammengezählt. Der Rest war auf Chinesisch.“ „Du hast in seinem Handy herumgeschnüffelt?“ „Ja.“ Die Art, wie sie es sagte, war unglaublich frech und aufmüpfig und trotzdem zuckten seine Mundwinkel kurz verräterisch. „Gut, dann ist das ja jetzt erledigt.“ Kai war drauf und dran aufzustehen, als eine Hand sich auf seine legte. „Warte bitte. Ich wollte dich nicht nur als Boten rumschicken beziehungsweise nicht nur.“ Seine roten Augen bohrten sich in ihre: „Was willst du?“ Elena ließ sich nicht im Geringsten davon beeindrucken: „Ich möchte dich bitten Rei meine Telefonnummer zu geben und ihn dazu zu kriegen mich anzurufen.“ „Warum?“ Kai konnte sich nicht vorstellen, was für einen Sinn das haben sollte. „Ich möchte versuchen ihn nicht zu verlieren, oder besser ausgedrückt: überhaupt etwas mit ihm anzufangen.“ „Er wohnt in Peking.“ „Ich weiß. Die Versicherung, in dessen Vorstand mein Vater sitzt, hat auch eine Niederlassung in Beijing. Also ist das noch nicht einmal so abwegig, wie es scheint, sondern eine Möglichkeit.“ Der Graublauhaarige konnte nicht anders, als sie anzustarren. Aufseufzend bettete die Braunhaarige ihr Kinn auf ihren Händen und blickte Kai direkt in die Augen, als sie erklärte: „Ich habe es bisher nur einmal erlebt, dass ich mehr für einen Mann empfunden habe als Lust. Doch damals war ich zu töricht und stolz, um ihn nicht gehen zu lassen, ihn davon zu überzeugen bei mir zu bleiben.“ Sie sah ihn bedeutungsvoll an und Kai wurde unwillkürlich heiß dabei. „Ich möchte diesen Fehler nicht noch einmal machen und wenigstens einen Versuch mit Rei starten. Es tut mir leid, dass es ironischerweise dich dabei involviert, aber vielleicht können wir so wenigstens Freunde werden.“ Sein Mund war plötzlich ganz trocken, als er fragte: „Aber warum? Ich war doch nur...“ Sie unterbrach ihn, lächelte dabei warm: „Du bist etwas besonderes, Kai. Und auch, wenn es nicht perfekt gewesen sein mag... du warst es. Es gibt nur wenige liebe Männer, aber du bist einer davon, auch, wenn du – anscheinend bis heute - nicht herausgefunden hast, wie man so etwas zulässt.“ „Lieb?“ Er hörte seine eigene entsetzte Stimme, als gehörte sie einem anderen. „Du bist ein guter Kerl. Du musst nur jemanden finden, der es dir wert ist, es zu zeigen.“ „Woher willst du das wissen?“ Er wusste nicht, wie er das finden sollte. „Ich bin eine Nymphomanin und kenne mich da einfach aus.“ Der Tonfall, mit dem sie es sagte, zog sie selbst ins Lächerliche, nur um ihn etwas abzulenken. Der Graublauhaarige sah auf die Tischplatte vor sich, unfähig irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. „Du hast mich gemocht, oder?“, fragte sie unvermittelt. Ein kurzes Augenschließen war ihr Antwort genug. „Bist du böse, wenn ich es mit Rei versuchen möchte?“ Nun begegneten Elena die rubinfarbenen Augen und überrascht sah sie ein Lächeln auf seinen Lippen: „Nein, er würde wohl genau zu dir passen. Wenn du meinst, dass du es ernsthaft schaffen könntest das Distanzproblem zu lösen, bitte. Es muss ja sehr gut gewesen sein, wenn du so hin und weg bist.“ „Er ist der absolute Beziehungstyp und vollkommen verknallt in mich“, grinste Elena fröhlich. „Das weiß ich noch nicht. Erst muss er herausfinden, wo er ist und wie er zu mir kommt.“ Sie lachte auf: „Ich wollte ihm ein Taxi rufen, aber er hatte es dann plötzlich ganz eilig.“ Kai zuckte mit den Schultern, stand auf: „Ich habe deine Nummer auf meinem Handy, falls er sie möchte.“ „Danke, Kai.“ Sie lächelte ihn an, ehe sie hinzufügte: „Und hör auf mich zukünftig zu ignorieren!“ „Mal sehen. Und übrigens werde ich ihm sagen, dass du eine Schnüfflerin bist.“ Grinsend lehnte sie sich im Stuhl zurück: „Ach, das sind im Grunde alle Frauen. Gewöhn dich dran.“ „Verwöhntes, reiches Kind. Hast keinen Benimm gelernt.“ Kai schüttelte dabei theatralisch mit dem Kopf. „Gute Mädchen kommen in den Himmel, Böse überall hin.“ Als Antwort darauf folgte eine gehobene Hand als Abschiedsgruß. Ja, diese Frau war wirklich einmalig. Rei und sie wären eine interessante Kombination, doch er glaubte – obwohl er wusste, dass Elena ziemlich verrückt sein konnte – nicht daran, dass das funktionieren könnte. Es war totenstill, als er aufhörte zu reden. Die Angehörigen der Juristischen Fakultät auf der Galerie hatten ihn mit Fragen bombardiert, nun, zumindest die Professoren. Und er hatte geredet. Jetzt starrten ihn alle an, wie einen Elefanten im Zoo und obgleich Yuriy mit sich zufrieden war, stiegen dennoch kurz Zweifel in ihm auf, was er als nächstes tun sollte. Er blickte mit kühlen Augen zur Romanov, die einige Meter neben ihm an ein Pult gelehnt stand. Sie begegnete seinem Blick und was er darin las, ließ ihn unwillkürlich aufatmen. „In welchen gottverdammten Gassen hast du dich denn herumgetrieben?“ „Ahh!“ Rei stöhnte fertig auf. Gerade noch hatte er es geschafft Schuhe und Mantel auszuziehen, ehe er sich seufzend auf Kais Bett fallen ließ und dort wie erschossen liegen blieb. Kai stand neben seiner Zimmertür gelehnt, blickte mit verschränkten Armen streng auf ihn herab: „Rei. Warum hast du nicht angerufen?“ Ein müdes Seufzen: „Akku leer.“ „Natürlich.“ Schnaubend stieß sich der Graublauhaarige von der Wand ab, legte sich auf das Bett: „In vier Stunden geht unser Flug nach Tokio.“ Gequält seufzte er nochmals auf. Es dauerte, bis der junge Chinese seine Augen auf ihn richtete: „Es muss gestern ja sehr schlimm gewesen sein, wenn du so schnell weg willst.“ Kai drehte sich auf die Seite, sodass kein halber Meter mehr zwischen ihnen lag, grinste: „Elena hat mir in der Uni deine Geldbörse gegeben.“ Überrascht weiteten sich Reis Augen, nahmen dann einen verlegenen Glanz an: „Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ „Nun, ihr schien es gefallen zu haben. Sie will, dass ich dir ihre Nummer gebe und dass du sie nicht als One-Night-Stand abschreibst. Aber bevor du eine Entscheidung triffst, solltest du wissen, dass sie dein Handy auf meine Nummer hin durchsucht hat.“ Der Schwarzhaarige sah ihn verblüfft an: „Wie soll das gehen?“ „Sie könnte in Peking arbeiten. Aber wohl erst nächstes Jahr, wenn sie ihren Abschluss hat.“ „Ist das ihr ernst?“ „Ja, aber sie ist etwas verrückt.“ „Soll ich sie anrufen?“ Kai hob eine Augenbraue. Den Anderen schien es tatsächlich erwischt zu haben. „Musst du wissen.“ „Ich... es tut mir leid, dass ich dich darin verwickle... aber kannst du es empfehlen?“ Der Graublauhaarige überlegte kurz: „Ein Versuch wäre es wert.“ Rei drehte sich nun ebenfalls tief seufzend auf die Seite: „Was ist nur los mit dieser Welt? Wir sind doch alle nicht ganz dicht.“ Der junge Russe zuckte mit den Schultern. „Willst du mir nicht sagen, was gestern noch war?“ „Nur zwei verwirrte Menschen, die Abstand brauchen.“ „Aha. Geht’s nicht etwas genauer?“ „Nein.“ Reis Augen sahen in Rote, versuchten etwas zu erkennen, dass ihm Mut für die Frage gab, die ihm auf der Zunge brannte. „Was?“ Kai begegnete seinem Blick freundlich. Die Zeit, die der Schwarzhaarige hier in Moskau verbracht hatte, hatte wahre Wunder für ihre Beziehung bewirkt. Jetzt konnte man sie wirklich als Freunde bezeichnen. Sogar mehr als das. Zwischen ihnen war eine Verbindung entstanden, die er in der Art zuvor nur bei Rai verspürt hatte. Obwohl er Kai nie als Bruder bezeichnen würde, so war es dennoch ähnlich. Genauso stellte Rei sich Seelenverwandtschaft vor. Deshalb stellte er einfach seine Frage. Kai würde ihm nicht böse sein. Das wusste er nun. „Bist du in Yuriy verliebt?“ Die roten Augen blitzten erschrocken auf, während seine Gesichtszüge für ein paar Sekunden entglitten, ehe Kai sich wieder fasste und sich der kühle Schleier wieder über ihn legte. „Tut mir leid! Das hätte ich nicht fragen dürfen“, beteuerte Rei, leichte Panik unterdrückend. Derweil drehte Kai sich wieder auf den Rücken. „Wir sollten packen. Wir müssen zwei Stunden vorher da sein.“ „Mhm.“ Einem Impuls folgend bettete Rei Kopf und Arme auf Kais Brust: „Nur noch ein bisschen. Ohne Geld durch Moskau zu irren ist der Horror.“ „Du bist seltsam.“ Vielsagend schaute Rei auf, sah in die skeptischen Rubine: „Ich bin seltsam, ja? Würdet ihr Kameras in dieser WG aufstellen, könntet ihr ein Schweinegeld verdienen. Was hier abgeht ist echt besser als in jeder Soap.“ Kai schmunzelte und schloss die Augen. Er war wirklich nicht böse geworden. Am Ende des Tages sollte Yuriy noch einmal zu Svetlana Romanov ins „Büro“ kommen, das hinter einem der Vorlesungssäle lag. Ein Abschlussgespräch. So, wie sie ihn angesehen hatte, würde er wohl das Stipendium bekommen, was ihn in leichte Euphorie stürzte. Drum dachte er nicht weiter darüber nach, als er nach einem Klopfen die Tür sogleich stürmisch öffnete. Er stockte, als er erkannte, dass nicht Svetlana im Büro stand. Braune, kalte Augen starrten ihn an wie eine Ratte, die gerade über seine Leibspeise getrampelt war. Langsam drehte sich der großgewachsene, breitschultrige Mann um und Yuriy konnte nicht umhin diesen Kerl als bedrohlich einzustufen. Er sah aus wie einer dieser gutaussehenden Bösewichte aus einem Hollywoodstreifen, die Oma um die Ecke brachten, wenn sie Schluckauf bekam. Nein, ganz und gar nicht vertrauenswürdig. „Entschuldigen Sie.“ „Betretet ihr Studenten immer so respektlos Räume anderer Leute?“ „Ich zumindest normalerweise nicht. Sie überraschen mich in einer Ausnahmesituation.“ Der Typ war unheimlich, aber der Rothaarige kannte da anderes. Er würde ihn schon nicht umbringen. „Was für eine Ausnahmesituation veranlasst Sie derart in das Büro meiner Frau zu platzen?“ Wie war das noch mal mit dem Umbringen? „Frau Romanov bestellte mich her.“ Die braunen Augen bohrten sich unbarmherzig in ihn. Das war der Moment, in dem ihm mulmig zumute werden sollte. „Sie scheinen keinen Respekt vor meiner Frau zu haben.“ Das wurde ja immer besser. Wo blieb besagte Frau bloß? „Ich achte Frau Romanov als herausragende Juristin und freue mich von ihr lernen zu können.“ Er hatte zu dick aufgetragen, oder? „Wie heißen Sie?“ Wozu? Wollte er wissen, wen er auf seine to-kill-Liste schreiben sollte? „Yuriy Ivanow. Es freut mich Sie kennen zu lernen, Herr Romanov.“ „Mh.“ Da stand er also im selben Raum mit dem Mann, dessen Gattin seine Geliebte war. Yuriy hoffte nur, dass dieser Bulle vor ihm diese Tatsache nicht spitz bekam. Das wäre wohl sein Ende. Der Mann wollte gerade etwas sagen, als die Tür aufschwang und Svetlana eintrat. Sie hielt inne, als sie das Bild vor sich realisierte. Der Rothaarige bemühte sich ihr nicht erleichtert entgegenzublicken, ganz formell zu bleiben. Ihr Ehemann sah direkt zu ihr, doch er kam nicht dazu etwas zu sagen: „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns verabredet hätten.“ „Ich möchte mit dir reden. Alleine.“ „Es gibt nichts mehr zu bereden. Ich habe einen Termin mit Herrn Ivanow. Entschuldigst du mich.“ Ihre Stimme war kühl, keine Freundlichkeit in ihren Augen. „Svetlana.“ Nachdrücklich sah er sie an. Der Rothaarige erkannte Wut und verletzten Stolz in der Haltung des Braunäugigen. „Später.“ Der Mann besah Yuriy noch einmal mit einem bösen Blick, ehe er aufgebracht davonstapfte. Yuriy atmete erst ein paar Mal tief durch, als die Tür ins Schloss fiel. „Nun, Herr Ivanow. Bezüglich ihres Vortrags...“ Sie begann sachlich mit ihm über seinen Vortrag zu sprechen, erklärte ihm, dass er das Stipendium bekam und ab dem nächsten Semester das Geld kriegen würde. Währenddessen verrieten ihre Augen, dass sie ihren Mann hinter der Tür vermutete, sie später reden würden. Als er etwas unterschreiben sollte, bat sie ihn das Formular durchzulesen. Eine gute Gelegenheit, um zu flüstern, ohne dass die Stille im Büro auffällig wäre. Yuriys Lippen streiften ihr Ohr, als er meinte: „Dein Mann sieht aus, wie die Mafiosiausgabe von Ken.“ Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln: „So gut wie Ex-Mann. Worüber zum Teufel habt ihr geredet?“ „Nichts verfängliches, aber ich dachte, er fällt mich jeden Augenblick an.“ „Er weiß nichts. Und um etwas zu ahnen, ist er zu selbstverliebt.“ „Das glaub ich gern.“ „Es tut mir leid.“ Svetlana fuhr ihm sanft über die Schulter. „Du kannst nichts dafür. Trotzdem wäre es mir lieb, wenn ich ihm nicht noch einmal über den Weg laufen müsste.“ „Geht mir nicht anders.“ Sie zwinkerte ihm zu. Er sah in ihre blaugrauen Augen, die ihn wohlwollend ansahen. Ach, er mochte diese Frau einfach. Und Yuriy wünschte ihr eine zweite Chance. Einen netten, klugen Mann, der sie schätzen konnte, wie sie es verdiente. Als der Rothaarige am Abend nach Hause kam, nahm seine Euphorie deutlich ab. Sein Magen verkrampfte sich vor lauter Nervosität, als er die Haustür aufsperrte. Egal was er tat, dachte oder wie viel er sich ärgerte, er konnte dieses Gefühl einfach nicht vertreiben. „Hey Yuriy!“ Ivan stand vor ihm, als er eintrat. „Hallo.“ „Ich soll dir Grüße von Rei ausrichten.“ Er zog die Stirn kraus: „Warum?“ „Er und Kai sind vor etwa einer Stunde abgereist. Wusstest du, dass Kai mitfliegen wollte?“ „Ja.“ Mehr bekam er nicht heraus. „Alles okay?“ „Ja.“ Yuriy seufzte erleichtert: „Wird auch Zeit, dass wir wieder unsere Ruhe haben.“ „Na ja, jetzt kocht uns nur keiner mehr was.“ Mit diesen Worten drehte sich Ivan um und ging ins Wohnzimmer. Ruhe. Dieses Wort durchflutete Yuriys Geist. Ruhe und Abstand. Das war gut. Kein Streit mehr. Keine nervigen Tiraden über sein Verhalten oder böse funkelnde Augen. Für ein paar Wochen hatte er seinen Frieden und er konnte machen, was er wollte. Denn die anderen interessierte nicht, was er tat, solange er keine Verbrechen beging, ließen ihm alle Freiheit. Warum nur fühlte er sich dann auf einmal so erschöpft und müde? _______________________________________________________________________________________________________________________ Eher Übergangskapitel. Mir fiel es schwer, weil ich mit den Gedanken bereits in den nächsten beiden Kapiteln bin. Das nächste Kapitel wird eine pikante Stelle beinhalten. In dem danach kommt Kai wieder zurück. Entweder wird das dann schon das Letzte sein oder es kommt noch ein kurzes Schlusskapitel. Mal sehen, was mir noch einfällt*fg* Über Kommentare würde ich mich sehr freuen^^! Bye Minerva  Kapitel 9: Ohne dich, oder? --------------------------- KAPITEL 9: OHNE DICH, ODER? Ohne lange Vorrede: Enjoy reading! Als Kai und Rei in Tokio ankamen, zu Takao fuhren, hatte sich der Graublauhaarige gefühlt, als würde man ihn zum Metzger bringen. Er hatte die anderen so lange nicht mehr gesehen und machte sich zum ersten Mal ernsthaft Gedanken über ihre Reaktion. Abgesehen davon, dass er sich wunderte, woher diese plötzlichen Regungen kamen, malte er sich aus, wie sie ihn ansehen würden, wenn er neben Rei vor ihnen stehen würde. Würden sie beleidigt sein? Verletzt? Oder böse, weil er so rücksichtslos verschwunden war – wie immer? Noch schlimmer war die Vorstellung wie Takao ihn gleichgültig musterte. Ihn ignorierte. Die anderen ihn gezwungen höflich behandelten. Vielleicht waren sie mittlerweile auch ganz anders geworden. Nur er würde dastehen, immer noch derselbe. Ohne irgendetwas vorweisen zu können, außer ein abgebrochenes Studium und das Erbe eines Bastards, von dem er lebte. Rei schien seine Unruhe aus irgendeinem Grund zu ahnen, obwohl er teilnahmslos wie immer gewesen war, denn er lächelte ihm noch einmal aufmunternd zu, bevor sie durch den Torbogen in Takaos Garten gingen. Und als sie das Dojo betraten, Takao, Max, Hiromi, Daichi und der Chef sie entdeckten, wurde doch alles ganz anders. Es war, als würde er nach einer langen Reise endlich wieder nach Hause kommen. In Moskau verlief die Tage alles etwas ruhiger. Sergej traf sich ständig mit Katharina, doch gesehen, hatte sie bisher nur Boris von weitem in der Mensa. Ansonsten durchstöberte der die Bibliothek und verschlang ein Psychologiebuch nach dem anderen. Seine Mitbewohner hätten schwören können, dass er mittlerweile redete wie eine bizarre Mischung aus Schopenhauer, Freud und Kant. Yuriy studierte brav und war entweder in der Uni oder in seinem Zimmer vergraben. Man hätte meinen können, er stünde vor dem Staatsexamen, so arg lernte er. Er selbst indessen war nun mit den mündlichen Prüfungen durch und würde in zwei Wochen die Ergebnisse bekommen und die Schulzeit endlich abschließen. Ivan hatte sich vorgenommen, seine Studienpläne doch wieder umzuwerfen. Er würde sich für Lehramt entscheiden. Musik, Mathematik und Englisch studieren. In allen drei Bereichen war er gut und er könnte sich vorstellen als Lehrer zu arbeiten, in irgendeiner Privatschule zu sitzen und Kindern etwas beizubringen. Er traute sich nur nicht so ganz seinen Mitbewohnern davon zu erzählen. Das war ein Beruf, den sie nicht schätzten, zu sehr hatten sich die herausragenden pädagogischen Methoden ihrer Prügellehrer in der Abtei eingebrannt. Den Abschluss hatten sie mittels Fernstudium nachgemacht und bis auf Kai, der in Japan zeitweilig in einem Internat gewesen war, hatten sie keine „normalen“ Lehrer kennengelernt. Nur Ivan war auf die Schule gegangen, da er der Jüngste war und es sich bei ihm wirklich noch rentiert hatte. Das war so auch in Ordnung gewesen. Trotzdem musste er es seinen Freunden irgendwann sagen. Apropos Freunde, der Dunkelhaarige war ganz schön genervt von ihrer Teilnahmslosigkeit. Nie interessierten sie sich wirklich für ihn. Das enttäuschte ihn dann und wann schon ein wenig. Mit diesen Gedanken kam Ivan nach Hause. Mit diesen Gedanken betrat er das Wohnzimmer. Diese Gedanken wurden von einem freudigen Grölen davongejagt, als seine Mitbewohner mit erhobenen Sektgläsern vor ihm standen und ihm zujubelten. Am Abend rafften sie sich reichlich angeheitert doch noch auf und machten sich auf den Weg ins NC, wo sie sich beim Flaschendrehen noch mehr amüsierten. Ivan war hin und weg von der Aufmerksamkeit seiner Freunde. Es überforderte ihn beinahe, doch mit zunehmendem Alkoholkonsum wurde alles unkomplizierter. Zu einer Zeit trat eine große, schlanke Frau mit langen, braunen Haaren und dunklen Augen neben Sergej, die er als Katharina vorstellte. Sie hatte etwas ungemein einnehmendes an sich und schien wirklich freundlich zu sein. Aber die Zwei verzogen sich bald in eine Ecke des Clubs, während Yuriy Röcken hinterher jagte, wie zu seinen Glanzzeiten. „Ist er nicht noch mit seiner Professorin zusammen?“, fragte der Jüngste Boris, nachdem er den Rothaarigen auf der Tanzfläche mit einem der Mädchen entdeckt hatte. „Das war nur eine Affäre, keine Beziehung.“ „Und jetzt ist die Affäre vorbei?“ „Yuriy braucht Ablenkung.“ „Wovon?“ Boris zuckte mit den Schultern, bevor er grinsend meinte: „Von der Realität.“ Ivan verdrehte auf diesen typischen Kommentar hin die Augen und nahm einen weiteren Schluck seines Getränks. Aus irgendeinem Grund hatten sich die anderen eingebildet unbedingt Tokios Nachtleben unsicher machen zu müssen. Kai sah in ihnen nicht dasselbe wie in seinen Mitbewohnern, bei denen Sauforgien, Partys oder Liebesabenteuer nichts Sensationelles waren. Aber hier überraschte es ihn. Vor allem in Anbetracht dessen, dass sie andererseits immer noch genauso unbekümmert und übermäßig fröhlich waren wie früher. An diesem Abend waren sie zu Kais Schrecken in eine Karaoke-Bar gegangen. Glücklicherweise hatte er es geschafft sich vorm Singen zu drücken, aber seine Ohren litten immer noch von Daichis und Takaos Gejaule. Max, Hiromi, Rei und Kyouju konnten wenigstens Töne treffen, was es im Endeffekt trotzdem nicht besser gemacht hatte. Freunde und Kommilitonen von ihnen waren auch noch da gewesen und obwohl es so voll war und albern, konnte Kai nicht umhin sich dennoch zu amüsieren. Es war erfrischend anders nach zwei Jahren diesen Kindergarten - wohl nun eher Schulkinder - um sich zu haben. Es war bereits weit nach Mitternacht, als sie aufbrachen und irgendwie endete Kai alleine mit Hiromi auf den dunklen Straßen in dem Teil des Vorortes, wo die Braunhaarige wohnte. Da er noch mit am wenigstens betrunken gewesen war und Hiromi unbedingt nach Hause musste, nicht mit ihnen bei Takao bleiben konnte, hatte er sich kurzentschlossen bereit erklärt sie nach Hause zu begleiten. Sie redete die ganze Zeit auf ihn ein und obwohl er zuhörte, bemerkte er erst nach einer Weile, dass sie plötzlich verstummt war. „Alles okay?“ Er konnte nicht umhin ihre bedrückte Miene zu erkennen. „Nein, aber ich möchte dich nicht bedrängen.“ Er hob belustigt eine Augenbraue an: „Du redest seit einer halben Stunde auf mich ein und jetzt meinst du auf einmal mich zu bedrängen?“ Etwas irritiert blickte sie auf und sah in seine Augen, die nicht Spott widerspiegelten, sondern wohlwollendes Amüsement. Sie lächelte leicht, bei dem Gedanken daran, wie umgänglich Kai im Großen und Ganzen geworden war, doch sagen würde sie ihm das auf keinen Fall. Nachher erreichte sie damit noch einen Rückfall in seine alten Verhaltensmuster. „Es ist emotionales Frauengewäsch.“ „Nun?“ Hiromi seufzte: „Ich bin in Takao verliebt, aber es wird einfach nicht mehr als Freundschaft.“ Kais Mundwinkel zuckten, bevor er bemüht sachlich meinte: „Weiß er überhaupt, dass es da mehr geben könnte?“ Seine Stimme klang nichtsdestotroz etwas sarkastisch, was ihm die Braunhaarige nicht übel nahm. Sie lächelte sogar ein wenig, doch es wurde schnell zu einem traurigen: „Er weiß schon, dass es mehr geben kann. Er hatte schon Sex.“ „Woher weißt du das? Erzählen kann er viel.“ Der Graublauhaarige konnte Takao meistens einfach nicht ernst nehmen. „Ich habe zufällig mitgehört, wie er mit Max darüber gesprochen hat. Und ihm erzählt er wirklich alles.“ „Mhm.“ Auch ein blindes Huhn fand mal ein Korn. Aber: „Was hindert dich daran etwas bei ihm zu versuchen oder mit ihm darüber zu reden?“ Sie sah ihn an, blieb dabei stehen: „Würdest du mir das echt raten?“ Kai wunderte sich kurz über die Situation, bevor er ehrlich antwortete: „Ich würde dir raten, dir einen reiferen Freund zu suchen. Bis Takao zu einer Beziehung fähig ist, vergehen wohl noch ein paar Jahre.“ „Ich denke, ich könnte ihn schon dazu bringen, wenn er etwas für mich empfinden würde.“ Ihre Stimme klang überzeugt. „Dann hilf ihm halt auf die Sprünge. Du weißt doch, wie man flirtet und so?“ Wo kam er da eigentlich hin? „Ja klar, aber...“ Sie blickte verlegen zu Boden. „Aber?“ Er konnte das doch jetzt nicht so stehen lassen, oder? Oder??? Etwas zögerlich sah Hiromi auf, sagte dann fest: „Ich bin noch Jungfrau.“ Kai war davon überzeugt genauso überrascht zu schauen, wie er sich anhörte: „Und?“ „Und Takao nicht!“ Das war ihr fürchterlich peinlich und dann stellte der Halbrusse auch noch solche Fragen! „Ich verstehe das Problem nicht. Wenn ihr zusammenkommt, dann ist das doch gut.“ „Es ist gut keine Ahnung von ... na ja, davon zu haben?“ Sie war etwas aufgebracht, ob ihrer Scham. Diese Situation verlangte Kai sein ganzes nicht vorhandenes Feingefühl ab: „Wenn du mit dem schläfst, den du liebst, dann spielt das keine Rolle.“ „Das ist mir alles zu schwammig.“ Hiromi stützte die Hände in die Hüfte und sah ihn todernst an. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem Kai zumindest ein Lachen nicht mehr unterdrücken konnte. „Das ist nicht witzig! Hör auf mich auszulachen!“ Er atmete tief durch: „Tut mir leid, aber...“, er lachte erneut auf, „du klingst so gar nicht mädchenhaft. Normalerweise wünscht sich jedes Mädchen doch so was.“ „Das ist Unsinn. Das mag stimmen, wenn beide unerfahren sind, aber so...“ Er begann zu verstehen: „Du willst die Kontrolle behalten.“ Ihr braunen Augen sahen ihn verblüfft an, dann nickte sie betreten: „Ja.“ Kai zuckte mit den Schultern und ging weiter, Hiromi schweigend neben ihm. „Wie war es denn bei dir?“, fragte sie plötzlich in die Stille hinein. Der Graublauhaarige wusste, was sie meinte, haderte aber damit, ob er so eine private Frage überhaupt beantworten wollte. Die junge Japanerin hatte sich ihm allerdings anvertraut und er hatte das ungewöhnliche Bedürfnis, sie nun nicht im Regen stehen zu lassen. Was war denn auch dabei? „Woher willst du wissen, dass ich nicht auch noch Jungfrau bin?“, gab er bemüht ernst von sich. Hiromi blieb daraufhin stehen und sah ihn mit einem Verarsch-mich-nicht-Blick an, der ihn leicht schmunzeln ließ. „Es war vor zwei Jahren. Ein One-Night-Stand mit einer Nymphomanin.“ Hiromi verzog das Gesicht: „Klingt romantisch.“ „Sie war sehr lieb zu mir“, verteidigte er Elena sofort, ohne vorher darüber nachzudenken. Die Braunhaarige merkte sofort, dass Kai das eigentlich nicht hatte sagen wollen, doch sie fand es süß von ihm und lächelte darüber. Weil es gerade so gut lief: „Warst du schon einmal verliebt?“ Rote Augen sahen sie nachdenklich an, er wog ab und meinte dann lediglich: „Vielleicht.“ „Und ist nichts daraus geworden?“ „Nein und ich mag nicht weiter darüber reden.“ Irgendwann musste er sie einfach bremsen. Ihre Neugier nervte langsam. Sie nickte und folgte ihm weiter durch die leeren Straßen. Sie waren nicht mehr weit von ihrem zu Hause und eine Frage begann angesichts dessen ihre Brust zuzuschnüren. Sie versuchte dem zu widerstehen, aber es gelang ihr nicht: „Wenn ich mit Takao zusammenkommen will, muss ich mehr wissen als Theorie, sonst traue ich mich einfach nicht.“ „One-Night-Stand?“ Was sollte er dazu schon sagen? Er hatte ihr bereits gesagt, dass er es besser fände, wenn sie wartete. Erneut blickte Hiromi beschämt zu Boden, ungewöhnlich für die sonst so selbstbewusste Frau: „Das kann ich nicht mit einem Wildfremden.“ Oh oh, dachte sich Kai prompt, als er eine Ahnung bekam, worauf das Ganze hinauslaufen könnte und ihm wurde schlagartig unwohl zumute. Sie schwieg jedoch und als sie vor ihrer Haustür standen, wähnte er sich in Sicherheit. Sie verabschiedeten sich voneinander und er drehte sich gerade um, als er plötzlich eine Hand an seinem Arm spürte und begann zu beten. „Würdest du mit mir schlafen?“ Mist! Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte er sich um und begegnete einem verzweifelt bittenden Augenpaar. Wie machte er das jetzt ohne ihre Gefühle arg zu verletzten? Warum gab es eigentlich kein Handbuch für solche Situationen? Zu einem anderen Gedanken war er momentan nicht imstande. „Ich weiß, wie sich das anhört, aber wäre das so schlimm?“ Während er sich noch überlegte, was genau sie mit „schlimm“ meinte, sagte er: „Du bist betrunken.“ „Ich weiß genau, was ich sage“, gab sie erbost zurück. „Umso schlimmer. Du kannst das doch nicht wirklich wollen, wenn du jemand anderen liebst.“ „Wieso? Weil ich eine Frau bin? Ich will doch nur wissen, was ich tue, wenn ich mit Takao zusammen bin.“ Sie würde ihn gerne mit weniger Scheu versuchen wollen zu verführen, aber sie war einfach zu nervös. „Aber dafür bin ich der Falsche.“ Kai sagte es nicht, weil er fliehen wollte, sondern weil er wirklich davon überzeugt war. „Warum? Dich kenne ich wenigstens und weiß, dass du mir nichts böses willst. Außerdem war ich früher auch mal in dich verliebt.“ „Echt?“ Er wusste, wie das klang, aber er war wirklich überrascht. Sie nickte: „Seit du mich von dem Felsschlag auf dieser Insel damals gerettet hast. Während der dritten Weltmeisterschaft wich es dann eher Bewunderung.“ Er sah sie an wie ein Auto. „Du hast das nicht mitbekommen“, stellte sie trocken fest, doch insgeheim amüsierte sie sein Anblick. „Nein. Ich hatte da noch nicht einmal daran gedacht, was man mit einer Frau alles machen kann.“ „Mit sechzehn?“ Jetzt war sie es, die die Augenbrauen hob. „Ich war zu beschäftigt“, verteidigte er sich, ohne in irgendeiner Form beleidigt zu sein. Sie lächelte, wurde dann aber wieder ernst: „Und? Würdest du nun mit mir schlafen oder nicht?“ „Nein.“ „Warum nicht?“ Ja, warum eigentlich nicht? Genau genommen gab es für ihn da nur einen Grund. „Ich möchte nicht, dass sich etwas zwischen uns ändert. Sex kann zwischenmenschliche Beziehungen ganz schön verkomplizieren.“ Das hatte er am eigenen Leib erfahren und fand es scheiße. Auch wenn er mit Hiromi nicht soviel zu tun hatte, sie gehörte einfach dazu und er mochte sie eben doch irgendwie. „Ich werde es nicht bereuen. Das weiß ich. So gut kenne ich mich mittlerweile. Aber mit einem Anderen würde ich es bereuen.“ „Und Takao?“ „Soll es nicht wissen“, versicherte sie ihm, als ihr etwas anderes aufstieß, „Wäre es denn so schlimm für dich mit mir zu schlafen, oder warum muss ich dich hier überreden?“ Kai schmunzelte daraufhin: „Überzeugen, nicht überreden. Ich will keinen Fehler machen. Außerdem habe ich noch nie mit einer Jungfrau geschlafen.“ Mehr brauchte er sich doch nicht wirklich bloßzustellen. Hiromi indessen zog ihn mit sich, als sie die Tür aufsperrte: „Dann lass es uns einfach versuchen.“ Er ließ sich ins obere Stockwerk dirigieren: „Deine Eltern?“ „Nicht da. Ich geh noch ins Bad. Da vorne links ist noch eins, falls du willst.“ Ihre Stimme klang etwas zittrig. Er gab sich redlich Mühe sie gut zu behandeln, als er sie sanft berührte und küsste. Sie schien zumindest das schon öfter getan zu haben. Ihre Hände waren etwas schwitzig, als sie zaghaft über seine Haut fuhren, aber es störte ihn nicht sonderlich. Er wollte nicht wissen, was Elena sich alles hat gefallen lassen müssen. Vorsichtig drückte er sie aufs Bett, streichelte sanft über ihr Schlüsselbein und küsste sich ihren Hals entlang. „Du musst mir sagen, was dir gefällt und was nicht, okay?“, flüsterte Kai gegen ihre Haut. „Und du sagst, was ich tun soll.“ „Mhm.“ Und es funktionierte wirklich ganz gut. Um ehrlich zu sein, hätte er nicht gedacht, dass Hiromi so, na ja, souverän sein würde. Er konnte sich nicht beschweren, auch wenn er noch nie so viel beim Sex geredet hatte, nun, zumindest nicht mit einer Frau. Kai war zufrieden mit sich. Welche Frau konnte schon behaupten gleich beim ersten Mal zu kommen? Wenn die Braunhaarige jetzt nicht genug Selbstbewusstsein getankt hatte, um Takao zu zeigen, was sie wollte, dann wäre auch er mit seinem Latein am Ende. Nachdem Kai aus dem Bad gekommen war, hatte er sich noch einmal zu ihr ins Bett gelegt, zu müde, um durch Tokios Vorort zu irren. Wenigstens eine Stunde wollte er schlafen, bevor er ging. „Und? Wie war es für dich?“, hörte er ihre zurückhaltende Stimme nach einer Weile. „Gut. Bereust du es?“ Sie drehte sich auf die Seite, um ihn sehen zu können: „Soll das ein Witz sein?“ „Das fasse ich als ein „Nein“ auf“, grinste er leicht. „Meine Eltern sind noch bis Mittwoch weg, also kannst du gerne übernachten.“ „Und den peinlichen Morgen-danach-Moment?“ „Ich bin erwachsen.“ Kai sah die Japanerin belustigt an. Anscheinend entdeckte er erst jetzt, dass unter der nervtötenden Oberfläche eine mutige und amüsante Frau steckte, mit der er wirklich gut auskommen konnte. „Kai?“ „Hm?“ „Darf ich mich zu dir legen?“ Ihre braunen Augen funkelten ihn bittend an. Der Graublauhaarige überlegte kurz. Eigentlich wollte er das nicht, er wollte seine Ruhe. Trotzdem brachte er es nicht über sich „Nein“ zu sagen und nickte daher. Hiromi schmiegte sich umgehend an seine Seite, ihren Kopf auf seine Brust gebettet und ihren Arm auf seinem Bauch ruhend. Es mochte albern sein, aber diese Art der Nähe gefiel ihm nicht. Ihm fehlte einfach das Bedürfnis jemanden so nah bei sich zu haben. Bei Elena hatte er es über sich ergehen lassen und es hätte ihm sicherlich mit ihr gefallen, wenn er nicht so stolz und verbohrt gewesen wäre. Schlagartig zog sich alles in dem Halbrussen zusammen. Als würde es seinen Magen eiskalt durchlaufen. Wie sollte er nur diese Sehnsucht nach Yuriys Berührungen wieder loswerden? Als Boris am nächsten Morgen nach dem Discobesuch in die Küche trat, schmunzelte er leicht, als er seinen Mitbewohner am Tisch sitzen sah. Völlig zerzaust und mit den Händen in seinen Haaren vergraben, starrte Yuriy auf seine Kaffeetasse, ohne dabei wirklich etwas zu sehen. „Was ist denn mit dir passiert?“ Es war normalerweise nicht seine Art neugierig zu sein, aber so, wie sich das entwickelte, konnte der Lilahaarige sich einfach nicht mehr zurückhalten. „Hmm“, stöhnte der andere leidend. Zu tief ins Glas hatte er wohl auch geguckt. „Du warst gestern plötzlich verschwunden. Wann bist du denn nach Hause gekommen?“ Die blauen Augen sahen nun müde zu ihm: „Spät.“ Boris irritierte der Ausdruck in ihnen etwas: „Was ist los mit dir? Liebeskummer?“ „Sehr witzig.“ Der Rothaarige klang verbitterter als sonst. Aufmerksam reckte er sein Kinn in Yuriys Richtung: „Du fühlst dich schuldig.“ „So ein Unsinn! Das mit Svetlana war eine Affäre und ist eigentlich vorbei. Außerdem wäre ich auch dann nicht dazu veranlasst treu zu sein.“ Beschwichtigend hob Boris seine Hände, konnte sich ein Grinsen dennoch nicht verkneifen. Das aufbrausende Verhalten des anderen war zu bezeichnend. Um die Situation etwas abkühlen zu lassen, machte er sich erst einmal in aller Seelenruhe einen Kaffee. Als er sich wieder zu dem Rothaarigen umwandte, hatte dieser seinen Kopf zwischen seinen Armen vergraben. „Wie sah sie denn aus, dein One?“ Schwerfällig sah Yuriy auf, sah ihn missmutig an: „Was geht dich das an?“ „Spiel mit. Was war an ihr, das dich mit ihr und nicht mit einer anderen mitgehen ließ?“ Der Blauäugige runzelte verständnislos die Stirn, bevor er patzig meinte: „Das geht dich zwar einen Scheißdreck an, aber...“, er überlegte, „es waren ihre Augen.“ „Die Unnahbarkeit, Überlegenheit, das Selbstbewusstsein oder doch eher das herausfordernde Glitzern in ihnen?“ Es war eigentlich keine Frage, eher eine Feststellung. „Was zum Teufel willst du eigentlich von mir?!“, fauchte der Rothaarige schließlich entnervt. Boris sah ihn mit großen Augen an, klang ehrlich verwundert: „Du verstehst es wirklich nicht.“ „Was???“ Sie sahen sich einen Augenblick schweigend an, dann ging plötzlich ein Beben durch Boris’ Körper. Schallendes Gelächter erfüllte die Küche und Yuriy wusste nicht, ob er mehr erschrocken oder beleidigt darüber sein sollte, dass der Lilahaarige sich gerade die Lunge aus dem Hals lachte. „Geht’s noch?“ Prustend kam Boris allmählich zu Atem: „Sorry... aber es ist... einfach zu komisch...“ Die blauen Augen starrten ihn an, als gehörten sie einem wilden Tier, das ihn jeden Augenblick bespringen würde, um ihm die Kehle zu zerfetzen. Er begann zu erklären: „Weißt du noch, dass ich zu dir gesagt habe, du solltest herausfinden, warum dich immer dieselbe Art von Mensch anzieht?“ Yuriy sah ihn weiterhin böse an, meinte dann sarkastisch: „Beuteschema?“ Sein Mitbewohner wiegte den Kopf hin und her: „Hmm. Komisch nur, dass Kai genau das alles verkörpert, was du in den ganzen Frauen suchst, nicht wahr?“ Der Ausdruck in den eisblauen Augen hätte ihn unter anderen Umständen amüsiert, doch jetzt war es anders. Das Spiel von Fassungslosigkeit, Unglaube und Erkenntnis in ihnen, brachte Boris dazu sich gelassen an die Spüle zu lehnen, abzuwarten bis dieser Ausdruck der Wut wich, die in den blauen Augen für gewöhnlich Einzug hielt. „Was willst du mir unterstellen?“ Boris schüttelte den Kopf: „Du fühlst dich schuldig, weil du verliebt bist. Das ist eine Feststellung, keine Unterstellung.“ Es überraschte Yuriy selbst, wie er es schaffte, trotz des Gefühlschaos in ihm, so ruhig und gefasst weiterzusprechen. Er wusste nicht, dass genau diese Ruhe dem Lilahaarigen verriet, dass er mit seinen Behauptungen direkt ins Schwarze getroffen hatte. Zu lange kannte er Yuriy schon mit seiner zornig-aufbrausenden Art, die jeder in diesem Appartement schon zu spüren bekommen hatte. Generell Personen, bei denen sich der Rothaarige keine Gedanken machte, wie sein Verhalten bewertet werden könnte. „Ich weiß nicht, woher du diese absurde Idee nimmst. Und ich habe keine Lust mehr auf deine wilden Theorien. Geh in die Uni, wenn du Leute mit deinem Psycho-Gequatsche nerven willst!“ „Wie ich auf diese Idee komme? Abgesehen von dem bedeutungsschweren Schweigen, das ihr euch am Tag vor Kais plötzlicher Flucht nach Japan zugeworfen habt und deiner langen Fresse die Tage... hmm, mal sehen, was gäbe es da noch? Ach ja, vielleicht noch Kais stetige Eifersucht und dein ständiges Bemühen seine Aufmerksamkeit zu erregen, um diese aufrechtzuerhalten... Soll ich weitermachen?“ „Du hast sie doch nicht mehr alle“, knurrte der Rothaarige, bevor er in einem etwas ungläubigen Tonfall meinte: „Kai ist doch nicht eifersüchtig. Er ist nur so fürchterlich moralisch, was Ehebruch angeht.“ Langsam empfand Boris Mitleid für Yuriy, ob seiner gewollten Blindheit: „Wie hat er es denn begründet, dass er mit dir schlafen will?“ „Spinnst du?!“ Allmählich wurde ihm Übel von diesem Gespräch. Er wollte nicht darüber nachdenken, darüber reden, geschweige denn Wissen, dass jemand anderes davon Wind bekommen hatte und das für ihn tat. „Ich bin nicht homophob. Warum willst du nicht mit mir darüber reden? Du weißt, ich sage nichts. Glaubst du denn wirklich Kai hätte Rei nicht davon erzählt? So wie der dich neugierig angestarrt hat, als wir am letzten Abend weggegangen sind, hat er davon gewusst.“ Yuriy starrte ihn einfach nur undeutbar an. Resignierend schlossen sich die smaragdfarbenen Augen. Warum er sich überhaupt die Mühe machte mit diesem sturen Esel von ehemaligem Teamleader zu sprechen? Das war eine gute Frage, denn früher hatte jeder jeden machen lassen, was er wollte, solange sich daraus für sie keine negativen Konsequenzen ergaben oder für denjenigen zu gefährlich wurde. In seltenen Momenten taten sie aber doch etwas füreinander – nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Freundschaft, wie zum Beispiel mit Ivan seinen Abschluss zu feiern oder er jetzt eben das. Er hatte nicht umhin gekonnt die Streitereien zwischen Yuriy und Kai zu beobachten und hatte herausgefunden, woran das im Endeffekt lag. Jetzt war das Kind endgültig in den Brunnen gefallen und Yuriy unglücklich. Wie konnte er dabei zusehen, wie er sich selbst so entschlossen im Weg stand? Das tat Boris ja am eigenen Leib weh. Als Yuriy unvermittelt anfing zögerlich zu sprechen, öffnete er verwundert wieder seine Augen: „Wir sind doch noch nicht einmal richtige Freunde...“, er vergrub verzweifelt die Finger in seinen roten Haaren, „Es war nur eine Albernheit. Warum, verdammt noch mal, fühle ich mich dann jetzt, als hätte ich ihn betrogen?“ Er kam sich so unsagbar dumm und schwächlich vor, dass er sich selber nicht mehr ertrug. Boris blickte auf das Häuflein Elend vor sich, geschmeichelt, dass er doch mit ihm redete: „Eure Beziehung hat so viele Phasen durchlaufen und trotzdem habt ihr es geschafft unter demselben Dach zu leben. Ich denke, im Grunde seid ihr immer Freunde geblieben. Im Volksmund würde man das wohl als Seelenverwandtschaft bezeichnen - um nicht ins „Psycho-Gequatsche“ abzudriften... Und deine Schuldgefühle rühren von deinen Gefühlen für Kai her...“ „Du willst mir doch nicht sagen, dass ich mich verliebt habe!“, unterbrach ihn Yuriy scharf. Sein Geduldsfaden kam langsam an seine Grenzen: „Ich brauche dir nicht etwas zu sagen, dass du bereits selber ahnst.“ Furios stachen sich die eisigen Augen des Rothaarigen in seine. Doch dann überkam ihn plötzlich ein Lachanfall, ob dieser abstrusen Situation. Es war ein ungläubiges Lachen. Eins, um den innerlichen Druck los zu werden, ohne dabei anzufangen zu heulen, weil man schlichtweg überfordert war. „Und? Was soll ich jetzt tun?“, brachte er heraus, nachdem er sich etwas beruhigt hatte. Boris stellte seine nun leere Kaffeetasse ab, griff zur Kanne und schenkte sich eine zweite Ladung des duftenden, dampfenden Getränks ein, bevor er simpel meinte: „Give it a try. Ansonsten machst du dich nur unglücklich. Ausziehen würde da übrigens auch nichts helfen.“ Gefühle neigten schließlich nicht dazu an Ort und Stelle zu verbleiben. Yuriy lachte bitter auf: „Ich soll eine Beziehung anfangen, der ich unfähig dazu bin? Ausgerechnet... ausgerechnet mit Kai? Ganz zu schweigen davon, dass er ein Mann ist und ich mir das allein schon wegen meiner Lebensplanung nicht leisten kann.“ „Scheiß auf die Lebensplanung! Du bist zwanzig! Bis du ins Referendariat kommst, bist du 22 und bis du richtig arbeitest 24. Und wenn du mal Kinder willst, brauchst du vor 30 sowieso nicht daran zu denken. Da hast du gut bis Mitte vierzig Zeit. Es ist doch nicht gesagt, dass es mit euch überhaupt funktioniert, geschweige denn so lange. Außerdem brauchst du’s ja nicht in der Uni an die große Glocke zu hängen, dann wird es auch nicht ernst genommen, solange ihr nicht auf offener Straße knutscht, sondern nur in Discos, wo sie ohnehin alle spinnen.“ Der Rothaarige hätte ihn beinahe mit offenem Mund angestarrt, als ihm das Gesagte durch den Kopf schwirrte und der einzig klare Gedanke, den er momentan fassen konnte, formulierte er etwas irritiert: „Es wäre kein Problem für dich, wenn ich plötzlich schwul werden würde?“ „Du bist nicht schwul, sondern höchstens bi. Und es wäre mir so oder so egal. Solange du mich nicht anspringst“, mahnte Boris noch zum Schluss. Gerade als Yuriy etwas entgegnen wollte, öffnete sich die Küchentür und herein schlürfte ein vollkommen verkaterter Ivan, der sie kurz unschlüssig aus Schlitzaugen betrachtete. Mit hochgezogenen Augenbrauen stellte der Lilahaarige demonstrativ seine Kaffeetasse vor Ivans Nase, als er sich neben seinen Mitbewohner setzte. Das Gespräch war damit beendet, vor allem als keine Minute später Sergej in die Küche polterte, um für Katharina, die anscheinend ebenfalls in der Wohnung war, Frühstück zu machen. Am nächsten Morgen war es wirklich so, wie Hiromi gesagt hatte. Vollkommen ungezwungen und gelassen gingen sie nacheinander ins Bad, zogen sich an und frühstückten miteinander. Kai hätte es nicht für möglich gehalten, dass es möglich wäre so unbekümmert mit jemandem, den man gut kannte, nach dem Sex umzugehen. Aber mit der jungen Japanerin funktionierte es aus unerklärlichen Gründen einwandfrei und er hatte auch nicht den Eindruck, dass es aufgesetzt war. Als er am späten Vormittag zu Takao ging, wo die anderen bereits auf ihn warteten, erklärte, dass er keine Lust mehr gehabt hatte nach Hause zu gehen und kurzum bei Hiromi übernachtet hatte, schien sich keiner etwas dabei zu denken. Kai war froh darüber. Er wollte sich nicht ausmalen, was Takao unter Umständen dann von ihm halten würde. Allerdings musste er feststellen, dass er Rei schon wieder nichts vormachen konnte. Neugierig hatten ihn die goldgelben Augen angesehen, als er noch einmal nachgefragt hatte. Er hatte ihm die Wahrheit gesagt. Und das war auch okay so. Der Graublauhaarige hatte begonnen ihm wirklich zu vertrauen. Warum er das plötzlich tat, wusste er nicht. Genauso wenig verstand er, dass er die Zeit in Japan genoss, wie noch nie. Als er schließlich auf dem Flughafen stand, fragte er Rei, während die anderen etwas zu Essen kauften: „Inwiefern habe ich mich verändert?“ Die goldenen Augen sahen ihn nachdenklich an, ehe er sagte: „Ich denke du hast verstanden, wer deine Freunde sind. Ansonsten bist du allerdings noch derselbe sarkastische, nörgelnde Klotz wie eh und je.“ Scherzhaft stieß Rei ihm in die Seite, um den skeptischen Ausdruck in den Rubinen zu vertreiben. Ja, vielleicht war das so. _______________________________________________________________________________________________________________________ Ich habe aus Zeit- und Lustmangel jetzt nicht eingehender die Liebesnächte beschrieben, aber ich denke auch, dass es so besser zu der Geschichte passt. Jetzt kommen noch zwei Kapitel und ich versuche sie bis zum ersten Augustwochende fertig zu haben. Über ein Statement würde ich mich wie immer sehr freuen^^! Bye Minerva Kapitel 10: Nur mit dir, oder? ------------------------------ KAPITEL 10: NUR MIT DIR, ODER? Nur noch kurz vorneweg: Boris hat das mit den Kindern erwähnt, weil es etwas ist, worüber man im Laufe seines Lebens eben nachdenkt. Yuriy hat sich persönlich bisher noch nicht mit dieser Frage beschäftigt. Er denkt zur Zeit eher an seine Karriere. Enjoy reading! Nach einem langen Tag in der Uni war Yuriy froh endlich nach Hause zu kommen. Mit einem erleichterten Seufzen auf den Lippen trat er in den dunklen Flur. Nur unter der Küchentür sah er Licht durchdringen. Die einzige Lichtquelle, die er brauchte, um sich den Mantel von den Schultern zu streifen, die Schuhe auszuziehen. Als er die Augen über den Flur schweifen ließ, war irgendetwas anders. Mit gerunzelter Stirn stand er kurz unschlüssig da, ging dann ins Bad, um sich unter der Dusche zu erfrischen. Verwundert stellte er fest, dass die Waschmaschine lief, ein leerer Rucksack daneben. Hmm. Woher kannte er das? Sein Herz machte einen Satz, als es ihm dämmerte. Nachdem er geduscht hatte, schlich er an der Küche vorbei in sein Zimmer, wo er sich eine Bermuda-Shorts anzog und ein schwarzes T-Shirt. Dann ging er zur Küche, stand kurz davor, wie der sprichwörtliche Ochs vorm Berg, ehe er mit klopfendem Herzen die Klinke runterdrückte und lautlos eintrat. Sein Blick blieb an der Person am Küchentisch haften, dann trat er mit einem tiefen Ausatmen ganz ein. „Ist Kai wieder da?“, fragte Yuriy Ivan, der gerade bei einem Glas Tee die Zeitung las. „Das kommt darauf an, wie du Kai definierst.“ Der verständnislose Blick ließ ihn erklären: „Er ist wie ein Robo-Zombie hier durch die Wohnung gelaufen und hat ausgepackt. Geradezu unheimlich. Jetzt schläft er wahrscheinlich.“ Das war typisch für den Graublauhaarigen. Wenn er von einer Reise kam, räumte er immer erst alles auf, bevor er sich ausruhte oder etwas anderes tat. Ganz im Gegensatz zu ihm, der noch wochenlang seine Sachen im Koffer vermodern ließ, bis er nicht drum herum kam ihn auszupacken und die Sachen endlich zu waschen. „Jetlag.“ „Hmhm. Wenn du Tee willst, in der Kanne ist noch welcher.“ „Nein, danke.“ Damit ging der Rothaarige wieder raus, entschlossen sich etwas mit Musik ins Bett zu lümmeln, an etwas anderes zu denken. Doch sein Blick blieb, wie erwartet, an der Tür gegenüber hängen. Ohne wirklich noch einmal darüber nachzudenken, öffnete er diese leise. Ein seltsames Gefühl der Beruhigung und Freude breitete sich in ihm aus, hinterließ ein stetiges Kribbeln in seinen Bauch, als er Kai seelenruhig schlafend in seinem Bett vorfand. Leise schloss er die Tür hinter sich und schlich um das Bett herum. Kai lag auf der rechten Seite auf der linken Betthälfte, die eine Hand unter dem Kissen vergraben, während der rechte Arm angewinkelt vor seinem Oberkörper ruhte. Die Bettdecke reichte bis zu seiner Schulter, aber es war gut zu erkennen, dass zumindest sein Oberkörper bloß war. Dieser Gedanke schwächte das Kribbeln in seinem Bauch nicht gerade ab und eigentlich wusste Yuriy sowieso nicht, was er nun machen sollte. Er wollte Kai nicht wecken. Das war erstens gemein, wenn man einen Jetlag hatte und zweitens wusste er nicht, was er ihm sagen sollte, geschweige denn, dass Kais Laune nicht sonderlich gut sein dürfte, wenn er ihn grundlos aus dem Schlaf riss. Gehen wollte der Rothaarige aber auch nicht. Irgendetwas hielt ihn auf. Lebensmüde krabbelte er kurzentschlossen in das große Bett, ließ sich bedächtig mit ungefähr einem Meter Abstand neben dem anderen nieder. Er stützte sich mit dem Ellenbogen auf einem der vielen Kissen ab, die hier herumflogen und beobachte einfach das friedliche Gesicht vor ihm. Als wäre er ein Magnet, dem er nicht widerstehen konnte, streckte er seine Hand aus und strich vorsichtig einige der grauen Strähnen aus seiner Stirn, ließ seine Finger jedoch schnell wieder von ihm ab. Wohin sollte das nur führen? Dieser Gedanke geisterte bereits die ganze Zeit durch seinen Kopf. Es war unleugbar, dass er sich zu Kai hingezogen fühlte und ihn am liebsten mit Küssen und Berührungen überschütten würde. Gleichzeitig wünschte er sich nichts sehnlicher als dass dieser genau dasselbe mit ihm tat. Woher diese starken Gefühle kamen, war ihm weiterhin schleierhaft. Vielleicht hatte Boris recht und sie hatten sich nie mehr hassen können als sie sich tief im Inneren mochten, brauchten. Waren sie also so etwas wie Seelenverwandte? Was bedeutete dieses Wort schon? Als Kinder, zu der Zeit, wo sie wirklich Freunde gewesen waren, da hatten sie einander gebraucht. Außer sich hatten sie keine Vertrauensperson, niemanden, der sich mit ihnen auseinandersetzte, gutwillig war. Sie hatten sich geliebt wie Brüder. Dann war alles kaputt gegangen, als Kai nach Japan geholt worden und er ganz alleine in der kalten Hölle zurückgeblieben war. Er hatte ihn dafür gehasst. Während der dritten Weltmeisterschaft wurden sie zu so etwas wie Kollegen: unpersönlich, zielstrebig, sachlich und vollkommen lieblos. Und jetzt? Stimmte was Boris sagte und hatte er sich insgeheim immer gewünscht mit dem Graublauhaarigen zusammen zu sein und hatte daher immer Frauen aufgegabelt, die ihm irgendwie ähnlich waren? Yuriy konnte nicht sagen, ob das zutraf oder ob das nicht eher ein allgemeines Phänomen war, dass man sich immer mit ähnlichen Menschen umgab. Im Endeffekt war der Grund auch zweitrangig. Wichtiger war die Frage, wie das in Zukunft mit ihnen weitergehen sollte. Sie mussten ehrlich darüber reden, obschon es Yuriy davor graute. Doch so konnte es nicht bleiben. Der Rothaarige würde es nicht ertragen können Kai mit jemand anderem zu sehen oder nur von ihm ignoriert zu werden. Eine Beziehung mit ihm anzufangen, war allerdings ebenso absurd. Abgesehen davon, dass er nicht wusste, wie sie inkompatiblen Chaoten eine ernsthafte Verbindung eingehen sollten, wusste er ja noch nicht einmal, was Kai für ihn empfand. Zum anderen war Russland nicht gerade das beste Land um sich am anderen Ufer auszuprobieren, zumal wo er Anwalt werden wollte und da von Erzkonservativen nur so umzingelt werden würde, auch wenn Boris schon richtigerweise meinte, dass bis dahin noch etwas Zeit vergehen musste. Zeit, die er theoretisch mit dem graublauhaarigen Übel, von dem er den Blick nicht abwenden konnte, verbringen können würde. Ohne sich darüber Gedanken zu machen, was in Zukunft sein sollte, lediglich leben und das Miteinander genießen, wenn es überhaupt möglich war. Er wusste nicht, wie lange er reglos dagelegen hatte, als Kai tief einatmete und kurz darauf die Augen verschlafen öffnete. „Gut geschlafen?“ Die Rubine sahen ihn kurz überrascht an, verloren sich dann wieder in einem Schleier aus Müdigkeit. „Du hast mich wach gestarrt“, nuschelte er schlaftrunken, wobei seine Augen wieder auf Halbmast fielen. Er konnte wirklich kaum die Augen offen halten. „Ich bitte vielmals um Verzeihung“, entschuldigte sich Yuriy mit ironischem Unterton. „Hmm.“ Ein Lächeln umspielte Yuriys Lippen, als Kai seine Augen wieder schloss: „Wie? Du schmeißt mich gar nicht raus?“ „Zu anstrengend“, flüsterte der Graublauhaarige kaum verständlich, bevor er die Decke unter seinen Arm zog, wodurch seine Brust freigelegt wurde. Yuriy war sich sicher, dass das Absicht sein musste, gleich, ob der andere überhaupt genügend bei Verstand war, um mitzukriegen, was er tat. „War es schön in Japan?“ Kai atmete geräuschvoll aus, dabei ein genervtes Seufzen hören lassend. „Schon gut.“ Mit einem unzufriedenen Kloß im Bauch bettete der Rothaarige seinen Kopf nun auf das Kissen, da sein Handgelenk langsam den Dienst versagte und wehtat. Er schloss die Augen, döste jedoch nur vor sich hin, bis Ruhe in ihn kehrte und sich wieder dieses Kribbeln in seinem Körper ausbreitete, so wie er den Duft nach Zedern überdeutlich wahrnahm. Als Kai seine Augen wieder öffnete, sahen sie ihn wacher an als zuvor. Ein undeutbarer Ausdruck verwährte es ihm zu deuten, was er dachte. Er stützte seinen Kopf wieder in der Hand ab, beobachtete, wie der Blick des anderen ihm folgte. „Und wie war es in Japan?“ „Okay. Und hier?“ „Wir haben Ivans Abschluss gefeiert und ich habe ein Aufeinandertreffen mit Svetlanas Mann überlebt“, grinste Yuriy amüsiert, wenn er daran zurückdachte. „Wie das?“ „Er hat auf sie gewartet... und ich eben auch. Der sieht aus, wie ein aus einem Hollywood-Streifen entlaufener Oberbösewicht.“ Er schauderte. „Gut, dass er nicht mitbekommen hat, dass du mit seiner Frau schläfst, sonst hätte er dich wohl wirklich zerlegt.“ „Geschlafen hat. Aber das macht es auch nicht besser.“ Die roten Augen sahen ihn undeutbar an und obwohl die Situation seltsam war und dazu verleitete etwas zu sagen, um die Stille loszuwerden, breitete sich ein Wohlgefühl in Yuriy aus. Er hätte stundenlang so weiter machen können. „Ich habe mit Hiromi geschlafen.“ Wumm. „Wenigstens weißt du noch ihren Namen“, entgegnete er mit einem gequälten Lächeln. Kai sah ihn aufmerksam an. „Warum hast du das getan?“ „Weil sie mich darum bat.“ „Das glaub ich gerne“, grinste der Rothaarige schalkhaft, „Hast du wenigstens etwas dafür gekriegt?“ Um Kais Mundwinkel schlich ein Lächeln: „Sie war eine Jungfrau in Not.“ Yuriys Augen spiegelten die sarkastischen Gedanken deutlich wider. „Und du hast die Affäre mit der Romanov beendet?“ „Stillschweigend konkludent würde ich sagen.“ „Warum?“ Der Rothaarige zuckte mit den Schultern: „So halt.“ Sie sahen sich lange an. Yuriy studierte Kais Gesicht. Die helle Haut, die faszinierenden Augen, die gerade Nase, die rosa Lippen, an denen er letztlich hängen blieb. Wie in Trance streckte er seine Hand aus und strich hauchzart an Stirn- und Wangenknochen des Graublauhaarigen entlang. Widererwarten ließ Kai es sich gefallen, sah ihn beinahe verunsichert an. Aber nur beinahe. „Warum kann ich einfach nicht meine Finger von dir lassen?“, flüsterte Yuriy sehnsüchtig. Kai schloss die Augen, neigte den Kopf leicht gegen die Berührung: „Es ist töricht.“ „Ich habe das Stipendium bekommen.“ Kai öffnete seine Augen. „An dem Tag, an dem du gegangen bist. Aber ich habe es noch keinem gesagt.“ Seine Finger strichen weiterhin über die warme Haut. Kai sah ihn fragend an. „Ich wollte es zuerst dir sagen.“ Der Graublauhaarige lächelte sanft, bevor er Yuriys Hand einfing und sie auf die Matratze drückte, seine Hand jedoch nicht wegnehmend. „Das muss aufhören.“ „Warum hast du mit mir geschlafen? Und sag mir nicht wieder, dass es Experimentierfreude war“, verlangte er mit fester Stimme. Der Halbrusse erwiderte herausfordernd: „Warum hast du so schnell zugesagt?“ Das war eine gute Frage. In Anbetracht der Umstände war er wirklich schnell mit dabei gewesen. „Kannst du mir nicht einfach antworten?“ Es brachte nichts ständig Gegenfragen zu stellen. Unbewusst fing Kai an mit seinem Daumen über Yuriys Hand zu streichen, die er weiterhin auf der Matratze hielt. Man konnte ihm ansehen, dass er nicht antworten wollte. Nach einer Weile brachte er doch ein paar Worte über seine Lippen: „Sagen wir es so, es war schöner, als ich es wollte.“ Der Rothaarige konnte nicht anders als sich seufzend in die Kissen sinken zu lassen: „Damit kann ich wahnsinnig viel anfangen...“ „Hm.“ Er sah zu Kai, der stur auf das Laken starrte. Okay, sie würden wohl nicht weiterkommen, solange Yuriy nicht wusste, was der andere für ihn empfand. Er verstand ja, dass er nichts sagen wollte, er selber redete schließlich auch nicht. Aber einer von ihnen musste anfangen. Dann musste er eben ran. Was war schon dabei sich jetzt auch seelisch auszuziehen? Wenn Kai das ausnützen sollte, würde er sich schon eine Verteidigungsmaßnahme einfallen lassen... Er nahm wieder seine alte Position ein: „Kann ich dir vertrauen?“ Die roten Augen begegneten ihm mit festem Ausdruck. „Ja.“ Ein Wort. Es war ihm so wichtig: „Ich weiß nicht, warum ich damals so schnell mit dir geschlafen habe, aber ich weiß, warum ich es jetzt will. Der Gedanke daran dich mit jemanden anderen zu sehen, macht mich rasend. Ich will das nicht. Ich will dich für mich allein.“ Unter anderen Umständen hätte er Kais Gesicht als herrlich amüsant bezeichnet, doch nun schlug ihm das Herz so heftig bis zum Hals, dass er nichts sah noch dachte, einfach nur die tosende Stille wahrnahm und auf eine Reaktion wartete. „Und wie stellst du dir das vor?“ Kai kam es vor als würde er ersticken. Sein Puls raste. „So was ähnliches wie eine Beziehung?“ Jetzt sah ihn der Graublauhaarige an wie einen Irren: „Du und ich? Als ein Paar? Gerade wir?“ Sie waren nicht gerade als talentiert in zwischenmenschlichen Beziehungen bekannt. „Wir waren so viel, dann kriegen wir das auch noch hin.“ Und davon war er wirklich überzeugt, sogar zu seiner Verblüffung. Die Überraschung in den roten Augen wandelte sich in Verunsicherung und zunehmende Zurückhaltung: „Es ist unsinnig eine Beziehung anzufangen, die zum Scheitern verurteilt ist.“ Es war nicht nötig zu erwähnen, wie irreal es war, dass sie überhaupt über so etwas sprachen. Das wussten sie beide. Bevor Yuriy etwas sagen konnte: „Ich dachte immer, wenn ich selber schon keine Familie hatte, möchte ich wenigstens selber irgendwann mal eine eigene.“ „Aber nicht jetzt oder mit zwanzig oder fünfundzwanzig, oder? Erst nach dem Studium, oder?“ „Ja“, bestätigte der Graublauhaarige lauernd. „Das ist eine lange Zeit.“ Mehr brachte er nicht raus. Irgendwann versagte eben auch seine Stimme. „Wir sollen uns die Seele aus dem Leib vögeln bis es uns langweilt und dann weitermachen als wäre nichts gewesen, falls das denn möglich ist?“ Yuriy befreite seine Hand und strich erneut sanft über Kais Schläfe, fuhr über die Augenbraue und über das Nasenbein, während er meinte: „Wenn du die rosarote Brille abnimmst, erkennst du, dass es eigentlich immer so ist.“ Rubinfarbene Augen sahen ihn eindringlich, jedoch undeutbar an, während er sich sicher war, dass man seinen Herzschlag hören konnte, so laut schlug es in seinen Ohren. Dann fing Kai seine Hand wieder ein, doch diesmal pinnte er sie nicht fort, sondern hielt sie an seine Lippen. Yuriy war sicher noch nie so einen erotischen Handkuss erlebt zu haben, als die weichen Lippen des Graublauhaarigen seinen Handrücken zart berührten, während Kais Augen verführerisch aufblitzten. „Kannst du denn treu sein? Spielst du auch nicht mit mir?“ Obwohl sie sich so entblößt hatten, vertraute Kai ihm nicht richtig. Verständlich. Ihm ging es schließlich nicht anders. Zu viel war zwischen ihnen vorgefallen, zu viel hatten sie sich bereits angetan. Und der Rothaarigen wünschte sich so sehr, dass sie sich vertrauen konnten, wie zu der Zeit, in der sie Freunde gewesen waren. „Du kannst mir vertrauen.“ Ein Lächeln umspielte Kais Mund, als er hauchte: „Du mir auch.“ Der Graublauhaarige ließ seine Hand los, hob stattdessen die Decke leicht an: „Dann komm zu mir.“ Das ließ sich der Russe nicht zweimal sagen, obgleich es sich als schwieriger herausstellte den Meter zwischen ihnen zu überbrücken, als gewöhnlich. Seine Glieder zitterten so stark, dass er sich recht ungeschickt anstellte, zumindest kam es Yuriy so vor. Dann waren sie sich ganz nah. Kai sah ihn aus halb geöffneten Augen aus an, aber sie küssten sich nicht. Fahrig fuhr der Rothaarige mit kribbelnden Fingern über die Schulter des anderen, hinab an seiner Seite über die Taille und hielt an seiner Hüfte inne: „Du hast echt nix an.“ Kai grinste lasziv: „Und ich bin ganz stark für Gleichberechtigung.“ Mit diesen Worten fuhr er unter sein T-Shirt und zog es mit Yuriys Hilfe über dessen Kopf. Als Kais Hand frech in seiner Shorts verschwand, zog er sich diese ebenfalls schnell aus und leitete die forschen Finger ganz schnell in eine andere Richtung um. Eine hochgezogene Augenbraue deutete die Irritation des Graublauhaarigen an, doch die trieb er ihm schnell aus, als er mit seinen Fingern über seinen Hals streichelte. Prompt seufzte Kai genüsslich auf, schloss die Augen und neigte den Kopf, um ihm besser Zugang zu gewähren. Diese einfache Geste raubte Yuriy den Atem. Er fühlte sich, als würde ein Wirbelsturm aus Schmetterlingen in seinem Bauch toben und die Hitze in seinem Schoß jeden Augenblick überhand nehmen. Schlussendlich hielt er die Spannung zwischen ihnen nicht mehr aus und überbrückte die letzten Zentimeter zu Kais Lippen. Der Rothaarige glaubte selbst nicht, was er da tat, als er den anderen fiebrig küsste, als ob es etwas wäre, was er schon sein Leben lang hatte tun wollen. Hungrig erwiderte Kai diesen Kuss und er fühlte dessen Hände auf seinem Rücken, in seinen Haaren, als er ihn auf sich zog. Ungehalten stöhnten sie auf, sobald sie die nackte Haut des jeweils anderen auf ihrer spürten und Yuriy erkannte, dass er nicht der Einzige war, der ob dieser eigentlich unspektakulären Berührungen fast kam. Wie von Sinnen rieben sie ihre Zungen aneinander, küssten sich bis ihre Lungen schmerzten, nur um nach einem kurzen Luftholen weiterzumachen. Der Rothaarige hielt Kais Gesicht zwischen seinen Händen und spürte unter Seufzern und heißen Schaudern, wie Kai seinen Rücken entlangstrich, die Beine spreizte und Yuriy dann fest im Kreuz fasste und an sich drückte. Sie mussten den Kuss unterbrechen, als sie heiser aufstöhnten, versanken dann aber wieder in einem intensiven Kuss. Yuriy konnte nicht fassen, wie sehr ihn dieser Kuss erregte und er konnte einfach nicht damit aufhören. Sein ganzer Körper war angespannt und schien geradezu unter Strom zu stehen, als ihn die Aufregung in seinem Bauch und die unglaubliche Hitze schummrig werden ließen. Als Kai dann auch noch begann sich an ihm zu reiben, war es vorbei mit seiner Selbstbeherrschung. Er unterbrach den Kuss und vergrub sein Gesicht in Kais Halsbeuge, als er stöhnend seinen Höhepunkt erreichte. Ungläubig und ziemlich verlegen versteckte er sich tiefer in den graublauen Haaren. Er spürte beinah körperlich, dass Kai grinste, als er ihm sanft durch die Haare strich. „Das ist mir noch nie passiert. Tut mir leid“, nuschelte Yuriy mit hochrotem Kopf. Jetzt konnte er das Amüsement deutlich heraushören: „Ich weiß.“ Unvermittelt drückte Kai ihn von sich. Fragend und leicht verunsichert begegnete er den rubinfarbenen Augen, was den Halbrussen erklären ließ: „Du gehst jetzt in dein Zimmer und holst deine Spielzeuge für den „Eigengebrauch“.“ Yuriys Herz tat einen Sprung, ehe er eine Augenbraue anhob: „Nackt?“ „Das überlasse ich dir. Aber da du jetzt wieder genug Platz hast, empfehle ich dir eine Hose.“ Kai beobachtete breit grinsend, wie Yuriy ihm eine Grimasse schnitt, bevor er sich seine Bermuda-Shorts mit zittrigen Fingern überstreifte und auf wackligen Beinen nach draußen schlich. Aufseufzend richtete der Graublauhaarige sich ebenfalls auf und wischte sich mit einem Taschentuch den Bauch sauber, legte sich dann wieder hin, die Bettdecke bis zu seiner Hüfte ziehend. „Ivan spielt Klavier“, meinte Yuriy, als er wieder hereintrat. Er bemerkte Kais belustigt funkelnden Augen, die auf seine Mitbringsel gerichtet waren, das Gleitgel und eine Packung Kondome: „Was denn? Ich hatte keinen Nerv die jetzt auszupacken.“ Der Graublauhaarige schüttelte grinsend den Kopf: „Komm einfach her.“ Schnell hatte sich Yuriy wieder ausgezogen und die Sachen gut erreichbar auf dem Bett abgelegt, ließ sich dann ebenfalls unter die Decke gleiten, zog diese allerdings verspielt über ihrer beider Köpfe, sowie er wieder über Kai lag. Trotz dem Halbdunkel erkannte er, dass Kai ihn anlächelte. Es war eine Art von Lächeln, das sein Herz höher schlagen ließ, ihn mit Wärme erfüllte. Den Ausdruck in den roten Augen konnte er zwar nicht richtig benennen, doch er ließ ihn nur noch mehr vor Zuneigung überlaufen und der Wunsch, den anderen nur noch für sich zu haben und ihn zu berühren verstärkte sich umso mehr. Süchtig nach der warmen Haut und ihrem Geruch, begann er den Halbrussen mit Küssen zu überschütten. Er ließ sich viel Zeit damit von dem empfindlichen Hals hinab zu der Brust und über den Bauch zu küssen und genoss jeden wohligen Seufzer, der an seine Ohren drang. Bewusst fuhr er mit der Zunge nah an Kais sich wieder verstärkender Erregung vorbei und küsste sich seine Innenschenkel entlang, bevor er die Beine des Graublauhaarigen weiter spreizte und aufstellte. Es freute Yuriy insgeheim sehr, dass der Halbrusse sich ihm so hingab, das mit sich machen ließ. Quälend langsam strich seine Zunge hinauf und über Kais Leiste, spürte wie der sich unruhig zu winden begann. Mit einem diabolischen Grinsen sah er hoch und begegnete verschleierten Rubinen, doch als er sein Glied fest in die Hand nahm und seine Zungenspitze leicht über die Eichel fahren ließ, warf er seinen Kopf wieder in den Nacken und stöhnte lustvoll auf. Angespornt ließ er seine Zunge bedächtig über die samtene Spitze lecken, verteilte dabei die ersten Lusttropfen. Er wusste, dass es gemein war Kai so lange warten zu lassen, aber es war viel zu erregend zu beobachten, wie der Halbrusse sich unter ihm wand, sobald er mit der Zunge die Eichel umwirbelte und er seine Hüfte halten musste, damit er nicht in seinen Mund stieß. Dann hatte er ihn endlich soweit. „Yuuriy“, stöhnte Kai seinen Namen ungeduldig, was den Rothaarigen ungemein amüsierte wie es ihn erregte. Gnädig wie er war, gab er Kais „Bitte“ nach und stülpte seinen Mund über das heiße Fleisch, so weit wie er konnte, was mit einem heiseren Stöhnen quittiert wurde. Als Boris nach Hause kam, fand er einen verstörten Ivan im Gang stehend vor. „Hast du einen Geist gesehen?“ Verständnislos begegnete er den Augen des Jüngeren. „Ich... Da....“ Sprachlos zeigte er auf Kais Zimmertür. Nachdem sich Boris ausgezogen hatte, kam er neben ihn und begriff, was Ivan so irritierte. „Das ist Gestöhne. Kai holt sich wohl einen runter.“ Die nüchterne Art, mit der er das sagte, ließ seinen Mitbewohner befremdet zu ihm aufschauen. „Mag sein, es ist nur... na ja...“ „Ivan!“ Seine Nerven hatten an diesem Tag schon genug gelitten. Der Jüngere druckste ein wenig herum, ehe er hervorbrachte: „Yuriy ist auch da und ich wollte ihn fragen, ob er einen Film mit mir gucken möchte, aber er war nirgends.... Seine Sachen sind aber da.“ Etwas hilflos deutete er auf den Mantel des Blauäugigen. Boris wiegte den Kopf hin und her, als würde er angestrengt nachdenken, dann meinte er schulterzuckend schlicht: „Dann übt sich Yuriy wohl in Fellatio.“ Der Anblick Ivans bei seinen Worten, ließ die smaragdgrünen Augen belustigt aufblitzen. „Komm, dann schauen wir einen Film. Ich brauch nach diesem Tag einen schönen blutigen Horrorstreifen.“ Wie in Trance nickte der Jüngere und murmelte: „Horror. Ja, das brauch ich jetzt auch...“ Währenddessen trieb Yuriy Kai in den Wahnsinn, indem er ihn nicht nur oral befriedigte, sondern gleichzeitig sein Perineum fest rieb, so die Prostata stimulierte – und nebenbei gelang es ihm hin und wieder auch noch den Graublauhaarigen ein wenig zu weiten. Ja, Yuriy war Multi-Tasking-Fähig beziehungsweise seine rechte Hand. Kurz vor dem Höhepunkt stoppte der Rothaarige jedoch, sehr zum Leidwesen des anderen, der ein unwilliges Brummen hören ließ. „Hey, ich will auch meinen Spaß“, erwiderte er auf Kais ungeduldigen Blick hin. Dieser hob eine Augenbraue, ehe er nüchtern antwortete: „Den hattest du schon.“ „Das war kein Spaß.“ Ein kaum merklicher Rotschimmer zierte seine Wangen, während er sich zu den Mitbringsel streckte. „Ich fand es lustig“, grinste Kai hämisch und hatte prompt die Schachtel mit den Kondomen im Gesicht: „Hey!“ „Mach dich nützlich.“ „Das steigert nicht gerade die Spannung“, gab er von sich, als er Yuriy eines der schwarzversiegelten Gummis hinhielt. Der Halbrusse fand sich schneller wieder auf dem Rücken als er gucken konnte. „Immer nur am Meckern. Ich wäre für einen Aids-Test, dann können wir darauf verzichten“, hauchte er in Kais Ohr, bevor er seine Lippen mit einem tiefen Kuss versiegelte. Dann ging alles ziemlich schnell. Yuriy fasste ihn am Becken, woraufhin der Graublauhaarige seine Beine hinter dessen Hüfte verschränkte, ehe er langsam in ihn eindrang. Kai sog scharf die Luft ein und versuchte den nagenden Schmerz auszublenden, sich nur darauf zu konzentrieren sich zu entspannen. Es half, dass Yuriy jedes Mal erstarrte, wenn er spürte, dass es ihm wehtat. Schwer atmend beugte sich der Rothaarige zu ihm, nachdem er sich ganz in ihm versenkt hatte, um ihn hauchzart auf die Lippen zu küssen. Dabei sah er in die tiefroten Augen, die ihn diesmal geradewegs anblickten, einen leichten Schleier über ihnen. Allein das Bewusstsein mit Kai zu schlafen, versetzte ihn in einen Rausch, ohne sich auch nur in ihm bewegt zu haben. Der Halbrusse musste in seinen Augen gelesen haben, denn ein amüsiertes Blitzen ging durch die Rubine und seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Grinsen, bevor er begann sich vorsichtig zu bewegen. Es dauerte nicht lange, um sich gegenseitig dazu zu bringen verrückt vor Leidenschaft zu werden, als ihr Rhythmus immer schneller wurde und sie den Gipfel ihrer Erregung erreichten. Ihr Atem ging schnell und ein Schweißfilm überzog ihre sich liebenden Körper. Mit einem tiefen Aufstöhnen stieß Yuriy noch ein letztes Mal zu als er kam und erkannte am Rande seines Verstandes, dass Kai ebenfalls seinen Höhepunkt erreichte. Sein Blut rauschte in seinen Ohren, als sich der Rothaarige erschöpft auf Kai sinken ließ. Diesmal war es nahezu perfekt gewesen. Er war sich sicher noch nie so viel beim Sex empfunden zu haben, so ein intensives Gefühl des Glücks danach verspürt zu haben. Und sie hatten sogar gleichzeitig ihren Orgasmus gehabt, etwas, dass ihm zuvor vielleicht zweimal passiert war – und das nach unzähligen Versuchen. Kai schloss seine Arme um ihn, drückte ihn leicht an sich, was Yuriy vor überschäumenden Wohlgefühlen aufseufzen ließ. Er genoss es den anderen zu riechen, seinen sich hebenden Brustkorb zu spüren und sein sich beruhigendes Herz zu hören. Es gab keinen Ort auf der Welt, an dem er lieber sein mochte. Nach einer Weile schaffte es der Rothaarige sich aufzuraffen. Er konnte schließlich nicht ewig in Kai bleiben und er wollte nicht warten, bis es diesem zu dumm wurde und ihn von sich schob. Nachdem er das Kondom im Abfalleimer losgeworden war, kroch er zurück zu dem Graublauhaarigen und fand sich glücklicherweise sofort wieder in einer sanften Umarmung wieder. Als hätten sie das schon tausendmal getan, verhackten sie ihre Beine miteinander, während Kai seine Arme um seinen Rücken und der Rothaarige die seinen um dessen Hals schlang. Sie hatten ihre Augen geschlossen, als sie so Stirn an Stirn dalagen, dem Atem des anderen lauschend, bis ein leises Flüstern an Yuriys Ohr drang: „Sag mir, was du denkst.“ Die eisblauen Augen begegneten Rubinroten, als er entgegnete: „Nichts. Rein gar nichts. Ich genieße nur.“ Kais Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln: „Und willst du immer noch eine Beziehung mit mir versuchen?“ Ein kurzes, ungläubiges Auflachen: „Und ob! So schnell wirst du mich nicht mehr los.“ Mit diesen Worten verwickelte Yuriy den Graublauhaarigen in einen stürmischen Kuss, der zunehmend zärtlicher wurde, je länger er dauerte. Sanft berührten sich ihre Zungen, streichelten sich langsam und ausgiebig mit einer hingebungsvollen Intensität. Als sie sich voneinander trennten, funkelten ihn die roten Augen glücklich an, was Yuriys Herz einen Sprung machen ließ. „Gut“, kommentierte Kai seine vorherige Aussage, bevor er sich näher an ihn schmiegte und müde die Augen schloss. Mit einem warmen Flattern im Bauch tat er es dem Graublauhaarigen gleich, nicht ohne dabei unwillkürlich zu lächeln. Es war nach Mitternacht, als Yuriy aufwachte. Am Rande seines Bewusstseins bemerkte er, dass etwas anders war als es sein sollte, als er sich ausstreckte. Irgendetwas schien zu fehlen. Irritiert öffneten sich seine Augen. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken.“ Sein Blick wandte sich zu der Stimme und da erkannte er Kais Silhouette bei der Tür. Er war augenblicklich hellwach. „Wo warst du?“ „Ich habe etwas zu trinken geholt. Willst du auch einen Schluck?“ Der Rothaarige blinzelte ein paar Mal und konnte nun die Wasserflasche in Kais Hand erkennen. Seine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit und fanden im Mondlicht, das herein schien, einen Gehilfen. Erst jetzt bemerkte er, wie rau sich sein Hals anfühlte: „Ja.“ Dankbar nahm er die Flasche und trank wie ein Verdurstender, bevor er sie dem Graublauhaarigen zurückgab, der leicht schmunzelte. Er ließ sich beruhigt zurück in die Kissen sinken und spürte kurz darauf, wie warme Finger seinen Bauch hinaufwanderten, Lippen, die sich dazugesellten und ihm Schauer über den Rücken jagten. „Bist du gar nicht müde?“, schmunzelte Yuriy und bekam Gänsehaut, als Kai ihm sanft in den Hals biss. „Ich möchte es auch“, hauchte er ihm mit lasziven Unterton ins Ohr. Der Rothaarige verstand nicht: „Was?“ „Dir zeigen, dass ich ein guter Liebhaber bin.“ „Wieso? Das weiß ich doch schon.“ Kai sah ihn daraufhin an und er konnte trotz der Dunkelheit im Licht des Mondes die lustverschleierten Augen erkennen, was Yuriy nur noch heißer werden ließ und die Schmetterlinge in seinem Bauch erneut zum Tanz aufforderte. „Ich bin nicht dazu geboren nur passiv zu sein.“ Yuriy sah ihn einen Augenblick vollkommen verständnislos an, ehe sich sein Magen nervös zusammenzog, als er begriff: „Du willst oben liegen.“ Kai drückte ihm einen leicht stürmischen Kuss auf: „So kann man es auch ausdrücken.“ Ohne sich weiter darüber Gedanken zu machen, begann der Halbrusse damit den Körper, über den er gebeugt war, hingebungsvoll zu liebkosen. Und Yuriy konnte spüren, dass sein Körper darauf reagierte, als hätte er nicht vor wenigen Stunden bereits eine Ekstase nach der anderen durchlebt. Doch sein Verstand rebellierte: „Kai.“ Ein ruhig ausgesprochenes Wort, aber es bewirkte, dass der Graublauhaarige aufhörte und ihn mit zusammengezogen Augenbrauen betrachtete. Yuriy, unfähig etwas herauszubringen, starrte lediglich zurück, nun in der Lage den Ausdruck in den roten Seen in dem schwachen Licht zu erkennen. Die Irritation in ihnen wandelte sich, wurde plötzlich warm, verständnisvoll, liebevoll. Es brachte Yuriys Herz dazu wild zu klopfen. „Vertrau mir, wie ich dir vertraut habe. Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.“ Kais Stimme klang sanft, so sanft, wie der Rothaarige sie noch nie nach ihren Kindertagen vernommen hatte. Und selbst da hatte sie nicht vermocht so eine Sicherheit zu vermitteln. Aus einem Impuls heraus, zog er Kais Kopf zu sich, wo er ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss miteinander verschmolz. Durch diese Geste angestachelt, begann Kai mit seinen Küssen und Streicheleinheiten fortzufahren und als Yuriy versuchte sich unbefangen darauf einzulassen, brauchte es nicht lange, um seinen Körper in Flammen stehen zu lassen. Quälend langsam fuhr Kais Zunge seine Leiste entlang und anstatt in dieser Gegend zu bleiben, suchte sie sich frech einen Weg über seine Innenschenkel, die Yuriys Meinung nach zuviel des Guten abbekamen, gleichzeitig liebte er jedoch dieses süß-bittere Warten auf Erlösung. Der Rothaarige mochte es seinen Partner warten zu lassen und natürlich war Kai ebenso ein Sadist. Um nicht zu gemein zu sein, widmete sich der Graublauhaarige anschließend der zuckenden Erektion, streifte mit seinen Lippen in Zeitlupe hinauf, wobei er vereinzelt Küsse absetzte und brachte Yuriy dazu tief aufzuseufzen. An der Spitze angekommen umspielte seine Zunge sanft die Eichel, bevor er anfing an ihr zu saugen. Der Effekt war groß. Der Rothaarige bog stöhnend seinen Rücken durch, als er spürte, wie der heiße Mund sich um sein Glied schloss, an ihm saugte. Yuriy bekam überhaupt nicht mit, wie Kai mit einer Hand zu der Gleitcreme griff und etwas davon auf seinen Fingern verteilte. Um den anderen weiterhin abzulenken, begann er mit einer Hand zusätzlich das harte Glied zu pumpen und schaffte es tatsächlich, dass Yuriy nicht mitbekam, wie er das Gel um seinen Eingang verteilte. Kurz bevor er mit dem Finger in ihn eindrang, nahm er seine freie Hand wieder weg, um sich selbst abzustützen, hörte aber nicht auf seine Zunge um die Eichel wirbeln zu lassen. Er drang zwar sehr langsam und vorsichtig in ihn ein, aber das blieb Yuriy trotz seiner Zungenakrobatik nicht verborgen. Obwohl sein Finger - dank Gleitgel widerstandslos in ihn glitt, keuchte der Rothaarige kurz auf, wobei Kai annahm, dass es mehr aus Überraschung geschah, als aus Schmerz. Geschickt tastete er in der warmen Enge und fand schließlich, was er suchte. Der Körper des Russen spannte sich an, als eine Welle der Erregung durch ihn jagte, ihn heiser aufstöhnen ließ. Entzückt stimulierte Kai weiterhin die Prostata und beobachtete zufrieden, was er damit in Yuriy bewirkte. Der sollte sich nicht noch einmal beschweren, dass er diesmal unten liegen musste, schoss es dem Graublauhaarigen durch den Kopf, während er einen zweiten Finger dazu nahm, ohne dass es dem Rothaarigen ersichtlich aufzufallen schien. Dieser wand sich vor Ekstase im Bett, krallte sich mit der einen Hand haltsuchend ins Laken, während er mit der anderen versuchte sein Stöhnen zu unterbinden, indem er in seinen Handrücken biss. Schon lange hatten diese Gefühle jeglichen Gedanken hinfort gewaschen. Jetzt wollte er nur noch mehr von diesem berauschenden Gefühl, das ihn innerlich beinahe explodieren ließ. Plötzlich hörte Kai auf. Seine Lider flatterten, gaben schließlich seine lustverschleierten eisblauen Iriden preis, die auf rubinrote Augen trafen, welche ihn undeutbar anfunkelten. Er spürte, wie der Graublauhaarige seine Hand von seinem Mund nahm, hörte ihn dann in sein Ohr hauchen: „Ich höre dich lieber, wenn ich dich in den Wahnsinn treibe.“ Hitze schoss in Yuriys Wangen, zugleich kehrte dieses ungute Kribbeln zurück, das ihn daran erinnerte, dass er sich hier vollkommen schutzlos auslieferte. Zwar milderten die verlangenden Lippen auf seinen dieses Gefühl ab, verschwand jedoch nicht. Kai schien momentan in ihm lesen zu können wie in einem offenen Buch, denn er wandte ihm erneut den Blick zu, nachdenklich. Dann fühlte sich der Rothaarige plötzlich hochgezogen und fand sich über Kais Schoß kniend vor. Der Graublauhaarige sah ihn vielsagend an, es dauerte ein paar Sekunden ehe Yuriy begriff. Er sollte sich auf Kais Schoß niederlassen, konnte in dieser Stellung entscheiden wann und wie weit er in ihn eindringen durfte. Im Grunde eine rücksichtsvolle Geste, doch blieb der Schatten, über den er noch springen musste. Er betrachtete die Mimik des Halbrussen, erkannte Verlangen, Anspannung, aber auch ungeduldiges Verständnis. Dabei streifte sein Blick dessen Intimbereich, was ihn eine Augenbraue anheben ließ: „Wann hast du es geschafft das Kondom überzustreifen?“ Ein schelmisches Grinsen zierte die verlockenden Lippen: „Betriebsgeheimnis.“ „Huh.“ Der Ausdruck der roten Augen veränderte sich erneut, wurde sehnsüchtig: „Schlaf mit mir.“ Heißkalte Schauer liefen bei diesen Worten Yuriys Rücken hinab. Unvermittelt beugte er sich runter, verwickelte Kai in einen verlangenden Kuss. Er wollte es ja auch. Sowie sich ihre Lippen voneinander trennten, verbannte er alle störenden Gedanken und ließ sich langsam herabsinken, wobei der andere ihn mit seinen Händen an der Hüfte stützte. Er stöhnte unterdrückt auf, als er die Penisspitze eindringen spürte, hielt kurz inne, bevor er sich weiter sinken ließ. Das Geräusch, als Kai lustvoll aufstöhnte berauschte seine Sinne, verstärkte das Verlangen mehr davon hören zu wollen. Als er schließlich schwer atmend auf seinem Schoß saß, Kai in sich spüren konnte, durchlief ein Schauer seinen Körper. Furcht und Überwältigung, ob diesen Eindrucks, überkamen ihn. Doch der Graublauhaarige ließ ihn sich nicht in diesen Gefühlen verlieren. Stattdessen setzte er sich auf und bedeutete Yuriy wieder etwas aufzustehen, indem er ihn an der Hüfte hielt, dann nach hinten drückte, sodass er nun doch wieder klassisch auf dem Rücken lag, Kai über ihm. Man konnte ihm nicht unterstellen sich keine Mühe zu geben, als er vorsichtig in ihn eindrang, seine Bedürfnisse dabei unterdrückend. Als er sich dann langsam anfing in ihm zu bewegen, konnte der Rothaarige nicht umhin auch dieses Gefühl irgendwie zu genießen, mehr davon zu wollen, sodass er die rhythmische Bewegung erwiderte, welche allmählich an Geschwindigkeit und Intensität zunahm. Es war Yuriy ein Rätsel, aber zu einer Zeit schaffte Kai es bei jedem gottverdammten Stoß ganz nebenbei seine Prostata zu stimulieren und gleichzeitig mit einer Hand seine Erregung zu pumpen, kurz: ihn unwiederbringlich in eine solche Ekstase zu versetzen, dass er dabei ganz vergas, dass er eigentlich nicht rückhaltlos Stöhnen wollte. Sein Körper schien zu brennen, als sich die Erregung so immens steigerte, dass er sicher war zu verbrennen, wenn das nicht bald aufhörte. Es hörte nicht auf. Ein heiserer Schrei verließ seine Kehle, als er endlich seinen Höhepunkt erreichte, so heftig, wie er noch nie einen Orgasmus erlebt hatte. Nun verstand er endlich, was damit gemeint war, wenn in Büchern stand, dass derjenige Sternchen gesehen hatte, als er kam. Yuriy war sich sicher den Verstand in diesem überwältigenden Gefühl zu verlieren. Er war so in diesem Rausch gefangen, dass er kaum bemerkte, wie Kai ein paar Stöße später ebenfalls laut stöhnend seinen Höhepunkt erreichte. Schwer atmend ließ sich Kai auf Yuriy nieder, nachdem er aus ihm gelitten war, das Kondom in die leere Verpackung gepfeffert hatte – er hatte zuvor in seiner Eile alle Kondome ausgeschüttet. Die Nachwirkungen des Orgasmus durchflutete immer noch seine Glieder, während er dem schnellen Herzschlag des Rothaarigen lauschte, unfähig auch nur noch einen Muskel zu rühren. Erst als Yuriy auch Minuten später keine Regung zeigte, außer den sich beruhigenden Puls, nahm sich der Halbrusse zusammen und stemmte sich hoch, sodass seine Ellenbogen zu den Seiten des anderen aufgestützt waren und er ihn ansehen konnte. Die blauen Augen fokussierten ihn erst nach einigen Sekunden, was Kai stutzen ließ, als er jedoch den Ausdruck in den Eiskristallen erkannte, begriff er. Zärtlich strich er ihm durch das rote Haar, ehe seine Finger beruhigend über seine Wange fuhren. Kai empfand so viel für Yuriy, konnte es ihm jedoch nicht sagen. Er ahnte nicht, dass seine Augen das für ihn übernahmen. „Jetzt verstehe ich, warum du danach eine Panikattacke hattest“, hauchte Yuriy schließlich, wobei spürbar ein Schauder durch seinen Körper fuhr. Dieses überwältigende Gefühl, das er empfunden hatte und diese Wehrlosigkeit, als er sich hingegeben hatte. Es war beängstigend einem anderen Menschen so vertrauen zu sollen, dass der so etwas mit einem machte. Nein, er wunderte sich nicht mehr darüber, dass der Graublauhaarige damals so schlimm gezittert hatte. Er hatte da nicht begriffen, was Kai wohl mit sich gerungen haben musste, um sich ihm hinzugeben - zumindest nicht so genau. Und das auch noch bevor er wusste, dass Yuriy etwas für ihn empfand. Nein, es wunderte ihn wirklich nicht mehr, vielmehr verspürte er nun Entzückung darüber, dass Kai das getan hatte. Er hätte es wohl nicht geschafft ihm so zu vertrauen - es fiel ihm ja jetzt noch nicht einmal gerade leicht, verglichen mit dem Verhalten des Graublauhaarigen bei ihrem zweiten Mal. Ein mildes Lächeln umspielte Kais Lippen, als er sich herunter beugte: „Nur du und ich.“ Yuriys Herz tat einen Satz, als sich auf diese Worte hin ihre Lippen trafen, in einem tiefen, gefühlvollen Kuss miteinander verschmolzen. Sie würden es tatsächlich versuchen. Und sie konnten einander wirklich vertrauen. _______________________________________________________________________________________________________________________ Bevor ich mich hier wieder selber kritisiere, überlasse ich das einfach euch. Los, kritisiert mich! Ich will mich wirklich stetig verbessern. Was die Rollenverteilung angeht: Bei meinen FFs gibt es keine feste Zuordnung zu Seme und Uke. So etwas gibt es in der Realität auch kaum, schon gar nicht in Beziehungen. Abgesehen davon, hoffe ich, dass euch das Kapitel gefällt^^. Es wäre schön, wenn jeder, der die FF liest, auch hin und wieder seine Meinung dalassen würde. Davon lerne ich, es motiviert mich und macht mir schlicht Freude, vor allem, wenn ich weiterschreiben soll;) Also über Kommentare würde ich mich, wie immer, sehr freuen! Bye Minerva Kapitel 11: Alles klar, oder? ----------------------------- KAPITEL 11: ALLES KLAR, ODER? So, das ist jetzt das letzte Kapitel und puh, ich bin nur noch fertig geworden, weil wir den Urlaub um zwei Tage nach hinten verschoben haben. Es könnte daher sein, dass es leicht gehetzt rüberkommt und das tut mir leid. Aber es sollte halt unbedingt fertig werden, bevor ich zwei Monate abhaue^^°. Ich bedanke mich recht herzlich bei allen, die sich die Mühe gemacht haben diese FF zu kommentieren und dass ihr alle so lange durchgehalten habt*alle umflausch* Vielen, vielen Dank! Ihr seid die besten^^! *mit Blumen um sich wirft* Enjoy reading! Es war still. Aber nicht irgendeine Stille. Es war eine Art von Stille, die man hören konnte. Ein stetiges Rauschen, leise, wie das betäubende Brummen von Bienen an einem Rosenstrauch. Und eine Stille, die man körperlich spüren konnte, so schwer wog sie. Kraftvoll schlug Boris seine Kaffeetasse auf den Tisch, sodass ein wenig von dem dunklen Gebräu überschwappte. „Mir reicht’s jetzt! Könnt ihr nicht normal sein?“ Seine Mitbewohner sahen ihn an, teils grimmig, teils missmutig. „Wie sollen wir uns denn verhalten? Das ist alles so... na ja... seltsam,“ begann Ivan ratlos. „Gar nichts ist seltsam. Zumindest nicht für uns.“ Der Lilahaarige hatte absolut keine Lust auf solche Gespräche. Warum konnte es ihnen nicht genauso egal sein wie ihm? Wenigstens schien Sergej kein Bedürfnis zu haben darüber zu reden, auch wenn es ihm nicht ganz so am Arsch vorbei zu gehen schien. „Es ist seltsam, aber es geht uns nichts an,“ bestätigte der Blonde Boris’ Vermutung. Seufzend setzte sich der Psychologiestudent zu den anderen an den Tisch: „Wir sollten sie einfach ignorieren. Es gibt eh nichts zu sagen.“ Zweifelnd betrachtete Ivan ihn. Er konnte das einfach nicht. Viel zu neugierig war er, wie es dazu gekommen war, dass ihre Mitbewohner zusammen im Bett landeten. Eine Wette? Ein Test? Mehr??? Diese Frage brannte auf seiner Zunge und auch wenn Sergej teilnahmslos dreinschaute, so wusste er, dass dieser ebenfalls wissen wollte, was da im Busch war. Boris war der einzige, der sich nicht dafür zu interessieren schien. Ein Hinweis für Ivan, dass dieser bereits etwas wissen musste. Hatte er gar etwas mit der Sache zu tun? Das erste, was er spürte, war ein Gewicht um seiner Taille. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe sich sein Verstand aus den verträumten Tiefen des Schlafes löste und er langsam seiner Umwelt gewahr wurde. Sein olfaktorischer und sensorischer Sinn erwachte zum Leben und er realisierte, dass Yuriy ihn von hinten umarmte noch bevor er seine Augen öffnete. Diese Erkenntnis ließ sein Herz ein paar Takte schneller schlagen, während sich sein ganzer Körper unwillkürlich anspannte. Er blieb dennoch bewegungslos liegen, ermahnte sich zur Ruhe, als er die Augen wieder schloss und sich auf den anderen konzentrierte. Kai konnte die gleichmäßigen, tiefen Atemzüge hören und in seinem Nacken spüren, was ihm eine Gänsehaut bescherte. Der Rothaarige schlief noch. Sein Griff um die Taille des Halbrussen war trotzdem eisern, wenn auch nicht unbequem. Kai konnte sich nicht erinnern so eingeschlafen oder auch nur je im Entferntesten so aufgewacht zu sein – und obwohl er es für gewöhnlich im Allgemeinen hasste in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu werden, störte ihn das jetzt nicht. Was ihn störte, war die Tatsache, dass es Morgen war. Hell. Real. So verdammt real. Er hatte Angst davor, was passieren würde, sobald Yuriy aufwachte, was danach geschehen würde. Die Dunkelheit gab ihm seit jeher einen gewissen Schutz, wenigstens bildete er sich das ein. Plötzlich hörte er den anderen tief einatmen. Ein kaum hörbares Seufzen verließ die Lippen, als er langsam wach zu werden schien, sich leicht bewegte, dabei weiterhin den Graublauhaarigen festhaltend. Kais Finger krallten sich in Decke und Laken, je nachdem, was sie zu fassen bekamen, während er sich dessen bewusst, versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er bereits wach war. Das erste Anzeichen, dass Yuriy wieder bei Bewusstsein war, äußerte sich darin, dass er die Umarmung lockerte, er löste sie jedoch nicht. Dann spürte Kai, wie sich die Nase des anderen in seinen Haaren vergrub und bekam prompt erneut eine Gänsehaut. „Bist du wach?“, hauchte es kaum hörbar gegen seine Ohrmuschel. Jetzt löste er die Umarmung, doch nur, um mit vorwitzigen Fingern seinen Bauch hinauf zu streicheln. Hitze stieg in Kai auf, er wusste allerdings nicht, ob vor Erregung oder Nervosität. Als Yuriy ihm schließlich federleichte Küsse in den Nacken hauchte, stockte ihm vollends der Atem. „Ich weiß, dass du wach bist.“ Kai hörte ganz deutlich den amüsierten Unterton heraus und musste sich stark zusammenreißen, dass die vielen sarkastischen Kommentare, welche auf seiner Zunge brannten, nicht über seine Lippen entkamen. Verhindern, dass zumindest ein schlecht gelauntes Wort über seine Lippen kam, konnte er letztlich nicht: „Und?“ Der Graublauhaarige meinte das Grinsen in seinem Genick regelrecht spüren zu können, als sich die linke Hand von Yuriy ihren Weg zu seiner Brust suchte: „Und wenn dein Herz nicht so rasen würde, würde ich denken, du gibst mir gerade einen Korb.“ Kai wurde augenblicklich stocksteif, was dem Rothaarigen keineswegs verborgen blieb. Allerdings verursachte diese Reaktion lediglich ein Lächeln auf den zarten Lippen, ehe er ungemein verführerisch flüsterte: „Meines schlägt genauso schnell.“ Es war erstaunlich, was solche Worte mit Kai machen konnten – auch für ihn selbst, als er sich plötzlich umdrehte und Yuriy so verlangend küsste, dass diesem buchstäblich die Luft wegblieb. Leidenschaftlich verschmolzen ihre Lippen zu einem stürmischen Kuss, während sie den jeweils anderen eng an sich zogen. Doch bevor sie sich völlig im erneuten Rausch verlieren konnten, lösten sich ihre Lippen voneinander. Schwer atmend lehnten sie ihre Stirn aneinander, eine unbewusste Gewohnheit von früher. Erst jetzt trafen sich ihre Blicke. Undefinierbar. Abwägend. Sehnsüchtig. „Ich...“, begann Yuriy zögerlich, doch seine Stimmbänder spielten nicht mit. Kai sah in diese eisblauen Augen und konnte dabei nicht umhin zu akzeptieren, was sein Verstand so lange schon versuchte zu verleugnen, runterzuspielen. „Dann sind wir jetzt zusammen?“ Seine Stimme triefte vor amüsierter Ironie, aber der Rothaarige verstand es richtig. Ein Lächeln umspielte seinen Mund, als er meinte: „Ja, es sei denn dir fällt eine vernünftige Therapie für uns ein.“ „Wir sind unheilbar krank.“ Die Tatsache, dass Yuriy daraufhin wohlwollend schmunzelte, gab ihm den Mut die gestrige Nacht und alles was sie gesagt hatten ernst zu nehmen. Aus irgendeinem Grund wollten sie dasselbe voneinander. Wie konnte das nur passieren? „Scheiße! Wie spät ist es eigentlich?“, riss ihn der Rothaarige plötzlich aus den Gedanken und setzte sich auf: „Kurz vor zehn schon. Mist. Ich muss spätestens um zwölf in der Uni sein.“ „Welcher Tag ist heute?“ Der Graublauhaarige hatte durch seine Zeit in Tokio und den langen Flug völlig das Zeitgefühl verloren. „Donnerstag“, meinte Yuriy, bevor er gespielt empört auf die rechte Betthälfte deutete: „Was hast du denn da gemacht?! Das sieht ja wild aus.“ Mit erhobener Augenbraue drehte sich Kai um und erklärte unverblümt, als er sah, was der andere meinte: „Ich hatte es eilig.“ Die blauen Augen sahen ihn tadelnd an, immer noch den Finger gegen die Kondome erhoben, die über Bett und Boden verteilt lagen. Kai hatte die Packung in der Nacht zuvor verschüttet gehabt. Seufzend raffte sich der Rothaarige auf, raus aus dem warmen Bett und weg von dem verführerischen Körper des Graublauhaarigen. Nachher brachte er es noch fertig den ganzen Tag mit ihm im Bett zu verbringen. Aber das wäre nicht gut gewesen. Er musste in Zivilrecht, außerdem würde ein wenig Abstand zum Nachdenken nicht schaden können. „Was machst du heute?“, fragte er, während er sich anzog. „Schlafen. Essen. Trinken. Schlafen.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete er den Halbrussen, der seitlich im Bett lag, sich auf dem Ellenbogen abstützend. Die Decke reichte ihm knapp über die Hüfte, sodass man die muskulöse Brust sehen konnte und als wäre das nicht schon genug, musterten ihn die rubinroten Augen unnahbar, herausfordernd. Er war so stolz und unerreichbar, wirklich einem Phönix gleich. Und Himmel, warum machte ihn dieser Anblick so benommen? Er kam sich vor, wie ein starrender Idiot. Er sah Kai doch nicht zum ersten Mal! Wie konnte sich die Art, wie er ihn sah, so schnell so immens verändern? Es war faszinierend. Im Unterbewusstsein war ihm klar, dass er den Graublauhaarigen immer irgendwie vergöttert hatte und dass es jetzt nur für ihn offensichtlich wurde inwieweit das ging. Doch er war noch nicht soweit diese Gedanken zuzulassen. Vorerst wollte er sich auf das nächstliegende konzentrieren. „Sagen wir den anderen etwas?“, fiel dem Rothaarigen ein. Kai ließ sich wieder in die Kissen sinken: „Wie es sich ergibt.“ Ein schelmisches Funkeln ergriff die Rubine, was Yuriy grinsen ließ: „Das klingt doch nach einem Plan.“ Er wandte sich noch einmal um, ehe er ging: „Bis heute Abend dann.“ Dem Rothaarigen entging das verunsicherte Aufblitzen in Kais Augen nicht, als er beiläufig sagte: „Viel Spaß.“ Und komm wieder. Yuriy nickte, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Das werde ich. Als der Rothaarige eine halbe Stunde später gebürstet und gestriegelt in die Küche trat, war es beinahe unmöglich die pseudo-desinteressierten Blicke seiner Mitbewohner zu übersehen. Aber er wäre nicht Yuriy Iwanov, der Teamleader der Blitzkriegboys, wenn er auch nur in irgendeiner Form anders reagiert hätte, als gewöhnlich. Kurz: Er ignorierte sie und machte sich seelenruhig einen Kaffee, den er anschließend in eine Thermoskanne abfüllte. Er hatte keine Zeit mehr und musste sich auf den Weg machen. „Spät dran heute“, bemerkte Boris schließlich mit einem vielsagenden Unterton, der die anderen Beiden Yuriy mit stechenden Augen anstarren ließ. Der zuckte nur nonchalant mit den Schultern: „Hättest du das Fahrrad nicht Vershit gehen lassen, müsste ich mich heute nicht beeilen.“ Damit verließ er auch schon wieder die Küche. Sergej und Ivan sahen zu Boris, der das mit einem Fauchen zur Kenntnis nahm: „Was?“ Während der Vorlesung gelang es dem Rothaarigen dann den Kaffee in sich hineinzuschütten, ohne dass jemand groß Notiz davon nahm. Trinken durfte man eigentlich bei der Romanov, auch, wenn er es für gewöhnlich unterließ. Die Professorin verstand es die Vorlesungen anschaulich und interessant zu gestalten. Sie schaffte es die Trockenheit aus der Materie zu kitzeln und ihnen Passion für die Juristerei einzuflößen. Anspruchsvoll und unnachgiebig blieb die Professorin trotzdem. Diesmal blieb Yuriy aber lieber im Hintergrund, hingelümmelt und schwer sichtbar hinter zwei hochgewachsenen Kommilitonen. Sein Kopf war überladen von den Gedanken um Kai und daher wenig aufnahmefähig für das Gerede der Juristin unten am Rednerpult. Doch auch 90 Minuten brachten ihn nicht weiter oder zu einem anderen Ergebnis. Er bereute es nicht. Er erschauderte jedes Mal bei der Erinnerung an Kais Berührungen, spürte seine Lippen über seine Haut geistern... So schlimm war es ihm noch nie ergangen. Und es machte ihn süchtig. Er wollte mehr davon. Und das überraschende war für ihn dabei, dass er genau wusste, dass seine Sehnsucht nicht nur körperlicher Natur war. Zwar wusste er noch nicht, wie er mit dieser seltsamen, neuen Situation umgehen sollte, aber er verspürte eine ungewöhnliche Ruhe und Selbstsicherheit in Anbetracht dieser ganzen Unsicherheiten. Im Grunde wünschte er sich in diese Beziehung und dass sie irgendwie funktionierte. Komisch, oder? Er schreckte regelrecht auf, als plötzlich alle aufstanden und anfingen sich zu unterhalten. Die Vorlesung war vorbei und außer einen Liter Kaffee und vor sich hinzubrüten, hatte er nichts getan. Er wusste noch nicht einmal, um was es gegangen war. Peinlich. Aber nicht tragisch. Die Romanov würde ihn kaum ausfragen. „Iwanov, zu mir!“ Fortuna schien ihm nicht hold zu sein. Mechanisch drehte er sich auf dem Absatz um und stieg die Treppen nach unten, immer noch die Thermoskanne in der Hand haltend. Er hatte sich Wasser einfüllen wollen. Die sturmgrauen Augen der Professorin musterten ihn eingehend, kritisch, wie immer. Andere mochten sich von diesem Blick einschüchtern oder auch nur tangieren lassen. So nicht Yuriy, der von klein auf daran gewöhnt war so angesehen zu werden. „Was kann ich für Sie tun?“ Höflich, aber keineswegs erwartungsvoll, anbiedernd. Nun sah sie ihm in die Augen, setzte sich halb seitlich auf den Tisch neben dem Rednerpult: „Meine Kollegen sind der Meinung – und ich eigentlich auch, dass es für einen Stipendiaten angebracht wäre am Lehrstuhl zu arbeiten.“ Der Rothaarige zog eine Augenbraue hoch, als er ehrlich meinte: „Ich würde es tun, wenn ich es könnte.“ „Für die Übungen müssten Sie zwei Stunden in der Woche plus Vor- und Nachbereitung aufbringen. Es wird selbstverständlich erwartet, dass Sie auch den Professoren unter die Arme greifen und bei wissenschaftlichen Artikeln und Aufsätzen mitwirken. Für Sie bestimmt ein Zeitaufwand von sechs bis acht Stunden pro Woche.“ Er hörte, wie die letzten Studenten den Vorlesungssaal verließen: „Es gibt einen Grund, warum ich gut im Studium bin.“ „Diese wenigen Stunden kannst du leicht aufbringen. Du bist nicht sonderlich fleißig und lernst jeden Tag. Das kann ich von dir verlangen.“ Sie sah ihn verständnislos an. Schließlich würde er auch Geld dafür bekommen und sie wusste, dass er sonst nicht nebenher arbeitete, nur in den Ferien. Das brachte Svetlana zu etwas anderem: „Du trainierst doch junge Blader während der Ferien. Es sollte dir nicht schwer fallen, Erst- und Zweitsemester zu unterrichten und sie zum Erfolg zu führen.“ Yuriy seufzte innerlich auf. Natürlich dürften seine Quietschies nicht in den Prüfungen durchfallen. Das kam noch hinzu. Diese Sache passte ihm gar nicht. „Ich bin kein guter Lehrer. Beim Sport ist es etwas anderes. Da bin ich streng und gemein und kann sie alle quälen.“ „Ich tue nichts anderes.“ Ein herausforderndes Grinsen schlich um die Lippen der Professorin. „Ich meine es ernst.“ „Ich auch. Du kommst nicht drum herum und ich denke, wenn du ein Beyblade-Team mit lauter komplizierten Charakteren führen kannst, wirst du aus ein paar ahnungslosen und verschreckten Idioten gewiss besserwisserische Streber machen können.“ „Wer will schon Besserwisser.“ „Du bist selber einer.“ Yuriy schnaubte. Nein, er kam nicht drum herum. Und obwohl er keine Lust dazu hatte, amüsierte ihn diese Situation. „Nächstes Semester.“ Svetlana hielt ihm mit triumphierendem Funkeln in den Augen die Hand hin: „Nächstes Semester.“ Er nahm die Hand an. Abgemacht. „Geht es dir gut?“, fragte sie, als sie ihre Hand zurückzog. „Ja, warum?“ Svetlana Romanov neigte nicht dazu so etwas zu fragen. Sie sah ihn bedeutungsvoll an: „Hm. Nur so.“ Er hob eine Augenbraue an, aber sie wechselte das Thema: „Bleibst du in der WG, wenn du das Geld vom Stipendium hast?“ „Professorin Romanov! Sie stellen aber ganz schön private Fragen“, feixte der Rothaarige prompt. Sie zuckte nonchalant mit den Schultern: „Du brauchst deinen Affären ja nicht so viel zu erzählen.“ Nun verschränkte Yuriy die Arme vor der Brust: „Die meisten Frauen kennen meinen Namen lediglich aus dem Fernsehen. Und bis auf die Tatsache, dass ich mit meinem Team lebe und vor kurzem Besuch hatte, weißt du auch nichts.“ „Ich weiß, dass Hiwatari euch unterhält.“ Diebische Freude blitzte durch ihre sturmgrauen Augen. Der Rothaarige sah sie kurz sprachlos an, bevor er einschnappte: „Was unterhaltet ihr euch eigentlich über mich?“ Ein heiteres Lachen erfüllte den Raum: „Ich finde, dass er ein sehr interessanter Mann ist. Genau wie du, nur unentschlossener.“ „Aha. Deswegen redest du mit einem Fremden und rätst ihm zur Medizin?“ Seine Stimme klang zwar weiterhin höflich, aber natürlich entging der Romanov sein Unterton nicht – abgesehen von seinen Worten. „Zufall. Meinst du nicht, dass es eine gute Wahl für ihn ist?“ Yuriy blickte in ihre grauen Augen, starrte ob ihrer Worte dann jedoch ins Leere. War es eine gute Wahl für Kai? Jetzt im Ernst, war es etwas, dass ihm zur Berufung werden könnte? Kai war gründlich, diszipliniert, ehrgeizig, intelligent. Einfühlsam und verständnisvoll? Ein Bild von letzter Nacht blitzte vor seinem inneren Auge auf. Unnachgiebige Finger, die ihn auf einen heißen Schoß zogen. Ein Schaudern durchlief seinen Körper. „Vielleicht“, meinte er schließlich nachdenklich. „Dir gefällt es in der WG, oder?“ Svetlanas Stimme ließ ihn wieder aufblicken. „Ja“, gab er ehrlich zu, „Aber ich werde das Geld schon sinnvoll zu Nutzen wissen.“ Er würde mit Kai vereinbaren müssen, dass er wenigstens seinen Mietanteil bezahlte und nachzahlte, was der Phönix bereits für ihn ausgegeben hatte. Das wäre nur anständig und gerecht. Andernorts hatte sich der Geldbaum der WG gegen Mittag aus dem Bett geschält und unter die Dusche geworfen. Glücklicherweise war kein Schwein zu Hause und so konnte er sich friedlich und ungestört dem Vakuum in seinem Hirn widmen. Leider fand er keinen klaren Gedanken, der ihn über seinen bisherigen Kenntnisstand hinaushob. Daher beschloss er sich auf die Couch zu schmeißen und DVDs zu schauen. Nachdem Colin Farrell Persien erobert hatte, Will Smith und Tommy Lee Jones Kammerjäger gespielt hatten und Pandora gerettet worden war, schlief er schließlich bei laufendem Fernseher ein. Just als die Dauerberieslung der meist unsinnigen, täglichen Sendungen verstummte, wachte er langsam wieder auf. Verschlafen blinzelte er die Müdigkeit fort, während sein Verstand allmählich aus den Tiefen seines Bewusstseins emporstieg. „Während ich mich in der Uni abplage und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen über mich ergehen lassen muss, verpennst du den ganzen Tag.“ Kai zuckte unmerklich zusammen, als er die Stimmer hörte. Er hatte Yuriy überhaupt nicht bemerkt gehabt. Und schon gar nicht, dass dieser am anderen Ende der Couch saß, die Beine angewinkelt und sich gegen die Armlehne lehnend. „Nur kein Neid“, gähnte der Graublauhaarige bewusst ausgiebig und streckte sich genüsslich, ehe er sich ebenfalls gegen seine Armlehne lehnte und die Beine anzog. „Ich muss ab nächstem Semester als wissenschaftlicher Mitarbeiter sechs oder mehr Stunden Lebenszeit verschwenden.“ Die blauen Augen sahen ihn leicht schmollend an. Man mochte es nicht glauben, aber Yuriy neigte dazu zu schmollen, wie ein empörtes Kind. Es war jedoch lange her, dass der Graublauhaarige das gesehen hatte. „Das wird dir gar nicht schaden. Du bist faul. Ihr alle seid faul.“ Rote Augenbrauen zogen sich hoch: „Sagt der, der den Tag verschläft.“ „Ich arbeite in den Semesterferien mehr als du oder die anderen. Ihr spielt nur Malträtierer für die BBA. Außerdem muss ich meine Kräfte für das bevorstehende Medizinstudium sammeln“, fügte er amüsiert hinzu. „Haha. Sehr lustig. Mein Studiengang ist ja auch für Waschweiber.“ Darauf erwiderte Kai nichts mehr, aber in seinen Augen spiegelten sich allerlei sarkastische Kommentare diesbezüglich. Auch Yuriy blieb stumm, musterte lediglich diese fantastisch roten Augen, die ihn so unbändig faszinierten. Seelenspiegel. Er fand das Wort kitschig, aber es bezeichnete am besten, was er in ihnen sah: Kais Seele. Sie war es, die ihn faszinierte, obgleich der Halbrusse viele Fehler hatte und gemacht hatte. Die hatte er auch. Wahrscheinlich konnte man solche Gefühle nicht genau benennen, sie greifen. Wahrscheinlich waren sie zu neu und verwirrend, um das jetzt schon zu können. Bei Boris, Sergej und Ivan konnte er genau sagen, warum sie sich aushielten, befreundet waren. Das brachte ihn zu etwas anderem: „Ich dachte, du magst mich nicht mehr.“ Die roten Augen flackerten kurz auf: „Ich mochte dich immer.“ „Du hast dich nicht um mich bemüht, nachdem du aus der Abtei weggeholt wurdest.“ Er hatte sich immer den Kopf darüber zerbrochen, wie Kai ihn so plötzlich hatte fallen lassen können. Sie waren doch so etwas wie Brüder gewesen. „Du hast mich ignoriert, als ich wieder bei Biovolt war.“ Und er hatte sich nicht getraut auf ihn zuzugehen. „Ich hatte Angst erneut verletzt zu werden. Und ich hatte recht damit. Du bist wieder gegangen.“ Verletzt hatte es ihn trotzdem. „Es war meine Chance darauf etwas richtig zu machen. Voltaire hätte sonst alles nur schlimmer gemacht.“ Er hätte Yuriy und den anderen gerne ermöglicht mit ihm zu kommen. Aber es war schlicht unmöglich gewesen. Die eisblauen Augen sahen ihn ohne Vorwurf an: „Das verstehe ich jetzt. Trotzdem hättest du früher auf uns – auf mich – zurückkommen können. Aber du bist erst gekommen, um Takao zu besiegen.“ „Ich dachte, du hasst mich.“ „Warum hast du dann überhaupt vor der WM angerufen?“ Im selben Moment, in dem die Frage seine Lippen verließ, begriff er. Kai hatte einen Vorwand gebraucht. Und ein verlockendes Angebot für ihn: sich selbst. Ein starker Blader, stärker als Boris und Sergej, eine hervorragende Perspektive auf den Titel und ein angesehenes Aushängeschild, dass das angeschlagene Prestige des Teams aufwertete. „Es war eine fürchterliche Zeit.“ Sie hatten ja gar nicht miteinander gesprochen, außer es ging um den Sport. Sie hatten sich belauert wie Raubtiere und sich einen abgebrochen, um kollegial zu sein. Yuriy nickte: „Ja, das war sie. Zwar ist es besser geworden, als wir in die WG gezogen sind, aber wir haben nie darüber sprechen können.“ Sie hatten nur in Form von Hänseleien miteinander umgehen können - nur selten hatten sie miteinander normal geredet. Das war nach ihrem eisernen Schweigen zuvor, ja schon ein großer Fortschritt gewesen. Aber sie konnten noch so viel mehr voneinander profitieren. Sie waren sich in einigem ähnlich und konnten sich allein schon geistig gegenseitig fordern und fördern. Das war schon als Kinder toll gewesen. Die rubinroten Augen sahen ihn bereuend an: „Es tut mir leid.“ Drei Worte. Drei Worte, die er schon Jahre zuvor hätte aussprechen müssen. Ein leichtes Lächeln zauberte sich in das ernste Antlitz. Beide hatten sie sich ungünstig verhalten, sich verletzt, waren sich selbst im Weg gestanden. Und nun schafften sie es endlich sich zu vergeben. Erst jetzt. Obwohl sie schon so lange – meist einträchtig – unter demselben Dach wohnten, Kai für sie zahlte. Der Rothaarige hatte es als Wiedergutmachung angenommen, so wie die anderen auch. Doch nun war es genug, zumindest für ihn. Er wollte Kai jetzt nur noch für sich haben, ohne Altlasten. Irgendwie war aus ihrer doch irgendwie tief verankerten Freundschaft – Boris hatte anscheinend wirklich recht gehabt - mehr geworden. Und gegen alle Logik wollte Yuriy es auch nicht mehr anders. Da war ein Gefühl, das ihm sagte, dass er nur auf diese Art und Weise mit Kai zukünftig agieren können würde; als wäre es genau das Richtige, auf das es immer hatte hinauslaufen müssen. Absolut widersinnig. Doch das änderte nichts an dem, was er sich nun ersehnte. Ein Klingeln riss beide aus ihren Gedanken und ehe sich Yuriy versah, stand Kai schon und wollte aufsperren gehen. „Lass es doch läuten. Die anderen haben einen Schlüssel.“ Es klingelte weiter. „Vielleicht war einer so gescheit sich auszusperren.“ Das war bisher zwar nur einmal im Vollrausch passiert, aber wer wusste schon, wo wem der Kopf stand. Er wollte bereits weitergehen, als Yuriy ihn unerwartet am Handgelenk packte und aufstand. „Was denn?“ Der gereizte Tonfall tat Kai leid, sowie er in die eisblauen Augen blickte, die ihn undeutbar, jedoch warm ansahen. „Nur so“, sagte er daraufhin und legte seine Hand in Kais Nacken, um ihn sanft und nachdrücklich an seine Lippen zu ziehen. Der Graublauhaarige war so überrumpelt, dass er es mit sich geschehen ließ. Als sich ihre Lippen sanft berührten, war es Kai, als würde alles in ihm erschaudern. Sein Herz pochte wild in seiner Brust und raubte ihm den Atem. Obwohl es nicht einmal ein Zungenkuss war, fühlte er wie seine Knie weich wurden und umfasste haltsuchend Yuriys Genick. Diesem erging es nicht anders. Die zärtliche Geste, derer er nicht widerstehen konnte, bedeutete viel. Sie küssten sich zum ersten Mal bei Tageslicht, außerhalb eines Bettes und ganz eindeutig vollkommen bei Verstand, einfach so – und es war einzigartig. Sie liebkosten die weichen Lippen des anderen und am liebsten hätte er nie aufgehört, hätte gern mehr von Kai gespürt, doch ihm fehlte es schlicht an der Kraft dazu. Er fühlte sich ganz zittrig von diesen Eindrücken und er glaubte, dass es dem Graublauhaarigen ähnlich erging. Sie lösten sich zaghaft voneinander, blieben sich jedoch sehr nah, sahen einander in die verschleierten Augen. Ein schelmisches Grinsen stahl sich alsbald in Yuriys Gesicht und er legte seine Arme um Kai, ehe er fragte: „Auf welche Weise schocken wir die anderen am Geschicktesten?“ Der Halbrusse erwiderte das Grinsen umgehend: „Ich denke, wir stellen sie vor vollendete Tatsachen.“ Ein unseliges Dauerklingeln erinnerte Kai wieder daran, warum er aufgestanden war. Er löste sich aus Yuriys Umarmung und ging in den Flur, wobei der Rothaarige ein kleines, zufriedenes Lächeln auf jenen Lippen erhaschen konnte. Als Kai die Appartementtür öffnete, stutzte er erst einmal. „Hallo! Du musst Kai sein. Ich bin Katharina, Sergejs Freundin. Er wollte, dass wir uns um sieben hier treffen.“ Und jetzt war es bereits zehn nach. „Hallo. Sergej ist nicht da, aber wenn ihr gesagt habt, ihr trefft euch jetzt, dann wird er sicherlich jeden Augenblick kommen.“ Der Blonde war normalerweise immer pünktlich. Sie gaben sich förmlich die Hand, bevor er der hübschen Frau bedeutete doch hereinzukommen. „Du weißt, wo alles ist?“ Er betrachtete die Braunhaarige mit gewisser Neugier. Er hatte sie noch nie gesehen. Sie lächelte ihn freundlich an: „Ja, danke. Ich werde in Sergejs Zimmer warten.“ Kai nickte nur und ging dann zurück ins Wohnzimmer. Dort fand er den Rothaarigen ausgestreckt auf der Couch vor, im Fernseher die Bilder des Filmes „Sweeney Todd“. „Hey! Mach dich hier nicht so breit.“ Mit verschränkten Armen stand der Graublauhaarige vor ihm. „Ich bin in der Uni den ganzen Tag zusammengestaucht da gesessen“, verteidigte er sich sogleich. Statt zu antworten, folgte Kai einfach einem Impuls und quetschte sich stur mit auf die Couch. Und obwohl es eigentlich geplant war, den Älteren damit zu nerven, fand er sich prompt von hinten umarmt vor und rutschte somit nicht wieder von dem etwas zu schmalen Möbelstück runter. „Das ist absolut idiotisch.“ Sie lagen wie die Sardinen in der Büchse. „Du bist stur, ich bin stur – also was soll’s. Wer war eigentlich an der Tür?“ „Katharina.“ „Ach so. Die wohnt hier schon fast“, meinte Yuriy und legte sein Kinn auf Kais Schulter ab. „Süß“, lächelte der Halbrusse mit ein wenig ungläubig verzogenen Lippen. Der Rothaarige schmunzelte: „Ja, schon irgendwie.“ Als Boris am Abend nach Hause kam, fand er Ivan und Sergej in der Küche vor, in ihre Teetassen starrend. „Wartet ihr auf die Erleuchtung?“ „Aufs Essen“, brummte der Blonde. „Und das kommt woher geflogen?“, fragte Boris mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ivan war diplomatischer: „Kai ist einkaufen gegangen, weil der Kühlschrank leer ist. Eigentlich hättest du das machen müssen.“ „Oh.“ Das hatte er völlig vergessen, „Und wo ist Yuriy?“ „Er lernt anscheinend. Zumindest hat er mich blöd angemacht, als ich geklopft habe, um zu sehen, ob er da ist.“ Ihr Teamleader war leicht reizbar, wenn man ihn bei irgendetwas störte und warf schnell Beschimpfungen um sich. „Hm.“ Der Blasslilahaarige nahm sich auch Tee und setzte sich ebenfalls an den Tisch. Nach ein paar Minuten des Nichtstuns war etwas an der Eingangstüre zu hören. Das schwerfällige Geräusch von Tüten, die über den Boden geschleift wurden. Kai schien wieder da zu sein. Ein erleichtertes Aufatmen ging durch ihre kleine Runde. Sie waren am Verhungern. Dennoch blieben sie sitzen. Der Gedanke, dem Halbrussen vielleicht helfen zu können, schlich sich gar nicht erst in ihre Köpfe. Dann hörten sie plötzliche eine alt bekannte Stimme vorlaut wie immer: „Na, da bist du ja endlich wieder! Ich dachte, ich falle jeden Augenblick vor Hunger tot vom Stuhl. Was hat denn bitte so lange gedauert? Musstest du dich mit den Hausfrauen, um die Petersilie prügeln?“ „Wenn dir was nicht passt, dann geh gefälligst selber!“, zischte es bitterböse zurück. „Ich hoffe, du hast wenigstens etwas vernünftiges eingekauft“, machte Yuriy munter weiter und trat dann mit einer vollen Tüte, die an den Henkeln zerrissen war, in den Armen in die Küche. Die Drei darin betrachteten teilnahmslos, aber innerlich vor Neugierde platzend, das Schauspiel. Kai und Yuriy verhielten und bewegten sich wie immer. Wo war also der Hinweis, dass sich etwas geändert hatte? Der Rothaarige pickte sich aus den verschiedenen Tüten – Kai hatte es irgendwie geschafft vier davon zu schleppen – diejenigen Sachen, die er umgehend Essen wollte, was dieser genervt mitbekam: „Du kannst gerne auch etwas einräumen. Dir fallen schon nicht die Finger davon ab.“ „Danke, aber das Risiko möchte ich trotzdem nicht eingehen.“ Es war blöd, albern und vielleicht unreif, aber es machte unheimlichen Spaß. Er legte gerade ein paar Lebensmittel auf den Tisch, als ihm die doch zu wenig teilnahmslosen Blicke auffielen: „Alles klar?“ Boris schwieg eisern und hoffte, dass Ivan seine Neugierde im Griff hatte. Umso erschütteter war er, als es von unerwarteter Seite brummte: „Seid ihr schwul?“ „Höchstens bi“, kam es gleichzeitig nüchtern von Beiden, was diese leicht irritiert schmunzeln und ihre Mitbewohner kurz die Gesichtszüge entgleisen ließ. „Echt jetzt? Ihr seid... zusammen? A... Aber wie? Ich meine...“, stotterte Ivan baff. Yuriy zuckte nonchalant mit den Schultern: „Ist das ein Problem für euch?“ Ivan schüttelte nachdrücklich, jedoch ungläubig den Kopf: „Nein, aber...?“ Sergej zuckte nur mit den Schultern, als er brummte: „Macht was ihr wollt.“ Auf Boris’ Gesicht hatte sich ein breites Grinsen gebildet, dass Yuriy beinahe unangenehm war, als er meinte: „Solange ich euch nicht dabei zugucken muss, ist mir das auch so was von Schnuppe.“ „Wie großzügig von dir“, patzte ihn der Graublauhaarige daraufhin an, stellte, oder eher plätschte dabei die Teller vor seine Nase: „Und das nächste Mal schaust du gefälligst auf den Plan und erledigst deine Pflichten. Es kann doch nicht sein, dass ich, kaum dass ich wieder im Lande bin, die elementarsten Dinge im Haushalt erledigen muss.“ Zwar hatte Kai Recht, aber der Smaragdäugige dachte nicht im Traum daran, das zu zeigen: „Wieso? Du hast doch sowieso Urlaub.“ Böse funkelten ihn die Rubine an und als Yuriy auch noch, ob Boris’ Worte, lachte, war es ganz vorbei. Das Chaos brach aus. Wie eigentlich immer, wenn sie alle auf einem Haufen waren. Während Kai und Yuriy miteinander stritten, Boris sich freudig reinwarf und Sergej das Feuer auch nur noch mehr schürte, versuchte Ivan die Gemüter etwas abzukühlen bis es dem ebenfalls zu blöd wurde und er einfach anfing zu essen. Sollten die sich doch die Köpfe wegen nix und wieder nix einschlagen. Als er dann so dasaß und die Streithähne beobachtete, breitete sich ein Gefühl der Geborgenheit in ihm aus. Das war allem zum Trotz seine Familie. Und er brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass sich das je ändern würde, da war er sich auf einmal sicher. _______________________________________________________________________________________________________________________ Das war jetzt das letzte Kapitel und ich denke, man kann es auch so stehen lassen. Allerdings werde ich ab November eine Fortsetzung dazu schreiben und allen, die hier ein Kommi hinterlassen bescheid sagen, wenn es soweit ist. Außer natürlich, jemand ist der Meinung, dass er eine Fortführung nicht lesen möchte. Noch ein Danke zum Schluss. Ohne euch hätte ich nicht so viel gelernt:) Über Kommentare würde ich mich wieder sehr freuen^^! Bye Minerva Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)