憧れ - Longing von Ai_Mikaze (Fortsetzung von '真実 – The truth' [Taito]) ================================================================================ Kapitel 4: 怖れ – Fear -------------------- Kapitel 4 ~ 怖れ – Fear Da saß ich nun. Allein. So wie ich war. Mein Blick weilte starr auf den Fernseher gerichtet, welcher mittlerweile wieder ausgeschaltet war. Ehrlich gesagt war mir so langweilig gewesen, dass ich die Schrottkiste anschaltete, aber es lief sowieso nichts Gutes. Seit gut fünf Minuten hockte ich nun also hier, seitdem Taichi das Haus verlassen hatte. Wobei – eigentlich war ich mir nicht so sicher, ob er dies wirklich getan hatte. Er sagte zwar, dass er geht und ich hörte die Türe, es hätte aber genau so gut ein Scherz sein können. Und ich Vollidiot musste natürlich noch fragen, ob alles schlimmer kommen könnte. Jetzt war definitiv das Maß der Dinge erreicht und die Skala konnte nicht mehr tiefer fallen... oder? Ob es noch groß Sinn machte darüber nachzudenken? Heute war ein einziges Trauerspiel und wenn man bedachte, WIE es lief, dann war ich der Tote und die anderen, die Gäste. Ich hatte echt das Gefühl, dass man nur noch um mich trauern konnte. Immerhin lief mein Leben gerade alles andere als wunderbar. Wie gut, dass ich kein offenes Buch war. Ich wirkte meist nur auf Taichi so und dieser war so nett um es nicht als Roman zu verfassen und zu verkaufen. Somit war ich also ich und keiner konnte mir sein Mitleid schenken. Ich war froh darüber, denn ich wollte es nicht. Es wäre sowieso nur geheuchelt gewesen. Meistens betrauerte man doch Menschen immer erst, wenn man es mitbekommt. Keiner macht die Augen auf oder fragt, ob etwas sein könnte. Da sind so viele Menschen um einen herum und nur ein Einziger scheint zu wissen was in mir vorgeht. Dieser eine Mensch war mir das wohl Wichtigste und ohne ihn hätte ich sowieso nicht mehr weiter machen wollen. Früher... ja früher, da war mir das alles Egal. Da hätte er hingehen können wo er wollte und ich wäre endlich wieder alleine gewesen, doch mittlerweile ist das völlig anders. Ich kau ja immer wieder das Selbe durch. Mittlerweile wollte ich jedoch wirklich wissen, ob Taichi sich einen schlechten Scherz mit mir erlaubt hatte oder nicht. Somit stand ich erst einmal auf und betrachtete den Eingangsbereich etwas näher. Kein Tai. Vielleicht stand er aber auch vor der Türe und wartete darauf, dass ich ihm nachlief? Lächerlich. Trotzdem öffnete ich das Teil und schaute mich draußen etwas um. Kein Tai. Dann war er in der Wohnung. Logisch. Die Türe wieder geschlossen erkundete ich meine eigene Wohnung. Super – ich kam mir vor wie ein Detektiv auf Spurensuche. Natürlich hatte ich mich selbst angeheuert um nach meinen besten Freund zu suchen, welcher anscheinend in diesem Saustall namens Wohnung verloren ging. Ich suchte in jedem Zimmer, in jedem Bett, in jeder Kammer und unter jedem Kleidungsstück. Ich versuchte mich einfach auf das Niveau eines Cartoons herabzulassen, wo Einige anscheinend der Meinung waren, Menschen unter Steinen zu finden. Detektiv Ishida in Lost under wear – demnächst auch in Ihren Kinos! Gefährlich zuckte ich mit meinen Augenbrauen. Ich kam in letzter Zeit auf so viel Müll, dass es mich wunderte, dass ich noch keine Taucher- oder Flieger- oder eine sonstige Trendbrille um den Kopf trug. Haha. Sehr witzig. Konnte man darüber jetzt lachen? Weiter im Text. Kein Tai. Nirgends war er. Nicht in meiner Wohnung, nicht vor der Türe und... weitere Möglichkeiten hatte ich noch nicht unter die Lupe genommen. Mir blieb wohl keine andere Wahl. Von hier bis zu Taichi nach Hause waren es gerade mal ein paar Meter. Er hätte bestimmt nur 15 Minuten gebraucht, wenn er so lief wie immer. Im Höchstfall 20. Somit suchte ich unser dummes Telefon. Praktisch, wenn es schnurlos war und irgendwo hier herumflog. Ich weiß nicht einmal wann oder wer es als letztes benutzt hatte. Taichi telefonierte ja nur mit seinem Handy und seitdem er hier war hatte ich es auch nicht in die Hand genommen. Also musste Papa das Teil als Letzter in seinen Griffeln gehabt haben. Und da das Ding ja verschwunden war, konnte ich ihn folglich nicht einmal anrufen um ihn zu fragen wo es war!!! Ich wurde hier noch verrückt. Ehrlich. Ich versuchte oftmals Ordnung zu halten, nur gelang mir das nur in Beschränktenmaße. Waren mein Vater und ich alleine, so herrschte das blanke Chaos in dieser Wohnung und wenn er weg war, dann räumte ich etwas auf. So konnte man von Glück sagen, dass man hier überhaupt noch gehen konnte. Zurzeit sieht es nicht einmal so schlimm aus, wie sonst immer. Nur.. dies lag an Taichi. Ich räumte für ihn lieber mehr auf, als sonst... Den Tumult, welchen ich gerade beim Telefonsuchen hinterließ, ignorierte ich einfach. Und wenn man mich jetzt fragte, wieso nicht einfach das Handy, dann würde ich diese Frage ganz sicher nicht beantworten. Da war es wahrscheinlicher, dass ich unser Haustelefon fand. Außerdem war es ausgeschalten, wie ich vor einer Weile schon mal erwähnte und dann müsste ich noch das Ladekabel suchen und eine Steckdose freiräumen.. man sieht, dass das Leben eines Ishidas kein Zuckerschlecken ist. Sofern ich den Hörer fand war Tai bestimmt schon dreimal zu Hause gewesen. Mittlerweile stand ich schon Kopf… ich lag auf dem Sofa und ließ meinen Kopf rückwärts runterhängen! Vielleicht würde mir so ja etwas einfallen. Mein Blut musste nur wieder in meinen Kopf laufen. Und da kein braunhaariges Etwas in der Nähe war musste ich so etwas nachhelfen. Es bringt nichts. Mir wird nur schlecht! Und dann klingelte es! Das Telefon klingelte. Ein Anhaltspunkt. Ich musste nur diesem Geräusch folgen und dann... es lag unter dem Sofa. Haha. Natürlich fand ich es zu spät und es hörte auf zu klingeln, nachdem ich es in der Hand hielt. Ich starrte wütend darauf. Hätte ich mich nicht zusammengerissen, läge es jetzt in tausend Stücken neben der Wand. Denn dann hätte Plastikgestell mit Betonding Bekanntschaft gemacht! Dadurch das ich es nicht tat, rettete ich mir auch das Leben. So wollte ich gar nicht wissen was mein Vater mit mir gemacht hätte, wenn ich es zerstört hätte. Wie dem auch sei. Wie kam das Telefon überhaupt darunter? Wer war so blöd und versteckte es? Außer Papa und mir war doch keiner hier... Taichi? Nein~ Aber da ich jetzt nicht auch noch bis zur Entstehungsgeschichte des Telefons kommen möchte, wähle ich lieber seine Nummer. Keine Ahnung wie lange ich jetzt gebraucht hatte um überhaupt zu merken, dass er wirklich weg war, ihn zu suchen und dann auch noch das Teil hier zu finden... Es läutet.. Es läutet noch immer... „Jetzt geh schon ran!“ Nervös kaute ich mir auf der Unterlippe herum und suchte nach einer Uhr. Keine zu finden. Wahrscheinlich war das Einzige was eine Zeit anzeigte meine Eigene... Und noch immer... Er ging nicht ran. Keiner ging ran. Mir fiel ein.. Hikari meinet doch die Eltern der Beiden waren noch nicht wieder zurück gekommen und er hatte keinen Schlüssel. Seufzend drückte ich die Taste zum Auflegen. Mein Blick sank zu Boden. Ich war so dumm gewesen. Zeitverschwendung hier einfach herumzustehen und zu überlegen wo er sein könnte. Er war schließlich alt genug um alleine da draußen herumzulaufen. Er war kein Kind mehr, konnte alleine auf sich aufpassen... Wenn es ihm zu langweilig wurde, dann würde er sicher zurück kommen. Oder zu irgendjemand anderem gehen. GENAU! Diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht in Betracht gezogen. Erst einmal suchte ich meine Uhr auf, erspähte die Zeit und versuchte mich daran zu erinnern, wann er gegangen war. Da fiel mir dann ein, dass ich das auch nicht wusste. Also schätzen. Und das konnte ich nicht. Waren es eine Stunde oder sogar schon zwei? Das Telefon hielt ich noch immer in der Hand. Man konnte ja Gefahr laufen, dass ihm Beine wuchsen und es sich wieder so dreist unter dem Sofa versteckte. Das arme Telefon. Ob es so eine große Angst vor meinem Vater hatte, dass es dies tun musste? Er drückte es bestimmt zu fest und schrie hinein, als würde der andere Anrufteilnehmer taub sein. .... Ich dachte ernsthaft darüber nach, ob das Teil nicht ein eigenes Leben hatte. Wo waren wir hier? In Raumschiff Enterprise? Stargate? Verrückt. Ich bin verrückt geworden. Deswegen suche ich jetzt auch auf einem der ordentlichsten Tische im Haus nach dem Telefonbuch. Gefunden. Viel schneller, als gedacht und die Handynummer von Tais kleiner Schwester stand ebenfalls darin. Ja ja.. er hatte sich hier schon so eingenistet, dass ich sogar die Nummern seiner Leute hatte, die ich sonst nie brauchen würde. Diesmal war ich ihm dafür allerdings bankbar. Nachdem ich die Nummer der Kleinen wählte hörte ich das Freizeichen. Gut – es war nicht aus. „Hikari?!“ Sie ging ran. Meine Stimme klang aufgeregt und irgendwie besorgt gleichzeitig. „Eh.. Yamato?“ Anscheinend fragte sie sich, warum gerade ich sie anrief.. „Sag mal.. ist Tai bei dir?“ Lange herumzufackeln brachte nicht, deshalb kam ich gleich auf den Punkt. Versuchte mich allerdings so normal wie möglich zu verhalten. „Nein. Ich dachte er wäre bei dir?“ „Er ist vorhin gegangen.. aber danke. Wollte ich nur wissen.“ „Oh.. geht es ihm gut?“ Woher sollte ich das wissen? „..und wann war das? Was hat Tai?“ Seine Schwester klang besorgter, als damals in der Digiwelt. Sicher, es war ihr Bruder und von Takeru würde ich das Selbe verlangen, aber übertreiben konnte man es auch. „Nein.. alles in Ordnung. Er wird wohl nur spazieren gehen.“ „Hast du es schon auf seinem Handy probiert?“ Oh – mein – Gott. Heilige Maria Gottes.. oder so ähnlich. Ich hatte das mal aus einer Fernsehserie. Mir ging das gerade so durch den Kopf und darauf hätte ich auch kommen können. Das Einfachste von allem. Erst rief ich bei ihm zu Hause an und dann nervte ich seine Schwester ohne nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er ein HANDY hatte. Das Ding was er sonst immer bei sich trug. „Werde ich gleich tun. Tschüss.“ Das war kurz und knapp und brachte eigentlich das auf den Punkt was ich vermitteln wollte, ohne um den heißen Brei zu reden, meine Zeit zu verschwenden und Tai nachzumachen. So einfach ging das. Ich legte auf. Die Nummer meines Freundes konnte ich brillanterweise auswendig. So fiel es mir um einiges leichter ihn anzurufen. Und es wäre alles viel schneller gegangen, wenn ich gleich auf diese blendende Idee gekommen wäre. Aber dazu brauchte man wohl wirklich erst das passende Licht – in diesem Sinne Hikari – um daran zu denken. Und kurz nachdem ich seine Nummer wählte hörte ich sowohl das Freizeichen als auch den Klingelton von Tais Handy. Also war er doch noch in er Wohnung? Es überraschte mich irgendwie nicht, dass ich mein Lied hörte. ‚Negai Kanaeru Kagi’ war ja nicht so sonderlich unbekannt. Es war eins meiner ersten Lieder, die ich live gespielt hatte. Mittlerweile hatte ich einige Songs mehr, aber er nahm ausgerechnet diesen... Ich stand in meinem Zimmer. Das Mobiltelefon des anderen lag – ohne den Besitzer – auf meinem Bett und klingelte. Spielte mein Lied und wollte nicht aufhören. Solange ich es weiter klingeln ließ, wurde das aber auch nichts. Daher legte ich auf, ließ den Hörer wieder nach unten sinken und starrte auf das Bett. Auf das Handy... Würde ich mich gerade nicht so um Taichi’s Verschwinden kümmern, käme ich vielleicht noch auf die dumme Idee einfach seine SMS zu lesen. Oder sonstiges was er darin gespeichert hatte. Dabei zog es mich so magisch an, dass ich es schon in der Hand hielt ohne es überhaupt mitbekommen zu haben. Mein Herz fing wieder an in einem überdimensionalen Rhythmus zu schlagen und meine Augen spiegelten sich in dessen Display. Unruhig spielten meine Finger auf dessen Tasten herum ohne Druck darauf zu verüben. Das konnte ich nicht tun. Nicht in dieser Lage. In welcher Situation denn? Das Tai verschwunden war und das noch nicht einmal 24 Stunden, so das man sich Sorgen machen sollte? Es interessierte mich schon was er mit anderen schrieb. Mit Sora, mit seiner Schwester, mit Daisuke.. oh – VO RALLEM mit Daisuke und mit all den anderen, von denen ich nicht einmal etwas ahnte. Es könnte aber genau so gut sein, dass er alle seine SMS löschte. Sogar die von mir.. Kopfschüttelnd warf ich das Handy zurück ins Bett. Falsch. Alles war falsch. Das ging nicht. Später vielleicht. Ich wollte nichts lesen was mich nichts anging. Nicht einmal, wenn es sich dabei um mich handelte. Sonst würde ich mir noch mehr Gedanken machen und in der Privatsphäre anderer herumzuschnüffeln war nicht nett. Irgendwann packte es mich dann Daisuke anzurufen. Ich weiß nicht wieso, aber wenn Taichi irgendwo sein konnte, dann bei ihm. Koushiro war zurzeit irgendwie so beschäftigt, dass er seine Eltern bat niemanden, wirklich NIEMANDEN, in seine Nähe zu lassen, also fiel dieser flach. Dies hatte Tai jedenfalls mitten in seinen Gesprächen erwähnt und es war eins der Dinge, welche ich mir gemerkt hatte. Sora erwähnte er auch öfters, aber an diesen Stellen wollte ich nicht hinhören. Manchmal fragte ich mich auf wen von uns diese Frau jetzt genau scharf war. Andeutungen brachte sie ja mir UND Tai gegenüber. Also ließ ich es gerade klingeln und wartete darauf, dass Daisuke sich von Ken losriss. (Ich ging davon aus, dass sie noch immer zusammenhangen. Deswegen hatten wir uns immerhin vorhin verabschiedet...) „Mhm.. hai~?“ „Hey Daisuke. Ist Tai bei dir?“ „Nein. Er ist doch vorhin mit dir.. ey...~ ... mitgegangen...“ Er räusperte sich etwas. Anscheinend war er nebenbei noch etwas beschäftigt. Womit auch immer so jemand wie er beschäftigt sein konnte. „Alles klar. Danke.“ „......biiiiiiiitte~“ Und dann war das Besetztzeichen da. Tss.. Die Jugend von Heute hatte auch keinen Anstand mehr. Da war keine Verabschiedung und kein gar nichts. Und wieso das ‚bitte’ so lang gezogen war weiß der Geier. Seufzend lege ich das Telefon jetzt auch wieder weg. Keine Ahnung was ich jetzt machen sollte. Das Beste wäre wohl, wenn ich ihn selbst suchen würde. Die Anderen konnten mir schließlich nicht dabei helfen und wenn ich jetzt keinen schlafenden Hund geweckt hatte, dann sollte mir das auch recht sein. Ich konnte keine nervenden Kinder dabei gebrauchen Taichi zu finden. Kurz darauf hatte ich mich also angezogen, mein Handy nicht gesucht und verließ das Haus. Erst einmal suchte ich nur die Gegend um unsere Wohnung herum ab. Es war ein Fehler gewesen, so lange zu warten. Wahrscheinlich hatte er wirklich noch gewartet und gehofft, dass ich ihn aufhalten würde und da ich so lange gezögert hatte, war er einfach gegangen. Irgendwohin, wo ich ihn jetzt nicht finden konnte. Ich durchsuchte die einzelnen Gassen, die sich hier befanden, blickte in die verstecktesten Ecken und kümmerte mich sogar um Mülltonnen. Unwahrscheinlich, dass er sich da reinsetzen würde, aber ich wollte mir nachher nicht vorhalten, dass ich da nicht gesucht hatte. Und nirgends war ein Taichi. Mittlerweile suchte ich sogar schon außerhalb des Bezirkes. Fragte Leute, die hier zufällig vorbei gingen oder wohnten, aber keiner hatte ihn gesehen. Ich machte mir inzwischen richtige Sorgen um meinen besten Freund. Es konnte doch nicht sein, dass er wie vom Erdboden verschluckt war. Sogar in den U-Bahn Stationen fragte ich nach, ob sie ihn gesehen hatten. Mein Geldbeutel zierte ein Bild von ihm und mir, was wir im Sommer nach der Digiwelt aufgenommen hatten. Er sah zwar längst nicht mehr so kindlich aus, jedoch hätte man ihn locker erkennen können. Wo war er nur abgeblieben? Es war fast 20 Uhr geworden und ich konnte nicht mehr. Ich stand wieder vor meinem Haus und ging die Treppen nach oben. Vielleicht stand er ja jetzt vor meiner Türe und fragte sich wo ich war. Warum ich ihm nicht aufmachen würde. Und dann käme ich zu ihm und würde mir das von ihm anhören. Er würde mich anmotzen und sagen ‚Du hast mich ganz schön lange warten lassen.’ Würde mich mit seinen braunen Augen einfach nur ansehen und darauf warten, dass ich etwas sagte... Doch nachdem ich wieder oben stand sah ich keine Menschenseele. Ein verletztes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, es sollte zeigen, dass ich enttäuscht und in Sorge war. Eher hatte ich Angst. Angst um meinen besten Freund. Das Gefühl, welches ich nach dem Fußballspiel hatte, nistete sich wieder in meinem Inneren ein. Es wollte mich nicht loslassen. Es sagte mir immer wieder, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Schrie mich an, dass ich ihn nicht hätte gehen lassen sollen. Hielt mir vor, dass alles meine Schuld war und ich mit dem Schlimmsten rechnen konnte. Es ließ mein Herz zersplittern und eine heiße Träne über mein Gesicht laufen. Das Wetter spielte keine Rolle. Es war um diese Uhrzeit nicht mehr so heiß, wie die letzten Tage, sondern recht angenehm. Ich spürte das salzige Wasser über meine Wangen bis hin zu meinem Mundwinkel wandern. Es zeigte mir, dass ich noch hier war. Stehend vor meiner Türe und den Kopf nach unten gerichtet. So konnte ich sehen, wie die einzelnen Tränen hinunter tropften und den grauen Boden befeuchteten. In voller Verzweiflung und kurz bevor ich dann am Boden aufgekommen war klingelte drin das Telefon. Ohne darüber nachzudenken kramte ich nach dem Schlüssel, schloss auf und stürmte hinein. Ich war so schlau und hatte das Telefon wieder auf die Station gegeben und hob ab. „Yamato, hier ist Daisuke.“ Die Stimme ließ meine Hoffnungen zerbröckeln. Innerlich hatte ich gehofft, dass es Tai war, welcher von irgendwo aus anrief um sich zu entschuldigen oder einfach um mich zu fragen, ob ich ihn nicht abholen könnte. Aber so war dem nicht. Der Einzige der am Apparat war, war Daisuke. Am liebsten hätte ich das Gerät wieder gegen die Wand geschleudert und dann womöglich auch noch zurück an den Kopf bekommen. Aber gut – unsere Wände waren schließlich nicht elastisch und mein Hirn schien sich aufzulösen. „Was?“ „Tut mir leid, wegen vorhin... du hast so aufgewühlt geklungen und..“ „Vergiss es.“ Ich ließ ihn nicht einmal ausreden. „Hör zu...“ „...Daisuke will sich wirklich nur entschuldigen.“ Hörte sich für mich so an, als hätte Ken ihm das Telefon aus der Hand gerissen und würde jetzt für ihn sprechen. „Hast du Taichi-san mittlerweile gefunden?“ Er klang viel netter, als der andere. Im Hintergrund konnte ich allerdings hören, wie sich Daisuke darüber aufregte, dass man ihm das Telefon einfach so wegnahm. Ken schien auch einige Probleme damit zu haben es weiterhin in seinem Besitz zu behalten, dennoch versuchte er sein Bestes. Was man so alles heraushören konnte.. „Mh.. Nein, aber passt schon. Ihr braucht euch da nicht weiter drum zu kümmern. Ich mach das schon. Macht’s gut.“ Dann legte ich wieder auf. Um Daisuke etwas zu ärgern und um Ken den Ärger zu ersparen sich um das Telefon schlagen zu müssen. Die Tränen waren während des kurzes Gespräches wieder getrocknet, dennoch wischte ich mir über die Augen um sämtliche Spuren auszulöschen. Er hatte sich also nicht einmal bei Dai gemeldet... Es war eher Zufall, dass ich gerade hier war, sonst hätten die Beiden mich nicht einmal erreichen können. Ein Handy wäre in solchen Fällen richtig günstig. Taichi! Er musste es ja liegen lassen. Bei mir! Verdammt noch mal! Somit bin ich nach einem inneren Kampf wieder los gegangen. Ich wollte ihn finden. Er war bei keinem seiner Freunde. Ich hatte mich nämlich dazu entschieden bei Sora und Jou anzurufen, aber da ging keiner ans Telefon. Hikari war mit meinem Bruder und den Anderen zusammen, da brauchte ich mich auch nicht weiter zu erkundigen. Gab es sonst noch jemandem, von dem ich hätte wissen sollen? Möglichkeiten die keine sind.. wüsste ich wie ich zurzeit in diese digitale Welt kommen würde, hätte ich selbst da gesucht. Jedoch, wenn selbst ich nicht rein kam, so konnte Tai erst recht nicht dort sein. Ich suchte an den selben Stellen erneut. Nur um auszuschließen, dass er sich nicht auf Wanderschaft befand. „Yamato!“ .... Zur Zeit befand ich mich zirka eine halbe Stunde von mir zu Hause entfernt und vernahm eine bekannte Stimme. Eine weibliche bekannte Stimme. Ich wünschte ich hätte mich verhört. Ich wollte mal nicht so sein und drehte mich daraufhin um. Sora kam auf mich zugelaufen, lächelte schon wieder und trug ziemlich kurze Sachen. Früher sah man sie nur in Hosen und sogar sie spielte Fußball, doch jetzt schien sie mitbekommen zu haben, dass sie ein weibliches Wesen war und auf Kerle stand. Sie trug infolgedessen einen blauen Minirock mit einem passenden Oberteil und Overknees. Ihren komischen Hut trug sie mittlerweile auch nicht mehr, stattdessen zierten einige Spangen ihre kurzen Haare. „Hey.“ Ich klang wie immer. Versuchte es mir nicht anmerken zu lassen. „Wo ist Tai?“ Sie blieb vor mir stehen und zupfte sich nervös an den Haaren herum. So als wolle sie da noch etwas richten, was nicht zu richten war. Ich weiß nicht ob es sie wirklich interessierte wo Tai geblieben war. „Weiß nicht.“ Aber das war wohl das erste was sie immer fragte, wenn sie mich alleine sah. Man wusste schließlich, dass ich die meiste Zeit mit ihm abhing. Schüchtern blickte sie zur Seite und nickte. „Verstehe.. und was machst du so hier?“ „Den Abend genießen.“ „Achso.. hast.. du dann heute noch irgendwas vor..?“ Oh na super. Sie wollte doch nicht etwa...? Mir schwante Böses. „Nein.. ich meine doch.“ „Mh~?“ Sie blinzelte mich an. Der Versuch mir ihre weibliche Seite aufzubrummen brachte nicht wirklich was. Wie gut, dass sie nicht weiß, dass ich nicht auf sie stehe. Oder besser gesagt nicht auf das weibliche Geschlecht. War es mittlerweile auch schon so weit? Ich konnte doch immer noch etwas für Frauen übrig haben, oder nicht? Bis jetzt fühlte ich mich jedenfalls nur zu Taichi hingezogen... „Wir könnten ins Kino gehen. Um 21 Uhr läuft gleich noch ein Schöner.“ Ja Schneewittchen und die sieben Zwerge. Dabei warst du allerdings die Hauptrolle und irgendwelche notgeilen Säcke die Zwerge. „Nein, danke. Ich bin beschäftigt.“ „Komm schon... Wir.. haben uns doch schon so lange nicht mehr gesehen..“ Wo sie recht hatte... Aber dann sagte man doch zur Begrüßung so was wie ‚Lange nicht mehr gesehen, wie geht’s?’ und nicht ‚Wo ist Tai?’ „Nein verdammt!“ Wenn es anders nicht ging, musste man eben etwas lauter werden. War ja schlimm. Die würde ich bestimmt nicht mehr so bald los. „...tut mir leid.. ich will deine Zeit... wirklich nicht beanspruchen..“ Dann tu es doch nicht. Verschwinde. „..schönen Abend noch.“ Dann drehte sie sich um und der Ausdruck in ihren Augen erinnerte mich irgendwie an Tai. Jedes Mal, wenn ich irgendetwas sagte und dabei dachte, ich hätte ihn verletzt. Gerade dies tat ich auch bei Sora. Es tat mir nicht leid. Wieso sollte es auch? Ich sagte nein und sie nervte mich trotzdem weiter. Versteh mal einer die Frauen... Jetzt konnte ich noch ein letztes Mal in aller Ruhe suchen und es brachte dennoch nichts. Irgendwie hatte ich die ganze Stadt abgesucht. Und das in gut zwei Stunden. Es war bereits Stockdunkel und die Wege wurden teils nur noch durch Straßenlampen erhellt. Gewisse Stellen hatten überhaupt kein Licht und es graute mir dort zu suchen, allerdings wollte ich gerade diese Teile nicht auslassen. Ich gebe es auf. Er könnte sonst wo sein. In einer anderen Stadt, einem anderen Stadtteil.. was weiß ich denn. Mit gesenktem Kopf lief ich einen Weg entlang. Neben mir konnte ich gerade den Fluss rauschen hören und nicht weit vor mir stand eine Brücke. Man konnte gut darunter spielen, nur wenn man nicht aufpasste, dann war man schnell im Wasser..... Und dann durchfuhr mich ein Gedankenblitz. Ein Ort an dem ich noch nicht gesucht hatte. Ich sprintete nach unten, rutschte einen kleinen Abhang hinunter und ging unter die Brücke. Der Mond war das Einzige was den Platz hier erleuchtete. Und tatsächlich.. ich sah etwas. Eher gesagt sah ich da jemanden liegen. Er oder sie oder was auch immer regten sich nicht. Durch meinen eingeschränkten Blickwinkel lief ich einfach weiter nach vorn. Kurz vor ihm blieb ich stehen... ich konnte meinen Augen nicht trauen. Es war Taichi. Mein Taichi. Es war der Schock, dass ich mich nicht bewegte um ihn zu helfen… Er lag da... sah ziemlich mies hergerichtet aus und... hatte nichts an. Er war komplett unbekleidet überall an seinem Körper befanden sich Blessuren. Ich hatte die schlimmsten Befürchtungen. Mein Kopf fiel aus. Panik machte sich in mir breit und die Angst fraß mich innerlich auf. Ich wollte nicht wissen... ich wollte... ich konnte nicht... Was ist... wenn…? Keinen einzigen Satz darüber brachte ich fertig... ich musste es einfach riskieren. Deshalb ging ich auf ihn zu, kniete mich neben ihn und sah ihn an. Dann zog ich ihn ohne Worte einfach in meine Arme. Er war zum Glück nicht kalt und das Wetter hatte seinen Teil bestimmt auch dazu beigetragen. Ich stand kurz vorm Heulen, doch wollte ich mir diese Blöße nicht schon wieder geben. Dadurch merkte ich dann auch, dass Taichi noch atmete. Sein Oberkörper hob und senkte sich. Ich war etwas beruhigt, doch schlichen sich alle Möglichen Vorstellungen in meinen Kopf, was geschehen sein konnte. Ich strich ihm ein paar Haare aus dem Gesicht und achtete darauf, dass ich ihm nicht noch unnötig weh tat. „Yama... Yama-chan...“ Er war aufgewacht. Ich blicke ihm ins Gesicht und er öffnete seine Augen zögerlich. „..es...tut mir leid.“ Sein Lächeln war schmerzlich. Aber wieso..? „Das... ich weggelaufen... bin...“ Ich hab im Moment wirklich ganz andere Sorgen, als daran zu denken, dass du einfach abgehauen bist. Wie konnte er sich in dieser Situation nur für so eine belanglose Kleinigkeit entschuldigen? Ich nahm es ihm doch nicht übel.. nicht jetzt und nicht hier. „Psst..“ Ich wollte nicht, dass er redete. Er war schwach. Taichi lag auf meinem Schoß und ich zog mein Oberteil aus. Glücklicherweise hatte ich mir vorhin ein etwas Längeres angezogen und so würde es bei ihm das Nötigste verdecken. Wenigstens bis wir im Krankenhaus waren. Nachdem ich es ihm angezogen hatte machte ich ihm klar, dass er ärztliche Hilfe nötig hatte. Nur er wollte nicht. Er war einfach stur. Ich konnte nichts dagegen machen und musste schließlich nachgeben. So konnte ich seine Stimme schonen und die letzte Kraft die er noch hatte... Es war – wie gesagt – bereits dunkel und ich konnte Tai irgendwie auf meinen Rücken hieven. Wir liefen so auch nicht so schnell Gefahr, dass uns irgendjemand sah. Meine Gedanken drehten sich nur noch um das ‚wie’ und ‚was’ und vor allem ‚warum’. Ausfragen kam jetzt gar nicht in Frage. Er schien viel mitgemacht zu haben. Außerdem hatte ich auf dem Weg das Gefühl, dass er sich an meinen Rücken kuschelte und sich dort gar nicht mehr wegbewegen wollte. Zu Hause angekommen verfrachtete ich ihn erst einmal in mein Bett. Über die Schule machte ich mir jetzt auch keine Gedanken. Morgen würden wir später haben oder wir ließen sie einfach ganz ausfallen. Kam ganz darauf an, wie es ihm morgen gehen würde. Ich tendiere jetzt schon zu letzteren.. Akut wollte ich nun aber doch wissen was geschehen war. Wahrscheinlich war es ein Fehler ihn jetzt zu fragen, aber irgendwie musste ich ihm doch helfen.. „Tai.. was ist.. passiert?“ Ich stand vor meinem Bett und blickte zu ihm hinab. Er hatte die Augen geschlossen, war jedoch wach. „Ich mach dein Bett.. dreckig.“ „Egal..“ „Ich.. mach dich dreckig..“ „Tai..!“ Wovon redete er bitte? Es waren Rätsel und ich verstand sie nicht. Überdies liefen ihm plötzlich Tränen über das Gesicht. Seine Augen waren wieder geöffnet und er sah mich entschuldigend an. „Dreckig.. alles dreckig.. Es tut mir so leid...“ „Tai...“ Ich war hilflos. Hatte keine Ahnung was ich machen sollte und was ich nicht machen sollte. Wer hatte das mit dir gemacht? Und wer hatte WAS mit dir gemacht? Ich hatte so eine Angst vor der Wahrheit. Davor, dass es genau das war, was ich mir gerade dachte... Und alles andere war vergessen. Der Streit, das heute morgen... Im Moment zählte nur eins. Taichi. Er allein, der von Sachen redete die ich nicht verstand. Die für mich einfach keinen Sinn ergaben, egal wie oft er sie wiederholte und ich sie drehte. „Es ist okay...“ Es mag vielleicht nicht sonderlich hilfreich sein... „Ich bin dir nicht böse...“ ...aber vielleicht hörte er dann wenigstens auf sich für etwas zu entschuldigen wofür er nichts konnte. Er war völlig aufgelöst. Entschuldigte sich noch immer und meinte, dass er hier alles dreckig machen würde und dass er vor allem mich beschmutzen würde. Meine Gedanken bestätigten sich. Wort für Wort und Satz für Satz immer mehr. Mir stand das pure Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Kleine Männchen malten vor mir die mögliche Szene und ich war froh darüber, dass er endlich eingeschlafen war. Ich saß vor dem Bett auf dem Boden, hatte meinen Kopf auf der Matratze niedergelegt und versuchte ebenfalls etwas zu schlafen. Ich schaffte es nicht. Selbst der mangelnde Schlaf der letzten Tage ließ mich nicht ins Land der Träume entschwinden. Die Gedanken fraßen sich in meinen Kopf, mein Herz schmerzte und ich war so hilflos wie mein Vater, wenn er aufräumen sollte. Ich konnte bei niemandem Rat suchen. Niemanden um Hilfe bitten.. Es war nicht allein die Tatsache, dass ich niemanden außer ihn hatte, den ich etwas fragen konnte, sondern die Tatsache, dass es sich um ihn handelte und ich niemandem auf die Nase binden wollte, was geschehen war. Ich an seiner Stelle wollte in Ruhe gelassen werden und konnte gut darauf verzichten, dass man mir soviel Mitleid schenkte. Keiner würde es verstehen und keiner würde auch nur im Entferntesten daran denken, was er mitgemacht hatte. Da sagt man ‚Oh’ und zeigt ein besorgtes Gesicht und das war es. Wie es im Inneren eines Menschen aussah, darum kümmerte sich natürlich keiner. Dreckskerle. Wenn man denkt, dass es nicht mehr schlimmer kommt, dann kommt es erst recht noch schlimmer. Einige Stunden später war ich noch immer nicht eingeschlafen. Es war mitten in der Nacht. Vielleicht drei oder vier Uhr. Meine Augen fielen jedoch vor Müdigkeit zu. „Yama-chan...?“ Nachdem ich hörte, dass der Andere wieder aufgewacht war, riss ich meine Lider auf und richtet mich auf. Ich sah ihn an und wollte nicht zu viel Sorge zeigen. Gerade so viel, dass er sah, dass es mir nicht egal war. Taichi brauchte auch nicht lange um so etwas mitzubekommen, nicht einmal in diesem erbärmlichen Zustand.. „Ich bin da..“ Meine Stimme klang leise. „...“ Ich hoffte nur, dass er jetzt nicht wieder um Verzeihung bitten wollte. Irgendwann musste das doch sogar ihm auf die Nerven gehen. Und SO schuldig konnte sich doch kein Mensch fühlen. Vor allem nicht, wenn man nichts getan hatte. „Sie haben mich...“ Und es war keine Entschuldigung und auch kein ‚Ich mach alles dreckig’. Er fing an zu erzählen.. das zu erzählen was geschehen war. Vorhin wollte ich nicht mehr nachfragen und nun tat er es von ganz alleine... - Tbc. - -------------------------------------------- Um gleich einigen Missverständnissen aus dem Weg zu gehen: Ich mag Daisuke total gern. XD Er passt nur so gut, als ‚Störenfried’ in diese FF. :D Und es peppt die Story etwas auf. ^^ Außerdem klopf ich mir jetzt selbst einmal auf die Schulter! Bis jetzt schaffte ich es jedes Wochenende ein Kapitel hochzuladen. Mal sehen ob ich das beibehalten kann. >D Gleichzeitig einen Dank an alle Kommischreiber. Ich freu mich wirklich riesig darüber. ;_; Dank euch bin ich so motiviert weiter zu schreiben! >o< Danke (mal wieder xD) an fürs Betalesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)