Luna momentum von abgemeldet (Ich liebe dich doch so sehr) ================================================================================ Epilog: Friedhofgespräch ------------------------ Es war ein verregneter Tag, als Naomi in einem schwarzen Kleid mit einem Strauß Rosen im Arm den Friedhof betrat. Ihr Bruder würde sich über die weißen Blumen freuen. Als sie so gedankenverloren über den kalten Rasen schritt und die Grabsteine musterte, fiel ihr ein neuer auf. Ein Engel aus weißem Marmor. Ein Mädchen mit einer Rose in der einen Hand und einer Taube auf der anderen Hand. Das Mädchen hatte langes Haar und trug ein langes Kleid. Beides flatterte etwas im Wind, der der Steinskulptur eigentlich nichts anhaben sollte. Vor dem Grab standen zwei Frauen und legten einen kleinen Strauß auf eine Steinplatte, auf der ein Name stand, den Naomi nicht entziffern konnte. Die Frauen sahen aus wie Krankenschwestern. Sie unterhielten sich gedämpft, und als Naomi an das Grab ihres Bruders trat, konnte sie hören, worüber die Frauen sprachen. „Ihre Mutter war ja untröstlich.“ „Ich habe gehört, sie trifft sich jetzt regelmäßig mit der anderen Mutter, um über ihre Kinder zu sprechen. Sie war neulich da und hat es mir erzählt.“ „Weißt du, was seltsam war?“ „Was denn?“ „Aya hat ja ihre Haare lang wachsen lassen.“ „Ja.“ Die eine, eine etwas üppige Frau mit rosigen Wangen, senkte ihre Stimme, doch Naomi verstand sie trotzdem. „Als ich um Mitternacht nach ihr gesehen habe...“ „Da war sie tot, oder?“ „Ja. Aber das war nicht das Seltsame.“ Die Frau streckte sich. „Ihr Haar war bis auf Kinnlänge abgesäbelt und ich konnte weder eine Schere, noch ein einziges Haar in dem Zimmer finden. Unter dem Fenster war auch nichts.“ „Was?“ Die andere, eine sehr dünne Frau, die mit ihrem harten Gesicht einen Kontrast zu der anderen bildete, sah geschockt aus. Die andere nickte. „Ich schwöre.“ Stille. „Sie tat mir so wahnsinnig leid.“ Die Knorrige sah auf das Grab. „Wusstest du, warum sie eingeliefert wurde?“ „Hmmm...“ Die andere legte die Stirn in Falten. „Jetzt, wo du es erwähnst... ist sie nicht mit dem Tod ihres Freundes fertig geworden?“ „Genau.“ Die Alte sah auf einen Zettel. „Alles, was ich sie je habe sagen hören, bevor die in Stillschweigen verfallen ist, war ‚Aoru’.“ „Das war dann wohl sein Name?“ „Sieht ganz so aus. Und weißt du noch was?“ „Nein, was denn?“ „Auf einem Zettel, der auf dem Boden gefunden wurde, stand in einer ganz komischen Handschrift, die ganz sicher nicht ihre eigene war, ‚Ich liebe dich’.“ Naomi schalt sich selbst dafür, dass sie die beiden belauschte, doch sie konnte nicht anders. Dieser Tod schien so faszinierend... „Weißt du, was sie mir einmal gesagt hat?“ Die mollige Frau ließ einen vielsagenden Ton in ihre Stimme gleiten. „Sie mochte schon immer weiße Rosen, aber sie konnte nie welche bekommen, weil sie allergisch dagegen war.“ Naomi schielte auf das Grab ihres Bruders. Dann schüttelte sie den Kopf, warf den Gedanken beiseite und betete für ihren Bruder. Marco... Du konntest nur ein paar Jahre leben... das ist so unfair... Aber ich weiß, dass es dir dort, wo du bist, besser geht. Deine Krankheit war schwer und qualvoll, und du hast furchtbar gelitten... Naomi dachte nach. Ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, dann setzte sie noch einen letzten Teil an ihre übliche Verabschiedung: Wenn du da oben jemandem begegnen solltest, der Aoru oder Aya heißt, dann grüße sie bitte herzlich. Und es scheint, als hätten sie sich geliebt, wünsche ihnen alles Gute von mir. Naomi richtete sich auf und wollte den Friedhof gerade verlassen, als sie an dem nun verlassenen Grab vorbeikam und ein Gesprächsfetzen in ihr Gedächtnis kam. „Sie mochte schon immer weiße Rosen, aber sie konnte nie welche bekommen, weil sie allergisch dagegen war.“ Naomi drehte sich um. Sie lächelte noch einmal, dann lief sie zu Marcos Grab zurück und zog eine einzelne Rose aus dem Strauß. Sie nickte dem grauen Stein entschuldigend zu. Tut mir leid, Marco... eine kannst du ja wohl verschmerzen, oder? Ich will sie jemandem schenken...“ Sie legte die weiße Rose auf das Grab. Nach kurzem Zögern kniete sie sich ins Gras und wünschte Aya alles Gute für ihre Zukunft. Lächelnd und mit dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, hüpfte Naomi aus dem Friedhof. Die Haarsträhne, die im Wind vorbeiwehte, fiel ihr nicht auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)