Warum hört dich keiner... von Giluli (außer mir? »Neues in Gilulis Laberecke *hust*<<) ================================================================================ Kapitel 1: Schatten des Tages ----------------------------- Also erst mal vielen Dank, dass ihr überhaupt so weit guckt und euch das hier vielleicht sogar noch durchlest >.< Ist für meinen Geschmack bisschen zu viel geworden, leeeeeeeeeeeeeeest aber trotzdem xD -------------------------------------------------------------------------------- Kapitel 1: Ein grauenvoller Tag Der Busfahrer drückte noch einmal auf das Gaspedal und raste nun in einem Affentempo ohne Rücksicht auf Verluste durch die Straßen. Es war kurz vor acht und wie so oft viel zu spät, als dass er erst jetzt die Brücke zu den Parkplätzen des Gymnasiums passierte. Der Junge neben mir fluchte verärgert. »Ich krieg gleich einen Raster! Der Richter erschlägt mich, wenn ich schon wieder zu spät komme. Er hasst mich!« Er ließ gekränkt den Kopf hängen und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine seiner honigblonden Haarsträhnen, die ansonsten perfekt nach hinten gestylt und mit Gel befestigt waren, fiel ihm ins Gesicht. »Du wirst es schon überleben,« gähnte ich müde. Ich hatte nicht wirklich Lust mich mit den Problemchen des anderen zu befassen. Ich wusste ohnehin, dass dies gleich jemand anderes für mich übernehmen würde. »Glaub mir Chris! Er hasst dich nicht, weil du vielleicht mal zu spät gekommen bist.« Chris wandte sich um und funkelte das Mädchen wütend an. »Und was geht’s dich an, Zicke?« Der Name des eben so liebevoll angesprochenen Mädchens war Thi Xiun Nguyen, kurz Xiu. Sie war Vietnamesin und bildhübsch. Von der Statur her wirkte sie fast elfenhaft, so schmal und zierlich wie sie war und ihr ungewöhnlich hübsches Äußeres wurde zusätzlich noch von den langen typisch asiatisch schwarzen Haare noch unterstrichen. Sie war, wie auch Chris, einer meiner besten Freunde. Jedoch konnte ich sie um einiges mehr leiden, als den großen durchtrainierten Jungen. Der war mir ein klein wenig zu....übertrieben. Ja das war das richtige Wort und zwar in allem was er tat. Verdammtes affektiertes Gehabe! Es war nervig! Und es dummerweise zeigte seine Art auch noch Wirkung! Warum auch immer, er war furchtbar beliebt! Wie eigentlich meine ganze Clique und somit auch ich! »Ich meine doch nur, wenn du vielleicht ab und zu mal deine Hausaufgaben machen würdest, anstatt stundenlang vor dem Spiegel zu stehen und deine Haare mit Gel voll zu kleistern, hättest du auch kein Problem mehr mit den Lehrern!« Recht hatte sie, aber es würde mir nicht im Traum einfallen das nun laut Kund zu tun, ganz davon abgesehen, dass mir das überhaupt nicht möglich gewesen wäre, da augenblicklich eine weitere Welle von wilden Beschimpfungen und Beleidigungen Chris´ Mund verließen, sodass wohl bereits der ganze Bus an der Unterhaltung teilhaben konnte. Es war der Moment, in dem ich mich wie gewöhnlich ausklinkte und dem Gespräch gar nicht weiter zuhörte. Ich hatte ohnehin schon eine geradezu unterirdisch schlechte Laune, da brauchte ich die der beiden anderen nicht auch noch über mich ergehen lassen. So starrte ich genervt aus dem Fenster und hoffte der Morgen möge so schnell wie möglich vorüber gehen. Als wir das Schulgelände dann, nach einem unglaublichen Rennen mit der Zeit, tatsächlich erreichten, überspannte den Himmel eine dichte Wolkendecke. Leichter Nieselregen setzte sich von ihm ab und durchnässte nach einiger Zeit alles, was nicht das Glück hatte im Besitz eines Regenschirms zu sein. Ich seufzte betrübt und zog meinen Schal enger. Es war Herbst geworden und dieser schien es in diesem Jahr mit der Pünktlichkeit äußerst ernst zu nehmen, denn seit genau einer Woche schickte er uns seine liebsten Grüße zur Erde und beglückte alles und jeden mit Dauerregen, Kälte und Stürmen; sehr zu meinem Bedauern. Dicht gefolgt von zwei weiteren Jungen, die ebenfalls das Missvergnügen gehabt hatten mit dem verspäteten Bus eingetroffen zu sein, beeilten wir uns so schnell wie möglich zum Unterricht zu kommen, um unserem Lehrer nicht doch noch einen Grund zu geben einen Mord an Chris zu begehen. So stürmten wir durch die Gänge und traten gerade noch rechtzeitig zum Läuten der Schulglocke in unserem Klassenzimmer ein. »Glück gehabt, meine Herren!« Herr Richters Blick überflog kurz unsere Gruppe und blieb dann an mir hängen. Ein süffisantes Lächeln umspielte seine Lippen. »Lassen sie mich raten, Leon! Der Bus hatte Verspätung.« Er schnaubte verächtlich. »Vielleicht sollten sie sich lieber mit der Limousine umherkutschieren lassen, dann würden sie womöglich auch mal rechtzeitig zu meinem Unterricht erscheinen. Ich zog empört die Augenbrauen zusammen. »Aber sie haben doch eben noch gesagt, dass wir rechtzeitig waren!« »Nun,« er wandte seinen Blick ab und begann einige Namen in dem grünen Tagebuch zu vermerken. »Ich kann mich erinnern, dass es bereits geläutet hat und sie immer noch nicht auf ihrem Platz sitzen. « Ich rollte kopfschüttelnd die Augen, sagte aber nichts mehr und machte mich auf den Weg zu dem hintersten Platz im Raum. Woah! Wie ich diesen Kerl hasste! Alles an ihm! Die Art wie er redete. Die Art wie er mit mir redete! Seine stechenden grauen Augen, das kurze fettige Haar und dieses verdammte rosa T-Shirt, dass er sich, so oft wie er es trug, sicherlich im Fünferpack gekauft hatte! Nicht zuletzt hasste ich ihn dafür, dass er das Fach Mathematik unterrichtete, was meiner Meinung nach eines seiner größten Vergehen an der Menschheit war. Zusätzlich machte mir dieser Mistkerl immer wieder nur zu gern klar, was er von mir hielt, was leider nicht sehr viel war. Meine Familie war sehr wohlhabend. Mein Vater war der Bürgermeister und wie es schien hatte der Richter ein absolutes Problem damit und somit auch mit mir. Wie er mich doch aufregte! Als ich an meinem Platz ankam wurde ich sofort von meinem Nebensitzer und besten Freund Flo begrüßt. Er hatte halblanges schwarzes Haar, dunkelgrüne Augen und eine sportliche Statur. Um seinen Hals hatte er sich einen roten Schal gebunden und er trug eine graue Jacke. Flo war ein richtiger Sunnyboy und schaffte es selbst in Momenten wie diesen mich aufzuheitern (welche es zu seinem und meinem Pech leider viel zu häufig gab). »Hi Leo!« »Hey,« brummte ich und setzte mich auf meinen Suhl. Mürrisch begann ich meine Sachen auszupacken. Der Braunhaarige grinste noch breiter und rutschte näher, um nicht so laut reden zu müssen. »War der böse reiche Junge etwa unpünktlich?« »Halt die Klappe, Flo!« Eigentlich wollte ich ihn nicht anfahren, aber er provozierte es. Außerdem musste ich an irgendjemandem meine Laune rauslassen und mein Freund würde es mir ohnehin nicht übel nehmen; das tat er nie. Er musterte mich einen Augenblick. »Jetzt zieh doch nicht so eine Fresse hin!« Ich schnaubte. »Dieses Arschloch regt mich schon wieder auf!« Ich starrte düster zu dem Lehrer, der gerade dabei war die Hausaufgaben von letzter Woche abzufragen und Chris einen Vortrag zu halten, da dem diese wie üblich fehlten. »Lass den Idiot doch reden,« flüsterte Flo aufmunternd. »Hör einfach nicht hin und ignorier ihn!« »Wie denn, wenn der doch schon mit der festen Absicht hier herkommt mich fertig zumachen?« Flo lachte leise. »Ach komm schon!« Er knuffte mich leicht in die Seite. Ich sagte nichts. »Hör endlich auf zu schmollen!« Er begann etwas an mir zu rütteln und lachte solange, bis ich doch wieder mitlachen musste. »Leon. Florian. Sind sie beide schon so gut mit dem Stoff vertraut, dass sie es nicht mehr nötig haben meinem Unterricht zu folgen, oder warum belästigen sie uns mit einer derart lauten Geräuschkulisse?« Herr Richter sah uns mit einer Augenbraue nach oben gezogen forschend an. »Klar doch,« antwortete Flo leise und musste sich ebenso wie ich ein weiteres Lachen verkneifen. »Wie bitte?« »Öhm ... ich meinte Nein! Natürlich nicht!« sagte Flo schnell lauter. Ich boxte ihm leicht in die Rippen. »Dann würde ich ihnen raten in Zukunft mit der nötigen Aufmerksamkeit meinem Unterricht bei zuwohnen. Es würde ihnen beiden nicht schaden...besonders ihnen, Leon.« War irgendwie klar, dass da noch so ein Spruch kommen musste. »Nun gut,« machte Richter weiter. »Dann würde ich sagen Leon lässt uns jetzt an seiner neu gewonnenen Aufmerksamkeit teilhaben und verrät uns seine Lösung der 5b.« Er lächelte böse. Natürlich hatte ich die Hausaufgaben. Ich konnte es mir bei diesem Lehrer bei Gott nicht leisten sie nicht zu haben. Also las ich sie missmutig vor und stellte anschließend zu meiner Verwunderung fest, dass mein Ergebnis sogar richtig war. Den Rest der Mathestunde verbrachte ich dann damit mich so gut wie möglich unauffällig zu verhalten, da ich Richter unter keinen Umständen eine weitere Möglichkeit geben wollte mich vor der Klasse bloß zustellen, was mir glücklicherweise auch gelang. Nach Mathe hatten wir erst mal Pause. So trotteten Flo, Chris, Xiu und ich zur Cafeteria, wo sich kurz bevor wir ankamen ein weiterer Junge und ein Mädchen zu uns gesellten. Sie waren im selben Jahrgang wie wir, jedoch in anderen Kursen. Ihre Namen waren Cem und Lydia und sie vervollständigten unsere Gruppe. Cem war Türke und sehr groß gewachsen. Er spielte zusammen mit Chris Fußball und hatte ebenso wie dieser einen sehr hohen Beliebtheitsgrad unter den Schülern. Ich mochte ihn. Im Gegensatz zu seinem Teamkollegen war er eher ruhig und hatte nicht immer den ständigen Drang im Mittelpunkt zu stehen, wofür ich sehr dankbar war. Zweimal Chris wäre wohl auch zu viel des Guten gewesen. Lydia war das absolute Gegenteil von Xiu. Sie war das It-Girl unserer Schule. Blond, groß, schlank und sexy. Auch sie stammte aus einer wohlhabenden Familie und war dementsprechend auch gekleidet. Als wir in der Cafeteria ankamen suchten wir uns erst einmal einen Platz, was in unserem Fall gar nicht schwer war, da viele meinten sich einschleimen zu müssen und uns ihren anboten. Hach ich liebte meine Freunde! Daraufhin holten wir uns alle etwas zu essen und versuchten erst einmal zu identifizieren, was der Matsch darstellen sollte, der sich da auf unseren Tellern befand. Dann ging das übliche Getratsche los und ich durfte mir anhören, was sich Lydia alles auf ihrer letztes Shoppingtour gekauft hatte (und das war nicht wenig!) Spannend. Für ein solches Weibergespräch hatte ich jetzt mal echt gar keinen Kopf. Gelangweilt kehrte ich der Damenrunde den Rücken zu (was hatte ich hier überhaupt gemacht?) und wandte mich Chris, Flo und Cem zu, die sich, allen voran Chris, wieder mal fürchterlich über Richter aufregten. »Meiner Meinung nach hat der Kerl ein viel zu großes Ego!« plusterte Chris sich auf. »Oder ein zu kleines!« lachte Flo, der die ganze Sache wieder mal nur halb so tragisch sah wie die anderen. »Mir egal, ob es zu groß oder zu klein ist! Er soll mich damit in Ruhe lassen!« mischte ich mich jetzt in das Gespräch ein. »Wieso hat er wieder auf dir rumgehackt?« sagte Cem an mich gewandt und biss in sein Brötchen. »Aber hallo!« Wütend verschränkte ich die Arme. »Wir sind nur ein kleines bisschen- was rede ich da? Wir sind NICHT zu spät gekommen! Außerdem hatte der Busfahrer Schuld! – und dann hat mir dieser Kerl einen Vortrag gehalten von wegen ich soll doch mit der Limo kommen, um auch ja rechtzeitig zu seinem tollen Unterricht zu erscheinen! Ist euch aufgefallen wie oft er heute „mein Unterricht“ gesagt hat? So toll ist sein Unterricht auch wieder nicht!« Ich zog einen Schmollmund und trank einen Schluck Kaffee. Chris hatte während meiner Ansprache einige Male zustimmend genickt. »Was hat der denn eigentlich gegen dich?« fragte Cem ruhig. »Ach der ist nur eifersüchtig,« antwortete Flo amüsiert. »Der hat ei Problem damit, dass Leos Familie Geld hat und er nicht.« »Kann er meinetwegen gerne haben,« murrte ich und hob kurz die Augenbrauen. »Aber er soll mich damit nicht nerven!« »Frag doch mal deinen Vater, ob er irgendetwas wegen ihm machen kann,« begann Cem, ehe er von Chris unterbrochen wurde und dieser stürmisch fortfuhr. »Gute Idee! Der hat doch sicher die nötigen Mittel und Wege den Richter von der Schule werfen zu lassen!« Der Blonde grinste böse. »Ja klar und wenn es nicht klappt hasst er mich noch mehr und ich kann mir mein Abi sonst wo hinstecken! Herzlichen Dank! Darauf kann ich liebend gern verzichten. Außerdem hat mein Vater im Moment wahrscheinlich sowieso besseres zu tun, als sich um meine kleinen Problemchen zu kümmern. Wegen der Arbeit und der Wiederwahl und so.« »Na ja,« murmelte Chris. »Meine Stimme hätte er!« Wir lachten. Auf einmal begann Flo mir heftig auf die Schulter zu klopfen. »Leo! Leo! Leo! Guck mal, wer da kommt!« Er zeigte zum Eingang der Cafeteria. Und da stand sie! Der Traum meiner schlaflosen Nächte, einer griechischen Göttin gleich wie sie nur von einem anderen Gott in all ihrer Schönheit und Perfektion hatte erschaffen werden können. Emily. Ich bekam augenblicklich Gänsehaut und begann sie wie ein Trottel anzustarren, nicht imstande irgendetwas zu sagen. Sie hatte schwarze Engelslocken, die sanft die schmalen Züge ihres geradezu makellosen Gesichtes umspielten. Ihre Haut war blass, wirkte aber vornehm und die dunklen großen Augen bildeten einen perfekten Kontrast ihr. Ein dunkelbrauner Rollkragenpullover fügte sich sanft an die Konturen ihres zierlichen Körpers und unter dem kurzen Rock erkannte man ihre langen schmalen Beinen. Emily war in jeder Hinsicht perfekt, bis auf die Tatsache, dass sie mir aus irgendeinem Grund so unerreichbar schien, was allerdings weniger an ihr, als vielmehr an mir selbst lag. Warum auch immer ich hatte es das ganze Jahr, in dem ich sie nun kannte, kein einziges Mal geschafft sie wirklich anzusprechen. Selbst als Xiu, mit der sie ziemlich gut befreundet war, versucht hatte uns irgendwie näher zu bringen hatte ich es vermasselt. Ich war nicht schüchtern oder so, aber....doch ich war es! Aber nur bei ihr! Sie war einfach so toll und... »Hey Alter, wenn du sie weiter versuchst mit deinen Blicken auszuziehen, bin ich leider gezwungen dich noch wegen sexueller Belästigung anzuzeigen!« Flo lachte amüsiert und auch die anderen beiden stimmten mit ein. »Ach lass mich doch in Ruhe!« zischte ich und stocherte verlegen mit der Gabel und der brauen Pampe, die wohl Schokopudding darstellen sollte. »Mann seit einem Jahr schleichst du der jetzt hinterher,« sagte Chris grinsend. »Wann sprichst du sie endlich mal an?« »Wenn der richtige Zeitpunkt kommt,« stellte ich ernst fest. Chris verdrehte die Augen. »Scheiß Romantiker immer! Darf ich sie wenigstens schon mal warm laufen lassen, bis du kommst?« »Untersteh dich du Wichser!« fuhr ich ihn an und beäugte ihn mit einem Blick der Kategorie >Wenn Blicke töten könnten<. »Du machst ja aber nichts!« »Sie ist nicht eine von deinen kleinen Schlampen!« Flo und Cem kicherten vergnügt vor sich hin. »Wie auch immer...« Chris gähnte und streckte die Arme. »Ich hoffe der richtige Zeitpunkt kommt bald, damit wir uns nicht mehr ständig dein dummes Gesicht ansehen müssen, wenn die kleine den Saal betritt.« Mit diesen Worten läutete es und die Schülermassen verließen nach und nach die Cafeteria, um sich auf den Weg zu den Fachräumen zu machen. Wir trennten uns. Flo, Xiu, Chris und Lydia gingen in Richtung der Zeichensäle, während Cem und ich den Weg zu den Musik räumen einschlugen. Musik gehörte so ziemlich zu meine Lieblingsfächern, was nicht etwa daran lag, dass ich besonders musikalisch oder in der Lage war irgendwelche Pünktchen in eine Melodie umzuwandeln. Nein. Das einzig tolle an Musik war, dass man hier absolut überhaupt gar nichts tun musste. Cem und ich saßen in der letzten Reihe und Herr Bauer, unser Lehrer, hatte es schon längst aufgegeben uns dazu zu bringen aufzupassen. Die Stunde war bereits zur Hälfte vorüber und ich malte seit einiger Zeit irgendwelche Smileys auf den Tisch. Vorne hielt ein Junge ein Referat über eine Rockband; Linkin Park oder so. Ich passte nicht wirklich auf. Eine Weile lang musterte ich ihn gelangweilt. Sein Name war Seiji; glaubte ich zumindest. Für gewöhnlich merkte ich mir die Namen solcher Personen nicht. Er hatte sein pechschwarzes Haar nach oben gestylt, sodass es wirr in alle Himmelsrichtungen ragte, ohne dass ich eine wirkliche Frisur darin erkennen konnten. Hier und da entdeckte ich einige bunte Strähnchen. Er trug zu beiden Seiten seiner Unterlippe einen Piercing und eine Sonnenbrille auf dem Kopf. Freak! So viel ich wusste war er der Schlagzeuger der Schulband, deren Musik- na ja- nicht ganz meinen Geschmack traf. Einige sahen das, was sie da verpraktizierten, vielleicht doch als eine Art Kunst an oder fanden es am Ende tatsächlich noch toll!!....Ich persönlich nannte es einfach nur Krach. Ich hatte sie nur einmal gehört und wenn ich ehrlich war, war ich auf ein weiteres mal nicht wirklich aus! Ich gähnte und widmete mich wieder meiner Tischmalerei, als sich plötzlich Cem zu mir rüber beugte. Er wirkte verschlafen und schien seiner Langeweile nun ein Ende bereiten zu wollen. »In zwei Monaten ist Weihnachten.« Ich zögerte kurz und sah ihn verwirrt an. »Jaaaaa...Gut erkannt.« »Nein. Nein,« machte er schnell weiter, als er meinen irritierten Gesichtsausdruck bemerkte. »Du hast doch vorhin von dem richtigen Zeitpunkt geredet.« »Ja schon...Und?« Ich verstand kein Wort. »Na ja, kurz vor den Weihnachtsferien wird wieder ein Abiball organisiert.« Er lächelte verheißungsvoll. »Du meinst ich soll Emily fragen, ob...!« platzte es aus mir leider etwas zu laut heraus. Ich schlug die Hand vor den Mund. Herr Bauer funkelte mich warnend an. Im Hintergrund lief gerade „Shadow of the Day“ als Musikbeispiel für Linkin Park. Ich warf dem Lehrer einen entschuldigenden Blick zu und er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf das Referat. Wieder Cem zugewandt sprach ich flüsternd weiter. »Ich soll Emily fragen, ob sie mit mir auf den Ball geht?« »Einen noch richtigeren Zeitpunkt wirst du wohl kaum bekommen.« Er grinste breit und entblößte seine weißen Zähne. Ich überlegte kurz, während Cem noch etwas hinzufügte. »Stell dir nur vor wie romantisch das wäre: Ihr beide, du und Emily, eng umschlungen auf der Tanzfläche, in einem leichten Dämmerlicht und dann sagst du es ihr.« »Das hört sich so schön an,« sagte ich in einer fast schon weinerlich gerührten Stimme, die, wie mir auffiel, schon wieder lauter wurde. »Und das beste ist: Alle kriegen es mit! Damit stiehlst du sogar Chris die Show.« Ich ignorierte seinen letzten Satz. Mir war klar gewesen, dass es Cem ohnehin nur darum ging Chris eins auszuwischen. Nette Freundschaft, aber wen interessierte das? Der Türke hatte ja in gewisser Hinsicht Recht. Es wäre wirklich der perfekte Zeitpunkt. In meinem Bauch begannen schon wieder tausende von Schmetterlingen wild umher zuflattern, wie sie es immer taten, wenn ich an Emily dachte. »Aber ich trau mich nicht.« sagte ich schließlich. »Wie du traust dich nicht?« »Du weißt genau was ich meine!« »Junge du bist so eine Memme!« Cem schüttelte verständnislos den Kopf. »Hilf mir bitte!« »Tzz.. Vergiss es! Was soll ich denn machen? Händchenhalten?« »Bitte!« »Nein!« »Bitte!« »Nein!« »Cem! Leon!« fauchte Herr Bauer von vorn. »Zeigen sie gefälligst etwas mehr Respekt und hören sie ihrem Mitschüler zu! Sonst komme ich noch auf die dumme Idee sie beide in der nächsten Stunde ein kleines Ständchen singen zu lassen! Was würden sie davon halten?« Ich schluckte. »Eigentlich gar nichts.« »Dann reißen sie sich jetzt endlich zusammen!« Er drehte sich wieder um. Angespannt blies ich die Luft aus und wendete mich von Cem ab. Dieser schien allerdings noch nicht fertig zu sein und begann nach einer Weile erneut zu sprechen. »Also, wirst du sie fragen?« »Wenn du mitkommst,« murmelte ich leise zurück. »Ist doch lächerlich!« »Ich schaff das nicht allein!« quengelte ich. »Sag mal wie alt sind wir eigentlich? 12?« »Das hat doch nichts mit dem Alter zu tun!« »Stimmt! Du bist einfach nur ein rießen Schisser! Aber eins sag ich dir!« seine Stimme nahm einen fast schon drohenden Unterton an. »An deiner Stelle würde ich mich beeilen, weil es dauert bestimmt nicht lang bis jemand anderes sie fragt.« Ich sah ihn zuerst an, als würde ich ihn nicht verstehen, dann weitete ich entsetzt die Augen. »Wer?« »Keine Ahnung! Ich habs nur irgendwo gehört.« »Sag schon!« »Alter, ich hab doch gesagt, dass ich es nicht weiß!« sagte er genervt. »Natürlich weißt du es, sonst würdest du doch nicht...!« »Sie scheinen ja geradezu darum zu betteln, dass ich meine Drohung wahr mache.» Wir erschraken. Herr Bauer stand plötzlich direkt vor uns. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er nach hinten gekommen war. Die anderen Schüler sahen uns teils mitleidig, teils schadenfroh an. Ich biss ertappt die Zähne aufeinander. »Tja, dann werde ich mal nicht so sein und komme euerer Bitte nach. Meldet euch nach der Stunde bei mir!« »Aber wir waren doch gar nicht so laut,« flehte ich entsetzt. »Ach, dann habe ich wahrscheinlich nur so gute Ohren oder warum konnte ich jede Einzelheit ihres Gesprächs über Emily und sie so gut mithören?« Einige der Mädchen kicherten. Ich konnte ein paar von Emilys Freundinnen erkennen. Augenblicklich schoss mir das Blut in den Kopf. »Also. Nach der Stunde. Bei mir vorne am Pult. Und bis dahin: HALTEN SIE DEN MUND!« Ich nickte ergeben und lies missmutig den Kopf hängen. Was war denn jetzt los? Seit wann bekam man Strafarbeiten in Musik? Mathe? Klar. Konnte ich verstehen, aber Musik! Hatte sich jetzt etwa wirklich die ganze Welt gegen mich verschworen? Und dann auch noch singen! Vor der ganzen Klasse! Geht’s noch peinlicher? Das war pure Demütigung! Und zu allem Überfluss hatte anscheinend auch noch jeder der Anwesenden unser Gespräch mitgehört! »Ich denk mal, es wird nicht mehr so lange ein Geheimnis bleiben, dass du was von Emily willst,« murmelte Cem schmunzelnd, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen und atmete tief durch. Wäre mal ganz nett, wenn ich mich auch einmal zusammenreißen könnte, wenn es um Emily ging. Das war ja schon krankhaft! Den Rest des Unterrichts verbrachten wir dann tatsächlich in Schweigen. Nach der Stunde gab uns Herr Bauer dann jedem einen Songtext: Linkin Park- Shadow of the Day. »Damit ihr wenigstens etwas von diesem Referat hattet,« meinte er grinsend. Arschloch! Nach unseren zwei unerwartet grauenvollen Musikstunden, warteten Cem und ich vor dem Vertretungsplan auf die anderen. Zu unserem Entsetzen hatten wir feststellen müssen, dass Gmk am nächsten Tag ausfallen und dafür von Herr Bauer vertreten werden würde, was unseren Gesangstermin um genau eine Woche verfrühte. Ich fragte mich, ob dieser Tag eigentlich noch schlimmer werden konnte... Er konnte! Eine kleine Gruppen von Mädchen aus der 11. ging an mir vorüber und begann heftig zu tuscheln und zu kichern, als sie mich sah. Der Vorfall aus Musik hatte sich anscheinend schneller rumgesprochen, als mir lieb war und ich hatte plötzlich das ungute Gefühl von jedem beobachtet zu werden. Hatte wohl auch seine Schattenseiten beliebt zu sein. Wer hätte das gedacht? Die letzten beiden Stunden hatten wir alle zusammen Englisch. Unsere Lehrerin, Miss Grace, gab uns gleich zu Beginn die Aufgabe einen ´Comment´ zu schreiben, was ich, nachdem was an diesem Tag schon alles geschehen war, auch dankend hinnahm. Beim Schreiben konnte mir ja hoffentlich nichts schlimmes oder Peinliches geschehen. Ich vermied es also mich besonders auffällig zu verhalten, um nicht auch noch den Zorn der Englischlehrerin auf mich zu ziehen, und schaffte es tatsächlich bis zum Ende der Stunde ungeschoren davon zu kommen. Danach war endlich Schluss und ich war gottfroh diesen morgen überstanden zu haben. Draußen hatte sich das Wetter nicht gebessert. Die Wolken hingen tief, doch es hatte wenigstens aufgehört zu regnen. Wir überquerten tratschend den Schulhof und folgten dem schmalen Weg zur Bushaltestelle. Die vielen Bäume standen dicht an dicht beieinander und durch ihre Kronen wurde selbst das wenige Licht verborgen, welches die Sonne noch im Stande war uns zu schenken. Ich hatte das Gefühl es würde bereits dämmern, dabei war es noch am frühen Nachmittag. Als wir wenige Minuten später unser Ziel erreichten, war es kurz vor zwei. Wir warteten noch mit Chris und Xiu auf ihren Bus. Über den Zwischenfall in Musik hatten Cem und ich die anderen natürlich schon längst informiert und sind dabei auf für meinen Geschmack etwas zu viel Schadenfreude gestoßen. Tolle Freunde! Wirklich ganz toll! »Ganz im Ernst Leo,« lachte Chris und wischte sich eine Träne aus dem Auge. »Du bist ja sonst kein schlechter Kerl und so, aber was Frauen angeht bist du echt der größte Loser, den ich kenne!« Er begann erneut heftig zu lachen. »Das ist überhaupt nicht wahr!« Ich verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. »Sag was Xiu!« Dass ich gerade die Vietnamesin um Hilfe in dieser Situation bat lag nicht nur daran, dass sie meine beste Freundin, sondern auch meine Exfreundin war! Ja. Xiu und ich waren mal ein Paar gewesen. Seit wir 12 waren, um genau zu sein. Und wir waren das perfekte Paar gewesen. Niemals gab es Streit oder dergleichen. Nie. Da fragt man sich auch mit Recht warum wir überhaupt Schluss gemacht hatten. Tja. Die gute Frau hatte ja nach vier Jahren gemeint sich in meinen besten Freund verlieben zu müssen und da war ich weg vom Fenster! Die brauchten sich gar nicht wundern warum ich solche Minderwertigkeitskomplexe hatte. Na ja. Wenn ich ehrlich war, war ich mit der jetzigen Situation auch zufriedener. Sollte sie doch bei ihrem Flo bleiben -.-° Die Vietnamesin lächelte mitfühlend. »Na ja Leo, du musst schon zugeben, dass du dich was Emily betrifft vielleicht doch ein klein wenig ungeschickt anstellst.« »Ungeschickt?« empörte ich mich. »Nur weil ich sie nicht frage, ob sie auf der Stelle mit mir in die Kiste hüpfen will, so wie dieser Idiot es tun würde,« ich zeigte auf Chris, » heißt das noch lange nicht, dass ich es nicht tun könnte.« »Genau,« stimmte mir Flo gespielt ernst zu und legte mir einen Arm um den Hals. »Unser Leon hat eben eine sehr ausgeprägte romantische Ader. Das müsst ihr respektieren!« »Nenn mich nicht so!« Ich schubste ihn genervt weg von mir. Ich hasste es, wenn man das „n“ an meinem Namen aussprach. »Ich meine... Ich will doch nur...« Ich machte eine Pause und suchte nach den richtigen Worten. »Also ich finde Emily wirklich toll!! So allgemein. Alles an ihr! Sie ist wundervoll! Und ich will sie nicht nur so für eine Nacht sondern...« Wieder zögerte ich. »Keine Ahnung. Ihr wisst was ich meine!« Ich spürte wie mir das Blut in den Kopf schoss und ich starrte verlegen auf den Boden. »Och ist das nicht süß wie unser Leo rot wird?« Lydia kniff mir sanft in die Wange. Die anderen grinsten mich nur an, jedoch konnte ich dieses mal keine Häme in ihren Gesichtern erkennen. »Also ich finde es ja toll wie du dich um sie bemühst...oder es mehr oder weniger versuchst,« sagte Xiu und umarmte mich. Ihr Bus war gekommen. »Also dann. Bis morgen!« Sie ging noch schnell zu Flo, um ihn zu küssen und stieg dann ein. »Kommst du nicht?« fragte Chris im Vorbeigehen. »Nein. Ich muss noch in Nachhilfe,« murmelte ich und nahm langsam wieder meine normal Gesichtsfarbe an. Er klopfte mir grinsend auf die Schulter und folgte Xiu. Nachdem der Bus verschwunden war verabschiedete ich mich auch noch von Lydia und Cem, da die in die andere Richtung gehen mussten, und begleitete Flo noch ein Stück mit nach Hause. Wir hatten einen ganz schönen Marsch vor uns, da wir erst mal die Hauptstraße und dann noch den riesigen Park hinter uns bringen mussten. Wir alberten mal wieder nur rum, sprachen über Herr Richter, machten uns über Chris lustig und ich erzählte ihm bestimmt schon zum hundertsten mal, was in Musik geschehen war. Ich fand es plötzlich gar nicht mehr so schrecklich. Ich konnte sogar fast darüber lachen. Es war schwer in Gegenwart des Braunhaarigen nicht fröhlich zu sein; zumindest für mich. Er hatte so einen ganz merkwürdigen Humor, von dem ich befürchtete der einzige zu sein, der ihn verstand. Doch genau das war es wahrscheinlich auch, was ihn so liebenswert machte und ich war froh ihn meinen besten Freund nennen zu können. Auch wenn man manchmal meinen könnte er würde nichts, aber auch gar nichts wirklich ernst nehmen, so war mir im Klaren, dass ich mit über alles reden konnte. Wir folgten einer langen breiten Straße, bis wir zu einer Erhebung kamen, die direkt an einer Kreuzung lag. Hier musste ich mich auch von Flo trennen. Wir blieben jedoch noch einen kurzen Augenblick stehen, um uns zu verabschieden. »Wo wohnt dein komischer Nachhilfelehrer eigentlich?« erkundigte sich Flo und nahm einen Zug seiner Zigarette. »Blumenstraße. Irgendwo da oben.« Ich starrte grimmig den Berg hinauf und stöhnte. »Alter, ich hab ja mal so was von keinen Bock auf die Scheiße!« »Ach was! Mathe ist toll!« Der andere grinste eines seiner unschuldigen Grinsen, wofür er von mir allerdings nur einen feindseligen Blick erntete. »Wenn du es so toll findest, warum bringst du es mir dann nicht bei?« »Tut mir Leid. Ich bin die nächsten Monate ausgebucht.« »Bestimmt.« Ich schüttelte ungläubig den Kopf und schaute dann kurz auf meine Uhr. »Also,« seufzte ich. »Ich würd mich ja noch liebendgerne mit dir weiterkloppen, aber ich bin spät dran. Wir wollen Mathe ja nicht warten lassen.!« »Aber bloß nicht!« stimmte der andere mir mit gespielter Empörung zu und ich gab ihm einen leichten Klabs gegen den Kopf. Dann machte ich mich daran den >Berg< zu besteigen und beeilte mich, da ich jetzt bereits schon viel zu spät war. Fünf Minuten und einige Ecken später stand ich dann vor der Nummer 17. Dass kleine Haus war das höchstgelegenste von allen. Es sah schon recht alt aus. Der Eingang lag irgendwo versteckt hinter einem dichten Dschungel aus Bäumen, Büschen und anderen Pflanzen, die mir hartnäckig den Weg versperrten. Um den Garten war ein morscher Holzzaun gespannt, den sich die Natur allerdings schon längst wieder zu eigen gemacht hatte. Missmutig schlich ich mich auf dem engen Trampelpfad- es war nicht mehr als einer- zu der kleinen Holztür und klingelte. Es dauerte eine Weile, bis ich von innen Schritte hörte und mir eine ältere Frau öffnete. Sie trug eine große Brille, mit scheinbar viel zu dicken Gläsern. Ihr langes graues Haar hatte sie sich zu einem Dutt gebunden und das rote zerschlissene Kleid schien ihr zu kurz. »Ja bitte?« fragte sie mit hoher Stimme. Ihre Hand zitterte leicht. Lag wohl am Alter. »Ähm, Frau Weber, ich würde gerne zu Alex. Er gibt mir Nachhilfeunterricht.« Sie stellte mir die Frage jede Woche und ich gab auch jede Woche die selbe Antwort. Sie war schon etwas vergesslich und musterte mich nun abschätzend. »Aha ja, ich erinnere mich! Leon, richtig?« Ich bejahte und sie bat mich herein. Das Haus war an sich sehr düster. Es gab nur wenige Fenster und dementsprechend auch wenig Licht. Die Wände waren mit Bildern und sogar einem Wandteppich behangen. Es war genau so wie man sich das Haus einer älteren Dame vorstellte. Dass auch ein Junge meines Alters hier wohnen sollte erschien einem irgendwie abwegig. »Alex ist noch nicht da,« erklärte Frau Weber. »Er müsste aber bald kommen. Warte einfach in seinem Zimmer!« Ich nickte stumm und sie verschwand in irgendeinem der hinteren Räume. Langsam stieg ich die Treppe hinauf und betrat das kleine schmuddelige Zimmer, in dem ich mich seit nun mehr einem Monat wöchentlich einfand, um meinen dringend nötigen Mathematikstudien nachzugehen. Es war der einzige Raum im Haus, der nicht irgendwie altmodisch wirkte. Es war ziemlich unaufgeräumt. Das Fenster war mit einem Paar vergilbter Gardienen behangen und unter ihm stand ein Schreibtisch, überlagert mit leeren Blöcken, Büchern und Heften. Über dem ganzen thronte ein alter Windows 2000. Dass das Ding überhaupt noch lief... Die Tür des großen Kiefernholzkleiderschrankes war halb geöffnet und offenbarte einen Haufen unsauber zusammengelegter Kleidung. Auf dem Bett lag eine Akustik-Gitarre und allerlei Müll. Ich lies meine Tasche unachtsam auf den Boden fallen und setzte mich, schon wieder missgelaunt, auf das Bett. Jetzt kam dieser Kerl auch noch zu spät! Unverschämtheit! Einmal in meinem Leben kam ich pünktlich zu einem Termin (okay... fast pünktlich) und dann kam dieser Kerl zu spät! Ach was wunderte ich mich überhaupt. An einem Tag wie diesem musste das doch so kommen. Ich seufzte und dachte wieder an Emily. Ob sie mich wirklich zum Ball begleiten würde? Vielleicht hatte sie ja schon einen anderen Partner. Ach Quatsch hatte sie schon einen! Nicht zwei Monate vorher! Immer schön optimistisch denken! Das fehlte mir in diesen Tagen aus irgendeinem Grund vollkommen. Und selbst wenn sie einen hatte... wen juckte es? Den würde sie doch sofort sitzen lassen, wenn sie erfahren würde, dass sie MICH haben könnte. Bitte! Was sind den das für Gedanken? Ich war einer der begehrtesten Singles der Schule. Ich war cool, beliebt, hatte Geld und schlecht aussehen tat ich ja wohl auch nicht. Ich betrachtete mich einen Augenblick in dem Spiegel an der Wand. Dunkle braune Augen blickten mir aus einem Gesicht mit schmalen feinen Zügen und hohen Wangenknochen entgegen. Es wurde eingerahmt von dem fast kurzem wasserstoffblonden Haar. An meinem rechten Ohr steckte ein kleiner silberner Ring. Durch das enge schwarze T-Shirt konnte ich die Konturen meiner doch vorhandenen Bauchmuskeln erkennen. Auch wenn es vielleicht ein wenig eingebildet klag, aber ja ich sah gut aus! Plötzlich hörte ich von draußen Motorgeräusche und ging zum Fenster. Ein dunkelroter Golf parkte am Hauseingang. Es war Alex, der hektisch aus dem Auto stieg und eilig zur Tür rannte. Es dauerte einen Moment bis ich das Trampel auf der Treppe hörte und der junge Mann völlig entnervt in das Zimmer stürzte. »Tut mir Leid!« schnaufte er und hob die Hände entschuldigend. »Auf den Straßen war die Hölle los!« Ich nickte wissend und zog die Augenbrauen zusammen. Alex war in der 13., also ein Jahr älter als ich, und ein richtiges Mathegenie. Dunkelblondes Haar mit einigen hellen Strähnchen zierten seinen Kopf und fiel ihm zerzaust ins Gesicht, welches mit Pickeln übersäht war. An seiner alten schlapprigen Jeans konnte ich einige Flicken erdecken. Er schien sich nicht gerade viel aus seinem Aussehen zu machen. Alles in allem wirkte er chaotisch und sehr verpeilt. »Puh,« atmete er aus. »Ich hoffe du musstest nicht so lange warten.« »Etwa 20 Minuten!« Eigentlich nur fünf, aber das brauchte der nicht zu wissen! »Oh.« Er wuschelte sich kurz durch die Haare. »Es wird nicht wieder vorkommen...hoffe ich!« Er lächelte verlegen und rieb sich die Nase. Wie mich dieser Kerl doch aufregte. »Also. Hast du die Aufgaben gemacht, die ich dir letztes mal gegeben habe?« Er nahm Platz an dem Schreibtisch und versuchte ein wenig das Chaos zu beseitigen. Ich setzte mich auf den kleinen Holzstuhl neben ihm, der seit unserem ersten Treffen hier stand, und packte meinen Block aus. »Wir haben sie im Unterricht durchgenommen.« »Und hast du sie verstanden?« »Einigermaßen.« »Also nicht?« »Überhaupt nicht,« murrte ich. Er sollte aufhören meine Gedanken zu lesen. »Und was hast du nicht verstanden?« Ich packte das Blatt mit der Aufgabe aus und zeigte es ihm. Er warf einen kurzen Blick darauf und begann dann irgendwas von wegen Ausklammern und Wurzelziehen zu labern. Nach einiger Zeit verstand ich es sogar ansatzweise und rechnete mit seiner Hilfe eine weitere Aufgabe. Für das, dass wir nur doofes Mathe machten vergingen die zwei Stunden eigentlich recht schnell und am Ende stand ich mit einigen Antworten, leider jedoch mit noch mehr Fragen da. Ich seufzte betrübt. »Na na! Nicht den Kopf hängen lassen!« versuchte Alex mich aufzumuntern. Erfolglos wie er sofort feststellen musste. »Ich werde das nie checken! Machen wir uns nichts vor! Ich bin 100 % talentfrei.« Ich legte den Kopf auf den Tisch. »Niemand ist hier talentfrei. Nächste Woche versuchen wir noch mal das mit den Schaubildern, okay? Wann schreibt ihr denn euere Arbeit?« >In zwei Wochen!« heulte ich. »Ach das packen wir bis dahin.« Er klopfte mich sacht auf die Schulter, doch ich ignorierte es. Dann begann er seine Sachen wegzuräumen. Ein Klappern auf dem Boden war zu hören und ich wusste was geschehen war. Gott der Typ war so schusselig! »Ich glaubs einfach nicht,« murmelte ich genervt, ohne dass er es hörte. In seiner alt wiedergekehrten Hektik versuchte er sowohl meine, als auch seine Sachen aufzuheben und von einander zu trennen. Ich half ihm nicht. Das war mir doch grad zu blöde! »Was ist das denn?« fragte er plötzlich interessiert. Ich richtete mich müde auf und erkannte, dass er den Songtext aus Musik in den Händen hielt. Er musste wohl aus dem Block gefallen sein. »Ach shit!« platzte es aus mir heraus. »Das hab ich ja total vergessen!« »Wie so? Was ist das?« »Ach nur eine Strafarbeit in Musik.« Ich nahm ihm mürrisch das Blatt ab. »Mein Freund und ich müssen das morgen vorsingen, weil wir ein wenig zu laut waren.« Alex schmunzelte. »Und? Kannst du singen?« »Klar! Unter der Dusche« »Hört sich ja bezaubernd an« »Ja total! Das wird die größte Blamage meines Lebens!« Ich lachte freudlos. Alex schien kurz zu überlegen. »Willst du, dass ich es mit dir übe?« Ich starrte ihn perplex an. »Wie üben?« »Na ja...ich kann den Song spielen...auf der Gitarre. Also wenn du willst...« »Du meinst ich soll es dir vorsingen?« »Nur, wenn du willst. Mir ist das egal.« »Ich glaube, dass wäre keine so gute Idee.« Irgendwie war mir die Situation unangenehm. »Hast du Angst?« Er grinste. »Soll das ein Witz sein? Natürlich nicht!« »Na dann.« Er stand auf und ging zum Bett, wo er seine Gitarre aufnahm. »Zeigs mir!« Ich sah ihm empör hinterher. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? Und vor allem: Was sollte ich jetzt machen? Ein Rückzieher kam ja wohl kaum in Frage. Sonst dachte dieser Loser auch noch ich wäre ein Feigling. Ich hatte also keine andere Wahl. Meine Ehre stand schließlich auf dem Spiel. Ich folgte Alex vorsichtig zu dem Bett und setzte mich mit einem gewissen Sicherheitsabstand neben ihn. Er begann bereits gedankenverloren einige Akkorde zu spielen und ich erkannte darin den Song. Er spielte gut. »Wollen wir?« Er blickte mich erwartungsvoll an. Ich nickte lustlos und er wiederholte den Anfang. Gott wie mich das alles nervte! Ich las die beiden ersten beiden Worte des Textes, den ich noch lange nicht auswendig konnte, und begann kleinlaut einige Töne von mir zu geben. »I close both locks below the window. I close both blinds and turn away. Sometimes solutions aren’t so simple. Sometimes goodbye’s the only way.« Ich spürte den Blick des anderen auf mir und brach ab. »Was?« »Nichts, nichts! Mach weiter!« Er lächelte. »Du machst dich lustig über mich!« Ich funkelte ihn wütend an. »Aber nicht im geringsten! Das würd ich mich doch gar nicht trauen. Komm schon!« Sein Lächeln wurde breiter. »Bitte!« »Ich warn dich! Wenn du lachst...!« »Wird ich schon nicht.« Zum dritten mal begann er den Song von vorn zu spielen. Ich seufzte leise und schüttelte genervt den Kopf. Dann begann ich erneut zu singen. Lauter und kräftiger, als zuvor und ich erschrak, als ich mich selbst hörte. »And the sun will set for you, The sun will set for you. And the shadow of the day, Will embrace the world in grey, And the sun will set for you. In cards and flowers on your window, Your friends all plead for you to stay. Sometimes beginnings aren’t so simple. Sometimes goodbye’s the only way.« Wieder sah mich Alex an. Ich wagte nur einen kurzen Blick auf ihn. Zu meinem Erstauen wirkte er nicht, wie ich erst vermutet hatte, belustigt oder gar schadenfroh, sondern eher verwundert. Ich versuchte es zu ignorieren. And the sun will set for you, The sun will set for you. And the shadow of the day, Will embrace the world in grey, And the sun will set for you.. And the shadow of the day, Will embrace the world in grey, And the sun will set for you.. And the shadow of the day, Will embrace the world in grey, And the sun will set for you. Ich verstummte. Irgendwas war komisch. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in mir breit. Ich konnte es jedoch noch nicht so richtig einordnen. Ich schüttelte schnell den Kopf und wieder klare Gedanken zu bekommen. Auch Alex hatte geendet und musterte mich nun eindringlich. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. »Na ja. Hab ja gesagt, dass...« »Das war ja genial! Warum hast du nicht gleich gesagt, dass du so gut singen kannst?« Alex strahlte, während ich ihn entgeistert ansah. »Ich hab doch gesagt du sollst dich nicht über mich lustig machen!« »Aber ich meins ernst! Du hast eine hammer Stimme! Machst du das öfters?« »Natürlich nicht!« Ich spürte wie ich rot wurde. Jetzt war er es, der mich verblüfft ansah. »Ist dir nie aufgefallen, dass du singen kannst?« »Nein,« antwortete ich schnippisch. »Weil ich es nicht kann!« Er grinste schon wieder. In gewisser Weise erinnerte er mich an Flo. »Hats dir Spass gemacht?« »Was?« »Zu singen!« »Nein!« »Nicht mal ein kleines bisschen?« »Nein verdammt!« Ich wurde wütend. Mehr auf ich selbst, als auf Alex, da ich merkte, dass ich log. »Ich meine...selbst wenn...ach ist doch auch egal! Ich muss jetzt gehen!« Er musste wissen, dass das nichts weiter als ein Fluchtversuch war, doch er sagte nichts. Ohne ihn anzusehen ging ich zum Schreibtisch und warf achtlos meine Sachen in den Rucksack. Dann holte ich meinen Geldbeutel heraus. »Reichen 20?« Schweigend nickte er. Er wirkte nachdenklich. Ich lies das Geld auf dem Tisch liegen und marschierte angespannt zur Tür. Mit einem leisen »Tschüss« öffnete ich sie und wollte gerade rausgehen, als ich Alex noch mal etwas sagen hörte. Seine Stimme klang ruhig. »Sag mal! Hättest du Lust morgen vielleicht zu den Proben zu kommen?« »Häh?« machte ich erstaunt. »Die Bandproben...in der Schule.« Stimmt ja! Alex gehörte ja auch zu >denenlieber er als ich< wohl ziemlich genau zu. Tja. Jeder war sich selbst der nächste. In diesem Moment betrat der kleine Lehrer den Raum und begrüßte die Klasse mit einem freundlichen Lächeln; mir entging jedoch nicht der leicht süffisante Gesichtsausdruck, als er an mir vorüberging. Elender Heuchler! Ich hätte heulen können, wenn das nicht noch peinlicher gewesen wäre! Vielleicht sollte ich Herr Bauer um Gnade bitten. Er würde bestimmt Mitleid haben! So grausam konnte niemand sein! Ahhh! Schon wieder dieser Optimismus! Das zweite mal heute schon! Ich war gut. Einige Schüler drehten sich erwartungsvoll zu uns um und mir fiel sofort die viel zu offensichtliche Häme in ihren Gesichtern auf. Mann, das war so ungerecht! Dong! Und dann schlug sie! Die Stunde der Wahrheit. Wie zwei zum Tode verurteilte Häftlinge aus dem Mittelalter schritten Cem und ich nach vorn zu dem Lehrerpult, verfolgt von den brennenden Blicken der anderen. Herr Bauer nahm Stellung an dem großen Flügel und beäugte uns wie ein Henker seine Mahlzeit. Jetzt war es soweit. Mein Leben, mein Ruf, Alles würde enden und ehe mir meine leicht übertrieben melodramatischen Gedanken überhaupt bewusst wurden begann das laute Klavierspiel den Saal zu erfüllen und ich sang. »Super, Leo!« rief Flo durch die Sporthalle. Ich grinste und holte den Ball aus dem Tornetz. Die letzten beiden Schulstunden waren angebrochen und wir hatten Sport. Handball. Ich liebte Handball! Ich spielte gemeinsam mit Flo im Verein und war der absolute Goalgetter des Teams. Zur Zeit nahmen wir es im Sportunterricht durch, womit meine Note gerettet war. »Danke! Dein Pass war aber auch nicht von schlechten Eltern!« Ich hob den Daumen und wir rannten wieder zurück in die Abwehr. Ich war froh, dass wir jetzt Sport hatten. So hatte meine Laune wenigstens eine kleine Chance sich durch die Freisetzung von Glückshormonen zu bessern (obwohl ich annahm, dass ich dafür erst an einem 5-Stunden-Marathon hätte teilnehmen müssen). Unerwarteterweise hatte sich mein Musikkurs, während meiner Gesangsvorführung ziemlich ruhig verhalten. Ehrlich gesagt hatten sie mich, ebenso wie Alex gestern schon, recht beeindruckt angestarrt und nach der Schule war ich sogar von einigen gelobt worden. Ich hatte es jedoch jedes mal abgewimmelt. Ich wollte mit dem Scheiß nichts zu tun haben. »So meine Herren! Schluss für heute! Packt alles zusammen! Wir sehen uns am Freitag wieder.« Koch, unser Sportlehrer und auch Trainer, pfiff noch einmal in die Pfeife. Ich ging zu Flo und klopfte ihm auf den Rücken. Er schwitzte leicht und fuhr sich über das Gesicht. »Gut gespielt!« »Natürlich!« Er lachte. Dann machten wir uns auf den Weg zu den Umkleiden. »Duschst du?« sagte ich nebenbei und zog das T-Shirt aus. »Jap. Hab nachher noch ein Date mit Xiu.« Er zwinkerte. »Was macht ihr?« fragte ich ein wenig enttäuscht, da ich gehofft hatte er hätte heute noch nichts vor. Er rollte die Auge. »Ihre kleine Schwester hat heute Geburtstag und es gibt eine Party. Xiu wollte unbedingt, dass ich komme und helf.« »Tolles Date!« Ich grinste. »Genau das hab ich auch gesagt!« Er zog sich die nasse Sportkleidung aus und holte ein Handtuch aus seiner Tasche. Dann gingen wir zu den Duschen. »Was hast du heute noch so vor?« sprach er laut, damit ich es unter dem lauten Prasseln des Wassers hören konnte. »Eigentlich gar nichts. Ich wollte dich fragen, ob du heute Zeit hast, aber du bist ja leider schon verplant.« Ich zuckte mit den Schultern. »Komm doch mit!« »Zu deinem Date mit Xiu?« Ich sah ihn skeptisch an. »Lieber nicht.« »Ach komm schon! Allein halte ich das da niemals aus!« »Ich weiß nicht.« Die Aussicht allein mit Flo und Xiu zu sein fand ich eigentlich nicht so brickelnd. Die beiden fingen schnell an sich nur noch für sich selbst zu interessieren. >Hey! Wir sind doch Freunde! Lass mich nicht im Stich!« »Und Xiu?« »Die freut sich auch über eine weitere Arbeitskraft!« »Nett!« Ich rollte die Augen. »Ich fühl mich da so wie das fünfte Rad am Wagen!« »Red nicht so einen Unsinn! Du kommst mit!« »Schön eine eigene Meinung zu haben!« Ich schüttelte grinsend den Kopf. Nachdem wir uns die Haare geföhnt und einigermaßen gestylt hatten verließen wir die Sporthalle und kehrten noch mal in das Schulgebäude zurück, um Xiu abzuholen. Wir warteten wie üblich bei der Aula. Die Vietnamesin diskutierte noch mit einem Lehrer über einen Aufsatz und schien nicht wirklich vor zu haben so schnell klein bei zu geben. Typisch für sie! -.- Flo und ich lehnten direkt am Eingang zur Aula und vertrieben uns die Zeit, in dem wir mit unseren Handys Bilder von uns machten. Wir verloren jedoch ziemlich schnell die Lust daran und so hielten wir schweigend die Stellung. Ich beschloss meiner Mutter eine SMS zu schreiben, dass ich später nach Hause kommen würde. Diese Frau würde sich sonst nur wieder unnötige Sorgen machen. Nervig. Als ich fertig war und gesendet hatte schaute ich gähnend auf die Uhr des Displays und stellte fest, dass wir schon seit fast 20 Minuten hier warteten. Wehen wenn das keine 15 Punkte wurden! Plötzlich erregte etwas hinter mir meine Aufmerksamkeit. Ich drehte mich um und erschrak, als ich Alex in der Aula erkannte. Er saß direkt vor der kleinen Bühne und durchblätterte einen Ordner. Neben ihm stand ein junger Japaner mit einer ziemlich schrägen Frisur. Ich erkannte ihn. Es war Seiji aus dem Musikkurs. Er hielt zwei Schlagstöcke in der Hand und unterhielt sich angeregt mit dem Älteren. Stimmt ja! Die Bandproben! Sie waren heute! Was für ein >glücklicher< Zufall, dass ich ausgerechnet jetzt hier sein musste. Ich wand meinen Blick schnell wieder ab, bevor Alex mich noch erkennen konnte. Der war der letzte, mit dem ich jetzt etwas zu tun haben wollte. Ich widmete mich wieder meinem Handy und betrachtete eine Weile die Bilder von Flo und mir. Ich löschte einige und verschob wiederum andere in einen neuen Ordner. Wozu einen die Langeweile doch alles trieb. Als ich gerade das letzte Bild entfernt hatte wurde ich erneut abgelenkt. Leise Gitarrenriffs waren zu hören und ich drehte mich ein zweites mal um. Alex war noch auf seinem Platz, Seiji hatte sich jedoch gesetzt. Sie redeten nicht mehr. Meine Aufmerksamkeit galt allerdings ohnehin mehr der Person, die da nun auf der Bühne stand. Es war ein Junge, nicht älter, als ich, mit schwarzem dichten Haar. Es verdeckte sein halbes Gesicht, dennoch konnte ich erkennen, dass seine Augen mit dunklem Kajal umrandet waren. Er trug ein schwarz-weiß gestreiftes T-Shirt und einen schwarzen Schaal, der fast bis zum Boden hing. Auch seine Röhrenjeans war schwarz, wie auch die fingerlosen Stoffhandschuhe und die alten Chucks. Ich kannte ihn. Zumindest vom Sehen. Sein Name war Fynn. Er war bei mir im Bio-, Kunst und Sportkurs. Er war nicht besonders beliebt...eigentlich überhaupt nicht und ich hatte ihn auch vorher nie wirklich beachtet. Doch jetzt fand ich seinen Anblick auf eine äußerst merkwürdige Weise wahnsinnig faszinierend, wie er da auf der Bühne stand, die Gitarre um den Oberkörper gebunden und den Mikrophonständer direkt vor sich. Ein Schauer lief mir über den Rücken, als er zu singen begann. Er klang gut. Auch wenn er nicht jeden Ton perfekt traf merkte man, dass er öfters sang. Er hatte die Augen geschlossen. Ich kannte den Song nicht. Ich vermutete, dass es einer seiner eigenen war und ich musste mir eingestehen, dass es sich eigentlich gar nicht mal so arg schlecht anhörte. Einige Male schaute er auf und musterte mich verwundert. Ich wollte wegsehen, doch irgendwas hinderte mich daran. Ja ja....ich tickte endgültig aus! Nicht mehr lang, dann gings in die Klapse! Als Fynn geendet hatte ließ er ein weiteres mal den Blick über mich schweifen und ich erschrak, als ich bemerkte, dass ich unbewusst einige Schritte in den Saal gegangen war. Ich wich entsetzt zurück. Gott! Ich hätte mich schon wieder selbst schlagen können! Spinnte ich jetzt total? Am Ende glaubte der Typ noch mir hätte gefallen, was ich da gehört hatte, womit er ja auch irgendwie Recht gehabt hätte, aber das brauchte der nicht zu wissen! Ich blickte noch mal prüfend auf die Bühne, doch er hatte den Blick abgewandt und kletterte nun vorsichtig hinunter zu den anderen Bandmitgliedern. Sie redeten etwas, was ich allerdings nicht verstehen konnte. Zu meinem Entsetzen stellte ich jedoch fest, dass sich Seiji und auch Alex einige Male zu mir umdrehten. Ich konnte den Anflug eines Lächelns auf den Lippen meines Noch-Nachhilfelehrers erkennen. Super! Das einzige, was wohl noch schlimmer war, als dass mich dieses Emo-Kind hier gesehen hatte war, dass es Alex ebenfalls getan hatte. »Erde an Leo!« Ich zuckte zusammen und blickte mich um. Flo musterte mich fragend. Oh nein! Jetzt hatte der mich auch noch gesehen! Was hatte ich nur verbrochen? Hoffentlich dachte er sich nichts dabei, dass ich hier stand und diese Freaks angaffte. »Xiu ist endlich fertig!« Er hob die Augenbrauen. »Kommst du?« »Äh...Klar! Natürlich!« Meine Stimme klang belegt. Ich ging schnell zu ihm und zog ihn hastig aus dem Saal. Draußen wartete eine strahlende Xiu auf uns. »Na Jungs, ratet mal wer 14 Punkte in Englisch hat!« Ihr Grinsen wurde breiter. »Soll das ein Witz sein? Ich hab eine halbe Stunde gewartet für einen mickrigen kleinen Punkt?« Ich hatte das dringende Bedürfnis jetzt irgendjemanden anzuschreien. Xiu war das perfekte Opfer. »Na ja...Ja!« antwortete sie unbeeindruckt. »Ich glaubs einfach nicht.< Ich verdrehte die Augen. »Streber!« »Was ist denn mit dir schon wieder los?« fragte Flo ruhig. »Ach nichts!« murmelte ich genervt und ging in Richtung Ausgang. »Lasst uns einfach gehen!« Die beiden sahen sich kurz an, zuckten dann aber die Achseln und folgten mir. Wie jedes mal, wenn wir dieser Tage ein Gebäude verließen, erwartete uns miserabelles Wetter, wobei wir im Moment das Glück hatten, dass es nur leicht nieselte. Das reichte jedoch nicht aus meine Laune davon abzuhalten abermals ins Bodenlose zu stürzen. Ich sollte wegen dieser Stimmungsschwankungen wirklich mal zum Psychiater. O.o Mürrisch packte ich meinen Regenschirm aus und wollte mich gerade in den Kampf mit den Naturgewalten begeben, als ich plötzlich eine Stimme meinen Namen rufen hörte. Ich blieb wie angewurzelt stehen. »Bitte, lass das jetzt nicht wahr sein!« flüsterte ich frustriert und hielt Ausschau nach dem mir wohlbekannten Absender der Stimme. »Hey Leon, warte mal kurz!« keuchte Alex und kam um die Ecke gerannt. >Warum ich?< Flo beugte sich zu mir und musterte ihn argwöhnisch. »Was will der denn von dir?« Mich lächerlich machen! Was sonst? Aber das konnte ich meinem Freund schlecht sagen. »Ähm...also der...ist nur mein...Nachhilfelehrer. Keine Ahnung was der von mir will!« beteuerte ich ihm. »Aha,« machte er nur. »Geht ruhig schon mal vor! Ich komm gleich nach,« versuchte ich die beiden abzuwimmeln. »Na gut.« Flo klopfte mir mitleidig auf die Schulter und fügte dann murmelnd hinzu: »Viel Glück!« Ich nickte schweigend und er schritt mit Xiu an seiner Seite davon. Ich atmete tief durch und setzte meine verächtlichste Miene auf. »Was willst du?« »Ich hab dich oben gesehen!« Er lächelte. Ich hasste es, wenn er lächelte! »Schön für dich!« Was war ich doch wieder schlagfertig. »Was hast du da gemacht?« »Sicher nicht das, was du denkst!« »Was denke ich denn?« Woahhhhhh! Konnte der Kerl mich nicht einfach in Ruhe lassen? »Na wahrscheinlich, dass ich wegen dir und deinen dummen kleinen Proben da war!« giftete ich. »Aber das warst du ja nicht!« Er wirkte amüsiert und, als ob er mir kein Stück glauben würde. »Ganz bestimmt nicht!« »Verstehe.« Er schwieg einen Augenblick und dachte über etwas nach. »Wie fandest du ihn?« »Wen? Deinen komischen Freund mit seinen Singversuchen?« Er hob erstaunt die Augenbrauen. Ja ich übertrieb! Na und! War ja wohl auch verständlich...oder? »Nein!« »Du fandest ihn nicht gut?« »Ne-ein!« »Nicht mal ein ganz kleines bisschen?« »Ja...vielleicht...ein ganz ganz kleines bisschen!« Oh Gott! Das hatte ich jetzt nicht wirklich gesagt? »Wirklich?« Ich musste endlich lernen meine Klappe zu halten! »Äh- ich meinte...nein...!« »Aber du hast doch gerade >ein bisschen< gesagt!« beharrte Alex grinsend. »Kannst du nicht irgendjemand anderem auf die Nerven gehen?? Oh oh! Ganz klares Zeichen von Ich-wusste-nicht-mehr-was-ich-sagen-sollte! Ich war ja so erbärmlich! »Nur, wenn du mir versprichst morgen zu den Proben zu kommst!« »Das ist Erpressung,« erwiderte ich kühl. »Es möge mir verziehen werden!« Er tat so, als würde er zum Himmel beten. Klasse. Auch noch ein Blasphemiker. Ich hatte ja auch sonst keine Probleme. »Hoffentlich nicht.« Er lachte kurz auf. »Wenigstens hast du Humor!« »Pff.« »Also was sagst du? Wirst du kommen?« »Ich pass bei euch doch sowieso nicht rein,« stellte ich fest. Als ob das mein einziger Grund gewesen wäre >nein< zu sagen. »Das werden wir sehen.« Ich dachte einen Moment nach. »Und wenn es nicht klappt,« ich machte eine kurze Pause. »Lässt du mich dann endlich in Ruhe?« »Ich versprechs dir!« Er hob die Hand zum Schwur. »Aber es wird klappen!« Ich sagte nichts und musterte ihn nachdenklich. »Gib es zu! Du würdest gerne kommen.« Er lächelte erneut und mir wurde klar, dass er recht hatte; so verrückt es auch klang. Was sprach schon dagegen, dass ich es nicht wenigstens mal versuchte? Klar mein Ruf wäre dahin...und meine Freunde...UND auch die Möglichkeit jemals eine Chance bei Emily zu haben. Na gut. Das waren eigentlich drei sehr gute Gründe! Trotzdem....Irgendwie... Nein! Nein! Nein! Ich versuchte mir den Gedanken wieder aus dem Kopf zu schlagen. So ein Unsinn! Wenn ich da morgen hingehen würde, dann nur aus einem einzigen Grund: Um endlich diesen Idioten loszuwerden. Ja! Das war ein guter Grund. Die würden schon sehen was sie von mir hatten und dann würde sich dieses Problem von selbst lösen. Ich wollte damit nichts zu tun haben, ganz davon abgesehen, dass ich es auch nicht konnte... Oder doch? Irgendwie war ich verwirrt. »Also gut!« sagte ich und erschrak selbst, als ich meine Stimme hörte. »Du kommst?« Ich zuckte die Achseln. Jetzt war es sowieso zu spät. »Meinetwegen.« »Super!« Seine Freude war ihm anzuhören. »A-aber nur um dir zu beweisen, dass du dich irrst!« versuchte ich ihm (und auch mir selbst) einzureden. »Ja ja! Schon klar!« Er wirkte zufrieden. Ich seufzte. »Und was soll ich da jetzt morgen machen?« »Na was wohl? Singen!« »Und was singen,« äffte ich seine Stimme nach. »Keine Ahnung. Irgendwas!« »Kann ja wohl kaum was von Bushido vorträllern!« »Das liegt daran, dass der rapt.« »Ohhhh...Klugscheißer bist du auch noch oder was?« keifte ich in meiner alten Schärfe. Gott sei dank; wenigstens etwas! »Ist ja gut! Ist ja gut!« Er unterdrückte ein weiteres Lachen. »Hmm...Kennst du Lostprophets, 30 Seconds to Mars...oder Dead Poetic...« Ich überlegte. »Hab ich schon mal gehört; glaub ich.« »Nimm einfach irgendwie so was.« »Aha.« War ja eigentlich klar gewesen. Ich blickte in Richtung Parkplatz, wo Flo und Xiu standen. »Deine Freunde warten sicher schon auf dich.« »Ja ich sollte besser gehen.« Ich warf ihm noch mal einen verbissenen Blick zu. »Also dann. Bis morgen!« >Bis morgen!< Wie das klang. Als wären wir die besten Freunde. Gedankenversunken trottete ich über den Schulhof. Nach und nach wurde mir klar, was ich mir da eigentlich schon wieder eingebrockt hatte. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Ich war so bescheuert! Wie konnte ich mich nur so dermaßen selbst verraten? Der Kindergeburtstag von Xius Schwester war so ziemlich das anstrengendste, was ich je erlebt hatte. Es war schon bereits sechs Uhr und Flo und ich hatten die letzten drei Stunden damit verbracht eine Horde halbwüchsiger Mädchen zu beaufsichtigen und, was noch viel schlimmer war, zu unterhalten! Xius Schwester Shiho war acht geworden und ich bemitleidete jede arme Mutter, die das Missvergnügen hatte eine Tochter in diesem Alter zu haben (vor allem wenn diese dann auch noch so viele Freundinnen hatte). Der Wahnsinn hatte um Punkt drei mit einer riesigen Torte begonnen. Daraufhin hatten die Kinder >Blinde Kuh< spielen müssen und es war nicht schwer zu erraten, wer besagte Kuh sein durfte. ICH! Mindesten fünf mal! Ich wusste nicht welches abartige Vergnügen es diesen kleinen Plagegeistern bereitet hatte ausgerechnet mich immer und immer wieder, mit einem Tuch um die Augen gebunden, durchs Haus kriechen zulassen, doch ich war mir sicher, dass es das erste und auch das letzte mal gewesen war, dass ich bei einem Kindergeburtstag den Clown spielen würde. Nachdem dieses blöde Spiel (ich mochte es noch nie!) endlich beendet war, verzogen sich die Mädchen erst mal auf Shihos Zimmer. Endlich! Freiheit! Erschöpft ließen sich Flo und ich auf die Couch fallen und tranken erst mal eine Cola. Xiu räumte um uns auf. »Tja, meinen Glückwunsch Leo!« scherzte Flo vergnügt. »Du hast einen Haufen junger, sehr attraktiver Damen, die dich allesamt anhimmeln.« Er lachte. »Bitte erspar mir jetzt deine unqualifizierten Kommentare!« Ich schloss genervt die Augen und legte den Kopf auf die Polsterung der Couch. »Mein Tag war schon schlimm genug!« Allerdings! Und das wusste Flo! Auch wenn ich ihm von meinen neuesten Problemen noch gar nichts erzählt hatte, was auch noch eine Weile so bleiben würde. Höchstwahrscheinlich würde ich ohnehin hochkantig aus de Clique fliegen, wenn rauskam, was ich mit diesen Losern zu schaffen hatte und dann wäre es endgültig aus mit dem beliebtesten Schüler der Schule. »Was denn?« sagte Flo lässig. »Freu dich doch, dass du eine so große Auswahl hast!« Ich konnte ein unterdrücktes Lachen hören. »Das ist nicht witzig!« maulte ich genervt. »Oh stimmt ja! Du brauchst gar keine Auswahl. Du hast schon eine Wunschkandidatin.« Ich warf ihm einen missbilligenden Blick zu. Ich Momenten wie diesen hätte ich den Braunhaarigen erschießen können! »Ach übrigens,« mischte sich Xiu jetzt ein, während sie das alte Geschenkpapier in eine Plastiktüte stopfte. »Rate mal, wer mich heute auf dich angesprochen hat!« Sie lächelte verheißungsvoll. Ich blickte sie erst irritiert an, dann weiteten sich ungläubig meine Augen. »Emily?« Die Vietnamesin nickte. Ich sah schnell zu Flo, der mir ein verschmitztes Grinsen zuwarf. »Was hat sie gesagt?« »Nichts besonderes!« »Sag schon,« bohrte ich ungeduldig nach. Plötzlich war ich hellwach. »Nur, ob das was du in Musik gesagt haben sollst wahr ist und...« »Oh Gott! Bitte sag, dass du nicht >ja< gesagt hast!« unterbrach ich sie panisch. »Keine Sorge. Hab ich nicht,« erwiderte sie und runzelte die Stirn. »Aber du solltest es endlich tun!« »Ja ja ja! Mach ich schon noch. Was hast du ihr dann gesagt?« Sie seufzte. »Dass ich es nicht genau weiß...aber auch, dass du sicher nicht ganz abgeneigt wärst.« Ich überlegte kurz. »Und wie hat sie reagiert?« »Ich weiß es nicht mehr genau...!« »Sie muss doch irgendwas gemacht haben!« beharrte ich aufgeregt. »So genau achte ich auch nicht auf jede ihrer Reaktionen!< Sie schien genervt, was mir aber im Moment so ziemlich am Arsch vorbei ging. »Hat sie sich gefreut?« »Oh ja! Sie hat vor Freude lauter Luftsprünge gemacht! Zufrieden?« »Und hat sie..?« »Nerv mich nicht!« knurrte sie und bedachte mich mit einem unheilschwangeren Gesichtsausdruck. Flo begann mal wieder vor sich hinzukichern. »Aber ich..!« jammerte ich los, doch sie ging dazwischen. »Geh zu ihr hin und frag sie selbst!« Ich funkelte sie düster an. »Du bist gemein!« »Und du benimmst die wie ein liebeskranker Vollidiot!« Ich sagte nichts und verschränkte schmollend die Armer vor der Brust. Sie schien zufrieden. »Was wollte dieser Alex vorhin eigentlich von dir?« wollte Flo plötzlich wissen, um das Thema zu wechseln. Ich zuckte zusammen. Für einen Augenblick hatte ich das doch tatsächlich vergessen. »Der?...Ja...Ich...Ähm...K-keine Ahnung! Irgendwas wegen Mathe!« log ich und war gottfroh, als ich das Trampeln der Mädchen auf der Treppe hörte, was das Gespräch vorzeitig beendete. Die Tortur ging weiter. Noch zwei weitere Stunden wurden wir gequält, gedemütigt und an den Rand des Wahnsinns getrieben, bis ich dann irgendwann die Nase voll hatte und vorgab unheimlich dringend gehen zu müssen. Weder Xiu noch Flo kauften mir das wirklich ab, doch das war mir zu diesem Zeitpunkt entschieden egal und so machte ich mich auf den Weg nach Hause. Daheim duschte ich erst mal und versuchte mir den Tag vom Körper zu waschen (Mann war ich heute reinlich! Drei mal am Tag O.o). Das warme Wasser tat gut und ich schaffte es endlich wieder mich zu entspannen. Seit ich Alex am Mittag zugesagt hatte verspürte ich ständig so ein mulmiges Gefühl, als ob bald etwas Schlimmes passieren würde, was in Anbetracht der Umstände wohl auch zu erwarten war. Ich hatte mir schon überlegt Alex wieder abzusagen, doch aus irgendeinem Grund verdrängte ich den Gedanken. Als ich fertig geduscht hatte machte ich mich daran meine Hausaufgaben zu machen. Ich hatte am nächsten Tag Mathe und übte mich jetzt schon in Schadensbegrenzung. Wenn der Richter mich ohne Hausaufgaben erwischen würde, wäre ich geliefert! Etwa eine halbe Stunde brauchte ich um alles zu erledigen. Dann schaltete ich meinen Computer ein, um mir noch irgendeinen von den Songs reinzuziehen, die mir Alex vorgeschlagen hatte. Ich ging auf die Seite von Youtube und gab den Namen einer der Bands ein. 30 Seconds to Mars. Sofort leuchteten mir unzählige Bildchen von irgendwelchen Interviews und Musikvideos entgegen. Genervt klickte ich auf eine der Akustikversionen der Songs (das andere wollte ich mir nicht erst antun!) und stellte nach einmal hören fest, dass es nicht ganz so schlimm war, wie erwartet. Ich entschloss mich kurzerhand für >A modern Myth< und suchte mir dann den Text im Internet, um noch ein wenig zu üben. >Üben!< Ich schüttelte den Kopf. Argwöhnisch schaltete ich die Boxen ganz laut und ließ den Song laufen. Ich fuhr mir frustriert durch die Haare. Das war so verrückt! Als ich am nächsten Morgen erwachte hatte ich furchtbare Kopfschmerzen. Mein Pc lief noch und ei bunter Bildschirm tanzte über den Monitor. Mist! Ich war gestern Abend eingeschlafen. Ich hob müde den Kopf und blinzelte mit den Augen. Das Zimmer war hell erleuchtet. Nicht etwa wegen der Lampen, die allesamt ausgeschaltet waren, sondern wegen der warmen Sonnenstrahlen, die grell durch die weit geöffneten Fenster schienen. Moment mal! Die Sonne schien? Ich sprang auf und rannte ans Fenster. Verblüfft betrachtete ich den fast wolkenlosen, vom Morgen geröteten Himmel. Ich lächelte entzückt, bemerkte dann aber nach einem kurzen Blick auf die Uhr wie spät es war. Halb acht! Shit! In einer halben Stunde würde der Mathe-Unterricht beginnen und falls dies ohne mich stattfinden sollte, würde mich Richter vor dem gesamten Kurs massakrieren. Für einen kurzen Augenblick hatte ich doch tatsächlich geglaubt meine Pechsträhne wäre beendet. Ich sprintete wie ein Bekloppter ins Bad und versuchte in einem Schnellwaschgang das nötigste zu erledigen. Gleichzeitig druckte ich noch den Songtext aus. Ich konnte ihn zwar auswendig, doch das wollte ich Alex sicherlich nicht unter die Nase reiben. Mit der Zahnbürste im Mund zog ich mir rasch eine Jeans und ein rotes T-Shirt über. Dann stopfte ich mir hastig meine Schulsachen und das Textblatt in die Tasche und spurtete die Treppe hinunter. Das Frühstück lies ich aus! Dafür hatte ich jetzt mal aber wirklich keine Zeit! Hier ging es schließlich um Leben und Tod! Um Punkt acht Uhr traf ich in der Schule ein. Panisch stürzte ich durch die Gänge und platzte dann fünf Minuten zu spät in das Klassenzimmer. »Ach was Leon, haben sie es auch noch hierher geschafft?« Herr Richter saß an seinem Pult, würdigte mich aber keines Blickes. »Als ich sagte, sie sollen sich rumkutschieren lassen, meinte ich damit nicht, dass sie noch später kommen sollen.« Arroganter Mistkerl! »Tut mir Leid, Herr Richter. Ich hab verschlafen,« sagte ich demütig, um ihn nicht noch mehr zu reizen. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf Flo, der mir mitleidig zunickte. »Nun ja. Sie denken ja ohnehin seit einiger Zeit, sie könnten kommen und gehen wie es ihnen gerade genehm ist. Typisch für sie!« Er musterte mich nun mit einem gehässigen Gesichtsausdruck. Ich ignorierte es und ging an meinen Platz. »Dieses Arschloch!« zischte ich leise zu Flo, nachdem ich mich gesetzt hatte. Dieser lächelte mitfühlend und klopfte mir sacht auf den Rücken. »Ganz ruhig!« »Ich könnt kotzen, wenn ich den seh!« Wütend packte ich meine Sachen aus und begann unmotiviert einige Zahlen von der Tafel abzuschreiben. »Jedes mal der selbe Scheiß!« »Komm doch einfach mal pünktlich,« bemerkte Flo gelassen. »Und komm du mir nicht so!« »Tss.« »Was?« »Pff.« »Du wirst doch wohl nicht sauer sein, weil ich euch gestern allein gelassen hab?« beschwerte ich mich zynisch. »Weißt du wie man jemanden wie dich nennt? Feigling!« Er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Na hör mal! Wenn ich das wäre, dann wär ich gestern gar nicht erst mit gekommen!« »Diese Gören hätten uns gestern noch fast umgebracht!« »Deswegen bin ich ja auch gegangen! Abgesehen davon. Du musstest bestimmt nicht jeder von ihnen einen Abschiedskuss geben oder?« Ich hob überlegen die Augenbrauen und grinste. Er begann leise vor sich hinzu kichern. »Stimmt!« Ich hatte Glück heute mit nur einer Stunde Mathe gestraft zu sein. Dennoch schaffte es Herr Richter mich noch ganze 10 mal aufzurufen ohne dass ich mich gemeldet hatte; das war selbst für ihn ein Rekord. Dann, nach 45 äußerst strapaziösen Minuten, voller Erniedrigung, Demütigung und Frust hatte ich es endlich geschafft. Mathe war vorbei. Und ich lebte! Der Rest des Vormittags diente dann eigentlich nur noch der Entspannung, da er ohnehin nur aus zwei Hohlstunden und Religionsunterricht bestand Die meiste Zeit versuchte ich die Tortur der ersten Stunde zu vergessen und mich mehr auf die noch folgende zu konzentrieren. Die Bandproben würden gleich nach der Schule stattfinden und hoffentlich würden zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr so viele Schüler im Gebäude sein. Die könnten mich ja noch sehen! Am besten wäre es wohl wenn ich einfach mit einer etwas großzügigen Verspätung in der Aula auftauchen würde. Sicher ist Sicher! Wie ich Flo und die anderen loswerden sollte musste ich mir im Übrigen auch noch überlegen, denn ich konnte ja nicht einfach mir nichts dir nichts verschwinden. Dann würden die ja womöglich noch auf die Idee kommen mich zu suchen und noch viel schlimmer, vielleicht sogar noch finden! Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was dann geschehen würde. »Ähm-Leute,« setzte ich mit gedämpfter Stimme an. Chris, Flo, Cem und ich hatten gerade die Sporthalle verlassen. Die Sonne schien immer noch. Es war ein herrlicher Tag. Der Schulhof war voller Schüler, die sich langsam auf den Nach-Hause-Weg machten. »Ich muss noch eine Weile bleiben,« stellte ich plump fest. »Ich-äh- muss noch nachsitzen, weil ich heute morgen zu spät gekommen bin...beim Richter.« Das war nicht mal eine Lüge. Nachsitzen musste ich wirklich. Nur nicht heute. Ich hoffte, das wusste keiner von ihnen. »Ist das dein Ernst?« lachte Chris los. »Alter! Was für ein Vollspacko!« Gab es jemanden, den Chris noch mehr hasste, als Richter? Ich glaubte nicht. >Sehr gute Ausrede Leo! Wirklich seh gut!< Die würde mir ja wohl jeder abkaufen. Ich grinste in mich hinein, während Chris noch ein paar weitere Ausdrücke für Richter erfand. Dann verabschiedeten wir uns und ich war sie tatsächlich los. Mann war ich war so stolz auf mich! Als sie verschwunden waren schlich ich vorsichtig in das Schulgebäude, immer auf der Hut vor anderen Schülern; die lauerten ja schließlich hinter jeder Ecke und warteten nur darauf mich bloßstellen zu können. Paranoid? Neiiiin! Als ich den Eingang der Aula erreichte war ich bereits eine Viertel Stunde zu spät . Ich lugte unauffällig in den Saal, um erst mal die Lage einschätzen zu können. Der Raum war von schwachem Licht erhellt. Auf der Bühne standen Seiji und Fynn, der eine Gitarre um den Oberkörper gebunden hatte. Sie unterhielten sich und schienen mich nicht zu bemerken. Alex konnte ich nirgends ausmachen. Verzweifelt spürte ich wie leichte Aufregung in mir aufstieg. Ich versuchte mich eiligst zu beruhigen, damit es auch ja niemandem auffallen konnte. »Ah! Da bist du ja!« Ich fuhr erschrocken herum. Alex stand einige Meter entfernt und grinste erwartungsvoll. Bildete ich es mir ein oder sah der heute noch verpeilter aus, als sonst? »Ich hab schon befürchtet du hast es dir anders überlegt.« »Hatte ich eigentlich auch,« murmelte ich und war überrascht wie beherrscht meine Stimme klang. »Warum bist du dann trotzdem hier?`« Er runzelte die Stirn. »Weil ich kein Weichei bin!« »Oh...einer von den ganz Harten,« stellte er spöttisch fest. Ich schnaubte nur. »Na dann komm mal mit rein!« seufzte er und ging einige Schritte in den Saal. Ich folgte ihm düster. »Wo warst du so lange?« kam es empört von der Bühne. Aufgebracht sprang Seiji von der Erhöhung und bedachte Alex mit einem tadelnden Blick. Mich ignorierte er. »Tut mir Leid, Leute,« lachte der Blonde. »Hatte noch was zu erledigen.» »Von wegen! Du bist wahrscheinlich schon wieder irgendwo eingepennt!« »Jetzt ist er ja da,« bemerkte Fynn ruhig, der nun auch zu der Gruppe gestoßen war. Sein gestern wenigstens noch gestreiftes T-Shirt hatte er heute gegen ein völlig schwarzes eingetauscht. Alex wandte sich zu ihm und ging nicht länger auf Seiji ein, der nun beleidigt eine Schnute zog. »Also-ähm-ich hab dir doch gestern von dem Kerl erzählt, der bei uns mitmachen will.« Er schien auf einmal nicht mehr ganz so selbstsicher zu sein und wartete nervös auf die Reaktion des anderen. Fynn nickte überrascht, als ob er nicht erwartet hätte auf dieses Thema angesprochen zu werden. »Na ja-also...,« setzte Alex an und lächelte zaghaft. »Hier ist er!« Er trat einen Schritt beiseite und hob präsentativ die Arme. Unter anderen Umständen hätte ich es wohl wahnsinnig komisch gefunden zu beobachten wie sich der Gesichtsausdruck des Schwarzhaarigen von einem Moment auf den anderen verhärtete und er mich entgeistert anstarrte, als wäre ich irgendeine seltene Zirkusattraktion. Jetzt allerdings fand ich das alles andere, als komisch, da es mich in meiner Befürchtung bestätigte, dass Fynn absolut gar nichts davon hielt mich überhaupt nur anzuhören. Warum störte mich das eigentlich? Genau das wollte ich doch! Oder? Für wenige Sekunden herrschte Stille. Dann blickte Fynn wieder zu Alex. »Soll das ein Witz sein?« Seine Stimme klang so, als ob er genau das hoffte. »Glaub mir! Wenn ich Witze mache, dann sind die auch...na ja witzig!« versicherte Alex unschuldig. Fynn gab ein freudloses Lachen von sich und starrte ungläubig in die Luft, als ob er etwas suchen würde. Wieder verstrichen wenige Sekunden, ohne dass jemand etwas sagte. Ich warf kurz einen Blick auf Seiji, der bis jetzt noch überhaupt keine Reaktion gezeigt hatte. Er wirkte nachdenklich und zupfte zerstreut an seiner Jacke. »Gibst du ihm wenigstens eine Chance?« unterbrach Alex nach einiger Zeit die Stille. Fynn zuckte zusammen und musterte den Ältere, als würde er nicht begreifen, was dieser geradegesagt hatte. Dann schüttelte er etwas perplex den Kopf. »Nein.« »Wie >neindenenDie< eben!« Der Schwarzhaarige zeigte mit dem Finger auf mich, als ob das schon Antwort genug gewesen wäre. Langsam wurde ich wütend. Für wen hielt sich dieser Kerl eigentlich, dass er es sich erlaubte so über mich zu reden? Und dann auch noch vor meinen Augen! Gings noch? Er kannte mich doch überhaupt gar nicht! Als hätte er meine Gedanken gelesen, sprach Alex genau diese Worte aus. »Du kennst ihn doch nicht mal!« »Gut genug um zu wissen, dass er uns sowieso nur verarscht!« »Jetzt mach aber mal halblang, du Vollidiot!« stieß ich plötzlich hervor und trat an Alex vorbei. Eigentlich hatte ich vorgehabt diesmal meine Klappe zu halten, aber das ging mir jetzt entschieden zu weit! »Ich hab nicht darum gebeten hierher kommen zu dürfen, klar? Das ist das letzte was ich tun würde! Alex hat mich regelrecht angefleht, dass ich es mache! Und jetzt kommst du und behauptest ich will euch nur verarschen? « Ich schnaubte verächtlich. »Alter! Wenn ich das vorgehabt hätte, hätte ich es anderes angestellt und dabei nicht meinen Ruf aufs Spiel gesetzt!« Stille. Fynn wich meinem Blick aus und schürzte missbilligend die Lippen. »Hör ihn dir doch wenigstens an,« sagte Alex nach einem weiteren schweigsamen Augeblick. Seine Stimme klang ruhig. »Danach kannst du ja immer noch nein sagen.« »Aber er...« Fynn blickte sich hilfesuchend zu Seiji um, der eine grüblerische Mine zog. »Also,« setzte der Japaner an und zuckte die Achseln. »Meinetwegen kann er es versuchen.« »Was?« stammelte Fynn, der wohl erwartet hatte, dass Seiji voll und ganz hinter ihm stehen würde. Dieser presste kurz die Lippen aufeinander. »Fynn ich hab ihn in Musik gehört...Er ist wirklich gut,« beteuerte er stockend. »Gib ihm eine Chance!« Der Schwarzhaarige schwieg und begann erneut an dem Lippenpiercing zu knabbern. »Komm schon!« Alex legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wir brauchen dringend noch jemanden, der mitmacht.« Fynn weitete versunken die Augen und warf mir noch mal einen abschätzenden Blick zu. Ich erwiderte ihn und hob herausfordernd die Augenbrauen. Dann ging er seufzend zu einem Stuhl und setzte sich zur Bühne gewandt. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt. »Er kanns ja mal probieren,« nuschelte er demütig. »Ist eure Entscheidung.« Alex lächelte zufrieden. Dann wandte er sich an mich und bedachte mich mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck. »Gib jetzt bloß dein Bestes, sonst bringt der mich um,« warnte er leise und ging zur Bühne. Ich verdrehte die Augen. »Das wär ja furchtbar.« Seiji setzte sich schweigend neben Fynn, der ihm aber die kalte Schulter zeigte. Entschuldigend gab er ihm einen leichten Klabs auf den Rücken. Ich verkrampfte leicht, als mir klar wurde, was jetzt gleich geschehen sollte. Oh Mann! Und ich hatte mich auch noch dafür eingesetzt! Wie konnte man nur so bescheuert sein? Dieser Trottel hätte mich doch nie vorsingen lassen, aber nein! Leo musste ja mal wieder seinen ach so verletzten Stolz verteidigen. Ich Idiot! »Was singst du?« fragte Alex, als wir auf der Bühne standen. Ich erschrak und sah ihn verdattert an. Er war gerade dabei das Mirkophon an dem Ständer zu befestigen und diesen anschließend in der Mitte der Plattform zu platzieren; direkt vor Seiji und Fynn! O.o Vielleicht sollte ich versuchen einfach wegzurennen. Wäre ja nicht so schlimm. Ich müsste nur die Schule wechseln, in eine andere Stadt ziehen, meinen Namen aufgeben und hoffen, dass ich diesen Kerlen niemals mehr über den Weg laufen würde. »Leon?« Alex musterte mich fragend. »Äh..öhm..A-A modern Myth,« stammelte ich und hängte noch ein beiläufiges »oder so« an meinen Satz, damit Alex nicht auch noch glaubte ich würde den Titel kennen. Er ging jedoch wie immer nicht darauf ein und lächelte fröhlich. »Gut, dann kann ich dich auf der Gitarre begleiten,« bot er an und holte das Instrument, das vorher noch Fynn umgebunden hatte. Ich folgte ihm frustriert mit dem Blick, bis ich an eben diesem hängen blieb. Er hatte die Beine überschlagen und starrte abwesend Löcher in die Luft. Tzz. Na dem würde ich es zeigen! Der würde genauso wie Alex angekrochen kommen und mich anbetteln in der Band einzusteigen! Wäre ja gelacht! Ich atmete tief durch und holte dann das Textblatt aus meiner Tasche. Es war zerknittert. Sehr gut! Eine Weile betrachtete ich die Strophen des Songs eindringlich und versuchte mir die Melodie wieder ins Gedächtnis zu rufen. Im Hintergrund hörte ich wie Alex anfing seine Gitarre zu stimmen. Angespannt konzentrierte ich mich auf die Klänge und erkannte auch bald die langsamen Riffs des Songs. Mit dem Textblatt vor der Nase (nein ich versteckte natürlich nicht mein Gesicht!) stellte ich mich vorsichtig vor den Mikrophonständer und holte ein weiteres mal tief Luft. Dann begann ich zaghaft, aber sicher die erste Strophe zu singen. »Did we create a modern myth Did we imagine half of it What happened in a thought from now Save yourself Save yourself The secret is out The secret is out« Ich machte eine Pause, während Alex mit dem Zwischenspiel fortfuhr. Ich erhaschte einen nur kurzen Blick auf Fynn, da ich es nicht wagte ihn länger anzusehen. Er hatte die Arme immer noch verschränkt, seinen abweisenden Gesichtsausdruck jedoch abgelegt. Dennoch fiel es mir schwer einschätzen zu können, was sich im Kopf des geschminkten Jungen abspielte. Schnell sah ich wieder weg und begann zögerlich die zweite Strophe zu singen. »To buy the truth And sell a lie The last mistake before you die So don't forget to breath tonight Tonight's the last so say good bye The secret is out The secret is out« Ich blickte auf und stellte verwundert fest, dass ich vergessen hatte auf den Text zu schauen. Ertappt schüttelte ich einmal ruckartig den Kopf und sang kräftiger weiter. »The secret is out The secret is out« Ich lies die Hand, in der ich das Blatt hielt sinken und lenkte meinen Blick ein weiteres mal auf Fynn. Er erwiderte ihn ausdruckslos. »Good bye Good bye Good bye Good bye« Unbewusst schloss ich die Augen und näherte mich dem Mikrophon. »Good bye Good bye« Für einen Moment vergas ich alles, was um mich herum geschah. Auf einmal fühlte ich mich nicht mehr so angespannt, sondern eher...ja...fast befreit. »Good bye Good bye« Langsam hob ich meine Hand und umklammerte den Griff des Mikrophons. Ich leckte mir kurz über die trockenen Lippen. »Good bye Good bye Good bye Good bye« Versunken wippte ich mit dem Kopf und den Knien im Takt mit. »Good bye Good bye Good bye Good bye Good bye« Nachdem ich geendet hatte war es irgendwie komisch. Still. Wahnsinnig still und ich wagte nicht etwas zu sagen. Stattdessen versuchte ich erneut den Gesichtsausdruck Fynns zu ergründen, der sich allerdings wie zuvor nichts anmerken lies. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass er tief in sich drin in einen starken Zwiespalt geraten war. Mein Blick wanderte zu Alex, der anscheinend ebenso wie ich versuchte aus der Mine des Schwarzhaarigen schlau zu werden. Er schien sich jedoch ziemlich schnell geschlagen zu geben und ich war gottfroh, als er sich dann nach ewig langem Schweigen endlich dazu hinreißen lies die Stille zu unterbrechen. »Also was meinst?« Er nahm den Gurt der Gitarre von seiner Schulter und lehnte das Instrument behutsam an die Wand. Dann kletterte er von der Bühne und ging zu Fynn. Ich folgte ihm schweigend. Komischerweise empfand ich im Moment nicht mal im Ansatz das Gefühl von Scham. Der Schwarzhaarige presste die Lippen aufeinander. »Er ist nicht schlecht,« sagte er ruhig, dennoch schien es ihm überhaupt nicht zu passen das zugeben zu müssen. »Hab ich dir doch gesagt.« Alex klang auf einmal wieder wie ganz der alte und strahlte den Jüngeren förmlich an. Dieser sah skeptisch zu ihm auf. »Du hälst das wirklich für eine gute Idee?« Der Blonde nickte eifrig und grinste. »Jap!« Fynn überlegte kurz und wandte sich an Seiji. »Und du?« Der Japaner sah kurz zu Alex, nickte dann jedoch auch. »Ich finde er hat eine Chance verdient.« »...eine Chance...« wiederholte Fynn kaum hörbar und musterte mich eindringlich. Dann seufzte er ergeben und zuckte die Achseln. »Na gut. Wie ihr wollt.« Er zögerte. »Aber wenn etwas schief geht, dann ist es eure Schuld!« Er sprach ohne dabei den Blick von mir abzuwenden. Seine eisblauen Augen bohrten sich regelrecht in meine, doch ich wich ihm nicht aus. »Dann ist er dabei?« fragte Alex ungläubig. Fynn nickte einmal. »Ja er ist dabei!« Aufrichtig streckte er mir seine Hand entgegen. Seine Fingernägel waren schwarz lackiert. »Willkommen in der Band!« Ich starrte ihn verblüfft an. Ich hatte nicht erwartet, dass er so leicht zu überreden sein würde. Eigentlich hatte ich nicht einmal erwartet, dass man ihn überhaupt überreden konnte. Tja. Was hatte ich gesagt? Angekrochen würde er kommen...wie ein Wurm! Guuuut das tat er nicht! Aber wen interessierte es? Ich hatte gewonnen! Ein Grinsen huschte mir über das Gesicht, ehe mir klar wurde worüber ich mich da eigentlich gerade freute. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Mein Hirn dachte schon wieder an Dinge, die ich ihm überhaupt nicht erlaubte zu denken! Das hier war kein Grund zur Freude! Nein ganz und gar nicht! Denn um ehrlich zu sein hatte ich mir gerade das größte Problem meines Lebens eingebrockt...bei vollem Bewusstsein...ohne mich zu wehren! Was stimmte denn bloß nicht mit mir? »Alles in Ordnung?« Fynns Stimme klang wie aus einer anderen Welt. Er musterte mich argwöhnisch. Seine Hand streckte mir immer noch entgegen. Ich wusste nicht wie lange er das schon tat. Hastig schüttelte ich den Kopf und griff nach seiner Hand. Er starrte mich düster an. »Aber wehe, wenn du uns wirklich nur verarschst!« »Wird er schon nicht!« Alex trat plötzlich an unsere Seite und legte uns je eine Hand auf die Schultern. Er lächelte zufrieden. »Nicht wahr Leon?« »Leo,« korrigierte ich und war erstaunt über meine eigene Gelassenheit. »Na gut!...Leooo! Dann sehen wir uns...« Das laute Piepen eines Handys unterbrach ihn. Er verstummte. Erschrocken entriss mir Fynn seine Hand und tastete in seiner Hosentasche nach dem kleinen Telefon. Als er es hervorgeholt hatte, überflog er kurz mit den Augen das Display und starrte dann ernst zu Alex. »Mein Vater,« nuschelte er und wirkte leicht verunsichert. Er presste die Lippen aufeinander. »Ist schon gut,« sagte der Ältere ruhig. »Wir machen sowieso Schluss für heute.« Fynn nickte nur und entfernte sich einige Schritte ehe er abnahm. Ich sah ihm kurz verwirrt hinterher, dann begann Alex erneut zu sprechen. »Wir treffen uns dann morgen wieder...um die selbe Zeit!« Er schmunzelte. »Sei pünktlich!« »Hör nicht auf ihn!« mischte sich Seiji grinsend ein und stellte sich neben mich. »Der kommt auch immer zu spät.« Er zeigte auf Alex und setzte eine gespielt tadelnde Mine auf. »Tja. Ich bin halt ein vielbeschäftigter Mann,« antwortete der Blonde mit ehrwürdiger Stimme. »MANN vor allem!« Der Japaner lachte und nahm seine Tasche, die über der Stuhllehne hing. Auch ich grinste leicht. »Also dann...ich...ich gehe.« Fynn stand auf einmal wieder direkt neben uns und zupfte unruhig seinen Schal zurecht. Er hatte das Handy wieder in seiner Tasche verstaut und trug die nun über der Schulter. Irgendwie wirkte er sehr blass oder lag das nur an seiner schwarzen Kleidung? »Ich hab noch dringend was zu erledigen.« »Ist gut!« Alex klopfte ihm sacht auf die Schulter, was den Kleineren kaum merkbar zusammenzucken lies. Er wandte sich schnell ab und verließ ohne ein weiteres Wort den Saal. Ich schaute ihm verständnislos hinterher. Was war das denn nun schon wieder? Der Kerl war doch wirklich zu merkwürdig. Die anderen fand ich ja schon komisch, aber der übertraf ja selbst die! Freak eben! Alle drei waren sie Freaks! Und ich gehörte zu ihnen! Machte mich das auch zu einem? Bestimmt nicht! Dennoch. Es gefiel mir absolut gar nicht wie die Dinge sich entwickelten. Sie schienen mir so unaufhaltsam und je länger sie mich in dieser Lage festhielten, desto schwerer würde es für mich sein wieder aus ihr herauszukommen. Ich musste etwas tun. Und zwar schnell! ---------------------------------------------------------------------- Hehehe...joa... das wars 2. Kapi^-^° Hab bisselchen schneller geschrieben, weil am Montag wieder scheiß Schule anfängt und ich dann keine oder nur noch wenig Zeit hab zum schreiben T-T doof...doooooof...dooooooooooooooooooof!!!! >.<° Ist diesmal glaub noch länger geworden o.O° Wird in Zukunft dann aber wahrscheinlich nicht mehr so sein, weil ich ja wie gesagt keine Zeit mehr hab und dann würds noch länger dauern ;________; So und jetzt lasst uns alle gemeinsam "A Modern Myth" singen *los sing* weils einfach sooooooo schön is un ich jedesmal heulen muss wenn ich es hör *o* *sing* Danke noch für die lieben Kommies und 12 Favos ^o^ mehr davon!!!!!!! *augen klimper* xD *mit Keksen um mich schmeiß* LG Giluli ♥♥♥♥♥♥ Kapitel 3: In einer dunklen Gasse --------------------------------- Aaaaaaalso meine Lieben. Kapitel 3 is fertig. Zwar nicht so lang wie die letzten 2, aber ich hoffe es reicht trotzdem *ziemlich unter Zeitdruck steh* O.o Scheiß Schule nervt mich total -.-° Hmm....danke noch an alle Kommieschreiber und favoos *o* Ich liebe euch *alle knuddel* So und jetzt gibt’s gar nicht erst noch dummes Gelaber meinerseits...Viel Spass beim lesen (und bitte lasst euch nicht von einigem dieser Endlossätze abschrecken O.o es kommt manchmal so über mich ^^) :D --------------------------------------------------------------------------------- Kapitel 3: In einer dunklen Gasse Als ich nach den Bandproben über den Schulhof wanderte war es schon fast halb vier. Ich hatte noch einige Minuten im Gebäude gewartet, damit mich nicht doch noch jemand in der Nähe von Alex oder Seiji sehen konnte. Das hätte mein Ego nach der letzten Stunde bei Leibe nicht mehr verkraftet. Obwohl... Eigentlich war das jetzt sowieso egal. Es würde ohnehin nicht mehr lange dauern, bis jeder in der Schule wissen würde, was ich mit diesen Losern zu schaffen hatte. Ein durchaus bekanntes Gefühl der Selbstverachtung erfüllte mich. Mit dieser Bandgeschichte würde ich mir alles zu Nichte machen, was ich mir jahrelang so hart erarbeitet hatte; Beliebtheit, Respekt, Anerkennung, Freunde, coole Freunde! Das konnte ich doch nicht einfach so wegwerfen! Nicht wegen so eines...Unsinns! Maaaaaann! Warum hätte ich nicht einfach zu Alex sagen können, dass ich das nicht wollte, nicht konnte! Ich hatte so viele Chancen dazu gehabt. Gestern auf dem Schulhof schon. Aber ich hatte mich ja nicht getraut. Schlimmer noch! Ich hatte es nicht gewollt! Ich wollte es auch jetzt noch nicht. Und warum? Weil es mir aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund gefallen hatte zu singen. Sehr sogar! Gott, das war so lächerlich! Gedankenversunken durchquerte ich den schmalen Pfad im Halbschatten, der zu den Parkplätzen führte. Die Sonne schien, wie sie es seit Wochen nicht mehr getan hatte und mir fiel zum ersten mal das prächtige Farbenmeer aus Blättern auf, dass sich auf dem Boden ausgebreitet hatte. Die wenigen Wassertropfen, die vom letzten Regen noch übrig geblieben waren, begannen heftig zu glitzern, als die Sonnenstrahlen in sie einfielen. Der Herbst leistete ganze Arbeit. Ich blieb einen Moment stehen, um das Farbenspiel zu beobachten, stellte dann jedoch frustriert fest, dass selbst die ganze Schönheit der Natur meine momentane Laune nicht bessern konnte. Wenn die Band doch wenigstens einigermaßen beliebt gewesen wäre, aber bei diesen komischen Typen war es ja wohl logisch, dass sie niemand leiden konnte...oder eben nur ein paar wenige. Alex war ein Mathegenie (Grund genug ihn zu hassen!) und, so glaubte ich, irgendwo in der SMV tätig. Sonst war er aber eher unauffällig. Es sei denn er stolperte mal wieder auf dem Gang über seine eigenen Beine und riss dabei alle anderen Schüler mit sich zu Boden. Seiji dagegen war ja eigentlich beliebt. Zumindest in seinen Kreisen, auch wenn sich diese hauptsächlich nur auf diese hirnlosen Computerfreaks und Wannabes beschränkten. Und Fynn? Fynn war ein Außenseiter und es war ihm anzusehen, dass er genau das auch sein wollte. Er war sehr introvertiert und ruhig und sein düsteres abweisendes Äußeres half auch nicht gerade ihn beliebter zu machen. Die meiste Zeit wurde er sowieso nur ignoriert oder missbilligend angestarrt. Dabei sah er ja eigentlich mal gar nicht so schlecht aus... Herrje! Wie tief war ich nur gesunken? Jetzt machte ich mir doch tatsächlich schon Gedanken über das Aussehen von diesem Kerl! Als ob ich keine andern Probleme gehabt hätte. Missmutig schlenderte ich den Parkplatz entlang. Mein Beatle (Jaja! Geld musste man haben!) war der einzige Wagen, der noch hier stand. Im Gegensatz zu morgens, wenn sich hier noch hunderte von Autos tummelten, wirkte der Ort jetzt ziemlich trostlos und verlassen. Passte irgendwie perfekt zu meiner Gefühlslage. Bitte was? Wie so oft tadelte ich mich in Gedanken selbst. Diese verdammte Melancholie und dieser Pessimismus machten mich noch wahnsinnig! Nicht mehr lange und ich lief selbst nur noch in schwarz gekleidet durch die Gegend. Mut! Ich brauchte Mut! Und ein kleines bisschen mehr Zuversicht, sonst würde ich diese schrecklichen Zeiten niemals überstehen. Würde schon alles nicht so schlimm werden! Der Parkplatz nahm bestimmt fast ein Viertel des gesamten Schulgeländes ein und so dauerte es erst mal eine Weile bis ich bei meinem Wagen ankam, was vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass ich gedankenverloren wie ich war, irgendwie im Zickzack lief. Der Beatle parkte direkt neben der Ausfahrt zur Hauptstraße. Um diese Zeit war hier normalerweise immer recht viel Verkehr und so wunderte es mich, dass ich fast kein vorbeifahrendes Auto sehen konnte. Es war ruhig auf dem Platz. Als ich gerade meine Schlüssel auspacken wollte hörte ich dann zum ersten mal diese Stimme. Erschrocken fuhr ich herum und erkundete mit den Augen die Umgebung. Als ich jedoch nichts ungewöhnliches feststellen konnte, nahm ich an, dass es sich wohl nur um eine Katze gehandelt haben musste. Ich schüttelte genervt den Kopf. Jetzt litt ich auch noch unter Verfolgungswahn! Düster öffnete ich die Tür und wollte gerade einsteigen, als das Geräusch erneut zu vernehmen war. Das war keine Katze! Wieder sah ich mich um und bemerkte dann, dass die Stimme nicht vom Parkplatz stammte. Forschend warf ich einen Blick über die Straße und erkannte eine kleine dunkle Gasse. Sie war zugestellt mit einem riesigen Container und nur ein schmaler Weg führte in die Finsternis. Ohne groß darüber nachzudenken schloss ich wieder die Tür und huschte neugierig hinüber zur anderen Straßenseite. Das Geräusch wurde lauter und ich stellte nach näherem Hinhören fest, dass es sich um ein leises Wimmern handelte, immer wieder unterbrochen von kurzen stockenden Schluchzern. Die Gasse war keine zwei Meter breit und durch die Größe des Containers war es eigentlich so gut wie unmöglich sich durch den engen Durchgang zu zwängen, ohne dabei die Hälfte all des Schmutzes mit sich zu nehmen. Ein grässlicher Geruch stieg mir in die Nase. Irgendwo hier musste eine tote Ratte liegen und vor sich hinfaulen. Oder mehrere! Angewidert verzog ich das Gesicht und schob mit hastig den Schal über die Nase. Nachdem ich es dann endlich geschafft hatte den Container zu passieren und ich völlig verdeckt versuchte über einige Kisten und Bretter zu steigen, erspähte ich einige Meter vor mir eine Sackgasse. Nur noch schwaches Licht fiel hier ein und es war schwer zu sagen, ob man wegen des Dreckes oder wegen der Finsternis so wenig erkennen konnte. Eine alte klapprige Leiter war an dem Haus zu meiner Linken befestigt und führte zu einem vernagelten Fenster hinauf. Unter ihr versperrte ein großen Schrotthaufen den Weg. Das Schluchzen war jetzt deutlich zu hören und nach einem abschätzigen Blick in Richtung der Mauer entdeckte ich eine zusammengekauerte dunkle Gestalt in der hintersten Ecke. Ich wich einen Schritt zurück und versteckte mich hinter einer Kiste. Die Person schien mich nicht bemerkt zu haben. Einen Augenblick musterte ich sie eindringlich. Es war ein Junge. Er hatte sich die Kapuze über den Kopf gezogen, sodass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Dennoch kamen mir seine schwarze Jacke und auch die fingerlosen Handschuhe seltsam bekannt vor. Ich lenkte meinen Blick wieder zurück in Richtung seines Gesichtes, als mir an seiner Unterlippe plötzlich die zwei Piercings auffielen. Ich erschrak. Das war Fynn! Ein abfälliger Ausdruck machte sich auf meinem Gesicht breit. Was machte der denn bitteschön hier? Vorhin hatte er doch noch so dringend etwas erledigen müssen und jetzt saß er hier um und heulte? Was für ein Loser! Nur Mädchen heulten Ach was wunderte ich mich überhaupt? Bei Leuten wie dem gehörten solche kindischen emotionalen Ausbrüche eben zum Alltag! Darauf musste man einfach gefasst sein! Trotzdem. Irgendwie komisch war Fynns Anblick schon. Ich war es nicht gewohnt Menschen weinen zu sehen; vor allem keinen Kerl! Die meisten in meiner Umgebung gaben sich immer die beste Mühe stark zu sein und bloß keinem anderen ihre Schwächen zu zeigen. Ja ja. Eine ziemlich mittelalterliche Vorstellung vom Leben, die wir da alle hatten, aber mal ehrlich...wer stellte sich denn gerne so zur Schau? Fast bekam ich etwas Mitleid mit dem Schwarzhaarigen. Er hatte die Knie angewinkelt und seine Arme krampfhaft um seine Beine geschlungen. Er zitterte erbärmlich, so dass man fast Angst bekam sein schmaler Körper könnte zerbrechen. Was wohl geschehen war? Vielleicht hatte es ja mit dem Anruf seines Vaters zu tun, den er kurz zuvor noch erhalten hatte. Schließlich hatte er ja schon als er die Proben verlassen hatte ziemlich aufgewühlt gewirkt. Oder er war einfach nur wütend, dass jetzt ausgerechnet jemand wie ich Mitglied in seiner geliebten Band war. So was soll ja angeblich schon reichen, um psychisch etwas instabilere Personen wie ihn aus der Fassung zu bringen. Hmm...ich hätte ihm ja die Freude machen und wieder aussteigen können! Damit wäre uns beiden geholfen gewesen! Gedankenversunken betrachtete ich den Schwarzhaarigen lange Zeit und vergaß sogar für einen Moment an was für einem Ort ich mich hier befand. Wenn es auch komisch klang, aber irgendwie hatte er etwas Faszinierendes an sich. Und zwar so sehr, dass es mir beinahe nicht möglich war den Blick von ihm abzuwenden, als hätten sich meine Augen an seinem Anblick gar nicht mehr satt sehen können. Erst, als ich dieses kleine metallische Blitzen in Fynns Hand bemerkte zuckte ich zusammen und erwachte aus meiner Trance. Misstrauisch verengte ich die Augen und stierte abschätzend zu dem Jungen hinüber, der mittlerweile nur noch reglos dasaß und seinen Arm anstarrte. Ein Schauer lief mir über den Rücken, als mir klar wurde, was er da in den Händen hielt. Langsam schob er den Ärmel seiner Jacke bis über den Ellenbogen und offenbarte einige Schnittwunden und Narben. Fast schon liebevoll strich er mit den Fingern einige Male über die Rasierklinge. Ein wenig hob er den Kopf, sodass mir sein Gesicht nicht länger verborgen blieb. Sein Blick war ausdruckslos. Entsetzt biss ich die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Oh nein! Bitte nicht das! Bitte nicht jetzt! Das konnte der Kerl doch nicht ernst meinen! Wie oft hatte ich mich mit meinen Freunden schon über diesen Scheiß lustig gemacht? Es war immer nur Spass gewesen. Nur Spass! Und jetzt saß ich hier und musste zusehen wie sich dieser Kerl die Pulsadern aufschnitt? Ich spürte wie die Haut auf meinem Gesicht unangenehm zu brennen begann. Wieder verstrichen einige Sekunden. Fynn starrte weiterhin nur matt auf seinen Unterarm und verzog dabei keine Mine. Dann, ganz langsam, hob er zitternd die Hand und legte die Klinge vorsichtig an die nackte Haut seines Armes. Eine kurze Abfolge von Gefühlen huschte über sein Gesicht. Verzweiflung, Trauer, Vorfreude, Angst, Entschlossenheit. Eine Träne kullerte über seine Wange. Angespannt hielt ich die Luft an. Irgendwas musste ich doch tun! Aber was? Ich konnte ja wohl kaum hervorspringen und sagen, dass er das doch bitte lassen sollte, oder? Leichte Panik stieg in mir auf. Ich hatte das dringende Bedürfnis die Augen zu schließen und einfach wegzulaufen, doch wie so oft weigerte sich mein Körper mir zu gehorchen. Hilflos sah ich zu wie Fynn sanft den Druck auf das kleine Stück Metall erhöhte und dieses immer tiefer in sein Fleisch einschnitt. Er presste angestrengt die Lippen aufeinander. Ein erster zarter Rotschimmer bildete sich an der Schneide des Messers ab. Auf einmal hatte ich das Gefühl, als würde sich alles um mich im Zeitraffer bewegen und stellte fest, dass ich plötzlich direkt vor dem Schwarzhaarigen stand. »Tus nicht!« Fynns Augen weiteten sich und er zog die Klinge erschrocken zurück. Ein kleiner Rinnsal roten Blutes quoll an der Stelle hervor, in der das Messer eben noch eingedrungen war. Verwirrt blickte er zu mir auf und schien im ersten Moment gar nicht zu bergreifen, was geschehen war. Dann entkrampften sich jedoch seine Züge und auf seinem Gesicht spielte sich die wundersamste Erleichterung ab, die ich je bei einem Menschen gesehen hatte. Fast kam es mir so vor, als wäre er froh gewesen, dass ich ihn aufgehalten hatte. Dieser Eindruck verflog jedoch recht schnell, als er mich giftig anzischte. »Was willst du?« Es war zwar nicht mehr, als ein raues Flüstern, doch erschien es mir in die Stille hineingerufen lauter, als jeder Schrei. Ich spürte wie mein Selbstertrauen (wenn man das in diesem Moment überhaupt noch so nennen konnte) langsam, aber sicher dahinzubröckeln schien. Entschlossen versuchte ich ihm dennoch mit fester Stimme zu antworten. »Leg das Ding weg!« Ich trat bestimmt einen weiteren Schritt näher und kniete dann vorsichtig vor ihm nieder. Als hätte jemand einen Hebel umgelegt, änderte sich mit einem mal der Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen und die Erleichterung wich der Angst. Erneut begann er heftig zu zittern und schüttelte ruckartig den Kopf. »Verschwinde!« »Nur wenn du damit aufhörst!« Ich nickte mit dem Kopf zu der Klinge, die er immer noch krampfhaft mit den Fingern umklammert hielt. Er drehte sich abweisend weg von mir. Sein Atem ging schwer und sein Oberkörper hob und senkte sich unregelmäßig »Das geht dich nichts an!«. Was war das nur für ein Sturkopf? »Schon möglich,« antwortete ich ruhig. »Aber ich werde nicht tatenlos hier rumstehen und dir zugucken wie du dich selbst aufschlitzt!« Fynn schnaubte verächtlich. »Warum? Müsstest doch gerade du verdammt lustig finden!« Ich zog ungläubig die Augebrauen zusammen. »Was?« Es war weniger eine Frage, denn ein aufrichtiger Ausdruck der Empörung. Wie bitte? Für wie pervers hielt mich dieser Kerl eigentlich? Ich sah doch nicht zu wie Menschen sich Schmerzen zufügten und hatte auch noch Spass dabei! Wer war ich denn? Fynn dachte einen Augenblick nach, ehe er mir keuchend antwortete. »Ich meine...Das bestätigt dich doch nur darin, was du schon die ganze Zeit denkst...« Er hielt inne. »Und das wäre?« fragte ich nach kurzem Schweigen. Er gab ein bitteres Lachen von sich. »Dass ich ein erbärmlicher kleiner Spinner bin, der sowieso nur den ganzen Tag in der Ecke rumhockt und sich selbst bemitleidet.« »Na ja...Irgendwie schein ich damit ja auch Recht zu haben.« Verärgert über mich selbst biss ich mir auf die Zunge. >Klasse Leo! Dem Jungen geht es richtig richtig scheiße und dir fällt nichts besseres ein, als noch mehr auf ihm rumzuhacken. Wie blöd kann man eigentlich sein? Erst Denken, dann reden!< Ein betretenes Schweigen trat ein. Fynn senkte wieder den Blick und schien erneut mit dem Gedanken zu spielen die Klinge an seinen Arm zu führen. Ich bemerkte wie seine Hand, in der er das Messerchen hielt einige Male nach oben zuckte, dann aber immer wieder inne hielt, als würde ihr nun der Mut fehlen ihr Werk zu vollenden. Unwissend was ich tun sollte blickte ich mich verzweifelt in der Gasse um, als hätte ich erwartet irgendetwas Hilfreiches zu finden. Dann kam mir erneut der Gedanke, dass ich vielleicht der Grund sein könnte, weswegen es Fynn so schlecht ging. Wieder öffnete ich den Mund um etwas zu sagen, achtete aber diesmal ganz genau auf meine Wortwahl. »Hör mal...wenn es wegen mir ist, dann...« Ich zögerte und überlegte kurz. »Ich kann auch wieder aus der Band aussteigen, wenn du willst.« »Pff.« Langsam bewegte Fynn seinen Kopf zu einem Schütteln, ohne mich jedoch dabei anzusehen. Erneut entrann ihm ein gequältes Lachen. »Ihr Wichser glaubt doch wirklich, dass es immer nur um euch geht!« »Dann bin ich nicht der Grund?« platzte es aus mir heraus. Fynn schnaubte und zuckte kaum merklich die Achseln. »Das verstehst du nicht!« »Allerdings,« keuchte ich abfällig. >Gott Leo! Halt endlich deine Klappe, verdammt noch mal!< tadelte ich mich in Gedanken selbst. >Du machst alles nur noch schlimmer!< Mühsam holte ich ein wenig Luft um endlich wieder klaren Kopf zu bekommen. Es musste mir anzusehen sein wie unangenehm mir die Situation war. »Was immer es ist...,« begann ich stockend und suchte nach den richtigen Worten. »Es...es kann doch nicht so schlimm sein, dass du dir das hier antust.« Ich bemerkte wie sich Fynns Hand krampfhaft zu einer Faust ballte und ihm wieder einige Tränen über die Wange kullerten. Er seufzte wehmütig. »Lass mich doch bitte einfach in Ruhe!« Ein flehender Unterton schwang in seiner Stimme mit. »Ich will dir nur helfen,« flüsterte ich tonlos. »Du kannst mir nicht helfen!« »Aber ich kann es versuchen!« »Ich will nicht, dass du es versuchst!« krächzte er erbärmlich. »Verdammt sei doch nicht so stur!« »HAU ENDLICH AB!« Fynns Stimme hallte einige Male in der Gasse wieder. Oder war es nur in meinem Kopf. Ich wusste es nicht. Zumindest kam es mir so vor, als hätte er in diesen letzten einen Satz all seine noch vorhandene Kraft gesetzt, um ihn mir in solch einer Entschlossenheit entgegenzuschleudern, dass es mir die Sprache verschlug. Dann herrschte Stille. Mit halb geöffnetem Mund betrachtete ich lange Zeit den bebenden Körper des Anderen, der erneut begonnen hatte heftig zu weinen. Ich bemerkte wie auch mein Atem schwerer ging und meine Hand unwillkürlich zu zittern begann. Was sollte ich tun? Wie konnte man jemandem helfen, der sich nicht helfen lassen wollte? Er hatte Recht. Ich verstand ihn nicht. Wie auch? Wir waren grundverschieden. Wie sollte ich auch jemanden verstehen, der sich selbst Schmerzen zufügte? Ich war nie auf die Idee gekommen dergleichen zu tun. Warum taten Menschen das überhaupt? Aus Bestrafung? Aus Selbsthass? Aber es half doch nichts! Was auch immer geschehen war, es würde sich nicht ändern, nur weil Fynn sich die Pulsadern aufschlitzte. Das verschlimmerte alles doch nur noch! Und es war auch nicht das erste mal gewesen, dass er die Klinge angelegt hatte. Soviel stand fest! Er tat das regelmäßig. Das belegten die unzähligen Schnittwunden und Narben an seinem Unterarm nur zu deutlich. Doch wie konnte es sein, dass das vorher nie jemandem aufgefallen war? Klar wusste ich, dass er nur wenige Freunde hatte; wenn überhaupt! Aber hatte er keine Familie? Niemand, der sich sonst um ihn kümmerte? War er wirklich ganz allein? Mitleid. Es war pures Mitleid, das langsam in mir aufquoll. Und nicht zu wenig davon. Es musste schrecklich sein, allein zu sein! Niemanden zu haben, mit dem man reden konnte oder der sich für einen interessierte. Man war einfach nur sich selbst und der Einsamkeit ausgeliefert. Ich kannte das überhaupt nicht! Ich hatte immer Menschen um mich gehabt, die für mich da gewesen waren, wenn auch nicht meine Eltern oder meinen Bruder. Aber Freunde. Viele Freunde! Es war wie als stammten wir aus zwei völlig verschiedenen Welten. Ohne im ersten Moment überhaupt zu merken, was ich da eigentlich tat, hob ich plötzlich den Arm und legte meine Hand vorsichtig auf Fynns zitternde Schulter. Ich spürte wie er kurz unter der Berührung zusammenzuckte und sich leicht verkrampfte. Er wich jedoch nicht zurück und ließ es auch geschehen, als ich zaghaft begann ihm über den Rücken zu streichen. Es dauerte eine Weile bis er sich wieder beruhigt hatte und ein trauriges Seufzen von sich gab. Dann ließ er seinen Körper endgültig in sich zusammensacken und lehnte sich kraftlos gegen meine Brust. Seine linke Hand krallte sich schwach in den Stoff meiner Jacke. Die andere fiel schlaff zu Boden, umklammerte jedoch immer noch unbeirrbar die Rasierklinge. Vorsichtig ließ ich meine Arme um seinen Oberkörper wandern und zog ihn noch etwas näher zu mir heran. Er wehrte sich nicht und legte seinen Kopf direkt in meine Halsbeuge. Dann trat Stille ein. Es war eine eindringliche beruhigende Stille. Das einzige, was ich noch hören konnte war der weit entfernte Verkehr auf den Straßen und das regelmäßige Ein- und Ausatmen Fynns direkt an meinem Ohr. Abwesend starrte ich auf einen alten verdreckten Container in der Ecke, während meine Finger sanft durch die Haare dieses Junges glitten, der nun in meinen Arme lag und die Augen geschlossen hatte, als würde er schlafen. Ich war mir sehr wohl bewusst wie nah er mir da gerade war und ebenso welche Wirkung das wohl auf andere gehabt hätte. Doch im Moment war mir das alles eigentlich egal, denn selbst wenn diese anderen nun da gewesen wären, ich hätte Fynn nicht wieder von mir gestoßen. Nie! Es war seltsam, aber zum ersten Mal seit ziemlich langer Zeit verspürte ich wieder so etwas wie Glück, wenn auch nur auf eine ziemlich verquerte und bizarre Art und Weise. Ich konnte mir nicht einmal erklären, was genau in mir vorging und wenn ich ehrlich war war mir das auch egal. Es war alles egal! Das einzig wichtige war dieses unglaubliche Gefühl nur noch ein klein wenig länger am Leben zu erhalten, ganz gleich was es dafür brauchte; Fynns Nähe. Seinen Geruch. Seinen Herzschlag, den ich gegen meine Brust hämmern spürte. Seinen kühlen Atem, der sanft meine Haut streifte. Alles. Ich würde einfach alles in mir aufnehmen. Meine Augen waren geschlossen. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich holte tief Luft. Genug, um mein Hirn endlich wieder mit genügend Sauerstoff zum Denken zu versorgen. Meine Hand hielt abrupt in ihrer Bewegung inne und ich riss erschrocken die Augen auf. Was machte ich hier? Und noch viel wichtiger: Was waren das für Gedanken? Ich bemerkte wie die Frequenz meiner Herzschläge eindeutig zu hoch wurde und mir schoss das Blut in den Kopf. Ich hatte allerdings keine Zeit mehr weiter über mein äußerst verrückt spielendes Gefühlsleben nachzudenken, da sich Fynn auf einmal aufrichtete und mich mit ernstem Blick forschend ansah. Der schwarze Kajal um seine Augen war verschmiert und verlieh ihm einen noch jämmerlicheren Eindruck, als er ihn ohnehin schon hatte. Ich bemerkte jedoch wie sich auch auf seinen Wangen ebenfalls ein leichter Rotschimmer abbildete. »Du wirst mich verpfeifen, stimmts?« Ich sagte nichts. Viel zu aufgewühlt war ich noch von diesen bescheuerten Gedanken, doch ich versuchte mich auf seine Frage zu konzentrieren. Wollte ich ihn verraten? Nein. Eigentlich nicht. Ich hatte nur vorgehabt ihn aufzuhalten. Alles was danach kam hatte ich noch gar nicht bedacht. Dabei hatte er eigentlich Recht. Was würde ich tun, wenn er mir die Klinge tatsächlich geben sollte. Weggehen? Hoffen er würde es nie wiedertun? Es vergessen? Quatsch! Das wäre unverantwortlich! Selbst für jemanden wie mich! Am Ende ging er einfach eine Straßenecke weiter und zog das selbe Szenario wieder ab! Und was hätte das dann gebracht? Gar nichts! Aber verraten? Das klang irgendwie so , als hätte ich ihn beim Abschreiben in einer Klassenarbeit erwischt und beim Lehrer verpetzt. So einer war ich ja wohl auch nicht! Nein. Das taten nur die >Bösen< und zu denen gehörte ich definitiv nicht!(!!) Ganz davon abgesehen, dass ihn das wahrscheinlich nur in noch größere Schwierigkeiten bringen würde, und dabei wusste ich ja noch nicht einmal welche Probleme er jetzt schon hatte. Also. Verraten kam gar nicht in die Tüte! Schließlich gehörte ich zu den >GutenLeo! Krieg dich endlich wieder ein!< Ich versuchte mich zu einem Lächeln zu zwingen und legte ihm zur Beruhigung die Hand an den Arm. »Ich schwörs dir. Ganz ehrlich!« sagte ich und spürte wie mich eine Welle der Erleichterung überkam. Eine Weile lang musterte ich Fynn eindringlich, unwissend wie ich weiter vorgehen sollte. Er sah mich nicht an, sondern begutachtete ausgiebig den Dreck am Boden. »Also dann...Wir...,« begann ich stockend. »Lass uns hier verschwinden!« Vorsichtig versuchte ich aufzustehen und ihn mit mir nach oben zu ziehen. Bloß weg von diesem widerlichen Ort! Ich konnte schon spüren wie das Ungeziefer an mir nagte. Überall kribbelte es (irgendwie hoffte ich sogar, dass das Kribbeln von Ungeziefer hervorgerufen wurde und nicht von etwas anderem O.o). Fynn wehrte sich nicht und folgte mir schweigend aus der Gasse. Nachdem wir den Container am Eingang passiert hatten und ich mich erneut fühlte wie ein frisch benutzter Wischmop, schaute ich kurz auf das Display meines Handys, um die Uhrzeit festzustellen. Ach du Scheiße! Halb fünf! Ich war da jetzt nicht wirklich eine ganze Stunde mit dem Kerl im Dreck rumgehockt? Ich hatte sie ja wohl nicht mehr alle (eine Tatsache, die ich eigentlich schon vor einigen Minuten festgestellt hatte, aber man konnte es ja nicht oft genug wiederholen). Fynn blieb einige Schritte entfernt von mir stehen. Er wusste anscheinend genauso wenig wie ich, was er sagen oder tun sollte. Super! Musste also ich wieder das Wort ergreifen. »Ähm...Wo wohnst du?« >Wo er wohnt?< Er schien überrascht und zögerte kurz mit seiner Antwort. »Orchideenstraße.« »Noch nie gehört.« Ich lächelte. »Irgendwo da hinterm Park,« nuschelte er leise. »Ganz schön zwielichtige Gegend da oder?« >Genau Leo! Wieder mal voll ins Schwarze getroffen! Frag ihn doch gleich noch, ob er Drogen nimmt und auf den Strich geht!< Fynn sagt nichts, sondern nickte nur. »Na ja,« begann ich diesmal vorsichtiger. »Soll ich...Soll ich dich nach Hause bri...?« »Das geht schon! Ist kein Problem!« unterbrach er mich hastig. Hätte ich mir eigentlich ja auch denken können, aber stimmt ja! Mein Gehirn war mir ja abhanden gekommen! »Oh...Ähm...na dann...tja dann werd ich mal gehen.« Er nickte. »Wir sehn uns dann morgen oder?« Wieder nickte er und ich machte mit einem leisen „Tschüss“ kehrt, um zum Parkplatz zu gehen. Ich spürte wie sich sein Blick regelrecht in meinen Rücken brannte, erwartete jedoch nicht, dass er noch etwas sagen würde. Ich lief schneller. Ich wollte hier weg! »Leo?« Mitten auf der Straße blieb ich stehen und wandte meinen Blick wieder ihm zu. Er sah mich nicht an. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. »Danke!« --------------------------------------------------------------------------------- Lalalala... Jap. Das wars 3. Kapi =D Hoffe es hat euch zumindest ein bisschen gefallen^^ V.V *meinen armen Fynni knuddl* Entschuldige mich hiermit auf dieses total bekloppte Klischee von wegen Emos und Ritzen zurückgegriffen zu haben. Hatte jetzt aber weniger mit dem Thema Emo an sich zu tun, als einfach mit Fynns Situation an sich. Und es ist ja auch nicht so, dass Ritzen ein Thema wäre, dass jetzt so weit hergegriffen ist. Ist ein ernstzunehmendes Problem, über dass man vielleicht wenigstens mal nachgedacht haben sollte. Sooooo... dann fang ich mal an mit dem 4.^^ dürfte länger dauern ._________. ...hmm...müsst auch mal anfangen ein paar eigene songtexte einzubauen O.o hoff mal das kann ich xD hehe...na ja wird schon klappen^^ Würd mich wieder über viele Kommies freuen *keksdose schon bereitstell* Ich liebäää euch Blubb Lg Giluli Kapitel 4: Abstand ------------------ Soddele....Kapi 4 ist da und omg ist des lang geworden O.o hätt ich jetzt nicht gedacht...wo nehm ich nur diese ganze Zeit her O_o hmm...egal is eh nur wieder Geblubber hier...^___^° Danke noch für die vielen Favos und an alle lieben Kommie-Schreiber!!! Oh Mann ich liebe euuuuuuch *_____* Schreibt bitte fleißig weiter :D hehe *alle abknutsch* So und jetzt will ich euch gar nicht mehr lange aufhalten O_o Viel Spass beim Lesen ^.^° --------------------------------------------------------------------------------- Kapitel 4: Alles in Ordnung? »Wir fangen mit Station 2 an, okay?« »Häh?« Ich blickte mich verschlafen um. War ich jetzt etwa eingeschlafen? Mitten im Chemie Unterricht? Wow! War mir schon lange nicht mehr passiert! »Mensch Leo!« knurrte Xiu und drückte mir ein Blatt in die Hand. »Wie wärs denn mal mit aufpassen?« Aufpassen? Ich? Keine Chance! Ich hatte mich in diesem Fach sowieso schon längst aufgegeben. Wieso sich also noch unnötig Stress machen? Ich betrachtete einen Augenblick gelangweilt das Papier und versuchte mir die Bedeutung der sich darauf befindlichen Worte klar zu machen. >Stationen rund um Essig und Alkohol<. Spaaaaaannend. Wofür brauchte ich diesen Quatsch eigentlich? Alkohol stand im Laden schön in Flaschen abgefüllt zum Kaufen rum und wartete nur auf mich. Mir doch egal wie es hergestellt wurde! >Station 2. Wie wird Wein zu Essig?< Was für eine Frage. Am besten gar nicht! Mann waren das leichte Aufgaben! Ich bemerkte wie Xiu neben mir anfing eifrig etwas in ihr Heft zu schreiben. Ein Gutes hatte es ja neben so einer Intelligentsbestie zu sitzen. Sie nahm einem die ganze Arbeit ab! Ich holte mir unauffällig die nötigsten Informationen aus Xius Aufschrieb und versuchte stichpunktartig den >Aufsatz< der Vietnamesin in mein Heft zu kopieren. Aha. Also niemals Wein an der Luft stehen lassen! Sonst kommen die bösen Bakterien und wandeln ihn in Essig um. Musste ich mir merken! Nächste Station: >Erhitzen sie die Kupferspirale in der Flamme und tauchen sie sie anschließend in Spiritus!< War das Zauberei? Ich hatte gar nicht so schnell gucken können, wie Xiu den Bunsenbrenner angeschlossen und sich eine Spirale plus Zange (!) geholt hatte. Für meinen Geschmack etwas zu enthusiastisch gab sie mir dann die Anweisung (spinnte die eigentlich?) die gewundene Stange zu erhitzen. Ich wehrte mich gar nicht erst (nein! Noch war ich nicht lebensmüde!) und klemmte die kupferne Spirale kommentarlos in die Zange. Anschließend hob ich sie seufzend in die Flamme, die nachdem Xiu einige Male an dem kleinen Zahnrad gedreht hatte, eine fast schon beängstigend blaue Farbe angenommen hatte. Ich mochte kein Feuer. Ich gab es ja nur ungern zu, aber es war mir einfach unangenehm dem heißen Element so nah zu kommen. Am Ende geriet noch alles außer Kontrolle und ich verbrannte mich (ja ich war eine Memme! Na und?). Ich hielt lieber Anstand. Hmm...Abstand. Ja das war so eine Sache, die ich in letzter Zeit zu einigen Dingen versucht hatte aufzubauen. Die Welt war aber auch gefährlich, und ungerecht noch dazu! Man konnte nie wissen, wo das nächste Missgeschick auf einen lauerte, wobei das wohl hauptsächlich ein Problem war, das vorzugsweise mich strafte. Da sich ja mein Körper und leider auch mein Gehirn bisweilen selbstständig machten, geriet ich in letzter Zeit so häufig in Schwierigkeiten, dass es ein Wunder war, dass ich überhaupt noch unter den Lebenden weilte. Aus diesem Grund war ich jetzt auch auf die glorreiche Idee gekommen, allem aus dem Weg zu gehen, das mich in eine eben dieser Schwierigkeiten bringen konnte. Abstand halten! Oh ja! Das würde mich retten! So würde ich auch gar nicht erst in Versuchung kommen irgendwelche Zugeständnisse zu etwas zu machen, das ich gar nicht wollte, was ja letztendlich dazu führen könnte, dass ich Mitglied einer Band wurde, deren andere Mitglieder es anscheinend nur darauf abgesehen hatten diese Schwierigkeiten nach Möglichkeit auch noch zu vertiefen! Alex zum Beispiel! War dieser Kerl einfach nur wirklich so satanistisch und unfair auf die Welt gekommen, sodass es ein Zufall war, dass ausgerechnet ich Opfer seiner erniedrigenden Spielchen darstellen musste, oder hatte es sich dieses Monster tatsächlich zur Lebensaufgabe gemacht mich von einem Schlamassel ins nächste zu treiben und dieses dann auch noch zu vergrößern? Ich vermutete stark zweiteres! So viel Krankheit und Boshaftigkeit traute ich ihm durchaus zu! Oder Fynn! Boah! Der regte mich ja noch mehr auf! Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein, mein momentan ohnehin nicht gerade intaktes Gefühlsleben einfach so schamlos auszunutzen und mit mir diese Mitleidstour abzuziehen? Seinetwegen hatte ich fast die ganze Nacht nicht schlafen können, weil ich ununterbrochen nur dieses kleine Häufchen Elend vor mir hatte sehen können, das versucht war sich selbst etwas anzutun, wovon ICH es dann natürlich hatte wieder abhalten müssen! So. Und jetzt hatte ich den Salat! Klasse! Ich fühlte mich verantwortlich für ihn. Für DEN! Und dann war da auch noch dieses merkwürdige Gefühl, als ich bei ihm war. Als hätte es mir gefallen ihm so nah zu sein. Oder seine Augen. Shit! Ich hatte in meinem Leben noch nicht so schöne Augen gesehen. Das war ja fast wie... Wahhhhh! Verdammt! Ich tat es schon wieder! Ich hatte doch vorgehabt nicht mehr an ihn zu denken! Und was tat ich? Natürlich! Ich dachte an seine Augen! Und an ihn! Und jetzt tat ich es schon wieder! Konnte ich mich nicht endlich wieder zusammenreißen? Das machte einem ja schon Angst, denn was immer es zu bedeuten hatte, es war nicht gut! Also. Abstand halten! Abstand halten und nicht daran denken! Nicht daran denken! Nein! Nein! Nein! »Leo, du Idiot! Nimm das verdammte Ding aus dem Feuer!« Flo packte mich unsanft am Arm und zog grob die Spirale aus der Flamme. Ich war so in Gedanken vertieft gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte wie sich das Kupfer bei der Hitze schwarz verfärbt hatte und nun etwas hilflos in die eisige Welt guckte. Ich atmete einmal scharf aus, während Xiu mir leicht angesäuert die Zange aus der Hand riss und die Spirale vorsichtig in den Alkohol tauchte. Einen Augeblick lang beobachtete ich verdattert wie sich das angekohlte Schwarz im Ethanol langsam wieder in seine kupferne glänzende Farbe umwandelte, bis ich bemerkte, dass ich von Flo mit einem nachdenklichen Blick bedacht wurde. »Was?« stieß ich etwas pampig hervor. »Alles in Ordnung mit dir?« Flo hob die Augenbrauen. »Mit mir?« fragte ich mit einem gespielt schockierten Unterton. »Klaro! Mit mir ist alles okay!« »Ich mein nur...« Er verzog ein wenig das Gesicht. »Du bist in letzter Zeit irgendwie so merkwürdig...Also noch merkwürdiger, als sonst.« Er wirkte besorgt. Ich zuckte die Achseln und setzte ein unschuldiges Lächeln auf. »Was soll denn nicht stimmen?« Er zögerte. »Ich weiß nicht. Sag du´s mir!« Seine Stimme klang ernst und bestimmt, was mir Sorgen bereitete, da ernst und bestimmt keine Eigenschaften waren, die ich ausgerechnet mit dem albernen fröhlichen Flo in Verbindung bringen würde. Super! Er hatte etwas bemerkt. -.- »Aaaaalso Jungs!« unterbrach uns Xiu, als ich gerade begann mir irgendeine schlaue Ausrede aus den Fingern zu saugen. Und, Mann! Ich war ihr so dankbar dafür! »Das Kupfer verfärbt sich in der heißen Flamme schwarz und nimmt, sobald es in Ethanol kommt, wieder seine normale Farbe an. »Und woran liegt das?« erkundigte ich mich an sie gewandt und versuchte dabei möglichst interessiert zu klingen, um Flos Fragen aus dem Weg gehen zu können. Sichtlich erfreut darüber, dass ich all dem ein solches >Interesse< entgegen brachte, begann sie augenblicklich irgendwas von wegen Kupfer oxidiert zu Kupferoxid zu labern. Im Spiritus soll das Ganze dann wieder zu Kupfer reduziert werden, während das Ethanol zu Ethanal oxidiert. Warum der Scheiß dabei ständig seine Farbe änderte konnte ich daraufhin zwar auch nicht genau erklären, aber wen interessierte das schon in der Chemie? >_> Während Xius Vortrag sagte Flo nichts mehr. Er warf mir nur ab und zu einen prüfenden Blick zu, als ob er erwartet hätte, dass auf meiner Stirn all meine Probleme minuziös aufgelistet gewesen wären. Als er allerdings in der darauffolgenden Pause und auch in den nächsten zwei Stunden Englisch wieder ganz normal mit mir sprach (und ich mir wirklich alle Mühe gab mich möglichst normal zu benehmen), nahm ich an, dass er die Sache wohl auf sich beruhen ließ. War auch besser so! Mir eine Ausrede für mein momentan zugegebenermaßen doch recht merkwürdiges Verhalten ausdenken wollte ich nun wirklich nicht, und noch viel weniger die Wahrheit sagen; denn mit der Wahrheit war des eben so eine Sache, die ich selbst nicht ganz verstand. Was war die Wahrheit? Dass ich nun in einer Band Mitglied war, die...nun ja...nicht gerade sehr beliebt war? Dass ich gestern Nachmittag fast eine halbe Ewigkeit mit Fynn in einer dreckigen dunklen Gasse gesessen hatte, um ihn davon abzuhalten, sich selbst etwas anzutun? Oder, dass ich Fynn, während eben dieser halben Ewigkeit näher gekommen war, als lange Zeit irgendeinem anderen Menschen und ihn nun...ja was eigentlich?...mochte? Mochte ich Fynn? Falls ja, dann war das nur ein weiterer Grund Flo die Wahrheit zu verschweigen. Vorerst zumindest, denn es war absehbar, dass er sie in geraumer Zeit erfahren würde; ob durch einen dummen Zufall oder mich selbst. Irgendwie machte mich das traurig, denn ich war mir über die Folgen durchaus im Klaren. Also was dann? Abstand halten? So wie ich es mir vorgenommen hatte? Damit wäre zumindest das Problem gelöst, dass ich im Begriff war mit Flo und den anderen heraufzubeschwören. Doch auf die Lösung des einen Problems folgte nun mal ein anderes! Fynn! Ich hatte ihm geschworen, dass ich ihn nicht nur verarschen wollte und die Band ernst nahm. Dieses Versprechen konnte ich doch unmöglich brechen! Allein schon deshalb nicht, weil ich befürchtete ihn dadurch wieder zu irgendwelchen Dingen zu treiben, die ich ebenfalls versprochen hatte zu verhindern! Was da in der Gasse geschehen war sollte sich niemals, unter gar keinen Umständen wiederholen! Ich wollte nicht, dass er sich etwas antat! Ich wollte nicht, dass es ihm schlecht ging! Und allein der Gedanke daran, dass ich mir solche Sorgen um ihn machte, bereitete mir erneut unheimliche Kopfschmerzen. Irgendwas stimmte absolut nicht mit mir! Ich sollte schnell auf andere Gedanken kommen! Schöne, gute Gedanken! Gedanken wie... Emily! Ja genau! An Emily würde ich jetzt denken! Hatte ich ohnehin schon lange nicht mehr getan O_o >Also. Alles andere verdrängen, Leo! Versetz dich mal wieder in einen deiner Tagträume. Ist besser als das echte Leben! Denk an Emily!< Emily! Emily! Emily! Und ihre anmutige zierliche Gestalt! Die pechschwarzen Locken! Das schmale Gesicht, die feinen Zügen und diese unendlich blauen Augen... Blau...blau...blau...blau...... BLAU??!!!!O_O` Ihre Augen waren doch braun! Glaubte ich zumindest. Oder doch grün...oder...keine Ahnung! Warum blau? Blaue Augen hatte doch nur... STOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOP!!!!!! Nicht weiterdenken! Lalalalalala...Bloß nicht daran denken! Lalalalala...Daran denken war böse! Lalalalala...Brachte nur Unglück! Lalalalala... »Ähm...hallo du!« Ich spürte wie mich jemand von der Seite anstupste und erschrak mich fast zu Tode, als ich mich umdrehte und in die Augen eines jungen hübschen Mädchens blickte. Es hatte ein schmales Gesicht und auf den Lippen spielte sich ein verlegenes Lächeln ab. Eingerahmt wurde dieses Abbild von Schönheit durch dunkle schwarze Locken, die seitlich auf die Schultern fielen. Ich blickte in die Augen von Emily. Und ihre Augen waren braun! »Du bist Leon, stimmts?« fragte sie nervös und wartete der Höflichkeitswegen auf eine Antwort meinerseits. Unfähig irgendetwas von mir zu geben, nickte ich zaghaft und schaute mich kurz verwirrt um. Ich befand mich in einem der Gänge, die zu den Zeichensälen führten. Super! Meine Beine scheinen mal wieder, ohne, dass ich etwas davon bemerkt hätte, irgendwo hingegangen zu sein! Scheiß Körper mit dem scheiß Gehirn, das ständig mit seinen scheiß Gedanken abdriftete und eben nur Scheiße verpraktizierte! »Also ich bin Emily...,« machte sie vorsichtig weiter. Wieder starrte ich sie nur verdattert an, da ich immer noch nicht ganz begreifen konnte, was hier eigentlich gerade geschah. Emily hatte mich angesprochen? Mich? MICH ganz allein? Und sie tat es immer noch! Jetzt! Gerade in diesem Moment! Und ich verhielt mich wie ein Vollidiot! Scheiße! Mit einem Schlag schienen sich sämtliche Muskeln meines Körpers schmerzhaft zusammenzuziehen, sodass ich leise aufstöhnte. »Stimmt was nicht?« erkundigte sich Emily besorgt und mir fiel auf, dass mir diese Frage heute schon zum zweiten Mal gestellt wurde. »Nein! Nein!« begann ich etwas überschwänglich den Kopf zu schütteln. Ich hatte das Gefühl, dass sich meine Stimme gerade wieder um drei Oktaven erhöht hatte. »Alles in Ordnung!« Ich bemerkte die kleine Gruppe von Mädchen, die sich hinter Emily geschart hatten. Musste wohl ihr Gefolge sein. Mädchen ihrer Art waren nie allein! Sie begannen heftig zu kichern und zu tuscheln, als ich kurz meinen Blick über sie schweifen ließ, und ich schaute schnell wieder weg. »Also...ähm...was gibt’s?« begann ich in einigermaßen ruhigem Ton fortzufahren und lehnte mich lässig an einen der Spints, die an den Seitenwänden standen. Verzweifelt versuchte ich die, in mir aufsteigende Panik, mit meiner nicht vorhandenen Coolness zu überspielen und lächelte gequält. Emily schien es jedoch gottseidank nicht zu bemerken (oder sie hatte einfach nur Mitleid O.o) und musterte mich kurz abschätzend. »Du bist doch mit Xiu befreundet, nicht wahr? Ich hab sie schon den ganzen Morgen gesucht, konnte sie aber nicht finden, deshalb wollte ich dich jetzt fragen, ob du ihr nicht vielleicht etwas ausrichten könntest.« Ich hob überrascht die Augenbrauen und nickte dann. »Worum geht’s?« »Ich feiere am Samstag meinen 17. und würd sie gerne einladen. Kannst du sie fragen?« »Klar, kann...« »Was springt für ihn dabei raus?« Ich blickte mich verblüfft um und erkannte Flo neben mir. Stand der da etwa schon die ganze Zeit? Auch egal! Was mischte sich dieser Idiot jetzt schon wieder ein? »Öhm...,« machte Emily verwundert und ich bemerkte wie sich ein leichter Rotschimmer auf ihre Wangen legte. Mein Gott war die süß! »Er kann doch sicher auch kommen, oder?« plauderte Flo weiter fröhlich drauf los und war seiner Ermordung so nah wie schon lange nicht mehr. »Klar kann er kommen! Ich mein,« sie wandte sich an mich und lächelte unsicher. »Es wär schön, wenn du kommen könntest...also ich würde mich freuen...äh...also...« Sie wandte verlegen den Blick ab und presste die Lippen aufeinander. Flo lachte laut auf. »Na und ER würde sich erst freuen, nicht war Leo-Schatzi?« Er schenkte mir eines seiner schiefen Grinsen und klopfte mir vielsagend auf die Schulter. Gedankt wurde ihm diese Geste mit einem düsteren Blick und einem knappen geknurrten »klar« meinerseits. Er war so gut wie tot! »Du...du bist natürlich auch herzlich eingeladen,« stammelte Emily ausweichend in Richtung Flo, der sichtlich seinen Spass zu haben schien und nun noch breiter grinste. »Oh. Ich muss mal nachgucken, ob ich noch etwas Zeit in meinem Terminplaner für dich finde, Süße.« Er legte lässig einen Arme um meinen Hals. »Anderenfalls muss ich meinen Kumpel hier eben alleine schicken, damit er sich um dich kümmert.« »Kannst du vielleicht endlich mal deine Klappe halten?« zischte ich gereizt und boxte ihm grob den Ellenbogen in die Rippen. Emily schien das alles mindestens genauso peinlich zu sein wie mir und warf immer mal wieder einen hilfesuchenden Blick zu ihren Freundinnen. Ein erleichtertes Seufzen entrann ihr, als die Schulglocke endlich zu den letzten beiden Stunden läutete und somit das Ende dieser Unterhaltung einleitete. »Ja...ähm...ich muss dann mal los,« erklärte sie hastig und murmelte noch etwas von wegen »wär schön, wenn ihr kommen könntet« in unsere Richtung (mir entging jedoch nicht, dass sie dabei einzig und allein mich ansah!). Dann machte sie sich mit ihrem laut vor sich hingiggelnden Gefolge auf den Weg und verschwand inter der nächsten Ecke. Zurückblieben ein zufrieden vor sich hingrinsender Flo und ich, der ich noch nicht wusste, ob ich wegen dieser peinlichen Aktion erst zur Staatstrauer ausrufen lassen oder meinen Ex-Besten-Freund sofort persönlich massakrieren sollte. Ungewollt entschied er diese Wahl für mich, indem er ein entzücktes Lachen von sich gab und leitete somit den Anfang seines Endes ein. -.- »Ist doch prima gelaufen!« »Ist doch prima gelaufen?« wiederholte ich den Satz einige Male und wurde dabei immer lauter. »Hast du jetzt eigentlich endgültig deinen Verstand verloren?« »Wer? Ich?« fragte er und zeigte mit den Fingern auf sich selbst. »Ja DU! Natürlich DU! Was sollte denn die Aktion?« »Was regst du dich so auf? Ich hab nur versucht dein Liebesleben mal wieder ein bisschen in Schwung zu bringen!«^^ »Hast du keine anderen Probleme?« herrschte ich ihn wütend an, was ihn allerdings wie gewöhnlich völlig kalt ließ. »Doch schon! Aber die sind bei weitem nicht so lustig wie deine!« »Ich hab mich wohl verhört!« »Jetzt krieg dich mal wieder ein!« versuchte er mich wieder zu beruhigen. »Ist doch alles gut!« Ich schnaubte. »Ja. Bis auf die Tatsache, dass du mich gerade vor Emily und versammelter Mannschaft lächerlich gemacht hast!« »Ach, und vor ihr rumzustehen und sie angaffen ist also nicht peinlich? Abgesehen davon hab ich sie dazu gebracht, dich zu ihrem Geburtstag einzuladen!« Ich wollte etwas erwidern, bemerkte dann aber, dass er Recht hatte. Sie hatte mich eingeladen! MICH! Nach all den Monate! Das war meine Chance! »Eigentlich solltest du mir dankbar sein,« stellte Flo fest und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich sagte nichts. Oh Gott! Sie hatte mich eingeladen! Augenblicklich wurden die anfänglichen Glücksgefühle von einer ziemlich großen Welle aus Panik geflutet. »Sagst du mal was?« »Oh Gott!« platzte es aus mir heraus. »Was?« Flo wirkte verwirrt. »Was soll ich denn jetzt machen?« »Wie was sollst du machen?« »Na...wegen ihr!« »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?« »Doooch!« jammerte ich verzweifelt los. »Du bist so ein Loser!« -.- Er verdrehte die Augen. »Ich kann das nicht!« »Natürlich kannst du das! Ist ganz einfach!« »Eben nicht,« quengelte ich weiter. »Machs einfach genauso wie bei Xiu!« »Xiu war was anderes! Xiu ist...war...keine Ahnung...eben was anderes!« Meine Stimme war mittlerweile sicher schon wieder bei der Höhe des Mount Everests angelangt. »Ich glaubs einfach nicht!« stöhnte Flo und schüttelte verständnislos den Kopf. »Du musst mir unbedingt helfen!« flehte ich und klammerte mich an seinen Arm. »Hast du das nicht schon mal Cem gefragt?« »Kann sein! Aber du bist mein bester Freund! Du MUSST mir helfen!« »Vor einer Minute warst du noch stinksauer und hast gefragt, ob ich keine anderen Probleme hab!« Er hob eine Augenbraue. »Ja und jetzt sage ich, dass ICH dein Problem bin!« »Alter...Du bist so kompliziert!« »Ich weiß...« Wieder begann ich rumzujammern. Ein amüsierter Ausdruck huschte über das Gesicht meines Freundes. »Jajajajaja...Ist ja gut! Ist ja gut! Ich komm mit!« Die letzten beiden Stunden brachte Flo dann damit zu mir zu erklären wie ich mich bei Emily zu verhalten hatte, was ich anziehen sollte und welche tragende Rolle er bei diesem Szenario einnehmen würde. Meine anfängliche Panik war verflogen, doch bedrückte mich immer noch dieses lästige mulmige Gefühl in der Magengegend. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich mir einen Fluchtplan überlegte, durch den ich ungehindert und vor allem ungesehen zu den Bandproben gelangen konnte. Ich hatte vor meine Ausrede diesmal etwas authentischer zu gestalten und tischte Flo und den anderen deshalb die Geschichte auf, dass ich noch dringend zum Zahnarzt müsste. Natürlich glaubten sie mir und so stand ich noch an der Bushaltestelle, um meinen Freunden einen liebevollen Alibiabschiedsgruß zu winken und rannte dann, nachdem sie endlich alle verschwunden waren, zurück in die Schule. Ich versuchte den wenigen Schülern, die für den Nachmittagsunterricht noch geblieben waren, so gut es ging aus dem Weg zu gehen und schaffte es trotz allem pünktlich (!) die Aula zu betreten. Im Saal war es ruhig. Zu ruhig! Es war keiner da! Wollten die mich jetzt eigentlich alle verarschen? -.- Genervt schlich ich entlang der Stuhlreihen und bemerkte dann erleichtert eine kleine schwarze Person unter der Bühne sitzen. Mein Magen verkrampfte sich leicht, als bei Fynns Anblick erneut die Erinnerung an gestern Nachmittag zurückkehrte. Ich nahm mir jedoch vor ihn nicht darauf anzusprechen. Wenn er darüber reden wollte, würde er es ja schon von sich selbst aus tun. Fynn bemerkte mich erst, als ich direkt vor ihm stand und blickte erschrocken auf. Dunkle Ringe zierten seine Augen, als ob er die ganze Nacht nicht geschlafen hätte. Gut! Dann ging es ihm ähnlich wie mir. »Hi,« grüßte ich ihn knapp und zwang mich zu einem Lächeln. Fynn tat es mir gleich, versuchte aber gekonnt meinen Blick zu meiden. Es schien ihm peinlich zu sein von mir gesehen zu werden. Ich versuchte es zu ignorieren und ließ mich mit all der mir gegebenen Gelassenheit neben ihm nieder, wobei ich trotz allem einen gewissen Sicherheitsabstand wahrte. »Wo sind die anderen?« wollte ich dann eher beiläufig wissen. Wieder schaute er nur kurz auf. Sein Blick ging starr an mir vorbei. »Alex muss noch was erledigen,« antwortete er mit monotoner Stimme. »Und Seiji?« Er zuckte die Achseln. »Nachsitzen.« »Oh.« Ich musste grinsen. Irgendwie passte das zu dem aufgedrehten Japaner. Wir schwiegen einige Minuten. Ich beobachtete Fynn aus dem Augenwinkel. Er blätterte in einem Ordner. Mir fiel auf, dass es der selbe war, den auch Alex schon vor zwei Tagen bei sich gehabt hatte. »Was ist das?« fragte ich ruhig. Irgendwie kam ich mir nervig vor. O_o Er hob den Kopf und blickte einige Male abwechselnd zwischen dem Ordner und mir hin und her. »Ähm...das sind...,« begann er stockend. Er wirkte verlegen und schien es mir im ersten Moment nicht sagen zu wollen. »Das...Das sind unsere Songs.« Ich hob verwundert die Augenbrauen. »So viele!« Der Blätterstapel war bestimmt einen Zentimeter dick. »Na ja...es sind...Sie sind nicht alle vollständig.« Er presste die Lippen aufeinander und überlegte kurz. Ich starrte einen Augenblick auf den Ordner in seinen Händen. »Willst du...Willst du sie sehen?« bot er mir zögerlich an. Auf seinen Wangen bildete sich ein leichter Rotschimmer ab. Junge...das war ja fast schon niedlich!............. ............................O.o Nein war es nicht!!!!!! Herrgott! Mein Gehirn hatte sich schon wieder verflüchtigt! Ich schüttelte zur Gedankenbeseitigung kurz ruckartig den Kopf und versuchte wieder zu lächeln. »Klar!« Er reichte mir behutsam den Stapel und wartete dann schweigend meine Reaktion ab. Interessiert blätterte ich durch die Seiten und hielt hie und da inne, um mir einige Zeilen der Texte durchzulesen. Sie waren gut. Zwar genauso wie ich sie mir vorgestellt hatte, aber gut. Die meisten handelten von Liebe, Trauer und Enttäuschung, ähnlich dem Tagebuchsaufschrieb einer sehr emotionalen Person. Ich konnte mir schon vorstellen, wer sie geschrieben hatte. »Sind die alle von dir?« fragte ich, nachdem ich einen der Songs fertiggelesen hatte. Viele der hinteren Seiten waren nur mit Entwürfen und Kritzeleien beschrieben. Die meisten konnte ich nicht lesen. »Der Großteil,« antwortete er knapp. Er hob kurz die Schultern. »Na ja. Einige sind auch von Alex und Seiji...Aber die meisten...« Er ließ den Satz unbeendet. Ich hatte ihm nur mit halbem Ohr zugehört. Meine Gedanken waren wo anders, mein Blick starr auf die Zeilen einer der Kritzeleinen gerichtet. Sie waren fast nicht zu erkennen, da sie schon stark verwischt waren. Aber einige Worte stachen ganz klar heraus. >Ich hasse diesen Schmerz. Ich liebe ihn. Er gehört mir allein. Er ist das einzige, was mir geblieben ist. Er zeigt mir dass ich lebe, dass ich fühle, dass ich bin. Er vertreibt diese unendliche Stille tief in mir. Ich liebe ihn.< Mehr konnte ich nicht erkennen. Gedankenversunken wiederholte ich die Sätze einige Male. Meine Hände ballten sich krampfhaft zu Fäusten. Ich spürte wie sich ein dicker Knoten irgendwo in meinem Magen schnürte und mir dieses widerliche Gefühl von Leere verschaffte. Hier waren ganz eindeutig Fynns Gedanken und Sehnsüchte beschrieben. Er verarbeitete alles, was er fühlte in seinen Songs. Und diese zeigte er dann allen anderen. Es kam mir fast so vor wie ein Hilfeschrei. Als ob er hoffen würde, dass dadurch endlich jemand auf ihn reagierte. Warum tat es denn niemand? Es war doch so offensichtlich! Sie mussten nur zuhören. Ich spürte wie mich wieder das Mitleid vom Vortag überkam. Was, wenn ich Recht gehabt hatte und sie einfach nicht reagieren wollten? Sie sahen, dass es ihm schlecht ging. Er zeigte ihnen, dass es ihm schlecht ging. Und doch taten sie nichts. Keiner von ihnen. Kein einziger! Er wusste es wohl. Und deshalb war er so fertig! Er würde so laut schreien können wie er wollte. Niemand würde ihn jemals hören! Ich schluckte und mir lief ein Schauer über den Rücken, als mir auffiel, dass es doch eine Person gab, die auf ihn reagiert hatte. Warum auch immer? Ich hatte gestern in der Gasse nicht einfach die Augen verschlossen und war gegangen. Nein! Ich war bei ihm geblieben. Und ich hatte ihm geholfen. Ich würde ihm immer wieder helfen. Er war so allein. Irgendjemand musste es doch tun! Ich seufzte. Irgendwie hatte dieser Gedanke etwas versöhnliches und doch hatte ich plötzlich das dumpfe Gefühl mich an etwas gebunden zu haben, von dem ich mich nicht mehr so leicht lösen konnte; als hätte ich einen imaginären Vertrag zwischen Fynn und mir unterzeichnet. »Stimmt etwas nicht?« Fynn musterte mich fragend. Ich musste wohl ziemlich lange auf den Text gestarrt haben. Peinlich berührt schüttelte ich kurz den Kopf und blätterte schnell wieder einige Seiten nach vorne. Ich stieß auf einen Song, der mir irgendwie bekannt vorkam. Sein Titel lautete >Torture<. Ich wandte mich wieder an Fynn. »Habt ihr den schon mal gespielt?« fragte ich nach kurzem Überlegen. Fynn warf einen verblüfften Blick auf das Blatt und schüttelte dann den Kopf. »Nein.« Ich zog die Augenbrauen zusammen und er fügte noch etwas hinzu. »Aber ich hab ihn vorgestern einmal gespielt...« Er machte eine kurze Pause. »Als du hier warst.« Ich runzelte die Stirn. Na klar! Er hatte den Song gespielt, als ich die drei heimlich beobachtet hatte. Zu meiner Schande hatte ich mir ja sogar eingestehen müssen, dass er mir gefallen hatte. -.- Ich lächelte. »Der ist echt gut! Von dir?« Er nickte und ich bemerkte wie sich abermals ein leichtes Rot auf seine Wangen schlich. Mein Grinsen wurde breiter. Ja es war alles in bester Ordnung mit mir!!!!! 0_0° Fynn überlegte kurz und sein Gesicht nahm plötzlich einen fast schon erwartungsvollen Ausdruck an. »Willst du...Willst dus mal probieren?« »Was? Du meinst ich soll singen?« Er nickte knapp. »Ich helf dir auch. Warte!« Er stand auf und verschwand hinter der Bühne. Wenige Sekunden später kehrte er mit seiner Akustik-Gitarre zurück und setzte sich wieder neben mich; diesmal näher, als zuvor. Mein Herz machte einen ungewollten Aussetzer. Was, um alles in der Welt, war denn jetzt schon wieder los? >Böses Herz! Schlag weiter! Es ist nur ein Kerl!< -.-° Ich rutschte unauffällig wieder einige Zentimeter weg von ihm und versuchte mich dann auf die Zeilen des Textes zu konzentrieren. »Kannst du dich an die Melodie erinnern?« Ich nickte. »Einigermaßen.« »Ich zeigs dir noch mal!« Der Anflug eines kleinen Lächelns stahl sich kurz auf die Lippen des Schwarzhaarigen. Mir fiel auf, dass es das erste Mal war, dass sich seine Züge überhaupt aufhellten. Leise begann er einige Riffs auf der Gitarre zu spielen. Dann wandte er sich wieder an mich. »Wollen wir...?« Ich gab ein unsicheres Lachen von mir. »Okay!« Er räusperte sich. »Die ersten Töne sind etwas tiefer,« erklärte er und begann dann einige Zeilen vorzusummen. Dann stoppte er und wiederholte den Teil, bis ich langsam versuchte es ihm nachzuahmen. Als er irgendwann verstummte, versuchte ich die Worte des Textes zaghaft in die Melodie umzusetzen und wir begannen erneut von vorn. Es war ein komisches Gefühl. Ich hatte den Song so noch nie richtig gehört und dadurch, dass ich ihn selbst sang hatte er irgendwie so etwas... na ja...persönliches eben. Ich konnte selbst beeinflussen wie er zu klingen hatte, und ich spürte auch wie ich von mal zu mal immer besser in ihn hinein kam. Irgendwie wars ja schon verdammt cool ^.^° Nach einiger Zeit machte ich mir nicht mal mehr Sorgen, dass irgendjemand reinkommen und uns sehen könnte. Die Spannung fiel einfach von mir ab und ich musste zugeben, dass ich mich eigentlich richtig wohl bei der Sache fühlte. Ich hatte es doch gesagt! Freak eben. Und mich störte das nicht einmal! O_o Irgendwann stimmte Fynn in den Refrain mit ein; nur im Hintergrund und etwas leiser, aber ich merkte überrascht, dass wir uns tatsächlich gar nicht mal so schlecht anhörten. Zusammen vor allem. Oje. Ich lief schon wieder rot an. Aber es war halt so toll. Es hörte sich schön an, wenn er sang. Ich wollte ja fast schon selbst aufhören, um mich nur noch auf seine Stimme konzentrieren zu können. Immer öfter wandte ich kurz den Blick von dem Text ab, um Fynn beobachten zu können. Ich bemerkte, dass er es ähnlich tat und seine Augen ständig von den Saiten der Gitarre zu mir wandern ließ, bis sie schließlich an mir haften blieben. So. Und da war es dann auch endgültig vorbei bei mir. Ich hatte schon wieder zu starren begonnen. Wie konnte er nur so unfair sein und mich mit diesen Augen ansehen? >Guck weg! Bitte guck weg! Sonst verlier ich noch die Beherrschung und...< Und was? ...würde ich über ihn herfallen? ...würde ich ihn...? WAHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!O_o In meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Das heftige Kribbeln überall in meinem Körper nahm ich nur am Rande wahr. Was waren das für scheiß Gedanken? Die sollten weg! Auf der Stelle! So etwas dachte man nicht! Er war ein...ja er war eben ein ER! Und ich war auch ein ER! Wir waren in der Tat beide ERs! Und deshalb durfte ich so etwas nicht denken...Das war doch absurd! Nein! Das war krank! Ich war nicht schw... Der Song endete und ich hörte plötzlich 4 heftig klatschende Hände und begeistertes Gerede, das ich im Moment allerdings noch nicht verstand. Das merkwürdige Nichts um mich herum verschwamm und ich fand mich in der großen Aula wieder. Die beiden blauen Augen vor mir wandten sich ab. Verwirrt blickte ich in die selbe Richtung wie sie es taten. Alex und Seiji standen am Eingang. Sie schienen uns beobachtet zu haben und vor allem Alex kam jetzt euphorisch auf uns zugehastet. »Ihhhhhhhhhhhhhhhhhr seiiiiiiiiiiiiiiiiid tooooooooooooooll!« Seine Stimme überschlug sich fast. Ich spürte wie das Rot in meinem Gesicht noch roter wurde (wenn das überhaupt noch möglich war O_o), diesmal jedoch nicht aus Scham, sondern vielmehr aus Verlegenheit. »Hab ich’s euch nicht gesagt? Hab ich’s euch nicht gesagt? Ich weiß. Ich habs euch gesagt! Aber: Hab ich’s euch nicht gesagt? Oh mein Gott, ich bin so guuuuut!« »Was hast du uns gesagt?« fragte Fynn mit einem leicht genervten Tonfall in der Stimme. »Dass ihr zwei einfach perfekt zusammen passt!« Er grinste zufrieden mit sich selbst und hatte dabei keine Ahnung, dass seine sicherlich anders gemeinte Aussage erneut für viel Durcheinander in mir sorgte. Fynn dagegen schien sie wohl genauso verstanden zu haben wie Alex sie gemeint hatte und versuchte den Blonden eiligst wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen. »Krieg dich wieder ein! Ich hab ihm nur die Songs gezeigt!« Auch in seiner Stimme lag eine kleine Spur Verlegenheit. »Ach papperlapapp!« winkte Alex ab. »Du willst dir nur nicht eingestehen, dass ich mit ihm Recht hatte! Und du übrigens genauso wenig!« Er zeigte auf mich, wodurch ich leicht zusammenzuckte, aber gottseidank endgültig aus meiner Starre erwachte. Ich hatte jedoch keine Zeit mehr mich gegen ihn zu wehren, da der Ältere, weiter vor sich hinbabbelnd wie gerissen er doch war, auf die Bühne wuselte und dort verschwand. Seiji, Fynn und ich guckten ihm leicht perplex hinterher. »Er ist nicht ganz einfach,« sprach Seiji dann schließlich aus, was wir alle drei dachten und lächelte ungläubig in Alex´ Richtung. »Ein bisschen übermotiviert würde es genauer treffen,« antwortete ich und kratzte mich am Kopf. »Aber gut wart ihr trotzdem,« grinste der Japaner dann und kniete sich zu uns nieder. »Also ich finds cool, dass du jetzt bei uns bist.« Auch ich lächelte zögerlich und er reichte mir, wie Fynn am Vortag schon, die Hand. Den Freitag Nachmittag verbrachte ich ebenfalls bei den Proben. Nicht mehr lange und ich zog in der Aula ein! Seit er Fynn und mich gehört hatte, war Alex völlig aus dem Häuschen. Aus diesem Grund bombardierte er mich auch seit Donnerstag mit Songtexten, die ich doch bitte bis zur nächsten Woche lernen sollte. Ganz ehrlich? Der konnte mich mal! Mindestens die Hälfte hatte ich abgelehnt, doch übrig blieben immer noch 6 Stück. Hatte ich zu viel Freizeit oder was? Dabei fiel mir auf, ich machte den ganzen Scheiß ja tatsächlich in meiner Freizeit. Hui! Ein weiteres Indiz für meine Mutation zum Freak! Aber hach...was sollte es? Mittlerweile versuchte ich das alles sowieso nur noch mit einer ganzen Menge tiefschwarzem Humor zu betrachten. Anderenfalls hätte ich wohl sofort den Strick holen können O_o Und so tat ich wie mir geheißen und lernte während des Samstags einige Texte (was hätte ich ja auch sonst tun sollen? Mathelernen? Ha...-.-). Während der Proben hatten die drei mir die Songs vorgespielt, damit ich wenigstens wusste wie sie klangen. Später war dann Alex auch noch auf die wahnsinns tolle Idee gekommen mich gleich mitmachen zulassen, was natürlich gründlich misslang. Gott war das alles peinlich! Dieser Kerl nervte mich so dermaßen mit seiner übereifrigen Art! Nachdem ich dann den ganzen Nachmittag damit verbracht hatte mir irgendwelche Texte zu Gemüte zu führen und durch diese fast noch depressiver wurde, klingelte um halb neun plötzlich das Telefon und ein völlig entgeisterter Flo brüllte, ohne auch nur mal kurz »hallo« zu sagen, in den Hörer, sodass ich nun rechtsseitig taub war. »Wo um alles in der Welt steckst du?« »Woah! Flo! Sag mal! Geht’s noch?« »Obs noch geht?« empörte sich mein Freund. »Du wolltest seit einer halben Stunde da sein!« »Da sein? Wieso?« »Äh...Wieso-o?« Ich hörte im Hintergrund wie Xiu versuchte ihren Freund zu beruhigen. »Vielleicht, weil wir ZU DER PARTY VON EMILY WOLLTEN!« Party? Party. Party! Scheiße! Omg. Wie konnte ich das nur vergessen? Hier ging es doch nicht um irgendeine 0-8-15-Party von irgend so einem Loser! Nein! Hier ging es um Emilys Party! Wahhhhh! War ich denn noch bei Sinnen? Ich schrie entsetzt in den Hörer und maulte erst mal darauf los, warum Flo nicht schon früher angerufen hatte. Dann legte ich mit einem schnellen »ich bin gleich da« auf und rannte zu meinem Kleiderschrank. Rasch zog ich mir eine schwarze Hose und ein blaues T-Shirt über und richtete dann im Spiegel meine Haare, was leider nicht mehr möglich war. Sie standen wirr ab und ließen sich nicht mal mehr durch einen Kamm dazu bewegen gerade zu liegen. Egal. Ging auch so. Ich schnappte meine Autoschlüssel und stürmte aus dem Haus in Richtung Garage. 10 Minuten später erreichte ich Flos Haus, vor dem eben dieser und Xiu bereits warteten. »Hey. Tut mir echt Leid!« sagte ich und lächelte unsicher. »Ja ja und mir tuts erst Leid!« murrte der Schwarzhaarige und stieg ein. »Mich erst vollheulen und sagen, dass ich unbedingt mitkommen soll und dann nicht auftauchen. Du bist zur Zeit wirklich mehr, als komisch!« »Ich bin eingeschlafen, Mann...sorry!« Ja gut! Schlechte Ausrede. Aber hätte ich ihm sagen sollen, dass ich es vergessen hatte. Nie im Leben! Weitere 10 Minuten später kamen wir dann an der Festhalle an, die Emilys Eltern für die Party gemietet hatten. Einige Leute standen draußen und unterhielten sich oder rauchten. Ich sah mich interessiert um. Es waren viele da, die ich kannte. Die meisten waren aus der 11., aber ich konnte auch einige wenige aus meinem Jahrgang erkennen. Ich schloss den Beetle ab und folgte Xiu und Flo zu der großen schwarzen Eingangstür. Laute RnB-Musik war von innen zu hören und ein großer Schwall stickiger Luft kam mir entgegen, als wir die Tür öffneten und eintraten. Die Party war in vollem Gange. Ein leicht schummriges Licht erhellte den Saal. Es war jedoch nicht viel zu erkennen, da die Luft ganz milchig trüb durch den Nebel war, der wohl von einer Maschine erzeugt wurde. Auf der Tanzfläche standen die Leute eng aneinander gereiht und tanzten ausgiebig. Ich heftete mich an Xius Fersen, die geradewegs auf Emily zusteuerte, die an der Bar mit einer Flasche Bier in der Hand saß. Um sie herum hatte sich eine große Gruppe Jungs geschart, die sie allesamt zuquatschten...Arschlöcher! -.-° »Hi Xiu!« rief sie entzückt, als sie unsere Gruppe erblickte und tänzelte in ihrer unnachahmbaren Art auf uns zu. Sie trug ein schlichtes hellblaues Kleid, das stark ihre Figur betonte und dazu dunkelblaue hochhackige Schuhe, sodass sie größer wirkte, als sie eigentlich war. Stürmisch umarmte sie Xiu und drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Wange. Xiu tat es ihr gleich und überreichte ihr dann unser Geschenk...Was hatten wir ihr eigentlich geschenkt? Hmm...konnte mich gar nicht erinnern. War das schlecht? O_o Sie verschwand kurz hinter den Tresen und brachte das Geschenk zu den anderen, welche sie allesamt noch nicht angerührt hatte. Als sie wiederkehrte schien sie wohl erst zu bemerken, dass auch Flo und ich dastanden. Uiii. Wie süß. Also ich konnte es bei dem schwachen Licht ja nur schlecht erkennen, aber sie wurde gerade mit absoluter Sicherheit schon wieder rot! ^.^ »Oh...Hi!« lächelte sie. »Hey! Alles Gute wünsch ich dir!« plauderte Flo fröhlich und streckte ihr die Hand hin. Sie erwiderte die Geste und wandte sich dann mir zu. »Hallo!« »...« Stimme? Stimme? OMG. Wie funktionierte das noch mal mit der Stimme? Also...den Mund aufmachen, einatmen und irgendwie versuchen die Stimmbänder zu aktivieren...>Ach komm schon Leo! Stell dich nicht so an!< »Hallo,« piepste ich. Mannooo! Gings eigentlich noch peinlicher? Erst die Party vergessen und jetzt nicht reden können. Irgendwie war es ja schon geheuchelt. »Ähh....Alles Gute!...Wünsch ich dir natürlich auch!« Das war ein ganzer zusammenhängender Satz! Beeindruckend! Emily lächelte. »Danke! Seid ihr schon lang hier?« »Gerade erst gekommen,« antwortete ich. »Jaha!« lachte Flo. »Leo hats ein bisschen verpennt, deswegen sind wir etwas später dran!« Ich wandte meinen Kopf in Flos Richtung und zischte ihm nur ein leises »danke Flo« zu. Er grinste böse. Arsch! Einfach nur Arsch! Emily kicherte kurz und setzte dann wieder an, um etwas zu sagen... »Ähm Emily. Hättest du Lust mit mir zu tanzen?« sagte NICHT ich. Nein! Es war einer dieser unverschämten Lackaffen, die hinter ihr standen. Irgend so ein Goldlöckchen...-.- Sie sah einige Male zwischen mir und ihm hin und her, dann lächelte sie erneut und nahm seine Hand. »Gerne.« Er führte sie zu der Tanzfläche und sie verschwanden in der Menschenmasse. Ich musste gerade gucken wie so eine Kuh. Nein wirklich. Das war doch unfair! Ich hatte nicht mal die Chance gehabt irgendwas zu machen, da war sie schon wieder weg. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Abend mehr, als schlimm werden würde. »Möchte mir kurz jemand den Gefallen tun und mich erschießen?« fragte ich in monotoner Stimme, während ich immer noch in die Richtung schaute, in der Emily und Arschloch eben verschwunden waren. Ich hörte neben mir wie meine unglaublich illoyalen Freunde begannen zu lachen. »Was?« giftete ich. »Wie wärs, wenn du dich zur Abwechslung mal nicht anstellst wie ein Vollidiot?« spottete Flo und erntete einen hasserfüllten Blick meinerseits. »Jetzt mal ehrlich: Geh hin und frag sie auch! Das wird doch wohl nicht so schwer sein.« »Ach was! Ich mach gar nichts mehr!« murrte ich und wandte mich der Bar zu, um etwas zu Trinken zu bestellen. Irgendwas Hochprozentiges musste jetzt her. Und zwar schnell! Ich spürte den Blick der anderen auf mir. »Hast du jetzt vor dich zu betrinken?« hörte ich Xius Stimme vorwurfsvoll sagen. Ich hob kurz die Schultern und nickte dann. »Jap! Gute Idee oder?« »Du kannst doch nicht...!« »Na na na!« wurde sie von Flo unterbrochen. »Wenn er das jetzt will, dann lass ihn auch!« »Genau! Du bist nicht meine Mutter!« stimmte ich meinem Freund zu und war ihm dankbar für seine Hilfe, warum auch immer er sie mir gewährte. o_O Ich vernahm noch wie Xiu vor sich hinmurrte und sich furchtbar über mein unvernünftiges Verhalten aufregte und bestellte mir dann irgendeinen Cocktail. Die beiden verschwanden ebenfalls auf der Tanzfläche und ließen mich allein mit meinem Sex on the Beach an der Bar zurück. Lonely I'm so lonely, I have nobody, To call my own I’m so lonely, I'm Mr. Lonely I have nobody, To call my own I'm so lonely Hahahahaha! Ich lachte mich ja gleich tot! Warum spielten die solche Lieder überhaupt auf Geburtstagspartys? War ja mal voll deprimierend! Ich blickte mich kurz um und erkannte schwummrig wie sich die eng umschlungenen Paare auf der Tanzfläche langsam bewegten. Lustige Lichter umflackerten sie und ließen alles irgendwie unreal wirken. Huiiii! Der letzte Vodka Lemon war vielleicht doch nicht so gut gewesen. Die waren alle etwas wackelig auf den Beinen. Ich blickte kurz auf meine Uhr. Es war schon kurz nach 11. 11 Uhr und ich war dicht! Na das hatte ich doch super hingekriegt. Emily erschien mir auch plötzlich gar nicht mehr so wichtig... Okay... Sie war das Wichtigste hier. Aber sie war nicht da. Nur ich war da. Und sie war es nicht. Sie war mit Arschloch tanzen! Und ich war hier. Allein... Nein nicht ganz allein! Es saßen noch ein paar andere traurige Personen hier an der Bar und versuchten sich die Birne wegzukippen. Aber alles in allem...Ich war allein. Und Emily war tanzen und ich saß hier...Irgendwie dachte ich im Kreis. Hmm. Komisch. Musste am Alkohol liegen. o_o »Na wie gehts dir?« Ich blickte mich leicht perplex um und erkannte Flo, der sich lässig an die Tresen der Bar lehnte. »Oh schön, dass du dich auch mal wieder blicken lässt, mein >FreundIst alles in Ordnung mit dir?< Das hatte Flo gefragt, kurz bevor ich gegangen war. Ich schüttelte den Kopf und schaute ungläubig lächelnd in die tiefschwarze Nacht. Die Tränen hörten nicht auf zu fließen. »Nein Flo!« flüsterte ich leise. »Gar nichts ist in Ordnung mit mir! Ich hab mich doch tatsächlich in einen Kerl verliebt!« --------------------------------------------------------------------------------- Jap das wars....bisschen lang aber blaaaa^^ hihi Hoffe es hat euch gefallen :D Sooooo...dann mal ab ans nächste Kapi O_o hmm..weiß noch gar nich genau wie ich weiter mach O_o nur in etwa so grob ... würd mich wieder über vieeeeeeeeeeeeeeeele Kommies freuen *mal wieder Keksdose hinstell*^.^° Ich liebe euch ihr Lieben ^__________^ Lg Giluli Kapitel 5: Vertrauen -------------------- Huhuuuu *wink* Mal wieder ein neues Kapi ^____^° Mann hätte nicht gedacht, dass das jetzt so schnell geht^^...ich glaub ich hab jetzt das ganze Wochenende lang durchgeschrieben O_o egaaal^^ ist nicht so viel wie das letzte Mal, aber irgendwie kam mir das jetzt abgeschlossen vor...also *trommelwirbel* tattaaaaaaaaaaaaa!!!!!!! Ich präsentiere Kapitel 5...omg ich laaaber...ich hab glaub zu viel Schoki gegessen O_o --------------------------------------------------------------------------------- Kapitel 5: Vertrauen »Wie? Du musst schon wieder zum Zahnarzt?« Chris hob misstrauisch die rechte Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Pausenhof war gerammelt voll. Die vielen Schüler hatten endlich Schluss und machten sich nun allesamt auf den Weg in die Stadt. Ebenso wie meine Freunde und ich. »Nein! Nicht Zahnarzt! Ich muss einfach so zum Arzt!« Ich hustete und versuchte eine kränkliche Mine aufzusetzen. »Weißt du, mir geht’s nicht so gut.« Der Blonde verdrehte den Kopf. »Ich weiß, dass es dir nicht so gut geht, aber das hat weniger was mit deiner Gesundheit, als viel mehr mit deinem Hirn zu tun!« »Auch ein Grund zum Arzt zu gehen, oder?« Ich lächelte unschuldig und spielte mit den Fingern nervös an meinem Jackenbändel rum. Verdammt. War ja wohl klar, dass sie irgendwann mal nachfragen würden. Seit eineinhalb Wochen brachte ich fast täglich neue Ausreden, um den Nachmittag ohne sie zu verbringen und mich dafür lieber mit der Band zu treffen. Schon nervig, wenn man nicht sagen durfte, wo man immer hinging. »Aber in Psychologie kommst du schon, oder?« erkundigte sich Flo von der Seite. Ich nickte eifrig und lächelte. »Klaro. In 2 Stunden bin ich wieder da und wir haben ja erst um 4.« »Was machst du bitte 2 Stunden beim Arzt?« funkelte Chris mich argwöhnisch an. Mann musste dieser Kerl so dermaßen misstrauisch sein? »Im Wartezimmer sitzen und warten!« keifte ich die Antwort. Ja. Er nervte mich! -.- »Und das sollte ich eigentlich ziemlich bald tun. Habs eilig.« Ich tat so, als würde ich in die andere Richtung gehen müssen und drehte mich noch mal kurz um. »Bis nachher!« Ich winkte und verschwand auf dem Pfad zu den Parkplätzen. Hach. Hatte ich denen das wieder schön vorgespielt. Jetzt noch 20 Minuten warten, bis sie endgültig alle verschwunden waren und dann ab zurück zur Schule! Ich versteckte mich so lange zwischen den Büschen und döste, an einen Baum gelehnt etwas vor mich hin. Dann schaute ich noch mal auf den Pausenhof, um zu checken, ob die Luft rein war und rannte hinauf in die Aula. Seiji und Fynn warteten bereits. »Huhuuu!« rief ich und trat ein. Mittlerweile war es mir nicht mehr so unangenehm bei ihnen zu sein. Irgendwie war ich ihnen gegenüber auch nicht mehr so abweisend wie zuvor. O_o Es war jetzt Freitag und ich hatte doch tatsächlich die komplette letzte Woche jeden Tag mit ihnen zusammen verbracht. Wir hatten einige Songs geprobt. Zwei davon, so musste ich zugeben, klangen sogar ziemlich gut und es machte mir von Tag zu Tag mehr Spass, was einen nachträglichen Ausstieg aus der Band allerdings endgültig unmöglich machte. Was Fynn anging, so verhielt ich mich ihm gegenüber >normaler<, als ich erwartet hatte. Gut. Ab und zu hatte ich gewisse Schwierigkeiten vollständige Sätze in seiner Gegenwart zu formulieren und noch schlimmer war es Sätze von anderen zu verstehen, wenn er mich gerade wieder mal mit diesen unbeschreiblich schönen Augen ansah, aber ich musste doch zugeben, dass die Einsicht, dass ich mich tatsächlich Hals über Kopf in einen Kerl verliebt hatte, mich weniger missmutig stimmte, als ich zunächst angenommen hatte. Im Gegenteil. Ich genoss es sogar regelrecht die viele Zeit mit ihm zu verbringen, was einerseits erschreckend, andererseits aber auch irgendwie wunderschön war. Hach. Frühlingsgefühle waren schon was tolles. Ich konnte ihm ja fast nicht mal böse sein, dass er mich zur Tunte gemacht hatte. ^^° Die beiden sahen auf. »Hey,,« sagte Seiji und winkte kurz. »Auch schon da?« »Ja...auch schon da! Hatte noch was zu erledigen.« »Schon blöd, wenn man den eigenen Freunden nicht erzählen kann, was man macht,« lachte der Japaner. »Jaaaa,« antwortete ich zerknirscht und sah mich um. »Wo ist Alex?« »Keine Ahnung, er meinte er kommt etwas später und...« »Hallo Leute!« unterbrach ihn eine fröhliche Stimme und wir drehten uns alle erneut zum Eingang. Ihhh. Gute Laune. -.- »Woah! Ich hab echt geile Neuigkeiten! Fallt mir nicht in Ohnmacht, wenn ich euch das erzähle!« plauderte Alex fröhlich drauf los und kam auf uns zugetänzelt. Wir sahen ihn alle mit großen Augen an, jedoch wartete er gar nicht erst auf eine Reaktion unsererseits. »Ich war gerade beim Rektor uuuuuuund...Wir dürfen spielen...beim Stadtfest nächste Woche!« Er grinste wie so ein Honigkuchenpferd. Eine kurze Stille trat ein, dann begann Seiji laut loszujubeln. »Das ist ja genial!« Er sprang wild auf und ab, als wäre er ein kleines Kind, und warf sich Fynn etwas überschwänglich um den Hals. Dieser ließ sich wie üblich nichts anmerken, doch glaubte ich auch bei ihm den kleinen Anflug von Freude erkennen zu können. Ganz im Gegensatz zu mir, der ich augenblicklich aus allen Wolken fiel und Alex entgeistert anstarrte. »Das geht nicht!« Die anderen musterten mich irritiert. »Was geht nicht?« fragte Alex stirnrunzelnd. »Na das! Wir können da nicht spielen...ich mein,...ich kanns zumindest nicht!« Ich schwieg kurz, sprach jedoch weiter, als ich bemerkte, dass keiner von ihnen etwas sagen würde. »Leute...Da werden alle da sein. Meine Freunde, die ganze Stadt, mein VATER! Wisst ihr, was der mit mir anstellt, wenn er das rauskriegt?« »Dein Vater weiß nichts davon?« sagte Seiji verwundert. »Gott! Natürlich nicht! Niemand weiß davon!« Alex hob gespielt anerkennend die Augenbrauen. »Respekt! Du glaubst wirklich, dass du das mit deiner Heimlichtuerei durchziehen kannst.« Ich warf ihm einen missbilligenden Blick zu. »Alex, es tut mir Leid! Aber ich kann nicht einfach alles aufs Spiel setzen.« »Und was hattest du dann vor? Ab und zu mal hier auftauchen und bei den Proben mitmachen?« Der Blonde verdrehte den Kopf. »Nein...Ich...ach, keine Ahnung, was ich vorhatte...aber ich kann doch nicht...« Ich schaute verunsichert zu Fynn. Der Schwarzhaarige wirkte nachdenklich und kaute abwesend auf seinem Lippenpiercing rum. »Mach, was du willst!« Er zuckte die Achseln. »War ja von Anfang an klar, dass es so abläuft.« Der offensichtliche Ausdruck von Enttäuschung huschte kurz über das schmale Gesicht dieses unbeschreiblich gut aussehenden Jungens und ich spürte abermals wie es in meiner Brust heftig zu ziehen begann. Herrgott! Er tat es schon wieder! Seit einer Woche zog dieser Kerl doch tatsächlich jedes mal, wenn ich zu irgendetwas >nein< sagte, diese Mitleidstour mit mir ab und wusste dabei nicht mal wie durcheinander er mich damit eigentlich brachte. Aber wer würde bei solchen Augen auch bitte nicht schwach werden? Das war ein Kampf! Den konnte ich einfach nicht gewinnen! Schon gar nicht, weil überall in mir drin schon wieder sämtliche Sirenen aufheulten und eine wütende Stimme in meinem Kopf schrie >Du Arschloch! Wag es ja nicht Fynn traurig zu machen, sonst kannst du was erleben!< War es krank, dass ich schon wieder mit mir selbst sprach? Ach was! Es gab nur eines, das krank war, nämlich, dass ich diesem kleinen schwarzhaarigen Vollidioten hoffnungslos verfallen war. Wie auch jetzt. Ich hasste mein Leben! ;____; »Weißt du was?« begann ich unsicher und gab ein wehmütiges Seufzen von mir. »Da wird schon keiner auftauchen, der mich sieht!« Fynn verengte die Augenbrauen. »Heißt das du kommst doch?« »Ja...klar...natürlich! Die würden doch eh nicht glauben, dass ich es bin, oder?« Eigentlich war es eine rethorische Frage. Dennoch hoffte ich irgendwie auf eine Antwort, die Alex mir dann zum Glück auch gab. »Nein! Ganz sicher nicht! Warum sollte sich auch jemand wie DU mit uns abgeben?« Da lag doch gerade nicht etwa eine gewisse Spur von Härte in seiner Stimme, oder? Gut sie war von sehr viel Sarkasmus erfüllt, aber er klang doch irgendwie beleidigt. Ich hatte Alex sauer gemacht? Dass ich das noch erleben durfte! *___* Wir schwiegen kurz, ehe Seiji die Stille unterbrach. »Wie läuft das denn dann eigentlich am Montag ab?« Alex wandte sich zu ihm. »Naja, also da findet irgend so eine Art Wettbewerb statt. Bands aus der ganzen Stadt bewerben sich und spielen jeweils eine halbe Stunde. Danach entscheidet eine Jury wer eine Runde weiterkommt und die Gewinner spielen am nächsten Tag wieder, bis am Ende der Woche ein endgültiger Sieger feststeht.« Er war nun wieder vollkommen bei der Sache und strahlte regelrecht. »Ist wirklich voll die geile Sache! Als Preis gibt es ein Treffen mit irgend so einem Talentscout!« »Wow. Mein Vater hat mal wieder Geld springen lassen.« Ich kratzte mich genervt am Kopf. Das Stadtfest fand jährlich jeweils eine Woche statt. Mein Vater war maßgebend an der Organisation beteiligt. Klar, als Bürgermeister musste er sich bei seinen lieben Wählern und Wählerinnen natürlich einschleimen und beliebt machen. Während dieser Woche wurden in der ganzen Stadt verschiedene Ereignisse und Events veranstaltet. Die Stadt wurde dabei in vier Areale aufgeteilt, in denen Stände aufgebaut wurden, Musik gemacht, Essen und Trinken verkauft wurde, und unterschiedliche Vereine sich vorstellten. Eigentlich war es ja immer sehr witzig gewesen, doch jetzt machte ich mir Sorgen. Die Wahrscheinlichkeit, dass mich dort niemand sehen würde war so ganz grob geschätzt gleich Null. Naja. Was sollte es? Irgendwann würde es ja wohl sowieso rauskommen. Ich musste mich meinem Schicksal beugen. War wohl besser so. Ich zuckte die Achseln und ging zur Bühne. »Na dann! Auf geht’s! Wir haben noch viel zu üben!« Die nächsten paar Stunden zeigte mir Fynn noch zwei weitere Songs, die ich so schnell wie möglich versuchte mir einzuprägen. Wir übten sie zunächst nur zu zweit, was schwer war, da ich mich seinetwegen fast gar nicht konzentrieren konnte, doch nach einer Weile hatte ich sie mir so grob eingeprägt und wir holten die anderen beiden dazu. Zusammen probten wir die zwei neuen Songs und wiederholten anschließend alles andere. »So das wärs!« sagte Alex und schrieb noch schnell etwas auf eine seiner unzähligen Notizzettel, die er bei sich hatte. Wir anderen standen um ihn herum und hatten uns gerade geeinigt, was genau wir jetzt auf dem Stadtfest spielen würden. »Üben wir noch mal den letzten und dann wären wir fertig für heute!« Der Blonde grinste zufrieden und rückte seine Gitarre zurecht. Wir gingen noch mal alle auf Position und begannen von vorn. Ich musste schon sagen, dass ich das mittlerweile ziemlich souverän am Mikro meisterte. Meine Scham hatte ich fast komplett abgelegt, was wohl hauptsächlich daran lag, dass ich, während ich sang die Augen die meiste Zeit geschlossen hatte oder Fynn anstarrte, der wie immer eine perfekte Zweitstimme abgab. Oh. Er war ja so toll! ^___^° Dummerweise drehte ich mich irgendwie komplett zu ihm um, sodass ich nicht länger sehen konnte, was sich sonst im Saal abspielte. Ein fataler Fehler wie ich schon bald feststellen musste! Als wir geendet hatten kam Alex, in einem seiner Anfälle, auf mich zugehüpft und schlang fröhlich die Arme um mich. »Ahhh! Ich liebe dich! Du bist so toll!« Genervt versuchte ich ihn von mir wegzudrücken. Ich hasste es, wenn er seine Knuddelphasen hatte! Leider schien ich wohl sein neues Lieblingsopfer zu sein »Alex, lass mich los!« »Hihi. Sorry, musste jetzt sein,« schmunzelte er belustigt. »Geh auf irgendjemand anderen los! Da! Seiji! Perfektes Opfer!« Ich zeigte mit beiden Armen auf den Japaner, der jedoch bang zurückwich und lachend die Hände hob. »Tut mir Leid, Jungs! Ich hab eine Freundin!« »Hmm...Schade,« sagte Alex ironisch und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Sieht schlecht für dich aus, Leo!« »Ha-ha...« äffte ich und zog einen Schmollmund. »Tu nicht so!« machte der Ältere argwöhnisch. »Wer weiß? Vielleicht kommen wir uns ja bald näher, als du denkst!« »Ja natürlich, Alex!« versicherte ich ihm zynisch und versuchte dann von dem Thema abzulenken. »Übrigens, hab ich euch erzählt, dass ich vorhin den Weihnachtsmann getroffen hab?« Der Ältere lachte vergnügt. »Nein hast du nicht!« antwortete eine männliche Stimme. Es war jedoch nicht Alex’, sondern eine, die ich jetzt aber mal gar nicht erwartet hatte. Ich fiepte erschrocken auf und schlug die Hände vor den Mund. >Oh Gott! Wenn es dich wirklich gibt...bitte lass das nicht wahr sein!< Langsam drehte ich mich um, nur um mich im nächsten Moment gleich wieder zurückzudrehen und Alex einen gequälten Blick zuzuwerfen. »Oh Scheiße!« keuchte ich panisch und schaute kurz auf die Uhr. War klar! Es war viel zu spät. Verdammt! Ich hatte die Zeit völlig verpennt! Angespannt biss ich die Zähne aufeinander und presste meine Augen zusammen. »Hiiiii Chris!« quietschte ich ertappt und drehte mich abermals um. Mühsam versuchte ich ein Lächeln aufzusetzen und möglichst lässig in die Runde zu blicken. Chris stand in Front, die Arme vor der Brust verschränkt und ein überlegenes Grinsen auf den Lippen. Wenige Schritte hinter ihm hatten sich auch Cem und Flo aufgestellt, der allerdings noch nicht so ganz zu wissen schien, was er von all dem halten sollte. »Hi Leo,« säuselte Chris gespielt liebenswert und trat noch einen Schritt näher. »Geht’s dir wieder besser?« Ich zog scharf die Luft ein. »Ja....Ja geht...geht schon viel besser. Danke der Nachfrage.« »Oh das freut mich aber,« machte der Blonde zuckersüß weiter, ehe sich sein Tonfall schlagartig änderte. »Sag mal TICKST DU NICHT MEHR GANZ RICHTIG?« Ich zuckte heftig zusammen und presste verzweifelt die Lippen aufeinander. »D-Dolch! Klar wieso?« »Ist das hier dein Arzttermin, oder was? Treibst du dich hier nachmittags rum?« fauchte der Blonde gereizt. »Neiiiiiiiiiiin!.......ja.« machte ich kleinlaut und er kletterte zu mir hoch auf die Bühne. »Kannst mir mal sagen, was gerade eigentlich mit dir nicht stimmt? Erst den ganzen Tag schlechte Laune haben, dann mit Emily rummachen, sich aber nicht bei ihr melden und jetzt DIESE Scheiße! Ist bei dir da oben gerade irgendetwas falsch, oder was?« Er klopfte mir wütend gegen den Kopf, was mich aber nur einen Schritt zurückweichen ließ. Toll! Jetzt war wohl genau das geschehen, wovor ich mich am meisten gefürchtet hatte. Chris würde mich umbringen! Ich war mir sicher! »Ich...hab doch nur...Das ist doch alles nicht so schlimm!« versuchte ich mich irgendwie herauszureden, doch Chris schien mir überhaupt nicht zuhören zu wollen. »Nicht so schlimm? Bin ich jetzt im Schwuchtelkabinett gelandet, oder was? Und dann erzählst du uns nicht mal was davon!« »Ja warum wohl nicht?« empörte ich mich und war froh, dass ich wenigstens wieder zusammenhängende Sätze zustande brachte. »Man sieht, was dabei rauskommt! Du tickst total aus!« »Ja. Ich würd mal sagen, aus gutem Grund !« »Wenn ich was sagen darf,« mischte sich plötzlich Alex ein und stellte sich neben mich. Mann war der mutig! »Hast du ihn dir überhaupt angehört? Er ist gut! Wirklich!« »Misch dich nicht ein, du Freak, klar?!« zischte Chris abfällig. »Das ist eine Sache zwischen Leo und mir!« »Lass ihn, okay?« murmelte ich ernst. Herrgott war ich lebensmüde? Chris wandte seinen Blick wieder mir zu und verengte die Augen. »Weißt du was, Alter? Komm erst mal mit dir selbst klar! Du hast doch einen Totalschaden!« Er kehrte mir den Rücken zu und sprang von der Bühne. »Ja klar! Geh doch! Ich brauch dich eh nicht!« schrie ich aufgebracht hinterher, der Blonde schnaubte jedoch nur und zeigte mir ziemlich deutlich seinen Mittelfinger. »Kommt!« Flo und Cem sahen sich kurz an. Der Türke folgte seinem Freund, ohne mich noch einmal anzusehen. Ich schüttelte ungläubig den Kopf, bemerkte, dann aber, dass Flo noch dastand und mich abschätzig musterte. »Was?« stieß ich pampig hervor. »Willst du deinen tollen Freunden nicht hinterher rennen?« »Soll ich denn?« Seine Stimme klang ruhig. »Phh...Mach, was du willst!« Er hob verblüfft die Augenbrauen, zuckte dann aber die Achseln und folgte den beiden zum Eingang. Entsetzt stellte ich fest, dass ich nun auch ihn vertrieben hatte. Ich Arschloch! »Warte! Flo!« Doch der Schwarzhaarige hörte nicht und verschwand zusammen mit Chris und Cem hinter der Biegung. Dann herrschte Stille im Raum. Ich starrte etwas perplex zu dem Eingangsbereich der Aula, als würde ich genau da gerade mein Leben davon ziehen sehen, was in der Tat auch der Wahrheit entsprach. Was hatte ich nur getan? »Scheiße!« wiederholte ich bitter. Ich spürte wie sich eine Hand auf meine Schulter legte. »Tut mir Leid, Kleiner,« bemerkte Alex ruhig. Wenigstens klang es aufrichtig. Ich sagte jedoch nichts. »Ich bin so dumm! Ich bin so dumm! Ich bin so dumm!« Ich wusste nicht, wie oft ich diesen Satz nun schon gesagt hatte. Es musste an die Tausend Mal gewesen sein und doch machte ich immer weiter. »Ich bin so dumm!« Nach den Proben war ich auf der Stelle nach draußen gerannt. Ich hatte dringend frische Luft und Zeit zum Nachdenken gebraucht. Bei meinem fluchtartigen Verschwinden hatte ich jedoch wenigstens darauf geachtet, dass mich keiner sehen konnte, sodass ich nun allein irgendwo in der Nähe des Schulhofs auf einer Bank saß und Löcher in die Luft starrte. Um mich herum waren überall Gebüsche, als ob ich mich verstecken wollte. Ich fühlte mich wie ein Verbrecher. Es war zu kotzen! »Scheiße! Scheiße! Scheiße!« Krampfhaft vergrub ich mein Gesicht in den Händen und fluchte immer wieder, was für ein Idiot ich doch war. »Hey!« Ich schaute erschrocken auf und spürte augenblicklich wie mein Herz erneut begann Purzelbäume zu schlagen. Fynn stand im Halbschatten eines Baumes und musterte mich unsicher. Die Ärmel seines viel zu großen Pullis hingen bis weit über seine Hände und ließen ihn fast noch süßer wirken, als er es ohnehin schon war. Hatte ich gerade >süß< gedacht? Gott wie schwul! Wo war bitte der Strick zum Aufhängen, wenn man ihn mal brauchte? »Hi,« murmelte ich leise. Er kam einige Schritte näher, bis er direkt vor mir stand. Er sprach jedoch nicht sofort weiter, sondern wartete kurze Zeit, als ob er sich seine Worte erst noch zusammensetzen müsste. »Das...tut mir Leid,...wegen deinen Freunden.« Ich sah ihn an, zuckte dann aber die Achseln. »Tja...Kann man nichts machen.« Er wirkte verwundert und schwieg wieder. »Willst du dich setzen?« fragte ich nach einer Weile gegenseitigen Anstarrens. Er nickte knapp und setzte sich neben mich. Wieder schwiegen wir einige Zeit, bis er sich letztendlich mir zuwandte. »Was hast du jetzt vor?« Ich zog die Auenbrauen zusammen und sah ihn irritiert an. »Wie vor?« »Naja...Steigst du wieder aus...oder so?« Seine schüchterne Art machte mich fast wahnsinnig. »Quatsch! Wieso sollte ich?« gab ich erstaunt zur Antwort. »Vielleicht wären sie dann nicht mehr wütend auf dich.« »Ja vielleicht...Vielleicht aber auch nicht. Chris wäre es wahrscheinlich egal!« Ich schnaubte. »Und das Stadtfest?« Er machte eine kurze Pause. »Ich würde es echt verstehen, wenn du...« »Hey! Ich hab gesagt, dass ich komme, also werde ich auch kommen.« Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder. Es war schwer sich mit ihm zu unterhalten. Das war mir die ganze Woche schon aufgefallen. Irgendwie schien es ihm unangenehm oder vielleicht sogar peinlich zu sein, selbst einmal das Wort zu ergreifen. Eine Tatsache, die ich schleunigst ändern musste. »Es bedeutet dir viel, dass wir da auftreten, oder?« sagte ich irgendwann. Er warf mir einen verblüfften Blick zu und nickte dann. »Alex hat doch von diesem Talentscout gesprochen,« antwortete er zögerlich. »Meinst du wirklich wir können da gewinnen?« Er zuckte die Achseln. »Kann schon sein. So schlecht sind wir ja auch wieder nicht.« »So hab ich das ja nicht gemeint,« antwortete ich schnell. »Ich finde nur...« »Jaja schon klar.« Er winkte ab. »Aber wäre schon cool, wenn wir gewinnen könnten.« »Erhoffst du dir was davon?« »Ich weiß nicht. Aber vielleicht würde ich dann wenigstens mal von hier wegkommen.« »Du willst weg?« wiederholte ich verständnislos. »Ach...Keine Ahnung was ich will. Ich weiß nur, dass es so wie es ist einfach scheiße ist!« Das war das erste Mal, dass er so ganz direkt auf sein Leben zu Sprechen kam. Irgendwie traf mich das jetzt unerwartet und mir fehlten die Worte, um näher auf das Thema einzugehen. »Ist ja auch nicht so wichtig. Aber was machst du jetzt?« lenkte er ab. Ich überlegte kurz. »Was weiß ich. Am besten rede ich mal mit Flo. Wenn es einer akzeptiert, dann vielleicht er.« »Und dein Vater?« Ich lachte bitter. »Der weiß wahrscheinlich sowieso schon alles, sobald ich nach Hause komme. Und dann macht er mich erst mal wieder alle.« Ich ließ geknickt den Kopf hängen. »Ich hab keinen Bock auf den Scheiß! Der soll mich bloß in Ruhe lassen!« »Scheinst deinen Vater nicht besonders zu mögen.« Ich schnaubte. »Das Problem ist, dass er mich nicht mag! Er sieht mich wie ein Dorn im Auge.« Wir schwiegen kurz. Dann seufzte Fynn. »Ja. Kenn ich. Geht mir genauso.« Er zögerte kurz, ehe er mit seiner nächsten Aussage dem Gespräch einen völligen Bruch gab, der mir erst mal den Atem stocken ließ. »Aber wenigstens muss ich dich nicht in irgendeiner Gasse vorfinden und dich davon abhalten dich umzubringen.« Stille. »Tut mir Leid,« sagte er schließlich. »Ich wollte, dass nicht so direkt sagen.« »Ist schon okay,« versicherte ich ihm etwas verdattert und sah ihn an. Er ließ den Kopf hängen und betrachtete seine Hände. Ich wusste jedoch nicht, was ich weiter sagen sollte, also schwiegen wir wieder. »Weißt du,« begann er irgendwann. »Ich habs seitdem nicht mehr getan.« Ich musterte ihn verblüfft. Das klang fast so, als würde er dafür ein Lob von mir erwarten. »Wieso?...Also nicht, dass das schlecht ist, aber...« »Ich weiß nicht!« Er zuckte die Achseln. Sein Blick hatte wieder mal dieses Ausdruckslose angenommen. »Es ist komisch...aber...na ja...irgendwie will ich es jetzt nicht mehr...« »Ist was passiert?« wollte ich wissen. »Nicht, dass ich wüsste.« Er dachte kurz nach. »Doch...schon!« Ich wartete und bemerkte, dass sich auf seinem blassen Gesicht ein leichter Rotschimmer abbildete. »Ich glaube... es liegt an dir!« Mein Herz machte einen Aussetzer, als er diese Worte aussprach. In sämtlichen Bereichen meines Körpers schienen kleine Bomben gezündet zu werden, die allesamt in einer gewaltigen Gefühlsexplosion endeten. Bum! Ich versuchte um Fassung zu ringen und mir vor allem nichts anmerken zu lassen. Langsam holte ich tief Luft und formulierte in meinem Kopf einen Satz, der allerdings nur einsilbig meinen Mund verließ. »M-Mir?« Er nickte, sah mich aber nicht an. »Es ist komisch, aber...ich... glaube du warst der erste, der überhaupt von mir verlangt hat, dass ich es nicht tue.« Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Das versteh ich nicht.« Er seufzte. »Ja. Ich eigentlich auch nicht. Ich glaube nur, dass....Verstehst du, es hat vorher nie jemanden interessiert, was mit mir war!« Er drehte sich nun zu mir und sah mir direkt in die Augen. »Alex hat vielleicht mal nachgefragt, aber das war nie wirklich zwingend. Alle anderen sehen mich nur, als einen kleinen dummen Idioten, der schwarz durch die Schule läuft, ohne auch nur einmal zu hinterfragen, warum es mir eigentlich so beschissen geht. Sie sehen mich an, sehen aber nicht mich, sondern nur...« Er stockte. »Nur das, wozu sie mich eigentlich gemacht haben.« Ich dachte lange über seine Worte nach. »Und was bist du jetzt?« Er senkte den Blick und hob kurz die Schultern. »Allein, denk ich mal.« Wieder herrschte lange Zeit Stille, ehe es abermals Fynn war, der sie unterbrach. »Mein Vater...,« begann er zögerlich. »Er...Er hat es einmal gesehen...also wie ich es gemacht habe...Bei mir zu Hause, in meinem Zimmer.« Er schluckte. »Er war an dem Tag wieder mal sturzbesoffen und schrie die ganze Zeit rum, warum ich ihm noch nichts gekocht hatte.« Der Schwarzhaarige begann ein wenig zu zittern und ballte die Hände zu Fäusten. »Als er in mein Zimmer stürzte sah er mich einfach nur angewidert an wie ich da saß, blutüberströmt, an die Wand gelehnt, weinend .......weißt du, was das einzige war, das ihm dazu eingefallen ist?« Er machte ein Pause, ich sagte jedoch nichts und fuhr wehmütig fort. »Er sagte >Mach ja die Sauerei weg, wenn du fertig bist! Nachher kommen noch ein paar Freunde zum Fußball gucken!<.« Ich spürte wie sich ein Klos in meinem Hals bildete. Das war abartig! Was war das denn nur für ein Vater? Dagegen war meiner ja ein Engel. Fynn schüttelte ungläubig den Kopf. Auf seinem Gesicht spielte sich eine merkwürdige Mischung aus Wut, Enttäuschung und großer Bitterkeit ab. »Ab diesem Zeitpunkt war mir einfach alles egal; ob sie mich komisch ansahen, mich rumschubsten, schlugen. Es würde eh niemanden interessieren. Warum dann also mich? War doch alles sinnlos. Ich schuf mir im Prinzip meine eigene kleine Welt, in der immer ICH der Buhmann war. Und das war auch okay so!« Er flüsterte jetzt nur noch, als wäre er irgendwie in Trance. Plötzlich hob er wieder den Kopf und sah mich verdattert an. » Keine Ahnung warum ich dir das jetzt alles erzähle. Du hast ja wohl deine eigenen Probleme!« Ich hob empört die Augenbrauen. »Du sagst ICH hätte Probleme?« »Naja...schon, du...« Er wirkte auf einmal eingeschüchtert. »Das ist krank, was du mir da erzählst!« >Okay. Ganz ruhig, Leo! Du merkst gerade schon wieder nicht, was du sagst.< »Ich mein...Dein Vater! Wie ist der denn drauf?« »Keine Ahnung! Krank halt...Ich weiß nur, dass ich mich zum ersten mal seit Jahren nicht mehr ganz so beschissen fühle. Und ...das liegt an dir!« Mein Kopf musste aussehen wie so eine Supernova. »Aber das ist doch gut,« sagte ich nach kurzem Schweigen. »Natürlich...für mich zumindest...ich versteh nur nicht, warum es dich interessiert...« »Ist doch auch nicht so wichtig, oder?« antwortete ich ausweichend. Die Unterhaltung schlug gerade eine Richtung ein, die mir überhaupt nicht gefiel. Über seine Gefühle reden? Alles schön und gut! Über meine Gefühle reden? Todesurteil! »Hmm...Ich denke nicht,« sagte er ruhig. Es klang wie ein Abschluss, als ob er nun nichts weiter zu diesem Thema sagen wollte. Ich hätte noch einige Fragen gehabt, aber vielleicht brauchte ich dafür erst sein vollständiges Vertrauen, auch wenn ich annahm, dass er bis jetzt noch nie irgendjemandem so viel von sich erzählt hatte wie mir gerade. Irgendwie machte mich das glücklich, auch wenn seine Erzählungen einen gewissen bitteren Beigeschmack abgaben. Lange Zeit saßen wir einfach nur nebeneinander und schwiegen. Mir fiel plötzlich die leise Musik auf, konnte aber nicht einordnen woher sie stammte. Erst nach genauem Hinhören stellte ich fest, dass sie aus Fynns Kopfhörern kam, die ihm wie eine Kette um den Hals hingen. Um die Stimmung etwas aufzulockern und überhaupt mal wieder etwas zu sagen, wandte ich mich ihm zu. »Was hörst du da?« Er sah verwundert auf und hob eine Augenbraue. Es schien ihm auf einmal wieder schwer zu fallen, etwas zu sagen, trotz der gewaltigen verbalen Ergüsse, die er noch vorher von sich gegeben hatte. »Ich...ähm...Lostprophets...« Okay. Das war jetzt peinlich. Ich hatte mal wieder keine Ahnung, wovon er sprach, was mir wohl anzusehen war. »Willst du auch hören?« fragte er auf einmal und hob mir einen der Hörer hin. Ich lächelte und nahm dankend an. »Wie heißt das?« fragte ich nach kurzem reinhören. »Rooftops,« erklärte er ruhig. »Gefällt mir!« Ich lächelte. »Kenn ich gar nicht!« »Hab ich mir gedacht,« antwortete er, jetzt etwas gelöster. »Wieso das denn?« Ich hob verwundert die Augenbrauen. »Naja...Eigentlich hab ich immer gedacht, du bist mehr so...na ja der coole HipHopper-Typ, oder so.« Ich lachte auf. »Du steckst mich in eine Schublade mit Chris!« »Ist das falsch?« »Naja ich denk mal, ich war vielleicht eher so der coole Alles-Typ.« »Und das bist du jetzt nicht mehr?« stellte Fynn fragend fest. »Ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube jetzt bin einfach nur noch der Alles-Typ.« Dieses Gespräch war sehr, sehr merkwürdig. O_o »Und wo ist das cool hin?« »Ha. Das wüsste ich auch mal gerne! Aber ich vermute es muss wohl irgendwo zwischen lauter Musik und Alex´ ununterbrochenen Gelaber verloren gegangen sein.« Wieder lachte ich und zu meinem Erstaunen bemerkte ich, dass sich auch auf Fynns Lippen ein Lächeln abspielte. »Was war das?« bemerkte ich verblüfft. Er verdrehte nur verständnislos den Kopf. »Was war was?« »Na das!« Mit dem Finger zeigte ich auf seinen Mund. »Du hast gelächelt.« Jetzt schien er noch verwirrter zu sein. »Ist das schlecht?« Er klang unsicher. »Um Himmels Willen Nein!« Ich schüttelte schnell den Kopf. »Im Gegenteil. Du siehst eigentlich richtig gut aus, wenn du lächelst.« Peinliche Stille. Also wirklich! So richtig peinlich. Fynns Gesicht glich mittlerweile einer überreifen Tomate und er wich meinem Blick aus. Ich befürchtete, dass es bei mir nicht besser war. Wahhhh! Was laberte ich da nur für einen Scheiß? Oh Nein! Was sollte ich jetzt sagen? Hilfe! »Also ich mein,« stammelte ich heftig gestikulierend. »Es...ist doch gesund, wenn man lacht, oder?« Er nickte eifrig und spielte nervös an einem Jackenbändel rum. »Ja ich denk schon!« »Gut.« Ich blies angespannt die Luft aus und sah auf den Boden. >Mach doch was! Mach doch was! Irgendwas!< schrie ich mich in Gedanken selbst an. Mann das war alles so peinlich! »Soll ich dir vielleicht die CD brennen?« fragte Fynn plötzlich. Wow! Das war ein richtig gutes Ablenkungsmanöver! Ich schlug gleich darauf an und versuchte so schnell wie möglich aus diesem peinlichen Moment zu flüchten. »Ja gerne. Wäre cool!« Schweigen. Ich bemerkte wie er auf einmal wieder aufsah und in Richtung der Bäume schaute, zwischen denen er vorhin aufgetaucht war. Ich folgte seinem Blick und erschrak mich fast zu Tode, als ich Flo erkannte, der lässig gegen einen Baum gelehnt dastand und uns beobachtete. Wie lange stand der da bitteschön schon? O_o »Stör ich?« Die Stimme meines Freundes hatte etwas abweisendes, das mich kurz zusammenzucken ließ. »Nein!« sagten Fynn und ich gleichzeitig, was mir abermals die Schamesröte ins Gesicht trieb. Flo hob die Augenbrauen und sah abwechselnd von Fynn zu mir. »Ich geh dann mal, okay?« murmelte der Jüngere und stand auf. »Wir sehn uns morgen?« Er wirkte unsicher. Ich nickte und er verschwand hinter Flo zwischen den Bäumen. Dieser sah ihm kurz aus dem Augenwinkel hinterher und lenkte dann seine ganze Aufmerksamkeit auf mich. »Na hast du dich wieder beruhigt?« Ich sah ihn verblüfft an. »Ob ich MICH beruhigt hab?« Er nickte. »Ja du!« Ich schnaubte. »Du bist doch einfach deinem tollen Chris hinterhergerannt!« »Du hast mich weggeschickt.« »Ich hab...« Ich brach ab, da ich merkte, dass er ja doch irgendwie Recht hatte. Wie immer eigentlich. Hastig wich ich seinem Blick aus und beobachtete einen Vogel in der Nähe. Auf einmal stand Flo direkt vor mir und setzte sich dann neben mich. »Wie lang geht das jetzt schon?« fragte er nach langem Schweigen. »Zwei Wochen ungefähr,« antwortete ich tonlos. »Wolltest du es mir überhaupt irgendwann mal sagen?« »Nein. Eigentlich nicht. Du hast doch gesehen wie Chris ausgerastet ist und...« »Ich hab nicht gefragt, ob du es uns erzählen wolltest, sondern ob du es MIR erzählen wolltest,« unterbrach er mich unwirsch. Ich schwieg und er machte weiter. »Vertraust du mir gar nicht?« »Sag mal ist das dein einziges Problem, oder was?« maulte ich herausfordernd. »Natürlich ist das mein einziges Problem!« keuchte mein Freund empört. »Ich meine, das was du da in der Band machst ist ja wohl echt nichts schlimmes!« Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. »Findest du nicht?« »Aber mal gar nicht.« Ein erstes Lächeln huschte über seine Lippen. »Also ich hab ja vorhin in der Aula echt nicht viel von dir gehört, aber das was ich gehört hab...Hammer! Du machst das wirklich richtig gut!« Okay. Ich glaubte ich sah ihn gerade an wie so ein Auto. Ein alter VW Käfer vielleicht. Das war ja jetzt mal das letzte, was ich erwartet hatte! »A-Aber was ist mit Chris?« »Ach vergiss doch Chris!« winkte er ab. »Seit wann interessierts mich, was der macht? Das einzige, was mich nervt ist, dass du mir nicht mal soweit vertraust, als das du mir so was erzählen würdest.« Ich ließ verlegen den Kopf hängen. Verdammt! Er hatte ja so Recht! Mann wie dumm musste ich eigentlich sein, dass ich Flo mit Chris gleichstellte? Mir hätte ja wohl von Anfang an klar sein müssen, dass dem so etwas egal war! Mein Freund schien zu merken wie Leid es mir tat und legte verständnisvoll den Arm um mich. Ich sah auf und direkt in das grinsende Gesicht des Schwarzhaarigen. »Ist doch alles nicht so schlimm. Also ich für meinen Teil bin nicht sauer.« Er sprach ganz leise, als würde er versuchen mich zu beruhigen. »Versprich mir nur eins, okay? Das nächste mal erzählst du mir so was, klar?« Sein Lächeln wurde breiter und er strubbelte mir durch die Haare. Ich nickte zaghaft. »Ich bin dein Freund, Leo,« fügte er dann noch hinzu. »Und der werde ich auch immer bleiben. Also mach dir nicht solche Gedanken.« ----------------------------------------------------------------------------------- Hach ^.^ ich mag Flo ja irgendwie total *knuddel*...des is ja mal so ein lieber Freund *o* *schwärm* blablabla Und mein Fynnie O_o ich lieb ihn ja gleich tot ...kein Wunder, dass Leo so austickt bei dem^^ der is mir irgendwie vieeel zu ähnlich^^...armes Finnie V_V So das war Kapitel 5...ich hoffe es hat euch gefallen. Ich stand ja irgendwie total unter Zeitdruck und ich glaube ich werde hier und da noch mal was verbessern müssen^^ aber ich denke, es is ja doch recht annehmbar^___^° Vieeeeeeelen Dank noch für 40 Favos und 23 Kommies *alle abknutsch* Ich liebe euch so arg dollig O_o Freu mich natürlich auch weiter über viele Kommies *kommie geil bin* Mit freundlichen Grüßen und Küssen und Blubbies Das Giluli Kapitel 6: Mein Geständnis, Ein Kuss und Sein Lächeln ----------------------------------------------------- Kapitel 6: Mein Geständnis, ein Kuss und sein Lächeln Ich aß gerade genüsslich das letzte Stück meines Schnitzels, als plötzlich mein Vater in den großen Esssaal hereinmarschierte und sich mit einem knappen »Hallo« an den Tisch setzte. Meine Mutter, mein Bruder und ich schauten auf. Sofort war mir klar, dass er sehr wohl bereits wusste in welchen Kreisen ich mich neuerdings aufhielt. Er hatte gute Verbindungen zu vielen der Väter meiner Freunde, unter ihnen Chris´, die ihm sicherlich alle schon Bericht erstattet hatten. Ich entschied mich ihn nicht darauf anzusprechen, da ich mir ohnehin sicher war, dass er diese Aufgabe so oder so für mich übernehmen würde. Nachdem Flo und ich am Nachmittag hoffnungslos zu spät in den Psychologie Unterricht gekommen waren und wir höchstens noch eine halbe Stunden eben diesem beiwohnen hatten müssen, hatte Flo kurzerhand beschlossen ganz direkt auf Chris und die anderen zuzugehen, um ihren Zorn auf mich etwas zu lindern. Am Anfang gab sich der Blonde noch recht zickig und er hatte eigentlich gar keine richtige Lust gehabt uns überhaupt zuzuhören, doch als Flo und mit ihm auch Xiu letztendlich gedroht hatten aus der Clique auszusteigen, hatte er sich gefügig zeigen müssen und mir die Hand gereicht. Ich glaubte ich war Flo noch nie so dankbar gewesen wie an diesem Tag. Ohne ihn wäre ich da ganz sicher nicht so unbeschadet rausgekommen. Immer wieder hatte ich mich gefragt wie ich so dumm gewesen sein konnte und ihm nicht vertraut hatte. Ab sofort würde ich ihm wirklich alles erzählen...na ja fast alles. Das mit Fynn hatte ich trotz allem erst mal für mich behalten, da mir dafür eindeutig der Mut fehlte. Zwei Hiobsbotschaften an einem Tag konnte ich nicht einmal meinem Freund zumuten, ganz davon abgesehen, dass ich noch keinen genauen Plan hatte wie ich ihm das überhaupt klarmachen sollte. Er konnte ja wohl nicht alles einfach so kommentarlos hinnehmen, oder? Ich stand auf, um meinen Teller abzuräumen. Hatte ehrlich gesagt keine Lust mehr mit einer Familie am Tisch zu sitzen, die nicht einmal miteinender reden konnte. »Wo gehst du hin?« erklang die raue Stimme meines Vaters. »Nach oben,« antwortete ich knapp. »Setz dich wieder! Wir wollen gemeinsam zu Abend essen.« »Seit wann das denn?« »Schon immer,« behauptete er zerknirscht. Oh oh. Jetzt gings gleich los. O_o Ich ließ mich langsam nieder und stellte meinen Teller wieder auf den Tisch. Meine Mutter sah verwirrt zwischen ihm und mir hin und her. Dann schwiegen wir alle wieder lange Zeit, während mein Vater gemächlich sein Mahl zu sich nahm. Irgendwann hob er wieder den Kopf und sah mich direkt an. »Wie lange geht das schon?« Ich wusste wovon er sprach. Diese Frage war mir heute an die 100 Mal gestellt worden und immer hatte ich mit den selben zwei Worten geantwortet. »Zwei Wochen.« »Wieso weiß ich nichts davon?« »Weil ich dir nichts davon erzählt habe. Ist ja wohl logisch.« »Werd jetzt nicht frech, klar?« Seine Stimme klang nun ziemlich aufgebracht. Meine Mutter und Marco sahen irritiert in die Runde. »Warum hast du nichts davon gesagt?« sprach er nun etwas ruhiger weiter. »Wann hätte ich es denn tun sollen?« frage ich empört. »In den fünf Sekunden, die ich dich am Tag sehe, wenn du mal schnell an mir vorbeirennst?« »Sprich so nicht mit mir!« »Ist doch wahr!« murrte ich und stocherte mit der Gabel in den zurückgebliebenen Resten meines Essens rum. Wahhhh! Ich hasste ihn! Dieses arrogante Aschloch! -.- »Was ist denn passiert?« erkundigte sich meine Mutter vorsichtig und mein Vater wendete kurz sein Blick von mir ab. Er schnaubte wütend »Ach dir hat er es auch nicht erzählt?« Sie schüttelte schweigend den Kopf. »Unser Sohn spielt jetzt nämlich in einer Band,« erklärte er mit einem abfälligen Unterton. »In einer Band?« wiederholte meine Mutter. »Aber das ist doch schön.« Ich sah verwundert auf. Meine Mutter verteidigte mich? Wow. Auch mal was neues. Normalerweise war sie vor lauter Arschkriecherei gar nicht mehr zu sehen. »Er singt!« maulte mein Vater. »Ja. Und du wirst es nicht glauben, aber ich mach das sogar ziemlich gut!« funkelte ich ihn aufmüpfig an. »Es ist mir egal, ob du das gut kannst oder nicht!« »Mir aber nicht!« giftete ich genervt. Wie konnte man nur so stur sein? »In was für einer Band spielst du denn?« wollte meine Mutter interessiert wissen. Ihre Stimme klang gütig. »In der Schulband,« murmelte ich. Ich hörte wie Marco neben mir ein kurzes Grunzen von sich gab und ich drehte mich zu ihm. »Hast du ein Problem?« »Mit was für Losern gibst du dich denn ab?« lachte er amüsiert. »Die Frage stell ich DIR doch auch nicht!« Marco war auch bei mir an der Schule, in der 13. Er war so >cool<, dass es fast nicht mehr cooler ging, vor allem da seine Freunde das perfekte Abbild der vollendeten Blödheit darstellten, die ja heutzutage als besonders angesehen galt. Ich für meinen Teil konnte mit seinem und ihrem sogenannten Style jedoch nichts anfangen, da ich mich immer wieder fragte, ob es denn nicht nervig sein musste sich alle paar Schritte die übergroße Hose wieder hochzuziehen, damit sie nicht endgültig von den Kniekehlen rutschte. Von der Art und Weise wie sie krampfhaft versuchten sich zu artikulieren, was so viel hieß wie in jedem Satz mindestens einmal eines der Wörter >Alter< oder >Lan< zu verwenden, wollte ich gar nicht erst anfangen. »Ja, weil du keinen Grund dazu hast!« sagte Marco überlegen grinsend. »Hast du ne Ahnung! Aber keine Sorge! Ich will dir deine Träume nicht nehmen!« Ich nickte gespielt mitfühlend. »Was ist das mit dem Stadtfest?« mischte sich mein Vater jetzt wieder ein, der sich anscheinend einigermaßen beruhigt hatte. »Da werden wir spielen,« antwortete ich gelassen. Jaja. Ich musste zu dem stehen, was ich tat. »Bei dem Wettbewerb.« »Musst du das jetzt auch noch öffentlich machen?« »Was ist denn bitte so schlimm daran? Ich werd dich schon nicht vor allen blamieren! Das ist ja wohl dein eigentliches Problem.« Er funkelte mich böse an, sagte aber nichts. »Also ich finde es schön, dass du auch mal etwas anderes machst, als immer nur deinen Sport,« sagte meine Mutter lächelnd. Sie schien es tatsächlich ernst zu meinen. Fast überkam mich sogar ein kleiner Anflug von Zuneigung. »Ich werde auch kommen und dir zugucken!« machte sie begeistert weiter. Mann. Mann. Wie war die denn drauf? Ich lächelte gequält, um ihr zu zeigen, dass ich mich freute. Dann versuchte ich erneut aufzustehen und wandte mich an meinen Vater, der immer noch grimmig in meine Richtung starrte. »Darf ich jetzt gehen?« Er sagte nichts und ich fasste diese Geste einfach mal als eine Zustimmung auf und verließ den Raum. Wow. Das lief ja alles wie geschmiert. Ich hätte mir wirklich nicht so einen Stress um diese Sache machen zu brauchen. Nur eines bedrückte mich weiterhin: Wenn die alle jetzt schon, wegen so einer Kleinigkeit wie der Band, einen solchen Aufstand machten, dann wollte ich nicht wissen, was sie erst sagen würden, wenn ich ihnen das von Fynn erzählte. Mein Vater würde mich wohl kommentarlos und ohne zu zögern enterben und wenn ich ehrlich war, konnte ich ihm das nicht einmal wirklich verübeln. Ich hatte mich jetzt nach einer Woche zwar endlich mit dem Gedanken abgefunden, dass ich hoffnungslos in Fynn verliebt war, doch merkwürdig fand ich es immer noch und eigentlich war der Zorn, den ich aus diesem Grund gegen mich selbst hegte, von Tag zu Tag gewachsen. Das war einfach so...unbeschreiblich. Ich wusste selbst nicht genau, was mich daran so dermaßen störte. Ich war Schwulen gegenüber nie feindlich gesinnt gewesen. Doch komisch oder vielleicht sogar ein bisschen krank fand ich sie trotzdem irgendwie. Ich konnte es mir eben einfach nicht vorstellen wie ein Kerl etwas mit einem anderen Kerl haben konnte. Das passte einfach nicht in mein kleines romantisches Weltbild, in dem sich Mann in Frau verliebte, die beiden heirateten und eine Menge kleiner Kinder machten. Das war doch...na ja... unnatürlich eben. »Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?« drang plötzlich die Stimme Flos an mein Ohr und riss mich aus meinen Gedanken. Es war Samstagabend und mein Freund und ich saßen gerade gemeinsam vor dessen Spielkonsole und zockten irgendeinen Schrott, von dem ich nicht mal den Namen kannte. Ich hatte ihn nach dem Abendessen vom Vorabend sofort angerufen und ihm von meinem Vater erzählt. Er hatte meine Erzählungen eigentlich ziemlich amüsant gefunden, da er ohnehin eine gewisse Abneigung gegen meinen Vater hegte, weil ihm dieser einfach ein bisschen zu konservativ war. Ich konnte es nachvollziehen. Ging mir schließlich genauso. Nachdem ich fertig erzählt hatte, war er kurz in die Küche gegangen und hatte uns zwei Bier und Chips geholt, da ich eigentlich nicht so schnell vorhatte wieder nach Hause zu gehen. Das letzte, was ich jetzt gerade brauchen konnte waren die verhassten Blicke meines Vaters, der seit gestern Abend aber wirklich kein Wort mehr mit mir gesprochen hatte (was in der Tat noch weniger war, als sonst!). »Öhm...klar hab ich!« versicherte ich ihm ausweichend. »Und was hab ich gesagt?« Er hob überlegen eine Augenbraue und kräuselte die Lippen. »Ähm...Ja ähm...Fußball?« mutmaßte ich und lächelte unsicher. »Mann. Mann. Mann. Leo, was ist denn jetzt schon wieder los mit dir?« Er legte seinen Controller zur Seite und musterte mich eindringlich. »Ich dachte dein Problem in letzter Zeit wär die Sache mit der Band gewesen, aber jetzt bist du ja immer noch so komisch.« »Ich denke halt viel nach,« sagte ich, sah ihn dabei aber nicht an. »Worüber?« Ich zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Über Gott und die Welt.« »Gott und die Welt?« »Ja. Gott und die Welt!« »Ist aber ein komisches Thema.« Er verdrehte den Kopf. »Ist doch egal, oder?« »Find ich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Du hörst mir ja nicht mal zu!« »Quatsch!« winkte ich ab. Er überlegte kurz. »Ach so ist das! Du verheimlichst mir schon wieder Sachen!« »Tu ich gar nicht!« murmelte ich genervt. Manchmal hasste ich es, dass er mich so gut kannte. Dadurch merkte er immer sofort, wenn etwas mit mir nicht stimmte. »Doch tust du! Ich dachte, du wolltest mir ab sofort alles erzählen.« Er tat so, als wäre er beleidigt. »Ich...Es gibt Dinge, die...keine Ahnung! Jeder hat doch seine Geheimnisse, oder?« »Also verschweigst du mir wirklich etwas!« stellte er triumphierend fest. »Ja...Nein! Ach. Selbst, wenn...Ich kanns dir nicht sagen, okay?« Ich verkrampfte mich ein wenig und ballte meine Hände zu Fäusten. »Wieso denn nicht? Ist es so schlimm?« »Wahrscheinlich schon.« »Aber ich dachte wir sind Freunde!« »Ja. Und genau deswegen kann ich es dir auch nicht sagen,« erklärte ich und sah ihn an. »Ich will nämlich nicht, dass sich das ändert.« »Sich ändert?« wiederholte er verwirrt. »Ich hab doch gesagt, dass wir immer Freunde bleiben.« Er schenkte mir eines seiner üblichen schiefen Grinsen und gab mir dadurch wieder ein klein wenig des alten Vertrauens zurück. Trotzdem sagte ich nichts und er wartete einen Moment ab. »Okay. Du willst es mir nicht sagen. Dann brauchst du es mir auch nicht zu erzählen,« sagte er schließlich. Ich nickte, glaubte aber nicht, dass er das Thema damit bereits schon abgehakt hatte, womit ich auch Recht behalten sollte. »Ich frag dich aus, okay?« »Was?« machte ich verwirrt. »Du sagst einfach ja oder nein!« »Ach Flo, bitte, das ist doch lächerlich!« »Ist es gar nicht! Du brauchst ja nicht mal was sagen! Nicken oder Kopfschütteln.« Er grinste breit. Ich dachte kurz darüber nach. Eigentlich war das letzte, was ich an diesem Abend vorgehabt hatte gewesen, mit Flo über mein kleines großes Problem zu reden. Ich war ja froh, dass endlich das mit der Band draußen war, da konnte ich das doch nicht gleich noch hinterher bringen. Allerdings befürchtete ich, dass mein Freund nicht so schnell locker lassen und mich so lange löchern würde, bis ich es ihm freiwillig sagte. Naja. Wenn ich Glück hatte, würde er ohnehin nicht dahinter kommen. So eine bekloppte Frage konnte er mir ja gar nicht stellen, dass ich nicken müsste...hoffte ich zumindest. Während ich noch überlegte nickte ich zustimmend, sah ihn dabei aber nicht an. »Super!« sagte er strahlend. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er das alles im Moment noch eher wie ein Spiel betrachtete und nicht wie ein Gespräch, das alles verändern konnte. »Also,« begann er in einem fachmännischen Ton und tat so, als wäre er irgend so ein Psychologe. »Hat es was mit deinem Vater zu tun?« Ich schüttelte den Kopf. »Nicht? Hmm...Okay....Dann vielleicht....mit einem Mädchen? Emily?« Er grinste breit, doch ich schüttelte abermals den Kopf. Dabei hatte es im entferntesten ja doch irgendwie was mit ihr zu tun. »Schade. Ich steh auf Liebestragödien.« Hatte der eine Ahnung. -.- »Na gut! Vielleicht irgendwas schulisches? Fliegst du in Mathe durch?« »Nein, Mann!« maulte ich empört. »Okay...Vielleicht schon, aber das war ja zu erwarten!« »Auch wahr,« nickte er zustimmend. Ich ließ meinen Kopf genervt nach hinten gegen die Sessellehne fallen. Irgendwie nervte mich das schon wieder. »Mann, das ist echt schwer,« gab er, nach kurzem Nachdenken zu. »Bist du vielleicht krank?« Ich sah ihn erstaunt an. »So hab ichs noch gar nicht betrachtet,« bemerkte ich zynisch. »Du hast Recht! Das ist eine Krankheit!« Er musterte mich verständnislos. »Du bist echt krank?« »Keine Krankheit in dem Sinne, aber schon...irgendwie.« Er zog für einen Moment die Augenbrauen zusammen, ehe sich seine Gesichtszüge schlagartig aufhellten, als wäre ihm die Erleuchtung gekommen. »Ah! Ich verstehe! Du bist liebeskrank!« Er zwinkerte mir zu. Dummerweise konnte ich diese Aussage nicht verneinen, da sie ja im Prinzip zutraf. Auch wenn er sie sicherlich anders auffasste, als ich. »Haha! Ich hab Recht!« Er setzte einen gespielt überheblichen Gesichtsausdruck auf und drehte sich nun komplett zu mir hin. »Okay. Wer ist es? Du sagst Emily ist es nicht, aber wer dann? Hmm....Sarah?« Ich schüttelte den Kopf und rollte die Augen. »Lisa aus der 11.?« Das selbe. »Katrin?« ... »Laura?« ... »Svenja?« »Verdammt, ich hab gesagt, es ist kein Mädchen!« fuhr ich ihn genervt an. »Was solls denn dann sein? Ein Junge?« Ich wollte etwas erwidern, erschrak aber, als mir die Bedeutung seiner Worte klar wurde und wandte schnell meinen Blick von ihm ab. Augenblicklich schoss mir das Blut in den Kopf und ich hatte das Gefühl, ich müsste mich jeden Moment übergeben, so sehr spannte ich meine Bauchmuskeln an. Flo schien meine Reaktion im ersten Moment nicht zu begreifen, dann wandelte sich jedoch sein Lächeln in einen entsetzten Gesichtsausdruck um und es brauchte einen Moment, bis er wieder einen Ton herausbrachte. »Oh...« Ich sagte nichts, sondern beobachtete peinlich berührt die Fusseln auf dem Fußboden. Flo hatte wohl keine Ahnung, was er mit der Situation anfangen sollte. Er versuchte zwar ein paar mal etwas zu sagen, hielt jedoch immer wieder inne und suchte nach den passenderen Worten. Schließlich schüttelte er verständnislos den Kopf und zündete sich eine Zigarette an. »Alter, das kommt jetzt echt ziemlich unerwartet!« Ich presste angespannt die Lippen aufeinander und hielt die Luft an. »Wie konnte denn SO was passieren?« »Weißt du was? Vergiss es einfach! Ich geh am besten!« Ich stand ruckartig auf und ging in Richtung Tür. »Nein! Nein! Nein!« Der Schwarzhaarige sprang mir erschrocken hinterher und stolperte erst mal über die Kabel der Konsole, ehe er mich entschieden am Arm festhalten konnte. »Bleib gefälligst stehn! Du kannst mir doch nicht so was um die Ohren hauen und dann verschwinden!« »Doch kann ich! Ist doch sowieso Schwachsinn!« Ich sah ihn nicht an. Plötzlich hörte ich von draußen die Stimme von Flos Mutter. »Florian, bist du da?« Mein Freund schien kurz zu überlegen, ob er antworten sollte. Die ganze Zeit starrte er mich eindringlich an, dann wandte er den Kopf ab und öffnete die Tür. »Mam, ich bin in meinem Zimmer! Leo ist auch da!« »Ich hab dir doch gesagt, dass du noch zum Marktkauf was einkaufen sollst!« keifte die gestresste Mutter. »Mam ich hab jetzt echt keine Zeit!« stöhnte Flo genervt. »Die hast du nie! Du gehst jetzt gefälligst noch los und holst, was ich gesagt habe, sonst kannst du in nächster Zeit selbst gucken wie du deine Wäsche wäschst!« Ihre Stimme ließ keine Widerrede zu. Er seufzte. »Ja. Warte! Ich...wir gehen in 10 Minuten, okay?« »Beeilt euch. Auch der Laden macht um 10 zu!« »Jajaja!« Er verschloss die Tür und es herrschte wieder Stille. Er drehte sich nicht sofort um, als ob er noch einen Moment zum Nachdenken brauchte. Dann wandte er sich wieder an mich, während er zu seinem Bett ging und sich an den Rand setzte. »Komm!« Er klopfte mit der Hand neben sich auf die Matratze. Ich wusste nicht wieso, aber ich gehorchte und nahm Platz. Dann trat wieder dieses peinliche Schweigen ein, in dem weder er noch ich wussten, was wir sagen sollten. Letztendlich war es Flo, der die Stille unterbrach und mit ruhiger Stimme zu sprechen begann. »Ist das jetzt echt dein Ernst?« Ich überlegte kurz, ob ich den Kopf schütteln sollte, entschied mich aber dagegen. »Ich glaube ja.« Er nickte versunken. Dann begann er zu meiner Überraschung zu lächeln und seufzte. »Tja. Kann man wohl nix machen, hä?« »Du lachst?« stieß ich verwirrt hervor. »Klar!« Er zuckte die Achseln. »Irgendwie find ich das witzig! Ich mein...Du und schwul? Haha! Das wäre das letzte gewesen, mit dem ich dich in Verbindung gebracht hätte.« Ich zuckte bei dem Wort zusammen und schüttelte dann ruckartig den Kopf. »Ich bin nicht schwul!« sagte ich und war davon auch wirklich voll und ganz überzeugt. »Ach ja? Und was bist du dann?« »Naja...Ich würd sagen...Ich bin im Moment...sexuell etwas fehlorientiert.« Er zog amüsiert die Augenbrauen zusammen. »Ach so nennt man das heutzutage?« »Ich steh nicht allgemein auf Kerle,« versuchte ich zu erklären, doch sein Grinsen wurde nur noch breiter und ich war mir nicht sicher ob ich es so toll finden sollte, dass er das alles so locker hinnahm. War ja nicht mehr normal. O_O »Sondern?« »Naja, weil ich...« begann ich zögerlich, brach dann aber ab. »Uhhhhh!« Er boxte mir mit dem Ellenbogen leicht in die Seiten. »Du hast bereits jemanden, den du toll findest!« Er strahlte. Der Junge machte mir Angst. O_o »Nicht direkt...also...schon...ja!« Ich wendete meinen Blick verlegen ab. »Klasse und wer ist es?« ^^ »Sag ich nicht!« versuchte ich mich schnell rauszureden, wohl wissend, dass es dafür bereits zu spät war. »Ach komm schon! Schlimmer, als das bisherige kann es ja nicht mehr werden!« »Glaub mir! Es kann!« »Bin ich es?« keuchte er zurückweichend und schien sich einen kurzen Moment wirklich Sorgen deswegen zu machen. »Quatsch!« winkte ich ab. »Wieso Quatsch? Seh ich nicht gut aus?« Er klang in seinem Stolz verletzt. »Keine Ahnung.« Ich ließ kurz meinen Blick über meinen Freund schweifen. Er hatte eine sportliche Statur. Unter dem engen braunen T-Shirt bildeten sich seine Bauchmuskeln ab, wenn er einatmete. Sein dunkles Haar ließ er ungekämmt in sein Gesicht fallen und die dunklen tiefbraunen Augen waren nur unwesentlich unter seinem Pony zu erkennen. Ja gut. Er sah ziemlich gut aus. Verdammt gut! »Ja schon...irgendwie.« »Irgendwie? Ich bin die Geilheit in Person!« empörte er sich. »Ja stimmt schon! Aber Brad Pitt ist auch geil! Oder Johnny Depp!« »Und?« Er hob die Augenbrauen. »Naja...Aber nicht so geil wie...« Irgendwie brachte ich es einfach nicht fertig den Satz zu Ende zu sprechen. Es klang einfach zu verrückt. »Darf ich raten?« »Hä?« »Es ist der komische Kerl da bei dir in der Band, oder?« Er sah mich vielsagend an und ich spürte wie mein Gesicht erneut rot anlief. »Wie kommst du darauf?« »Weil ich euch beide gestern Mittag beobachtet hab, also nachdem Chris dich so fertig gemacht hat...naja du hast ihn ununterbrochen so komisch angeglotzt!« »Ist das so auffällig?« heulte ich los. »Dann hab ich Recht?« Ich nickte schweigend und er lachte wieder los. »Hahaha! Das wird ja immer geiler!« »Ach! Halt doch die Klappe!« Eigentlich hätte ich ja todfroh sein müssen, dass er dieses Thema so locker aufnahm, doch in seiner unbeschreiblichen Art nervte mein Freund mich doch schon wieder. »Wie hast dus gemerkt?« fragte Flo, während wir langsam durch den Park liefen. Seine Mutter war nach 20 Minuten aufgebracht in sein Zimmer gestürmt und hatte ihn erst mal zurecht gewiesen, was für ein unglaublich fauler Mensch er doch wäre und er sich doch auch mal ein wenig nützlich machen könnte. Wir kamen gerade vom Marktkauf zurück, wo der Schwarzhaarige auf den letzten Drücker noch ein Brot, Butter, etwas Wurst und Käse gekauft hatte, ehe wir beide von dem genervten Ladenpersonal aus dem Laden geschmissen worden waren. Der Weg war nur schwach durch einige Laternen erhellt. Dennoch saßen hie und da einige Jugendliche in der Wiese oder Pärchen auf den Bänken. Ich zuckte die Achseln. »Eigentlich von Anfang an.« Ich überlegte kurz. »Ich weiß nicht...da war eben immer so ein komisches Gefühl, wenn ich bei ihm war und ...aber ich wollte davon nichts wissen, was schwer war, weil ich ihn irgendwie immer angestarrt hab und....« Flo nickte verstehend, unterbrach mich aber nicht in meinen Erzählungen. »Naja und dann war da eben die Geschichte bei Emilys Geburtstag.« »Ach deshalb bist du abgehauen?« stellte mein Freund besonnen fest. Ich sah ihn frustriert an. »Kannst du dir vorstellen wie das ist? Du machst mit so einem richtig tollen Mädchen rum, weißt, dass du eigentlich der glücklichste Mensch der Welt sein müsstest, und das einzige woran du denken kannst ist irgend so ein komischer Typ! Das ist erbärmlich!« »Naja, aber wenn du so fühlst...,« versuchte er mich zu beruhigen. »Ich will aber nicht so fühlen! Das ist krank!« »Wieso krank?« keuchte er schockiert über meine Aussage. »Hast du mir nicht zugehört? Ich steh auf einen Kerl!« »Ja und?« Er schmunzelte. »Was ist so schlimm daran?« »Das ist einfach...« begann ich stockend. »na ja... nicht richtig. Einfach nur falsch. Er ist männlich, ich bin männlich. Das stimmt doch nicht!« »Glaubst du, du bist der erste, der das durchmacht?« »Das ist ja nicht das Problem!« korrigierte ich. »Es ist einfach nur... das ist doch unnatürlich! Wahrscheinlich komm ich in die Hölle!« »Jetzt übertreibs aber mal nicht!« Er schüttelte ungläubig den Kopf und ging einige Schritte voraus. »Ist doch wahr!« murrte ich weiter. »Ich meine ich habe...« Weiter kam ich nicht. Plötzlich ging alles sehr schnell. Das erste, was ich wieder bewusst wahrnahm, war ein heißer Atem, der mir stockend gegen die Wangen schlug und warme weiche Lippen, die sich zwar etwas zaghaft, aber bestimmt gegen meine drückten. Es dauerte einige Herzschläge, bis ich realisierte, dass es Flo war, der mich da gerade küsste. Zeit, um weiter darüber nachzudenken, blieb mir jedoch keine mehr, da der Schwarzhaarige sich bereits ziemlich schnell wieder von mir löste. Sein Gesicht verweilte trotzdem noch einige Sekunden direkt vor meinem. Ich bemerkte wie sich ein leichter roter Schein auf seine Wangen schlich. Dennoch grinste er breit und tat dann so, als würde er sich umschauen, um nach etwas zu suchen. »Hmm,« flüsterte er. »Kein Meteoritenhagel, der auf uns niederstürzt.« Er guckte auf die Erde. Unwillkürlich tat ich es ihm gleich. »Und auch der Boden tut sich nicht auf, um uns in die Tiefe zu reißen.« Er zuckte grinsend die Achseln und entfernte sich wieder von mir. »Kann wohl nichts schlimmes sein, was wir gerade getan haben.« Fassungslos schaute ich ihm hinterher, bis ich bemerkte, dass wir von einem Pärchen in der Nähe neugierig beobachtet wurden. Augenblicklich begann mein Kopf hochrot anzulaufen und ich stapfte meinem Freund, mit wackeligen Beinen hinterher. »Sag mal, kannst du mir mal sagen, was das gerade sollte?« »Das war ein Kuss. Hats dir gefallen?« Ich sah ihn sprachlos an, ehe ich ihm bestimmt mit einem deutlichen »Nein!« antwortete. »Außerdem steht das gar nicht zur Debatte. Warum machst du so was?« »Leo! Ich will doch nur, dass du merkst, dass das nichts schlimmes ist!« »Indem du mich küsst?« keuchte ich empört. »Wars so schlimm?« Er wirkte fast verletzt. »Ja...Nein...Ich meine...egal! Ist doch alles verrückt.« Ich starrte düster in Richtung des großen Einkaufszentrums, das hinter den Bäumen des Parks deutlich zu erkennen war. Flo begann erneut heftig zu lachen. »Was ist denn jetzt schon wieder los?« maulte ich genervt. »Ich finds einfach immer noch so lustig!« Er hielt sich den Bauch und wischte sich dann eine Träne aus dem Auge. »Du hättest dein Gesicht gerade mal sehen müssen! Ich glaub, ich würds nur noch witziger finden, wenn Chris plötzlich schwul werden würde!« »Boah! Komm mir nicht mit dem! Der massakriert mich, wenn er das rausfindet!« »Jaha! Kann schon sein!« lachte er vergnügt. »Wehe du sagst ihm irgendwas!« drohte ich angriffslustig. »Bin ich blöd? Natürlich nicht!« »Kein Wort! Zu niemandem!« »Und Xiu?« Er verdrehte den Kopf. »Niemand!« Er dachte kurz darüber nach. »Meinetwegen. Ist deine Entscheidung.« Er zuckte die Achseln. »Komm! Wir gehen noch bisschen ins Zentrum gammeln! Hab noch keine Lust wieder nach Hause zu gehen.« Ich sagte nichts und folgte ihm schweigend. Wir spazierten ungefähr eine halbe Stunde lang durch das große Einkaufszentrum und begutachteten ausgiebig die viele ausgeleuchteten Schaufenster. Die Läden hatten mittlerweile alle geschlossen. Es war schon 23 Uhr. Nur das kleine Café und die Eisdiele waren noch auf Hochtouren und schienen das Geschäft ihres Lebens zu machen. Wir zwängte uns kurz in den viel zu vollen Laden und kauften uns jeweils ein Eis. Es war uns jedoch zu stressig, uns mit den ganzen Jugendlichen um einen Sitzplatz zu raufen und so verließen wir das kleine Ambiente wieder und gingen in Richtung des großen Brunnens, der in der Mitte des Zentrum hoch emporragte. Er spie um diese Uhrzeit kein Wasser mehr und so chillten*** wir uns direkt an seinen Rand, der nun ganz trocken war. Zu meinem Leidwesen hatte ich feststellen müssen, dass Flo es sich wohl allen Anschein nach zu seinem erklärten Ziel gemacht hatte, mich mit Fynn zu verkuppeln. Meine Versuche ihm zu erklären, dass ich so etwas wie eine Beziehung zu einem Jungen überhaupt nicht wollte scheiterten. Er schien nicht einsehen zu wollen, dass ich das einfach nicht konnte. Ich würde zum Depp der ganzen Schule werden! Chris würde mich endgültig hassen! Und mein Vater! Oh Gott! Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was der mir alles antun würde! Ganz davon abgesehen, dass Fynn da ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden hatte. Doch darauf hatte Flo natürlich auch eine passende Antwort. »So ein dummes Gelaber!« Er winkte ab. »Guck ihn dir doch mal an! Wenn der nicht schwul ist, wer dann?« »Er sieht überhaupt gar nicht schwul aus!« maulte ich genervt. »Er ist eben...anders!« »Er schminkt sich!« »Das machen viele!« »Ja. Und die sind alle schwul!« nickte Flo triumphierend. Musste schön sein in einem so einfachen Weltbild zu existieren. Es ließ sich alles so leicht erklären! »Fynn aber nicht!« murmelte ich entschieden und wusste nicht genau, ob ich das nun gut oder schlecht finden sollte. Ich warf einen nachdenklichen Blick in Richtung des Ausgangs und wäre vor Schreck fast nach hinten weggekippt, als ich zwei Personen erkannte, die sich eines der Schaufenster des Spielzeugwarenladens ansahen. Eine von ihnen war ein kleines Mädchen, keine 10 Jahre alt, mit langen blonden Locken und einem rosa Reif im Haar. Es trug ein altes zerschlissenes Kleidchen mit Blumen und hatte irgendwie Ähnlichkeit mit der Puppe die es eng umschlungen in den Armen hielt. Meinen Schockzustand bereitete mir jedoch nicht dieses zuckersüße kleine Geschöpf mit den blauen Augen, sondern eher jenes, das neben ihm stand und für das ein Vergleich mit Zucker fast einer Beleidigung gleichkommen würde. Er trug schwarze Kleidung, hatte schwarzes Haar und beugte sich nun gerade mit seinem unbeschreiblich wundervollen Körper zu dem Mädchen nieder, um dessen Hand zu nehmen. Ohne Zweifel. Da stand gerade der Grund für all meine Probleme! Und Herrgott! Dieser Grund sah so gut dabei aus! »Na wen haben wir denn da?« sagte Flo plötzlich und überschlug sich vor lauter Freude fast mit seiner Stimme. »Flo, ich fleh dich an! Bitte, bitte, bitte, bitte....Halt die Klappe. Vielleicht sieht er uns ja nicht!« jammerte ich gequält los und zerrte an seinem Arm. Meinen Freund schien das jedoch nicht im Geringsten zu stören. »Aber das wäre doch blöd! Dann können wir ja gar nicht mit ihm reden!« Er grinste und erhob sich. »Komm schon!« Ohne jede Scheu tänzelte er geradewegs auf Fynn zu. Zu langsam, um ihn festhalten zu können, sprang ich ihm entsetzt hinterher und wollte ihm gerade noch mal eine Drohung entgegenwerfen, als er laut genug losbrüllte, dass es bestimmt das ganze Zentrum mitbekam. »Hey Emo! Wie geht’s?« Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, wenn ich doch nur kein logisch denkender Mensch gewesen wäre, der genau wusste, dass es dadurch für alle anderen trotzdem hörbar gewesen wäre. Fynn sah sich erschrocken um und wich erst mal einen Schritt zurück, als er Flo erkannte. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen und musterte den Größeren abschätzend. »Was willst du?« Flo blieb einige Meter vor ihm stehen und grinste breit. »Ich wollte doch nur meinem alten Kumpel Fynn mal wieder >hallo< sagen!« »Aha,« machte Fynn argwöhnisch. Dann schien er erst mich zu erkennen, der ich mit hochrotem Kopf hinter Flo zum Stehen kam. »Hi,« murmelte ich kleinlaut und wagte es fast nicht ihn anzusehen. »Öhm...Hi! Was...machst du denn hier?« Ich zuckte die Achseln und lächelte unsicher. »Eis essen.« »Hallo,« ertönte die quietschige Stimme des Mädchens, das hinter Fynn zum Vorschein kam. »Wer seid ihr denn?« Etwas baff, über die Direktheit der Kleinen, hob ich die Augenbrauen. Flos Grinsen wurde noch breiter und er beugte sich zu ihr hinunter. »Hey!« Er gab ihr die Hand. »Ich bin Flo! Und der Kerl da, der die ganze Zeit deinen Bruder anstarrt, heißt Leo!« Für diese Aussage würde ich ihm irgendwann mal ganz furchtbare Schmerzen zufügen! -.-° »Ich bin Melli.« Sie strahlte. »Seid ihr Freunde von Fynni?« »Klar,« antwortete Flo ohne zu Zögern. Er schmunzelte. Hocherfreut wandte Melli sich kurz Fynn zu. »Warum kommen die nie zu uns?« Etwas verdattert wandte er seinen Blick von mir ab, der, seit er mich erkannt hatte, ununterbrochen nur auf mir geruht hatte. »Äh...Was?« machte er perplex. »Ja das frag ich mich aber auch!« sagte Flo gespielt empört und verschränkte die Arme vor der Brust. Er bedachte Fynn mit einem tadelnden Gesichtsausdruck. Dieser schien nicht wirklich zu wissen, was er sagen sollte und er tat mir in diesem Moment ja so Leid. Es war nicht einfach mit Flos Humor umzugehen. Vor allem nicht, wenn man das Opfer von eben dem darstellte. O_o »Kommst du mal zu uns?« fragte Melli plötzlich an mich gewandt und lächelte schüchtern. »Öhm...« machte ich verwundert. War mal wieder klar! >Alle kleinen Mädchen lieben Leo!< -.- »Warum nicht?« »Cool!« Sie grinste und zeigte ihre weißen Zähne. Sie sah echt aus wie eine Puppe. »Fynni! Ich will auch ein Eis!« quengelte sie dann plötzlich. Fynns Gesicht nahm einen wehmütigen Ausdruck an. »Melli...Ich...Ich habs dir vorhin schon gesagt. Ich hab kein Geld dabei,« versuchte er zu erklären. »Gar nicht wahr!« beharrte sie. »Ich hab doch gesehen, dass du deinen Geldbeutel dabei hast!« Er presste kurz verzweifelt die Lippen aufeinander. »Ich hab im Moment echt kein Geld da! Tut mir Leid!« »Ach manno!« »Hey weißt du was, meine Süße?« sagte Flo auf einmal. »Ich lad dich auf ein Eis ein! Was sagst du dazu?« Die Kleine strahlte und warf sich um den Arm meines Freundes, der sie, breit vor sich hingrinsend, in Richtung Eisdiele zog. »Warte! Melli! Du kannst doch nicht...,« versuchte Fynn sie aufzuhalten, wurde aber von Flo unterbrochen. »Keine Sorge! Ich pass schon auf sie auf!« »Ja aber...« Und weg waren sie. Fynn hatte gerade irgendwie Ähnlichkeit mit einem begossenen Pudel, wenn gleich er ein sehr hübscher Pudel war. Ungläubig den Kopf schüttelnd sah er seiner Schwester hinterher und mir wurde schlagartig klar, dass ich nun mit ihm allein war. Warum noch mal hatte ich Flo diesen ganzen Scheiß erzählt? Das war ja nicht auszuhalten. -____-° »Er ist etwas...« »...übereifrig!« vollendete ich Fynns Satz, während wir beide immer noch in Richtung Eisdiele starrten. »Ja,« antwortete er seufzend. »Und sie steht auf dich!« »Ich weiß.« Auch ich seufzte. »Woher?« machte Fynn verblüfft und wandte sich mir zu. »Naja...Jedes Mädchen unter 10 Jahren steht auf mich!« Ich grinste verlegen und kratzte mich am Kopf. Auch auf seine Lippen schlich sich so etwas wie ein Lächeln. »Kein Wunder!« antwortete er ruhig. »Was?« Hat der mir gerade ein Kompliment gemacht? ^.^ Uiii wie toll! »Also ich meine...Wenn ich ein 8-jähriges kleines Mädchen wäre, würde ich auch eher auf so was wie dich abfahren, als...naja...zum Beispiel mich.« Er zuckte die Achseln. Ich wusste darauf nichts zu erwidern und versuchte das Thema zu ändern. »Andere Frage: Was treibst du Nachts um 11 mit deiner kleinen Schwester hier im Einkaufszentrum? Bisschen spät für sie, oder?« Ich hob die Augenbrauen. Er sah auf den Boden und kaute kurz nachdenklich auf dem Lippenpiercing rum, als ob er sich erst noch überlegen müsste, ob er mir die Wahrheit sagte. »Hatte Stress mit meinem Vater und bin abgehauen. Ich wollte sie nicht allein lassen.« Er sah mich nun wieder an. »Aber der ist jetzt bestimmt sowieso schon wieder unterwegs. Wir wollten eigentlich gerade nach Hause gehen.« »Alles in Ordnung?« wollte ich wissen. Er hatte mir schließlich erzählt wie sein Vater drauf war. Er nickte. »Ist schon okay. Ich bins gewohnt!« Er blickte wieder zur Eisdiele, wo Flo und Melli gerade aus der Tür kamen. In ihren Händen hielt sie ein Eis mit einer rosanen Kugel, er verdrückte bereits sein zweites mit dreien! O_o Fynn seufzte. »Ich geb euch irgendwann das Geld für das Eis zurück.« »Einen Scheiß machst du!« platzte es empört aus mir heraus. »Er hat sie eingeladen! Hat er doch gesagt!« Ich grinste und auf sein Gesicht schlich sich wieder diese dermaßen niedliche Schüchternheit. »Ich hätte ihr ja gerne eins gekauft,« sagte er und presste kurz die Lippen aufeinander. »Aber ich kann mir so was im Moment echt nicht leisten!« »Finanzielle Schwierigkeiten?« vermutete ich. Er nickte nur. »Kann ich helfen?« »Quatsch!« Er schüttelte schnell den Kopf. »Das geht schon! Ich arbeite jetzt beim Marktkauf. Da kommt ein bisschen was rein!« Er lächelte gequält. Ich sagte nichts mehr. Flo und Melli waren wieder da. »Also Leute! Ich packs dann!« begann Flo gähnend. »Muss nach Hause. Meine Mutter kriegt einen Anfall, wenn ich erst so spät mit dem Zeug nach Hause komme.« Er hob demonstrativ die beiden Einkaufstüten und verdrehte die Augen. »Ja wir sollten auch gehen,« sagte Fynn in Mellis Richtung, die daraufhin beleidigt eine Schnute zog. »Du könntest sie doch fahren!« schlug Flo mir grinsend vor und klimperte mit den Augen. »Dein Wagen steht doch gleich um die Ecke.« »Du hast ein Auto?« fragte Melli mit großen Augen. »Woah cool! Können wir mitfahren Fynni? Bitte, bitte, bitte!« »Ich glaub kaum, dass Leo großartig Lust hat uns in der Gegend rumzufahren.« versuchte der Schwarzhaarige abzulenken. »Oh! Das ist kein Problem für ihn! Nicht war Leo-Schatzi?« Er warf mir einen liebreizenden Blick zu, den ich mit einem, der ihn auf der Stelle ermorden sollte, erwiderte. »Sicher,« antwortete ich dann zerknirscht und wandte mich lächelnd an Fynn. »Das geht schon klar!« »Super!« lachte Flo und kehrte sich um zum Gehen. »Also dann, bis morgen!« Und weg war er. Ich sah ihm fassungslos hinterher, ehe ich mich wieder zu Fynn drehte. »Na dann. Gehen wir!« Wir brauchten ungefähr 10 Minuten, bis wir bei dem Beetle ankamen, der nicht weit von dem Einkaufszentrum stand, da ich ihn am Mittag schnell hier abgestellt hatte. Fynn versuchte mich so gut es ging zu ihm nach Hause zu lotsen, wobei ich stark annahm, dass er es mit der Orientierung nicht so ganz hatte. Er dauerte eine Weile, bis er mich endlich zu der engen Straße geführt hatte, an deren Ende sich mutmaßlich sein Haus befand, oder wohl eher die Wohnung. Wie ich schon vor einer Woche vermutet hatte, war die Gegend, in der Fynn lebte, ziemlich rau. An einer Straßenecke tummelte sich eine kleine Gruppe Jugendlicher, die in einem Kreis sitzend Alkohol tranken und laut lachten, während ununterbrochen irgendwelche HipHop Musik aus ihren Handys zu vernehmen war. Die Sorte Mensch, die ich am meisten mochte. -.- Viele der alten Häuser waren verdreckt und an einigen Stellen beschädigt, als würde sich nur selten jemand darum kümmern. Gleichfalls sah es mit dem Gebäude aus, welches Fynn als sein Zu Hause bezeichnete. »Also dann,« sagte ich unsicher. »Da wären wir!« Fynn nickte schweigend. Während der Fahrt hatte Melli ununterbrochen vor sich hingebabbelt und ihren Bruder nur dann mal zu Wort kommen lassen, wenn er mir den Weg erklären musste (obwohl ich annahm, dass er selbst, wenn sie still gewesen wäre, nichts von sich gegeben hätte .__.). »Was machst du jetzt noch?« wollte Fynn dann wissen, während Melli bereits schon ausgestiegen war und vor der Tür auf ihn wartete. »Ach...Keine Ahnung!« antwortete ich schulterzuckend. »Bisschen rumfahren.« »Gehst du nicht nach Hause?« Ich schüttelte den Kopf. »Nee! Hab gerade ehrlich gesagt keine Lust heim zu gehen. Ich glaub ich treib mich noch ein bisschen im Park rum.« Fynn schien kurz zu überlegen und kaute wie immer, wenn er nachdachte, auf seinem Lippenpiercing rum. »Wenn du willst...kannst du auch...Also nur wenn du willst! Du könntest bei...bei mir übernachten.« Er wurde gegen Ende des Satzes immer leiser und ich konnte selbst in dem schwachen Schummerlicht der Laternen erkennen, dass er gerade hochrot anlief. Schnell drehte ich den Kopf verlegen weg, da ich spürte wie auch mir das Blut in die Wangen schoss. Jeder Schlag meines Herzens kam gerade einer winzigen kleinen Bombe gleich, die von mal zu mal immer stärker und lauter wurden. Ich befürchtete Fynn müsste die einzelnen Explosionen hören. >Bei Fynn übernachten? Sag ja! Du Idiot! Sag JA!< Mühsam quälte ich mich zu einem Lächeln, da es mir bei seinem Anblick recht schwer fiel partielle Regionen meines Körpers richtig zu kontrollieren, und versuchte in einem einigermaßen ruhigen Ton zu antworten. »Ja klar! Das wär cool! Danke.« Auch auf Fynns Lippen schlich sich wieder ein Lächeln. Ich glaubte, ich hatte ihn noch nie zuvor so oft lächeln gesehen wie an diesem Abend. Ich musste zugeben, dass diese Tatsache Flo für all die Nerven, die er mich heute, durch seine ununterbrochenen Verkupplungsversuche, bis hin zu diesem unverschämten Kuss, gekostet hatte, entschädigte. Dieses Lächeln war einfach wunderschön und die Gefühle, die es in mir hervorrief verdoppelten sich fast allein durch das Wissen, dass es einzig und allein mir galt. Ich liebte dieses Lächeln. Hoffentlich würde ich gut darauf aufpassen können. Es war mein Lächeln. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Hihi...Das war Kapi Numero 6 *strahl* ...bin ich vielleicht stolz auf mich, dass ich das jetzt so schnell geschafft hab, aber irgendwie hatte ich da voll Bock drauf ^.^ Wollte eigentlich noch weiter schreiben, aber ich hab mir gedacht, dass diese Übernachtung von Leo vielleicht ein eigenes Kapi verdient hat und...hach in meinem Kopf sammeln sich grad voll viele Ideen O_o Das muss ich erst mal alles verarbeiten ^__^ Naja...Hoffe euch hat das Kapi trotzdem gefallen (auch wenn der sicherlich, nach der Überschrift, erwartete Kuss nicht von Fynn war^^)...hihi...muss ja nicht immer alles so schnell gehen ^.^° Hihi^^ also freu mich auf weitere viele tollige konstruktive Kommies und blubb...mache einen Verschwindibus *verschwindibus* ***Ach ja^^ noch eine kurze Anmerkung: Ich hasse das Wort >chillen.< Das steht in dem Kapi nur, weil alle viel zu kuhl geratenen Menschen dieses Wort in einen deutschen Satz einbauen und weil Leo meiner Meinung nach ganz eindeutig zu dieser Art gehört O_o ^_____^ Kapitel 7: Nacht ---------------- Kapitel 7: Abweisung... »Wahh! Wo ist der verdammter Schlüssel?« fluchte Fynn leise vor sich hin, während er verzweifelt in seiner Umhängetasche wühlte und nach dem kleinen metallenen Gegenstand suchte. Ich hatte den Wagen einige Meter weiter vom Haus abgestellt und war dem Schwarzhaarigen bis hin zu der Eingangstür gefolgt, wo ich dann unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. Ich vermutete, dass mein starkes Herzklopfen wohl schon die ganze Nachbarschaft aufgeweckt haben musste. Die Vorstellung eine ganze Nacht bei Fynn zu verbringen empfand ich zwar einerseits als wahnsinnig berauschend und sie verschaffte mir auch immer wieder einen neuen Schub von Glückshormonen, die allesamt wild durch meinen Körper tanzten und mir dieses merkwürdige Gefühl von Schwerelosigkeit bereiteten, doch andererseits hegte ich auch die beunruhigende Befürchtung, dass ich kurz davor war, mal wieder in eine riesige Peinlichkeit zu geraten, da Fynn es wohl ungewollt sicherlich wieder schaffen würde meinem Gehirn zur völligen Ohnmacht zu verhelfen und mir dadurch die Kontrolle über meinen ganzen Körper zu rauben. Mein Gott, ich war so erbärmlich! »Ah da!« Schnell entriegelte er das etwas ramponierte Hausschloss und trat ein. Das Treppenhaus war stockfinster. Gekonnt tastete er nach dem Lichtschalter, woraufhin sich die kleine Eingangshalle augenblicklich erhellte und ihr mehr oder weniger hübsches Inneres offenbarte. Der Boden war völlig verdreckt und an den Wänden waren unzählige Spinnenweben und Staubschichten zu erkennen. An dem rostigen Geländer lehnte ein altes Fahrrad. Geputzt schien hier seltener zu werden. Leise schlichen wir die Treppen hinauf, um die Nachbarn nicht womöglich doch noch zu wecken, bis Fynn vor einer hölzernen Tür stehen blieb und auch diese mit einigen Handgriffen öffnete. Ich wunderte mich nicht, als wir auch in der Wohnung eine gewisse Unordnung und Unsauberkeit vorfanden, wenn gleich sie kein Vergleich zu der des Treppenhauses war. Der Raum war schwach durch ein warmes schummriges Licht erhellt, welches der Wohnung trotz allem einen gewissen heimeligen Charakter verlieh. An den Wänden hingen einige Bilder und Poster. Neben der Tür befand sich ein kleines Schuhregal, wo sich bald auch die unseren hinzugesellten. »Wo wart ihr so lange?« erklang plötzlich die Stimme einer jungen Frau. Wir drehten uns erschrocken um und erkannten in dem Türrahmen, der wie ich annahm zum Wohnzimmer führte, eine blonde Schönheit mit langen Locken. Sie trug einen kurzen Rock und eine enge Bluse. Sofort war mir klar, dass es sich wohl um eine weitere Schwester von Fynn handeln musste. Die Ähnlichkeit zu Melli war unübersehbar. Sie musste so Anfang 20 sein und auch, wenn ich ja zur Zeit mehr von ihrem jüngeren Bruder angetan war(,der ohne Zweifel ihre Schönheit noch um das tausendfache übertraf *_*) , so musste ich zugeben, dass sie, was das Aussehen anging, fast einem Model gleichkam. »Herrgott Fynn, die Kleine ist acht! Du kannst mit ihr nicht um diese Zeit da draußen rumlungern!« Sie klang aufgebracht, doch konnte ich auch eine gewisse Besorgnis in ihrer Stimme erkennen. »Glaub mir! Hier drin konnte ich mit ihr auch nicht bleiben!« murrte Fynn und ging auf sie zu. Ihr Gesicht wurde bleich. Sie schien mich noch nicht bemerkt zu haben. »Oh nein! Hat er wieder...?« begann sie leise. Er nickte. »Ach Fynn....Es tut mir Leid! Ich wollte schon um sechs da sein, aber ich...« »Ist schon okay. Ich wollte sie nur nicht allein hier lassen,« unterbrach er sie und nickte in Richtung Melli, die den Inhalt des Gesprächs anscheinend überhaupt nicht wirklich zu verstehen schien. » Wo ist er jetzt?« Die Blonde zuckte die Achseln. Irgendwo in einer Bar Fußball gucken. Bei seinen tollen Freunden!« Sie schnaubte und blickte plötzlich in meine Richtung. »Wer ist das denn?« Ihre Stimme war auf einmal viel weicher und wärmer. Melli sprang hinter Fynns Rücken hervor und schlang kurz die Arme um ihre Schwester. »Das ist ein Freund von Fynn! Er übernachtet heute bei uns!« »Ein Freund?« Die Blonde hob erstaunt die Augenbrauen. Dann wandte sie sich grinsend wieder an Fynn. »Seit wann hast du Freunde?« »Ach halt doch die Klappe,« murmelte der Schwarzhaarige und drehte verlegen den Kopf weg, sodass ich ihn nicht länger sehen konnte. Seine Schwester lachte amüsiert und hauchte ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. »Nimm doch nicht immer alles so ernst, Fynn! Das war nur Spaß!« Dann ging sie einen Schritt auf mich zu und streckte mir die Hand entgegen. »Hi, ich bin Lisa. Freut mich!« Ich erwiderte ihre Geste. »Leo. Angenehm!« Ihr Lächeln wurde noch breiter. Sie war wirklich verdammt hübsch. Amüsiert legte sie kurz den Kopf schief und musterte mich eindringlich. Dann wandte sie sich wieder schmunzelnd ihrem Bruder zu. »Mann. Mann. Ich wusste gar nicht, dass du so coole Freunde hast...und noch dazu so attraktive.« Sie zwinkerte und Fynn lief rot an. Ich musste loslachen. Fynns Schwestern schienen das absolute Gegenteil von ihrem Bruder zu sein. Genervt kam er zu mir zurück und nahm meine Hand in seine, welche ich einen Moment verdattert anstarrte. »Ach lass mich doch einfach! Komm wir gehen in mein Zimmer!« Hastig versuchte er mich wegzuziehen und ich stolperte ihm in das Wohnzimmer hinterher. Die beiden folgten uns kichernd. Irgendwie fand ich die Situation wahnsinnig komisch. ^_^° Die Einrichtung des Wohnzimmers war eher schlicht. Es wirkte alles in allem sehr jugendlich und so nahm ich an, dass sich darum wohl hauptsächlich Lisa und Fynn kümmerten. In der hintersten Ecke befand sich ein direkter Zugang zu der Küche, aus der es verdächtig nach Spaghetti und Tomatensoße roch. Ich hatte jedoch nicht viel Zeit alles genauer unter die Lupe zu nehmen, da mich Fynn eiligst weiter in Richtung einer hölzernen Wendeltreppe zog, die wir dann bestiegen. Oben angekommen ließ er meine Hand, zu meinem Bedauern, wieder los und warf seine Tasche achtlos auf sein Bett. »So da wären wir,« sagte er ruhig und räumte schnell einige Sachen, die auf dem Boden verstreut lagen, weg. Es war ein recht kleines Zimmer. Nichts besonderes. Es befand sich direkt an der hinteren Hausecke und hatte zwei schmale Fenster, von welchen eines zur Straßenseite und das andere zu einem kleinen Garten hinter dem Haus zeigte. Unter ihm befand sich ein dunkelbrauner Schreibtisch, auf welchem ein alter Computer stand und viele Schreibutensilien und Hefter lagen. In der Ecke konnte ich Fynns Gitarre und auch den zerfransten Ordner erkennen, in welchem die Band ihre Songtexte aufbewahrte. Direkt daneben stand ein gerade mal hüfthoher Schrank, auf dem ein alter Fernseher thronte. Ihm gegenüber erstreckte sich das Bett, das wie es schien den Großteil des Zimmers einnahm, da es wohl eher für ein Paar Eheleute gemacht war, als für einen einzelnen Jungen. »Schön hier,« sagte ich höflich, doch er winkte sofort ab. »Tu nicht so! Es ist furchtbar!« Er zuckte die Achseln und lächelte ansatzweise. »Naja. Für mich reichts.« »Bloß nicht so bescheiden!« antwortete ich und hob eine Augenbraue. Irgendwie musste ich versuchen ihm diesen ständigen Drang abgewöhnen, sich selbst fertig zu machen. »Ich lach ja gleich!« meinte er ironisch. »Au ja! Wäre mal eine Abwechslung!« »Ha ha,« machte er zerknirscht. Ich grinste kopfschüttelnd und sah mich weiter um. »Scheinst nicht so oft Besuch zu bekommen,« sagte ich schließlich und bezog mich dabei auf Lisas Aussage von vorhin. Er zuckte kurz die Achseln. »Wer würde denn kommen wollen?« Ich sah ihn schockiert an. Das schien ihm nicht viel auszumachen...oder er konnte es einfach nur sehr gut verbergen. »Bestimmt viele,« sagte ich ruhig. Er lachte freudlos auf. »Wenn du sie das nächste mal siehst kannst du sie ja vorbeischicken.« Er schien die Vorstellung für völlig abwegig zu halten. Ich wollte noch etwas sagen, als ich plötzlich hinter mir ein Räuspern hören konnte und mich verblüfft umdrehte. Lisa stierte durch die Gitterstäbe der Treppe zu uns und grinste freundlich. »Wollt ihr zwei noch etwas essen? Ich mach Melli gerade noch ein paar Spaghetti warm. Vater hat zum Glück noch welche übrig gelassen.« Fynn nickte. »Ja ich will noch ein paar. Du?« »Au ja bitte!« lachte ich. »Irgendwie hab ich gar nicht bemerkt wie viel Hunger ich hab!« Als hätte ich es einstudiert begann mein Magen heftig zu knurren. Lisa schmunzelte. »Hört man. Ist ja aber auch schon halb 12!« Dann wandte sie sich noch mal an Fynn. »Gib Leo am besten noch irgendwas zum anziehen. Er kann ja nicht in den alten Sachen schlafen.« Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen. »Ja Mama! Ich bin nicht ganz blöd!« -.-° Sie kicherte wieder amüsiert und ging nach unten. Fynn öffnete einen der zwei Schränke und wühlte grüblerisch in dem unsauber zusammen gelegten Kleiderhaufen. Dann zog er ein schwarzes T-Shirt und ein Paar Boxershorts heraus. Nachdenklich betrachtete er sie einen Augenblick und streckte sie mir dann entgegen. »Naja. Müsste passen!« »So dick bin ich auch wieder nicht!« sagte ich grinsend. Auch er schmunzelte leicht. »Ja...Aber groß und sportlich!« Er sah frustriert an sich hinab und seufzte. »Ich dagegen bin eher klein und schmächtig. Ich seh aus wie eine Frau!« »So ein Gelaber! Du siehst super aus!« Ein leichter rötlicher Schimmer huschte zum wiederholten Male an diesem Abend über sein Gesicht. Zum Glück befand sich dieses Gespräch gerade auf einer recht sarkastischen Ebene, sonst wäre mir diese Aussage sicherlich schon wieder totpeinlich gewesen. »Wenn du das sagst, dann bin ich ja beruhigt,« meinte er schließlich. Er wandte schnell den Blick ab und versuchte seinen Schrank wieder zu schließen, ohne dass etwas herausfiel. Ich nahm einen Moment die Sachen, die er mir gegeben hatte, in Augenschein und versuchte das Thema zu wechseln. »Du hast Spongebob-Boxershorts?« bemerkte ich und musste schon wieder loslachen. »Hast du ein Problem mit Spongebob?« fragte er gespielt empört und sah wieder zu mir. »Nein. Nein. Wer mag Spongebob schon nicht?« winkte ich belustigt ab. »Niemand denk ich.« Auch er musste wieder grinsen. Man ich hoffte, seine Mundwinkel würden da oben festwachsen. Das war ja wirklich zu niedlich! »Die hat mir Melli mal zum Geburtstag geschenkt. Zieh sie an! Dann liebt sie dich noch mehr!« »Das ist ja auch wirklich erstrebenswert,« versicherte ich in gehobenem Tonfall. Dann zog ich mir schnell das T-Shirt und die Spongebob-Boxershorts an, während ich versuchte so gut es ging nicht in Fynns Richtung zu sehen, da ich genau wusste, dass dieser sich hinter mir ebenfalls umzog. Der bloße Gedanke an seinen feinen zierlichen Körper jagte mir einen Schauer über den Rücken und ich kniff einmal heftig die Augen zusammen, bevor ich mich wieder ihm zuwandte. Er trug ebenfalls Boxershorts und ein T-Shirt, wobei er seiner schwarzen Farbe jedoch treu blieb. Seine Haare waren leicht verwuschelt und er begann erneut in einem der Schränke zu kramen. »Wir haben, glaub ich, keine anderen Decken im Haus,« sagte er entschuldigend und warf einen alten Teppich mit Flicken auf sein Bett. Ich zuckte die Achseln. »Reicht mir auch. Werd schon nicht erfrieren.« Und das glaubte ich auch wirklich, da mir schon seit Minuten ununterbrochen das Blut durch den Körper schoss und mir jetzt schon ganz heiß war. Ich hatte das Gefühl, dass sich dies auch nicht so bald ändern würde. Jedenfalls nicht solange Fynn in der Nähe war. »Fynnieeeeeeee!« drang dann plötzlich die quietschige Stimme Mellis in das Zimmer und das kleine puppenhafte Mädchen kam die Treppe hinaufgeklettert. »Darf ich noch ein bisschen bei euch bleiben?« Ihre Lippen formten ein beinahe engelsgleiches Lächeln, welchem nicht mal der kaltblütigste Mensch der Welt hätte widerstehen können. Fynn blickte einige Male skeptisch zwischen ihr und mir hin und her und zuckte dann die Achseln. Ich grinste breit und ging zu ihr. »Na, aber hallo, bleibst du noch hier!« Lächelnd wuschelte ich ihr mit der Hand kurz durch die Haare und erlag sofort wieder einer Knuddelattacke. Wahhhh...Konnte man die Kleine kaufen? Die war ja nur süß! Am besten im Doppelpack mit ihrem Bruder! ^.^° Begeistert nahm ich das lachende Mädchen auf den Arm und trug es zu Fynns Bett, wo ich mich mit ihr niederließ. Sie umklammerte ununterbrochen meinen Arm und ich musste abermals über ihre etwas frühreife Direktheit auflachen, als sie mich anfangs über einen »total süßen« Jungen aus ihrer Klasse aufklärte, dem ich angeblich unheimlich ähnlich sah, und mich dann anschließend ohne jede Hemmung fragte, ob ich denn gerne eine Freundin hätte. Ich bemerkte wie Fynn etwas beschämt grinsend auf den Boden guckte und den kopfschüttelte. »Ob ich eine Freundin will?« wiederholte ich etwas baff ihre Frage. »Wieso willst du das denn wissen?« Ein rötlicher Schimmer huschte über ihre Wangen und sie drehte kurz ihren Kopf weg, damit ich ihr verlegenes Grinsen nicht sehen konnte. »Ja nur so!« »Nur so?« stellte ich schmunzelnd fest. »Jaaaaa!« Sie begann wieder zu kichern. »Meine Freundin findet dich nämlich voll süß!« Ich musste gerade echt aufpassen, dass ich nicht losprustete. Diese unbeschreibliche Direktheit gepaart mit dem kindlichen naiven Gerede war doch wirklich nur süß! Was hatten die mit dem Kind nur gemacht? xD »Also willst du eine Freundin?« hakte sie weiter nach und klimperte mit den Augen. »Vergiss es Melli!« unterbrach Fynn sie lächelnd, noch bevor ich etwas sagen konnte. »Leo hat eine Freundin. Du hast keine Chance.« Ich hob überrascht die Augenbrauen. Wie kam er denn jetzt bitte da drauf? »Bähh! Es geht ja auch nicht um mich!« sagte Melli schmollend und streckte ihm die Zunge raus. »Nein gar nicht!« stimmte er ihr ironisch zu. »So ihr drei,« hörte ich erneut die Stimme Lisas, welche, drei Teller im Arm haltend, die Treppe hinaufkam. »Hier sind eure Spagetti!« Melli jubelte auf und sprang ihrer Schwester entgegen. Lisa stellte das Essen auf einem kleinen Tisch neben dem Bett ab und wandte sich noch mal an Fynn. »Macht aber nicht mehr so lange! Die Kleine sollte bald ins Bett!« Er nickte schweigend und sie verschwand wieder. Seufzend kam er dann zu mir und Melli, die bereits eifrig begann ihre Nudeln zu verschlingen, und schaltete den Fernseher ein. »Oh da kommt Deutschland sucht den Superstar!« kreischte Melli begeistert los und ich konnte mir ein weiteres Lachen nicht verkneifen, wodurch mir die Gabel samt Nudeln aus den Fingern rutschte und ich erst recht losprustete. »Melli du bist so was von klischeehaft!« maulte Fynn kopfschüttelnd rum. »Du hast das doch auch schon mal mit mir geguckt!« versuchte sich das Mädchen zu verteidigen. »Hab ich gar nicht!« wehrte er empört ab. »Du schaust DSDS?« Ich musterte ihn grinsend und er presste schmollend die Lippen aufeinander. »Tu ich gar nicht!« Oh Mann! Es sollte gesetzlich verboten werden, dass so was wie der frei rumlief! Es reichte allein, dass er mich ansah, dann begannen sich schon die ersten Zellen meines Gehirns von selbst zu zerstören! @.@ »Ich mag die neue Staffel nicht!« plauderte Melli fröhlich weiter und schlürfte ihre Nudeln, wobei sie viel verspritzte. »Ich finde die alle doof!« »Na wenn du das sagst, glaub ich dir das natürlich,« sagte ich wieder an Melli gerichtet. Nachdem wir fertig gegessen hatten, brachte Fynn unsere Teller schnell in die Küche, wobei er meine Hilfe mit abzuwaschen, dankend ablehnte. In der Zwischenzeit machte Melli sich auf dem großen Bett breit und schaute angeregt und ununterbrochen kommentierend DSDS. Gezwungenermaßen hatte ich mich neben sie legen müssen, woraufhin sie sich augenblicklich an mich ranhängte und unbewusst an meiner Hand rumfummelte. ^.^° Mann! Ich mochte die Kleine irgendwie total! >o<° Wenige Minuten später kehrte Fynn dann auch wieder zurück und legte sich neben Melli ebenfalls auf das Bett. Die meiste Zeit schwiegen wir dann eigentlich, was hauptsächlich auch daran lag, dass uns das Mädchen kaum zu Wort kommen lies. Ich hätte gerne gewusst woher dieses Kind all die Energie hatte. Ich konnte meine Augen fast schon nicht mehr offen halten. Irgendwann, es musste so halb eins sein, schlief sie dann jedoch tatsächlich ein und kuschelte sich noch enger an mich. Ich schaute einmal kurz hinüber zu Fynn, der skeptisch zu dem Fernseher sah und die Augenbrauen zusammen gezogen hatte. »Totaler Schwachsinn, was da kommt,« sagte er schließlich und versuchte dabei so leise zu reden, dass Melli nicht aufwachte. Ich lächelte kurz. »Schon. Schalt halt um!« »Auf anderen Sendern kommt auch nichts besseres. Nur dieser triviale Quatsch!« Er schüttelte genervt den Kopf. Jetzt musste ich erst recht lachen. Ich hätte nicht gedacht, dass ihn so etwas interessieren würde. »Willst dir lieber irgendwelche Dokus reinziehen?« erkundigte ich mich grinsend. Er zuckte gähnend die Achseln und drehte sich zu mir und Melli, die im Schlaf leise vor sich hinmurmelte. »Egal! Beides gleich doof!« Er musterte mich kurz nachdenklich. »Wieso wolltest du eigentlich nicht nach Hause?« Ich schnaubte kurz. »Ach...Stress mit meinem Vater!« »Wegen der Band?« mutmaßte er. Ich nickte schweigend. »War er arg wütend?« »Es ging,« antwortete ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Naja...Der Idiot hat doch sowieso nur Schiss, dass ich ihn irgendwie lächerlich machen könnte. War schon immer so.« »Wolltest du deshalb nicht mitmachen?« »Auch...Und wegen meinen Freunden eben! Aber die haben es gefasster genommen, als ich dachte... Alle bis auf Chris zumindest!« Ich sprach gerade irgendwie mehr mit mir selbst, als mit ihm und wandte schnell meinen Kopf zu ihm. Er hatte den Blick immer noch nicht abgewandt, zog aber eine grüblerische Mine. »Ich mag den nicht!« »Chris?« lachte ich leise. »Jaha! Wer tut das schon?« »Viele...denk ich.« Er hob eine Augenbraue. »Quatsch! Er ist unheimlich nervig!« begann ich zynisch. » Ständig muss er im Mittelpunkt stehen! Der hat ein Ego, das übersteigt ja selbst das von Arnold Schwarzenegger, und das lässt er dann an allem raus, was seiner Meinung nach nicht wert ist, sich im selben Raum aufzuhalten wie er!« »Ja ich weiß!« seufzte Fynn bitter. »Ich bin es, der es meistens nicht wert ist!« Ich sah ihn verwundert an. »Hat er dich schon mal fertig gemacht?« »Klar!« sagte er ruhig. »Du bist, glaub ich, sogar daneben gestanden!« Ich zuckte zusammen und fand erst nach einigen Sekunden meine Stimme wieder. »W-wirklich?« Er hob die Augenbrauen und nickte. Blass wandte ich den Blick von ihm ab. »Ist nicht so schlimm!« versicherte er mir schnell. »Ich bins gewöhnt!« »Das ist sehr wohl schlimm!« murmelte ich zerknirscht. Ein Schauer lief mir über den Rücken. »Ist komisch! Aber irgendwie ist mir nie aufgefallen wie ähnlich ich ihm bin!« »Wem? Chris?« fragte Fynn verblüfft. Ich nickte. »Ich hab ihn nie so richtig gemocht und dabei bin ich doch eigentlich genauso ein Arschloch wie er!« Ich schüttelte abfällig den Kopf. »Find ich nicht!« sagte Fynn nach kurzem Schweigen und ich sah ihn erstaunt an. »Naja ich hab gedacht, dass du genauso bist, aber...aber jetzt glaub ich das nicht mehr!« »Und was glaubst du jetzt?« Er dachte kurz nach und kaute auf dem Lippenpiercing rum. »Ich glaube, dass du eigentlich sogar ganz nett bist...also, wenn du nicht gerade bei deinen Freunden bist!« Er zögerte kurz. »Ja...Vielleicht...mag ich dich ja sogar...irgendwie.« Ich sagte nichts, schaute ihn nur sehr lange an. Er schien wieder wegsehen zu wollen, tat dies aber nicht, als würden unsere Blicke hartnäckig versuchen einen Kampf auszufechten, um herauszufinden, wer dem anderen wohl länger standhalten konnte. Ich spürte wie mein Herz mit jedem Moment, den ich länger in dieser Starre verbrachte, unregelmäßiger zu schlagen begann. Angestrengt wandte ich meinen Kopf wieder dem Fernseher zu, um der Situation zu entkommen. Ich bemerkte wie er es neben mir gleich tat und es verstrichen wieder endlose Minuten des Schweigens. »Ich find dich eigentlich auch nicht so übel,« murmelte ich dann irgendwann und erschrak mich fast zu Tode, als ich meine eigenen Worte hörte. Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Oh Gott! Was war ich nur für ein Idiot? Das war doch wieder so klar! Selbst Schuld! Viel zu lange hatte ich in seine Augen geschaut. Ich wollte mir gar nicht vorstellen wie viele Teile meines armen unschuldigen Gehirns dabei schon wieder draufgegangen waren! Fynns Mund formte sich kurz zu einem Lächeln. »Das ist schön,« sagte er versunken, als wäre er in Trance. »Es gibt nicht viele Menschen die das sagen würden.« Seine Stimme bekam einen traurigen Unterton. Ich spürte wie sich Melli ein wenig drehte und im Schlaf nach der Hand ihres Bruder tastete. »Fynni?« Er rutschte etwas näher und sie legte seinen Arm um ihren Oberkörper. Wie ein Kuscheltier umklammerte sie seine Hand und bettete ihren Kopf dann wieder auf meiner Brust. Als ich aufschaute stellte ich erschrocken fest, dass Fynns Gesicht höchstens noch 20 Zentimeter von meinem entfernt war. Leicht konnte ich den Hauch seines Atems auf meiner Haut spüren, auf der sich daraufhin eine zarte Gänsehaut bildete. Er betrachtete nachdenklich des Mädchen, das, in unseren Armen liegend, seelenruhig weiterschlummerte. »Ich kann mir vorstellen Melli mag dich auch sehr!« sagte ich flüsternd. Er schaute verwundert auf und wich mit dem Kopf erschrocken zurück, als er feststellte wie nah er mir plötzlich war. Erst dann schien mein Satz zu ihm durchzudringen und er überlegte kurz. »Ich bin der einzige, der nach dem Tod unserer Mutter für sie da war,« erklärte er. »Eure Mutter ist tot?« »Ein Autounfall. Danach ist mein Vater völlig durchgedreht, hat angefangen zu trinken und so.« Er sprach, als würde er den Klappentext eines Buches zitieren. »Das tut mir Leid,« sagte ich leise. Er schwieg kurz. »Er ist ja nicht immer so...Manchmal...da mag ich ihn sogar wieder...irgendwie...ist komisch.« »Und was ist mit Lisa?« Er zucke die Achseln. »Ist nach einem Jahr studieren gegangen...Sie kam erst vor zwei Monaten wieder zurück, weil sie abbrechen musste.« »Und jetzt hilft sie euch wieder?« »Naja...Sie geht...arbeiten, damit ein bisschen Geld reinkommt. Mein Vater wurde von seinem Chef gefeuert, weil er betrunken am Arbeitsplatz erschienen ist. Total bescheuert eben. Mein Leben hört sich an wie aus einem schlechten Film!« Wir schwiegen. Ich wollte nicht weiter nachhaken. Es schien ihm sichtlich unangenehm zu sein darüber zu reden, also versuchte ich das Thema zu wechseln. »Wie kommst du eigentlich drauf, dass ich eine Freundin hab?« Er zog verwundert die Augenbrauen zusammen. »Hast du etwa nicht?« Ich schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.« »Hmm,« machte er grüblerisch. »Ich dachte nur...Irgendwo hab ich gehört, du wärst mit Emily zusammen.« Ich erschrak. »Mit Emily?« »Ihr sollt miteinander rumgemacht haben!« stellte er sachlich fest. »Mann...Haben diese Idioten keine anderen Probleme, als ständig über mich zu reden?« maulte ich genervt. »Also bist du nicht mit ihr zusammen?« fragte er neugierig. Ich schüttelte ruckartig den Kopf. »Nee!« ich zögerte kurz, ehe ich weitersprach. »Also ich hab mit ihr rumgemacht...auf ihrem Geburtstag...aber ich bin abgehauen!« Ich lächelte blöde und er hob eine Augenbraue. »War sie so schlecht?« Ich lachte erneut auf. Die Direktheit schien in der Familie zu liegen. »Nein...Ich...Keine Ahnung! Ist viel scheiße gelaufen an dem Abend!« versuchte ich mich rauszureden, da ich ihm ja unmöglich hätte erzählen können, dass ich seinetwegen den Kuss mit Emily unterbrochen hatte. Einen Moment stellte ich mir sogar vor, wie er wohl darauf reagieren würde, doch der Gedanke war so deprimierend, dass ich ihn schnell beiseite schob. »Wer hat dir das erzählt?« sagte ich dann. Er grinste amüsiert. »Seiji!« »Und woher weiß der das bitteschön?« »Also er meinte, seine Freundin hätte eine Freundin, die mit Emily befreundet ist und die hat ihm das erzählt.« Er schien über den Satz noch mal nachzudenken, um sicher zu gehen, dass er keinen Fehler eingebaut hatte. Ich stöhnte genervt. »Dann weiß es also jeder?« Er nickte eifrig. »Jap!« »Und du findest das total witzig?« maulte ich ihn an. »Schon irgendwie.« »Tss...Ich verbreite mal ein Gerücht über dich! Mal sehn, ob du dann immer noch lachst!« »Wahrscheinlich schon! Es würde nämlich keinen interessieren!« antwortete er gelassen und ich stellte fest, dass ich mal wieder voll ins Fettnäpfchen getreten war. »Wieso glaubst du eigentlich immer, dass alle dich hassen?« fragte ich ernst. »Weil sie es tun!« antwortete er im selben Tonfall. »So ein Quatsch! Was hätten sie denn für einen Grund?« »Keine Ahnung! Brauchen sie denn einen?« »Natürlich!« Er senkte einen Augenblick nachdenklich den Kopf, ehe er weitersprach. »Naja...Ich denk mal, weil sie eben genau das sehen, was sie sehen wollen!« »...was sie sehen wollen?« wiederholte ich seine Worte. »Das versteh ich nicht!« »Sie denken eben ich bin einfach nur der kleine dumme Emo, der ja sowieso keine Ahnung vom Leben hat und...ach was weiß ich.« Er verdrehte die Augen. »Wieso versuchst du das nicht zu ändern?« fragte ich nach kurzem Schweigen. »Weil ich es satt habe mich ständig zu verstellen, nur damit andere mich mögen!« Er schnaubte verächtlich. Einen Augenblick lang musterte ich ihn eindringlich. »Dann haben sie Recht?« wollte ich stutzend wissen. »Womit? Dass ich ein Emo bin?« Er sah mich an, als würde er die Frage allein schon absurd finden. »Ich bin Ich, und lass mich nicht in irgendwelche Schubladen stecken! Aber, wenn sie ihren kleinen schwulen Emo haben wollen, dann werd ich ihnen den natürlich geben! Vielleicht lassen sie mich ja endlich in Ruhe!« Ich zuckte bei der Bemerkung zusammen, versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen. »Dann spielst du ihnen den Emo nur vor?« »Wenn du so willst!« Er zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. »Siehst ja! Klappt ganz hervorragend!« Er schien zufrieden mit der Antwort, doch da war noch eine andere Frage, die mich brennend interessierte. »Und das andere?« Er zog verwirrt die Augenbrauen zusammen, schien aber nach kurzem Überlegen zu verstehen. »Ob ich schwul bin?« Ich nickte schweigend und er dachte lange über die Frage nach. »Keine Ahnung!« murmelte er schließlich. Ich musterte ihn verständnislos. »Wie keine Ahnung?« »Ich weiß es nicht! Ganz einfach!« Er sprach, als wäre er deshalb selbst ein wenig irritiert. »Wie kann man nicht wissen, ob man auf Männer oder Frauen steht?« hakte ich verwundert nach, stellte aber zu meinem Leidwesen fest, dass es mir ja ähnlich ging. Einen kurzen Augenblick überlegte ich, ob das nun gut oder schlecht war, wurde jedoch von Fynn in meinen Gedankengängen unterbrochen. »Ich hab noch nie wirklich darüber nachgedacht. War mir bis jetzt egal.« Ich überlegt kurz. »Aber...also wenn du zum Beispiel auf der Straße läufst...und...keine Ahnung...dir kommt ein hübsches Mädchen entgegen...schaust du ihr nicht hinterher...oder so?« Ich stockte leicht, während ich redete. Die Frage klang irgendwie merkwürdig. »Ist ja nicht so, dass ich noch nie eine Freundin hatte!« antwortete Fynn. Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Du hattest eine Freundin?« »Ja ich weiß! Hört sich lächerlich an!« lachte er bitter. »Nein! So meinte ich das doch nicht!« winkte ich schnell ab. »Doch tust du! Geht mir ja genauso!« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Ist ja auch schon eine Weile her.« »Wie lange denn?« »Naja...So zwei-drei Jahre! Ich war damals 14.« erzählte er nachdenklich. »Was ist passiert?« »Sie ist weggezogen,« sagte er gleichgültig. »...und dann haben wir uns aus den Augen verloren.« »Wie? Einfach so?« »Einfach so,« stimmte er zu. »Sie hat nicht mal offiziell Schluss gemacht. Aber so viel ich weiß hatte sie ziemlich schnell einen neuen. Hab ich zumindest in Kwick gesehen!« Ihn schien die ganze Sache ziemlich kalt zu lassen. Zumindest war der betrübte Tonfall in seiner Stimmer verschwunden. »Und jetzt willst du keine Freundin mehr?« fragte ich neugierig. Er versuchte ein Lachen zu unterdrücken. »Fast die selbe Frage hat Melli vorhin DIR gestellt! « Peinlich berührt wandte ich den Blick ab. »Ups!« Ich grinste verlegen. Er schien sich jedoch nichts dabei zu denken. »Wenn mal eine passende kommen würde vielleicht schon.« Er zögerte kurz. »...oder ein passender!« Ich hob verwundert die Augenbrauen. »Also bi?« »Wie gesagt, ich weiß es nicht! Interessiert mich nicht. Ich brauch das alles nicht...Und wenn ich ehrlich bin...wüsste ich mal gerne, warum ich so was ausgerechnet DIR erzähle.« Ich lächelte unschuldig. »Naja...Ich hab dich gefragt.« »Und wieso interessiert dich das?« Er verdrehte den Kopf und ich wusste, dass ich mir jetzt gleich eine äußerst kluge Ausrede aus den Fingern saugen musste, sonst würde das alles in einer gewaltigen Katastrophe enden. »Ich bin eben ein wahnsinnig sensationsgeiler Mensch und interessier mich für das Leben anderer,« lachte ich blöde. Wie war das noch gleich? >Kluge Ausrede?< Naja. >Klug< ist relativ. ^-^ »Aha,« stutzte er. »Okay. Bin ich auch! Erzähl was von dir!« Er musterte mich entschieden. »Glaub mir! Mein Leben ist wahnsinnig uninteressant.« »Muss langweilig sein, wenn alles so perfekt ist,« mutmaße Fynn zynisch. »Ja total,« antwortete ich in sarkastischem Tonfall. »Aber zum Glück gerät mein Leben ja gerade ein wenig aus den Fugen, damit es endlich etwas spannender wird.« Er legte einen Moment den Kopf schief. »Wegen der Band?« Ich nickte und hob überlegen die Augenbrauen. Er dachte kurz nach. »Tut mir Leid...Wirklich!« Ich schüttelte den Kopf. »Ach...Ist doch egal. Obwohl ich ziemlich gerne das Arschloch war!« hängte ich ironisch noch an meinen Satz. »Wieso sagst du die ganze Zeit, dass du ein Arschloch bist?« fragte er abfällig. »Wieso glaubst du, dass dich alle hassen?« »Hab ich dir gesagt! Weil sie es tun!« »Ach ja! Dann ist meine Antwort: Weil ich ein Arschloch BIN!« Fynn wollte noch etwas erwidern, schwieg dann aber. Eine Weile herrschte Stille, dann öffnete er abermals den Mund und sprach flüsternd weiter. »Ich finde nicht, dass du ein Arschloch bist.« Ich zog langsam die Augenbrauen zusammen. »Woher willst du das wissen?« fragte ich leise. »Du kennst mich gar nicht.« »Aber du kennst mich!« sagte er tonlos. Ich verstand nicht, was er damit meinte und verzog fragend das Gesicht. »Was hat das damit zu tun?« »Naja. Du hättest allen erzählen können, was in der Gasse geschehen ist,« begann er vorsichtig und sah mir dabei weiterhin tief in die Augen. »Wenn du Chris so ähnlich wärst, dann hättest du vor versammelter Schule von meinen Problemen erzählt und dich darüber lustig gemacht. Aber du hast es nicht getan. Warum?« Ich zögerte. Diese Frage hatte ich mir lange Zeit selbst unzählige Male gestellt. Jetzt war mir klar, dass mir Fynn verdammt viel bedeutete. Aber war das zu diesem Zeitpunkt auch schon so gewesen. Sicher nicht. Ich hatte ihn ja nur wenige Tage gekannt. »Ich...Ich denk mal...Du hast mir eben Leid getan,« murmelte ich versunken. »Siehst du? Und deshalb bist du kein Arschloch.« Jetzt lächelte er und ich hatte das Gefühl, dass ich langsam aber sicher dahin zuschmelzen schien. Konnte der bitte weggucken? Das war ja nicht auszuhalten! »Tja,« sagte ich nach langem Schweigen. »Dann musst du dich wohl damit abfinden, dass dich auch nicht alle hassen.« Wieder verengte er die Augenbrauen. »Wer denn nicht?« Ich zögerte, ehe ich die Antwort gab. Ich spürte wie mir ein heißer Schauer wie Lava über den Nacken kroch, der langsam versuchte auch das letzte bisschen Verstand in mir zu vernichten. »Naja...Ich für meinen Teil mag dich zumindest,« nuschelte ich leise und befürchtete mein Kopf würde jeden Moment in Flammen aufgehen. Fynn sagte nichts. Lange Zeit musterte er mich einfach nur eindringlich mit diesem ausdrucklosen Blick. Es fiel mir erneut schwer ihm stand zu halten, ohne dabei die letzte noch vorhandene Willenskraft in mir zu verlieren und so wandte ich meinen Kopf irgendwann wieder dem Fernseher zu. Eine kleine Zeitanzeige am oberen Bildschirmrand verriet mir, dass es mittlerweile Viertel zwei war. Eine ganze Weile lang beobachtete ich wie die kleinen Minutenzähler immer eine Zahl höher sprangen, ehe ich spürte wie die Müdigkeit abermals versuchte mich zu übermannen. Als meine Augenlider kurz davor waren zuzuklappen hörte ich hinter mir plötzlich Schritte und drehte mich vorsichtig um. In der Dunkelheit, nur schwach vom Licht des Fernsehers erhellt, stand Lisa und lächelte liebevoll. »Hey,« flüsterte sie leise und kam zu uns rüber. »Hi.« Sie kicherte. »Die beiden scheinen eingeschlafen zu sein.« Schnell sah ich wieder zu Fynn und stellte fest, dass seine Augen tatsächlich geschlossen waren. Sein Kopf lehnte leicht gegen Mellis, wobei sich ihre Haare immer wieder schwach im Takt seines Atems bewegten. »Ich wollte nur Melli kurz holen. Sie sollte in ihr eigenes Bett,« sprach Lisa leise und ich nickte. Vorsichtig versuchten wir das kleine Mädchen aus Fynns Armen zu befreien, bis ihre größere Schwester sie schließlich hochhob. Unbewusst griff Melli im Schlaf nach Lisas Haarlocken und klammerte sich daran fest. Wir musste beide lächeln. »Ich hoffe, sie hat dich nicht mehr so lange genervt,« sagte sie schmunzelnd. Ich schüttelte den Kopf. »Ist schon okay. Irgendwie ist sie ja süß,« gab ich grinsend zu. Einen Augenblick lang musterte Lisa mich nachdenklich, als ich plötzlich spürte wie sich etwas weiches warmes an mich schmiegte. Verdutzt wandte ich meinen Blick um und stellte erschrocken fest, dass sich Fynn im Schlaf auf die Seite gedreht hatte und sich nun anstatt von Melli, an mich kuschelte. Ich spürte wie sich seine Finger schwach im Stoff meines T-Shirts vergruben und mich festhielten. Sofort war wieder dieses unglaubliche Gefühl von Hitze in meinem Nacken zu spüren und ich bemerkte, dass sich mein Atem äußerst schwer anfühlte. »Kannst du mir was versprechen?« erklang plötzlich wieder Lisas Stimme und ich wandte ihr irritiert meinen Blick zu. Sie stand immer noch an der selben Stelle wie zuvor und beobachtete uns. »Tu ihm bitte nicht weh!« Es dauerte eine Weile bis ich ihre Worte verstand. Verwirrt verengte ich die Augenbrauen. »W-Warum sollte ich ihm wehtun?« Sie zögerte kurz, als würde sie ihre Worte mit äußerster Bedacht wählen wollen. »Ich glaube er mag dich wirklich sehr,« begann sie dann mit einer gewissen Zurückhaltung. »Es ist lange her, dass er so viel gelacht hat.« »Und du glaubst das liegt an mir?« »Ich weiß es nicht,« sagte sie ruhig. »Ich weiß nur, dass er dir vertraut. Und das tut er sonst nie!« Ich schwieg und betrachtete ihn eine Weile. Sein Kopf lag direkt auf meiner Brust. Sein schwarzes Haar verdeckte sein Gesicht, sodass ich es nicht sehen konnte. Nur mit Mühe konnte ich dem Drang widerstehen einfach meine Hand zu heben und darüber zu streichen. Wie könnte ich ihm denn weh tun? Das würde ich gar nicht über mich bringen können. Alles in mir würde sich dagegen wehren. Ich drehte meinen Kopf langsam wieder zu ihr. »Keine Sorge!« flüsterte ich leise. »Ich pass schon auf ihn auf.« Sie lächelte wissend. »Ja. Das glaub ich auch.« Sie ging leise zum Ende des Bettes und zog die Decke höher, damit ich sie um Fynn und mich legen konnte. »Also...Gute Nacht ihr zwei.« »Gute Nacht.« Sie schaltete noch den Fernseher aus und ging dann, mit Melli im Arm, die Treppen hinunter. Ich konnte hören wie sie durch die Wohnung schritt, erst in das Zimmer ihrer kleinen Schwester und dann zu jedem einzelnen Lichtschalter, um sie einem nach dem anderen auszuknipsen. Bis zum letzten betrachtete ich Fynn. Ich hatte mich vorsichtig zu ihm gedreht und meinen Arm um ihn gelegt, wodurch er noch etwas näher gerutscht war. Sein Körper hob und senkte sich regelmäßig und verleitete mich dazu es ihm in seinem Atmungstakt gleichzutun. Ich spürte wie sich seine Wärme auf mich übertrug und mir das Gefühl gaben mein Körper würde immer schwerer werden. Die Müdigkeit leistete auch ihren Teil. Kurz bevor ich einschlief ließ ich langsam meinen Kopf auf seinem nieder und hauchte ihm einen kleinen zaghaften Kuss ins Haar. Dann wurde es dunkel. Tropf. Tropf. Tropf. Tropf... Seit Minuten schon lag ich nur so da. Es regnete oder? Ja das war Regen! Schon wieder Regen! Wie ich ihn doch hasste! Ich würde mich hüten meine Augen zu öffnen. Ich wollte nicht wissen, dass ich Recht hatte. Ich wollte gar nichts wissen. Mein Kopf fühlte sich an wie Watte. Lieber noch länger hier liegen. Es war warm und kuschelig. Mein Bett war so weich. Und warm. Und kuschelig. Hach... Doch es war hell! Das sah ich durch meine Augenlider hindurch. Es sollte wieder dunkel sein. Ich wollte weiterschlafen! Es war so angenehm. Ich seufzte zufrieden. Gemächlich versuchte ich mich zu drehen. Es ging nicht. Irgendetwas hinderte mich daran. Langsam ließ Ich meine Hände nach oben wandern um zu ertasten, was mich da festhielt. Es war warm. Knochig. Ein Tier? Nein. Kein Fell. Ein Mensch! Ein heftiges Ziehen in meiner Brust riss mich aus diesem jämmerlichen Wachschlaf und ließ mich wieder klar denken. Erinnerungen an gestern kehrten zurück. Und das altbekannte Herzrasen. Ich traute mich nicht die Augen zu öffnen. Viel zu sehr befürchtete ich mein Herz würde kurzfristig aussetzen, sobald ich das erblickte, was ich da direkt neben mir erwartete. Stattdessen tasteten meine Hände blind weiter, um sich ein Bild meiner augenblicklichen Lage zu machen. Ich konnte einen kühlen Atem spüren, der mir schwach immer wieder gegen den Hals schlug. Auf meiner Brust bemerkte ich eine andere Hand leicht aufliegen. Sie hatte sich zaghaft zu einer Faust geballt. Viel mehr irritierte mich jedoch der Belast eines Beines, das angewinkelt direkt über meiner Hüfte lag und mich nun, da ich es bemerkte, heftig erzittern ließ. Ich erinnerte mich. Fynn war neben mir eingeschlafen. Zu nah wie ich jetzt feststellen musste. Mein Körper war so früh am Morgen noch nicht in der Verfassung sich vollständig zu kontrollieren; erst recht nicht, wenn eine gewisse schwarzhaarige Person direkt auf ihm lag. So musste ich mit schrecklicher Gewissheit feststellen wie sich in bestimmten unteren Regionen meines Körpers langsam aber sicher das Blut anstaute und sich unwillkürlich etwas regte. Gequält keuchte ich auf und riss panisch die Augen auseinander. Keine gute Idee wie ich sofort feststellen musste. Vor mir, keine zehn Zentimeter entfernt, erblickte ich Fynns unbeschreiblich schönes Gesicht. Es lag auf meiner Schulter. Er schlief noch. Seine Augen waren geschlossen, sein Mund, nur leicht zum Atmen geöffnet. Ich bemerkte, dass mein linker Arm immer noch um ihn lag und meine Hand unbewusst durch sein Haar strich. Erneut durchfuhr meinen Körper ein unkontrolliertes Zittern. Wenn mein Herz vorher schon am Rasen gewesen war, so lieferte es sich jetzt wohl ein Rennen mit Michael Schuhmacher; und es schien dabei ganz eindeutig zu gewinnen. Dennoch war ich nicht im Stande mich zu bewegen. Alles in mir sträubte sich dagegen. Verdammt! Das fühlte sich so gut an! ER fühlte sich gut an. Wie konnte es ein einzelner Mensch nur so leicht schaffen mich dermaßen aus der Fassung zu bringen, dabei sämtliche denkfähigen Zellen meines Gehirns zu zerstören und während er all das tat nicht einmal bei Bewusstsein zu sein? Das war ungerecht! Ich konnte mich nicht mal wehren. Er spielte ein Spiel mit mir und es war verdammt noch mal unfair! Noch während ich diesem Gedanken nachhing schnaufte ich einmal kräftig ein und aus. Ich musste schnell hier wegkommen, bevor sich die Region zwischen meinen Beinen endgültig verselbstständigte. Gott steh mir bei! Ich bekam einen Ständer wegen einem Kerl! Hilfe! Wieso half mir denn niemand. Wieso konnte ich mir nicht selbst helfen? Wieso waren die Augen, die eben noch geschlossen waren plötzlich offen und starrten mich mit ihrer unvergleichlichen Bläue auf einmal fragend an? Ich zuckte zusammen, als mir bewusst wurde, dass dies keine Einbildung war. Fynns Augen waren geöffnet. Er war wach. Und er war mir nah! So nah, dass nur die kleinste Bewegung genügt hätte, um mit meiner Nasenspitze die seine anzustupsen. Ein klein wenig näher und unsere Lippen würden sich berühren. Wie es sich wohl anfühlte ihn zu küssen? Komischerweise hatte ich mir darüber all die Zeit noch kein einziges Mal wirklich Gedanken gemacht. Dabei gab es wohl nichts, was ich lieber tun würde. Einen kurzen Moment war ich sogar tatsächlich versucht die kurze Distanz zwischen Fynn und mir zu überwinden, wäre da nicht dieses kleine Häufchen Verstand noch übrig gewesen, das mich nun hartnäckig davon abhielt. Zu einer Bewegung, die mich in die entgegengesetzte Richtung gebracht hätte, war ich jedoch nach wie vor nicht im Stande. Fynns Blick hielt mich fest und so lange er ihn nicht abwand würde ich es ebenfalls nichts tun können. »Tut mir Leid,« flüsterte er irgendwann, machte jedoch weiterhin keine Anstalten sich zu rühren. Seine Stimme war wie ein Ruf, der mich aus einem Traum holten. Dass ich sie überhaupt noch hören konnte erschien mir fast einem Wunder gleich. So lange hatte ich ihm doch in die Augen geschaut. Es war ein harter Kampf meinen Mund dazu zu bewegen endlich etwas von sich zu geben. »Was tut dir Leid?« »Dass ich so nah bin.« Sein Blick war ausdruckslos. Wie immer eigentlich. Ein Schauer lief mir über den Rücken. »Ich bin dir doch auch nah,« erwiderte ich heiser. Er überlegte kurz. »Aber es ist meine Schuld.« Ich lächelte zaghaft. »Kann sein.« Ein leichter Rotschimmer schlich sich auf seine bleichen Wangen. Ich wunderte mich, dass mir bis jetzt noch nicht aufgefallen war wie heiß sich meine eigenen eigentlich anfühlten. »Ich sollte besser wieder weg,« sagte er nach kurzem Zögern. Ich nickte, auch wenn es mir nicht wirklich so recht war. Auch er nickte, rührte sich jedoch immer noch nicht. Ich spürte wie sich mein Griff um ihn unbewusst verfestigte. Auch seine Hand, die nach wie vor auf meiner Brust lag, griff sacht in den Stoff meines T-Shirts. »Oder...Oder vielleicht auch nicht?« fügte er flüsternd hinzu. Ich musterte ihn irritiert, doch er schien selbst nicht zu wissen, was er wollte. Sein schmaler Körper begann unwillkürlich zu zittern und ich hörte wie er einen unsicheren Seufzer von sich gab. Den Blickkontakt unterbrach er nicht. Es war auf diese Entfernung nicht mehr möglich. Ohne es zunächst zu bemerken, bewegte ich mein Gesicht vorsichtig in seine Richtung. Ich schaffte es nicht länger gegen diesen Drang anzukämpfen. Es war ein Rausch, verursacht durch sämtliche Eindrücke, die ich von ihm aufnehmen konnte! Allen voran der Geruch seiner Haut, der mir noch nie so intensiv und verlockend vorgekommen war wie zu diesem Zeitpunkt, umnebelte meine Sinne auf solch gefährliche, zu gleich aber auch verführerische Weise, dass sich mein Verstand kurzerhand endgültig ausschaltete und die Kontrolle über meinen Körper somit so gut wie unmöglich machte. Fynn schien es ähnlich zu gehen, wenn vielleicht auch nicht aus den selben Gründen. Er rührte sich nicht, beobachtete nur wie ich Millimeter um Millimeter näher kam. Bald war es ihm nicht mehr möglich mich noch länger anzusehen. Zu kurz war die Distanz, die gerade noch so zwischen unseren Augen herrschte. Unsicher neigte er sich auch mir ein wenig entgegen, nur ein klein wenig und auch nicht mit der nötigen letzten Konsequenz, doch es reichte zumindest so weit aus, dass ich für einen winzigen kurzen Moment spüren konnte wie seine Lippen zaghaft die meinen streiften. Ein heftiges Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Mein Bewegungsapparat war lahmgelegt, mein Gehirn größtenteils außer Betrieb. Ich stellte mir bereits vor wie mein Mund auf seinem lag, da erklang plötzlich ein lautes Quietschen und Fynn und ich rissen mit einer so heftigen Wucht auseinander, dass es mich beinahe aus dem Bett geworfen hätte. Es dauerte eine Weile, bis ich es schaffte die Situation richtig zu erfassen. Ein tiefer Atemzug versorgte mein Gehirn dann zum Glück mit genügend Sauerstoff, um zu verstehen, dass es Melli war, die fröhlich grinsend die Treppen hochgekraxelt kam und auf Fynn zusprang. »Fynnieeee!« Ihr Bruder musterte sie verständnislos, als würden alle Eindrücke, die er gerade wahrnahm, für ihn keinen Sinn ergeben. »Lisa sagt ihr sollt kommen! Es gibt Frühstück!« Ihre Augen strahlten. Fynn nickte nur, machte jedoch nicht den Anschein, als hätte er nur den kleinsten Teil von dem verstanden, was sie gesagt hatte. »Wir...Wir kommen gleich,« nuschelte er dann nach langem Überlegen. Sie grinste kurz und sprang wieder zu der Wendeltreppe. Als sie verschwunden war, saßen wir mindestens eine Minute lang einfach nur schweigend da. Er am einen, ich am anderen Ende des Bettes. Ich traute mich nicht ihn anzusehen, schaute entsetzt an mir selbst hinab. So unauffällig wie möglich versuchte ich mit der Decke die viel zu offensichtliche Beule in meiner Hose zu verdecken, wobei ich mehr oder weniger Erfolg hatte. Herrgott! Ich hatte einen Ständer! Und Fynn saß nur wenige Meter weiter! Schlimmer noch: Ich hatte ihn seinetwegen! Was sollte ich denn jetzt machen? Ich konnte mit dem Ding doch nicht durchs Haus rennen! Wie sollte ich Fynn das denn bitte erklären? >Oh hubs! Tut mir Leid! Mich hat eben nur die Situation so dermaßen geil gemacht. Du weißt schon! Als wir uns fast GEKÜSST HÄTTEN!< Eigentlich gar nicht mal so schlecht die Ausrede. Was sollte er auch groß sagen? Schließlich hatte er sich ja nicht mal gewehrt. Warum eigentlich? War der irgendwie blöd? Wenn vor zwei Wochen bei mir ein Kerl auf die Idee gekommen wäre mich zu küssen, hätte ich ihn augenblicklich massakriert! Und was machte der? Blieb einfach liegen und lies mich machen! So weit reichte meine Beherrschung nun wirklich nicht! -.-° Auf einmal spürte ich wie sich dass Gewicht auf der Matratze nur noch auf meinen Punkt verlagerte und blickte auf. Fynn war aufgestanden und zog sich nun eine Jacke über. Dann wandte er sich an mich und setzte dabei ein so übertrieben gespielt wirkendes Lächeln auf, dass er selbst Paris Hilton noch Kongruenz gemacht hätte. »Kommst du?« Etwas perplex starrte ich ihn kurz an, dann nickte ich schnell. »Ja klar. Bin gleich da.« Ich zögerte. Wenn der versuchte das ganze zu überspielen, dann konnte ich das ja wohl auch. »Öhm...Sag mal! Wo ist denn hier eine Toilette?« »Unten gleich neben dem Eingang,« sagte er ruhig. Ich blieb kurz sitzen und wartete, bis er schon einige Stufen hinuntergegangen war, ehe ich selbst aufstand. Etwas unbeholfen versuchte ich mir meine eigene Jacke so umzuhängen, dass das wichtigste verdeckt wurde, was angesichts der Tatsache, dass Jacken eigentlich zum Bedecken des Oberkörpers bestimmt waren, gar nicht mal so einfach war. Dann folgte ich ihm schweigend. Unten angekommen sprang ich schnell in das Bad und verbarrikadierte mich dort panisch. Gequält stöhnte ich auf und betete inständig, dass mich keiner gesehen hatte. Dann überlegte ich angestrengt wie ich weiter vorgehen sollte. »Wasser!« zischte ich leise und stellte den Wasserhahn auf die kälteste Temperatur. Mindestens fünf Minuten lang versuchte ich dann unter Einsatz der merkwürdigsten und vor allem peinlichsten Methoden meinen >kleinen Leo< dazu zu bewegen endlich wieder auf Defensive zu schalten, um mir eine totsicher geglaubte Blamage zu ersparen. Nach einem harten Kampf schaffte ich es dann tatsächlich und seufzte erleichtert auf. Das starke Herzklopfen blieb jedoch. Ich hatte keine Ahnung wie ich Fynn nun gegenübertreten sollte. Offensichtlicher hätte mein Versuch ihn zu küssen ja wohl auch kaum sein können. Mein Gott, wie demütigend. Was sollte ich jetzt nur tun? Also eines war sicher! Ich würde ihn ganz gewiss nicht darauf ansprechen! Auch, wenn er ja eine gewisse Teilschuld trug; schließlich hatte er sich ja nicht gewehrt! Oder...? Ich atmete noch einmal tief durch und verließ das Bad. Als ich in der Küche ankam saßen Fynn und Melli bereits um den runden Esstisch und beschmierten sich Brötchen. Fynn sah mich nicht an, seine Schwester winkte jedoch heftigst mit den Armen und beorderte mich an den Platz neben sich. »Hallo Leo!« Sie kicherte und aus irgendeinem Grund ging es mir auch gleich wieder besser. Die Kleine war so toll! ^. ^ »Hi Süße,« lächelte ich entzückt und setzte mich neben sie. »Hast du gut geschlafen?« sagte sie in ihrer piepsigen Stimme. Ich schaute bei der Frage kurz unauffällig zu Fynn, der mich jedoch weiterhin ignorierte. Ob ich gut geschlafen hatte? Die Frage war gut! »So gut es ging zumindest.« Viel zu gut, um genau zu sein! »Hat Fynni geschnarcht?« Sie sah mich mit ihren großen Augen an und ich musste mir mit Müh und Not ein Lachen verkneifen. Ich bemerkte wie Fynn sie empört ansah. »Ich schnarche nicht!« meckerte er. »Do-ooch!« »Ach ja? Wann denn?« hakte Fynn herausfordernd nach. »Immer!« Sie grinste breit. »Dass ich nicht lache! DU hast doch...« Plötzlich verstummte er und sah an mir vorbei in das Wohnzimmer hinein. Ich folgte seinem Blick und erkannte Lisa in einem gelben Morgenmantel, gefolgt von einem schmalen schlaksigen Mann. Er hatte kurzes schütteres Haar und einen nur teilweise anrasierten Dreitagebart. Als er an mir vorüberging konnte ich schwach den Geruch von Alkohol erkennen. Wenn mich nicht alles täuschte, dann war das Fynns Vater. Muffig setzte er sich neben seinen Sohn, während Lisa neben mir Platz nahm und mich fröhlich angrinste. »Guten Morgen!« »Wünsch ich dir auch,« antwortete ich und lächelte ebenfalls. Dann wandte sie sich an den Mann, der ihr gegenüber saß »Vater, das ist Leo. Ein Freund von Fynn.« Er hob kurz den Kopf und musterte mich argwöhnisch. Dann nickte er mir jedoch zu und zwang seinen schmalen Mund zu einem kurzen Lächeln. »Freut mich.« Seine Stimme klang heiser. Ich warf einen schnellen Blick zu Fynn, der sich jedoch wieder mal hinter seiner ausdruckslosen Maske versteckte. »Gleichfalls,« sagte ich ruhig. »Ihr habt ganz schön lang geschlafen,« plauderte Lisa dann weiter. Ich hatte nicht das Gefühl, als wäre es unnormal, dass die Familie beisammen am Tisch saß. Der einzige, der wie immer etwas abweisend schien, war Fynn. Oder schätzte ich die Situation falsch ein? »Waren ja auch recht lang wach,« antwortete ich. »Wann musst du denn gehen? Ist schon fast halb zwölf,« sagte sie ruhig und ich verschluckte mich fast an dem Brötchen. »HALB ZWÖLF? Gott, meine Mutter erschlägt mich, wenn ich nach Hause komme!« »Jetzt echt?« Sie schien etwas verdutzt. »Quatsch! Aber ich bin mir sicher, sie hat schon die Polizei alarmiert. Die tickt immer gleich aus,« murrte ich genervt. »Hast du ihr nicht Bescheid gesagt?« fragte Fynn stirnrunzelnd. Danke! Er sprach wieder mit mir! »Nein. Hab ich...vergessen. Da denk ich um die Uhrzeit doch nicht mehr dran!« Ich schüttelte den Kopf. »Musst du schon gehen?« fragte Melli traurig. Ich zuckte die Achseln und sah sie entschuldigend an. »Tut mir Leid, Kleine. Aber wir sehn uns bestimmt bald mal wieder.« Ich wuschelte ihr durch die Haare. »Dann kommst du wieder hierher!« grinste sie und ich nickte eifrig. »Klaro!« Ich lächelte. »Ich bring dich noch zur Tür,« murmelte Fynn leise und stand auf. Schnell ging ich noch in sein Zimmer und zog mich um. Als ich fertig war rannte ich wieder runter und folgte dem Schwarzhaarigen zur Haustür. »Öhm...Danke, dass ich bleiben durfte,« bemerkte ich und drehte mich nochmals zu ihm um. Er nickte und lächelte leicht. »Kein Problem. Wie gesagt: Es war lange niemand mehr da.« Wir schwiegen und sahen uns eine Weile an. Er trat unruhig von einem Bein auf das andere. »Also dann...Tschüss!« murmelte ich leise, da mir die Situation schon wieder so was von unangenehm war. »Ja...Tschüss.« Seine Stimme war so leise, dass ich sie fast nicht verstand. Und dann wusste ich nicht mehr, was mich da überkam! Wahrscheinlich dieses beschissene Gefühl von Verlangen, dass ich kurz zuvor, als ich ihn fast geküsst hätte, so sehr enttäuschen musste. Schnell ging ich noch einmal einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn. Kein flüchtiges Umarmen. Nein! Ein langes intensives Umarmen und jede Sekunde hoffte ich, er würde mich nicht von sich stoßen, würde mich nicht seiner Nähe berauben, nach der ich mich doch so sehr sehnte. Ein letztes Mal wollte ich seine Wärme und seinen Herzschlag spüren. Ich konnte nicht wissen, ob ich dies je wieder tun dürfte. Dann, nach einer Ewigkeit, die wir einfach nur so dastanden und uns umarmten, ließ ich ihn los und machte auf der Stelle kehrt. Kommentarlos verschwand ich die Treppe hinunter. Ein weiteres Mal wäre ich nicht fähig gewesen ihn anzusehen. Ich hatte so eine gottverdammte Angst, sein Blick würde mir genau das zeigen, was ich die ganze Zeit schon befürchtete. Abweisung. ------------------------------------------------------------------------------ Meine Lieben...Das war Kapitel 7 (haha^^des reimt sich^^)...Ich hoffe es hat euch gefallen^^ Tut mir wirklich unendlich tausend millionen Mal Leid, dass es so lang gedauert hat. Hatte verdammt viel um die Ohren. Der ganze Scheiß in letzter Zeit-.- Schule, Fahrstunden O.o So danket alle meiner derzeitigen Lieblingsband In Fear and Faith und dem dermaßen genialen Song >Live Love Die<,der das einzige war, was mich dazu gebracht hat nicht durchzudrehen O___O Naja...Hoffe ihr habt mich nicht aufgegeben und werdet es auch weiterhin nicht tun^^ Wird wahrscheinlich wieder etwas länger dauern bis das nächste Kapi kommt^^ Aber ich geb mein Bestes ^.^ Ich muss die Story mal ein bisschen vorantreiben^^ Ich weiß nicht wie ich es schaffe so viel zu schreiben, aber gleichzeitig so wenig rüberzubringen O.o...echt merkwürdig O__o...hihi^^ egal...Sonst wirkts ja auch unrealistisch... Fynni und Leo müssen sich Zeit lassen O.o Und ihr müsst ihnen Zeit geben ^.^ hihi Soooo...Und jetzt noch ein 1000-Dankeschön an alle lieben Kommischreiber =D Hoffe ihr seid in der langen Zeit nicht faul geworden und schreibt fleißig weiter^^hihi....Sooooo...und jetzt...halt ich die Klappe...Gott ich schaffs selbst hier noch Romane zu schreiben O.o Ich liebe euch Das Giluli P.S. Wer beim nächsten Kapi, das wies aussieht noch etwas weiter wegliegt, ne Ens will, bitte melden...^.^ Kapitel 8: Der böse, böse Alkohol --------------------------------- Kapitel 8: Der böse, böse Alkohol Meine Beine bewegten sich so schnell, dass ich beinahe das Gefühl hatte zu schweben. Die Häuser zogen an mir vorüber, als wären sie geisterhafte Schemen, die mich allesamt mit ihren großen dunklen Augen fragend ansahen. Gerade noch rechtzeitig erreichte ich mein Auto und ließ mich mit wackligen Beinen in den Vordersitz fallen. Die Augen geschlossen, legte ich meinen Kopf auf die Rücklehne und atmete tief durch. Mein Herz hämmerte ununterbrochen. Ich befürchtete meine Brust würde jeden Moment zerplatzen. Ein heftiges Kribbeln durchfuhr meine Arme und Beine. Immer noch fühlte ich den warmen zierlichen Körper Fynns wie ich ihn fest gegen meinen drückte. Seinen kühlen stockenden Atem nahm ich ebenfalls noch entfernt wahr. Sein weiches Haar. Sein angespanntes Zittern. Und immer noch erfüllte mich diese unbeschreibliche Angst, der Schwarzhaarige würde für das, was ich fühlte, nichts weiter als Ablehnung empfinden. Wieso konnte ich mich nicht beherrschen, wenn er bei mir war? Das konnte doch nicht so schwer sein. Er war nur ein dummer kleiner Junge. So dumm und klein. Nichts besonderes. Und doch bereitete er in mir immer wieder, wenn ich ihn sah, ein solches Gefühlschaos, dass ich absolut die Kontrolle über mich verlor. Schlimmer noch: Es verleitete mich dazu ihm immer noch näher und näher sein zu wollen. Ganz klar! Das war eine Krankheit! Ein Fluch! Irgendein böser Zauber hatte Besitz von mir ergriffen und verlangte nun von mir diesen absoluten Schwachsinn abzuziehen. Konnte mir denn niemand helfen? War da nicht irgendwo eine gute Fee, die einfach einen heilenden Zauber beschwören und mich retten konnte? Bei Aschenputtel hatte es funktioniert! Warum denn bitteschön nicht bei mir? Ich musste bei dem Gedanken lachen. Als ob man meine Geschichte mit einem Märchen vergleichen konnte. Eher mit einem Drama! Was für ein Märchen wäre das auch, in dem ein Junge einen anderen Jungen liebte? Völlig absurd! Wer würde es denn dann noch lesen wollen? Richtig! Keiner! Und warum? Weil es abartig war! Schluss! Aus! Punkt! Da konnte mir Flo erzählen, was er wollte. Die Gebrüder Grimm hatten sich schon etwas dabei gedacht, als sie davon geschrieben hatten wie sich Prinzessinnen in Prinzen verliebten und nicht Prinzen in Prinzen! Mein persönliches kleines Märchen würde also gar nicht wahr werden können! Und ehrlich gesagt war das auch besser so! Hatte ich denn wirklich allen Ernstes geglaubt, ich könnte mit Fynn...ja was eigentlich? Eine Beziehung führen? Allein diesen Gedanken zu denken empfand ich schon mehr als peinlich. Wenn ich mir überlegte mit ihm händchenhaltend durch die Stadt zu gehen, verfolgt von den Blicken der anderen Menschen...das war doch schrecklich! Das konnte es doch unmöglich sein, was ich wollte. Oder? Genervt trat ich die Kupplung und zündete den Motor. Wie von selbst fuhr ich los und verließ die Straße; bloß weg von hier! Ich wollte mit jemandem reden und zwar so schnell wie möglich. Ich fühlte mich mehr als beschissen und dabei hatte ich heute morgen doch noch vor Glücksgefühlen nur so gestrotzt. Mein Herz begann erneut heftig zu klopfen, als ich daran dachte wie nah Fynn mir doch gewesen war. In meinem Kopf wiederholte sich jeder einzelne Moment ab dem Zeitpunkt als ich aufgewacht war, bis hin zu diesem Fast-Kuss und der plötzlichen Unterbrechung durch Melli. Ich überlegte, ob ich nun froh darüber sein sollte, dass das kleine Mädchen in das Zimmer geplatzt war oder nicht. Letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass ich ihr dafür eigentlich noch eine Danksagungs-Karte schicken sollte! Sie hatte mich gerettet! Und zwar vor mir selbst! Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht ihn einfach küssen zu wollen! Gar nichts! Schon klar! Aber ich konnte ihn doch nicht einfach küssen! Ahhhhh! Warum ich? Warum nicht Chris oder Flo? Der hatte doch sowieso kein Problem mit diesem ganzen Scheiß! Aber Nein! ICH musste diesen Alptraum durchleben! ICH musste morgens in irgendeinem fremden Bad stehen und versuchen irgendwie meine Morgenlatte zu beseitigen! ICH musste mich in diesen verdammten Kerl verlieben! ... Wahh! Verdammt! Ich dachte schon wieder dieses blöde Wort mit >Lgeliebten< verhassten Mathelehrers an mein Ohr. Wie von der Tarantel gestochen zuckte ich zusammen und starrte ihn mit erschrockenen Augen an. »Hä?« »Falsch! Wurzel sieben wäre die richtige Antwort gewesen!« Ein bösartiges Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. »Sie scheinen mit ihren Gedanken wohl schon auf der Bühne zu sein.« Ich hob etwas verdattert die Augenbrauen, als würde ich nicht so wirklich verstehen, was genau er eigentlich von mir wollte. Das Gegenteil traf allerdings zu! Dieses verdammte Arschloch schien genauso wie alle anderen in dieser Schule mitbekommen zu haben, dass ich heute Abend bei dem Stadtfest auftreten würde. Anscheinend kam ihm das auch gerade recht! So wurde seine Art mich fertig zu machen wenigstens etwas abwechslungsreicher. »Ich glaube ich werde kommen und mir ihren Auftritt ansehen,« meinte er schließlich, nachdem er merkte, dass er von mir keine Antwort mehr zu erwarten hatte. Ich kniff kurz die Augen zusammen und antwortete in zuckersüßer Stimme. »Oh wie freundlich. Damit hätte ich ja nie gerechnet.« »Aus gutem Grund,« säuselte er weiter. »Ich hoffe für sie ihre Fähigkeiten auf der Bühne sind wenigstens im Ansatz besser, als die in meinem Unterricht. Ich befürchte, sonst dürfte das eine kleine Blamage werden.« »Oh keine Sorge!« Ich lächelte liebreizend. »Ich bin in so ziemlich allem besser, als in ihrem Unterricht.« »Freut mich zu hören. Und da das ja nun geklärt ist, können sie ja wenigstens versuchen die Aufgabe 4 richtig zu lösen.« Mit diesem Satz begann eine der schrecklichsten Mathestunden meines Lebens (in der Tat! Es ging noch schrecklicher, als vorher! -.-). Herr Richter schien an dem Wochenende etwas schlimmes widerfahren zu sein, sodass er all seinen Frust wohl nun an mir abbauen musste. Ich armer, armer Mensch. Nachdem es dann endlich geklingelt und Flo es geschafft hatte mich während der Stunde davon abzuhalten dem dauerschikanierenden Lehrer an die Gurgel zu springen, machten wir beide uns auf den Weg zur Aula. Der Unterricht war wegen des Stadtfestes heute früher zu Ende und den Rest der Woche würde er uns auch weiterhin erspart bleiben. Stadtfeste waren was tolles! ^.^ Chris und die anderen hatten uns nach Mathe sofort verlassen. Ich hatte das dumpfe Gefühl der Blonde versuchte trotz Xius und Flos Drohungen so wenig wie möglich mit mir zu tun zu haben und eigentlich war ich dafür sogar dankbar. Selbst wenn der er mal das Wort an mich richtete, so war es zu meist wahnsinnig unterkühlt und ich merkte sofort, dass er stinksauer auf mich war. Mein Gott war das alles beschissen! Ich hasste mein Leben! Ich wusste nicht wie oft ich diesen Satz heute schon in Gedanke hinaus geschrieen hatte, aber.....ICH HASSTE MEIN LEBEN! -.- »Und überhaupt: Was denkt sich dieser arrogante Affe eigentlich so mit mir zu reden?« maulte ich übellaunig vor mich hin, während Flo und ich durch den Aulaeingang stapften. »Wenn er mich fertig machen will, dann bitte richtig, aber er soll diese verdammte Süßholzraspelei lassen! Da krieg ich einen zu viel!« Der Schwarzhaarige seufzte ermüdet von meinen ununterbrochenen Beschimpfungen, die er sich nun auch schon immerhin eine geschlagene halbe Stunde anhören durfte und klopfte mir dann zur Beruhigung auf die Schulter. »Ist doch nicht so schlimm. Freu dich! Du musst ihn mindestens eine Woche lang nicht mehr sehen!« »Das ich nicht lache,« empörte ich mich lauthals und setzte eine säuselnde Stimme auf wie sie Herr Richter immer zu nutzen pflegte, wenn er mit mir sprach. »Er kommt ja heute und sieht mir bei meinem Auftritt zu. ARRRRRSCHLOCH!« Wütend schmiss ich meine Tasche auf einen der Stühle und missachtete dabei konsequent die irritierten Blicke von Alex, Seiji und Fynn, den ich bis dato fast völlig vergessen hatte. Gut so! »Alles in Ordnung?« fragte Alex kleinlaut und sah dabei Flo an, da er es im Moment anscheinend nicht wagte das Wort an mich zu wenden. »Ach er hatte nur Stress mit Herr Richter!« lachte Flo in seiner üblichen überschwänglichen Art und hängte nebenbei noch ein fröhliches »Hallo übrigens!« an seinen Satz. »Oh,« antwortete Alex mitfühlend. »Kenn ich.« »Ich bezweifle, dass du das kennst!« antwortete ich schnippisch. Nein. Ich hatte nicht vor meine Laune so schnell wieder zu bessern. »Scheiße ist der schlecht drauf,« murmelte Seiji an Flo gewandt, der daraufhin nur ein gequältes Lachen von sich gab. »Das durfte ich mir die letzten beiden Stunden antun! Der kann manchmal so zickig sein!« »Stimmt! Hab ich auch schon gemerkt,« gab Alex schmunzelnd zu und wollte noch etwas hinzufügen. Ich wusste das allerdings schleunigst zu verhindern. »Hallo-o! Ich sitze hier! Ich kann alles mit anhören!« »Stimmt ja! Hab ich total vergessen!« sagte Flo gespielt erschrocken und winkte mir zu. »Ach! Leck mich! Kommt lasst uns proben! Dem Kerl zeig ichs heute Abend!« Ich sprang schwungvoll auf die Beine und machte mich mit den Händen in der Hosentasche auf den Weg auf die kleine Bühne. »Wenigstens wurde sein Ehrgeiz angeregt,« konnte ich Seiji hinter mir noch leise sagen hören. Die anderen lachten kleinlaut. Boah und wie der angeregt war! -.- Als ich jedoch auf der Bühne ankam musste ich feststellen, dass der einzige, der meinem vorbildlichen Verhalten, nämlich jetzt zu proben, gefolgt war, Fynn darstellte, der einige Meter entfernt von mir stand und sich fragend zu den anderen umblickte. Am liebsten hätte ich jetzt meine, leider nicht mitgeführte, Kalaschnikow ausgepackt und Flo damit abgeschossen; und zwar mehrmals. Konnte es sein, dass sich dieser Vollidiot nach höchstens zwei Minuten besser mit >meiner< Band verstand, als ich nach ganzen drei Wochen? Ich beobachtete sie eine Weile lang schweigend. Amüsiert lauschten Seiji und Alex wie Flo wieder mal einige Anekdoten aus >meinem< Leben zum besten gab und die drei daraufhin lauthals vor sich hinlachten. Er würde sterben! Ich war mir sicher. Heute würde es geschehen! Jetzt lenkte er sie auch noch ab! >Ganz ruhig, Leo! Alles wird gut!< Ich ließ meinen Blick genervt über diese drei Vollpfosten schweifen und richtete ihn dann plötzlich auf Fynn, der mir immer noch den Rücken zuwandte. Ein heftiges Klopfen begann mit einem Mal die Innenseite meiner ohnehin schon angeschlagen Brust zu malträtieren, als ich an mein eigentlich größtes Problem zurückdachte. Dennoch schaffte ich es nicht wegzuschauen. OMG. Der Kerl sah heute ja mal wieder so unbeschreiblich gut aus! Ungewollt begannen meine Lippen sich zu einem Lächeln zu formen. Soviel zu meinem Vorsatz, ich würde Fynn einfach vergessen. Das war unmöglich! Der Typ war ein Gott! Er trug heute zur Abwechslung mal etwas farbiges. Ein dunkles lila T-Shirt betonte seine schmale zierliche Figur und an seinen Handgelenken hingen einige Bänder und Kettchen mit bunten Perlen. Jaja. Bei jedem anderen hätte das jetzt wahrscheinlich wieder schwul ausgesehen (ich hasste es dieses Wort zu verwenden! Selbst, wenn ich es nur dachte! -.-), aber zu Fynn passte es einfach. Man sah ihm an, dass er eben einfach so war wie er aussah. Ich stellte fest, dass die Art meiner Gedankengänge schon wieder ins Unlogische abschweiften. Lieber Himmel ich fing schon wieder an zu schwärmen! >Aufhören, Leo! >.< Aufhören!< Ich schüttelte einmal ruckartig den Kopf und stellte dann fest, dass sich der Gott...ähm Fynn zu mir umgedreht hatte. Sein Blick war skeptisch und ich versuchte einen normalen Satz hinzubekommen. »Sorry, dass ich ihn mitgebracht hab.« Ich zeigte auf Flo und lächelte entschuldigend, doch er zuckte nur die Achseln und kam einige Schritte näher, um nicht so laut reden zu müssen. »Kein Problem. Ich hab so das Gefühl, dass er nicht ganz...,« Er schaute kurz zu Flo, der sich nun amüsiert lachend um Seijis Hals warf. »...einfach ist.« Er lächelte leicht und auch ich zwang meine Mundwinkel dazu sich ein klein wenig nach oben zu heben, hin und hergerissen zwischen Freude darüber, dass sich Fynn mir gegenüber allen Anschein nach völlig normal verhielt, und meinen Aggressionen, die nun wirklich kurz davor waren sich an Flo zu entladen. »Tut mir Leid, dass ich gestern, bevor du gegangen bist, so schlecht drauf war,« sagte der Schwarzhaarige dann plötzlich und ich starrte ihn verwirrt an. Nie im Leben hätte ich jetzt erwartet, dass er mich darauf anspricht. Oh Gott war das peinlich! Ich spürte schon wieder wie mir das Blut in den Kopf schoss. »Öhm...Ist schon okay,« antwortete ich nervös und wusste nicht so wirklich was ich sagen sollte. »War ja wohl klar!« Er hob verwundert die Augenbrauen, sah dann aber zu Boden. >Jep! Dieses Thema ist mehr als peinlich! Hättest du es nur nicht angesprochen!< »Es war wegen meinem Vater,« sagte er schließlich und nun war ich es der verwundert die Augenbrauen hob. Das war doch unglaublich! Der Kerl lenkte schon wieder ab! »Wegen deinem Vater?« wiederholte ich etwas perplex. »Ja. Ich war sauer, dass Lisa ihn zum Frühstück geholt hat. Nachdem, was am Samstag passiert ist wollte ich ihn eigentlich nicht mehr sehen!« Der Typ war ja noch feiger, als ich! Ich nickte anerkennend und wollte eigentlich noch irgendeinen mehr oder weniger schlauen Satz dazu sagen, als ich jedoch durch die >liebliche< Stimme meines bald toten besten Freundes unterbrochen wurde. »Hey Romeo! Ich packs dann. Wir sehen uns heute Abend auf dem Fest! Tschüssi!« Mit diesem Satz tänzelte er wie ein Abbild der Glückseeligkeit aus der Aula, verfolgt von Seijis und Alex´ amüsierten, Fynns verwirrten und meinen einfach nur fassungslosen Blicken. War der irgendwie lebensmüde oder so? Ich war froh, als keiner von den dreien auf Flos Andeutung reagierte (besonders Fynn nicht!) und Alex und Seiji sich nun endlich auch dazu hinreißen ließen mit uns zu proben. Wie nett! Eineinhalb Stunden später dann fühlten wir uns gut genug vorbereitet für den heutigen Abend. Gut. Die Aufregung schien mit jeder Sekunde mehr an mir zu nagen, doch alles in allem freute ich mich irgendwie auf den Auftritt. Wer hätte das gedacht? Punkt sieben Uhr. Ich stand in mitten einer gewaltigen Menschenmasse und schaute mich suchend um. Eine große Bühne ragte vor mir empor. Hinter ihr, nur wenige Meter entfernt stand das alte Rathaus, das, wie eigentlich alle Häuser auf dem Platz, seinen Eingang mit bunten Girlanden, Luftballons und Fähnchen dekoriert hatte. In den Fenstern konnte man Leute erspähen, die sich das Spektakel von oben ansehen wollten. Etwa zehn Meter entfernt vor der Bühne waren gerade noch so die Bierbänke erkennbar, die allen Anschein nach bis auf den letzten Platz besetzt waren. Es roch stark nach Bier, Zigarettenrauch und Bratfett, das aus den unzähligen Fritten- und Dönerständen kommend, den gesamten Platz erfüllte. Ich sah mir die Gesichter der Leute genauer an. Die meisten waren sehr jung. In meinem Alter vielleicht. Viele kannte ich aus der Schule. Lag wohl daran, dass dieser Bereich für die eher jüngere Generation der Stadt vorgesehen war. Dennoch konnte ich auch genug ältere Herren und Damen erkennen, die wild tratschend auf den Bierbänken Platz nahmen oder sich um einen Standtisch reihten. Der Contest schien alt und jung gleichermaßen zu interessieren. Meine Aufregung bescherte mir bei dem Anblick einen heftigen Adrenalinschub und ich begann unruhig von einem Bein auf das andere zu treten, während ich weiterhin nach den restlichen Bandmitglieder Ausschau hielt. Punkt sieben hatte Alex gesagt. Gut. Ich hatte nicht angenommen, dass der dunkelblonde verpeilte Junge pünktlich kommen würde, doch wenigstens von Seiji und Fynn hatte ich etwas mehr Disziplin erwartet. Vor allem, da ich mittlerweile kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Ich war verdammt noch mal aufgeregt! Dann, nach ungefähr zehn Minuten, erkannte ich Seiji und Fynn in der Menschenmenge auf mich zukommen und auch Alex traf wenig später ein. Der Ältere strahlte wie so ein Honigkuchenpferd und konnte seine Aufregung entweder sehr gut verbergen oder er war wie ich stark befürchtete komplett von ihr verschont geblieben. »Na? Bereit?« lachte er fröhlich und ich starrte ihn nervös an. »Bist du nicht aufgeregt?« »Nö. Wieso?« Er zog die Augenbrauen zusammen. »Sind dir die vielen Menschen nicht aufgefallen?« jammerte ich und das Grinsen des Blonden wurde breiter. »Doch schon. Geil, oder?« Ich konnte bereits den Wahnsinn in seinen Augen erkennen. Ehrlich! »Sag bloß du hast Schiss!« »Quatsch!« versuchte ich mit ruhiger Stimme zu sagen, musste aber zu meinem Leidwesen feststellen, dass sich diese dabei nicht nur einmal überschlug. Alex lachte amüsiert und Seiji klopfte mir auf den Rücken. »Keine Sorge! Das wird schon!« sprach der Japaner beruhigend. Ich sah ihn nur gequält an. »Habt ihr schon mal vor Publikum gespielt?« »Klar!« Er streckte zufrieden die Nase in die Höhe. »Also in Klubs und so.« »Ich will gar nicht wissen, was das für Absteigen gewesen sind,« murrte ich und stellte fest, dass mit der Aufregung auch meine alte überhebliche Art, die ich mittlerweile versucht hatte in Gegenwart der Band zu unterdrücken, zurückkehrte. Seiji und Alex lachten aber nur. Sie schienen sich mittlerweile an meine Launen gewöhnt zu haben. »Kannst ja nachher noch mitkommen...in so eine Absteige,« sagte Alex grinsend und ich starrte ihn empört an. »Du denkst JETZT schon an danach? Ich bekomm das Vorher gar nicht aus dem Kopf!« Ich sah mich wieder unruhig um und erkannte wie eine kleine Gruppe aus Schülern meines Englischkurses an uns vorüberging und mir lachend zunickte. Es war ja nicht so, dass ich in ihnen allen nur das Böse erwartete, aber ich war mir sicher, dass sie allesamt nur hier waren, um mir zuzusehen wie ich mich blamierte. Böse verabscheuungswürdige Menschheit! Oh. War da schon wieder ein Hauch von Melodramatik? Noch ein paar Monate in dieser Band und ich würde zum perfekten Schauspieler werden. »Also dann. Lasst uns mal gucken, wo wir hinmüssen,« schlug Alex fröhlich vor und ging voraus. Wir folgten ihm schweigend und er ging hinter die Bühne, wo er sich mit einem etwas älteren Herr mit braun-grauem Haar und unserem Schuldirektor unterhielt. Ich versuchte mich derweil so gut es ging hinter Seiji und Fynn zu verstecken, in der Hoffung keiner der vielen Menschen würde mich erkennen. Ich hatte Pech. Als ich mich vorsichtig umdrehte erkannte ich hinter mir eine kleine Gruppe von Mädchen, die uns tuschelnd beobachteten. Sie hatten dunkle vom Kajal geschminkte Augen und hochtoupierte Haare, mit bunten Strähnchen und gescheiteltem Pony. Ihre Kleidung war recht auffällig, sah aber bei jeder so ziemlich gleich aus. Kurze schwarze Röcke, mit knallig bunten oder ebenfalls schwarzen Leggins darunter, oder Röhrenjeans. Dazu bei jeder ein Nietengürtel und Chucks in sämtlichen Farbvariationen. Eine Weile lang warf ich ihnen immer mal wieder einen unauffälligen Blick zu und überlegte, ob sie mir nun gefielen oder nicht. Ich kam zu dem Schluss, dass ich sie wegen ihres Styles nicht mehr verurteilen wollte, da Fynn ja genau den selben hatte, und ich sie deshalb hübsch fand. Irgendwie zumindest. .__. »Uhhhhh. Du hast schon Fans,« kicherte Seiji neben mir. Ich boxte ihm hart in die Rippen. Ich war im Moment für Späßchen aus der Kategorie Flo absolut gar nicht zu haben. Doch der Japaner gab nicht Ruhe und zeigte dann wieder unauffällig in Richtung der Mädchen. Ich folgte mit den Augen seinem Zeigefinger und erkannte erschrocken wie sich zwei der Mädchen aus der Gruppe lösten und auf uns zukamen. »Hi! Spielt ihr nachher bei dem Contest?« wollte das größere von ihnen wissen. Sie hatte schwarzes langes Haar, das ihr halbes Gesicht verdeckte und hier und da von kleinen Schleifchen durchsetzt war. Sie war nicht älter, als 15 oder 16. »Jup! Schaut ihr zu?« fragte Seiji und ging einen Schritt nach vorne. Das Mädchen nickte und grinste breit. »Wir feuern euch an, damit ihr weiter kommt.« Seiji lachte erfreut und wandte sich kurz an mich. »Siehst du? Doch Fans!« Ich zuckte die Achseln und er sprach weiter. »Habt ihr nach dem Contest schon etwas vor?« »Kommt drauf an,« antwortete sie locker. »Worauf?« »Naja. Darauf, was ihr macht?« Ohlala . Die Kleine ging aber ran! Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Wir gehen nachher noch ins >Shiver Flowmein Fynn< genannt? Toll! Jetzt vereinnahmte ich ihn schon. Gut! Das wars! Morgen würde ich mich einweisen lassen. Die Männer und Frauen in den weißen Kitteln würden mir sicherlich helfen können. »Ich bin Seiji!« plauderte der Japaner weiter und zeigte dann auf Fynn und mich. »Das sind Leo und Fynn. Und der, der da gerade kommt heißt Alex.« Ich wandte mich um und erkannte den Dunkelblonden, der breit vor sich hingrinsend zu uns zurückkehrte. »Also,« begann er enthusiastisch. »Es haben sich insgesamt fünf Bands angemeldet. Wir spielen als zweites!« »Können wir nicht vielleicht doch noch absagen?« murmelte ich leise in seine Richtung, doch er begann sofort wieder lauthals zu lachen. »Jetzt sei mal nicht so ein rießen Weichei! Sonst bist du doch auch nicht so!« »Genau! Wir haben sogar Fans!« sprach Seiji weiter an das Mädchen gewandt, das sich Anja genannt hatte. »Tooooooll,« murrte ich genervt, befürchtete aber, dass ich sie nicht mehr umstimmen konnte. Eine halbe Stunde später begann der Contest dann. Es war bereits dunkel und bunte Lichter blitzten überall an den Ständen und auf der Bühne. Der Platz war gerammelt voll. An den Ständen standen riesige Schlangen von Menschen, die sich allesamt mit Alkohol oder etwas zu essen eindecken wollten. Direkt vor der Bühne tummelten sich unzählige Leute, die vom Alkohol und der Stimmung angeregt laut lachten und rumhüpften. Die Band, die vor uns spielte bestand aus drei Jungs und einem Mädchen, das die Leadsängerin darstellte. Ich konnte es nicht leugnen. Sie waren gut. Das Mädchen hatte eine zwar noch jugendliche, aber sehr charismatische Stimme. Sie waren aus einer Realschule der Stadt. Ich kannte sie nicht und es interessierte mich eigentlich auch nicht, da ich die halbe Stunde, die sie spielten ohnehin viel mehr mit mir selbst beschäftigt war, als mit sonst irgendwas. Panik! Oh mein Gott! Ich hatte so Schiss! Klar. Vor Alex hätte ich das natürlich nicht zugegeben, aber er hatte ja doch Recht! Ich wollte sterben. Jetzt sofort! Wo war denn nur dieser verdammte Blitzschlag, wenn man ihn mal brauchte? »Ganz ruhig. Wird schon nicht so schlimm werden,« hörte ich neben mir plötzlich die liebliche Stimme von Fynn. Ich zuckte erschrocken zusammen und musterte ihn kritisch. »Sag mal! Seid ihr kein bisschen aufgeregt?« fragte ich verständnislos, doch der Schwarzhaarige zuckte nur die Achseln. »Es geht. Kann ja nichts schlimmes passieren, oder?« »Naja, bis auf die Tatsache, dass man sich bis auf die Knochen blamiert,« antwortete ich bitter. Fynn überlegte und kaute kurz auf seinem rechten Lippenpiercing. »Für dich vielleicht.« »Hä?« »Also den Leuten ist es größtenteils sowieso egal, was mit mir ist. Die Art wie sie mich behandeln würde sich nicht ändern, wenn ich mich blamiere...oder so.« »Versteh ich nicht!« murmelte ich kopfschüttelnd und er lächelte matt. »Ist auch egal! Für dich wäre es ja schlimm! Du bist beliebt!« »Danke. Jetzt fühl ich mich besser!« sagte ich zynisch. »Schau die Leute einfach nicht an! So mach ichs immer!« Ich musterte ihn verwundert. »Ich dachte du hast keine Angst!« »Da siehst du mal wie gut das hilft.« Ich grinste und, oh Wunder, er tat es auch! »Dann mach ich halt die ganze Zeit die Augen zu,« meinte ich schließlich. »Oder du siehst mich an!« Ich hob eine Augenbraue und spürte schon wieder wie mein Herz heftig zu wummern begann (und diesmal lag es weder an der Aufregung, noch an der lauten Trommelei des Schlagzeugers). »Dich?« »Klar!« sagte er überzeugt. »Vor mir brauch dir ja nichts peinlich sein!« Ich sah ihn eine Weile lang schweigend an. Mein Gott der Kerl war so erschreckend naiv... Wie niedlich! ^.^ »Kommt ihr zwei?« erklang plötzlich hinter uns Seijis Stimme. »Wir sind gleich dran!« Autsch! Mein Magen musste sich wohl gerade auf höchstens ein Zehntel seiner normalen Größe verkleinert haben, so sehr verkrampfte er sich bei diesem Satz. Ich folgte Fynn hinter die Bühne, wo unsere Vorgänger gerade die Treppen zu uns hinab kletterten. Ich musterte kurz ihre Frontfrau. Das Gesicht des brünetten Mädchens war von der Hitze stark gerötet und einige ihrer Haarsträhnen klebten ihr nass auf der Haut. Sie grinste breit. Ich konnte Alex´ Stimme hören, wie er ihr zu einem guten Auftritt gratulierte, dieser elende Schleimer! Ich wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund heftete ich mich an Fynns Fersen, der sich gelassen seine Gitarre umband. Plötzlich ging alles sehr, sehr schnell und auf einmal standen wir vier direkt vor der alten Holztür, die zur Bühne führte. Im Hintergrund hörte ich bereits wie die Bühnenleitung durch das Mikro unsere Namen ansagte. Entfernt konnte ich sogar vernehmen, dass die Stimme meine Wenigkeit extra erwähnte und das Stimmengewirr in der Menschenmenge noch lauter wurde. Sterben! Ich würde sterben. Warum war ich noch mal hier? »Alles in Ordnung?« fragte Fynn ruhig und drehte sich nochmals zu mir um. »Nein! Gar nicht!« jammerte ich und verzog gequält das Gesicht. Ich wusste ganz genau, dass ich diese offenkundige Heulerei früher oder später ganz sicher bereuen würde, aber das war mir im Moment ja mal so was von am Arsch egal! Fynn klopfte mir zur Beruhigung auf die Schulter. »Das wird schon!« »Nein! Eben nicht! Ich krieg keinen Ton raus!« Er zog die Augenbrauen zusammen. Hinter ihm konnte ich bereits sehen wie die Tür von Alex geöffnet wurde und der Dunkelblonde und Seiji hinausgingen. Fynn sah ihnen kurz nach und wandte sich dann schnell noch mal an mich. »Ich sing mit dir mit, okay? Dann ist es einfacher.« Ich starrte ihn etwas perplex an. Herrje der war so süüüüüß! Ich nickte zaghaft und er schenkte mir eines seiner schönsten Lächeln. Dann nahm er entschieden meine Hand und zog mich hinter sich mit auf die Bühne. Meine Augen mussten sich erst mal an das grelle flackernde Licht gewöhnen, als ich den ersten Schritt auf die Plattform tat. Erst nach einigen Augenblicken war es mir möglich mich richtig zu orientieren. Die Bühne wirkte, wenn man erst mal auf ihr stand, gar nicht mehr so arg groß. Seiji und Alex hatten bereits Stellung genommen und Alex plapperte in seiner fröhlich begeisterten Art noch irgendwas ins Mikro rein, um die Leute auf uns vorzubereiten. Fynn hielt meine Hand immer noch in seiner und führte mich bis hin zu meinem eigenen persönlichen Mikro (<--Angst!). Meine Aufregung unterdrücke sogar den kurzen schwachen Gedanken daran, dass uns gerade wirklich jeder händchenhaltend herumspazieren sehen konnte. Als wir ankamen ließ er mich los und ging ein paar Schritte hinter mich. Erst jetzt, da ich allein ganz vorne stand fiel mir die Menschenmenge so richtig auf, die sich wie ein Meer vor mir auftat. Ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute in dieser Stadt lebten. Wenn ich ehrlich war, hätte ich nicht einmal gedacht, dass so viele Leute überhaupt auf der Welt Platz hatten. Eine weitere Welle der Angst flutete meinen ganzen Körper und ließ mich für einen Moment erzittern. Ein merkwürdiges Gefühl der Schutzlosigkeit überkam mich und ich atmete einmal tief ein und aus. Dumpf nahm ich im Hintergrund wahr wie Alex´ Gitarrenspiel bereits begann. Ich schloss kurz die Augen und blickte mich dann um zu Fynn. Der Schwarzhaarige sah mich ebenfalls an und nickte mir zuversichtlich zu. Ich spürte wie mir bei seinem Lächeln einen Moment das Herz aufging und ich mich wieder ganz frei fühlte. Dann öffnete ich meinen Mund und begann zaghaft zu singen. Ich spürte selbst wie meine Stimme im ersten Moment noch etwas kratzig und brüchig klang. Meine Augen ließ ich starr auf einen Punkt auf dem Boden gerichtet. Meine Hände hatte ich seit Minuten schon in der Hosentasche vergraben. Ich versuchte den Song auf mich wirken zu lassen, um die Gefühle, die er in sich barg, auch richtig zum Ausdruck bringen zu können. Es war derselbe, den ich das erste Mal mit Fynn gemeinsam in der Aula gesungen hatte. Ein trauriger Song mit einem verbitterten anklagenden Text. Ich wusste, dass er von Fynn stammte und dieser ihn über seine verstorbene Mutter geschrieben hatte. Das hatte er mir erzählt. Ich konnte die Stimme des Schwarzhaarigen etwas leiser durch meine eigene hindurch erkennen und mir fiel abermals dieses unglaubliche Gefühl auf, das er in den Song legte. Ich hatte mich schon beim ersten mal, als ich ihn gehört hatte, gefragt wie er es schaffte seine Stimme als perfektes Abbild seiner Gefühle zu gebrauchen. Viele Sänger hörte man einfach nur. Doch bei Fynn war das etwas anderes. Wenn er sang, dann fühlte man ihn. Ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken und für einen Moment vergas ich sogar, dass ich gerade von Hunderten von Menschen angestarrt wurde. Langsam hob ich meinen Blick und schaute in die Menge vor mir. Meine Hände nahm ich endlich aus der Hosentasche und legte sie um den Mikrophonständer. Meine Stimme klang nun fester und auch lauter. Nach der zweiten Strophe dann, als ich mich endlich sicher fühlte, entklemmte ich das Mikro und ging damit einige weitere Schritte nach vorne. Ich bemerkte wie sich einige Scheinwerfer auf mich richteten. In der Menschenmenge unter mir versuchte ich einige bekannte Gesichter auszumachen. Das erste, das ich sah, war das von Flo, der mich breit grinsend ansah. Ich grinste zurück, ließ mich jedoch nicht beirren und sang weiter. Wenige Schritte neben ihm erkannte ich Xiu und auch alle anderen aus meiner Clique. Sogar Chris stand etwas abseits der Gruppe und beobachtete mich kritisch. Zum ersten Mal fühlte ich mich für das, was ich tat, anerkannt und hatte nicht mehr das Gefühl etwas falsches zu tun. Kurz vor Ende des Songs sangen Fynn und ich abwechselnd. Ich versuchte durch all die Kraft, die meine Stimme hergab, den Refrain ein letztes Mal regelrecht in das Mikrophon hineinbrüllen, als würde ich all den Frust, all den Kummer und Hass, den Fynn in sich trug, für ihn in die Welt hinausschreien wollen. »Wo bist du nur hin?« »(jeden Tag denk ich nur an dich)« »Ich kann dich nicht sehn!« »(doch überall seh ich allein nur dich)« »Was ist nur geschehen?« »(Mein Herz ruft so laut hinaus nach dir)« »Ich kann nicht leben ohne dich Dennoch bleib ich noch hier stehn... Und ich weiß ich werd dich nie mehr sehn... Also bitte lass mich gehn.« Als ich verstummte und somit den Song beendete, brach augenblicklich ein applaudierender Sturm der Begeisterung über uns herein. Ich blickte mich lächelnd zu Fynn um, der zufrieden zurückgrinste. Glücklich hauchte ich ein zaghaftes »Danke!« in das Mikro, wendete dabei jedoch nicht den Blick von dem Schwarzhaarigen ab. Mit seinen Lippen formte er ebenfalls ein leises Dankeschön, das jedoch, wie ich annahm, nicht an das Publikum, sondern an mich gerichtet war. Es schien ihm ohne Zweifel verdammt viel zu bedeuten auf der Bühne zu stehen. Und irgendwie konnte ich das jetzt auch nachvollziehen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl hier zu sein. All die Eindrücke die auf einen einrasselten, das ständige Flackern des Lichtes, der laute Applaus des Publikums, die Musik. Scheiße! Das war so geil! Und aus irgendeinem dummen Grund musste ich jetzt plötzlich an meinen geliebten Mathelehrer denken, der jetzt bestimmt irgendwo da unten in dieser riesigen Menschenmasse stand und sich heimlich totärgerte für meinen überraschenden Erfolg. So gerne hätte er doch gesehen wie ich mich in aller Öffentlichkeit zum Deppen machte. Schade! Ich musste ihn wohl enttäuschen. ^-^ Die nächste halbe Stunde spielten wir noch vier weitere Songs. Gottseidank keine traurigen Lieder mehr, da ich immer wenn ich einen von Fynns Songs spielte irgendwie so eine Depri-Stimmung bekam. Doch er hatte ja auch tatsächlich einige >normale< Sachen geschrieben. Meine Aufregung war völlig verflogen. Kein Wunder! Das Publikum tobte. Ohne Scheiß jetzt! Die mochten uns! Als wir dann leider Gottes die Bühne verlassen mussten und es zu meiner Überraschung sogar vereinzelte Zugaberufe gab, sprang mir Alex mit Einsatz seines gesamten Körpers um den Hals und brach mir dabei fast alle Knochen. »Gott! Ich liebe dich, Junge! Hättest du nicht ein klein wenig früher zu uns kommen können?« Ich grinste und versuchte mich ein klein wenig aus seinem Griff zu befreien. »Alex, du erwürgst mich!« Der Blonde löste seine Umarmung und hörte gar nicht mehr auf mich anzustrahlen. »Sorry! Aber das war einfach so geil!« Kurz nachdem er mich losgelassen hatte spürte ich wie bereist der nächste auf meinen Rücken sprang und mir laut ins Ohr schrie. »Ahhh! Du bist so toooooll!« kreischte Seiji laut und umklammerte mich von hinten. Ich hielt mich lachend an seinem Arm fest, da ich Mühe hatte mich unter seiner Last auf den Beinen zu halten. »Am liebsten würde ich gleich noch mal da raus!« Seine Stimme überschlug sich fast und er ließ mich los. »Na war doch gar nicht so schlimm, oder?« sagte Alex an mich gerichtet. Ich schüttelte beschämt den Kopf. »Nee! War wirklich geil!« antwortete ich grinsend. »Sag ich doch!« plapperte er weiter und legte abermals seinen Arm um mich. Gleichzeitig schnappte er sich diesmal auch Fynn und knuddelte uns beide erst mal durch. Der Kerl war so ein Spielkind. »Sags noch mal Fynn! Ich bin gut, dass ich ihn geholt hab! Sag schon! Sag schon!« »Jaja! Du bist der beste!« gab Fynn besonnen zu und der Ältere drückte uns beiden jeweils einen begeisterten Kuss auf die Wange, ehe er uns frei gab und zu seinem nächsten Opfer Seiji hüpfte und auch diesen mit einem dicken Schmatzer beglückte. Fynn und ich lachten und schauten ihm kurz hinterher. »Glückwunsch!« bemerkte Fynn schmunzelnd. »Du hast dir soeben die unendliche Liebe von Alex gesichert!« Ich lachte auf. »Endlich! Das hab ich mir schon immer gewünscht!« »Dacht ich mir!« »Neidisch?« »Unheimlich!« Er tat so, als wäre er wahnsinnig frustriert darüber. Ich lachte. »Oh nicht traurig sein! Du hast ja noch Seiji!« »Gottseidank!« Er seufzte erleichtert und wollte noch etwas sagen, doch plötzlich schallte in lautes »Leooooooooo!< durch den ganzen Bereich und wir drehten uns erschrocken um. Wie nicht anders erwartet kam ein über beide Ohren strahlender Flo und eine mindestens genauso breit grinsende Xiu auf uns zu. Ich sah schon von weitem wie sie Fynn von oben bis unten mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen musterte und mir dann zuzwinkerte. Ich wandte schnell meinen Blick ab, da ich befürchtete, dass ich schon wieder rot wurde. »Du warst geil!« plapperte Flo ohne zu zögern los, als er bei uns ankam. »Das, was ich am Freitag in der Aula gehört hab war ja schon gut, aber das....Wow! Ich bin echt beeindruckt, mein Lieber!« Ich rieb mir verlegen die Hinterkopf und grinste ihn an. »Danke!« »Sogar Chris hat es...,« begann Xiu und zögerte kurz. »..ein bisschen gefallen!« »Wie habt ihr denn das geschafft, dass der mitkommt?« fragte ich verwundert. Im Hintergrund hörte ich bereits wie die nächste Band anstimmte. »Xiu hat ein bisschen geschleimt!« meinte Flo belustigt und sprach nun etwas lauter. »Laber nicht! Wir haben gesagt, dass wir nicht mit ins >Blacklight< gehen, wenn er hierher nicht mitkommt!« Sie lachte, betrachtete aber weiterhin Fynn, der uns schweigend zuhörte. »Ihr geht nachher noch ins Blacklight?« fragte ich überrascht. »Jup! Kommst auch mit?« sagte Flo gelassen. Ich nickte. »Denk schon.« »Oder hast du schon etwas besseres vor?« Er hob grinsend die Augenbrauen und schaute kurz zu Fynn, der uns beide verwirrt musterte. Ich trat ihm kurzerhand gegen den Fuß und antwortete in giftigem Ton. »Nein ich hab noch nichts besseres vor!« Er lachte laut! Wahhhhh! Der Kerl regte mich so auf! Die nächsten eineinhalb Stunden blieben Flo und Xiu bei uns, während wir darauf warteten, dass die anderen Bands fertig spielten. Xiu kommentierte immer wieder wie gut die anderen doch waren, aber dass sie gegen uns ja sowieso keine Chance hatten. Ich musste lachen, wenn sie so sprach. Manchmal ließ sie selbst in Situationen wie dieser den Streber raushängen. Wir holten uns jeweils eine Flasche Bier und setzten uns damit auf eine Bank hinter der Bühne. Fynn schwieg die meiste Zeit, doch musste ich feststellen, dass meine lieben Freunde ihn immer mal wieder unauffällig über mich ausfragten, was ich, wenn ich ehrlich war, mehr als peinlich fand. Kurz vor der Entscheidung dann kamen Seiji und Alex wieder auf uns zugetänzelt, die bis dato völlig verschwunden gewesen waren. Im Schlepptau hatten sie die Gruppe Mädchen von vorhin. Alex grinste breit und hielt eine von ihnen im Arm. »Hey Leo! Kommst du jetzt nachher noch mit?« Ich musterte ihn verwirrt. »Wohin mit?« »Na ins Shiver Flow! Wir wollen noch ein bisschen feiern!« »Was ist das?« wollte ich stutzend wissen. »Ein Club. Etwas außerhalb der Stadt. Ich fahr hin!« Ich überlegte einen Moment. »Ich weiß nicht so genau. Ich wollte eigentlich mit Xiu und Flo mit,« meinte ich schließlich, doch Flo unterbrach mich sofort. »Geht ihr da alle drei hin?« Er schenkte mir ein schräges Grinsen und ich wusste sofort worauf er hinaus wollte. »Ja schon! Oder Fynn?« sagte Alex an den Schwarzhaarigen gewandt. Dieser zuckte nur kurz die Achseln. »Mir egal.« »Jap! Wir gehen alle drei!« sagte er, indem er Fynns Antwort einfach mal als ein >ja< wertete. Ich wollte etwas sagen, doch Flo kam mir abermals zuvor. »Also wisst ihr? Meinetwegen kann Leo heute mit euch mit. Bei uns wird es eh langweilig.« »Kann ich vielleicht mal für mich selbst sprechen?« murrte ich genervt in seine Richtung, doch meinen Freund schien das nicht sonderlich zu interessieren. »Super! Wir warten noch die Entscheidung ab, dann gehen wir!« Und ohne auch nur noch einmal nach Meiner werten Meinung zu fragen, standen Xiu und Flo auf und verabschiedeten sich. »Also…Tschüssi dann! Viel Spaß dir noch!« rief der Schwarzhaarige mir zu und klimperte mit den Augen. »Glaub ja nicht, dass du jetzt einfach so verschwinden kannst, du Mistkerl!« maulte ich ihm ins Ohr, als er mich umarmte, erhielt jedoch als Antwort nur ein amüsiertes Lachen! »Jaja! Ich hab dich auch lieb!« Er zwinkerte und wandte sich um zum Gehen. Arschloch! Warum lebte der eigentlich noch? Ich hatte ihn doch schon viel zu oft umbringen wollen. Hmm...Hatte es wohl vergessen. Kann ja auch gut mal passieren, wenn man nebenbei immer wieder von diesem liebreizenden, umwerfenden, strahlenden, einfach bezaubernden Lächeln eines gewissen schwarzhaarigen Jungens abgelenkt wurde. Schwärmte ich gerade schon wieder? Ach was! Das waren Tatsachen! Apropos Tatsachen: Wie um alles in der Welt kam ich eigentlich plötzlich in dieses Auto? Ich sah mich irritiert um und bemerkte, dass ich einen gewaltigen Zeitabschnitt einfach nur in Träumereinen verbracht hatte und wir uns bereits auf dem Weg zum Shiver Flow befanden. Selbst die Entscheidung des Contests hatte ich irgendwie verschlafen. Mann! Wie ich das immer wieder schaffte! Ein Psychiater würde sich an mir wohl dumm und dämlich verdienen! Wie erbärmlich! Langsam wandte ich mich um und erkannte, durch meinen heute wieder mal über die Maßen blitzgescheiten Verstand, dass ich auf dem Rücksitz von Alex´ rotem Golf saß; zusammen mit fünf anderen Personen, die sich teilweise übereinander stapelten, um überhaupt in dem kleinen Wagen Platz zu finden. In meiner Hand hielt ich eine leere Flasche Bier, deren einstigen Inhalt ich schon wieder ganz deutlich in meinem Kopf spürte. Verdammt! Ich wusste doch, dass ich keinen Alkohol vertrug! Neben mir, wie war es anders zu erwarten , saß der Grund für meine zeitweiligen neurologischen Aussetzer; Fynn! An seiner Seite, beziehungsweise halb auf ihm, klebte eine dieser billigen kleinen Schlampen, die sich gerade aufs Heftigste an ihn (MEINEN Fynn) ranschmiss. Ich hasste sie! Ich hasste sie! Ich hasste sie! Etwas verwirrt versuchte ich an ihr vorbei zugucken und erkannte Seiji, der mit gleich zwei von diesen Weibern auf dem Schoss, in eine wilde Knutschrei mit, wie hieß sie noch gleich(?), Anja verstrickt war. Auch in seiner Hand und unter ihm auf dem Boden befanden sich einige, teilweise leere, Bierflaschen. Okay. All diese Eindrücke waren ein bisschen zu viel für mein kleines schwaches Gehirn. Ich war mir sicher ich hatte gerade auch wieder einen Blick wie so ein erschrecktes Eichhörnchen. »Ja. Er hat eine Freundin!« drang plötzlich Fynns Stimme an mein Ohr. Ich sah ihn etwas perplex an und er drehte sich mir zu. Hinter ihm konnte ich sehen wie das blonde Mädchen ihm einen enttäuschten Blick zuwarf. Ich versuchte mir ein triumphierendes Lächeln zu verkneifen. »Gut,« antwortete ich stutzend. »Ähm...Das...sieht man!« Er grinste belustigt und ich konnte seine Zähne blitzen sehen. »Seine Freundin ist nicht viel besser. Die leben irgendwie in einer offenen Beziehung, oder so!« erklärte er schulterzuckend. »Ist doch was tolles,« antwortete ich überzeugt. »Man ist an nichts gebunden. Ein Traum!« »Jaja. Schon klar.« Er nickte zustimmend und wir beobachteten eine Weile Seiji, der zwischenzeitlich seine Partnerin gewechselt hatte. »Sag mal!« begann ich unsicher. »Wir sind vorhin schon weitergekommen bei dem Contest...oder?« Hach. Dieser irritierte Ausdruck in seinem Gesicht war doch echt zu süß. »Ähm...Ja...Klar....Du...Du warst doch dabei!« Ich lachte übertrieben und winkte ab. »Natürlich...Egal...Haha...Nur so!« »Aha,« machte der Schwarzhaarige und musterte mich mit besorgtem Blick. Ich wandte meinen Kopf schnell wieder dem Fenster zu, um ihm nicht länger in die Augen sehen zu müssen. Als wir im Shiver Flow ankamen spürte ich in meinen Beinen schon ganz eindeutig wie der Alkohol mir zusetzte. Ich stellte jedoch fest, dass es mir im Gegensatz zu Seiji noch einigermaßen gut ging. Wie viel hatte der Japaner bitte intus? Und woher hatte der bitte jetzt dieses dritte Mädchen? Wir tranken noch die letzten Flaschen unseres Sixpacks und gingen dann hinein. Die Stimmung in dem Laden war grandios. Anders, als in den Schuppen, in denen ich bis jetzt immer gewesen war, doch die Leute waren allesamt in bester Laune. Es wirkte alles in allem etwas dunkler und düsterer. Die Leute sahen teilweise auch etwas verquert aus. Hie und da kamen mir einige Punks entgegen und in manchen Ecken konnte ich auch Jugendliche des Emo-Styles erkennen. Es war voll. Und es war verdammt laut. Die Musik, die gespielt wurde war größtenteils Rock und weitere Spielarten von diesem. Ich musste feststellen, dass ich es irgendwie cool fand. Nachdem wir uns durch die Menschenmenge, die sich gerade angeregt zu einem Song von Fall out Boy bewegte, gekämpft hatten, setzten wir uns an einen der Tresen und bestellten uns erneut etwas zu trinken. Okay. Seiji schien es allen Ernstes darauf anzulegen sich heute die Birne wegzukippen. Dummerweise war ich mittlerweile so weit vom Alkohol beeinflusst, dass mir das egal war und ich gleichfalls fleißig mittrank. »Hier Fynn! Drink du au was mit mir!« lallte Seiji nach einer Weile und wedelte mit einem kleinen Becherchen Schnaps vor Fynns Nase rum. Neben ihm sammelte sich bereits ein ganzer Haufen von leeren, die er und ich im Laufe der letzten halben Stunde allesamt geleert hatten. Mann! So viele waren das schon? »Ganz ehrlich! Ich will nichts mehr,« lehnte Fynn ab, der bis jetzt tatsächlich noch nicht so viel getrunken hatte. Dennoch bemerkte ich, dass er schon leicht wankte. »Red keine Scheis!« plapperte der Japaner und gab dem Mädchen in seinem Arm einen Kuss, ehe er sich von ihr löste und sich stattdessen an Fynn klammerte. »Wir sssssin doch Kumpel! Komm! Einen susammen!« Er grinste blöde und Fynn schüttelte dankend den Kopf. »Ich sags dir, ich vertrag nichts!« »Egaaaaal!« Seiji drückte ihm lachend das Becherchen in die Hand und Fynn hörte auf sich zu wehren. »Aber wirklich nur eins!« »Jaja! Oder swei...oder drei....oder vier...« Sie kippten sich kurzerhand das Becherchen runter und Fynn verzog angewidert das Gesicht. »Was ist das für ein Zeug?« »Keine Ahnung!« lachte Seiji. »Hat mir der Barkeeper gegeben! Irgendein Mischi-Maschi!« Er begann laut zu glucksen bei seinem tollen erfundenen Wort und ich stellte fest, dass ich es ihm in meiner Dummheit gleichtat. Hocherfreut darüber, dass wenigstens ich seinen Spaß verstand, sprang er plötzlich mir an den Hals und drückte mir einen stürmischen Kuss auf die Wange. »Leo, mein Freund! Du bis der einsige, ders hier so richdig drauf hat! Alle beide Loser!« Er zeigte mit einem tadelnden Gesichtsaudruck auf Alex und Fynn. »Hey! Ich muss nachher noch fahren! Beschwer dich nicht!« empörte sich Alex, doch Seiji winkte sofort ab. »Ach so ein bischen macht doch nix!« Ich nickte zustimmend. Vernunft war etwas, dass ich ab einem bestimmten Alkoholpegel nicht mehr so ganz beherrschte. Trotzdem sah ich irgendwie immer noch ganz klar. Mischi-Maschi war wirklich ein merkwürdiges Zeug! Beim Gedanken, an dieses Wort musste ich erneut loslachen, obwohl ich eigentlich wusste, dass es nicht witzig war, aber...Es war so witzig! Scheiße! Die Logik war auch hinüber. »So Jungs! Und jezz noch einen auf unseren schenialen Auftritt heute Abend!« rief Seiji begeistert von seinem eigenen Vorschlag und löste sich von mir. Ich konnte sehen wie Fynn ihm skeptisch hinterher sah, als er erneut eine Runde Mischi-Maschi-Schnaps zu bestellen versuchte. Mit zittrigen Händen drückte er uns allen vier ein weiteres Becherchen in die Hand und trank kurzerhand das von Alex, als ihm wieder einfiel, dass dieser ja nichts trinken durfte. »Auf uns!« Er lachte und schüttete sein eigenes gleich hinterher. Ich tat es ihm gleich und sogar Fynn trank seines artig leer. Nachdem wir vier weitere Becherchen geleert hatten und das letzte bisschen Verstand in meinem Kopf lauthals an meine erschreckend kleine Vernunft appellierte, wandte sich Seiji wieder seinen drei kleinen Freundinnen zu, mit denen er irgendwo auf die Tanzfläche verschwand. Alex sah ihm kopfschüttelnd hinterher, lächelte aber. »Der Kerl ist unglaublich.« »Renn ihm hinterher und rette ihn!« schlug ich ihm mit einer lieblichen Stimme vor. »Bin ich seine Mama?« Er lachte und trank einen Schluck seiner Cola. »Weiß ich nicht. Bist du?« schwafelte ich ihn zu und fand meinen Witz wirklich mehr als komisch. Er fasste mir kurz an die Stirn und schmunzelte belustigt. »Du bist auch nicht unbedingt besser!« »Sorry! Kommt manchmal so über mich. Der böse, böse Alkohol! Du weißt schon!« Er nickte wissend, doch irgendwie hatte ich gerade das Gefühl von ihm verarscht zu werden. »Wenigstens hast du noch Fynn auf deiner Seite!« sagte ich dann nickend, doch Alex schüttelte nur lachend den Kopf und zeigte hinter mich an die Tresen. »Da bin ich mir auch nicht mehr so sicher!« Ich folgte verwirrt seinem Blick und wäre vor Entsetzen fast vom Stuhl gefallen. Mein Herz schien sich für einen winzig kurzen Moment zu einer kleinen Erbse zusammenzuziehen und selbst mein Gehirn schaltete sich wieder komplett ein. Da saß Fynn. Und auf ihm dieses kleine blonde Flittchen, das ihm, in einem heftigen Kuss verstrickt, die Zunge in den Hals steckte. Ihre Arme waren um seinen Hals gelegt und ihre Beine hatte sie um seinen ganzen Körper geschlungen, um ihn damit näher an sich zu drücken. Ich glaubte ich müsste mich übergeben, so sehr knallte dieser kalte massige Stein in meinen Magen. Als ich jedoch genauer hinsah, fiel mir auf, dass Fynn sich mittlerweile versuchte wieder von ihr zu befreien. Sie musterte ihn enttäuscht und strich mit ihrer Hand über sein makelloses Gesicht. Er schüttelte jedoch nur den Kopf und drehte sich weg von ihr. >Ja! Zeigs ihr! Du bist so toll!< Neben mir konnte ich hören wie Alex laut lachte. »Du bist so gemein, Fynn!« Der Schwarzhaarige wankte auf uns zu und sah mit einem verdutztem Gesichtsausdruck erst zu Alex, dann zu mir. »Woah. Ich hasse diese kleinen Emo-Schlampen!« nuschelte er genervt und mir wurde klar, dass der Alkohol bei ihm noch mehr Wirkung zeigte, als bei mir. »Die flirtet schon den ganzen Abend mit dir und du weist sie einfach ab! Armes, armes Mädchen!« Alex setzte einen tadelnden Blick auf. »Mir kommen gleich die Tränen!« murrte Fynn jedoch nur und ich begann leise vor mich hinzukichern. »Die sah doch süß aus! Dumm, aber für einmal immer gut!« Der Dunkelblonde lachte amüsiert. »Nein Danke! So nötig hab ichs auch nicht! Geh und schnapp du sie dir doch!« Alex schüttelte empört den Kopf. »Also bitte! Ich nehm doch nicht das, was du übrig lässt.« »Ach! Mach doch, was du willst!« maulte Fynn zerknirscht. »Och ist das süß! Fynni wird aggressiv, wenn er betrunken ist!« Er legte einen Arm um den Kleineren, der ihm einen finsteren Blick zuwarf! »Ich bin gar nicht aggressiv!« Wieder lachte Alex und ich stimmte einfach mal so aus Spaß an der Freude mit ein. »Jaja. Ist gut Kleiner! Hier! Trink lieber noch was! Da kommst du so schön ins Plaudern!« »Nerv mich nicht!« Herrje! Der war doch echt zu niedlich, wenn er betrunken war. Am liebsten hätte ich ihm jetzt ununterbrochen dabei zugesehen wie er sich mit Alex zankte, doch dieser entdeckte nach einer weiteren Flasche Cola irgendwo einen Freund und ließ mich mit Fynn allein. Ganz allein! Ich wusste nicht wirklich, was ich mit der Situation anfangen sollte und quatschte Fynn einfach weiter mit irgendeinem Scheiß zu. Zu meinem Glück musste ich feststellen, dass er durch den Alkohol mittlerweile genauso verblödet zu sein schien wie ich, sodass er sogar über den Scheiß lachte, den ich da erzählte. In der Tat hatte ich ihn noch nie so viel lachen gesehen wie jetzt, also dass er so richtig aus vollstem Herzen lachte. Irgendwie machte mich das glücklich. Und da erzählte mir noch mal einer Alkohol wäre Teufelszeug. Schwachsinn! »Ohlala! Mein Kopf is nur noch schwammig!« jammerte Fynn nach einer Weile und lehnte sich voll gegen die Tresen. »Du verträgst echt nix, oder?« lachte ich belustigt. »Was denks du denn? Ich hab das doch nich nur so gesagt...Das wird Seiji büßen!« Er rieb sich mühsam den Kopf. »Normalerweise trink ich gar nix! Und dann auf einmal ...wumm! So ganz viel un so un ich bins gar nichts gewöhnt un deswegen...Oh Gott! Überall Blicklichter!« Ich musste lachen. So viel wie in diesem Satz hatte er noch nie auf einmal gesprochen. »Komm! Wir gehen irgendwo hin. Hier ist es langweilig!« sagte ich und nahm seinen Arm. Er protestierte kurz, ließ sich dann aber von mir mitziehen. Als wir uns gerade durch die Tanzfläche drängen wollten, wurden wir erneut von irgendwelchen Weibern angequatscht. Wie die mich doch alle nervten! Konnten die uns nicht in Ruhe lassen? »Hi! Wie heißt ihr?« quietschte die Blonde von ihnen. »Nervt mich nicht alle!« maulte Fynn genervt, lachte im nächsten Moment aber aus irgendeinem Grund los und klammerte sich an meinem Arm fest, um nicht umzukippen. Ich sah ihn einen Augenblick verdutzt an und antwortete ihnen dann ruhig. »Sorry! Er ist schon etwas...angetrunken.« Was für eine höfliche Umschreibung dafür, dass er eigentlich hackevoll war. »Ach was! Mir geht’s gut!« nuschelte Fynn und versuchte wieder von allein zu stehen. »Komm! Wir gehen weg! Ich hab kein Bock auf die!« Ohne sie auch nur noch einmal anzusehen nahm er meine Hand und zog mich weg. Ich rief den beiden schnell noch ein ernst gemeintes »Entschuldigung« zu und folgte ihm dann. Wir torkelten bis zum Rand der Tanzfläche, wo ich ihn dann schier umrannte und wir beide laut loslachten. »Hast du...Hast du die Gesichter von denen gesehen?« Er schrie mir fast ins Ohr und stand ganz nah bei mir, da es, wegen der vielen Leute, so eng war. Ich prustete erneut los. »Alex hat Recht! Du bist total scheiße zu den armen Dingern!« »Die sollen mich nur in Ruhe lassen, dann bin ich ganz lieb.« »Du bist halt doch beliebter, als du denkst!« sagte ich grinsend. »Na danke,« winkte er ab. »Wenn ich nichts besseres krieg, als die, dann kann ichs ja gleich lassen!« »Hier drin gibt’s genug besseres, dass dich gerne nehmen würde!« antwortete ich verheißungsvoll. »Wen denn? Dich?« Ich erschrak und wusste im ersten Moment nicht, was ich darauf antworten sollte. Er lachte jedoch gleich wieder los und wechselte das Thema. »Woah! Kennst du das Lied?« Lied? Der konnte jetzt noch auf die Musik achten? Alle Achtung! »Simple Plan, oder?« fragte ich unsicher und er nickte begeistert. »Mein Lieblingslied von denen,« antwortete er und sang ein wenig mit. »In the night, there´s a fire in my eyes and this paradise has become a place we’ve come to cry! When I open your Letter the Words make it better! It takes it all away!« »Ich kenn das!« schrie ich entzückt darüber auch mal ein Lied zu kennen, dass er auch kannte. »Das heißt >Holding OnHey, weißt du? Ich bin bei denen nur geblieben, weil ich auf den kleinen Schwarzhaarigen steh, mit dem ich gerade übrigens in aller Öffentlichkeit rumgemacht habe...!< Bei dem Gedanken daran zog sich mein Magen erneut aufs heftigste zusammen und ich verzog gequält das Gesicht. Warum? Warum? WARUM? »Ach so,« sagte Lydia ruhig und ich bemerkte wie sich ihre Mundwinkel wieder zu einem Lächeln nach oben zogen. »Ach übrigens, ich fand dich heute richtig gut!« Ich hob die Augenbrauen und starrte sie verwundert an. »Jetzt echt jetzt?« Sie kicherte leise. »Ja schon. Hätte ich nicht von dir erwartet. Sogar Chris musste das zugeben!« Ich lachte laut auf. »Jaha. Hat mir Xiu auch schon gesagt!« »Ist die übelste Genugtuung für dich, was?« Ihr Grinsen wurde breiter und ich lachte erneut. »Das kannst du laut sagen! Der Kerl nervt so dermaßen!« »Naja. Ich fand es am Anfang, als er mir erzählt hat, dass du in der Band bist auch ziemlich komisch, aber jetzt...Also ich finds cool!« Ich wandte verlegen den Blick ab. »Danke.« Komischerweise gelang es mir die ganze Fahrt über mich mit Lydia zu unterhalten, was ich sonst nie tat. Irgendwie war mir die Blonde gerade aber durchaus sympathisch. Lag es am Alkohol? Man weiß es nicht. Zumindest vergaß ich sogar für einen kurzen Moment meine wilde Hektik und den Grund, weshalb ich mich nachts um halb eins an einer Bushaltestelle hatte abholen lassen müssen. Als ich jedoch wieder ausstieg, kehrte mit dem Zuknallen der Autotür auch meine Panik und aufgeregte Art wieder. Hastig marschierte ich in Richtung Eingang des Clubs und zahlte mal schnell 10 Euro für den Eintritt, was angesichts der Tatsache, dass ich sowieso in fünf Minuten wieder gehen würde, eigentlich total schwachsinnig war. Zum Glück hatte ich ja das Geld. ^.^ Drinnen war es dämpfig und die Leute standen dicht an dicht beieinander. Ich bahnte mir mit Lydia an der Hand den Weg durch die Menschenmengen, ohne wirklich zu wissen, wo ich da eigentlich hinging. Nach, wie es mir vorkam, stundenlangem Suchen, erspähte ich dann endlich Cem und Chris in der tanzenden Menge. Wenige Meter neben ihnen Xiu und Flo, eng umschlungen in einem innigen Kuss verstrickt. Oh. Welch aufrichtiges Interesse die beiden nur an meinen Problemen zeigten. -.-° »Flo!« heulte ich laut rum und stupste meinem Freund an die Schulter. Dieser schien erst nicht zu merken, was eigentlich geschah und ignorierte mich vollkommen. Als ich dann allerdings etwas rabiater wurde und ihn grob von seiner Freundin wegriss sah er mich mit großen glasigen Augen an. »KOMM GEFÄLLIGST!« »Woah! Ganz ruhig.« Er überlegte kurz. »Was machst du denn hier?« Ich blickte ihn fassungslos an und rieb mir die Stirn. »Weißt du was? Vergiss es! Xiu komm du mit!« »Volltrottel!« maulte Xiu und gab dem Braunhaarigen einen leichten Klaps gegen den Hinterkopf. Dann schnappte sie sich meine Hand und zog mich hinter sich her. Flo krallte sich etwas unbeholfen an mir fest, damit er nicht verloren ging und folgte uns schwankend durch die Menge hindurch. Draußen angekommen führte uns Xiu zu einer kleinen Bank, einige Meter von dem Club entfernt und setzte sich dort. Flo machte es sich neben ihr bequem und zog mich mit sich nach unten, ohne dabei jedoch meinen Arm loszulassen. »So, mein Schatz,« lallte er dann los. »Was bedrückt dich denn heute wieder?« »Ich hasse ihn!« heulte ich in Richtung Xiu und zeigte auf meinen Freund. Diese schüttelte nur genervt den Kopf. »Beachte ihn einfach nicht! Er ist ein Idiot!« »Ich bin gar kein Idiot!« maulte er rum und zog eine beleidigte Schnute. »Ich interessier mich wenigstens für seine Probleme.« Er nickte überlegen. »Jaja. Halt die Klappe,« murmelte Xiu, die ganz eindeutig von Flos dauerlallendem Geschwafel genervt zu sein schien, und wandte sich mir zu. »Was ist denn jetzt passiert?« Ich verzog bei der Frage wieder gequält das Gesicht, sah sie dabei aber nicht an. »Das Schlimmste.« Die beiden sahen sich kurz an. »Er hat mit einem anderen rumgemacht,« stellte Flo trocken fest. »Flo!« keifte Xiu verärgert und boxte ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen. Ich zuckte jedoch nur die Achseln, da seine Aussage ja im Prinzip auch der Wahrheit entsprach, und heulte wieder um. »Hat er etwa?« flüsterte sie ungläubig. »Ja schon irgendwie... Aber das war nicht das Schlimmste.« Wieder sahen sich die beiden fragend an. »Ja und was dann?« Ich atmete einmal tief durch. »Ich hab ihn...« Der Rest des Satzes ging in einem unverständlichen Nuscheln unter und ich vergrub das Gesicht in meinen Händen. »Was?« »Ich hab ihn geküsst!« jammerte ich lauter, als ich eigentlich wollte, und sah mich erschrocken um, ob mich nicht jemand gehört haben könnte. »Wahuhuuu! Leo, ich bin ja so stolz auf dich. Du hast...« kreischte Flo augenblicklich los, wurde jedoch sofort von Xiu unterbrochen. »Und was ist daran bitte so schlimm?« »Ich hab ihn geküsst,« antwortete ich schlicht auf ihre Frage. War ja wohl auch Antwort genug! Ihr Gesichtsaudruck nahm eine mitfühlende Miene an. »Er hat dich zurückgewiesen, oder,« sagte sie leise, ich schüttelte jedoch schnell den Kopf. »Schlimmer! Viel schlimmer!« Ich wartete kurz auf eine Reaktion der beiden, welche jedoch ausblieb und vollendete meine Erklärungen mit einem frustrierten »Er hat den Kuss erwidert.« Die beiden sahen mich eine Weile lang schweigend an. »Ich dachte das war das, was du wolltest.« Flo verengte verwirrt die Augenbrauen und musterte mich fragend. Ich schüttelte jedoch nur den Kopf und begann erneut rumzujammern. »Nein. Wenn ich überhaupt gewollt hätte, dass ich ihn küsse, dann hätte ich ebenfalls gewollt, dass er es NICHT erwidert, aber ich hab es ja nicht gewollt und das bedeutet, dass eigentlich zwei schlimme Sachen passiert sind! Dass ich ihn geküsst habe und dass er es erwidert hat!« Die Gesichter meiner Freunde nahmen einen ungläubigen Zug an. »Du hast eine ziemlich kranke Art zu denken, weißt du das?« stellte Xiu sachlich fest. »Klar weiß ich das! Sonst hätte ich ja wohl kaum einen Kerl geküsst!« Flo gab bei diesem Satz ein grunzendes Lachen von sich und ich warf ihm einen giftigen Blick zu. »Hast du ein Problem?« »Ich nicht,« antwortete der Schwarzhaarige zuckersüß. »Aber du!« »Richtig,« stimmte Xiu ihrem Freund zur Abwechslung mal zu. »Du bist doch total verschossen in den Kerl. Warum siehst du das nicht ein?« »Tu ich doch!« antwortete ich empört. »Ich will ja auch nur, dass es wieder weg ist.« »Und warum bist du dann hier?« »Ich bin weggelaufen.« »Du bist WEGGELAUFEN!?!?!?!« keuchte Xiu entsetzt und ich befürchtete schon sie würde gleich einem hysterischen Anfall unterliegen. »Du küsst ihn und haust einfach AB!« »Schrei´s doch noch lauter rum! Vielleicht hörts dann endlich jemand.« »Du kannst doch nicht einfach abhauen,« wiederholte Xiu und ignorierte meinen Satz gänzlich. »Find ich gut wie dus machst, Alter!« Flo klopfte mir anerkennend auf die Schulter. »Man muss sie erst zappeln lassen.« Bam! Autsch. Der hatte gesessen. Xiu hatte ihm wütend in den Magen geschlagen, damit er endlich Ruhe gab. »Halt endlich die Klappe! Du bist absolut keine Hilfe!« »Der checkts doch eh nich!« heulte Flo untergeben und rieb sich den Bauch. »Nein. Ich check nichts!« stimmte ich in seine Heulerei mit ein. »Wieso könnt ihr nicht einfach sagen, dass es falsch ist und mir nicht noch zusätzlich Hoffnungen machen?« »Ja! Wieso tun wir das?« »Das ist fies!« »Genau!« »Schnauze, Flo!« »Ich hab Angst vor ihr!« »Ich hab Angst vor MIR!« »Ich brauch jetzt Nikotin!« »Sagt mal, bin ich jetzt im Kindergarten gelandet?« stöhnte Xiu fassungslos, nachdem sie Flos und mein Rumgejammer eine Weile lang beobachtet hatte. »Du-« sie zeigte auf Flo. »-hast einen Schaden! Und du-« jetzt zeigte sie auf mich. »- bist nicht mal in der Lage dir deine eigenen Gefühle einzugestehen! Und zusammen seid ihre beide absolut hackevoll!« »Boah! Das verbitte ich mir! Ich hab gar nichts getrunken!« empörte sich Flo. »Und ich auch nicht...zumindest fast nichts.« Die Vietnamesin schüttelte genervt den Kopf. »Wahh! Macht doch euren Scheiß allein! Kommt wieder, wenn ihr ausgenüchtert seid.« Dann stand sie auf und ging mürrisch vor sich hingrummelnd zurück zum Eingang. Flo seufzte. »Hach. Weiber.......Zum Glück hast du mit denen keinen Stress mehr...Autsch!« Das war jetzt bestimmt schon der dritte Schlag den sein Körper heute einstecken musste und gottverdammt es fühlte sich so gut an ihm Schmerzen zuzufügen. »Halt endlich deine Klappe!« Wir saßen eine Weile lang schweigend nebeneinander. Ich beruhigte mich endlich ein wenig, auch wenn ich nach wie vor nicht aufhören konnte ununterbrochen an Fynn zu denken. Nach einigen Minuten holte sich Flo eine Kippe aus der Tasche und zündete sie an. »Gib mir auch eine!« murmelte ich. Er hob verblüfft die Augenbrauen. »Du rauchst nicht.« »Bis heute hab ich auch Kerle NICHT geküsst und jetzt...« Ich ließ den Satz unvollendet und schnaubte nur. Er reichte mir grinsend die Zigarettenschachtel und ich nahm mir einen der Stängel. Als ich den ersten Zug nahm musste ich heftig husten. »Woah...wie kannst du dir dieses Zeugs nur immer reinziehn? Ist ja abartig!« Er lachte laut. »Keine Ahnung! Bin halt ein alter Suchti!« »Du bist ein Trottel! Nichts weiter.« Sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Ich lauf wenigstens nicht weg.« Ich schwieg und dachte eine Weile nach. Dann ließ ich ein weiteres Mal frustriert meinen Kopf hängen und lehnte mich jammernd an die Schulter meines Freundes. »Was soll ich denn jetzt machen? Ich bin so ein Idiot!« »Stimmt.« »Danke!« murrte ich verärgert. »Aber du hast schon mal einen Schritt in die richtige Richtung gemacht.« Ich wusste nicht, ob er sich gerade sonderlich anstrengen musste diese geraden und klaren Sätze rauszubringen, aber er lallte nur noch halb so stark wie noch vor ein paar Minuten. Ich kaufte ihm das, was er sagte sogar fast ab. Ich seufzte und richtete mich wieder auf. »Ich hab keine Ahnung wie ich ihm morgen gegenüber treten soll.« »Ganz normal. Als wäre nichts gewesen,« antwortete er ruhig. »Er wird schon nicht sauer sein und wenn dann hätte er dafür gar keinen Grund. Ich mein, es war ja nicht so, dass das ganze nur von dir ausging.« Ich überlegte kurz. »Alex hat uns gesehen.« »Vergiss den! Hier geht’s nur um dich und den Emo. Und wenn er was sagt, dann schiebst dus einfach auf den Alkohol,« antwortete er überzeugt und lächelte wieder. Ich sagte nichts, starrte eine Weile lang einfach nur in Richtung Eingang. Eine Handvoll Männer versuchten gerade unter Einsatz ihrer ganzen Kraft einen sturzbetrunkenen jungen Mann aus dem Club zu ziehen. Er wehrte sich stark, gab aber nach einer Weile den aussichtslosen Kampf auf und zog von dannen. Ab und zu nahm ich unbewusst einen Zug der Zigarette, die ich immer noch zwischen meinen Fingern hielt. »Wie wars eigentlich?« sagte Flo plötzlich. Ich musterte ihn verwirrt. Seine Stimme klang fast schon etwas schüchtern. »Wie war was?« »Naja...Ihn zu küssen...« Er musterte mich interessiert und ich überlegte kurz. »Keine Ahnung.« »Gut?« hakte er nach. Ich zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. »Nein.« Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich spürte wie sich ein zarter Rotschimmer auf meine Wangen legte. »Besser.« Flo begann wieder leise zu kichern und ich sah ihn wütend an. Er hatte jedoch zu meiner Überraschung ausnahmsweise mal nicht diesen amüsierten schelmischen Gesichtsausdruck, sondern wirkte im Gegenteil irgendwie zufrieden. »Was geht denn mit dir ab?« Er zuckte nur die Achseln. »Keine Ahnung. Irgendwie find ich das eben cool!« »Du spinnst,« seufzte ich und schüttelte den Kopf. »Nein. Nein,« sagte er und winkte ab. »So war das nicht gemeint. Ich finde es nicht cool, dass er ein Typ ist. Das ist mir eigentlich egal.« Er machte eine kurze Pause. »Ich bin froh, dass du endlich jemanden hast.« Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Hä?« »Weiß nicht, irgendwie hab ich immer noch ein schlechtes Gewissen.« »Warum das denn?« »Wegen Xiu,« antwortete er ruhig. Er presste kurz die Lippen aufeinander. »Naja. Als wir damals zusammengekommen sind, hab ich sie dir ja einfach ausgespannt.« Ich schwieg und er lächelte leicht. »Ich wusste, dass das scheiße war, aber irgendwie konnte ich eben nicht anders. Da warst mir sogar du für einen kleinen Moment egal. Aber irgendwie hab ich jetzt ein total schlechtes Gewissen, weil ihr so lange zusammen wart und du, seit ihr, eigentlich nicht mehr eine richtige Freundin gehabt hast. Das tut mir Leid.« Wir schwiegen lange und ich sah ihn einfach nur an. Dann musste ich plötzlich loslachen. »Wer bist du und was hast du mit Flo gemacht?« »Ich find das scheiße von dir!« maulte er und ich bemerkte wie sich eine gewisse rote Farbe auf sein Gesicht schlich. »Jetzt versuch ich einmal etwas ernst zu nehmen und dir fällt nichts besseres dazu ein, als dich drüber lustig zu machen!« Er verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. »Du laberst das doch eh nur, weil du betrunken bist!« lachte ich weiter. »Kann sein, aber wie sagt man? >Betrunkene und Kinder lügen nichtGibt mir doch bitte jemand einen neuen Körper!< Gegen Abend dann brachte mich Flo wieder in die Stadtmitte, wo der zweite Auftritt der Band stattfinden würde. Als hätte ich nicht genug andere Probleme gehabt war ich schon wieder aufgeregt und ich befürchtete, dass es, wenn Fynn erst mal bei mir war, nicht gerade besser werden würde. Ganz davon abgesehen, dass ich es den Tag über nicht geschafft hatte Flo davon zu überzeugen, dass ich seine Hilfe in Sachen Fynn nicht brauchte; natürlich mit dem Hintergedanken, dass es hierfür für mich bestimmt sowieso keine Hilfe gab. Dieser Kerl nervte so maßlos! -.- »Halt bitte einfach die Klappe, okay? Bi-tte!« »Jetzt heul hier mal nicht rum! Ich vermassele dir schon nicht die Show!« winkte der Schwarzhaarige sofort ab, wie er es bereits den ganzen Tag schon getan hatte. Wir standen wieder auf der Mitte des Festplatzes vor der Bühne und warteten auf die anderen. Es war etwa 17 Uhr und der Platz bereits gerammelt voll. »Kapiers doch endlich! Es gibt keine Show! Ich will das Ganze einfach nur vergessen.« Er sah mich mit großen Augen an. »Aber wo bleibt denn da der Spaß?« »Ich geb dir gleich Spaß, du Vollspast! Wenn du irgendwas sagst, dann werd ich dich eigenhändig umbringen! Hast du gehört?!« maulte ich Flo wütend an und erntete dafür wie üblich sein typisches schräges Grinsen. »Jaja, wie immer halt, ne?« »Ich hasse dich!« »Ich hab dich auch lieb!« »Hallöchen, ihr zwei Süßen!« Wir drehten uns um und erkannten Alex direkt hinter uns stehen. Er trug ein rotes Hemd und eine wie immer alte geflickte Jeans. Und...er war zur Abwechslung mal pünktlich zu einem Treffpunkt erschienen. Was war denn jetzt los? »Hi,« sagte ich knapp und versuchte so gut es ging seinem Blick auszuweichen, da mir sofort dieser vielsagende Gesichtsausdruck auffiel. Der Blonde zögerte jedoch nicht, augenblicklich meine Befürchtungen zu bestätigen und einen dummen Spruch zu dem gestrigen Abend abzugeben. »Na? Gestern noch gut heimgekommen? Du bist so plötzlich verschwunden.« Ein liebreizendes Lächeln umspielte seine Lippen. Der Kerl war ja fast noch schlimmer, als Flo. Leider jedoch nur fast, da dieser sofort auf Alex´ Bemerkung ansprang und noch eine weitere beisteuerte. »Ja ich hab mich auch gewundert, als er mich angerufen hat. Es wird doch wohl nichts Schlimmes passiert sein!« Er tat so, als wäre er besorgt. Alex begann heftig zu lachen. »Ach. Nicht der Rede wert, nicht wahr, Kleiner?« Er boxte mir mit dem Ellenbogen leicht in die Seiten. Ich fand das im Gegensatz zu den beiden alles andere, als komisch und sah sie böse an. »Ja. Alles ganz toll,« murrte ich übellaunig. »Puh, da bin ich aber froh,« antwortete Flo gespielt erleichtert. »Ich dachte schon du hättest dich zulaufen lassen und dann, ausversehen mit irgendeinem Kerl rumgemacht.« »Aber nicht doch,« lachte Alex. »Das wäre mir aufgefallen.« Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg; nicht nur aus Scham, sondern auch aus einer ganz gewaltigen Portion Wut. Ich hasste sie! Alle beide! »Aaaaaach! Leckt mich doch alle am Arsch!« knirschte ich mit zusammengebissenen Zähnen und die beiden begannen erneut lauthals zu lachen. Genervt drehte ich mich weg und wäre beinahe umgekippt, als ich von der Seite von einer kleinen Person angesprungen wurde. »Leooooooooooo!« »Wahhhh!« Wer hätte gedacht, dass ein Mädchen im zarten Alter von acht Jahren die zerstörerische Wucht eines Rammbocks aufbringen konnte? NIEMAND! Meine armen Knochen...und Organe...und Atemwege...und überhaupt. Melli sah mich mit großen Augen an und hielt meinen Arm fest mit ihren Händen umklammert. »Hey, Kleine! Was machst du denn hier?« Ich grinste sie freundlich an und wuschelte ihr durch die Haare. »Fynni hat mich mitgenommen!« Sie strahlte. Ich dagegen kämpfte fast mit einem Herzinfarkt, als ich seinen Namen hörte. »Ach hat er das?« antwortete ich gequält lächelnd. Hinter ihr konnte ich in der Menge bereits ihren über die Maßen gut aussehenden Bruder (ich hasste diese lüsternen Gedanken meines Hirns) erkennen, der heute irgendwie überhaupt gar nicht so arg gut aussah wie sonst, sondern eher...fertig?! »Hallöchen Fynniiii!« konnte ich Alex hinter mir rufen hören. Mir entging nicht, dass er den leicht ironisch angehauchten Tonfall anschlug, den er mir gegenüber zuvor schon genutzt hatte. Mein Gott war das alles wieder peinlich! Könnte mich bitte jemand erschießen? »Hmmpf...Hi,« grummelte Fynn unverständlich. »Oh...Geht’s nicht so gut?« Welch unglaubliche Kombinationsgabe Alex´ Verstand heute doch wieder an den Tag legte. War es mir anzumerken, dass ich ihn hasste? Neiiiiiiiin. »Hmmpf...Kopfweh,« nuschelte der Schwarzhaarige nur und schien nicht wirklich Lust zu haben großartig Konversation mit Alex zu betreiben. Das schreckte den jedoch nicht davon ab genau dies zu tun. »Tjahahaha...War schon ne harte Nacht gestern.« Er ging zu ihm und klopfte ihm lachend auf den Rücken. »Wohl einen über den Durst getrunken, mein Lieber, hä?« Der Kleinere zuckte kaum merklich die Achseln. »Kann sein...Keine Ahnung...« Alex zog überrascht die Augenbrauen zusammen. »Wie jetzt? Filmriss, oder was?« Wieder Schulterzucken. Ich spürte wie in mir ganz leicht die Saat der Hoffung keimte. Endlich sah auch Alex ein, dass er von Fynn keine großartigen verbalen Ergüsse zu erwarten hatte und beendete das Gespräch, indem er den Jüngeren am Arm packte und ihn in Richtung Bühne zog. Trotz allem hörte er nicht auf Fynn ununterbrochen zuzuquatschen. Flo und ich sahen ihnen kurz hinterher. Dann konnte ich meine Mundwinkel nicht mehr daran hindern sich allmählich nach oben zu ziehen und sich in ein breites Grinsen zu verwandeln. »Er hat eine Filmriss,« hauchte ich entzückt. Ich würde mich doch noch nicht umbringen müssen. »So eine Scheiße!« maulte Flo enttäuscht. »Schnauze!« »Was ist ein Filmriss?« drang die glockenhelle Stimme Mellis an mein Ohr. »Ach das ist, wenn man sich nicht daran erinnern kann, dass man irgendwelche Leute geküsst hat,« antwortete Flo amüsiert, noch bevor ich überhaupt den Mund öffnen konnte. »Und das hat Fynni getan?« Melli verzog empört das Gesicht. »Na Frag mal Leo! Der war hautnah dabei!« Der Schwarzhaarige grinste, dass es schon nahe an Unverschämtheit grenzte. Eigentlich ging es schon weit darüber hinaus! Bam! »Du sollst endlich deine verdammte Klappe halten!« Oh, hatte das gut getan. Wir folgten Alex und Fynn hinter die Bühne, wo bereits Seiji auf uns wartete. Als ich ihn sah musste ich sofort wieder breit grinsen. Fynn sah ja schon scheiße aus (auch wenn das der Vollkommenheit seiner überaus perfekten Erscheinung, meiner Meinung nach, keinen wirklichen Abbruch tat), aber der Japaner war echt die Krönung des Beschissen-Aussehens. Schwarze Ringe zierten seine verquollenen Augen. Seine Haare sahen heute zur Abwechslung mal nicht aus, als hätte er frisch in die Steckdose gefasst und lagen ihm einfach nur lang und zerzaust ins Gesicht. Irgendwie hatte er was von einer Wasserleiche. »Halli hallo, meine Lieben.« Er kratzte sich gähnend am Kopf, als wir zu ihm stießen. »Seiji, du bist echt der Brüller,« lachte Alex kopfschüttend. Der Japaner verzog angestrengt das Gesicht. »Lass mich in Ruhe! Ich bin gerade vor einer Stunde aufgewacht.« »Wann bist denn du nach Hause gekommen?« »Öhm...Gar nicht...glaub ich...« Er überlegte kurz. »Ich hab bei irgend so einer Ische geschlafen. War ganz nett.« Ein seliges Lächeln zierte seine Lippen. Alex seufzte nur. »Du bist unglaublich.« »Ja, ich weiß,« antwortete Seiji und machte ein selbstzufriedenes Gesicht. »Unglaublich bescheuert!« »Ach, lass mich doch!« Er brummte noch irgendwas in seinen nicht vorhandenen Bart und warf einen kurzen Blick in die Runde. »Wo warst DU gestern eigentlich plötzlich? « fragte er dann auf einmal mich und mein Magen verkrampfte sich wieder aufs Heftigste. »Kann mich gar nicht erinnern, dass du gegangen bist. Hast eine abgecheckt, hä?« Er boxte mir leicht in die Seiten und beäugte mich neugierig. Der Kerl hatte doch wirklich keine Ahnung! Jetzt bloß nicht zu Fynn schauen. Nicht hinschauen! Scheiße! Hingeschaut! -.- »Jaha!« lachte Alex und beantwortete Seijis Frage für mich. »So in etwa wars!« Er klopfte mir grinsend auf den Rücken und ich schenkte ihm einen schier tot bringenden Blick. Soeben war er mit Flo gemeinsam auf Platz 2 der nervigsten Personen der Welt gerutscht. Ganz knapp in Führung lag immer noch der alte und neue Spitzenreiter Herr Richter, dessen lang erarbeitete Führung durch die beiden nun aber doch ganz schön ins Wackeln geriet. Seiji grinste breit und klopfte mir anerkennend auf die Schulter, ehe er sich auf den Weg machte und etwas zu trinken kaufte (alkoholfrei!). Unbewusst schaute ich wieder zu Fynn, der meinen Blick jedoch nicht erwiderte und stattdessen aufs Ausführlichste den Dreck am Boden begutachtete. Melli textete ihn gerade wieder mit irgendwelchem Mädchenzeugs zu und er antwortete immer wieder einsilbig. »Keine Sorge! Der weiß gar nichts,« hörte ich Alex leise sagen. Er stand nah neben mir und schien meinem Blick gefolgt zu sein. »Er meinte er weiß nichts mehr, ab dem Zeitpunkt, wo Seiji verschwunden ist.« Ich sah ihn mit großen Augen an. »Hast du ihn etwa gefragt?« »Klar! Ich muss doch wissen wie es mit eurer kleinen Romanze weitergeht,« scherzte er. »Ich find das nicht witzig!« maulte ich gereizt. »Ich schon!« »Ha. Ha.« Ich verschränkte genervt die Arme vor der Brust und er machte einen unschuldigen Gesichtsausdruck. »Ach komm schon!« sagte er aufmunternd. »Kann ja jedem mal passieren.« »Ja...Klar,« antwortete ich trocken. »Wann is es dir MAL passiert?« »Man kann sich auch in was reinsteigern. So schlimm ist es auch wieder nicht. Ich werd auch keinen dummen Spruch mehr darüber ablassen, okay?« Er lächelte entschuldigend. Ich zuckte nur die Achseln. »Mach doch, was du willst!« Ohhhhhh! Ja! Ich hatte es immer noch drauf! Schön die kalte Schulter zeigen. Gott war ich gut! Wo war bitte Flo? Das musste ich ihm unbedingt zeigen! Um etwa sieben Uhr hatten wir dann unseren zweiten Auftritt in dieser Woche. Ich musste zugeben, dass meine Aufregung mit Fynns Erscheinen so ziemlich verflogen war. Als wir nach etwa einer halben Stunde die Bühne verließen, fiel mir erschreckenderweise auf, dass ich ihn wohl ununterbrochen angestarrt hatte. Dass ich dabei von dem Auftritt selbst nicht gerade viel mitbekommen hatte war auch nicht wirklich verwunderlich, aber mir wurde gesagt, dass ich meine Sache, wie am Vorabend schon, gut gemacht hätte. Wenigstens etwas! Dennoch befürchtete ich so langsam, dass meine ständige Gafferei nicht nur Alex auffallen würde, sondern unter Umständen auch Seiji oder, noch schlimmer, Fynn selbst! Der Schwarzhaarige verhielt sich mir gegenüber sehr ruhig. Gut, das tat er sonst auch, aber mir kam es fast schon so vor, als wäre er gar nicht richtig anwesend. Sein Gesichtsausdruck wirkte sehr hart, als würde er ununterbrochen angestrengt über etwas nachdenken. Mir kam bereits der Gedanke, dass, wenn er sich schon nicht selbst an den Kuss erinnern konnte, womöglich irgendjemand anderes etwas zu ihm gesagt haben könnte. Wäre ja möglich. Obwohl ich mir kaum vorstellen konnte, dass jemand, außer Alex, mit ihm überhaupt darüber reden würde, und der hatte mir ja versprochen nichts zu sagen. Ach! Wahrscheinlich litt ich nur mal wieder unter Verfolgungswahn. Ich sollte mich freuen! Fynn wusste nichts. Gar nichts! Die Entscheidung, welche Band in der nächsten Runde war, fand um halb neun statt. Wir staunten alle nicht schlecht, als verlautet wurde, dass wir tatsächlich schon wieder weiter waren. Das Publikum auf dem Platz zumindest schien jedoch sehr zufrieden mit dieser Entscheidung zu sein, da bei seiner Verkündung augenblicklich lauter Applaus und Gekreische einsetzte. Ey ich stand auf diesen ganzen Bandquatsch! Viele kannten sogar schon unsere Namen. Übergeil! Als wir die Bühne wieder verlassen und Alex erst mal jeden ordentlich durchgeknuddelt hatte (ich hatte das Gefühl dieser Kerl würde mich vor lauter Liebe gar nicht mehr loslassen wollen O.o), sah ich von Weitem schon wie Flo und Xiu um die Ecke kamen und mich freudig anstrahlten. Ich sah mich schnell um, um sicherzugehen, dass Fynn gerade nicht in meiner direkten Nähe stand, stellte dann aber fest, dass Flo zur Abwechslung mal gar nicht vor hatte mich vor ihm und versammelter Mannschaft lächerlich zu machen. »Hey Rockstar! Wie siehts aus? Willst noch zu mir kommen? Meine Mutter ist heute und morgen verreist!« Er grinste böse. »Lydia kommt auch und Cem bringt, glaub ich noch ein paar Leute vom Fußball mit...Und Alkohol...hoff ich!« Ich überlegte kurz und zuckte dann die Achseln. »Jap, warum nicht!« So hatte ich wenigstens eine Ausrede nicht bei Alex, Seiji und Fynn bleiben zu müssen. Ja ich versuchte ihm aus dem Weg zu gehen. Seine bloße Nähe machte mir schon Angst. »Kai ist die Woche über übrigens da!« sprach Flo weiter. »Dann kannst den auch mal wieder sehen. Er hat schon nach dir gefragt.« Ich sah ihn mit großen Augen an. »Kai ist hier?« Er nickte eifrig. Kai war Flos Cousin. Ich kannte ihn noch von früher. Als wir noch kleiner waren, war er oft zu Besuch bei Flos Familie gewesen und hatte viel mit Flo und mir unternommen. Er war etwa fünf Jahre älter, als wir und studierte, so viel ich wusste, irgendwo im Ausland. Ich grinste breit. »Ja klar! Hört sich cool an. Wie lang ist das her, dass ich den zum letzten Mal gesehen hab? Bestimmt drei Jahre oder so.« »Vier,« lachte Flo. »Dann hol schnell deine Sachen. Wir warten im Auto.« Er schnappte sich Xius Hand und die beiden verschwanden wieder. »Schade,« sagte Alex. »Ich dachte du würdest wieder mit uns irgendwo hingehen und „Spaß“ haben.« Ich sah ihn wütend an. Ich wusste ganz genau, worauf dieser Idiot schon wieder anspielte. Wie die mich doch alle nervten. »Ja tut mir Leid,« antwortete ich zuckersüß. »Heute ausnahmsweise nicht.« Ich verabschiedete mich schnell von allen (Fynn bekam von mir lediglich ein beiläufiges »Tschüss« zugerufen) und folgte dann Flo und Xiu. Kai hatte sich in all den Jahren fast nicht verändert. Er sah Flo immer noch sehr, sehr ähnlich, auch wenn er von der Statur her etwas größer gebaut zu sein schien als sein Cousin. Er hatte kurzes schwarzes Haar, mit einigen helleren Strähnen, und recht markante Gesichtszüge, die das jugendlich kindliche von früher endgültig abgelegt hatten. Sein Kinn war von einem leichten Dreitagebart bedeckt. In seinen dunkelbraunen Augen blitzte jedoch immer noch der kleine verrückte Junge, der er früher gewesen war und als er mich sah erkannte ich sofort das Flo so ähnliche schräge Grinsen. »Hey, Kleiner!« rief er begeistert. »Mann bist du groß! Bist ja gar nicht mehr so ein Zwerg!« »Ha. Ha, « machte ich zynisch und umarmte ihn kurzerhand. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich ihn ja doch irgendwie vermisst hatte. »So klein war ich auch wieder nicht!« »Ich hab ihm einige Fruchtzwerge verabreicht,« lachte Flo und wir gingen alle in die Wohnung, wo bereits Cem und einige seiner Freunde saßen und Playstation zockten. Auf dem Tisch befanden sich schon einige leere Flaschen Bier und Chips. Die fünf Jungs schienen im Allgemeinen schon recht angeheitert zu sein. Bis auf ein freudiges »Hallo!« des Türken erhielten wir auch keine große Aufmerksamkeit und wir machten es uns auf der Couch bequem, während die Jungen laut vor sich hinquasselnd ihr Spiel weiterspielten. Kai grinste mich breit an. »Und wie geht’s dir so? Was hast so getrieben in den letzten Jahren?« Ich zuckte die Achseln. »Nicht großartig viel! Schule. Schule. Schule! Und mich natürlich mit deinem lieben Cousin rumgeschlagen!« Flo zog eine Grimasse und ich streckte ihm die Zunge raus. Kai lachte. »Jahaha! Der hat sich wirklich kein bisschen verändert! Will einfach nicht erwachsen werden, der kleine Flo.« »Habt ihr keine anderen Themen, als über mich abzulästern?« brummte Flo eingeschnappt. »Wieso? Normalerweise redest du ja auch immer über mich!« antwortete ich altklug. »Pff. Du bist ja auch vieeeeeel interessanter.« »Ja. Ja. Klar!« winkte ich ab und wandte mich wieder dem Älteren zu. »Und du studierst jetzt?« Er nickte stolz. »Jup. Wirtschaft. In England. Deswegen bin ich zurzeit ja auch fast nie zu Hause.« Ich schluckte. »Oha. Bist du ein Genie oder was?« »Tja. Musste hart dafür arbeiten.« »Gott,« keuchte ich. »Wie ich halt einfach neidisch bin! So was schaff ich nie!« Er lächelte und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. »Dafür schaffst du anderes.« »Ja. Mich von einem Problem ins nächste zu bringen zum Beispiel. Ich bin echt talentiert.« »Ach komm! So schlimm wird’s doch wohl nicht sein.« »Es ist in der Tat schlimmer!« seufzte ich wehmütig. »Oh Mann! Jetzt fängt er auch noch an dich voll zuheulen,« sagte Flo kopfschüttelnd. »Lass DU mich doch einfach mal in Ruhe! Du bist auch keine wirklich große Hilfe.« Ich verschränkte genervt die Arme vor der Brust. Irgendwann schaffte es der Kerl wirklich noch mich in den Wahnsinn zu treiben. Wir saßen eine Weile lang einfach nur nebeneinander und unterhielten uns. Kai erzählte ausführlich von seiner Schule und was er in England alles machte. Als er fertig war, eröffnete Flo dann auch gleich sein Lieblingsthema; mich! Und dabei ließ er bis auf die Sache mit Fynn eigentlich so ziemlich keine Kleinigkeit aus und so stand zum Schluss mal wieder ich wie der größte Trottel da. Naja. Man wars ja mittlerweile gewöhnt. -.- Irgendwann kamen auch Lydia und Xiu rein, nachdem sie sich vorher in der Küche wieder einem ihrer unendlich vielen Weibergesprächen hingegeben hatten, und führten ihren Plausch dann in irgendeiner Ecke fort. Ich verstand Frauen echt nicht. Nach ungefähr einer Stunde klingelte dann plötzlich ein Handy und Kai holte ein kleines vibrierendes Mobiltelefon aus seiner Hosentasche. Er sah kurz auf das Display und grinste breit. »Das ist Jo,« erklärte er knapp und nickte Flo zu, der daraufhin kurz kicherte. »Dauert nicht lang. Ich hab ihm nur versprochen anzurufen.« Ich zog misstrauisch meine Augenbrauen zusammen und musterte Kai irritiert. Dieser ignorierte es jedoch und nahm ab. »Hi,« murmelte er leise in das Telefon. »Ja ich wollte dich ja noch anrufen.......Das nächste mal mach ichs früher....« Pause. Ich bemerkte wie sich auf seinen Wangen ein leichter Rotschimmer abbildete und er noch breiter grinste. »Ich sitze gerade mit meinem Cousin und einem alten Freund im Wohnzimmer rum.« Pause. »Heiß, würd ich sagen.« Pause. »Ja klar. Aber so arg auch nicht!« Pause. »Keine Sorge!« Pause. »Was machst du heute noch?« Lange Pause. »Cool. Sagst ihr einen Gruß!« Pause. »Hoff ich doch. Hey...Du, ich ruf dich heut nacht noch mal an, okay? Ist gerade irgendwie schlecht.« Was er daraufhin sprach konnte ich fast nicht mehr verstehen, da er nur noch sehr leise flüsterte. »So um eins dann, okay?....Ja....Viel Spaß noch!...Ja....Ich dich auch...Tschüss.« Er legte auf und verstaute das Handy wieder in seiner Hosentasche. Dann drehte er sich wieder zu uns und lächelte. »Naaaaaaa?« fragte Flo neben mir und hob ein paar mal vielsagend die Augenbrauen. Kai zuckte kurz die Achseln und sah mittlerweile aus wie so eine Tomate. »Er wollte nur wissen wies mir geht.« »Ihr habt doch gestern erst telefoniert.« »Na und. Ich telefonier gerne mit ihm!« Ich sah verständnislos vom einen zum anderen. »Kann mir mal bitte jemand sagen worum es geht? Wer war das?« »Ach, nur sein Freund,« antwortete Flo gelassen. »Sein Freund,« wiederholte ich stockend. »Jep.« Er schmunzelte und blickte mir eindringlich in die Augen. »Sein fester Freund.« Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, als würde mir jemand mit der Faust kräftig in den Magen schlagen. Das war jetzt ein Witz, oder? Kai war schwul? So ein Schwachsinn! Ich kannte ihn doch von früher! Der Kerl war immer der absolute Weiberheld gewesen. Soweit ich es mitbekommen hatte, hatte er immer eine Freundin gehabt, wenn er bei uns gewesen war. Und jetzt soll er schwul sein? Das war unvorstellbar! War die Welt jetzt völlig auf den Kopf gestellt? Nichts passte mehr. Gar nichts! Mann, wie das nervte! Ich nickte kurz. Irgendwie fühlte sich meine Nacken steif an. »Verstehe,« murmelte ich knapp. Jetzt fiel mir noch etwas anderes auf, das mich fast noch mehr nervte. Warum war Kai dann ausgerechnet jetzt hier? Jetzt, kurz nachdem Flo erfahren hatte, dass ich auch...naja...so komisch war. Also wenn das ein Zufall war, dann würde ich mir jetzt entgültig die Kugel geben. »Jep!« antwortete Flo gefasst. »Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht!« Er strahlte bei dieser Aussage, ich hingegen verzog gequält das Gesicht. »In der Tat.« »Dich stört das doch nicht, oder?« fragte Kai an mich gewandt und ich konnte eine gewisse Besorgnis in seiner Stimme erkennen. Ich schüttelte schnell den Kopf und hob etwas die Schultern. »A-ach was! Ist über...überhaupt kein Problem für mich.« »Warum sollte es auch?« machte Flo verwundert. »Du bist doch auch andersrum.« Dieser Satz kam mir gerade so vor wie in Zeitlupe ausgesprochen. Die einzelnen Worte hatten irgendwie etwas kraftraubendes. Ich konnte nicht mal einschätzen, ob Flo das nun laut in die Runde gesagt hatte oder ob es wirklich nur Kai und ich hatten hören können. Ich hoffte inständig zweiteres. Als ich jedoch feststellte, dass sich weder Cem, noch seine Freunde zu uns umdrehten und mich mit abwertenden Blicken bedachten, brodelte auch ein gewisses Maß an Wut in mir hoch. »Kannst du mich vielleicht endlich mal in Ruhe lassen?« zischte ich meinen Freund wütend an. Dieser hob nur überrascht die Augenbrauen. »Ich wollte nur helfen. Ihr könntet euch doch ein bisschen unterhalten...Erfahrungen austauschen und so.« Er zwinkerte. »Ich will mich nicht darüber unterhalten, weil es nämlich überhaupt kein darüber gibt!« maulte ich stinksauer und ich hatte zum ersten mal das Gefühl, dass er ganz gewaltig an der Richtigkeit von dem zweifelte, was er getan hatte. »Und jetzt lass mich endlich in Ruhe!« »Ohhhh...Entschuldigung wenn ich helfen wollte. Dann hau ich eben ab.« Wie die letzte Zicke erhob er sich, warf mit einer ruckartigen Bewegung seines Kopfes einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und verließ den Raum in Richtung Haustür. »Ich geh und hol uns eine Pizza. So viel Undankbarkeit macht mich hungrig!« Ich sah ihm fassungslos hinterher und seufzte leise. »Das ist doch so ein Idiot!« murmelte ich und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Ich spürte eine Weile lang Kais Blicke auf mir ruhen, ignorierte diese aber strikt. >Erfahrungen austauschen.< Pah! Selten so einen Schwachsinn gehört. Von welchen Erfahrungen redete dieser Vollidiot denn überhaupt? Von diesem 10-Sekunden-Kuss in dem Klub, der anscheinend so schlecht gewesen war, dass Fynn sich nicht einmal daran erinnerte? Oder nein! Noch besser! Von meinen ungewollten, dermaßen erbärmlichen Annäherungsversuchen, als ich bei ihm übernachtet hatte. Au ja! Darüber konnte ich viel erzählen und >Erfahrungen austauschenBetrunkene und Kinder...« »...lügen nicht...ja. ja....Hat Flo dir den Spruch ins Ohr gesetzt?« unterbrach ich ihn genervt. Er schmunzelte. »Ja. Schon. Aber er hat ja auch irgendwie Recht!« »Wenn du meinst.« Ich zuckte die Achseln. »Naja. War nur ein Rat. Du brauchst ihn ja nicht befolgen,« sagte er ruhig und beendete damit das Thema. Vielleicht wusste er einfach, dass es mir unangenehm war darüber zu reden, oder es fiel ihm schlichtweg einfach nichts mehr ein, womit er mich überzeugen konnte. Naja. Mir sollte es Recht sein. Hatte die Schnauze voll davon. Die nächste halbe Stunde sahen wir Cem und seinen Freunden dabei zu wie sie in dem Fernseher Runde um Runde mit ihren Autos in einer riesigen virtuellen Arena fuhren und es irgendwie doch nicht schafften ihre Gegner zu besiegen. Xiu hatte sich mittlerweile zu Kai und mir gesellt und unterhielt sich mit dem Cousin ihres Freundes angeregt über irgendwelchen schulischen Kram. Wenn man halt sonst nichts besseres zu tun hatte...tzz. Streberpack! Als ich gerade aus der Küche zurückkehrte, wo ich mir eine neue Flasche Bier geholt hatte, konnte ich das laute Lachen von Flo aus dem Eingangsbereich vernehmen. Stimmt ja! Der war Pizza holen gegangen. Komisch. Hatte aber verdammt lang gedauert. Es war schon fast halb 12. Als er jedoch den Raum betrat erkannte ich mit einem entsetzten Quietschen den Grund für sein langes Wegbleiben, der nun zusätzlich auch zu meinem sofortigen Herzstillstand führte. Ununterbrochen vor sich hinbabbelnd, balancierte Flo zwei große Pizzaschachteln auf seinen Händen und bahnte sich seinen Weg in die Küche, um sie dort abzustellen. An seiner Seite, mit einer weiteren Schachtel Pizza beladen, Fynn, mit einem unsicheren, aber über die Maßen niedlichen Gesichtsaudruck. Sterben. Ich wollte sterben. Jetzt, sofort, augenblicklich. »Ist er das?« hörte ich Kai, nahe an meinem Ohr, sagen. Ihm musste wohl mein überaus konsternierter Blick aufgefallen sein, den ich, seit die beiden dort verschwunden waren, nicht mehr von der Küchentür abwenden konnte. Ich nickte ansatzweise und er lächelte. »Hübsches Kerlchen.« Ich sah ihn entgeistert an, brachte aber nichts weiter, als ein leise gehauchtes »Spinnt der?« über die Lippen. Ich konnte spüren, dass sich Xiu neben mich setzte und versuchte mich zu beruhigen. »Bitte raste nicht aus! Ich wollte Flo aufhalten, aber er...« »Hat es zufällig eine Pistole im Haus?« erkundigte ich mich mit monotoner Stimme. Die beiden schüttelten den Kopf. »Gift?« Wieder Kopfschütteln. »Irgendetwas anderes, mit dem ich Flo ermorden kann?« »Wir hätten Messer in der Küche,« schlug die Vietnamesin vor. »Bring sie mir alle! Ich will ihn leiden sehen.« Die Küchentür ging wieder auf und Flo kam breit grinsend herausgeschwebt, dicht gefolgt von Fynn, der seine Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben hatte. Als sich unsere Blicke trafen, hob er seine Hand ansatzweise zum Gruß und presste die Lippen aufeinander. »Guck mal, Leo, wen ich in der Pizzeria getroffen hab!« rief Flo begeistert. Ich schenkte ihm ein unechtes Lachen. »Mann, was für ein Zufall!« antwortete ich zynisch. »Die Welt ist echt klein!« »Ja, da hast du Recht. Ich dachte mir, ich könnte ihn doch auch noch mitbringen. Er passt so schön in unsere gemütliche Runde!« »Und Denken war ja sowieso schon immer deine Stärke!« Ich bemerkte wie Fynn verwirrt immer wieder von Flo zu mir schaute, aber anscheinend nicht wirklich hinter den Sinn unseres gegenseitigen Zugesäusels kam. Flo wandte sich daraufhin wieder dem mehr als verwirrten Schwarzhaarigen zu und strahlte ihn heiter an. »Also, meine Lieben, das ist Fynn.« Er hob präsentativ die Arme. »Und das ist Kai,« er zeigte auf seinen Cousin. »Das da Lydia,« seine Hand wanderte zu dem blonden Mädchen, das ein leises »Hallo« von sich gab. »Xiu...die kennst du ja aber schon....und das da Leo...aber den kennst du ja selbstverständlich auch...und die Idioten,« er zeigte auf Cem und seine dauergackernden Kumpanen. »...kannst du eigentlich vergessen. Die interessieren sich nicht mal für uns.« Fynn nickte verstehend und lächelte unsicher. »Hallo.« »Willst du was zu trinken? Ich hol mir nämlich was,« bot Flo lächelnd an und machte sich bereits auf den Weg zurück in die Küche. »Du kannst es dir ja schon mal neben Leo und so gemütlich machen.« Können Köpfe platzen, wenn sich zu viel Blut in ihnen ansammelt? Wenn ja, dann war meiner gerade kurz davor. Fynn sah dem Braunhaarigen kurz hinterher. Dann nahm Xiu seine Hand und zog ihn hinunter auf die Couch auf den Platz zwischen sich selbst und mich. Es fiel mir zugegebenermaßen verdammt schwer den Ereignissen richtig folgen zu können. Mein Gehirn arbeitete gerade irgendwie in Zeitlupe und hatte so seine Schwierigkeiten alles in seiner normalen Form zu verarbeiten. Ich bekam gerade noch so mit wie ich Fynn kleinlaut begrüßte und die Vietnamesin dann eine Weile mit ihm sprach. Er schien nicht wirklich zu wissen wie er sich verhalten sollte. Kein Wunder! Bis auf mich kannte er hier ja auch niemanden richtig. Der musste sich doch vorkommen wie Alice im Wunderland. Okay. Seit Neuestem fühlte ich mich in Flos Gegenwart auch immer so. Dieser Kerl hatte doch wirklich einen Totalschaden! Was dachte der sich bitte dabei Fynn hierher zu holen? Und vor allem, wie hatte er den bitte gefunden? Der wusste doch nie und nimmer, wo der wohnte, oder? Oh Gott! Wie sollte ich diesen Abend denn bitte überstehen. Ich bekam ja allein davon schon Herzrasen, wenn ich nur daran dachte, dass Fynn neben mir saß. Eine Körperseite von mir stand also in direktem Kontakt mit ihm. Er war ganz nah. Ich konnte durch den Stoff meiner Jacke bereits deutlich die Wärme spüren, die von ihm ausging. Oh war das schön ihn wieder zu berühren. Jetzt machte es gleich Peng und Leo war nur noch körperlich anwesend. Mit seinen Gedanken flog er dann durch eine kleine rosarote Welt, in der es nichts weiter gab, als ihn selbst und ganz viele wunderschöne kleine Fynns, die ihn alle ganz doll lieb hatten. Scheiße! Mein Gehirn! Es verselbstständigte sich schon wieder! Oh. Ein Wattebausch. »Leo?« Ich sah wie eine Hand vor mir hin und her wedelte. »Bist du da?« Ich wandte meinen Blick nach links und erkannte Xiu und Fynn, die mich besorgt anstarrten. Ich kniff kurz heftig die Augen zusammen und nickte eifrig. »Jaja. Klar bin ich da...öhm...Worum geht’s?« »Hast du schon wieder zu viel getrunken, oder was?« fragte die Schwarzhaarige in vorwurfsvollem Tonfall. Ich schüttelte jedoch schnell den Kopf. »Nein, gar nicht! Ich war gerade nur irgendwie...nicht da...ich mein...ich hab nachgedacht.« >Nachgedacht< ist gut! Ha! Geträumt wohl eher. »Aha.« Xiu hob misstrauisch eine Augenbraue. »Naja. Ich hol mir mal eine Pizza. Wollt ihr auch?« Wir schüttelten den Kopf und sie erhob sich. Dann saßen wir allein auf dem Sofa und ich spürte wie sich bei dem Gedanken ein riesengroßes Loch in meinem Magen auftat. Flo, Lydia und Kai setzten sich zu Cem und seinen Freunden auf den Boden, wo die acht mal schnell zwei Schachteln Pizza verdrückten. Wir beobachteten sie eine Weile schweigend, bis Fynn sich irgendwann leicht zu mir drehte und mich mit einem fragenden Blick musterte. »Wieso wolltest du, dass ich komme?« Ich hob überrascht die Augenbrauen. »Ich wollte was?« »Dein Freund.....Flo hat mich angerufen,« sagte er unsicher. »Er hat WAS?« Ich antwortete auf seine Fragen gerade irgendwie nur mit Gegenfragen, aber das war mir im Moment schlichtweg egal. Flo hatte nun endgültig die Spitze seiner Unverschämtheiten erreicht! »Na...er hat...angerufen,« stammelte Fynn verständnislos. »Er meinte du wolltest, dass ich...wolltest du nicht?« »Natürlich nicht!« stieß ich hervor. Er runzelte verwirrt die Stirn. Fast konnte ich so etwas wie Enttäuschdung in seinen Zügen erkennen. Gott! Das war ja nicht auszuhalten! »Ich meine...Es ist nicht schlimm, dass du...hier bist...Also...ähm...ich...das ist schön!« Ah wie peinlich! Warum schaltete sich bitte mein Sprachzentrum immer aus, wenn ich mit Fynn redete? Er lächelte ansatzweise und überlegte kurz. »Aber warum sollte er dann wollen, dass ich komme?« »Dassss....ist wirklich eine sehr gute Frage.« Die Art wie ich sprach musste gerade irgendwie sehr verkrampft wirken. Angestrengt versuchte ich mich zu einem Lächeln zu zwingen. »Ich...ich weiß es nicht. Keine Ahnung! Er spinnt!« »Ja,« sagte er überzeugt. »Klingt logisch.« »Ich frag mich nur, woher dieser Idiot deine Nummer hat.« Er hob die Augenbrauen. »DU hast doch meine Nummer!« »Ja und die werd ich gerade dem geben!« antwortete ich zynisch. Er lachte. »Vielleicht macht es dir Spaß zuzusehen wie er mich verarscht,« mutmaßte er gelassen. »Ich hab dir schon mal gesagt, dass ich dich nicht verarschen will. Kapiers endlich!« Er wollte wohl noch etwas sagen, als plötzlich sein Handy klingelte. Woah! Ich hasste diese nervtötenden kleinen Dinger! -.- »Ja?« Er klang wütend, als er an das Telefon ging. »Wo warst du?« Mit einem Satz stand er auf und ging zu einem der Fenster, wo er kurz hinaussah. «Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht will, dass du dahin gehst!....Nein!« Einen Moment später verschwand er auf dem Balkon. Ich sah ihm verwundert hinterher. Unbewusst erhob ich mich ebenfalls und folgte ihm schweigend. Draußen war die Luft schon ziemlich kühl. Trotzdem stand Fynn hier nur im T-Shirt und lehnte sich an das Geländer. Er sah mich nicht an, sondern erforschte mit gerunzelter Stirn die Fliesen am Boden. An seinem Ohr hielt er immer noch das Handy. »Ich find das abartig!« zischte er aufgebracht. »Dann lass es doch einfach! Wir finden schon was anderes.« Pause. »Ja klar, aber DAS ist besser.« Pause. »Ach mach doch was du willst! Ist mir doch egal!« Pause. »Hab ich zu einer Freundin gebracht.« Pause. »Bei Leo.« Seine Stimme klang nun ruhiger. »Ja.« Pause. »Ja.« Pause. »Egal.« Pause. »Von mir aus. Ich muss jetzt auflegen.« Pause. »Ja....Ja....Tschüss.« Mit einem Piepen klickte er auf eine Taste und verstaute das Handy wieder in seiner Tasche. Dann hob er langsam den Blick und bedachte mich mit seinem typischen unergründlichen Gesichtsausdruck. »Wer war das?« fragte ich leise. Er hob einmal die Schultern. »Meine Schwester...Lisa.« »Scheinst wütend zu sein.« »Pff,« machte er unwirsch. »Ist doch sowieso egal.« Ich ging langsam zu ihm und lehnte mich ebenfalls an das Geländer. »Ich dachte du hast nur ein Problem mit deinem Vater. Deine Schwestern mochtest du doch.« »Tu ich auch...es ist nur...« Er überlegte einen Augenblick was er sagen sollte und kaute auf seinem Lippenpiercing. Dann sog er tief die Luft ein und sah mich wieder an. »Ich hab dir doch gesagt, dass wir das Geld nicht so flüssig haben.« Er wartete einen Moment auf eine Reaktion von mir und ich nickte. »Naja. Deswegen hab ich ja auch einen Nebenjob gesucht und so...um etwas Geld reinzubringen. Und deshalb hat Lisa auch ihr Studium abgebrochen...um uns hier zu helfen.« »Aber das ist doch gut,« sagte ich anerkennend. Ein flüchtiges Lächeln schlich sich kurz auf seine Lippen. »Ja schon. Das ist auch nicht das Problem.« »Sondern?« »Ach das, was sie macht nervt mich!« brummte er abfällig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Die arbeitet in irgendsoeinem Nachtclub...Echt widerlich, wenn du mich fragst.« »Muss doch nichts schlimmes sein,« erwiderte ich stutzend. »Sie tanzt auf Tischen und hofft, dass irgendwelche alten Säcke ihr ein paar Scheine zwischen die Titten stecken! Ist ja wohl berechtigt, wenn ich mich da aufrege!« Er schürzte gereizt die Lippen. »Du machst dir wirklich Sorgen um sie, hm?« Er starrte abwesend auf die unter uns liegende Straße und zuckte leicht die Achseln. »Ich hab doch niemanden außer ihr und Melli. Klar mach ich mir da Sorgen.« »Denkst du wirklich immer noch so?« fragte ich verwundert. Er schien zu überlegen. »Hmm. Jetzt wahrscheinlich nicht mehr.« Wir schwiegen kurz und ich konnte sehen wie ein schwaches Lächeln seine Lippen umspielte. »Aber jetzt bist ja auch du da.« Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Was meinst du damit?« »Ach komm... Glaubst du etwa ich wäre vor ein paar Wochen mit jemandem wie denen da drinnen abends zusammen gewesen? Die hätten mich nicht mal angeschaut.« Er machte eine kurze Pause. »Und...du hättest es wahrscheinlich auch nicht getan.« Ich sah ihn lange an, dann musst auch ich lächeln. »Ja. Wahrscheinlich schon.« »Aber jetzt siehst du mich?« Ich nickte zaghaft. »Ja.« Mein Gesicht begann auf einmal fürchterlich zu brennen. Dieses Gespräch schlug wieder mal eine ganz gefährliche Richtung ein. »Wieso?« »Keine Ahnung,« sagte ich leise. »Irgendwas musst du bei mir wohl richtig gemacht haben.« Er schmunzelte. »Wow. Das wär zur Abwechslung mal was positives.« »Für dich vielleicht,« murmelte ich leise. »Ich für meinen Teil hab seit Wochen nichts weiter, als Probleme.« Fynn verdrehte verwundert den Kopf und musterte mich neugierig. »Was denn für Probleme?« »Zu viele.« »Weil du jetzt in der Band bist?« vermutete er. »Ja. Oder weil ich mich mit Leuten wie Alex und Seiji abgeb.« Ich lachte bitter. Auch er tat es ansatzweise. Dann nahm er wieder diesen unergründlichen Gesichtsausdruck an und überlegte kurz. »Oder weil solche Dinge geschehen wie gestern Nacht.« Mir stockte der Atem, als er das sagte. Mit einem mal verkrampfte sich mein Magen so sehr, dass es schmerzte. Ich sah ihn entgeistert an, doch er wich mir aus und betrachtete eine Weile den Himmel, als wäre nichts gewesen. Mein Mund fühlte sich trocken an und ich schaffte es nicht mehr etwas zu sagen. Dann, nach wie es mir vorkam endlosen Minuten des Schweigens, unterbrach er wieder die Stille, hielt seinen Blick jedoch trotzdem starr in die tiefe Schwärze der Nacht gerichtet. »Ich hab gelogen....heute morgen...als ich Alex gesagt hab, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann...«Seine Stimme klang gedämpft, als er das sagte. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Es fiel mir schwer zu sagen, ob er heiß oder kalt war. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als wäre ich gar nicht richtig anwesend und würde das Szenario nur von Weitem beobachten. »Verstehe,« sagte ich tonlos und nickte langsam. Wieder eine Ewigkeit Schweigen. Ich konnte aus dem Augenwinkel sehen wie Fynn wieder nachdenklich auf seinem Lippenpiercing rumkaute. Er schien nicht vorzuhaben etwas zu sagen. Langsam wandte ich ihm das Gesicht zu. »Wieso hast du gelogen?« Er sah mich verwundert an. »Weil ich...Angst hatte...irgendwie...« Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Angst?...Wovor?« »Davor, dass du vielleicht nichts mehr mit mir zu tun haben willst.« Seine Stimme war jetzt so leise, dass es fast nur noch ein Flüstern war. Im schwachen Licht konnte ich erkennen wie sich ein zarter roter Schein auf seine Wangen schlich. »Deswegen hab ich gesagt, dass ich mich nicht daran erinnern kann...dann könntest...du mir auch keinen Vorwurf machen..« »Warum sollte ich dir einen Vorwurf machen? Es war doch meine Schuld.« Er schwieg und überlegte kurz. »Weil es...dir eben...naja...sicher unangenehm ist.« Er machte eine Pause und versuchte die passenden Worte zu finden. »Ich meine du warst ziemlich betrunken und....ach scheiße! Ich will einfach, dass es so bleibt wie es jetzt ist! Verstehst du? Es ist so lange her, dass ich jemanden hatte, den ich wirklich...naja...,als Freund bezeichnet hätte, aber du...du bist halt...irgendwie...anders, als die...und...« Er verstummte. Während er sprach hatte er seinen Blick wieder abgewandt und spielte nun ausweichend mit einem seiner Armbändchen rum. Ich beobachtete ihn eine Weile und versuchte möglichst ruhig zu atmen. Mein Herz schlug gerade regelmäßig Saltos und ich spürte wie ein heftiges Kribbeln meine Beine erfüllte. Wenn mein Kopf nur noch ein kleines bisschen roter geworden wäre, dann hätte ich durchaus als Leuchtturm durchgehen können. Aiii! Der Kerl war doch wirklich zu süß! Ja das war das böse Wort mit „s“, aber es passte einfach so perfekt zu ihm. »Ist dir kalt?« sagte ich auf einmal, als ich spürte, dass er leicht zitterte. Er hob einmal die Schultern. »Ein bisschen.« Ich zog kurzerhand mein Jacke aus und legte sie ihm über die Schultern. Ein unsicherer Blick seinerseits traf mich. Ich erwiderte ihn eindringlich, schaffte es aber schon wieder nicht auch nur einen Ton von mir zu geben. »Danke,« sagte er leise und zog die Jacke etwas enger um sich. Dann wieder Schweigen. Ich dachte lange darüber nach, was er gesagt hatte. Irgendwie war das ja eine absolut niedliche Art zu denken. >Ich könnte ihm einen Vorwurf machen, weil ich einen Fehler gemacht hatte.< Nein wirklich. Der Kerl dachte doch noch komplizierter, als ich. Armer Junge. »Du brauchst keine Angst haben,« murmelte ich leise und erschrak selbst, als ich mich sprechen hörte. Er sah mich wieder mit diesem unsicheren Blick an. »Was?« »Du brauchst keine Angst haben,« wiederholte ich, diesmal mit festerer Stimme. »Wir sind doch Freunde. Wär doch bescheuert das wegen so etwas einfach kaputt zu machen. Absoluter Schwachsinn!« Er dachte einen Augenblick darüber nach und nickte dann. »Ja. Stimmt...Viel-...Vielleicht sollten wir es einfach v-...vergessen.« Mit einem mal fühlte ich wie sich ein riesiges Loch in mir auftat, das alles in sich einzusaugen versuchte. Was übrig blieb war Leere; nur Leere. Vergessen? Eigentlich wollte ich es nicht vergessen. Oder doch? Doch. Ja ich war mir sicher! Ich wollte es vergessen! Wie so einiges. Aber da gab es ein Problem. Ich konnte es nicht! Weil ich jedes Mal, wenn ich Fynn sah, daran denken musste. Ja. Insgeheim wünschte ich mir ja sogar ihn wieder zu küssen. Immer und immer wieder! Vergessen war da verdammt schwer. Aber es war das Beste. Vergessen war die einzige Möglichkeit. Ich nickte langsam. »Ja...Vergessen ist gut....Vergessen wir es.« Er lächelte leicht und ich wandte schnell wieder meinen Blick ab. Warum hatte ich jetzt bitte das Gefühl etwas Falsches getan zu haben? Das war doch gut so! Freunde sein war okay. Da konnte einem keiner einen Strick draus drehen. Alles in bester Ordnung! Oder...oder...oder? Ich sollte mit ihm darüber reden. Das hatte Kai doch gesagt, oder? Ach Quatsch! Was dachte Fynn denn dann bitte von mir? Es war doch jetzt alles gut. Alles war gut. Perfekt. »N-nein! Lass es...Lass es uns nicht vergessen!« stammelte ich plötzlich und er sah mich verwirrt an. Ich atmete einmal tief durch und versuchte dann in möglichst klaren Sätzen mit ihm zu sprechen. »Hör mal!...Willst...Willst du die Wahrheit wissen?« Ich wartete nicht auf eine Antwort und redete gleich weiter. »Die Wahrheit ist, dass...dass ich gestern wahrscheinlich genauso wenig betrunken war wie du.....Gut. Ich war schon betrunken, aber...ich wusste zumindest noch ganz genau was ich getan habe...« Fynn sagte nichts. Seine Miene war wie so oft ausdruckslos und er musterte mich eindringlich. Ich lachte bitter und suchte einen Augenblick nach den richtigen Worten. »Verstehst du?....Bis vor ein paar Wochen hätte ich mich auch nicht mit jemandem wie dir abgegeben. Da war auch alles irgendwie noch in Ordnung...wie es eben sein sollte....Aber dann ...kam diese Sache mit der Band und....irgendwie stimmt jetzt absolut überhaupt gar nichts nicht mehr!« Ich gab ein kurzen verschlucktes Seufzen von mir. »Ständig muss ich gucken wie ich es allen Recht mache. Alle glauben immer besser zu wissen, was ich will und dabei...weiß ich das doch schon längst selbst...auch wenn ich es mir vielleicht nicht wirklich eingestehen will.« Ich biss kurz auf meine Unterlippe. Ein leichtes Zittern ging durch meinen Körper und ich schloss für einen Moment die Augen, um wieder zur Ruhe zu kommen. Fynn schwieg weiterhin. Er hatte den Blick allerdings abgewandt und schaute wieder auf die Straße. »Die...Die Wahrheit ist....,« begann ich erneut stockend. Meine Stimme war jetzt fast nur noch ein Flüstern. »W-Was ich will......Was ich wirklich will....das....das bist...du.« Stille. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich gerade, wohlwissend, was ich tat, mein eigenes Todesurteil unterzeichnet. Fynn zeigte keine Reaktion. Er war ganz ruhig, doch konnte ich erkennen, dass sein Kopf mindestens genauso rot angelaufen war wie mein eigener. Das helle Laternenlicht schimmerte matt in seinem schwarzen Haar, sodass es fast silbern wirkte. Ich begann nervös an dem Balkongeländer rumzuschrauben und gab ein unsicheres Lachen von mir. »Das...ist jetzt das so ziemlich peinlichste, was ich je gesagt hab und...ich kann verstehen, wenn du jetzt...naja...wenn dir das jetzt unangenehm ist und..., aber...ich...« Er hob wieder den Kopf und sah mich unsicher an. »Naja. Jetzt hab ichs gesagt und eigentlich bin ich auch ganz froh darüber...weil....du weißt jetzt wenigstens...woran du bist...und ich....werd jetzt reingehen, weil ich mir gleich den Arsch abfrier.« Ich nickte einmal, als müsste ich mir selbst zustimmen. »Ja das werd ich tun...« Er zog kurz verwirrt die Augenbrauen zusammen und ich ging in Richtung Balkontür. Ich blieb jedoch auf halbem Weg stehen und machte nochmals kehrt. Als ich direkt vor ihm stand berührte ich mit meiner Hand vorsichtig seine Wange und legte für den Bruchteil einer Sekunde meine Lippen auf seine. Er tat nichts, stand einfach nur regungslos da und ließ geschehen. Als ich mich von ihm löste sah ich ihn nicht an. Ich ging wieder in die Wohnung und ließ ihn allein mit meinem Geständnis zurück. --------------------------------------------------------------------------------- Das war jetzt glaub ich das so ziemlich längste Kapitel, was ich bis jetzt hatte, aber ich hatte mir eben vorgenommen so weit zu schreiben und konnte nicht einfach mittendrin abbrechen, weil...ja weil halt....^.^ Gott bin ich heute wieder schlau O.o Bin eigentlich ganz zufrieden mit dem Chap....Nur der Schluss ist nich so tolli geworden wie ich ihn mir ausgemalt hab O.o`...Naja...verzeiht es mir...des hab ich in Eile gestern Abend geschrieben, während ich nebenher >Das Parfum< angeglotzt hab O.o...Welch Inspiration...... Ach ja...Meine wahre Inspiration stammt natürlich wieder von meim Sonni, die mir diesmal sogar bisschen beim schreiben geholfen hat =D Gutes Sonni ♥♥♥ Ach ja und noch ein ach ja....verzeiht mir auch, dass ich einfach nicht so schreiben kann, dass es in irgendeiner Form romantisch wirkt, weil Romantik ist und bleibt einfach nix für mich U_U° Ich gefühlskaltes Wesen....naja....Genug gebabbelt! Hoffe es hat euch gefallen und ihr lest auch das nächste Kapi, wobei das, wies aussieht wahrscheinlich ziemlich lang auf sich warten lassen wird, weil ich bist zu den Sommerferien ziemlich ausgelastet bin uuuuund die ersten drei Wochen dann im Urlaub bin...vllt schaff ichs vorher...vllt auch nich Q_Q Man weiß es nicht. Soooo und jetzt fleißig ans Kommisschreiben gehen *hust* *hust* (wo ich mich bei Gelegnheit doch gleich noch entschuldige, dass ich auf Kommies so selten zurückschreibe =( Es tut mir soooooo Leid....Ich will immer aber dann wird ich wieder von irgendwas genervt -.- Aber ich freu mich über jeden einzelnen ganz dolli...also DANKIIII!!!!) ^.^ Lg das Gilumonster ~~~♥ Kapitel 10: Riesenrad --------------------- OMG...Hab ichs geschafft?...Oh Gott!!!! Jaaaaa! Ich habs geschafft!!!!! Das Kapitel is endlich fertig!!!!! Wie viele Wochen/ Monate hab ich jetzt dafür gebraucht???? Einige... Das tut mir wirklich so unglaublich Leid! Ich wünschte ich hätte so einen tollen Raum von Geist und Zeit wie in Dragonball O.o Da würd ich wahrscheinlich mein halbes Leben verbringen *___* Ich hoffe in der ganzen Zeit sind mir meine lieben Leser nicht verloren gegangen, wobei ich auf eines zu sprechen kommen muss: 27 Kommies beim letzten Kapi!! Ihr seid sooooooooo ultra mega galaktisch geil!!! Ich bin sprachlos. Hammer...Danke! So und jetzt genug geplaudert^^ Viel Spaß bei Kapitel 10 =D -------------------------------------------------------------------------------- Kapitel 10: Riesenrad »Hallo,« säuselte mir eine klebrig süße Stimme ins Ohr. »Leo-Schatz, aufstehen! Wir wollen gehen.« Ich drehte mich verschlafen weg, wurde dann aber von einer Hand grob wieder zurückgedrückt und öffnete widerwillig die Augen. »Wahh! Sag mal, spinnst du?« brüllte ich wütend in Flos Gesicht, welches allerhöchstens noch zehn Zentimeter von meinem entfernt über mir schwebte und mich mit einem breiten Grinsen anstrahlte. Unwillkürlich zuckte ich mit meinem Kopf noch weiter in das Kissen zurück. »Runter von mir, du Idiot! Und zwar schnell!« Ich versuchte ihn genervt von mir runterzuschubsen und fiel dabei fast selbst mit ihm auf den harten Boden. Der Braunhaarige lachte laut und warf sich ein weiteres Mal auf mich. Eine mehr, als kindische Rangelei brach aus, die der Größere, in unserem Fall Flo, letztendlich für sich entschied, indem er meine Hände grob gegen die Matratze drückte und meine Beine mit seinen, geschickt umklammert, festhielt. Mein Kopf hing zu diesem Zeitpunkt nur noch armselig am Rand unseres selbstgebauten provisorischen Schlafplatzes und lief, je länger er da hing, immer roter an. »Lass...mich....sofort looooooos!« schrie ich lauthals und sah ihn böse an. Ich erntete aber wie üblich nur ein weiteres Lachen, das sich diesmal mit dem von Xiu, Cem und Lydia vermischte. Etwas umständlich versuchte ich mein Gesicht so hinzudrehen, dass ich sie ansehen konnte und brach mir dabei fast alle Nackenwirbel. Die drei saßen gemeinsam auf Flos Bett und hielten jeder ein belegtes Brötchen und eine Tasse in der Hand. Von draußen drang bereits helles Tageslicht in das kleine Zimmer und ich sah mich erfolglos nach einer Uhr um. »Wie spät ist es denn?« gluckste ich angestrengt, was Flo endlich dazu veranlasste mich loszulassen und mir hoch zu helfen. »12!« antwortete mein Freund und schüttelte tadelnd den Kopf. »Mann. Mann. Wie kann man so lang schlafen?« »Wir waren ja auch lang wach,« erinnerte ich ihn empört und strich mir durch die Haare. Mit einem suchenden Blick erkundete ich ein weiteres mal den Raum und stellte fest, dass Fynn und Kai fehlten. »Die zwei sind unten und machen sich noch was zu essen,« beantwortete Flo meine unausgesprochene Frage. Ich zuckte jedoch nur gleichgültig die Schultern. »Ach ja? Schön.« Er hob die Augenbrauen. »War gestern was? Du warst auf einmal so ruhig.« »Nö. Quatsch! Was soll denn gewesen sein?« log ich und hatte das Gefühl, dass meine schauspielerischen Künste von Tag zu Tag besser wurden. »Mit Fynn,« hakte Flo nach, versuchte dabei allerdings so leise zu sprechen, dass Xiu, Lydia und Cem es nicht hören konnten. Ich schüttelte schnell den Kopf. »Gar nichts war mit dem! Bin ich bescheuert?« In der Tat. Das war ich! Aber im Moment würde ich das erst mal für mich behalten. Flo würde überhaupt gar nichts erfahren! Wer weiß, was der sonst wieder anstellte. Abgesehen davon war ich sowieso erst mal mit mir selbst beschäftigt und hatte keine Zeit mich wieder um die dümmlichen Ideen meines Freundes zu kümmern. Das gestern war doch wirklich die dämlichste Aktion seit langem gewesen! Mein Kopf lief allein davon schon wieder rot an, wenn ich nur an Fynns verwirrten Gesichtsausdruck dachte. Und dann hatte ich ihn auch noch geküsst! Schon wieder! Ja ich hatte mich schon wieder nicht beherrschen können. Ich armer verfallener Junge! Wie krank halt! Aber es fühlte sich nun mal so verdammt schön an, seine weichen warmen Lippen zu berühren. Schade nur, dass ich das mit aller größter Wahrscheinlichkeit nie wieder tun würde, denn seitdem kam mir Fynn weder näher, als ein Meter, noch wechselte er auch nur ein Wort mit mir. Nein. Nicht mal einen Blick hatte der Gute mir gegönnt. Den hatte er nämlich stets auf den Boden gerichtet. Was es da so Interessantes gab? Ich wusste es nicht und dabei hatte ich mindestens genauso lange dorthin gestarrt, bevor ich mich dann gegen fünf Uhr entschlossen hatte diesem Trauerspiel ein Ende zu setzen und schlafen gegangen war. »Wohin wollen wir eigentlich so dringend gehen?« lenkte ich von meinen Sorgen ab und erinnerte mich an das, was Flo gesagt hatte, als er mich auf seine liebevolle Art versucht hatte zu wecken. »Wir haben doch gesagt, dass wir heute noch auf den Rummel gehen!« antwortete der Braunhaarige begeistert und hob verheißungsvoll die Augenbrauen. »Dieses Jahr gibt’s auch bessere Fahrgeschäfte, als sonst. Xiu und ich haben es uns vorgestern schon angeguckt. Da gibt’s ne richtig geile Achterbahn!« »Ja und ein Riesenrad,« quietsche die Vietnamesin gleich, als sie hörte worum es ging und klatschte ein paar mal die Hände zusammen. Wir sahen sie kurz schweigend an und hoben jeweils beide skeptisch eine Augenbraue. »Ich hock mich doch nicht in ein Riesenrad!« maulte Flo und klang dabei so, als würde er von etwas Ekligem sprechen. »Ist ja mal voll kitschig!« »Dem kann ich aber nur zustimmen,« sagte ich überzeugt. So einen Quatsch brauchte doch nun wirklich keiner. Weiber! »Männer!« giftete Xiu und verschränkte die Arme. »Absolut keinen Sinn für Romantik!« »Jaja.« Flo winkte ab und klimperte mit den Augen. »Ich hab dafür andere Qualitäten, Schatz. Das weißt du doch.« Xiu setzte ein süffisantes Lächeln auf. »Weißt du, >Schatz<, wenn es danach ginge wäre ich immer noch mit Leo zusammen.« Der Braunhaarige streckte ihr die Zunge raus und äffte kurz ihre Worte nach. Ich dagegen lachte laut los und klopfte ihm amüsiert auf den Rücken. »Jaja, Flo! In den wirklich wichtigen Dingen im Leben bin ich eben trotz allem immer noch der bessere von uns beiden!« »Ändert nichts an der Tatsache, dass sie dich für michverlassen hat!« antwortete er und kräuselte die Lippen. »Tjaha! Warum sollten nicht auch andere ihre Chance bei mir bekommen? Etwas Abwechslung muss sein!« »Ach deshalb hast du seit einiger Zeit so merkwürdige Anwandlungen?« Flo hob vielsagend die Augenbrauen und verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust. Ich sah ihn böse an und wollte gerade mit einem Gegenangriff starten, als die Tür aufging und Kai und Fynn mit jeweils einem Teller in den Händen hereingeschwebt kamen. Wie schon am Abend zuvor wich der Schwarzhaarige meinem Blick aus, obwohl ich zugeben musste, dass ich auch nicht gerade zwingend nach seinem suchte. Er wirkte noch recht verschlafen, seine Augen waren unsauber mit altem Kajal verschmiert. Er trug die etwas zu großen Boxershorts von Flo, die ihm fast bis über die Kniekehlen hingen. Kein Wunder! Er war bestimmt fast einen Kopf kleiner, als der sportliche durchtrainierte Junge. Kai strahlte breit und kam in Flos und meine Richtung. »Ist nicht wahr? Du hast es geschafft ihn zu wecken?« Er nickte seinem Cousin anerkennend zu, welcher daraufhin laut lachte. »Klaro! Ich weiß doch, was mein Leo-Schatzi-Hasi will?« Er kniff mir in die Backe, was ich mit einem genervten Blick kommentierte. »Ja und ich weiß, dass du Schläge willst.« »Unsere Gedanken sind eins, mein Bruder,« hauchte er entzückt und erhielt als Antwort von mir einen Schlag gegen den Hinterkopf, woraufhin eine weitere Rangelei ausbrach. »Jungs, ihr seid so kindisch!« maulte Xiu kopfschüttelnd. Kai verschränkte dagegen nur schmunzelnd die Arme vor der Brust und beobachtet uns vergnügt. »Weißt du, Schatz, so eine Schlägerei hält jung und frisch,« rief Flo und versuchte so gut es ging meine Arme unter Kontrolle zu halten, während er mich, mit seinem ganzen Körpergewicht gegen das Bett gedrückt, festhielt. »Solltest du auch mal ausprobieren!« »Wie darf ich denn die Andeutung verstehen?« Xiu hob herausfordernd die Augenbrauen und ich lachte auf. »Eigentor, Flo, würd ich mal sagen!« In einem unaufmerksamen Moment versuchte ich den Größeren von mir runterzudrücken, sodass er das Gleichgewicht verlor und nach hinten wegkippte. Seine Arme immer noch um meinen Hals geklammert zog er mich mit sich und wir landeten beide mit einem schmerzerfüllten »Aua!« auf dem Boden. »Also wenn das noch länger dauert, dann geh ich jetzt noch schnell ins Bad meine Haare machen...Die sehn vielleicht aus...« Kai fummelte mit angewidertem Blick an einer Haarsträhne rum und versuchte sie irgendwie zu retten. Flo und ich rieben uns synchron den Hintern und sahen ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Hä?« »Ach das versteht ihr nicht, Jungs! Mädchenkram, wisst ihr?« sagte er mit einer absichtlich hohen Stimme und klimperte mit den Augen. »Lieber Gott, bist du eitel!« stellte ich kopfschüttelnd fest, woraufhin Flo sich zu mir beugte und mir leise etwas ins Ohr flüsterte. »Versprich mir, dass du niemals so wirst wie der...auch wenn du schwul bist...!« »Jaja. Keine Sorge!« Ich klopfte ihm auf die Schulter und er seufzte beruhigt. Dann fiel mir auf wie Fynn, neben Kai, ebenfalls an seinen Haaren rumzupfte, die zur Abwechslung mal nicht geglättet in sein Gesicht fielen und bemerkte zum ersten mal, dass sie sich in normalem Zustand ganz leicht lockten. Ich musste unwillkürlich lächeln. Wie süß! Fynn hatte Locken! »Also ich muss auch mit!« platzte es dann auf einmal aus ihm heraus und er starrte, selbst erschrocken über seine Direktheit, in die Runde. Nach kurzem Zögern versuchte er sich dann zu erklären und hob wie zur Abwehr seine Arme. »Was denn? Ich krieg Locken!« »Ayyyyyyy!« quietschte Xiu plötzlich und warf sich mit einem gewaltigen Satz an Fynns Arm. »Ich will mit! Darf ich? Darf ich?« Fynn zuckte leicht zurück und musterte sie verwirrt. »Hä?« »Ich will dich stylen! Bitteeeeeee!« Ich konnte schon förmlich den Wahnsinn in ihren Augen sehen und schüttelte fassungslos den Kopf. »Ist jetzt nicht ihr Ernst, oder?« Flo, neben mir, schien nicht so ganz zu begreifen, was seine Freundin da tat, und kaute versunken an einem seiner Finger rum. »Weißt du,« sprach Xiu weiter, ignorierte dabei aber völlig, dass sie von allen im Raum genaustens beobachtet wurde. »Bei den Idioten da kann ich das ja nicht machen,« sie nickte zu Flo und mir. »Aber an so einem süßen kleinen Emo wie dir kann ich bestimmt ganz toll rumbasteln!« Fynns Blick hatte irgendwie etwas von einem Eichhörnchen, wenn es blitzt, so wie er Xiu gerade anstarrte. Leicht genervt und auch etwas beschämt, über die unerwartet uncoole Art meiner sonst ach so „coolen“ Freunde, ballte ich meine Hand und murmelte erneut Flo etwas zu. »Wer hätte es gedacht? Die Frau ist noch peinlicher, als du!« Waren wir jetzt im Kindergarten, oder was? Wenn sie unbedingt Puppen spielen wollte, sollte sie sich doch bitte eine Barbie suchen und die verschönern! Zu meinem Bedauern musste ich feststellen, dass Fynn noch weniger standhaft war, als ich erwartet hatte. Nach nur kurzem weiteren Flehen Xius hatte er sich, zwar wenig begeistert, allerdings auch nicht mit dem letzten nötigen Widerstand, von eben dieser aus dem Raum zerren lassen und sich einem 30 minütigem Umstyling im Bad unterzogen. Als die beiden wiederkehrten umrandete seine Augen eine schwarze Kajallinie, nicht wie sonst dezent und eher unauffällig, sondern dick, sodass seine Iris im Kontrast fast übertrieben blau erschien. Seine Haare standen nach oben toupiert in die Luft und machten Fynn grob geschätzt 20 Zentimeter größer. Dagegen hing sein Pony mit einem Eisen geglättet in sein Gesicht, wodurch eines seiner Augen beinahe vollständig verdeckt wurde. Alles in allem fragte ich mich wie viele der Haarsprayflaschen von Flos Mutter für diese Aktion hatten draufgehen müssen. »Naaaa? Was haltet ihr von ihm? Sieht toll aus, oder?« sagte Xiu begeistert und schob ihr „Projekt“ weiter in den Raum hinein, sodass es auch ja jeder sehen konnte. Fynn warf einen mehr, als konsternierten Blick in die Runde und ich fragte mich ernsthaft welcher Art von Folter er in der letzten halben Stunde ausgesetzt gewesen war. Er sah ja sonst schon nicht gerade aus wie der nette Junge von Nebenan, dafür war er viel zu düster und schwarz. Aber wenigstens konnte man ihm nicht den Vorwurf machen und ihn zu diesen übertriebenen, an Geschmacksverirrung leidenden Mode-Emos zählen, die sich nur zuhauf in den Straßen und Bahnhöfen jedes noch so kleinen Städtchens aufhielten und fast krampfhaft versuchten >anders< zu sein, ohne zu merken, dass dieses Anliegen aufgrund ihrer enormen Vielzahl mittlerweile verdammt schwer geworden war. Von denen hielt ich nämlich mindestens genauso wenig wie von ihren an Style und Intelligenz nicht gerade gesegneteren Gegenspielern, deren Markenzeichen aus drei Nummern zu großen T-Shirts und in den Kniekehlen hängenden Hosen, plus zusätzlich nervtötender Handymusik, bestand. Alles in allem nervten mich diese unzähligen und verwirrenden Jugendkulturen und um so mehr fragte ich mich warum ausgerechnet ich auf einen Kerl wie Fynn stand, der ja doch nahe dran war ein perfekter klischeehafter Abklatsch einer eben dieser zu sein...zumindest jetzt, nachdem Xiu ihn so verunstaltet hatte (obwohl ich zugeben musste, dass er von all diesen dämlichen Idioten wohl der einzige war, der diesen Style wirklich tragen konnte und dabei sogar eigentlich ganz gut aussah...verdammt gut!). Den ersten Kommentar zu ihrem Werk erhielt Xiu von Cem, der immer noch auf Flos Bett saß und ein amüsiertes Lachen von sich gab. Mir dagegen war alles andere, als Lachen zu Mute und ich brachte noch nicht mal mehr eine zynische Bemerkung zu Stande. Dafür schien Flo seine Stimme wieder gefunden zu haben, auch wenn er seinen dümmlichen Gesichtsausdruck nach wie vor nicht ablegen konnte. »Öhm...ja...also...Er sieht aus wie...Bill Kaulitz...« Ich befürchtete mittlerweile, dass Fynns Gesicht bald in sich zusammenfiel. Xiu schien stinksauer und funkelte ihren Freund böse an. »TUT ER GAR NICHT!...nicht wahr Fynni?« Sie beugte sich wieder zu dem Schwarzhaarigen und klimperte liebreizend mit den Augen. Er schüttelte nur verdattert den Kopf und ich bezweifelte, ob er überhaupt noch wahrnahm, was die Vietnamesin zu ihm sagte. Die nächste halbe Stunde war Xiu dann beleidigt. Erst mit Fynn, weil dieser ja nicht anerkennen konnte, welch ein optisches Highlight sie aus ihm gemacht hatte, dann mit Cem und Flo, weil die alle fünf Minuten einen dummen Kommentar über sie abließen und letztendlich dann mit mir, weil ich doch tatsächlich die Unverfrorenheit besaß Fynn zu helfen den ganzen Kleister aus seinen Haaren zu entfernen (was Xiu dann zu Fynns Leidwesen doch zu verhindern wusste). Um etwa drei Uhr erreichte unsere kleine sechsköpfige Gruppe, bestehend aus Flo, Xiu, Kai, Cem, Lydia, Fynn und mir, dann den Rummel. Zur Abwechslung mal war das Wetter heute einigermaßen annehmbar, was so viel bedeutete, dass es gottseidank nicht regnete. Ab und zu drangen sogar ein paar Sonnenstrahlen durch die dichte Wolkendecke hindurch. Nichtsdestotrotz hatten wir uns alle dicke Jacken und Pullis übergezogen, da die Temperaturen einem Novembernachmittag entsprechend doch recht kalt und unangenehm waren. Auf dem Rummel war so einiges los. Der Platz war gerammelt voll und überall hing der Geruch von Bratfett, Zuckerwatte und gebrannten Mandeln in der Luft. Das Geschrei der angsterfüllten Mädchen und das Gebrüll der begeisterten Jungen, die in den Wägen der Achterbahnen saßen, durchdrang die Gassen zwischen den kleinen Imbissbuden. Aus den Zelten hörte man Singen drittklassiger Schlagersänger und das Mitgegröle ihrer zum Großteil betrunkenen Fans. Allgemein herrschte eine festliche Stimmung. Fynn und ich hatten heute etwas mehr Zeit, als sonst, da unser Auftritt erst um halb 10 stattfinden würde. Aus diesem Grund schlenderten wir sechs erst mal gemütlich die Gassen hindurch und blieben hier und da stehen, um uns Süßigkeiten oder Lose zu kaufen, ehe wir uns dann einige der völlig überteuerten Tickets für die Fahrgeschäfte leisteten. Fynn ignorierte mich größtenteils. Das wunderte mich zwar nicht, ging mir auf die Dauer aber gewaltig auf die Nerven. Wenn ich ihn mit meinem Geständnis so sehr geschockt hatte, dann sollte der auch bitte wütend auf mich sein, mich anbrüllen oder wenigstens weglaufen. Aber nein. Der Herr machte mit mir und meinen Freunden lieber einen auf dicken Kumpel, als wäre nichts gewesen, ohne dabei aber auch nur ein Wort mit mir zu wechseln. Blödmann! Nur ab und an spürte ich seinen Blick auf mir ruhen, wenn er glaubte unbeobachtet zu sein, als wir stehen blieben, um auf jemanden zu warten oder uns an einer der Warteschlangen anstellten. Es war mir unangenehm von ihm so angesehen zu werden. Immer wieder durchfuhr mich der Gedanke, warum um alles in der Welt ich ihm gestern Nacht das alles erzählt hatte. Ich hatte doch mit einer solchen Reaktion gerechnet, oder nicht? Vor allem, nachdem er mir doch ziemlich deutlich gesagt hatte, dass er die Sache mit diesem Kuss lieber vergessen wollte. Und ich Depp konnte mein Mundwerk mal wieder nicht im Zaum halten! Schlimm so was... Zu allem Überfluss wurde ich dann auch noch ständig von Flo ausgehorcht, sobald er nur mal kurz mit mir allein war. Allerdings würde sich mein Freund diesmal wirklich mit einem »Es ist nichts!« begnügen müssen, denn mehr würde er von mir definitiv nicht erfahren. Noch mehr Demütigungen würde ich an diesem Tag nicht ertragen können. Schon gar nicht von Flo. Als wir gerade das Breakdance Fahrgeschäft verließen und versuchten unsere, vom Fahrtwind zerzausten Haare, neu zu ordnen, stupste mich plötzlich Cem von der Seite an und begann heftig zu kichern. »Guck mal, wer da ist!« Ich drehte mich etwas perplex zur Seite und folgte seinem Finger mit meinem Blick. Als ich das gewünschte Ziel erspähte, spürte ich mit einem Mal wie sich ein dicker Klumpen in meinem Magen bildete und mir ein außerordentlich unangenehmes Gefühl von Schwere vermittelte. Bevor ich nur überhaupt etwas sagen konnte, hörte ich bereits die laute Stimme meines Freundes einen Namen rufen und ein weiterer Alptraum, an diesem von Alpträumen nur so geprägten Tag, folgte. »Emily! Hallooooooooo!« Das schwarzhaarige Mädchen und ihre Freundinnen drehten sich um und winkten uns, nachdem sie uns erkannt hatten, zu. Ich warf einen bangen Blick zu Flo, der allerdings unwissend, was er tun sollte, die Achseln zuckte und den Kopf schüttelte. Oh Gott. Das würde peinlich werden! Ach was regte ich mich denn auf? Ich müsste mich doch langsam an dieses schmerzende unangenehme Gefühl, gewöhnt haben, wenn man gedemütigt wurde, oder nicht? Eigentlich war es doch auch gar nicht so arg schlimm. Als die vier Mädchen uns erreichten entbrach augenblicklich das übliche Gegiggel und Getuschel wie jedes Mal, wenn Emilys Gefolge meine Wenigkeit zu Gesicht bekam. Ich fragte mich so langsam allen Ernstes, ob es sich diese dämlichen Weiber eigentlich zu ihrem erklärten Lebensziel gemacht hatten ihrer Führerin immer und überall hin zu folgen und ununterbrochen zu kichern und rumzugackern, um diesem bescheuerten vorpubertierenden Klischee, das man ihnen nachsagte, auch ja gerecht zu werden. Bis jetzt war mir zwar noch nie aufgefallen wie unglaublich anstrengend und nervenraubend es eigentlich war, ihre Stimmen ständig wie so ein Summen in meinen Ohren zu hören, doch jetzt, da mein Interesse an Emily so enorm gesunken war, kam ich nicht mehr drum rum jeder dieser drei Chicksen einen verächtlichen Blick zuzuwerfen und abwertend die Augen zu verdrehen. Ganz anders schien das dagegen Cem zu sehen, der in Emilys Gefolginnen wohl eher so etwas wie eine Horde Freiwild auf dem Markt für hoffnungslose Singles und notgeile Aufreißer sah, die ja sowieso alles vögelten, was nicht bei drei auf dem Baum war. Mir fiel auf, dass mir diese, seine Gedanken eigentlich ziemlich bekannt vorkamen und ich musste mir zu meiner Schande eingestehen, dass ich wahrscheinlich bis vor ein paar Wochen noch genauso gedacht und gehandelt hätte. Hach. Wie schnell einen das andere Ufer doch verändern konnte. Noch ein paar Wochen und ich würde wahrscheinlich nie wieder an Sex denken... Okay das war übertrieben. Eigentlich kreisten all meine Gedanken seit Tagen nur noch um Sex. Nur eben Sex mit einem Kerl. Hmm. Wie stellte man das eigentlich an? Ach. Warum überhaupt einen Gedanken daran verschwenden? Es würde ja sowieso nie dazu kommen... War ich gerade zynisch? Schon, oder? Aber sollte mir ja auch mal vergönnt sein! Außerdem fühlte sich Zynismus viel besser an, als diese ständige Rumheulerei. Die brachte sowieso nichts und nerven tat sie auch! Cem baute sich in all seiner imponierenden Größe vor den Mädchen auf und schenkte jedem von ihnen sein über die Maßen absurd wirkendes Flirtlächeln. »Was macht ihr denn hier?« stellte er die aufgrund des Ortes und der Situation doch recht überflüssige Frage. Wieder dieses Kichern. Ein blondes Mädchen mit Kurzhaarschnitt sprach. Ihr Name war Tanja, so glaubte ich zumindest. »Wir schlendern ein bisschen über den Rummel und haben Spaß! Was sonst?« Cem hob übertrieben die Augenbrauen. Warum bitte hatte ich es eigentlich ununterbrochen mit dauergeilen schwanzgesteuerten Vollidioten zu tun? Erst Chris, dann Seiji und jetzt auch noch Cem! Was war nur los mit diesen Typen? »Jaaaaa...Machen wir auch,« strahlte der Türke. »Wie lange seid ihr schon da? Wir wollten uns jetzt ein bisschen in irgendein Zelt setzen und etwas trinken.« Die Augen der Blonden blitzten kurz auf und ihre Kumpaninnen begannen wieder zu tuscheln. Ich versuchte einen unauffälligen Blick in Richtung Emily zu werfen, was ich keine zwei Sekunden später allerdings schon wieder bereute, da ihre Augen anscheinend nur darauf gewartet hatten von den meinen erfasst zu werden. Ich wich ihr schnell wieder aus und stellte einige Momente später fest, dass sie begann sich mit Xiu zu unterhalten. Mir reichten nur ein paar Wortfetzen, um zu verstehen, dass sie gottseidank nicht über mich sprachen. Ich konzentrierte mich wieder auf Cem und seine kümmerlichen Flirtversuche. »Oh, wir sind schon mindestens zwei Stunden hier,« sagte Tanja in piepsigem Ton und wandte sich kurz an ihre Freundinnen. »Ich weiß ja nicht wie es euch geht, Mädels, aber hätte auch Lust etwas trinken zu gehen.« Bitte nicht. »Super! Dann gehen wir zusammen!« sagte Cem euphorisch. Nein! »Au ja! Gute Idee!« Warum ICH? Warum immer ich? Hatte ich in meinem früheren Leben vielleicht irgendetwas niederträchtiges angestellt? Oder war der liebe Gott einfach sauer auf mich, weil ich mich, entgegen seinem Plan, dass Männlein und Weiblein gemeinsam für den Fortbestand der menschlichen Rasse sorgen sollten, in einen Jungen verliebt hatte und nun zu diesem Fortbestand leider herzlich wenig beitragen konnte? Irgendetwas musste ich doch falsch gemacht haben, sonst konnte ich mir dieses unglaubliche Pech einfach nicht erklären. Wie, um alles in der Welt, sollte ich Emily denn bitte aus dem Weg gehen, wenn ich jetzt, dank Cem, stundenlang eng an eng mit ihr irgendwo in so einem versifften miefigen Zelt hocken, Alkohol trinken und mir diese ohnehin schon von Hormonen geschwängerte Atmosphäre antun musste? Die Antwort auf diese traurige Frage war ebenso simpel wie grausam: >Gar nicht!< Und so versuchte ich, noch während wir uns, mit diesen drei dauergackernden Laberweibern im Schlepptau, auf dem Weg zu dem Zelt machten, Kontakt mit Flo aufzunehmen, der, wie ich annahm, die wohl einzige Hoffnung war, die ich, wenn überhaupt, zu erwarten hatte. Ich stellte allerdings fest, dass diese eine winzig kleine Chance allein schon an der Tatsache scheiterte, dass mein Freund voll und ganz damit beschäftigt war sich eine von Emilys Freundinnen vom Leibe zu halten, die immer mal wieder eine heftige Flirtattacke auf den Braunhaarigen startete, die er mit Müh und Not geradeso abzuhalten vermochte. Die einzige, die damit wohl kein Problem zu haben schien war Xiu, welche sich voll und ganz einer Unterhaltung mit Emily hingab, wofür ich ihr fast sogar dankbar war. So kam mir die wenigstens nicht zu nahe! Fünf Minuten später erreichten wir dann das größte der drei Zelte auf dem Rummel und stellten fest, dass es bereits jetzt am Nachmittag schon völlig überfüllt war. Auf den Tischen und Bänken standen einige Jugendliche und grölten einen schlechten Schlager nach dem anderen. Das Oktoberfest in München war ein Scheiß dagegen (obwohl mir für diesen Vergleich eigentlich das nötige Material fehlte, denn dort gewesen war ich eigentlich noch nie)! Etwas weiter abseits saßen die älteren Herrschaften und verbreiteten eine gesellige Stimmung, während sie ihre Mass und einen Gockel verdrückten. Über all dem hingen einige Girlanden in den Zeltfarben und Lampen, verziert mit Blumen und Eichenzweigen, deren Blätter, der Jahreszeit entsprechend, mit einer bunten Mischung aus rot, orange und gelb eine gemütliche herbstliche Atmosphäre schafften. Wir entschieden uns trotz allem draußen Platz zu nehmen, um der lauten Geräuschkulisse im Innenraum zu entkommen und uns unterhalten zu können. Ich nutzte kurzerhand die Gelegenheit zumindest für einen Moment der Situation zu entkommen und folgte Flo und Xiu, nachdem die sich dazu überreden hatten lassen für Getränke und etwas zu Essen zu sorgen, zu der Theke. »Haha,« lachte Flo, als er mich hinter ihnen hertrotten sah. »Hab mir fast schon gedacht, dass du auch gleich die Flucht ergreifst.« »Ihr müsst mir unbedingt helfen,« schnaufte ich panisch. »Ich kann nicht die ganze Zeit so tun, als wäre nichts. Die Frau starrt mich ständig an!« »Naja, dann solltest du es ihr sagen!« Oh. Oh. Xiu stimmte schon wieder ihren tadelnden Autoritätstonfall an, um an meine nicht vorhandene Vernunft zu appellieren. Das konnte nichts Gutes bedeuten! »Bist du bekloppt?« fuhr ich sie entgeistert an, doch sie hob nur eine Augenbraue. »Nein. Du bist es! Willst du ihr ewig davonlaufen?« Ich nickte heftig. »Ja. Eigentlich hatte ich das vor.« Sie stöhnte genervt und schüttelte den Kopf. »Das bringt nur wieder Stress! Warum rennt ihr Kerle eigentlich immer vor euren Problemen davon?« »Äh, entschuldige mal! Aber was soll ich ihr denn bitte deiner Meinung nach sagen? >Tut mir Leid. Ich hab gemerkt ich steh doch nicht auf dich, sondern auf einen Kerl und das hab ich genau da gemerkt, als ich dich geküsst habe.< Wie kommt denn das bitte?« Xiu verengte missbilligend die Augen. »Man kann es auch auf eine etwas einfühlsamere Art sagen.« »Einfühlsam?« wiederholte ich entrüstet. »Ich mach hier seit Wochen die Hölle auf Erden durch und du willst, dass ich einfühlsam bin? Bei mir gibt’s kein >einfühlsam< mehr!« »Manchmal verhältst du dich echt wie so eine Diva! Du hast doch nur Schiss!« »Klar hab ich Schiss! Ist ja auch eine ziemlich beschissene Situation für mich!« »Die du ändern könntest, wenn du nur endlich mal deine Klappe aufkriegen würdest!« »Ich will aber nicht, dass...« Ich brach ab und überlegte, was ich sagen sollte. Als mir jedoch nichts wirklich Hilfreiches einfiel, entschloss ich mich kurzerhand Flo erst mal anzumeckern, da dieser sich bis jetzt nur schweigend im Hintergrund gehalten und unser Gespräch beobachtet hatte. »Sag doch du auch mal was!« »Wahh!« machte der Braunhaarige erschrocken und hob schützend die Hände. »Zwing mich bitte nicht mich zwischen euch zu entscheiden! Sie-äh...Sie ist meine Freundin!« »Sie wird dich schon nicht auffressen!« »Hast du ne Ahnung...ich meine...ähm...,« versuchte er zu korrigieren, als er Xius Gesichtsausdruck sah. »Ah! Haltet mich da raus! Ich hab keine Meinung! Ihr macht mich sowieso nur wieder fertig!« Er drehte sich schnell weg und bestellte an der Kasse Getränke und etwas zu Essen. Feigling! »Es reicht doch, wenn du ihr einfach sagst, dass du nichts von ihr willst,« sprach Xiu wenige Momente weiter und ich musterte sie mit einem abschätzigen Gesichtsausdruck. »Findest du das nicht anstrengend? Immer so wahnsinnig vernünftig zu sein. Mich würde das nerven!« »Gott, du bist so kindisch!« Sie schlug sich mit der Handinnenfläche gegen die Stirn und bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Blick. »Schon mal auf die Idee gekommen, dass sie das vielleicht verletzen könnte?« »Hmpf...« Ich grummelte irgendetwas Unverständliches und sie schüttelte abermals den Kopf. »Glaub ja nicht, dass ich das für dich mache!« »Wieso nicht?« empörte ich mich. »Du bist ihre Freundin!« »Ja und du bist der Junge, den sie liebt und der sie höchstwahrscheinlich wahnsinnig verletzen wird. Was hab ich damit zu tun?« »Du bist...ihre Freundin?« wiederholte ich zögerlich. »Du könntest sie trösten und...« »Leo, vergiss es!« »Aber...« »Könnt ihr mir mal bitte helfen?« schnaufte Flo, der etwas umständlich versuchte zwei Tablette aufeinander zu stapeln. Ich sah Xiu noch mal böse an, dann traten wir dem Braunhaarigen zur Seite und nahmen ihm jeweils ein Tablett ab. Anschließend bahnten wir uns einen Weg durch die Gänge zwischen den übervollen Bänken, wobei ich immer mal wieder einen neuen Versuch startete Xiu zu überreden mit Emily zu sprechen. Als wir einige Minuten später bei unserer Bank ankamen ließ sie ihr Tablett genervt auf den Tisch knallen und sah mich wütend an. »Zum letzten Mal, Leo! NEIN!« Ich machte eine düstere Grimasse, stellte dann aber fest, dass die anderen einen verwirrten Blick zwischen uns hin und her wandern ließen und hielt den Mund. Blöde Kuh! Ich wollte mich setzen und stellte zu meinem Unbehagen fest, dass, nachdem Flo und Xiu sich niedergelassen hatten, noch genau ein Platz übrig war. Und wo befand der sich natürlich? Richtig! Genau zwischen Emily und Fynn! Das war mittlerweile so übertrieben zufällig, dass ich fast lachen musste. Allerdings nur fast. Mein Schwarzer Humor schrumpfte nämlich je mehr sich diese Zufälle häuften und zurück blieb nichts weiter, als Verbitterung und eine Menge Panik. Ich fand das so langsam echt nicht mehr witzig! Vorsichtig und darauf bedacht ja keinen der beiden auch nur zu berühren versuchte ich ein Bein nach dem anderen über die Bank zu heben und mich dann so klein wie möglich zusammenzukauern, um ihnen so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Das war zwar übertrieben, aber irgendwie gingen mir so langsam die Ideen aus wie ich mich gegen all diese Ungerechtigkeit selbst schützen sollte. Einen Moment lang spielte ich sogar mit dem Gedanken, ob ich mich nicht vielleicht wieder betrinken sollte. Ich schob ihn allerdings schnell bei Seite, als die Erinnerung an die letzten beiden Male zurückkehrte. Also versuchte ich mich so gut es ging ununterbrochen mit anderen Leuten zu unterhalten (vorzugsweise Flo, dem einzig wahren Freund, den ich hier zu erwarten hatte, nachdem Xiu mich ja auf diese hinterhältigste Weise verraten hatte!) und den Blickkontakt sowohl mit Emily, als auch mit Fynn zu meiden. Es hatte bereits begonnen zu dämmern, als ich nach einer guten dreiviertel Stunde und einer Mass Bier meine Prinzipien über den Haufen warf und einen verstohlenen Blick in Richtung Emily lenkte, welche diesen, wie konnte es auch anders sein, natürlich bemerkte und mit ihrem Mund ein zuckersüßen Lächeln formte. Ahhh! Ich war doch echt so bescheuert! Hätte mir vielleicht bitte mal jemand eine Bratpfanne geben können? Ich wollte mir den Kopf einschlagen und endlich sterben! »Hey,« sagte Emily leise, sodass es gerade mal ich hören konnte. »Hey,« sagte auch ich. Ich zwang meine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln und versuchte den Blickkontakt mit der Schwarzhaarigen zu halten. »Lang nicht mehr gesehen,« sprach sie weiter. Ich nickte zögerlich und versuchte mir dafür eine Erklärung auszudenken. »Ja. Ich weiß. Tut mir Leid.« Ich hustete gespielt. »War stressig in letzter Zeit. Schule...und...ähm...Handball...und...äh...ja...du weißt schon.« Gab es einen Menschen der auffälliger unauffällig lügen konnte, als ich? Ich bezweifelte es stark. Warum war ich eigentlich in jeder lebensnotwendigen Eigenschaft, die ein Mensch haben konnte, eine Niete? War doch unfair! Emily lächelte. »Ja und die Band nicht zu vergessen.« Sie hob die Augenbrauen und sah mich wissend an. Ich hielt für einen Moment die Luft an und überlegte, ob ich diese Aussage vielleicht irgendwie für mich nutzen konnte. Ich kam jedoch nicht mehr dazu etwas zu sagen, da sie bereits weitersprach. »Ich hab euch gestern spielen gesehen. Wuste gar nicht, dass du außer Sport noch was anderes kannst!« Sie kicherte. »Jaha,« lachte ich unsicher. »Ich auch nicht!« »Hat Fynn dich zu ihnen geholt?« Ich schüttelte den Kopf. »Äh...nein...Das war Alex. Er...Moment mal! Du kennst Fynn?« Ich warf einen schnellen Blick zu meiner rechten Seite und stellte erschrocken fest, dass der Schwarzhaarige unserem Gespräch lauschte. »Klar kenn ich ihn,« antwortete Emily lächelnd. »Unsere Mütter waren früher ziemlich gut befreundet...als wir noch im Kindergarten waren.« »Tatsächlich,« stellte ich zerknirscht fest und sah ihn mit einer hochgehobenen Augenbraue an. »Hast du gar nicht erzählt.« Er zuckte schnell die Achseln und wich meinem Blick aus, wie er es seit gestern Abend jedes Mal tat, wenn ich ihn ansah. Ganz toll! Super! Zusammenfassend saß ich also einerseits neben Emily, die total verschossen in mich war, weil sie glaubte ich wäre es ebenfalls in sie, was aber nicht mehr stimmte, weil ich ja mittlerweile etwas von Fynn wollte, der auch neben mir saß, Emily kannte und zu allem Überfluss über mein beklopptes Gefühlsleben bestens Bescheid wusste und mich deshalb seit Stunden schon ignorierte! Und Xiu, dieses dumme Weib, wollte mir immer noch nicht helfen. Egal wie, aber ich wollte sterben! Diesmal wirklich! »Wie geht es deiner Schwester,« konnte ich Emily wieder sagen hören. Ihr Blick war jedoch auf Fynn gerichtet und ich sah kurz etwas perplex zwischen den beiden hin und her. Das war ein Alptraum! »Es geht,« antwortete der Schwarzhaarige ruhig und die beiden betrieben kurzerhand ein wenig dieses dümmlichen Smalltalkgeschwafels, bei dem man eigentlich genau wusste, dass es den jeweils anderen ohnehin nicht interessierte, was man sagte. Ich hob meinen Blick und fing verwundert den von Flo ein, der mir genau gegenüberaß und das Szenario beobachtete. Er presste die Lippen aufeinander und bildete sein übliches Halte-durch-Lächeln. Ich schüttelte jedoch unauffällig den Kopf und formte die Worte >Hilf mir!<, was er allerdings mit einem leichten Schulterzucken kommentierte. >Was soll ich denn machen?< >Irgendwas!< >Ich weiß aber nicht was!< >Bitte!< »Du bist letztes Mal ziemlich plötzlich verschwunden,« drang wieder Emilys Stimme an mein Ohr und ich wandte mich ihr erschrocken zu. »Ich...Mir...gings nicht so gut,« sagte ich zerstreut und versuchte erneut meine Gedanken zu ordnen. »Fand ich schade.« Sie bedachte mich mit einem eindringlichen Blick und es gelang mir nicht länger ihm auszuweichen. »Ich fand es eigentlich sehr schön.« Ahhhhhhh! Scheiße! Jetzt kam es! Sie wollte darüber sprechen! Ich musste mit ihr darüber sprechen! Ich wollte niiiiiiiicht! »Ja...äh...ich...öhm...auch...« stammelte ich. Achtung! Das war eine Lüge! Emily lächelte erneut. »Wir könnten ja...wieder...« begann sie zögerlich, unterbrach sich aber, als sie aus dem Augenwinkel Flo sah, der euphorisch von seinem Platz aufsprang und wild an Xius Arm zog. »Kommt! Wir gehen jetzt alle Riesenrad fahren!« rief er begeistert. Der gesamte Tisch bedachte ihn für einen Moment mit einem skeptischen Gesichtsausdruck. Alle, außer mir! Denn ich war der einzige, der verstand, dass der Braunhaarige gerade versuchte meinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Ich warf ihm einen geradezu anhimmelndes Lächeln zu und verzieh ihm innerhalb von Sekunden sämtliche Dummheiten, die er in den letzten paar Jahren begangen hatte. Der Kerl war der Wahnsinn! »Au ja!« quietschte einer von Emilys Groupies und sprang Cem begeistert um den Hals, welcher nach zwei Mass Bier sein dämliches Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekam. Ich bemerkte wie Emilys Blick wieder zu mir schweifte, ignorierte ihn jedoch und stand ebenfalls auf, als sich die anderen erhoben. Wir verließen das Zelt und machten uns auf in Richtung Riesenrad. Ich hielt mich so gut es ging an Flos Seite, spürte aber, dass Emily trotzdem in meiner Nähe blieb. Ich beachtete sie nicht. Jetzt, wo es dunkel war, war der Rummel eindrucksvoller, als bei Tageslicht. Überall hingen Girlanden, die die Wege und Buden mit bunten Blinklichtern erhellten. Die Fahrgeschäfte waren mittlerweile völlig überfüllt und an den Kartenhäuschen drängten sich lange Warteschlangen. Unzählige Geräusche auf einmal prasselten auf einen herein, angefangen bei dem Geschrei kleiner Kinder, deren Eltern hartnäckig versuchten sie vom Platz zu ziehen, bis hinzu der lauten Musik, die sich ausgehend von den Zelten und den Fahrgeschäften zu einer riesigen grässlichen Geräuschkulisse vermischte. Das Riesenrad stand genau im Mittelpunkt des Rummels und wirkte im Vergleich zu der Größe der Stadt fast schon witzig, so übertrieben groß war es. Mein Vater musste wieder mal einen wahnsinnigen Aufwand betrieben haben, um es seinen >Untertanen< genehm zu machen. Der Gedanke daran, dass sich viele der Leute eine Fahrt damit wahrscheinlich gar nicht leisten konnten, trieb mir fast ein Schmunzeln auf die Lippen. »Zehn Euro!« keuchte Xiu entgeistert, als sie die Preise sah. »Ich lad dich ein, Schatz,« süßholzraspelte Flo augenblicklich und klimperte mit den Augen. Sie sah ihn misstrauisch an, als würde sie seiner Großzügigkeit nicht ganz trauen, und ich musste grinsen. »Was hast du vor?« »Gar nichts!« empörte er sich und wandte sich an die Gruppe. »Wer fährt noch alles?« Cem hielt zwei der Mädchen im Arm und grinste breit. »Wir fahren, oder?« »Ja!« erklang es einstimmig. Ich rollte genervt die Augen und bemerkte, dass Emily mich schon wieder beobachtete. Oh. Oh. Die wollte jetzt aber nicht mit mir da rein, oder? Ganz allein! Das würde ich nicht überleben! Hilfe! Ich sah wie sie sich vor mir an der Schlange anstellte. Flo und Xiu hatten ihre Tickets bereits gekauft. Cem und seine dauerkichernden Weiber kamen als nächste. Ich warf einen panischen Blick zu dem Rad hinauf, dann zu dem Hinterkopf Emilys direkt vor mir, dann zu Flo, der sofort verstand und mir beruhigend zunickte. Etwas verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und überlegte mir schon, ob ich nicht einfach wegrennen sollte, als der Braunhaarige, kurz nachdem Emily ihre Karte bezahlt hatte, plötzlich zwischen sie und mich trat und mich breit angrinste. »Hey, Leo, ich finde es ja echt nett von dir, dass du so solidarisch bist und meinetwegen mitfahren willst, aber das ist echt nicht nötig.« Er zwinkerte, sodass es nur ich sehen konnte, und ich begann zögerlich meinen Kopf zu einen überschwänglichen Nicken auf und ab zu bewegen. »Oh, das wäre echt nett,« sagte ich und lächelte ebenfalls. »Ich wollte mir sowieso noch mal etwas zum Essen kaufen.« Ich konnte aus dem Augenwinkel sehen wie Xiu mit einem Mal verstand, was ihr Freund vorhatte, und wütend die Lippen kräuselte. Wenige Meter neben ihr Emily, mit einem völlig konsternierten Gesichtsausdruck. »Leo, du hast jetzt schon gesagt, dass du mitkommst,« sagte Xiu und kam einige Schritte auf mich zu. Ich winkte jedoch schnell ab und schnappte mir kurzerhand Fynns Handgelenk und zog ihn hinter mir her. »Xiu, ich hab echt Hunger! Außerdem will ich Fynn nicht ganz allein hier draußen stehen lassen. Das wäre unfair!« »Aber du...« »Wir warten dann hier unten auf euch,« plauderte ich weiter, während ich bereits kehrt machte und mir einen Weg durch die Menschenmenge bahnte. Ich konnte noch hören wie sie mir eine wütende Bemerkung hinterher rief, ignorierte die aber und ging zügig weiter, um hinter irgendeiner Ecke zu verschwinden. Nach einer Weile blieb ich dann irgendwann an einer der Imbissbuden stehen und atmete erleichtert auf. Fynn, der sich bis hierher widerstandslos von mir hatte mitziehen lassen, stolperte etwas unbeholfen über eine Stufe und kam direkt neben mir zum Stehen. Er seufzte glücklich, als ich endlich seinen Arm losließ, und sah sich verwirrt um. Ich beachtete ihn nicht weiter. Im Moment war er für mich nur Mittel zum Zweck gewesen. Außerdem nervte er mich immer noch! Ich erforschte eine Weile lang die Speisekarte und entschied mich letztendlich für eine einfache Tüte Pommes. Dann verließ ich die Bude und machte mich auf die Suche nach einer Bank zum Hinsetzen. »Das war jetzt echt fies,« hörte ich nach einigen Minuten Fynn sagen, der mir bis jetzt schweigend gefolgt war. Ich sah ihn mit großen Augen an. »Häh?« »Naja. Wie du sie abserviert hast,« erklärte er, als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte. »Sie sah richtig enttäuscht aus.« »Ja. Mach mir noch ein schlechtes Gewissen! Ist ja auch so noch nicht schlimm genug!« Ich schnaubte genervt und sah zu dem Riesenrad hinauf. »Außerdem ist Xiu Schuld! Die wollte ja unbedingt in diesem dummen Teil fahren!« So ist gut! Schön die Schuld auf andere schieben! Fynn zuckte die Achseln und ich glaubte ein leicht amüsiertes Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen. »Ist ja auch eine schöne romantische Stimmung in so einem Riesenrad. Der perfekte Ort für Verliebte.« Wollte der mich verarschen? »Weißt du, was mich die Liebe mal kann? Am Arsch lecken kann die mich! Ich hasse, die Liebe! Die nervt mich, die Liebe!« Och nö! Ich wurde schon wieder so zickig. Xiu hatte wohl Recht. Ich war eine Diva! Aber dieser Junge machte mich einfach so wahnsinnig wütend! »Was hat sie dir denn getan?« »Bitte was?« »Naja...Die Liebe. Irgendwas muss sie dir ja getan haben, dass du sie so sehr hasst.« Ich sah ihn mit offenem Mund einige Momente lang ungläubig an. Das war jetzt nicht sein Ernst, oder? »Du...Du willst...wissen, was die mir getan hat? Ich...Ich sag dir, was die mir getan hat. Die ist ne blöde Kuh, die Liebe! Die lässt mich ständig irgendwelche Dinge denken und sagen, die ich überhaupt nicht denken und sagen will! Und weißt du, was sie dann macht? Sie lacht über mich und ergötzt sich an meinem Elend! So hinterfotzig ist die nämlich, die Liebe!« Ich musste selbst fast lachen, als ich mich diesen Schwachsinn sagen hörte, wenn ich in diesem Moment doch nur nicht so wahnsinnig verärgert gewesen wäre. Warum fragte der Typ mich so etwas überhaupt? Ich hatte ihm gestern Abend alles erzählt und jetzt tat er so, als wüsste er nichts. Machte es ihm Spass mich in Verlegenheit zu bringen? Pah! Dumme Frage! Klar machte es ihm das. Was hatte er auch sonst im Leben? Haha! Nichts! Gott, war ich jetzt wieder böse! Aber eigentlich war das gut! Meine alte abwertende Denkart kehrte zurück. Ich war auf einem guten Weg. Vielleicht sollte Fynn mich öfters demütigen, dann würde ich ihn vielleicht sogar irgendwann wieder hassen können...hach wäre das schön... Ich warf einen langen intensiven Blick hinüber zu dem Jungen und stellte fest, dass aus meinen Hoffungen mit höchster Wahrscheinlichkeit wohl leider nichts werden würde. Fynn saß einfach nur schweigend da und beobachtete nachdenklich die Leute, die an uns vorübergingen. Sein Haar hatte sich mittlerweile wieder etwas geglättet und hing ihm nun schlaff ins Gesicht. Auch seine Augen wirkten nicht mehr ganz so aufgesetzt, als hätte Xiu sie mit einem dicken Edding umrandet. Die Lichter des Riesenrads schimmerten leicht in seiner Iris wieder, sodass man den Eindruck hatte sie würde ihre Farbe wechseln. Er trug einen schwarzen Pulli, der sich eng an seinen schmalen Oberkörper schmiegte. Einen ebenfalls schwarzen Schal hatte er sich um den Hals gewickelt, um der Kälte zu widerstehen. Wenn ich es mir recht überlegte war die Chance, dass meine Verfallenheit jemals enden würde, eigentlich gleich null. Er sah einfach zu perfekt aus! Ich spürte wie meine Wut auf ihn langsam aber sicher wieder dahinzubröckeln schien und stattdessen diesem warmen beruhigenden Gefühl wich, das ich jedes Mal zu hegen pflegte, wenn ich den Schwarzhaarigen nur lang genug anstarrte. Ich schüttelte heftig meinen Kopf, um wieder zu klaren Gedanken zu kommen. Schnell verdrückte ich noch die letzten meiner Pommes und warf die leere Tüte in den Müll. Als ich wiederkehrte bedachte Fynn mich mit einem ernsten Blick. Es dauerte jedoch noch mal ein paar Minuten, bis er endlich etwas sagte. »Dann hast du das gestern ernst gemeint?« Meine Augen weiteten sich bestimmt auf das Doppelte ihrer normalen Größe, als er diesen Satz sagte. »W-Was?« war alles was ich herausbrachte. Er schwieg und schien kurz zu überlegen. Dann presste er die Lippen aufeinander und sah mich erneut an. »Das, was du gestern gesagt hast...du hast es ernst gemeint.« Für einen Moment schien mein Sprachzentrum völlig lahmgelegt. Mein Gehirn verstand nicht ganz, was ihm dieser sonderbare Junge schon wieder mitteilen wollte. »Du...« begann ich tonlos, brauchte aber noch mal Zeit, um mir einen Satz zurechtzulegen. »Sag...Sag mir jetzt bitte nicht, dass du schon wieder gedacht hast, ich hätte dich verarscht!« Ich klang fast schon flehend. Fynns Züge wurden wieder ausdruckslos. Er zeigte keine Reaktion. »Sag mir nicht, dass du das wirklich geglaubt hast,« wiederholte ich und musste diesmal tatsächlich lachen. Das war doch echt nur noch bescheuert! »Ich...hab da gestern die so ziemlich peinlichste Show meines Lebens vor dir abgezogen und du...du glaubst es nicht?« Ich versuchte angestrengt um Fassung zu ringen, um diesen wunderschönen, leider aber auch wahnsinnig dämlichen Jungen nicht auf der Stelle zu ermorden. Fynn sah unsicher auf den Boden und kaute auf seinem Lippenpiercing. »Also...,« begann er. »Also hast du es ernst gemeint.« »Natürlich hab ich es ernst gemeint, du Idiot!« schrie ich fast und sah mich erschrocken um, ehe ich leiser weitersprach. »Ich mein...Ich erzähl dir so was doch nicht, um dich zu verarschen. Was glaubst du denn, wie ich drauf bin?« »Ich weiß nicht wie du drauf bist, Leo,« sagte er ruhig. »Ich kenn dich so gut wie gar nicht.« »Mittlerweile müsstest du mich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich so was nicht mache.« Ich versuchte krampfhaft nach den richtigen Worten zu suchen und gestikulierte leicht mit den Händen. »Du...denkst...so was von kompliziert...obwohl es eigentlich so einfach ist!« Fynns Blick nahm jetzt fast schon eine Spur von Reue an, als wäre er ein Kind, dass seiner Mutter gerade beichtete, dass es die 20 Euro zum Einkaufen verloren hatte. Er sah unsicher immer abwechselnd zwischen dem Boden und mir hin und her. Ich schwieg einen Moment und seufzte dann leicht. »Du machst es einem manchmal wirklich verdammt schwer, weißt du das?« sprach ich leise und er sah mich wieder an. »Du bist immer so verschlossen und gibst nie etwas von dir Preis...Ich...Ich weiß doch so schon nicht wie ich damit umgehen soll und...wenn ich dann doch mal glaube es zu wissen, dann...« Ich machte eine kurze Pause und hielt angespannt den Atem an. »Dann...siehst du mich wieder so an und sofort hab ich alles schon wieder vergessen...Weißt du wie deprimierend das ist?« »Schon mal auf die Idee gekommen, dass es mir vielleicht ähnlich gehen könnte?« murmelte Fynn und in seinem Tonfall lag fast schon ein Anflug von Bitterkeit. »Ich...mein...Seit...drei Jahren interessiert es jetzt kein Schwein mehr, was mit mir ist oder wie es mir geht. Ich war ständig allein und...jetzt kommst du und...erzählst mir solche Sachen von wegen du magst mich und...Ich weiß doch gar nicht wie man sich in so einer Situation richtig verhält...Ich hatte bis jetzt noch nie so eine Situation...« Er verstummte und begann wieder an dem Piercing zukauen. Wir sagten beide eine sehr lange Zeit nichts. Erst jetzt fiel mir auf wie heftig mein Herz schon wieder klopfte. Ob es Fynn genauso ging? Er hatte den Blick wieder abgewandt und blickte ausdruckslos in die Mengenmenge vor uns. Irgendwann drehte er seinen Kopf wieder zu mir und sah mich an. Sein Blick hatte sich verändert. Er war entspannt und gelassen, als hätte es die letzten paar Minuten nie gegeben. »Ist das da nicht dein Freund?« »Wer?« Ich zog die Brauen zusammen und folgte seinem Zeigefinger. »Der Blonde da...Chris.« Als ich Chris` Namen hörte zog sich mit einem Mal mein Magen aufs heftigste zusammen. Wenige Sekunden später erkannte ich ihn in der Menschenmenge auftauchen. In seiner Gesellschaft: Seine tollen Fußballfreunde. »Ach du Scheiße!« stöhnte ich entsetzt. Fynn hob verwirrt eine Augenbraue. »Was ist denn?« »Was ist? Wir müssen weg! Der meuchelt mich, wenn er mich sieht!« zischte ich und ergriff abermals seine Hand, um ihn hinter mir herzuziehen. Wie schon zuvor hatte der Schwarzhaarige erst mal Schwierigkeiten nicht zu stolpern und so lief er prompt gegen eine junge Frau, ehe er sich etwas umständlich an mir festhielt. Ich beachtete es nicht wirklich und zerrte ihn hastig hinter das Kartenhäuschen unter dem Riesenrad. Vorsichtig sah ich um die Ecke und hielt nach Chris Ausschau. Fynn lehnte neben mir an der Blechwand und seufzte benommen. »Warum sollte er dich denn meucheln wollen?« fragte er neugierig und linste ebenfalls an meiner Schulter vorbei in die Menge. Er schien ihn allerdings ebenso wenig zu entdecken wie ich. »Weil er mich hasst!« schnaubte ich abfällig. »Ich dachte er hasst mich,« sagte Fynn grinsend. »Oh. Tut mir Leid. Mein Fehler. Dann bringt er DICH eben um!« Ich atmete schwer und suchte weiter nach dem Blonden. Auf eine Begegnung mit ihm hatte ich nun wirklich keine Lust. Und seine bescheuerten Fußballfreunde konnten mir ebenfalls gestohlen bleiben! Von denen hatte ich mir schon genug dumme Sprüche anhören dürfen! »Scheiße! Da ist er!« zischte ich panisch, als ich Chris erneut wenige Schritte entfernt erkannte. Hatte der uns gesehen? Ich trat wieder ein paar Meter zur Seite, um mich hinter dem Häuschen zu verbergen, als ich entgeistert feststellte, dass Fynn verschwunden war. »Fynn!« Panisch sah ich mich nach dem Schwarzhaarigen um. Der Bereich zwischen dem Kartenhäuschen und dem daneben stehenden Zelt war nicht sehr groß. Fynn konnte sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Verzweifelt schlich ich zwischen den Brettern und abgestellten Fässern hin und her, als ich plötzlich an der Schulter gepackt und nach hinten gezerrt wurde. Keine Sekunde später fand ich mich in einer kleinen Abstellkammer neben dem Zelt wieder. Ich blickte mich verwundert um und maulte erst mal wieder drauf los. »Sag mal spinnst du? Du kannst doch nicht einfach so verschwinden!« »Bin ich ja auch nicht!« flüsterte Fynn und blickte kurz durch einen Spalt in der Holztür, ehe er sie leise schloss. Kopfschüttelnd wandte ich mich um und betrachtete die kleine Kammer. »Dürfen wir hier sein?« fragte ich schnippisch. Er schlich an mir vorbei und zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich nicht.« Ich trat schnell zu dem kleinen Guckloch an der Tür und versuchte etwas zu sehen. Außer der gegenüberliegenden Wand konnte ich allerdings nicht viel erkennen und ich seufzte genervt. »Und wenn jemand kommt?« »Chris wird nicht kommen,« stellte der Schwarzhaarige ruhig fest und drehte sich zu mir um. Er musterte mich eindringlich und sein Blick wurde wieder nachdenklich. Ich ignorierte es und drehte mich weg, um mich in dem Raum genauer umzusehen. Es war dunkel. Außer einem kleinen Fenster in der Wand, durch das, die flackernden Lichter der bewegten Gondeln des Riesenrades hereinschienen, gab es keinen Lichtspender. Einige Kisten und Kartons waren in den Ecken gestapelt und stahlen dem Raum noch mehr Platz. Es roch stark nach Alkohol. Nach genauerem Suchen erkannte ich einige Bierkisten in der Dunkelheit stehen. Super! Ein Traum wurde wahr. Ich war mittlerweile so tief gesunken, dass ich mich vor meinem eigenen Freund in einer alten verdreckten Holzhütte verstecken musste! War das ein neuer Tiefpunkt? Wahrscheinlich schon. Was hatte ich nur verbrochen? Ein wehmütiges Seufzen verließ meine Kehle und ich drehte mich wieder um. Ich bemerkte, dass Fynns Blick immer noch auf mir ruhte. »Was ist?« fragte ich fast schon pampig. Warum meine Genervtheit auch verbergen? Er schüttelte schnell den Kopf und sah auf den Boden. »Nichts. Nichts. Es ist...Gar nichts.« »Aha.« Ich nickte und hob skeptisch eine Augenbraue. »Also...Ich werd mal nachgucken, ob die Luft rein ist!« murmelte ich dann und ging wieder zu der Tür. Als ich gerade den Griff hinunterdrücken wollte, spürte ich plötzlich wie sich eine schmale Hand auf meine legte und sie aufhielt. Eine andere vergrub sich schwach in dem Stoff meines Pullis. Ungewollt machte mein Herz einen kleinen Aussetzer und ich drehte verwirrt meinen Kopf. »Was zum...?« begann ich stockend und vergaß augenblicklich, was ich sagen wollte, als ich direkt in das helle Eisblau von Fynns Augen sah. Er stand nur noch wenige Zentimeter entfernt vor mir und schaute mich mit einem fast schon unerträglich intensiven Blick an. Unsicherheit, aber auch Bestimmtheit lagen in ihm. Schwach konnte ich seinen zittrigen Atem auf meiner Haut spüren. Er biss sich kurz auf die Lippe. »Leo, ich...« hauchte er leise, verstummte jedoch ebenfalls. Er schluckte leicht und presste den Mund aufeinander. Als würde er nach den richtigen Worten suchen, blickte er kurz auf den Boden, ehe er zu meinem Gesicht zurückkehrte und dort an meinen Lippen hängen blieb. Ich konnte im Moment nicht wirklich einordnen, was ich davon halten sollte. Tausend Gedanken sausten mir in diesem Moment wie kleine Raketen durch den Kopf. Es brauchte einige Sekunden, bis ich richtig realisierte, dass der Schwarzhaarige langsam seinen Kopf hob und seine Lippen zögerlich auf meine legte. Nur einen Wimpernschlag verweilte er dort, dann löste er sich bereits wieder von mir und musterte mich mit einen unergründlichen Gesichtsaudruck. Ich rührte mich nicht, war unfähig mich zu bewegen. Meine Beine fühlten sich auf einmal schwammig an und ich befürchtete einzubrechen. Unzählige kleine Blitze zuckten durch meinen Körper, ausgehend von der Stelle, auf der eben noch Fynns Lippen gelegen waren. Völlig überfordert starrte ich den Kleineren an, als würde ich auf eine Erklärung warten. »Warum...?« begann ich vorsichtig, doch die Stimme versagte mir ein weiteres Mal. Verständnislos zog ich die Augenbrauen zusammen. Die Unsicherheit in Fynns Blick gewann nun Überhand und sein Griff um meine Hand wurde schwächer. »Ich dachte das...ist, was du willst.« Er flüsterte jetzt nur noch. Ein schwaches Zittern ließ seinen Körper erbeben. Allmählich bekam ich wieder genügend Sauerstoff in mein Gehirn und meinen Gedanken gelang es sich zu ordnen. Wie ein Puzzle fügten sich all diese sonderbaren Eindrücke zu einem ganzen verständlichen zusammen und mit einem Schlag wurde mir alles klar. Er hatte mich geküsst! Er...hatte mich...geküsst... Am liebsten wäre ich jetzt losgesprungen und hätte Samba getanzt, stattdessen musste ich feststellen, dass Fynn meine Zurückhaltung völlig fehlinterpretierte und einen verunsicherten Schritt zurückwich. Unwissend, was ich tun sollte, griff ich im Affekt nach seiner Hand und zog ihn wieder zu mir zurück. Ein perplexer Ausdruck huschte über das hübsche Gesicht des Jüngeren. Ich betrachtete es einen Moment lang und strich sanft über die helle Alabasterhaut seiner Wange. Dann konnte ich nicht mehr anders, beugte mich leicht zu ihm runter, drückte vorsichtig einen kurzen Kuss auf seine Lippen. Dann einen weiteren, längeren. Sekundenlang verweilten wir in dieser Position. Ich spürte wie sich sein Körper langsam wieder entkrampfte. Seine Augen schlossen sich. Ein unglaubliches Kribbeln erfüllte meine Gliedmaßen, das Blut rauschte mir nur so durch die Ohren; sie fühlten sich heiß an. Mein Herz schlug verhältnismäßig ruhig; als wäre dieser eine, unser Kuss etwas völlig alltägliches, normales. Es war so wie es sein sollte. Nach einer Weile begann ich vorsichtig meine Lippen gegen seine zu bewegen. Ich wollte ihn nicht verschrecken und verhielt mich eher zurückhaltend. Dies änderte sich jedoch, als er, zwar etwas unbeholfen, aber doch aufrichtig, begann meine Berührungen mit kleinen schüchternen Küssen zu erwidern. Zögerlich begann ich mit meiner Zunge über seine Lippen zu streichen. Der süßliche Geschmack von Cola hing noch an ihnen und zum ersten Mal nahm ich bewusst das Piercing an seiner Unterlippe wahr. Der Schwarzhaarige gab ein schwaches Seufzen von sich und drückte seinen schmalen Körper enger an meinen. Seine eine Hand griff sich fest in den Stoff meines Pullis. Die andere wanderte langsam über meine Schulter und vergrub sich dort in meinen Haaren. Ein heißer Schauer lief mir über den Rücken und ich unterbrach für einen Moment unsere Verbindung, um Luft zu holen. Fynn warf mir einen schnellen verschleierten Blick zu, ich erwiderte ihn jedoch nur kurz. Wieder beugte ich mich zu ihm hinunter und suchte erneut nach seinen Lippen. Diesmal musste ich nicht lange auf eine Antwort warten. Von allein öffnete er seinen Mund und ich stupste sanft mit meiner Zunge gegen seine. Zaghaft erwiderte er die Berührung und... irgendwas vibrierte in meiner Hosentasche......und...laute Musik war zu hören....und...Ahhhhh! Das war mein Handy! Wie von der Tarantel gestochen zuckten Fynn und ich heftig auseinander und lösten die Verbindung. Wir sahen uns beide einen Moment lang völlig überfordert an, dann wanderten unsere Blicke gleichzeitig hinunter zu meiner Hosentasche, in der sich immer noch dieses verfluchte kleine Telefon versuchte bemerkbar zu machen. Ey, ohne Witz! Irgendwann würde ich dieses scheiß Teil einfach gegen die Wand klatschen! Wieso klingelte es eigentlich immer nur in den unpassendsten Momenten? Woah! Ich holte das blöde Dinge schnell aus meiner Tasche und stellte, nach einem schnellen Blick auf das Display fest, dass es sich bei dem Störenfried um Flo handelte, der, nach einem Klick auf das kleine grüne Telefon, wütend seinen Namen ins Ohr gebrüllt bekam. »FLO!« »WO SEID IHR?« schrie dieser im selben Tonfall zurück. »UNTERM RIESENRAD! HAB ICH DOCH GESAGT!« »Ach ja? Ich kann euch aber nirgends sehen!« »Ich...,« begann ich wütend und kniff dann heftig die Augen zusammen. Kurz zog ich scharf die Luft ein und sprach ruhig weiter. »Tut mir Leid...Wir sind...« versuchte ich mich zerstreut zu erklären. »Wir sind... daneben...in dem Zelt...Ähm...Wir kommen gleich...« »Würd ich dir auch raten! Xiu ist stinksauer!« hängte mein Freund flüsternd noch an seinen Satz. Er schien nicht zu wollen, dass Xiu hörte, dass er über sie sprach. Ich stöhnte wehmütig. »Wegen Emily?« »Weshalb sonst? Mich hat sie schon fertig gemacht!« »Na super,« brummte ich genervt. Wie schnell sich doch der Himmel in die Hölle verwandeln konnte. »Wir sind gleich da.« Ohne auf eine Antwort zu warten legte ich auf und verstaute das Handy wieder in meiner Tasche. Fynn hatte dem Gespräch schweigend gelauscht und musterte mich nun neugierig. »Stress?« erkundigte er sich ruhig. Ich verdrehte die Augen. »Xiu wird mich umbringen,« stellte ich zerknirscht fest. Er schmunzelte leicht und zuckte die Achseln. »Dann sollten wir besser gehen.« Ich nickte leicht und er wollte sich an mir vorbeidrängen, um die Tür zu öffnen. Ich griff jedoch nach seiner Hand und hielt ihn fest. »W-Warte!« Meine Stimme klang belegt und ich wurde plötzlich unsicher. Er sah mich mit großen Augen an und hob die Brauen. Mühsam suchte ich nach den richtigen Worten, brachte jedoch wieder mal nur Gestammel zu Stande. »Ich....Was... was war das jetzt?« Er musterte mich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck und überlegte kurz. »Ich...dachte,...das wäre recht eindeutig gewesen,« sagte er schließlich und lächelte unsicher. Ich räusperte mich übertrieben und nickte schnell. »Ja...wars auch...ich meinte nur...was...« Ich zögerte und biss mir kurz auf die Lippe. »Was...w-willst du jetzt?« Er verdrehte verwundert den Kopf und öffnete einige Male den Mund, um etwas zu sagen. Dann huschte ein leicht verschmitztes Grinsen über sein Gesicht und er beugte sich leicht zu mir vor. Ein kurzer Kuss streifte meine Lippen und eine kühle Wange berührte die meine. »Ich will dich,« hauchte er leise in mein Ohr. Sein Atem kitzelte meine Nackenhärchen und ein angenehmer Schauer lief mir über den Rücken. Für einen Moment vergaß ich selbst zu atmen. Langsam nickte ich und auch auf meine Lippen schlich sich ein Lächeln. Vorsichtig drehte ich ihm meinen Kopf zu und küsste seinen Mundwinkel. »Das ist gut,« murmelte ich leise und küsste ihn wieder. »Das ist sehr gut.« ----------------------------------------------------------------------------- Nun gut! Das wars auch schon. Hoffe es hat euch gefallen und ihr seid weiterhin so wartefreudig, denn es wird wieder lange dauern bis zum nächsten Kapitel. Bin ab nächster Woche lahm gelegt, weil meine Schulter operiert wird (wie sagt mein Babschi immer? Sport ist Mord -.-) Armes Giluli!! Q_Q Geb mir aber trotzdem Mühe einigermaßen voran zu kommen :D So und jetzt hab ich noch eine allgemeine Frage. Such schon seit einiger Zeit nach einem neuen Titel meiner FF, weil ich den...komisch find...egal...Hättet ihr Vorschläge oder Ideen?? :D Liebe euch alle :-* Das Gilumonster Kapitel 11: Das Wort mit >s< ---------------------------- Oh mein Gott...ich habs geschafft!! Ich hab jetzt echt die letzte Woche Intensiv-Schreiberei betrieben O_O *voll am Ende sei* Aber dafür ist es jetzt endlich da: Kapitel 11 :'D Ich hoffe es gefällt und ihr habt mich in den letzten Monaten noch nicht vergessen .___. Viel Spass beim lesen :) ---------------------------------------------------------------------------------- Kapitel 11: Das Wort mit >s< »Ich hab euch gestern spielen gesehen,« sagte meine Mutter am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Ich sah sie mit großen Augen an und räusperte mich leicht. »Aha.« Mein Vater und Marco schwiegen. Hätte mich auch gewundert, wenn sie irgendetwas von sich gegeben hätten; es war ja schon unglaublich, dass wir überhaupt an einem Tisch saßen... ich meine...>zusammenBitte lass uns Freunde bleiben<. Super! Naja. Vielleicht hab ichs ja gerade deshalb verdient.« Sie zuckte die Achseln. »Ich meins aber ernst,« sagte ich entschieden. »Ich will nicht, dass du sauer auf mich bist.« Sie sah mich mit einem fast schon leidenden Ausdruck an, dann lächelte sie leicht und schüttelte den Kopf. »Ach komm her!« Sie kam einen kleinen Schritt auf mich zu und schlang kurzerhand ihre Arme um meinen Hals. Nach einem kurzen erschrockenen Moment erwiderte ich die Umarmung. »Ich kann dir doch gar nicht böse sein,« murmelte sie mir mit belegter Stimmer ins Ohr. »Selbst gestern, als du mich einfach allein in dieses scheiß Riesenrad hast reinsitzen lassen, konnte ich das nicht.« Sie seufzte wehmütig. »Ich mag dich halt einfach irgendwie.« Ein kalter Schauer kroch mir über den Rücken, als sie das sagte. Ein schwaches Lächeln schlich sich auf meine Lippen. »Hättest du das nicht etwas früher sagen können?« flüsterte ich und sie löste sich wieder von mir. Ich konnte ein leichtes Glänzen in ihren Augen erkennen. »Ich sag doch, dass ich bescheuert bin!« Sie grinste jetzt und ein schwacher Hauch von Erleichterung erfasste mich. »Und jetzt lass uns überlegen dich hier rausbringen...Freund.« Emily stellte sich als eine wahrhaft hervorragende Hilfe bei meiner Flucht heraus. Mit ihrem weiblichen Charme und ihrer unbeschreiblichen jugendlichen Art verwickelte sie meinen Vater im Handumdrehen in ein Gespräch und lenkte ihn somit von seiner ununterbrochenen Observation ab. In einem unbeobachteten Moment schlüpfte ich dann unbemerkt durch die Eingangstür und sprintete so schnell wie möglich zu meinem Auto. Es war Punkt neun Uhr! 15 Minuten später erreichte ich das Rathaus und brauchte mindestens noch mal so lange, um einen geeigneten Parkplatz zu finden, da die Innenstadt aufgrund des Stadtfestes gerammelt voll war. Etwa eine halbe Stunde zu spät erreichte ich dann endlich die Bühne und konnte schon von weitem die betröppelten Gesichter meiner Bandkollegen erkennen. Sie lehnten an dem Geländer, welches den hinteren Bereich der Bühne vom äußeren abzäunte, und hielten jeweils eine Flasche Bier in der Hand. »Bin ich zu spät?« rief ich schwer atmend und kam vor Alex zum Stehen. »Hab ichs verpasst?« »Ach was nee. Der Herr bequemt sich auch mal hier her. Was verschafft uns die Ehre?« sagte Alex zynisch und zog eine Augenbraue nach oben. Er schien zum ersten mal, seit ich kannte, wirklich verärgert zu sein. »Alex, es tut mir Leid! Mein Vater hat...« versuchte ich mich erklären, doch der Dunkelblonde unterbrach mich sofort. »Jetzt komm mir nicht auch noch mit dummen Ausreden!« »Aber, wenn ichs dir doch sage. Er hat mich gezwungen zu so einem bescheuerten Geschäftsessen zu gehen. Ich bin da nicht mehr weggekommen!« »Und du konntest uns natürlich auch nicht Bescheid sagen,« stichelte er weiter. »Weißt du eigentlich wie peinlich das hier war?« »Es tut mir wirklich Leid.« Ich sah ihm einen Augenblick lang in die Augen, dann wandte ich den Blick verlegen ab und schwieg kurz. »Wir sind rausgeflogen, hm?« »Pff,« machte Alex schnippisch. »Was denkst du denn? Wir sind unvollständig angetreten, also durften wir gar nicht erst mitmachen!« Ich presste die Lippen aufeinander und sah alle drei nacheinander an. »Du hättest uns wenigstens Bescheid geben können,« bemerkte Seiji vorwurfsvoll. »Ich weiß doch,« murmelte ich zerknirscht. »Ich hab... gehofft, dass es mir noch reicht, aber dieser Idiot hat mich ständig beobachtet. Ich konnte da nicht weg!« »Wofür gibt’s Handys?« keifte Alex übellaunig. »Jetzt hackt doch nicht alle auf ihm rum!« Wir blickten verwundert zu Fynn, der gelassen einen Schluck seines Biers nahm. »Sagst gerade du!« antwortete Alex herausfordernd. »Du wolltest doch unbedingt gewinnen, damit du hier weg kannst.« »Ja ich weiß. Aber es ist doch nicht seine Schuld!« Der Schwarzhaarige zuckte einmal die Achseln. »Er hat eben einen komischen Vater. Das...kann ich irgendwie nachvollziehen.« Ich lächelte dankbar, als sein Blick von Alex zu mir wanderte. Dieser gab nach kurzem Überlegen ein wehmütiges Seufzen von sich und klopfte mir dann freundschaftlich auf den Rücken. Zum ersten mal war ich dankbar für seine eigenartigen Stimmungswandlungen. Tja. Fynn konnte man ja auch einfach nicht widersprechen! »Naja. Kann man sowieso nichts mehr machen, was? Die Welt dreht sich weiter,« sagte er verständnisvoll und wandte sich wieder an die anderen. »Ich geh dann mal. Fahrt ihr zwei wieder bei mir mit?« »Jep!« antwortete Seiji nach kurzem Überlegen und sprang auf. »Ich hol nur schnell meine Sachen.« Alex sah ihm schweigend hinterher und musterte dann Fynn. »Und du?« Der Schwarzhaarige blickte einen Moment abwechselnd von Alex zu mir, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich bleib noch. Leo fährt mich dann heim.« Alex nickte einmal und verschwand dann ebenfalls mit einem lauten »Bye« hinter den Mauern des Rathauses. Ich seufzte beruhigt und lehnte mich neben Fynn an das Geländer. »Danke.« »Wofür?« Er musterte mich irritiert. »Na dafür, dass du mich verteidigt hast, Dummerchen!« sagte ich grinsend, doch er zuckte nur die Achseln. »Ach, keine Ursache! Ich weiß doch wie das ist, wenn man so einen komischen Alten zu Hause hat.« »Ja, aber trotzdem hat Alex Recht!« widersprach ich. »Du wolltest doch unbedingt gewinnen, damit du eine Chance hast von hier wegzukommen.« Er überlegte einen Moment und kaute auf seinem Lippenpiercing. Dann kam er einen kleinen Schritt näher und sprach so leise, dass es gerade mal ich hören konnte. »Vielleicht will ich ja jetzt gar nicht mehr weg.« Er lächelte verheißungsvoll und ich hob die Augenbrauen. »Ach ja? Wie kommts?« »Naja. Jetzt bist du ja da. Also brauch ich nicht mehr weg.« Meine Mundwinkel zogen sich zu einem breiten Grinsen und ich biss mir kurz auf die Unterlippe. »Sorry, wenn ich das jetzt sagen muss, aber irgendwie bist du süß.« »Ihh! Das Wort mit >sFynns Vater< anschneiden! Kam gar nicht gut an! In der Wohnung angekommen, pilgerten wir erst mal in die Küche, um uns etwas zum Essen zu holen, fanden jedoch nichts weiter, als die Reste einer alten Aldi-Pizza im Kühlschrank. »Ist ja bähh!« murrte Fynn genervt und ging etwas ins Licht, um eines der Stückchen besser betrachten zu können. »Kommt davon, wenn der Alte sich einen Scheiß drum kümmert! Immer muss ich alles machen!« »Ach, ist doch egal!« sagte ich beschwichtigend und trat hinter ihn. »Das reicht uns doch.« »Ja. Reicht, um an einer Lebensmittelvergiftung zu verrecken!« »Mann, bist du heute zickig,« lachte ich und legte vorsichtig meine Arme um seinen Bauch, um ihn näher an mich heranzuziehen. »Ich bin überhaupt gar nicht zickig!« maulte er zerknirscht. »Doch bist du!« »Nein, bin ich nicht!« »Doch bist du!« »Nein, bin ich nicht!« Er ließ das Stück Pizza wieder auf den Teller fallen und drehte sein Gesicht so weit nach hinten, dass es höchstens noch eine Handbreit von meinem entfernt war. Seine Lippen waren gekräuselt und seine Augenbrauen herausfordernd zusammengezogen. Ich konnte nicht anders und musste erneut grinsen. »Was?« machte er patzig, doch ich schüttelte schnell den Kopf. »Nichts. Nichts!« »Doch du hast was!« »Es ist nur...,« begann ich zögernd. »Du bist irgendwie...so anders halt. Nicht mehr so ruhig, sondern irgendwie...naja...Du lachst sogar!« Fynns Gesichtszüge entspannten sich langsam, als ich das sagte und er schien einen Moment zu überlegen. »Findest du das schlecht?« fragte er ruhig und ich musste wieder lachen. »Nein! Ganz bestimmt nicht! Es ist nur...Ach, ist mir nur aufgefallen!« Er sagte nichts. Sah mich lange einfach nur forschend an und schien über das Gesagte nachzudenken. Es dauerte einige Zeit, bis mir auffiel, dass ich mich schon wieder voll und ganz in seinen Augen verloren hatte. Mein Griff um ihn wurde etwas fester und ich verspürte abermals dieses wohlbekannte Kribbeln. Vorsichtig näherte ich mich seinem Gesicht, um mir nun das zu holen, was mir vorhin, hinter der Bühne, verwehrt geblieben war. Viel zu lange war es auch schon her, dass ich seine Lippen berührt hatte. Eine unsichere Erwiderung des Kusses trieb mein Herz wieder auf Hochtouren. Fynn schaffte es selbst (oder gerade deshalb) mit seiner schüchternen zurückhaltenden Art mein Blut völlig in Wallung zu bringen. Ich strich mit meinen Fingern sanft über den dünnen Stoff seines T-Shirts, während sich meine Lippen schwach gegen seine bewegten und meine Zunge immer wieder versuchte einen Teil seiner unwiderstehlichen Süße in sich aufzunehmen. Gerade wollte ich den Kuss unterbrechen, um Fynn die Möglichkeit zu geben sich zu mir umzudrehen, da hörten wir ein leises Räuspern von der Tür und sprangen erschrocken auseinander. »Stör ich?« fragte Lisa grinsend. Fynns blonde Schwester lehnte lässig im Türrahmen und verschränkte die Arme. Ich starrte verlegen auf den Boden und berührte mit der Außenseite meiner Hand meine immer noch heißen Lippen. Fynn schien etwas schneller seine Fassung wiederzufinden und räusperte sich leicht. »Was machst du denn hier?« Sie lachte kurz. »Ich wohne hier?« »Ich meinte auch: Was machst du jetzt hier?« murrte er zerknirscht. »Musst du nicht...arbeiten?« »Ähm...Nein,« antwortete sie sachlich und betrat nun vollends die Küche, um sich auf einen der Stühle des Esstisches zu setzen. »Ich hab heute frei gekriegt und dachte ich mach mir einen schönen Abend zu Hause.« »Ist ja reizend.« »Hi, Leo! Wie gehts?« sang sie glockenhell und ich grinste sie gequält an. »Hiii! Wirklich...ganz hervorragend!« »Das glaub ich dir!« Sie sah einige Male abwechselnd von Fynn zu mir und ihre Mundwinkel statteten kurzerhand ihren Ohren einen Besuch ab. OMG, war das peinlich! Nein, also so richtig! Sie hatte es gesehen! GESEHEN! Wie ich einen Jungen geküsst hatte! Einen Jungen, der so ganz nebenbei auch noch ihr Bruder war! Loch tu dich auf! Mein Kopf musste aussehen wie so eine Supernova! Nicht einen Tag hatte es gedauert, da hatte man uns schon erwischt! War doch echt erbärmlich! »Was genau verschafft euch beiden denn überhaupt eure kuschelige Zweisamkeit? Müsstet ihr nicht eigentlich bei eurem...Band-Dingens da sein?« erkundigte Lisa sich, bekam ihr dämliches Grinsen jedoch weiterhin nicht aus dem Gesicht. »Unser...Band-Dingens da...,« zitierte Fynn ihre Worte. »...hat sich erledigt. Wir sind raus!« »Was? Wieso das denn?« »Ach vergiss es!« Er winkte ab und machte sich auf den Weg aus der Küche. »Wir gehen in mein Zimmer.« »Wollt ihr nicht noch was essen?« »Nein! Wir wollen jetzt in mein Zimmer!« knirschte Fynn genervt und zog mich an meiner Hand hinter sich her. Ich folgte ihm etwas überrumpelt und stolperte fast, als er mich die Stufen der hölzernen Wendeltreppe hinaufzerrte. Erst als wir sein Zimmer betraten, ließ er meine Hand endlich wieder los und ich konnte erleichtert aufatmen. Er warf mir einen kurzen entschuldigenden Blick zu und schmiss dann seinen Rucksack auf den Schreibtisch. »Also...,« begann ich leicht perplex. »Irgendwie war das jetzt peinlich.« »Ach was! Das war nur meine Schwester!« Er schüttelte seinen Kopf, als ob er damit seine Aussage noch bekräftigen könnte. »Macht dir das nichts aus? Also, wenn sie das...weiß...« Er musterte mich einen Moment lang nachdenklich, schüttelte dann aber ein weiteres Mal den Kopf. »Keine Ahnung! Denk nicht. Weißt du, Lisa sieht so was nicht so eng...denk ich...also...hoff ich...« Er legte seinen Kopf etwas schief und schien zu überlegen. Ich musterte ihn dabei einige Sekunde, zuckte dann aber die Achseln und ging zu seinem Bett, auf welches ich mich mit einem lauten >Plumps< fallen ließ. Mit einem herzhaften Gähnen streckte ich meine Arme von mir und schaute Fynn wieder zu wie er seine Sachen aus der Tasche räumte. »Naja. Egal! Schlimmer wärs gewesen, wenn dein Vater uns gesehen hätte.« Ich stockte kurz und zog die Augenbrauen zusammen. »Oder noch besser: Meiner!« Er gab ein amüsiertes Lachen von sich und wandte sich dann wieder zu mir. »Dein Vater würde dich umbringen, wenn er’s wüsste, oder?« »Nein,« antwortete ich scherzhaft und nickte überzeugt. »Er würde dich umbringen. Mir würde er nur bis zu meinem Lebensende verbieten das Haus zu verlassen.« »Hmm,« machte er grüblerisch und setzte sich zu mir. »Dann sollten wir das nächste mal lieber vorsichtiger sein, damit uns keiner mehr sieht.« Er beugte sich zu mir und hauchte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Ich nickte und schmunzelte leicht. Dann setzte er sich wieder auf und betrachtete mich von oben bis unten, wobei sein Grinsen immer breiter wurde. »Und wo genau hat dein Vater dich heute Abend hingeschleppt?« Ich stöhnte bei dem Gedanken und verdrehte die Augen. »Aaaaaach, zu so einem bescheuerten Geschäftskollegen von ihm. Der meinte sich bei ihm einschleimen zu müssen!« »Wieso? Braucht er eine Gehaltserhöhung?« »Bei dem Schuppen? Niemals!« antwortete ich abfällig und dachte an das Anwesen der Schusters. »Ach, deshalb deine Verkleidung!« Fynn kicherte und strich über den schwarzen Stoff meines Blazers. »Ich hab mir schon Sorgen gemacht.« »Klappe! Der ist 300 Euro wert!« schalt ich ihn scherzhaft und er pfiff anerkennend. »Wow! Das Teil würde ich, aus Angst es würde draußen kaputt gehen, in meinem Schrank einschließen!« »Wieso? Wenn es kaputt geht kauft mir mein Papi halt ein neues,« sagte ich mit künstlicher Kinderstimme. Er verengte kurz abschätzend seine Augen und zuckte dann die Schultern. »Pff, das Geld könnte er sich sparen.« Er strubbelte mir durch die mit Gel befestigten Haare und brachte sie erfolgreich aus der Form. »Ohne gefällst du mir besser!« Ich spürte wie sich ein leichter Rotschimmer auf meine Wangen legte, versuchte dies aber nicht zu verbergen. Wir sahen uns eine Weile lang schweigend an; dann griff ich vorsichtig in den Stoff seines schwarzen Schals und zog ihn langsam zu mir herunter. Ein schwacher Hauch seines kühlen Atems streifte mich kurz, ehe ein sanfter Kuss auf meinen Mund folgte. Erneut trieb mir mein heftig pulsierendes Herz das Blut durch die Adern und mir war, als wäre mein Kopf plötzlich benebelt; als hätte ich irgendwelche Drogen genommen. Ich lächelte bei dem Gedanken. Ja. Meine eigene persönliche Droge war er. Und ich musste mir eingestehen, dass meine Abhängigkeit bereits jetzt unumkehrbar geworden war. Ein gefährlicher Rausch; keine Frage! Aber doch viel zu gut, als dass ich ihm einfach die Zulassung verbieten konnte. Kein Entzug würde mich je von Fynn fernhalten! Ein heftiges Kribbeln durchfuhr meinen Körper, als ich den Kleineren noch näher an mich heranzog. Mit einem schwachen Druck meiner Hand zwang ich ihn sich zu drehen. Eine weitere kurze Bewegung reichte und ich lehnte über ihm. Seine Hände wanderten automatisch um meinen Hals und fuhren angenehm durch meine Haare. Ich drückte meine Lippen noch heftiger auf seine. Meine Zunge strich immer wieder begierig über sie, bis sie sich zögerlich öffneten und der Fremden Einlass gewährten. All meine Sinne waren auf höchster Aufnahmebereitschaft. Fynns ihm eigener Geruch machte mich schier wahnsinnig! Die leisen Seufzer, die immer wieder seiner Kehle entrannen, stahlen mir für einen Moment den kompletten Verstand. Kurzerhand ließ ich von seinen glühenden Lippen ab und wanderte mit meinem Mund langsam über seine Wange bis hin zu seiner Halsbeuge, wo ich zaghaft an seinem Ohrläppchen zu knabbern begann. Er gab einen wohligen Seufzer von sich und vergrub seine Finger noch tiefer in meinem Haar. Nur ganz kurz hielt ich inne und versuchte dem beruhigenden Klang seines Atems zu lauschen. Immer wieder erfüllte mich ein erneutes Kribbeln, als wäre ich an einer Steckdose angeschlossen. Mein Körper, wie auch mein Geist fühlten sich wie Lichtjahre entfernt an. Unbewusst ließ ich meine eine Hand sanft unter Fynns T-Shirt gleiten, während ich mich mit der anderen immer noch neben seinem Kopf abstützte. Sein schlanker Körper erzitterte leicht unter der Berührung und ich konnte ganz deutlich eine Gänsehaut unter meinen Fingern wahrnehmen. Ich ließ von seinem Ohrläppchen ab und kehrte zu seinen Lippen zurück, die mich mit einem sehnsüchtigen Kuss in Empfang nahmen. Währenddessen begab sich meine Hand weiter auf Erkundungstour und schob das störende Stück Stoff von Fynns T-Shirt entschieden nach oben. Direkt über seiner Brust hielt sie inne und versuchte einige Minuten lang den Herzschlag zu ertasten. Nur wage nahm ich ein sachtes Klopfen wahr, doch kam es mir so vor, als pulsierte Fynns Herz mit meinem um die Wette. Weiter wanderte meine Hand über die weiche, ungewöhnlich kühle Haut von Fynns Oberkörper. Ich versuchte jedes noch so kleine Millimeterchen mit einer kurzen Berührung zu erfassen, strich vorsichtig über seine Hüfte, umkreiste seinen Bauchnabel und zeichnete sacht die Konturen seiner Beckenknochen nach. Immer wieder ließ ein erneutes Zittern den schmalen Körper unter mir erbeben. Ab und zu hörte ich meinen Verstand ganz weit entfernt nach mir rufen. Er schien mir etwas wichtiges mitteilen zu wollen, doch war ich von meiner Droge einfach viel zu benebelt, als dass ich ihn hätte hören können. Erst, als ich langsam bewusst wahrnahm wie meine Finger bereits über die glatten Nieten von Fynns Gürtel strichen und sich zusätzlich dieses wohlbekannte pochende Verlangen wie brennendheißes Feuer in mir ausbreitete, schien ich aus meinem Rausch zu erwachen und mir darüber im Klaren zu werden, wohin dies alles eigentlich führte. Trotzdem war es Fynn, der den Kuss noch vor mir unterbrach. Sein verschleierter Blick traf mich unsicher und wir sahen uns einen Augenblick eindringlich an. Ich spürte wie seine Finger ganz sanft eine Haarsträhne aus meinem Gesicht strichen und dann vorsichtig über meine Lippen glitten. Allein diese unscheinbare kurze Berührung reichte schon aus, um ein weiteres kleines Feuerchen in mir zu entfachen. Fynn schluckte leicht und senkte dann für einen Moment schüchtern den Kopf. »Hast du...Hast du schon mal?« flüsterte er nervös. Ich brauchte nicht zu fragen, was er meinte. Es war mehr als klar! Kurz dachte ich darüber nach und öffnete einige Male den Mund, ehe ich wirklich zu sprechen begann. »Naja...Schon,« sprach ich stockend und versuchte dabei sicherer zu klingen, als ich eigentlich war. »Zumindest...Also...Mit Mädchen halt.« Ich lächelte beruhigend, schien aber damit nicht die erhoffte Wirkung zu erzielen. Fynn senkte erneut seinen Blick und nickte verstehend. Seine Augen verrieten mir jedoch, dass er nur noch verunsicherter war. »We-Weißt du...« begann ich erneut und versuchte meine eigene Nervosität mit einem Lachen zu überspielen. »Kann ja nicht großartig anders sein...also mit...dir...., oder?« Er kaute für einen Moment an seinem Lippenpiercing und zuckte dann die Achseln. »Naja. Kann ich nicht beurteilen. Mir fehlt das nötige Vergleichsmaterial.« Ich verengte verwirrt die Augenbrauen und musterte ihn mit fragendem Blick. Dann zogen sich meine Mundwinkel ungewollt nach oben und ich konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken. »Du bist noch Jungfrau?« stellte ich entzückt fest, er schüttelte jedoch schnell den Kopf. »NEIN! Nein. Quatsch...ich...Naja...irgendwie...doch schon...ja,« plapperte er ertappt, wurde aber gegen Ende des Satzes immer leiser. Ein zarter Rotschimmer schlich sich auf seine blasse Haut und er wandte verlegen den Kopf ab. Ich verzwang mir ein weiteres Grinsen und hauchte ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. »Sorry, wenn ich das jetzt noch mal sagen muss,« murmelte ich schmunzelnd. »Aber du bist wirklich süß.« »Ich bin nicht süß!« maulte er und sah mich rebellisch an. Sein Gesicht war mittlerweile hochrot, was mich nur noch breiter grinsen ließ. »Doch bist du! Punkt!« Ich ließ mich, mit einem erleichterten Seufzen, direkt neben Fynn niedersinken und bettete mein Gesicht höchstens eine Handbreit von seinem entfernt auf dem Kissen. Meine Finger strichen weiterhin über seine Haut und er sah mich mit dem für ihn typischen ausdruckslosen Blick an. Nach weiteren zeitlosen Minuten des gegenseitigen Anstarrens, begann er dann erneut in seiner schüchternen Art zu sprechen. »Würdest...Würdest du das wollen?« Ich hob irritiert die Augenbrauen. »Würde ich was wollen?« »Naja...Das eben,« versuchte er zu erklären und lief erneut hochrot an. »Mit mir...schlafen...« Herrgott! Hilfe! Musste der das denn so direkt aussprechen? So klang das Ganze ja noch...viel...gruseliger. Ich meine...einen Kerl zu küssen ist ein Sache. Aber mit ihm zu schlafen...Wahh! Da gab’s ja irgendwie doch noch einen Unterschied. Bis jetzt war mir doch allein die Tatsache schon vor mir selbst peinlich gewesen, nur daran zu denken. Jetzt musste ich aber mit Schrecken feststellen, dass mein Körper da komplett anders dachte; nämlich eigentlich überhaupt nicht! Jaja...Mein Körper machte der bereits erwähnten Sexbesessenheit der Männer nämlich wirklich alle Ehre und konnte sich kaum zurückhalten sich nicht einfach auf Fynn zu stürzen und weiß Gott was mit ihm anzustellen...so pervers das jetzt auch klang...Mann! Manchmal hatte ich echt Angst vor mir selbst! >Ganz ruhig, Leo! Nur nicht daran denken.< Ich blies kurz nachdenklich die Luft aus und blickte mit einer ebenfalls leichten (knalligen!) Röte strikt an Fynn vorbei. »Öhm,« begann ich intelligent und suchte wieder nach meiner coolen Stimme, die sich irgendwo in der aller hintersten Ecke meines Sprachzentrums versteckt haben muss. »Naja...ich denk schon...irgendwie...« Ich stammelte noch irgendetwas Unverständliches hinterher und biss mir leicht verlegen auf die Unterlippe. Fynn atmete jedoch einmal tief aus und nickte verstehend. »Okay,« murmelte er leise. Mehr brachte er jedoch abermals nicht zustande und ich bemerkte erst jetzt, dass ich ihn mit meiner ständigen direkten Art völlig überforderte. Hilfesuchend presste ich kurz die Lippen aufeinander und zwang mich zu einem beruhigenden Lächeln. »Das...heißt jetzt nicht, dass das gleich geschehen muss. Wir können ja warten...ich mein...Ich kann warten...bis du bereit bist.« Ich nickte nochmals bekräftigend und fühlte mich fast schon lächerlich aufgrund meines klischeehaften Standartspruchs jedes bescheuerten Weiber-Schnulzen-Films. Fynn dagegen blickte verwundert auf und musterte mich skeptisch. Eine Weile lang hielt ich seinem Blick stand, dann musste ich mit Verwunderung feststellen, dass er zu grinsen begann und dann (schlimmer noch!) loskicherte, als hätte ich ihm gerade einen Witz erzählt. »Du bist ja richtig romantisch,« stellte er belustigt fest. »Hätte ich dir gar nicht zugetraut.« Schlagartig verwandelte sich mein perplexer Gesichtsausdruck in einen düsteren und ich hob feindselig eine Augenbraue. »Ich bin überhaupt gar nicht romantisch!« antwortete ich patzig. Romantisch...pah! Weiberzeugs da! Fynn kicherte allerdings nur noch mehr und kitzelte mich leicht am Bauch. »Doch bist du! Das hätte jetzt kein Leo DiCaprio besser sagen können!« »Einen Scheiß hätte der...! Hast du mich jemals so was wie >Oh Schatz, ich liebe dich ja so sehr! Du bist das beste, was mir je passiert ist. Ohne dich ist mein Leben nichts wert...< labern gehört; so wie diese ganzen kleinen Kinder auf der Straße, die meinen sie wüsste, was die wahre Liebe ist? Oh nein! Romantisch...Pff...« Ich hob überlegen die Augenbrauen und er schien tatsächlich kurz darüber nachzudenken. »Hmm...Nö eigentlich nicht,« stimmte er mir dann schmunzelnd zu. »Tjaaaaa! Siehst du? Und dabei wird es auch bleiben.« »Was denn? Kein kleines >Ich liebe dichnein< antworten würde, würde mir wahrscheinlich erst mal eine dicke Ohrfeige verpassen. Aber bei Fynn war das irgendwie was anderes. Nicht nur, weil er ein Junge war, sondern auch vom Typ einfach so ganz...anders eben. Vorsichtig schüttelte ich den Kopf und sah ihn eindringlich an. »Nein, ich glaube ich liebe dich nicht...auch..., wenn du vielleicht der erste bist, der kurz davor ist mich dazuzubringen.« Er musterte mich wieder einige Sekunden mit einem bemerkenswerten Blick. Seine blauen Augen schienen kurz aufzublitzen, dann prustete er erneut los. »Und du bist doch romantisch!« Ich schürzte beleidigt die Lippen und begann ihn heftig zu kitzeln, sodass er sich lachend unter mir zusammenkauerte. »Wahh!« schrie er überrumpelt und kam aus dem Lachen fast nicht mehr raus. »Hilfe! Laaaaaaass!« »Ich hab doch gesagt, ich bin nicht romantisch!« erklärte ich ebenfalls schmunzelnd und hielt inne. Sein gerötetes Gesicht lag direkt unter meinem und ich sah ihn überlegen an. »Doch bist du,« flüsterte er verschwörerisch. »Aber weißt du was?« Ich hob verwirrt die Augenbrauen und er zog mein Gesicht noch näher an sich heran. »Irgendwie macht dich das total süß.« --------------------------------------------------------------------------- Wau wau *.* Jaaaaa ich habs endlich geschafft *___* Es ist wirklich vollbracht!!!! Nochmal: Es tut mir wirklich außerordentlich ganz arg Leid, dass es jetzt so lange gedauert hat.Ich bin wegen Schule einfach nicht dazu gekommen, außerdem steckte ich in einem wirklich fiesen Kreatief T^T Aber ich verspreche hoch und heilig, dass das nächste Kapi nicht mehr soooo arg lange auf sich warten lässt, weil ich jetzt endlich weiß wie die restliche Handlung verlaufen wird =) Ach ja und noch ein Entschuldigung für den Schluss Oo...Ich musste den heute unbedingt noch schreiben und war eigentlich voll fertig wegen Silvester Oo Scheiß Fest da x'D naja...deshalb is der jetz nich soooo~ brickelnd geworden....ich hoff ihr verzeihts mir :) (und tut mir auch Leid, dass ich meine eigene Meinung über die Liebe einfach so als Leos verkaufe...hach ich find Leo ja toll >.< meins da^^) ja und...des wars eigentlich ^.^ Wünsch euch allen noch ein Frohes neues Jahr und bums :D Des wars ^^ Mit freundlichsten Grüßen Euer Giluli3333333 ^-^ Kapitel 12: Weil das Beste das Schlechteste ist ----------------------------------------------- Kapitel 12: Weil das Beste das Schlechteste ist Ein frustriertes Seufzen kam über meine Lippen und ich starrte böse in die Augen meines Spiegelbildes. Ebenso böse guckte dieses zurück und zog nun zusätzlich noch einen Schmollmund. Fiesling! Gut. Ich würde aufgeben. Haare stylen war bei mir eben nicht! Da versuchte man sich doch tatsächlich einmal wirklich herzurichten, um einer bestimmten Person zu gefallen, und dann klappte es nicht! Ich kämmte mir finster den Kleister aus dem Haar, mit dem ich nun sage und schreibe eine ganze Stunde lang versucht hatte so etwas wie eine Frisur zu basteln, und wuschelte mir einmal kräftig mit der Hand hindurch. Wieder schaute ich in den Spiegel. Reizend. Ich sah aus wie ein Wischmop. Meine Haare waren zu lang geworden. Vielleicht sollte ich zum Friseur gehen. Obwohl. Länger wäre doch auch mal nicht schlecht. So quasi als kleine Typveränderung. Das würde zumindest Flo gefallen. Der hatte mir schließlich den brillanten Vorschlag gemacht, ich könnte mich doch ein bisschen meinem Freund angleichen, weil wir ja optisch überhaupt nicht zusammenpassten; störte wohl das ästhetische Auge des werten Herrn. Mir fiel jedoch auf, dass ich seinem Vorschlag unbewusst folgte. Gruselig. Naja. Zum Glück brauchte ich mir da keine Sorgen zu machen. Mein Vater würde es mir ohnehin verbieten mich mit Haaren in der Öffentlichkeit sehen zu lassen, die länger als allerhöchstens zehn Zenitmeter waren. Und ich brauchte mich ja auch nicht extra noch auffällig zu verhalten, wo ich doch sowieso versuchen musste mein kleines großes Geheimnis, sprich Fynn, zu bewahren. Ich hörte plötzlich mein Handy klingeln und zuckte leicht zusammen. Ein Blick auf das Display genügte und ein kleiner Teil der Kokons in meinem Bauch öffnete sich, um eine ganze Schar von Schmetterlingen losflattern zu lassen. »Hey,« nahm ich gut gelaunt ab, in froher Erwartung gleich meine Lieblingsstimme hören zu dürfen. »Wolltest du nicht um acht Uhr da sein?« sagte Fynn ruhig. »Öhm...Ja,« antwortete ich perplex und warf einen irritierten Blick auf die Uhr, woraufhin ich einen panischen Schrei ausstieß. »Wahh! Wieso steht da es ist schon 20:18 Uhr?« Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Wieso verschlief ich immer die Zeit? Fynn kicherte leise. »Weiß ich nicht. Aber du solltest dich beeilen. Xiu nörgelt schon rum,« fügte er murmelnd hinzu. »Ach die soll die Klappe halten,« plapperte ich aufgeregt und versuchte meinen Geldbeutel und den Autoschlüssel irgendwie mit einer Hand in die Hosentasche zu stopfen. »Ich bin gleich da! Ciao!« Ich stopfte das Handy noch hinterher, schnappte meinen Pullover und stürmte die Treppen hinunter, zur Tür hinaus. Wie immer regnete es. Gottseidank war meine Frisur ohnehin schon so im Arsch, sodass ich keinen Grund hatte mich darüber noch großartig zu beschweren und so spurtete ich durch den Garten zu der Garage, um mein Auto zu holen. Zehn Minuten und zwei Beinahe-Unfälle später parkte ich dann direkt vor dem Kino der Stadt und betrat viel zu spät die Eingangshalle, wo mich schon ein übertrieben gut aussehender Fynn, ein grinsender Flo und eine, vor lauter Wut schon rot angelaufene, Xiu erwarteten. »Ey ich hab so die Schnauze voll davon immer auf dich warten zu müssen!« maulte die Vietnamesin augenblicklich los, sodass sich bereits die gesamte Besucherschaft nach ihr umdrehte. »Stell dich nicht so an. War doch nur eine halbe Stunde,« winkte ich ab und lächelte sie unschuldig an. »Der Film hat schon angefangen!« »Dann gehen wir halt in die nächste Vorstellung.« »Wir haben schon Karten für die jetzt!« »Dann gucken wir nur den halben Film.« »Du regst mich auf!« fuhr sie mich an und machte sich auf den Weg zu einer der Kassen, um unsere Karten vielleicht doch noch umzutauschen. Ich seufzte und rieb mir verlegen den Kopf. »Sie ist nur wütend, weil du ihren Pärchenabend vermasselt hast,« sagte Flo bekräftigend nickend und grinste mich belustigt an. Ich verzog das Gesicht und blickte zu der Vietnamesin, die nun begonnen hatte heftig gestikulierend den Kassierer zu überreden (oder eher zu bedrohen?!) ihre Karten zurückzunehmen. »Warum sind Weiber eigentlich immer so furchtbar kitschig? Pärchenabend? Was soll denn das?« »Heul nicht rum! Solche Probleme kennst du gar nicht!« schnauzte Flo und zog eine Augenbraue nach oben. »Ähm, ich war ja wohl länger mit Xiu zusammen, als du! Glaub mir! Ich kenne ihre Macken.« Ich lachte überlegen, doch der Braunhaarige schüttelte nur den Kopf und zog Fynn am Arm zu sich her, um ihn mir entgegen zuschubsen. »Ja, aber jetzt nicht mehr,« sagte er bekräftigend und musterte meinen Freund und mich von oben bis unten. Er hob die Augenbrauen, als hätte er soeben eine Erleuchtung gehabt, und schnalzte mit der Zunge. »Mann! Hätte mir doch auch mal auffallen können, dass es so viele Vorteile hat schwul zu sein!« Ich schüttelte ungläubig den Kopf und verengte die Augen. »Du bist so ein Arsch!« »Nein wirklich!« Er zog eine leidige Miene und hob seine Hand, um mit den Fingern aufzuzählen. »Man muss nicht ständig den Romantiker raushängen lassen; man muss nicht zwei mal die Woche Shoppen gehen; man muss auch nicht jeden Donnerstag Abend zu zweit >Germany´s Next Topmodel< angucken!« »Seit wann hast du ein Problem mit >Germany´s Next Topmodels<. Ich war so eine Tunte. »Ist was?« fragte Fynn und riss mich aus meinen Träumereien. Ich schüttelte leicht den Kopf und lächelte. »Was soll sein?« »Du starrst mich an!« Er verschränkte die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue. »Tu ich doch immer,« sagte ich schmunzelnd und auch er grinste. »Ach, und das ist dir nicht peinlich.« »Doch schon.« Ich hob kurz die Schultern. »Aber was soll ich machen? Ich kanns nicht kontrollieren.« »Gibt’s noch mehr Sachen, die du nicht kontrollieren kannst?« fragte er und sein Grinsen wurde immer breiter. Er kam einen Schritt näher, sodass er direkt vor mir stand und zu mir aufblicken musste. Ich grinste ebenfalls, da ich genau wusste, worauf er hinaus wollte, hatte allerdings nicht vor seinen heimtückischen Verführungskünsten zu verfallen. »Keine Ahnung, worauf du hinauswillst,« murmelte ich leise und er musste noch etwas näher kommen, damit er meine Worte überhaupt verstehen konnte. Schwach spürte ich seinen warmen Atem auf meiner Haut, der sich in der eisigen Winterluft wie Zigarettenrauch mit meinem eigenen vermischte. »So dumm kamst du mir bis jetzt gar nicht vor.« Er kicherte leicht und begann mit seinen Finger an den Kapuzenbändeln meiner Winterjacke rumzuspielen. »Komisch. Eigentlich komm ich mir nämlich grundsätzlich immer dumm vor, wenn ich bei dir bin,« flüsterte ich und biss mir verlegen auf die Unterlippe. Er legte den Kopf etwas schief und zog die Augenbrauen zusammen. »Das hört sich aber nicht gut an.« »Naja. Das liegt daran, dass du auch nicht gut für mich bist.« Er zog beleidigt einen Schmollmund und ich lächelte zufrieden. »Aber wie gesagt; ich kanns nicht kontrollieren. Ich brauch dich eben irgendwie.« Eher unbewusst hob ich eine Hand, um ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu entfernen, wobei meine Finger sanft auf seiner Wange liegen blieben und über die von der Kälte gerötete Haut strichen. Ich hätte in diesem Moment unendlich viel Lust gehabt ihn einfach zu küssen, schaffte es allerdings wieder mal nicht meinen Kopf auszuschalten, welcher es mir weiterhin verbat mich in der Öffentlichkeit in solchen Situationen sehen zu lassen. Gerade wollte ich mich wieder von ihm wegdrehen und meinen beiden Freunden zuwenden, als ich plötzlich eine Hand auf meinem Hinterkopf spürte, die mich, ohne, dass ich mich hätte dagegen wehren können, Fynn entgegen drückte, sodass sich unsere Lippen ganz automatisch trafen. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass es nicht Fynn war, der mich da an sich zog, sondern ein dritter, der uns beide gegeneinander drückte. Ehe ich allerdings überhaupt dazu kam Flo anzubrüllen, was er sich dabei eigentlich dachte, hatte ich mich wieder mal in einem tiefen innigen Kuss mit Fynn verloren und einfach alles vergessen. Es dauerte nicht lang, da bewegten sich unsere Lippen gegeneinander, als wären sie ein und die selbe Form und ich kam nicht drum rum in unseren Kuss hineinzulächeln, da es einfach ein so unglaublich befreiendes Gefühl war dieses erste Mal meine volle Zuneigung für Fynn mit der ganzen Welt zu teilen. Dennoch war es eine eher unangenehme Vorahnung, die mich überkam, als ich mich von meinem Freund löste. Erschrocken über mich selbst schubste ich Fynn erst mal völlig perplex von mir und sah mich panisch um, ob es nicht irgendjemand gesehen hatte. Dann traf mein Blick den Flos, der nicht weit von uns entfernt stand und mich nicht mal grinsend, sondern eher selbstzufrieden anstarrte. »Bist du eigentlich bescheuert?« fuhr ich ihn wütend an und packte ihn völlig überhastet am Kragen. »Nein. Du? « stichelte er zurück und verschränkte die Arme. »Wars jetzt so schlimm, oder was?« »Darum geht’s doch gar nicht!« motzte ich weiterhin aufgebracht, doch er schüttelte gleich den Kopf. »Alter, du bist so was von nervig mit deiner Geheimnistuerei. Denkst du dabei eigentlich auch mal andere und nicht nur an dich? Zum Beispiel an Fynn?« »Ob ich an...?« begann ich stutzig und blickte kurz zu dem Schwarzhaarigen, der verwirrt die Augenbrauen gehoben hatte und immer abwechselnd von Flo zu mir sah. »Ich hab doch gar nichts...« plapperte er irgendwas, doch Flo unterbrach auch ihn. »Und du lass dir bloß nicht immer alles gefallen, was der mit dir macht!« »Willst du ihn jetzt gegen mich aufhetzen oder was?« giftete ich genervt, doch er gab nur ein kurzes Lachen von sich. »Mann, Leo. Ich will nur, dass du dich nicht ständig aufführst als wärst du der Nabel der Welt! Du kannst nicht immer so mit den Menschen umgehen wie es dir grad passt!« »Sagst ausgerechnet du, der hier die Leute dazu zwingt sich zu küssen.« Ich verengte die Augen und sah ihn böse an. »Ja und? Wars jetzt so schlimm? Siehst du hier irgendwen, den es kümmert, was du mit wem tust?« Ich wich einen Moment seinem Blick aus und sah mich unbewusst nach den wenigen Leuten um, die um diese Zeit noch auf der Straße waren. Überraschenderweise schien es tatsächlich keinen großartig zu interessieren, was Fynn und ich gerade getan hatten. Oder sie hatten es einfach nicht gesehen (was natürlich meine Annahme war). »Und mein Vater?« murmelte ich besserwisserisch. »Glaubst du allen Ernstes dein Vater steht irgendwo hier rum und spioniert dir nach?« Ich ließ diese Frage unbeantwortet und zuckte nur mit den Schultern. Der Braunhaarige grinste aufmunternd und klopfte mir leicht gegen den Arm. »Jetzt sei einfach mal ein bisschen lockerer! Das ist ja fast schon paranoid wie du dich aufführst.« Ich ließ allmählich von ihm ab und er wandte sich lässig seiner Freundin zu, die nachdenklich die Arme vor der Brust verschränkt hatte und mich musterte. An diesem Abend sagte ich nichts mehr zu diesem Thema. Vielmehr diskutierte ich die Sache in meinem Inneren mit mir selbst aus. Wahrscheinlich übertrieb ich es tatsächlich. Warum sollte auch ausgerechnet genau zu diesem Zeitpunkt irgendjemand genau vor diesem Kino gestanden und uns beobachtet haben? War wirklich etwas unwahrscheinlich. Und so viele Leute kannten mich nun auch wieder nicht, dass ich gleich so eine Panik schieben musste. Vielleicht war es besser wirklich etwas lockerer damit umzugehen. Auch für Fynn. Der sagte zwar, dass es ihn nicht störte, aber das konnte ja auch genau das Gegenteil heißen. Er war ja ein Experte darin sich Masken aufzusetzen, damit andere auch ja nicht hinter seine wahren Gefühle kommen konnten. Ich sollte es nicht provozieren. Am nächsten Morgen hatte ich den Vorfall vom Vorabend beinahe schon wieder vergessen. Ich entschloss zur Abwechslung mal wieder an einem gemeinsamen Frühstück meiner Familie teilzunehmen, da Sonntag ohnehin der einzige Tag war, an dem alle vier Mitglieder anwesend waren. Schaden konnte es ja nicht! So würde ich mich zumindest auf den neuesten Stand über die High Society von Stadt und Umgebung bringen, wovon meine Mutter doch so gerne zu berichten pflegte. Gemütlich schlenderte ich also um Punkt 10 Uhr die Treppen hinunter, natürlich ungerichtet und in Boxershorts, und trat in das wie gewohnt sehr stille Esszimmer, dessen kaltes bedachtes Schweigen lediglich vom sachten Klirren des Bestecks und dem leisen Hüsteln meiner Mutter unterbrochen wurde. Marco und meine Eltern saßen bereits am Esstisch und gaben sich wortlos ihrer Mahlzeit hin. Doch irgendetwas war komisch. Es fiel mir gleich auf, als ich nur einen Schritt in den Raum getan hatte. Mit einem mehr als finsteren Blick beäugte mich mein Vater, während ich mich auf den Weg zu meinem Platz machte. Nicht, dass er mich sonst mit einem strahlenden Lächeln empfangen hätte, doch diesmal war mir sofort klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Erst als ich mich gesetzt und ein leises »Morgen« von mir gegeben hatte, wandte er seinen Blick langsam wieder ab und nahm einige Schlucke seines Kaffees. Die einzige die meine Begrüßung zumindest erwiderte war meine Mutter. Sie strahlte mich mit einem seligen Lächeln an und schien die Hoffnung zu hegen, dass wenigstens ich irgendeiner ihrer belanglosen Geschichten gedachte zu lauschen. Ich tat ihr diesen Gefallen ausnahmsweise und lächelte sie ebenfalls an. Wenigstens wäre es dann nicht mehr so unheimlich still. »Wie war dein Tag gestern?« fragte ich scheinheilig und ihr Strahlen wurde noch heftiger. »Oh es war nichts besonderes,« antwortete sie sofort. (Als ob...) »Aber ich habe mich gestern Nachmittag mit Verona zum Kaffee getroffen und du wirst nicht glauben, was die erzählt hat!« Und dann gings los. In den anschließenden zehn Minuten erfuhr ich ungefähr drei mal so viel über eine mir unbekannte Liese, als diese wahrscheinlich selbst über sich wusste und wurde dabei von einem so heftigen Wortschwall getroffen, dass ich für kurze Zeit sogar das schlechte Gefühl bezüglich meines Vaters verlor. Von Cup B zu D hatte Liese sich ihre Brüste vergrößern und ihr Face liften lassen. Und das unglaublichste daran: Sie stritt das alles auch noch ab! Wahnsinn! Das Leben meiner Mutter war so unheimlich...bewegend. Als sie endlich fertig mit ihren Erzählungen war und mir auch noch die letzte ihrer insgesamt fünf rhetorischen »Kannst-du-dir-das-vorstellen?«-Fragen entgegengeworfen hatte, schenkte ich ihr zum Abschluss ein gespielt empörtes Kopfschütteln und ging davon aus, dass es das damit dann auch mit der Konversation an diesem Morgen gewesen war. Doch ich irrte mich. Da meine Mutter heute wohl einen besonders kommunikativen Tag erwischt zu haben schien, wandte sie sich mir nur wenige Momente später wieder zu. »Und wie war dein Tag, Schatz?« fragte sie interessiert und biss einmal in ihr Brötchen. Ich überlegte, da ich ohnehin nicht vorhatte so viel von mir zu erzählen, und zuckte ein paar mal mit den Achseln. »Ach weißt du? Genauso wie bei dir. Nichts besonderes eigentlich. Ich hab den Tag über gelernt, weil ich nächste Woche noch eine wichtige Klausur in Geschichte schreibe. Und Abends war ich dann noch im Kino,« erzählte ich entspannt und bemerkte dabei nicht wie der aufmerksame Blick meines Vaters sich beinahe durch mich hindurchbohrte. »Oh, schön,« kommentierte meine Mutter lächelnd. »In welchem Film wart ihr denn? War er gut?« Ich hob einen Moment die Augenbrauen und grinste dann leicht. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr wie der Film hieß. Irgendso eine Kitsch-Komödie. War jetzt nicht so der Burner. Kann ich nicht empfehlen.« Sie kicherte leicht. Hatte ich erwähnt, dass ich Smalltalk hasste? »Mit wem warst du denn im Kino?« durchbrach plötzlich die grimmige Stimme meine Vaters die Unterhaltung. Erst jetzt fiel mir auf, dass sein Blick bereits seit geraumer Zeit wieder auf mir ruhte. Ich schwieg kurz etwas perplex, versuchte mir meine Unruhe aber nicht anmerken zu lassen. »Ach, nur mit Xiu und Flo,« sagte ich, als wäre es eher beiläufig und versuchte mein Lächeln möglichst unverzwungen wirken zu lassen. »Wie immer halt.« Er nickte kurz verstehend und ich wandte meinen Blick schnell von ihm ab. Wieder war da diese fast schon schneidende Stille. Ich fühlte, dass ich immer noch beobachtet wurde. Nur um irgendetwas zu tun, trank ich in einem Zug meinen Tee leer und bat dann meine Mutter mir die Kanne mit dem Kaffee zu reichen. »Und wer war der dritte Junge?« Für den Bruchteil einer Sekunde hielt ich in meiner Bewegung inne, als ich meinen Vater diese Worte sprechen hörte. Ich spürte wie sich mein Magen von einem Moment auf den anderen aufs heftigste zusammenzog und mein Herz so stark zu pochen begann, dass ich es bereits in meinen Ohren wiederhallen hörte. Fast schon verwirrt hob ich meinen Blick und musterte den mir gegenüber sitzenden Mann mit zusammengezogenen Augenbrauen. »W-was?« war alles was ich in diesem Moment herausbrachte, da sich bereits die schrecklichste aller Vorahnungen in mir breit machte. Mit einen Mal prustete Marco neben mir lauthals los, als hätte ich gerade einen Witz erzählt. Mein Vater sah ihn böse an und machte mit seiner Hand eine kurze Geste, die ihn zum Schweigen bringen sollte. »Sei ruhig, Marco!« Dann wandte er sich wieder mir zu und legte seinen Kopf etwas schief, als könnte er mich dadurch besser einschätzen. »Wie ich gehört habe soll da ja noch ein dritter bei dir gewesen sein,« erklärte er sachlich. Wieder Stille; diesmal eine gespannte, erwartungsvolle. Fast schon ungeduldig fieberte sie meiner Antwort entgegen. Ich blickte kurz in die Runde, während meine Hände sich unter dem Tisch krampfhaft zu Fäusten ballten. Meine Mutter schien nicht zu wissen worum es ging und sah einige Male verwirrt von mir zu meinem Vater. Dieser hielt seinen Blick unbeirrt auf mich gerichtet. »I-ich,« begann ich mit heiserer Stimme und wusste nicht so wirklich, was ich sagen sollte. »A-ach so. Der Junge. Ähm, ja das war... also ähm...das war... niemand besonderes eigentlich.« Ein letztes Mal versuchte ich mich zu einem gleichgültigen Lächeln zu zwingen, welches allerdings sofort verstarb, als mein Vater missbilligend seine linke Augenbraue hob. »Ach ja?« antwortete er kühl. »Für niemand besonderes sollst du dich ja aber ziemlich gut mit ihm verstanden haben, oder etwa nicht?« Jetzt konnte Marco nicht mehr an sich halten. Mit lautstarkem Gelächter unterbrach er abrupt die Stille und hob sich hastig den Arm vor den Mund, um die Lautstärke zumindest ein wenig zu dämpfen. Vergnügt nuschelte er irgendetwas Unverständliches wie »Ey, ich brech weg vor Lachen!« in seine Handinnenfläche und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Diesmal schwieg mein Vater. Geringschätzig musterte er meinen Bruder und wandte sich dann wieder mir zu. Ich allerdings hielt meinen Blick beinahe apathisch auf meinen Bruder gerichtet und brachte keinen Ton heraus, während sich mir in meinem Kopf nach und nach die Klarheit ergab, dass mein Theaterspiel keinen Sinn hatte. Mein Vater wusste es! Und Marco allen Anschein nach auch! Und als ich meinen Bruder nur noch ein wenig länger beobachtete, kam mir eine noch viel bestürzendere Ahnung. Marco hatte es Vater erzählt! Für einen kurzen Moment übernahm meine aufkommende Wut die Kontrolle über die Ehrfurcht vor meinem Vater und ich blickte ihn entgeistert an. »Lässt du mich jetzt etwa schon ausspionieren?« fuhr ich ihn fassungslos an und zeigte auf meinen Bruder. »Und dann auch noch von dem?« »Hey, Alter! Ich schwörs,« sagte Marco grinsend und hob wie zur Verteidigung seine Hände in die Luft. » Das war purer Zufall, dass ich gestern Abend mit meinen Kumpels am Kino vorbeigekommen bin. Wie hätte ich denn ahnen können, dass du da gerade mit deinem Freund in der Gegend rumschwuchtelst?« »Klar! Und dann rennst du natürlich gleich zu dem und verrätst es!« brüllte ich und bemerkte wie ich vor lauter Zorn zu Zittern begann. Unbewusst war ich auf die Beine gesprungen und baute mich vor Marco auf. »Dann ist es also wahr, was er sagt?« raunte mein Vater und ich erstarrte erneut in meiner Bewegung. Vollkommen durcheinander ließ ich mich wieder auf meinen Stuhl nieder und schüttelte ein paar mal den Kopf. »Nei....Nein! Natürlich nicht!« murmelte ich undeutlich und verzog angestrengt das Gesicht. Nervös begann ich an meinen Nägeln zu kauen. »Es ist doch nur...Es ist ein...Missverständnis.« »Ach ein Missverständnis,« wiederholte mein Vater und erhob nun zum ersten mal die Stimme. »Nun, würdest du mir dann freundlicherweise erklären, was man daran bitte so sehr missverstehen kann, wenn du diesen Jungen vor allen Leuten mitten in der Stadt vollkommen ungeniert auf den Mund küsst?!« Diese Worte hallten noch einige Male in meinem Kopf wider. Nicht, weil das Brüllen meines Vaters so laut gewesen war, sondern weil ich es mir selbst in meiner Fantasie schon so oft in dieser Form vorgestellt hatte. Ich wagte es nicht meinem Vater in die Augen zu sehen. Stattdessen hielt ich den Blick starr auf meine Fingernägel gerichtet, von denen einer mittlerweile vor lauter Aufregung eingerissen zu bluten begonnen hatte. Mein Kopf bewegte sich immer noch ganz langsam von links nach rechts und wieder zurück. Ein schwaches Kopfschütteln, von dem ich jedoch kaum erwartete, dass es jetzt noch irgendeinen Effekt erbringen würde. »Das ist nicht wahr,« versuchte ich es leise noch einmal. »Das...Das war nicht so.« »So? Dann bin ich mal gespannt wie du mir dieses kleine >Missverständnis< erklären willst!« »Es war doch nicht...,« begann ich und hörte selbst wie meine Stimme dabei einen fast schon flehenden Ton annahm. »Es war doch nichts Schlimmes...« » Und ich sage, dass es eben doch etwas Schlimmes war!« herrschte er mich augenblicklich wieder an. »Stell dir nur mal vor! Dich hätte weiß Gott wer sehen können! Ich habe meinen Sohn nicht zu jemandem erzogen, der sich solchen Perversionen hingibt!« Ein kurzes schnaubendes Lachen entkam meiner Kehle und ich sah ihn verständnislos an. »Es ist doch keine Perversion, wenn ich ihn mag!« »Aber ich verbiete es dir!« »Du kannst mir nicht vorschreiben wie ich fühlen soll!« »ICH DULDE ES NICHT!« fuhr er mir abermals über den Mund und ich bemerkte wie die Zornader, an seiner Schläfe bereits deutlich zu pulsieren begann. Konsterniert wich ich zurück und senkte erneut meinen Blick. Unentschlossen schweiften meine Augen über den morgendlichen Esstisch, als würde ich erwarten dort irgendeine Antwort zu finden. Enttäuscht musste ich allerdings feststellen, dass zwischen Brotkorb und Butter weder die erhoffte Lösung, noch eine Gute Fee zu entdecken war, die mir meinen größten Wunsch erfüllt und somit alle meine Probleme einfach weggezaubert hätte. Stattdessen wurde mir bewusst, dass ich mir in den letzten zwei Wochen nie Gedanken um einen Plan B für eine solche Situation gemacht hatte. Denn die Wahrheit war, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wusste nur, was geschehen würde, wenn ich nicht genau das tat, was mein Vater von mir verlangte. Aber das zu tun würde bedeuten, dass ich das aufgab, was mir das Wichtigste war. Und dazu war ich einfach nicht bereit. »Du kannst mir nicht verbieten ihn zu sehen,« sagte ich tonlos. Ein überlegener Blick traf mich und er schüttelte nur abweisend den Kopf. »Ich kann noch viel mehr, wenn ich es für nötig halte,« murrte er und seine Stimme schien dabei wieder ganz ruhig. »Also halte dich fern von ihm! Oder es wird Konsequenzen haben.« Ich musterte ihn kurz nachdenklich und kräuselte rebellisch die Lippen. »Das ist mir egal!« Ein selbstgefälliger Ausdruck schlich sich nur für einen Moment auf sein Gesicht, als ob er genau diese Reaktion erwartet hätte. Er hob leicht die Augenbrauen und lehnte sich gelassen auf seinem Stuhl zurück. »Dann werden wir sehen, ob dein kleiner Freund und seine Familie das genauso sehen.« Ich verengte verwirrt meine Augen, nur um sie kurz darauf vor Entsetzen wieder zu weiten. Ein kalter Schauer kroch unweigerlich über meinen Rücken, als mir klar wurde, was die Worte meines Vaters bedeuteten. »Du...Du kannst ihnen nicht drohen,« murmelte ich, und versuchte mir das vielleicht sogar selbst einzureden. »Dazu bist du nicht in der Lage!« Er grunzte amüsiert und schüttelte den Kopf. »Du hast ja keine Ahnung, zu was ich alles in der Lage bin, Leon. Ein Anruf und dieser Junge und seine Familie sitzen auf der Straße. Willst du das?« Ich antwortete nicht. Jedes weitere Wort wäre wohl des einen zu viel gewesen. Stattdessen senkte ich grimmig meinen Blick und biss die Zähne so heftig aufeinander, dass ich es in meinen Ohren bereits Kirschen hörte. Mein Vater schien mein Schweigen als Resignation aufzufassen und begann immer wieder anerkennend zu nicken. Zufrieden strich er sich mit der Hand die Haare zurecht, die aufgrund seines Wutausbruchs ein wenig aus der Form geraten waren. »Dann ist ja gut,« knurrte er und aus seinen Worten war ganz deutlich die Drohung herauszuhören. »Ich werde nämlich nicht zulassen, dass du meine Karriere gefährdest, verstehst du? Also brich den Kontakt ab, bevor noch Schlimmeres passiert!« Ich spürte wie meine Augen, trotz des aufsässigen Blickes, beinahe glühten. Unweigerlich stiegen mir die Tränen auf. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen, sprang ich von meinem Stuhl auf und stürmte wutentbrannt aus dem Raum. Ich hörte noch wie meine Mutter versuchte irgendetwas zu sagen. Mein Vater hielt sie jedoch zurück. Was hätte es auch geändert? Als ich mein Zimmer erreichte, bemühte ich mich zunächst einmal, mit völlig zittrigen Händen, das Schloss zu verriegeln. Keiner sollte auch nur die Möglichkeit haben mich in diesem Zustand zu sehen. Vollkommen überfordert sah ich mich dann einen Moment in dem großen Raum um und bemerkte wie mein Atem immer schwerer wurde, als wäre ich gerade dabei den Everest höchstselbst zu besteigen. Ich hielt kurz die Luft an und lehnte mich dann kraftlos an die Zimmertür zurück, ehe ich nach nur wenigen Sekunden vollends auf meine Knie sank. Wieder und wieder spielte sich vor meinem geistigen Auge die sich eben ereignete Szenerie ab. Im ersten Moment gelang es meinen Gedanken kaum all diese Bilder und Worte richtig zu verarbeiten. Nur ein Satz schallte unaufhörlich durch die Gänge und Windungen meines Gehirns und ließ mich beinahe wahnsinnig werden. Brich den Kontakt ab! Immer wieder. Brich den Kontakt ab! Ich kniff einige Male heftig die Augen zusammen und hielt mir die Ohren zu, als ob ich so die Stimme meines Vaters endlich zum Schweigen hätte bringen können. Stattdessen hatte ich jedoch das Gefühl, dass es nur noch schlimmer wurde. Minuten lang saß ich wie betäubt an der Tür gelehnt und starrte regungslos auf irgendeinen Punkt am Boden. Erst nach und nach füllte sich die Leere in meinem Kopf mit den unterschiedlichsten Eindrücken und Empfindungen, die von meiner ohnmächtigen Wut gegen meinen Vater bis hin zu einer tiefen hoffnungslosen Traurigkeit reichten. Nur eines blieb dabei seltsamerweise vollkommen aus; und das war Scham. Es war mir in diesem Moment absolut egal, was mein Vater von mir dachte. Oder mein Bruder oder meinetwegen auch meine Mutter. Nicht einmal die Tatsache, dass ein paar Freunde von Marco gesehen hatten, wie ich Fynn geküsst hatte, machte mir wirklich etwas aus. Weil sie alle keine Ahnung davon hatten, wie ich mich wirklich fühlte und weil auch keiner von ihnen auch nur ansatzweise nachvollziehen konnte, was in mir vorging. Und diese Erkenntnis war es, die es letztendlich schaffte ein Gefühl in mir hervorzurufen, das ich mein ganzes Leben lang noch nie in dieser Intensität verspürt hatte. Einsamkeit. Ich war ohne jeden Zweifel restlos allein mit dieser Situation. Diesmal würde mir keiner helfen können eine Lösung für dieses Problem zu finden. Keine Xiu, die mir in ihrer sachlichen Logik einen schlauen Rat geben konnte. Und auch kein Flo, der mit seiner lockerleichten Art meinen Vater einfach um den Finger gewickelt und alles ungeschehen gemacht hätte. Sie waren machtlos. Und ich war es auch. Was konnte ich auch gegen meinen Vater ausrichten? Er hatte Recht. Ich hatte keine Ahnung zu was er alles in der Lage war. Ich wusste nur, dass seine Drohungen nicht vollkommen rückhaltlos waren. Er hatte viele Bekannte und Freunde, die in den nötigen Positionen waren jenen, denen mein Vater schaden wollte, auch genau das anzutun. Er hatte oft genug von solchen Unterfangen erzählt. Und Fynns Familie wäre da keine Ausnahme. Er würde sie einfach auf die Straße setzen lassen und dafür sorgen, dass sie keinen Fuß mehr in dieser Stadt fassen würden. Aber irgendetwas musste ich doch tun! Ich erschrak, als mir auffiel, mit welcher Sachlichkeit ich dieses Problem versuchte zu erörtern. Das Verrückte war, dass ich aus irgendeinem Grund tatsächlich noch die Hoffnung hegte, ich könnte meine Situation noch irgendwie ins Positive ändern. Doch wenn ich ehrlich war, war es doch eigentlich vollkommen zwecklos irgendjemanden die Schuld für meine Lage in die Schuhe zu schieben. Würde es auch irgendwie helfen? Egal wie ich es drehte und wendete, letztendlich war es Fynn, der dabei auf der Strecke blieb. Was hatte es für einen Sinn gegen die Forderungen meines Vater anzukämpfen, wenn ich doch ohnehin genau wusste, dass diese Schlacht für mich vollkommen aussichtslos war? Ich wollte Fynn unter gar keinen Umständen schaden. Und wenn das bedeutete, dass ich dabei meine eigenen Gefühle und Sehnsüchte hinten anstellen musste, dann sollte es so sein! Ich würde Fynn niemals wegen meiner eigenen Selbstsucht in Gefahr bringen. Selbst, wenn das bedeutete, dass ich Fynn nie wieder sehen würde. Als ich zu dieser Erkenntnis kam, war es schon fast Abend. Den ganzen Tag war ich wie ein Gefangener in meinem Zimmer gesessen und hatte versucht jede Möglichkeit, die sich mir auftat irgendwie abzuwägen. Betrübt stellte ich jetzt fest, dass sich dabei die beste Lösung gleichzeitig auch als die schlechteste herausstellte. Fynn zu verlassen war der einzige Weg, um ihn zu beschützen. Mit einem Mal begann mein Herz heftig zu klopfen und dieses unangenehme Gefühl der Aussichtslosigkeit beklemmte mich so sehr, dass es mir schwer fiel noch einigermaßen ruhig zu atmen. Gab es etwas schlimmeres auf dieser Welt, als von dem Menschen verlassen zu werden, den man am meisten liebte? Ich wollte mir gar nicht ausmalen wie sehr ich Fynn damit wehtun würde. Ich wusste im ersten Moment nicht einmal wie ich ihn davon überzeugen sollte sich von mir zu trennen. Nur um seinetwillen alles aufzugeben würde er nicht akzeptieren. Er würde höchstwahrscheinlich das Risiko eingehen wollen. Doch er hatte ja keine Ahnung! Vielleicht war es auch einfach das beste, wenn ich ihm die Wahrheit verschwieg. Wenn er die richtigen Gründe nicht kannte, dann würde er wenigstens auch nicht versuchen gegen sie anzukämpfen. Irgendwie hätte uns doch auch von Anfang an klar sein müssen, dass es keine Zukunft hatte. Wenn ich ihm einfach sagte, dass es nur ein belangloser Spass war, dass es keine Bedeutung für mich hatte, vielleicht wäre er dann nicht traurig, sondern einfach nur wütend. Irgendwie war es doch einfacher etwas zu verarbeiten, wenn man wütend war. Oder nicht? Ich dachte nicht lange über diesen Gedanken nach. Irgendwie ergab er sich mir sofort als logisch. Es war bereits dunkel in meinem Zimmer, doch ich machte das Licht nicht an, als ich langsam zu meinem Telefon ging. Noch einige Momente mehr brauchte es, ehe ich es endlich schaffte Fynns Handynummer einzutippen. Ich hatte sie eigentlich im Telefonbuch gespeichert, doch irgendwie brauchte ich mindestens noch mal 10 Minuten bis ich es schaffte die richtige Taste zu betätigen und der Hörer an meinem Ohr unheilschwanger zu tuten begann. »Irgendwie hab ich gewusst, dass du heute noch anrufst,« ertönte Fynns Stimme gut gelaunt, ohne auch nur eine Begrüßung vorauszuschicken. Sofort verkrampfte sich mein Magen wieder und ich schaffte es im ersten Moment nicht auch nur einen Ton von mir zu geben. »Ja, ich...« begann ich zaghaft, brauchte aber nochmals kurz, um mich endgültig zu fangen. »Muss halt sein.« Auch Fynn schwieg für einen Moment, als würde er spüren, dass etwas nicht stimmte. »Ist alles in Ordnung?« fragte er verwirrt und ich biss mir heftig auf die Unterlippe. Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte und holte einmal tief Luft. »Ich muss...Ich mein...wir müssen... Wir müssen reden.« Erst nachdem ich den Satz ausgesprochen hatte, bemerkte ich wie schrecklich er sich anhörte. Große Offenbarungen fingen doch immer mit diesem Satz an. In den meisten Fällen leider nur die schlechten. Fynn schien das zu wissen und antwortete nicht. »Können wir uns treffen,« sprach ich vorsichtig weiter und ich hörte wie er am anderen Ende der Leitung schluckte. »Ich bin daheim,« murmelte er tonlos. »Dann bin ich in 20 Minuten da.« Ohne ein weiteres Wort legte ich auf und blickte noch einen Augenblick in die Dunkelheit meines Zimmers. Dann packte ich schnell meine Tasche mit dem allernötigsten und machte mich auf den Weg zu meinem Auto. Die Fahrt zu Fynn erschien mir unendlich. Ich hoffte es würde im letzten Moment noch irgendein Wunder geschehen, das mich vor dem Bevorstehenden bewahrte, doch es passierte nichts. Die Stadt hatte sich über die letzte Nacht in eine wahre Wintertraumlandschaft verwandelt und auch jetzt schneite es wieder. Ich wollte jedoch partout die Schönheit dieses Abends nicht erkennen. Der Schnee machte mich viel eher aggressiv, obwohl er wohl am aller wenigsten für meine Situation konnte. Als ich in Fynns Straße einbog, erkannte ich ihn bereits aus weiter Ferne vor seinem Haus stehen. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht eine Jacke über zu ziehen, dabei hatte es bestimmt einige Grad unter Null. Mir fiel auf, dass ich meine eigene auch vergessen hatte. Ich hielt direkt vor ihm und wartete noch einige Momente, um noch einmal tief Luft zu holen. Mein Nacken brannte fürchterlich, als würde jemand flüssige Lava über ihn gießen. Ich schloss kurz die Augen, dann nahm ich mich beisammen und stieg aus dem Auto. »Hallo,« sagte ich mit gedämpfter Stimme und ging um den Wagen herum. »Hi,« sagte auch er, jedoch so leise, dass man es kaum hören könnte. Wir standen uns einige Momente schweigend gegenüber und ich presste unruhig meine Lippen aufeinander. »Sollen wir...reingehen?« fragte Fynn zurückhaltend, sah mir dabei jedoch nicht in die Augen. Seine Wangen waren leicht gerötet und er hatte seine Hände krampfhaft zu Fäusten geballt. Er stand wohl schon einige Zeit draußen in der Kälte. »Nein, das... ist okay so,« murmelte ich und schüttelte leicht den Kopf. Er nickte, als müsste er mir zustimmen, und seufzte kaum hörbar. »Also,« begann er vorsichtig, nachdem wir uns erneut minutenlang lang angeschwiegen hatten. »Worüber...wolltest du reden?« Ich versuchte mir die Worte, die ich mir zurecht gelegt hatte, irgendwie ins Gedächtnis zu rufen, stellte dann aber fest, dass es einfach nichts Auswendiggelerntes gab, das diese Situation irgendwie besser oder für Fynn erträglicher gemacht hätte. Es gelang mir letztendlich meine Fassung wiederzuerlangen und sah ihm direkt in die Augen. »Ich hab nachgedacht,« sagte ich mit fester Stimme und ich spürte wie jede Regung mein Gesicht verließ. »Über uns...und....das alles eben.« Er erwiderte meinen Blick ausdrucksleer und nickte verstehend. »Und?« sagte er tonlos. »Ich habe gemerkt, dass...ich eben doch irgendwie nicht ganz glücklich mit der Situation bin,« sprach ich ruhig und ich war überrascht wie gelassen meine Stimme dabei klang. Meine Unsicherheit war mir kaum anzumerken. »Ich hab gedacht, dass es wirklich das ist, was ich will, aber...irgendwie ist das mit uns beiden...eben doch...nichts für mich.« »...nichts für dich,« wiederholte Fynn meine Worte, als ergäben sie für ihn keinen Sinn. Ich wartete einen Augenblick und redete dann erst weiter. »Weißt du, ich hab eben einfach gemerkt, dass hinter all dem ein...viel zu großes Risiko steckt und ich...ich glaube...es ist für mich einfach...zu groß.« In diesem Moment unterbrach die Verbindung, die bis jetzt noch zwischen unseren Blicken bestanden hatte und Fynn senkte leicht seinen Kopf. Ich sah im Laternenlicht wie er immer wieder versuchte seine Lippen zu irgendwelchen Worten zu formen, doch kein Ton verließ seine Kehle. Normalerweise hätte er in solchen Situationen wohl einfach seine Maske aufgesetzt, um seine wahren Gefühle zu verstecken. Ich spürte jedoch wie es mich innerlich beinahe zerfraß zu erkennen wie sich auf den feinen Zügen seines Gesichts nach und nach eine tiefe verständnislose Verzweiflung abbildete, wie ich sie seit unserer ersten Begegnung damals in der Gasse nicht mehr gesehen hatte. Alles in mir schrie danach meine falschen Behauptungen sofort zu widerrufen, ihn in den Arm zu nehmen und zu sagen, dass alles in Ordnung war. Doch das wäre wohl eine noch viel größere Lüge gewesen, als jene, die ich ihm jetzt auftischte. Nichts war in Ordnung. Und es würde auch nichts wieder in Ordnung sein, wenn wir beide nicht endlich von einander losließen. Also blieb mein Gesichtsausdruck hart und meine Worte bestimmt. »War doch irgendwie von Anfang an klar, dass das nichts wird, oder nicht?« sprach ich weiter und ich bemerkte wie er bei den Worten leicht zusammenzuckte. »Ich meine...ist doch irgendwie eine ziemlich absurde Sache. Wir können ja eh nicht für immer zusammenbleiben. Irgendwann wird es sowieso vorbei sein, also warum nicht jetzt?« Er hob kurz seine Augenbrauen, hielt seinen Blick jedoch starr auf den Boden gerichtet. »Wenn du das so siehst.« Ich antwortete nicht. Was hätte ich auch sagen sollen? Wieder standen wir lange Zeit einfach nur schweigend da und dachten nach. Ich spürte bereits wie die Kälte der Winternacht allmählich an meiner nackten Haut zu beißen begann, doch mein Körper war vor Anspannung so steif, dass ich nicht einmal mehr zittern konnte. Irgendwann hob Fynn seinen Blick dann doch wieder und sah mir direkt in die Augen. Nervös kaute er auf seinem Lippenpiercing herum, wie er es immer tat, wenn er nicht wusste, was er sagen sollte. »Dann...wars das jetzt also?« stellte er sachlich fest, verlor jedoch gegen Ende des Satzes seine Stimme. Seine Lippen bebten, doch wusste ich nicht ob wegen der Kälte oder wegen seiner eigenen Betroffenheit. Ich nickte nur langsam und biss fest die Zähne aufeinander. Die Entschlossenheit in meinem Blick versuchte ich beizubehalten. »Ja, das wars wohl,« stimmte ich ihm flüsternd zu und er presste verstehend die Lippen aufeinander. Er schien keine weiteren Erklärungen zu erwarten. Ich hätte ihm auch keine geben können. Schließlich verstand ich es genauso wenig wie er selbst. Langsam drehte ich mich weg und ging zurück zu meinem Auto. Ich spürte noch wie sein hilfloser Blick mir folgte, traute mich jedoch nicht ihn noch einmal anzusehen. Zu sehr befürchtete ich, ich würde meine Standhaftigkeit endgültig verlieren, wenn seine Augen mich nur zu sehr darum baten. Als ich gerade einsteigen wollte, hielt ich noch einmal inne und überlegte kurz. Ich hatte das Gefühl, ich müsste noch irgendetwas sagen, doch fiel mir einfach nichts auf dieser Welt ein, dass ihn irgendwie vertrösten hätte können. Also ließ ich es sein, stieg in den Wagen und startete den Motor. Das letzte, was ich von Fynn sah war seine immer kleiner werdendere Silhouette im Rückspiegel. Bis zum Schluss schien er die Hoffung nicht aufzugeben, dass ich meine Meinung doch noch ändern und zu ihm zurückkehren würde. Doch ich tat es nicht. Mein Herz zersprang förmlich, als Fynns trauriger Blick wieder und wieder vor meinem geistigen Auge auftauchte. Bei der Vorstellung ihn nie mehr im Arm halten und küssen zu können wurde mir unweigerlich übel und ich versuchte krampfhaft den Schmerz und auch die Tränen wieder herunterzuschlucken. In diesem Moment fand ich die Antwort auf die Frage, die ich mir am Mittag noch gestellt hatte. Es gibt nur eines, das noch schlimmer ist, als von jenem Menschen verlassen zu werden, den man am meisten liebt, und zwar selbst derjenige zu sein, der den Geliebten verlässt. --------------------------------------------------------------------------------- *losflenn* Oh Gott! Kein Wunder, dass ich es so lange nicht über mich gebracht habe dieses Kapitel zu schreiben! *schnief* Das war ja schrecklich! Mein armer Fynniiiiii T^T Ich konnte es ja fast nicht in Worte fassen. Q__Q° Ich schaffs auch einfach nicht dieses unenedlich traurige Lied von Silbermond aus dem Kopf zu bekommen, welches mich zu diesem Kapitel inspiriert hat Q_Q Ich finde auch dass kein Lied zu Leos und Fynns Trennung besser passt, als Symphonie. Ich könnt halt grad einfach auch mit aller Regelmäßigkeit losheulen *also losheul* Ich entschuldige mich hiermit mal wieder, dass ich für des Kapitel so lange gebraucht hab u,û Aber bei dieser Tragik verging mir immer so schnell die Motivation.... nee Spass O,o Wenn man halt mal ein Kreatief hat, dann hat man es O,o ich hoff, dass ich die letzten 2 Kapitel schneller fertig krieg :) Kann ja auch nur besser werden...also so plot-technisch gesehn :'D Und ich hoffe auch, dass mir ncoh nciht alle Leser abgesprungen sind u_û kann ja gut sein, dass man nach so langer Zeit vergessen wird...Würde ich euch nciht verübeln xD naja =D den anderen danke ich fürs immer-noch-lesen und hoff euch hat es nciht zu sehr das Herz zerbrochen, was ich Fynn angetan hab. Kussi und Bussi euer Gilui ~~♥♥♥♥~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)