Silberne Flügel, schwarzes Pferd von HiYasha (Feuerdämon und Wasserdrache) ================================================================================ Kapitel 1: Silberne Flügel, schwarzes Pferd ------------------------------------------- Wer genau aufgepasst hat, kennt dieses Kapi schon. Liël hat es vor einiger Zeit einmal ongstellt, aber es ist wohl nicht besonders aufgefallen. Da wir aber auf einer anderen FanFiktion-Seite damit recht viel Erfolg und zahlreiche Leser haben, versuche ich es noch einmal, diesmal unter meinem Accout. Diese Geschichte ist über viele Kapis ein Partnertext von Liël und mir. Liëls Vorliebe für Drachen und meine fanatische Liebe für Feuer entschieden unsere Charaktere: ein Wasserdrachen und ein Feuerdämon. Die 5 Elemente Wasser, Feuer, Erde, Luft und (nach buddhistischem Vorbild) die Leere sollten eine Rolle spielen, und natürlich ein gewisser Lord des Westens. Da wir aber auch nicht ohne sind, spielen auch die anderen Himmelsrichtungen und ihre Fürstenhäuser eine wichtige Rolle. Welche, das werdet ihr schon noch sehen. Dann lasst diesmal doch hören, wie es euch gefällt. Mein Lesezähler zeigt mir schon, ob ihr heimlich lest *g* Silberne Flügel, schwarzes Pferd Frischer Wind fuhr ihr durch ihre Haare und brachte den Duft des Frühlings mit sich. Tief sog sie diese angenehme Luft ein und ihre feinen Sinne erhaschten den noch blassen Geruch erster Blumen, den der knospenden Bäume und der Erde, die nun endlich wieder zum Leben erwachte. Sie liebte den Frühling. Er war ihre liebste Jahreszeit. Und hier stand sie nun, im Frühling an einem fröhlich plätschernden Fluss, der aus den Bergen kam und deshalb angeschwollen war vor Schmelzwasser. Die nächsten Tage würde er wahrscheinlich über sein Ufer treten, doch dann würde sie schon nicht mehr hier sein. Mit einem Lächeln auf den Lippen ließ sie sich in die Hocke nieder, schaute auf die bewegte Wasseroberfläche und hielt ihre rechte Hand in das eiskalte Wasser. Die Oberfläche spiegelte ihr Bild ganz verzerrt wider und so sah man darin nichts von ihren tiefblauen Augen, die ihre Farbe immer wieder zu verändern schienen, nichts von ihrem leicht ovalen Gesicht, dessen hohe Wangenknochen ihr ein edles und anziehendes Aussehen gaben, umrahmt von ihren langen, schneefarbenen Haaren. Aber das machte ja auch nichts, sie wusste ja, wie sie aussah. Ihre Finger fuhren durch das kalte Nass. So wie sie den Frühling liebte, liebte sie das Wasser. Es war das Element, dem ihre Seele, ihr Geist und ihr Körper geweiht waren, seit ihrer Geburt vor rund neunzig Jahren. Ihre Seele…ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. Ihre schöne, besondere Seele, eine Seele, die ihr so viel Macht gab. Sie erhob sich wieder und klopfte den Staub von ihrer engen Hose und dem langen, breiten Schurz, der vorn und hinten über ihre Beine glitt. Gehalten wurde er von einem schmalen, ledernen Gürtel, an dem ein Dolch in einer kunstvoll gefertigten Scheide hing. Über einem warmen Hemd trug sie eine leichte Rüstung aus dünnem, aber undurchdringlichem Eisen, die ihr Brust und Rücken schützte. Ihre Arme steckten in weiten Ärmeln und ihre Handgelenke zierten breite Reifen, ebenfalls aus diesem widerstandsfähigen Eisen geschmiedet. Darüber trug sie einen weiten Umhang, den sie zugebunden hatte, damit sie in ihrer Tracht nicht auffiel. Würde man sie sehen, sowie die eingravierten Ornamente auf ihrer Rüstung, würde jeder sofort wissen, um wen es sich bei ihr handelte, und das wollte sie verhindern. Sie trug die typische weiß-blaue Kleidung ihrer Familie, die bei jeder anderen Dämonenfamilie hoch im Ruf stand, sei er nun schlecht oder gut. Sie sah in die Richtung, aus der die Person eigentlich schon längst hätte kommen müssen, mit der sie hier verabredet war. Der Wind wehte über sie hinweg und trieb ihr ihre Haare nun ins Gesicht und fahrig schob sie die perlmuttweißen Strähnen hinter ihre Ohren. Es war so typisch für sie…sie verspätete sich immer. Man konnte inzwischen eigentlich schon meinen, dass sie es wenigstens einmal pünktlich zu einem Treffen schaffen würde! Aber nein, Jahr für Jahr ging das so, egal ob sie hier selbst mal ein wenig später als ausgemacht erschien, die andere übertrumpfte sie immer. Seufzend wippte sie auf ihren Füßen vor und zurück. Wenn sie Pech hatte, dann konnte sie noch eine schöne, lange Zeit hier warten. Sie drehte sich wieder zu dem Fluss um. Sie würde definitiv Pech haben! Sie setzte sich neben die rauschenden Wellen und wartete also. Kapitel 2: Die verspätete Reiterin ---------------------------------- Die verspätete Reiterin Kaika schaute über den lang gestreckten, sehnigen Hals ihres Reittieres nach unten. Die schwarzen Haare der gewellten Mähne flatterten im Wind und umspielten ihre schmalen Hände, mit denen sie die Zügel hielt. Sie hielt Ausschau nach der Freundin, mit der sie sich treffen wollte. Und sie war wieder einmal zu spät dran. Ein Seufzen entrang sich ihr. Sie würde es nie schaffen, auch nur einmal pünktlich zu sein. Immer fielen ihr noch so viele Dinge ein, die sie schnell erledigen wollte, und wenn sie dann endlich aufbrach, hatte sie zwar alles zu ihrer Zufriedenheit geschafft, aber ihr eigentliches Ziel aus den Augen verloren. Sie streckte sich weit über den sehnigen Körper des pechschwarzen, fliegenden Pferdes, das sie trug, nach vorne, um die Landschaft, die unter ihr vorbei glitt, besser erkennen zu können. Da unten musste irgendwo die Freundin auf sie warten. Wohlig sog sie den Duft der Blüten ein, die unter ihr gerade die ersten Knospen aus dem frischen Grün trieben. Endlich war der Winter vorbei und die Sonne wärmte mir ihren Strahlen wieder die Erde. Wie sehr sehnte sie sich nach der Glut des Sommers, nach Wärme und Feuer, ihrem Element. Der nasse, kalte Winter war ihr ein Graus, und nicht nur das bevorstehende Treffen, sondern auch das Ende der eisigen Zeit brachte ihre Gefühle in Hochstimmung. Sie war das lebende Element Feuer, und sie fühlte, wie die stärker werdende Sonne sie wieder mit Macht erfüllte. Die Federn an den Enden der mächtigen Flügel spreizten sich nach oben, als das Pferd zum Gleitflug in Richtung des glitzernden Flusses ansetzte, der im Tal vor ihnen lag. Kaika atmete auf. Gleich war sie da, da vorne war der ausgemachte Treffpunkt. Und sie konnte auch schon das silbrige Glänzen der Gestalt ihrer Freundin erkennen, die dort am Flussufer auf sie wartete. Es war ein erhebender Anblick, als das in der Sonne schimmernde Pferd kurz vor der Landung die mächtigen Schwingen anzog und sich dann sanft auf den Boden gleiten ließ. Als es sicher stand, faltete es die rabenschwarzen Flügel, so dass sie eng am Körper anlagen. Nun konnte man auch die Reiterin wieder erkennen. Sie war vollkommen in leuchtendes Rot gekleidet. Eine weite Hose ermöglichte ihr, das tänzelnde Pferd zielgenau mit ihren Schenkeln zu leiten, ein lockeres Oberteil mit weiten Ärmeln hüllte ihre schlanke Gestalt ein. Das Gewand war aus Feuerrattenhaar gearbeitet und gab seiner Trägerin Schutz vor sengenden Flammen, die sie sowohl selbst als auch ihr Reittier erzeugen konnte, wenn sie in Gefahr waren. Sie trug dieses Gewand immer, und die Ausrede, dass sie es zu ihrem Schutz brauchte, bewahrte sie auch davor, die eher femininen, aber doch stark einschränkenden Seidengewänder tragen zu müssen, die für Frauen sonst üblich waren. Ein warmes Lächeln erhellte ihr schmales, immer braungebranntes Gesicht, in dem die nachtschwarzen Augen diebisch funkelten. Lange, tiefschwarze Locken rahmten es und fielen ihr weit bis auf den Rücken, wo sie beim jedem Schritt ihres Reittieres üppig auf und ab wippten. Sui-jin hatte sich vom Fluss weggedreht und ihre Hand über ihre Stirn gehalten, um ihre Augen gegen das helle Sonnenlicht zu beschatten. Der frische Frühlingswind hatte einen neuen Geruch zu ihr her getragen, nämlich den ihrer Freundin. Und kaum hatte sie den Blick zu hohen Himmel gehoben, da hatte sie sie auch schon entdeckt gehabt. Wie immer in all den Jahren flog sie auf ihrem gewaltigen Streitross, das sie schnell durch die Lüfte überall dorthin trug, wohin sie wollte. Anders als Sui-jin konnte Kaika nicht selbst fliegen und war somit auf dieses beeindruckende Dämonentier angewiesen, wenn es um das schnell Reisen ging. Nichtsdestotrotz kam sie immer zu spät… Gebannt verfolgte Sui-jin den Landeanflug des rabenschwarzen Tieres und als es gelandet war und sich ihr bis auf ein paar Schritte genähert hatte, verschränkte sie ihre Arme und schenkte seiner Reiterin gleich mal einen anklagenden Blick, ganz so wie jedes Jahr. Kapitel 3: Das Treffen ---------------------- Endlich ist Kaika eingetroffen. Sui ist nicht gerade begeistert, dass sie wie immer zu spät kommt. Diese Kapi haben Liel und ich gemeinsam geschrieben, jede ihren Part und ihre Sätze...ich hoffe, es gefällt euch Das Treffen "Da bist du ja." Die kühle, verärgert klingende Stimme Sui-jins wehte zu Kaika hinüber. Ihr Blick hatte sich verdüstert und suchte finster den ihrer Freundin. Betroffen schaute Kaika zu Boden. Sie hatte es ja verdient, dass die Freundin sie schalt. Da stand sie mit den Zügeln ihres Reittieres in der Hand, das schon genüsslich an dem frischen Gras rupfte, das unter seinen Hufen hervor sprieß und sah aus wie ein gescholtenes Schulkind. Aber sie musste sich ein Lachen verkneifen. Sie wusste ja, dass es nervte, wenn sie immer zu spät kam. Um der Wut ihrer Freundin zuvor zu kommen, ließ sie die Zügel fallen und eilte mit einem verschmitztem Grinsen auf Sui-jin zu. "Komm her, meine Süße, und lass dich drücken. Und verzeih mir zum hundertsten Mal, dass ich nie pünktlich sein kann. Ich werde dafür auch irgendwann mal in der Hölle schmoren" Sui-jin ließ sich nicht besänftigen. "Natürlich wirst du in der Hölle schmoren, weil ich dich irgendwann noch persönlich dahin schicken werde! Weißt du eigentlich, wie lange ich hier schon stehe? Du wolltest bei Sonnenaufgang hier sein!" Noch wütend blitzte sie ihre beste Freundin an, die sie jedoch unbeirrt weiterhin entschuldigend anschaute und ihre Lippen zu einem lieben Lächeln verzogen hatte. Kurz herrschte Schweigen, dann seufzte Sui-jin. "Du bist unverbesserlich." Sie lächelte. "Das wirst du wieder gut machen, verstanden?" "Aber klar doch. Ich werde für dich tun was du willst. Du darfst bestimmen." Erleichtert schritt Kaika auf ihre Freundin zu und nahm sie stürmisch in die Arme. "Verzeih mir, du kennst mich doch. Immer hundert Sachen im Kopf und immer zu spät dran." Fest drückte sie ihren lockenbewehrten Kopf gegen die Schulter ihrer Freundin, doch dann hielt sie abrupt inne. Sui-jins verborgene Rüstung drückte sich ihr in die Rippen. "Hey, Mädel, was hast denn du vor? Du bist ja in voller Rüstung?" Sui-jin löste sich aus der herzlichen Umarmung, trat einen Schritt zurück und sah an sich hinab. Ihr dunkelblauer Mantel verdeckte ihre Rüstung, doch Kaika hatte sie natürlich gespürt. Sie sah auf. "Du kennst doch meinen Pa, er hätte mich ohne die Rüstung hier nie losziehen lassen. Außerdem" ,ihre Augen glitzerten stolz auf. "habe ich vor heuer an einem der Wettkämpfe teilzunehmen, die sie anbieten. Und dafür brauch ich nun mal diese Montur hier!" Sie öffnete ihren Mantel und zeigte Kaika mit geschwellter Brust ihre Rüstung und Tracht, die die Krieger ihrer Familie alle trugen. "Ja super, machst du endlich mal mit. Das ist doch so ein Spaß bei dem jährlichen Wettbewerb. Schön dass du deinen Papa überzeugen konntest. Und das Teil ist ja auch extrem schick. Kannst du bestimmt gut brauchen wenn wir dann dort die Weiber aufmischen." Bewundernd betrachtete Kaika die funkelnde Rüstung. Sie war wundervoll verziert und sehr filigran gearbeitet, so dass sie zu den zarten Zügen ihrer Trägerin passte. "Schade dass ich nur mein rotes Gewand habe, aber das ist dafür sehr bequem." Sie schaute lachend an sich herunter. Die nackten Füße ragten aus den weiten, roten Hosenbeinen, das Oberteil war locker gebunden und stand etwas offen, so dass die weiße Bluse hervorblitze. "Tja, mit dir kann ich nicht mithalten. Da ist es mir erst recht eine Ehre, dass eine so schöne Dame wie du mich begleitet." Sui-jin schüttelte lachend ihren Kopf. "Tu nicht immer so, als wärst du ein kleines, hässliches Entlein!" Sie drehte sich grinsend um und schloss ihren Mantel wieder fest. Kurz sah sie nach hinten zu ihrer Freundin. "Aus dir ist genauso ein schöner Schwan geworden wie aus mir! Nur dass du ein schwarzer, ungewöhnlicher und deshalb reizenderer Schwan bist. Du kannst also locker mit mir mithalten, nur mit anderen Stärken und Merkmalen, die ich nicht habe. Also," , sie ging ein paar Schritte weiter und schaute noch einmal schwungvoll zu Kaika zurück. "brechen wir dann auf?" Ihr Gesicht strahlte mit ihrem liebevollen Lachen, ihre Haare wirbelten herum und legten sich wie Nebel auf ihre Schultern. "Aber ja doch, meine Schöne. Ich hab eh Lust, meine mit der Sonne stark werdenden Kräfte mal wieder zu messen. Du bist ja bestimmt auch in Hochform, wo doch der Frühling deine Zeit ist." Das schwarze Pferd kam mit dumpfem Schnauben auf seiner Reiterin zu und stupste sie sanft von hinten an. Es schien zu spüren, dass die Frauen den Aufbruch beschlossen hatten und es seine Energie ausleben konnte, um sich wieder hoch in den Himmel zu erheben. Seine Herrin umarmte nochmals innig ihre Freundin, dann schwang sie sich auf den glänzend schwarzen Rücken. "Also, brechen wir auf und lehren unseren Gegnerinnen das fürchten." Sui-jin lächelte in sich hinein. Dann schloss sie ihre Augen und konzentrierte sich. Kaika lehnte sich etwas nach vorne auf ihrem Ross und beobachtete gebannt ihre Freundin. Kapitel 4: Aufbruch ------------------- Aufbruch Sui-jin atmete betont ein und aus. Dann öffnete sie mit einem Ruck die Augen und verwandelte sich: weißes Glühen hüllte ihren Körper ein und ihre Konturen verschwammen. Langsam breitete sich das Licht an ihrem Rücken aus, zog sich dort in die Länge, hob sich und wurde breiter. Kurz verharrte die Gestalt so leuchtend, dann erstarb das Glühen so schnell wie es gekommen war. Sui-jin stand da in ihrer wahren Gestalt. Der dunkle Mantel flatterte neben ihr am Boden und verbarg nichts mehr von ihrer Gestalt. Hoch ragten zwei gewaltige und doch zierliche Flügel an ihrem Rücken auf. Die Sonne brach sich auf weißen, feinen Schuppen, die das äußere Gefüge bedeckten, zwischen dem sich eine dünne Netzhaut spannte, und wurde bei jeder Bewegung in den Farben des Regenbogens reflektiert. Auch die Haut war hell und etwas durchsichtig und man sah ihr nicht an, wie widerstandsfähig und dehnbar sie war, unablässige Voraussetzungen dafür, dass man mit ihnen fliegen konnte. Doch die Flügel waren nicht das einzige, das sich an ihr verändert hatte. Ihre Magie und Verwandlung hatte sich mit ihrer bereits getragenen Rüstung verbunden. Ihr Brustpanzer hatte sich vergrößert, reichte nun bis zu ihrem Unterkörper, wo der vertraute, weiße Schurz haftete. Über ihre Oberschenkel hatte sich ein weiteres Gemisch aus kleinen, stahlharten Schuppen und der Eisenrüstung geschoben. Die Armreife an ihren Handgelenken hatten sich verlängert und reichten nun von ihren Handrücken bis zu ihren Ellbogen und endeten dort in scharfen Spitzen, die, richtig eingesetzt, eine gefährliche Waffe waren. Über ihren Hals hatten sich ebenfalls die Drachenschuppen gezogen und zogen sich unter ihren spitzen Ohren vorbei, danach verdickten sie sich etwas, gingen um ihre Schläfen herum und hielten so ihre Haare aus ihrem Gesicht. Sie hob ihre feingliedrige Hand, deren Fingernägel scharf in der Mittagssonne blitzten, und strich ihre Haare hinter ihre Schultern. Sie schaute sich um zu Kaika, die grinsend auf ihrem Pferd saß, und erwiderte mit blitzenden Augen, die nun die eines Drachen waren. "Ich bin so weit!" Damit ging sie ein wenig in die Knie und sprang kraftvoll in die Höhe. Gleichzeitig öffnete sie ihre großen, beeindruckenden Flügel und schlug mit ihnen zum ersten Mal die warme Frühlingsluft, was sie sofort einige Meter nach oben katapultierte. Die Reise ging weiter. Die beiden Frauen waren unterwegs zu einem großen Treffen, das jährlich stattfand. Dämoninnen aus dem ganzen Land trafen sich, um einen Wettstreit abzuhalten. In vielen verschiedenen Disziplinen traten sie gegeneinander an, mit viel Spaß bei der Sache aber durchaus auch mit großem Ehrgeiz und Disziplin. Männer waren bei diesem Turnier verboten, mussten die meisten der Teilnehmerinnen doch das ganze Jahr die Schmähreden und Verachtung ihrer männlichen Artgenossen ertragen. Dieses Treffen sollte ihre Kräfte und ihr Selbstvertrauen stärken, kampferfahrene Streiterinnen wiesen die Neulinge in die kunstvolle Anwendung ihrer Fähigkeiten ein, Probleme wurden lautstark diskutiert und Lösungen gefunden. Kaika freute sich riesig auf das Treffen, bei dem sie immer einen Mordsspaß hatte. Und diesmal würde nun auch ihre Freundin an den Wettbewerben teilnehmen. Viele verschiedene Mächte wurden dort angewandt. Die Vertreterinnen der fünf Elemente Feuer, Erde, Luft, Wasser und Leere versuchten mit den jeweils ureigenen Fähigkeiten die der Mitkämpferin zu übertrumpfen. Die daraus resultierenden Kämpfe waren durchaus ungewöhnlich. Die Frauen hatten keine Skrupel, auch ungewöhnliche Paraden zu bringen, mussten sie doch keinem hocherlauchten, männlichen Publikum gefallen. Gewertet wurde bei diesen Kämpfen auch die Originalität ihrer Attacken. Angespannt beobachteten die beiden Frauen die vorüber ziehende Landschaft unter ihnen. Es sah aus, als ob alle Naturkatastrophen auf einmal über das Land hereingebrochen wären. Immer mehr Flächen standen unter Wasser, so dass sie wie ein riesiger See in der Sonne glitzerten. Am zartblauen Frühlingshimmel zeichneten sich in der Ferne dunkle Wolken ab, auch Trichter furchtbarer Wirbelstürme stiegen auf und sackten wieder in sich zusammen. Blitze erhellten tiefschwarze Wolken, doch alles war nach Sekunden wieder verschwunden als ob nie ein Sturm den strahlenden Tag heimgesucht hätte. Vereinzelte Rauchsäulen stiegen auf und zeugten von dauerhafteren Vernichtungen. Die Feuerdämonen waren wohl voll am Werk, wie auch die Vertreterinnen des Elementes Wasser, da inzwischen alle unter ihnen liegenden Flüsse und Bäche über die Ufer getreten waren. Die beiden Frauen grinsten sich an. „Sie haben schon angefangen!“, rief Kaika ihrer Freundin zu, die neben ihr auf ihren seidigen Flügeln schwebte. „Ach ne, was du nicht sagst“, kam es darauf hin etwas sarkastisch zurück. Kaika blickte hinüber zu der in der Sonne schimmernden Frau. „Ja, erstaunlich, was? Wo wir doch nur einen Tag zu spät dran sind. Und da haben die nicht auf uns gewartet. Wird Zeit dass wir mitmischen.“ Und schon trieb sie ihr pechschwarzes Pferd an, in der Nähe der Zelte, die vor ihnen aufgetaucht waren, zur Landung anzusetzen. Kapitel 5: Die Banner der Familie --------------------------------- Na, viele Leser haben wir ja leider nicht. Schade... Sui muss nun mal bei ihrer Mami vorbei schaun. Dann könnt ihr sehen, wie die vom Wasserclan so drauf sind. Mein Fall sind sie ja nicht... Kaika findet dafür ein beinahe verlassenes Lager vor...die Feuerzeichen sind mal wieder auf Achse... Bussi Kaika/Hi-chan Die Banner der Familie Sui-jin schaute noch oben in der Luft über das Lager hinweg und suchte nach den Bannern ihrer Familie, die auf gehissten Fahnen im lauen Wind wehten. Sie befanden sich im westlichen Teil des großen Lagers. Sie sah zu ihrer Freundin hin, die den südlichen Teil ansteuerte, wo sie die Banner ihrer Familie entdeckt hatte. „Kaika!“ rief sie ihr zu. „Ich schau zu meiner Familie! Wir sehen uns dann wieder, OK?“ lachend winkte sie ihr zu und bekam sofort eine Antwort. „In Ordnung! Lern brav, verstanden? Vielleicht stehen wir uns ja gleich im Kampf gegenüber!“ grinsend gab sie ihrem Pferd die Sporen und Sui-jin schwenkte nach rechts ab zu den Zelten der Frauen ihrer Familie. Sui-jin segelte durch die Luft. Der Wind floss unter ihren Flügeln dahin und kitzelte ihre empfindlichen Flughäute. Übermütig schlug sie ihre Flügel in der Luft, rollte sich aufgeregt ein paar Mal um ihre eigene Achse und setzte schließlich in einer weiten Spirale zum Landeanflug an. Ihre Familie hatte seine Zelte in dem Teil des Lagers aufgestellt, das allen Arten von Wasserdämonen zugeschrieben worden war. Denn das ganze Lager war durch die fünf Elemente strukturiert worden. Im Westen lag das Element Wasser, im Süden Feuer, im Osten Luft, im Norden Erde und im Zentrum lag das Element der Leere. Sui-jin landete gekonnt und sanft auf dem von vielen Füßen zertrampelten Gras der Ebene, in der das Lager aufgestellt worden war. Sie war umgeben von vielen Zelten, aufgeschichteten Erdhügeln und einfachen Löchern im Boden, bei denen es sich um die Behausung der Dämonen handelte, und von dem Lärm hunderter Dämoninnen, die sich freuten, wieder hier zu sein. Auch wenn sie – Dank Kaika – wieder einmal zu spät erschienen war, war sie nicht die einzige. Neben ihr landeten immer wieder Dämonenfrauen und wurden dabei lautstark von ihren Verwandten und Freundinnen begrüßt. Also sah auch Sui-jin sich aufmerksam um nach jemandem, den sie selbst kannte. Kurz darauf entdeckte sie eine winkende Hand und mit ihr eine ihrer vielen Tanten. Sie lief ihr entgegen und wurde mit einem Lächeln empfangen. „Sui! Da bist du ja endlich! Wir haben schon heute Vormittag mit dir gerechnet! Hat Kaika wieder so lange gebraucht?“ wurde sie gleich gefragt und nickte zustimmend. „Wie immer. Sie ist zu spät gekommen. Wo ist meine Mutter?“ wollte sie wissen und ihre Tante wies ihr die Richtung. „Sie ist hinten in ihrem Zelt und bereitet sich mit deiner Großmutter und ein paar Schwestern auf ihren Kampf vor, sie wird gleich dran sein.“ „Wirklich?“ Ihre Mutter würde gleich kämpfen? Dann war sie doch noch nicht für alles zu spät gekommen. Sie verabschiedete sich und eilte zu dem besagten Zelt. Wenn ihre Mutter kämpfen würde, musste sie unbedingt dabei sein. Es war ein einmaliges Erlebnis und ein unvergleichliches Ereignis, wenn ihre Mutter was von ihren unglaublichen Kräften zum Besten gab, was sie auf keinen Fall verpassen durfte. Sie gelangte zu dem Zelt, vor dem zwei Wachen standen. Sie waren in voller Rüstung und trugen das Wappen von Sui-jins Familie stolz auf ihren Brustharnischen. Lange, spitze Speere hielten sie in eisernem Griff neben sich, allzeit bereit. Als Sui-jin an sie heran und vorbei trat, neigten die zwei Frauen ehrerbietig ihre Köpfe und ließen sie passieren. Kaika eilte derweil zu dem Flammenbanner, dem Wahrzeichen ihrer Familie. Das Lager war weitgehend verlassen, nur ihre quirlige Großmutter fand sie vor, eine noch jugendliche wirkende Frau, mit grauem, langem Haar. Sie ließ sich trotz ihres hohen Alters von 900 Jahren die Teilnahme an dem Frauenturnier nicht verweigern. Fröhlich grinsend nahm sie ihre mal wieder verspätet eintreffende Enkelin in die Arme. „Na, Kaika, hast du es wieder nicht rechtzeitig geschafft?“ „Ach Oma, du kennst mich doch.“ Die Gerügte drückte ihren Kopf an die Schulter der Großmutter und sog deren Duft nach Rosen ein, den sie so mochte. Die alte Dame hatte immer ein Gläschen mit dem Parfum dabei, das an einer Kette um ihren Hals hing. „Wo sind denn alle?“, fragte sie, als sie sich wieder von der Ahnin löste. Kaika betrachtete das verlassene Zelt, dessen reichlich verzierte Stoffbahnen aus Seide leicht im Wind flatterten. Auch wenn diese Behausung ihr nur vorübergehend Unterschlupf gewähren würde, so war sie doch, entsprechend der Stellung ihrer Familie, auf das Üppigste ausgestattet. Teppiche in allen Rottönen zierten den Boden, die wenigen Möbelstücke waren schlicht, aber von hervorragender Qualität, Felle auf den Bänken versprachen wunderbare Geborgenheit und trotzdem lag alles leer und verlassen da, da ihre Besitzer auf dem Turnier beschäftigt waren, flanierten, anspornten und kämpften. Kaika seufzte. So energiegeladen ihr Clan und überhaupt die Dämonen ihres Elementes auch waren, so flatterhaft waren sie auch, schnell da und schnell wieder verschwunden, wie das Feuer halt. Einen großen Zusammenhalt gab es, trotz ihres hohen Ranges nicht, man traf sich oder verpasste sich, es war nicht so wichtig. Immerhin erleichterte ihr dieser Umstand ihr alltägliches Leben. Als Mitglied der Herrscherfamilie des Südens kam sie so gut um die üblichen Etikette und Kleidervorschriften herum und konnte im Großen und Ganzen tun und lassen was sie wollte. Umso mehr musste sie bei ihrer Freundin aufpassen. Ihr waren Zusammenhalt und Familienehre wie auch ihr Auftreten äußerst wichtig, und sie wusste, wie sehr sie sie mit ihrer Nachlässigkeit treffen und verletzten konnte. Kaika wandte sich wieder an die Großmutter, die anscheinend auf sie gewartet hatte, was die junge Frau sehr freute. Sie waren beide nicht ganz so gedankenlos und oberflächlich wie der Rest ihrer Familie und verkehrten auch gerne mit Dämonen der anderen Elemente. Die alte Frau lächelte und antwortete der Enkelin auf die ziemlich überflüssige Frage. „Na, die sind alle bei den Kämpfen. Die gehen ja schon den ganzen Tag lang, und wenn du einmal pünktlich kommen würdest, dann könntest du auch dabei sein. Da wir nicht wussten, wann du wirklich eintreffen wirst, haben wir mal nichts für dich reserviert. Du kannst dich ja gleich noch für morgen anmelden.“ „Ja, das mach ich!“ Winkend rannte Kaika wieder davon in Richtung des langen Tischs, um sich dort für die Kämpfe eintragen zu lassen. Hoffentlich würde sie noch interessante Gegnerinnen zugewiesen bekommen. Kapitel 6: Im Zelt der Herrin ----------------------------- Diese Geschichte scheint es euch ja leider nicht so besonders angetan zu haben. Aber ich kann euch versichern, dass sie sich noch ganz schön steigert, was Spannung und Mitwirkende betrifft. Mal sehen, ob wir euch noch überzeugen können...wer noch alles mitspielt, hab ich extra nicht angegeben, sonst wäre die Überraschung ja kaputt. Im Zelt der Herrin In dem großen Zelt der Herrin war es angenehm warm. Der Boden war mit edlen Decken und weichen Kissen ausgelegt und Sui-jin zog ihre Stiefel aus. Dann ging sie weiter auf die Gruppe aus Frauen zu, die in der Zeltmitte um einen kleinen, dunklen Tisch herum saßen und sie freudig ansahen. „Sui, hat Kaika wieder länger gebraucht?“ fragte dann sogleich ihre Mutter und lächelte ihre junge Tochter an. „Ja. Wie immer.“, antwortete diese. „Feuerdämonen.“, kam es von links von Sui-jins Großmutter, die den Kopf schüttelte. „Denen ist wirklich nichts heilig.“ Sie war eine alte Dämonin. Ihr weißes Haar reichte ihr, wenn sie es nicht zu kunstvollen Frisuren hochgesteckt hatte so wie jetzt, weit über ihre Knöchel hinaus. Sie war hoch gewachsen und das auch noch in ihrem Alter von gut und gerne tausend Jahren. Niemand wusste das noch so genau und sie tat ebenfalls immer so, als wüsste sie es nicht, was Sui-jin ihr aber nie geglaubt hatte. Ihre Großmutter war eine der weisesten, stärksten und beeindruckendsten Dämoninnen, die sie kannte, und in so einem Fall wusste man sein Alter, egal was man sagte. Ihre Tochter, Sui-jins Mutter lachte. „Komm her, Kind. Setz dich, wir sprechen gerade die Aufstellungen für den Kampf durch.“ Sui-jin setzte sich mit an den niedrigen Tisch, an dem alle ein wenig enger zusammen gerückt waren. Neben ihrer Mutter und Großmutter saßen noch drei Tanten von ihr da. Sui-jin nahm an, dass sie ebenfalls an den Kämpfen teilnehmen würden. „Schau. Ich habe dich heute bereits angemeldet zu den Kämpfen, aber geschaut, dass du erst ziemlich spät an der Reihe bist, da ich vermutet habe, dass du wieder länger brauchen würdest.“, fuhr ihre Mutter vor und ein wenig aufgeregt beugte sich ihre Tochter weiter vor, um einen besseren Blick auf die ausgebreiteten Pläne zu haben, die über den Tisch ausgebreitet dalagen. Ihre Mutter wies mit ihren schmalen Finger auf ihren Namen. „Du wirst heute noch dran kommen, gleich nach mir. Deine Gegnerin wird eine Feuerdämonin sein, nicht aus dem Clan deiner Freundin, aber nichtsdestotrotz wird sie stark sein. Sie ist älter als du und ein wahres Genie in Sachen Nahkampf. Pass also auf, dass du ihr nicht zu nahe kommst.“ Sui-jin nickte immer wieder und versuchte, das Schwirren in ihrem Kopf zu unterdrücken. Irgendwie ging das alles ziemlich schnell… „Außerdem“, nun meldete sich eine ihrer Tanten zu Wort, „hat sie eine unglaubliche Kondition. Solltest du dir vornehmen, sie zu erschöpfen, wirst du das kaum schaffen, ohne selbst danach erledigt zu sein. Am besten ist es also, wenn du schnell und gründlich handelst und sie sofort mit einem Schlag besiegst.“ „Was heißt“, wieder ihre Mutter. „dass das hier alles fordern wird, was du bereits kannst.“ „Falls du es kannst.“, kam es im relativ düsteren Tonfall von ihrer Großmutter. Sämtliche Köpfe wandten sich ihr empört zu, und sie hob verteidigend ihre Hände. „Was denn? Es ist eine Feuerdämonin! Ich bin nur realistisch!“ Die linke Augenbraue ihrer ältesten Tochter ruckte nach oben. „Okaa-san, sei einfach still. Wir wissen alle zur Genüge, wie deine Einstellung zu den Feuerdämonen ist, da du uns oft genug darüber erzählt hast. Also lass deine Enkelin mit deinen Angst machenden Aussagen in Frieden!“ Angefressen schauten sich Mutter und Tochter kurz an, dann sprach Sui-jins Mutter wieder mit ihr selbst. „Du musst dir keine Sorgen machen.“, beruhigte sie sie. „Sie ist zwar eine erfahrene Dämonin auf ihrem Gebiet, aber du kannst ihr ebenbürtig sein, wenn du dich anstrengst.“ „Wenn ich mich anstrenge…“, wiederholte ihre Tochter sie. Sie befürchtete zu wissen, worauf ihre Mutter hinauswollte. „Ja, wenn du dich anstrengst. Also wirst du es versuchen!“ „Aber, Okaa-san, ich weiß nicht…“ „Sui.“ Eine weitere Tante mischte sich ein und lächelte sie ermutigend an. „Du versuchst es einfach und gibst dein Bestes. Bei diesen Kämpfen hier musst du niemandem etwas beweisen, und wenn du verlierst, ist es auch nicht schlimm. Dann versuchst du es einfach das nächste Mal wieder. Wir sind hier, um zu lernen und besser zu werden, noch niemand ist perfekt am Anfang. Schau deine Mutter an!“ Sie grinste ihre Schwester an. „Sie hat bei all ihren Kämpfen in den ersten vier Jahren, die sie hier teilgenommen hat, verloren!“ „Danke, das wollte ich hören.“, kam es trocken von der Angesprochenen zurück. Sui-jin schaute verwundert ihre Mutter an. Das hatte sie nicht gewusst. Sie hatte so oft verloren? Ihre Mutter? Die Frau, die seit dreihundert Jahren an der Seite des Herrn des Ostens stand? „Und das meiste waren Feuermagier, gegen die sie verloren hat.“, kam es zynisch von ihrer Großmutter, doch sie wurde von allen ignoriert. „Du siehst also, Sui, dass du ruhig deine neue Attacke einsetzen kannst. Wenn sie klappt, dann super, wenn nicht, dann nächstes Jahr. So einfach und unschlimm ist das!“ Sui-jins Mutter hatte wieder das Wort ergriffen. „OK…“ antwortete diese leise und ein wenig durcheinander. Es ging ihr auf einmal ziemlich schnell. Sicher, in den letzten Wochen, sobald festgestanden hatte und es ihr erlaubt worden war, dass sie an diesem Jahr zum ersten Mal selbst an den Kämpfen teilnehmen würde, hatte man sie so gut es ging auf diesen Tag hier vorbereitet. Man hatte mit ihr trainiert, ihr Tipps gegeben, sie mental und körperlich vorbereitet und mit ihr ihre neue Fähigkeit eingeübt, so dass sie beinahe schon vollendet war. Sie hatte seit Wochen gewusst, dass sie richtig kämpfen würde müssen, doch jetzt, in diesem Moment wirklich hier zu sein und zu wissen, dass sie in ein paar Stunden tatsächlich ihren allerersten ernsten Kampf antreten würde, versetzte sie doch in Unruhe. „Keine Sorge, Kind, das -“ draußen erschall plötzlich der laute Klang eines Signalhorns und Sui-jins Mutter verstummte. „Oh, es ist soweit. Haben wir uns so sehr verschwatzt?“ Sie stand auf und die Frauen um den Tisch herum taten es ihr sofort gleich. „Gegen wen kämpfst du, Okaa-san?“, fragte Sui. „Ach, gegen Tyri, diese alte Hexe. Ich bin ihr schon lange nicht mehr gegenüber getreten, mal sehen, ob sie sich wenigstens etwas verbessert hat und nicht mehr so schwach ist wie früher.“, meinte die Herrin des Ostens leichtmütig und nickte ihrer Familie aufmunternd zu. Ihre Augen funkelten vor Aufregung, die ihr ihre Tochter noch nicht ganz nachempfinden konnte. „Mögen die Kämpfe endlich wieder beginnen!“ Unter Lachen und Glückwünschen verließen sie alle das Zelt. Die Wache neigte ehrfurchtsvoll ihre Köpfe und blieb auf ihrem Posten, um das Zelt ihrer Herrin zu bewachen. ---------- Währenddessen war Kaika unterwegs, um sich anzumelden. Mühsam suchte sie den Weg zum Mittelpunkt des Turniers, wo wie jedes Jahr ein extrem langer Holztisch und mehrere Tafeln stehen würden. Dort warteten wieder viele Frauen, um die Anmeldungen anzunehmen und die Paarungen zu bestimmen, die sie dann auf den großen Tafeln auszeichneten, so dass jeder sehen konnte, wer wann gegen wen antreten würde. Aber erst musste sie den Anmeldungstisch finden. Es wurde schon langsam dunkel, und die Zahl der Zelte und damit auch die Entfernungen waren in diesem Jahr besonders groß. Flackernde Fackeln erhellten zwar die Umgebung, doch trotzdem waren die Wege schon relativ dunkel und kaum noch zu erkennen. Immer noch durchquerte sie das Gelände der Feuerzeichen, rot schimmernde Zelte mit ihren verschiedenen Wimpeln säumten die Wege und versanken langsam in der Finsternis. Gut, dass das Feuermädchen wenigstens mit ihrem inneren Glimmen für Licht sorgen konnte, sonst hätte sie gar nichts mehr erkannt. Nachdem sie den ganzen Tag mit der Freundin unterwegs gewesen war, fühlte sie sich nun ziemlich einsam und verlassen, und diese Leere, die sie immer wieder befiel, machte sich in ihren Kopf breit. Ihr fehlten Suis heiteres Lachen und ihre fürsorglichen Fragen. Nichts durchbrach diese lastende Stille, denn auch die Zeltstadt erschien wie ausgestorben. Ihre Bewohner schienen alle unterwegs zu sein um sich zu amüsieren, und so huschte Kaika völlig alleine die verlassenen Wege entlang. Beinahe vergaß sie schon, was sie eigentlich wollte, trabte nur noch ohne Nachzudenken die lange Reihe der Zelte entlang. Nein! Unwillig schüttelte sie den Kopf und kämpfte dagegen an. Nein, sie hatte noch etwas vor: sie musste sich anmelden. Und sie musste noch mal nach ihrem geflügelten Pferd sehen, dass sie am Stall am anderen Ende des Turnierplatzes abgegeben hatte. Sie seufzte und raffte dann die Schultern. Beinahe hätte sie sich verlaufen, doch zum Glück konnte sie in nicht allzu weiter Ferne den hell erleuchteten Platz mit dem großen Tisch erkennen. Schnell trugen sie ihren nackten Füßen durch das weiche, schon feuchte Gras. Die Anmeldung war schnell erledigt, und während die Frauen diskutierten, wen sie wohl morgen als Gegner erhalten würde, hielt sie Ausschau nach ihrer Freundin. Leider kam diese nicht. Bestimmt hatte ihre fürsorgliche Familie die Anmeldung bereits für sie erledigt. Kaika seufzte wieder auf. Irgendwie war es schön, wenn sich jemand um einen kümmerte. Die Signalhörner ertönten und kündigten einen neuen Kampf an, der gleich auf dem weiten Arenagelände stattfinden würde. Dort würde sie bestimmt auch die Freundin wieder finden. Kaika vermisste sie jetzt schon und war so froh, die nächsten Tage mit ihr verbringen zu können. Und sie musste morgen Ausschau halten nach der Weisen der Leere. In diesem Jahr wollte sie es wagen und sie um Rat zu fragen. Sie hatte von der Grußmutter endlich erfahren, warum sie sich manchmal so anders fühlte und gar nicht zum Rest ihrer Familie passte, die allesamt quirlig und lebensfroh waren. Da war diese seltsame Leere, die sie als erfasste, und manchmal hatte sie auch das seltsame Gefühl, nicht gesehen zu werden und sich regelrecht in Luft aufzulösen. Nun hatte sie es geschafft, dass die alte Dame sie aufgeklärt hatte, was ihr Name ‚flackerndes Irrlicht’ genau bedeutete, welche Fähigkeiten in ihr schlummerten, und sie hatte ihr damit auch ihre Ängste und Befürchtungen ein wenig nehmen können. Es war also alles in Ordnung mit ihr…als Mischling. Die Großmutter besaß also einen Erbanteil der Leere. Kaika hatte immer gedacht, dass alle Familienmitglieder reine Feuerelemente wären, aber ihre Ahnin hatte ihr gestanden, dass sie auch ein anderes Element in ihrer Linie führten. Das schien wohl von einem geheimnisvollen Seitensprung zu stammen, auf alle Fälle wurde es schamhaft verschwiegen. Und gerade bei ihr schien sich dieses Element besonders stark auszuprägen. Nun wollte sie das diesjährige Treffen nutzen und eine Meisterin dieses Elements bitten, sie in dessen unheimlichen Mächten einzuweisen. Denn keiner kannte sie, niemand konnte von ihnen berichten, denn wer sie je gesehen hatte, blieb verschwunden, so hieß es zumindest. Und man fühlte sich nicht mehr wohl, wenn so ein Zeichen nur in der Nähe war. Ob dies aus Furcht geschah, oder ob dieses Element wirklich in die Köpfe der sie umgebenden Dämonen eindringen konnte, war nicht einmal geklärt. Kaika hielt es eher für ein Vorurteil, aber beschwören konnte sie es auch nicht. Die Furcht vor der Leere war zu alt und zu groß, als dass sie sich davon völlig freimachen konnte. So wurde die Leere gemieden und war dementsprechend verpönt. Niemand mochte gegen sie kämpfen, denn keiner konnte doch gewinnen. Wie sollte man gegen das Nichts bestehen? Sie konnten sich einfach unsichtbar machen, aber auch die Gegner, ja sogar die ganze Welt verschlingen. Jedes Element fürchtete sie, und so wurden sie am Turnier zwar höflich geduldet, aber die Teilnahme blieb ihnen verwehrt. Trotzdem kamen sie jedes Jahr wieder als Zuschauer, und so hoffte Kaika, dass auch die ehrwürdige Weise wieder da sein würde in ihrem schwarzen, magischen Zelt, und dass sie zu ihr vorgelassen werden würde. Dann hätte sie schon großes Glück, denn meist blieben die Elemente streng unter sich. Aber erst wollte sie die Freundin aufsuchen. Kapitel 7: Auf zur Kampfarena ----------------------------- Auf zur Kampfarena Aufgeregt folgte Sui der Gruppe. Tyri…sie glaubte sich zu erinnern, dass ihre Mutter manchmal von ihr gesprochen gehabt hatte. Sie war eine alte Dämonin und gehörte der Herrscherfamilie des Nordens an. Sie war eine der großen Katzendämonen und kämpfte mit dem Element des Windes. Außerdem wusste sie noch, dass sie mächtig war. So mächtig, dass sie ihrer Mutter schon oft gefährlich geworden war, was ihr ihre Großmutter verraten hatte. Die Herrin des Osten schritt stolz durch die Zeltreihen hindurch und immer mehr Wassermagier, sei es nun, dass sie zu ihrer Familie gehörten oder sich ihr einfach so verbunden fühlten, schloss sich ihr an und folgten ihr hinaus aus dem Zeltlager zu den weiten Ebenen, in denen ihr Kampf stattfinden würde. Dort war seit dem frühen Morgen schon gekämpft worden, was die Verwüstung hier erklärte. Der Boden war aufgerissen und von tiefen Furchen zerschnitten worden, die teils mit Wasser gefüllt waren und so kleine Flüsse ergaben, oder ausgebrannt waren. Je nach dem welche Macht sie erwischt hatte. Die Zuschauer würden sich in einem weiten, lockeren Kreis um den Kampfplatz aufstellen, allzeit bereit, auszuweichen, sollte es notwendig werden. Solche Kämpfe konnten ganz schön ausschweifend sein. „Ah, da steht sie schon.“, kam es von vorne von Suis Mutter, die ihre Kontrahentin entdeckt hatte. „Also, los geht’s!“ Die sie begleitende Menge blieb nach und nach stehen, bis sie schließlich allein hinaus trat und sich Tyri entgegen stellte. Sui stand mit ihren Tanten und ihrer Großmutter und noch einigen anderen Verwandten, die zu ihnen gestoßen waren, in der ersten Reihe und beobachtete gespannt, wie der Kampf eröffnet wurde. Ein Kampf der Giganten würde es werden, wenn beide Frauen sich in ihren wahren Gestalten zeigten, was sie unweigerlich tun würden. Kaika konnte die weite, von hunderten von Fackeln erhellte Arena schon von weitem sehen. Damit auch alle Zuschauer das große Gelände gut überblicken konnten, wurde es von einigen schwebenden Feuerdämoninnen zusätzlich erhellt. So war von jedem Platz am Rande aus eine gute Sicht auf das Geschehen garantiert. Kaika konnte selbst nicht fliegen, und so eilte sie auf ihren flinken Beinen durch die Massen der Zuschauer, um dort ihre Freundin zu suchen. Am Rande des Kampfplatzes waren einige Bänke aufgestellt worden, die voll besetzt waren mit der Gefolgschaft der beiden kämpfenden Elemente als auch mit Zuschauern anderer Zeichen. Wer keinen Sitzplatz fand, stand in Gruppen zusammen und wartete gespannt auf den Wettstreit. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich, vielleicht auch, weil schon einige der Damen bereits kräftig gefeiert hatten. Kaika erhaschte einen Blick auf die große Fläche. Viele Kämpfe waren den ganzen Tag über schon ausgetragen worden, die deutliche Spuren hinterlassen hatten. Das Gras war völlig niedergetrampelt. An vielen Stellen war es verbrannt, teilweise war das Gelände versumpft. Erdwälle und tiefe Spalten zogen sich quer durch das Kampfgelände, das doch einige hundert Meter Durchmesser besaß, um dem Können der Damen genug Raum zu geben und die Zuschauer vor den Auswirkungen zu schützen. Das Innere der Kampffläche wurde extra so belassen, wie sie von den Vorgängern zugerichtet worden war. So mussten zwar die Nachfolgerinnen mit teilweise erschwerten Bedingungen vorlieb nehmen, dafür gestaltete es aber die Wettbewerbe abwechslungsreicher. Dort drüben sah sie den Wimpel des Wasserclans, dem Sui angehörte. Da musste auch die Freundin zu finden sein. Aber zuerst erkannte sie nur die hochgewachsene Gestalt mit den weißen Haaren, die sie nur zu gut kannte. Es musste die zynische Großmutter sein, die von Feuerdämonen gar nichts hielt und ihr das jedes Jahr auch deutlich unter die Nase rieb. Um sie herum standen noch mehr edel gekleidete Damen, alle so hochnäsig und erhaben wie immer. Nun, sie sahen wirklich gut aus, ihre Rüstungen waren wunderschön gearbeitet und ihre Gewänder schimmerten in allen Farben. Die meist grünen, blauen oder türkisfarbenen Haare wurden entweder lang getragen und wogten wie Wellen um die schmalen Schultern ihrer Trägerinnen, oder sie waren zu kunstvollen Hochfrisuren aufgetürmt. Die Haare von Suis Clan waren alle weiß wie frisch gefallener Schnee. Daran konnte sie die Familie gut erkennen. Kaika mochte diese Wasserdämonen nicht, nur ihre Freundin war die große Ausnahme. Vorsichtig schlich sie sich in der Dunkelheit an die Gruppe heran und hielt die Großmutter dabei im Auge. Deren Zunge war spitz und boshaft, und sie würde ihr gerne eins auswischen bevor sie sie aus dem Schatten heraus treten und sich der Freundin anschließen würde, die sie inzwischen mitten in der Gruppe entdeckt hatte. Sie konnte einfach nicht widerstehen und so streckte sie schnell die Finger ihrer rechten Hand aus und konzentrierte sich. Ein Strahl hoch gebündelten Lichtes trat aus und erreichte in Sekundenschnelle das Hinterteil der alten Dame. „Autsch!“ Empört blickte sich die Großmutter um, konnte aber niemanden erkennen der für ihren Schmerz verantwortlich war.. Inzwischen stahl sich Kaika grinsend auf die andere Seite der Gruppe, wobei ihre Gestalt schemenhaft zu werden schien. Nicht einmal der messerscharfe Blick der alarmierten Alten konnte sie erkennen. Dort entfernte sie sich erst noch, bevor sie, wieder voll sichtbar, der Gruppe schon laut rufend und winkend entgegen kam. „Hallo, Sui!“, meldete sie sich schon aus einiger Entfernung. Kaika war nicht sonderlich beliebt bei Suis Clan, und das nicht nur wegen ihrer ewigen Verspätungen. Ein paar der Damen funkelten sie böse an, aber Kaika lies sich nicht davon abhalten, zu ihrer Freundin zu eilen. „Na, hast du noch einen Kampf heute Abend?“ Sui strahlte ihr entgegen. „Ja, meine Mutter hat mich schon angemeldet. Gleich jetzt nach ihrem eigenen Kampf werde ich gegen ein Feuerzeichen antreten. Hoffentlich wird es nicht so schwer. Und du? Hast du auch noch was ergattert?“ „Nö, wer zu spät kommt…morgen erst.“ Kaika betrachtete das schmale Gesicht ihrer Freundin. Es würde ihr erster Kampf sein an dem sie teilnahm. Bestimmt war sie nervös. Schnell fasste sie ihre Hand und drückte sie fest. „Du, ich muss mal meine Leute suchen. Die stehen hier bestimmt irgendwo rum. Das Lager war nämlich ausgestorben. Ich bin bestimmt wieder da bis dass du kämpfen musst, OK?“ Die zierliche Wasserdämonin nickte und blickte noch der rot gekleideten Freundin nach, die rasch in der Menge verschwand. Kapitel 8: Kampf der Giganten ----------------------------- Nun kommt ein längeres Kapi von Sui über den Kampf ihrer Mutter. Da fliegen die Fetzen... Kampf der Giganten Dumpfe Klänge riesiger Trommeln ertönten vom Kampfplatz, die nächste Auseinandersetzung stand unmittelbar bevor. „Das wird sicher spannend!“ sagte eine von Suis Tanten neben dem Mädchen. Sämtliche Blicke waren auf die beiden Kontrahentinnen gerichtet, die nun allein mitten auf dem weiten Feld standen und sich erst einmal nur anschauten. Der Kampf war bereits losgegangen, doch noch verhielten sie sich ruhig und wogen ihre Möglichkeiten und Taktiken ab. Es wurden viele Erwartungen in diesen Kampf gesteckt und denen mussten sie gerecht werden. Es war plötzlich so, als hätten sich die Gegnerinnen ein geheimes Zeichen gegeben: Der Schlagabtausch begann von einem Moment auf den anderen. Beide sprangen vom Boden ab und schnellten in einer unglaublichen Geschwindigkeit aufeinander zu. Jede zog im Flug ihre Waffe, Suis Mutter ein schmales Katana, Tyri zwei lange Dolche und im nächsten Moment klirrten die Waffen gegeneinander. Sofort stoben sie wieder auseinander, nur um sich gleich erneut anzugreifen. Nun setzten sie ihre Magie ein. Suis Mutter schoss auf ihre Feindin zu, doch bevor sie sie erwischen konnte mit ihrem Schwert, verschwand diese ins Nichts, materialisierte sich augenblicklich wieder hinter der Herrin des Ostens und stieß ihre Dolche nach ihr. Doch was die eine konnte, konnte die andere schon länger. Suis Mutter löste sich ebenfalls auf, ihr Körper verwandelte sich in reines Wasser und klatschte zu Boden, in den es augenblicklich versank. Der Angriff von Tyri ging also ins Leere, doch das störte sie nicht weiter. Sie hatte schon oft mit dieser Technik zu tun gehabt und wusste, wie sie mit ihr umzugehen hatte. Sie sprang in die Höhe und flog noch ein Stück weiter, damit ihre Gegnerin keinen Angriff von unten her starten und sie so überraschen konnte. Als sie das erste Mal gegen sie gekämpft hatte, hatte sie sie mit dieser Art des Kampfes dran gekriegt. Dieses Mal nicht! Nein, dieses Mal würde sie den Kampf bestimmen und gewinnen und sie herauslocken. Sie verharrte in der Luft und beobachtete den Boden unter ihr genau. Die Gegnerin konnte jeden Moment wieder auftauchen und dann hatte sie selbst vor, sie anzugreifen und mit einem Schlag zu besiegen. Niemand sollte die Luft unterschätzen! Doch sie tauchte nicht auf. Wollte sie Tyri etwa wieder zu Boden locken? Aber das würde nicht klappen! „Gut, wenn du nicht willst, dann zwinge ich dich dazu!“, flüsterte sie und hob ihre Arme. Sie beschwor den Wind und er gehorchte ihr aufs Wort. Die Zuschauerinnen unten hoben ebenfalls ihre Arme, jedoch um sich zu schützen. Sie hielten sie sich vor ihre Gesichter, als beißender Wind plötzlich über die Ebene sauste und Staub und Steine mit sich trug. Aber er wurde immer stärker! Sui hörte einige Flüche und Verwünschungen um sicher herum und versuchte, trotz der jetzt sehr schlechten Sicht und den umherwirbelnden Steinen nach vorne zu sehen, um mitzubekommen, was als nächstes geschah. Beeindruckt und verängstigt zugleich beobachtete sie das Geschehen dort. Aus dem Wind hatten sich drei gewaltige, dreckiggraue Trichter gebildet, die von der Erde bis hoch in die Wolken reichten und alles unter ihnen zerstörten! Abgehackt zuckten sie hin und her, rissen da den Boden auf, trugen ganze Gesteinsbrocken hinauf in den Himmel und schleuderten sie wild umher. Immer tiefer gruben sie sich in die Erde und höhlten einen riesigen Krater aus, in dem unweigerlich ihre Mutter sich irgendwo befinden musste! Beunruhigt schaute Sui in den Krater und suchte ihn nach Zeichen ihrer Mutter ab, aber vergebens. Selbst wenn sie dort wo sein sollte, war es ziemlich unmöglich, sie bei dieser schlechten Sicht und der Entfernung auszumachen. „Was macht sie nur wieder?“ schimpfte ihre Großmutter neben ihr und genau dasselbe fragte sich Sui auch. Doch dann wusste sie es auf einen Schlag. So wie jede andere Dämonin um sie herum. Denn sie fühlten es alle, fühlten plötzlich die steigende Macht genau vor ihnen, die Macht einer wütenden Dämonin, einer Drachin, die vorhatte, zum entscheidenden Schlag auszuholen! „Das macht sie?“, gab deren Mutter ungläubig von sich. „Jetzt schon? Wegen dem bisschen Wind?“ Sui sowie sämtliche ihrer Tanten, die das gehört hatten, verkniffen sich einen Kommentar und schauten nur gebannt geradeaus. Die Erde bebte. Mächtige Magien strömten unter ihren Füßen und über ihren Köpfen dahin und jagten Sui kalte Schauer über den Rücken. Sie hatte es zwar schon oft miterlebt, wenn zwei Dämonen von dem Level ihrer Mutter miteinander kämpften, aber es war immer wieder aufs Neue erschreckend, wie stark sie waren. Ob sie jemals ebenfalls diese Macht erreichen würde? Die freigesetzte Magie wurde größer und plötzlich riss der gesamte Boden des Kraters auf! Ein Brüllen ertönte und nicht nur Sui schlug ihre Hände über ihre Ohren, so laut war es. Tyri in der Luft schaute erschrocken auf die Erde unter sich und brachte sich schnell noch höher in Sicherheit. Dass diese Drachin sich jetzt schon verwandelte…warum? War sie nervös? Sah sie die Aussichtslosigkeit ihrer Lage? „Hm“, machte Tyri konzentriert. „dann lässt du mir wohl keine andere Wahl.“, sagte sie und verwandelte sich ebenfalls. Sie riss ihre Augen auf, die sofort stechend gelb erglühten. Ihr Gesicht zog sich in die Länge, ihre Zähne wurden scharf und spitz und entwickelten sich zu einem gewaltigen Gebiss. Ihre Hände verformten sich zu Klauen, ihre Nägel wuchsen und verhärteten sich. Ein tiefes Knurren drang aus ihrer Kehle. Leuchtende Schwaden erschienen um sie herum und hüllten sie immer dichter ein, dann schossen sie hoch gen Himmel. Sie zogen sich in die Länge und Breite, waberten unkontrolliert in dem noch immer heftig wehenden Wind, der sie schließlich auflöste. Vier gewaltige Tatzen mit langen, scharfen Krallen erschienen, sehnige Beine folgten ihnen, die mit dichtem, braunem Fell überzogen waren. Sie mündeten in einem riesigen, drahtigen Körper und endlich sah jede der unten stehenden Frauen die Dämonin in ihrer wahren Gestalt. Sie riss ihren Kopf nach hinten, brüllte wütend und lautstark in der durchpeitschten Luft, der Wind trug ihre Stimme weit über die Lande. Die Katzendämonin schwebte über ihnen, schlug mit ihrem Schweif durch die Luft, was ein dröhnendes Rauschen verursachte. Tief beeindruckt standen die Zuschauer unten auf der Erde und warteten nun auf die andere Dämonin. Diese kam auch, um ihre Kontrahentin endgültig dran zu kriegen. Ungeduldig beobachtete die mächtige Katze den Boden weit unter ihren Füßen, der gleich darauf wieder zu beben begann. Langgezogene Erdhaufen zogen sich nacheinander durch ihn durch und zerstörten die Erde immer weiter bis sie aufbrach und das zweite Ungeheuer frei ließ. Ein noch lauteres Brüllen als das der Katze und des Windes hob sich über alles hinweg und einige der Frauen hielten sich wieder ihre doch empfindlichen Ohren zu. Steine und Geröll flogen erneut durch die Luft und prasselten weit verstreut nieder, da sie mit so einer Kraft hoch geschleudert worden waren, als die Drachin, verwandelt, aus der Erde hervorgebrochen war. Fasziniert betrachtete jeder den neuen, gewaltigen Körper, der vor ihnen erschienen war. Suis Mutter hatte sich komplett verwandelt. Ihr Körper war nun der eines Wasserdrachen. Majestätische Schwingen spannten sich auf, schlugen einmal und trugen sie hoch zu ihrer Feindin. Der Wind konnte ihr in ihrer Größe nichts mehr anhaben. Immer höher wurde sie getragen. Das wenige Licht, dass durch den aufgewirbelten Staub noch durch drang, spiegelte sich auf den Schuppen wider und wurde perlmuttfarben und glitzernd zurückgeworfen. Der lang gezogene Körper schien aus lauter kleinen Regenbögen zu bestehen. Nichtsdestotrotz war er kräftig und muskulös. Der schlangenhafte Körper schlängelte sich nach oben auf die Katze zu, riss ihr Maul auf und brüllte erneut. Ihre blau glühenden Augen fixierten die gelben und im nächsten Moment tobte die Schlacht erbarmungslos am Himmel. Jede versuchte der anderen tiefe Wunden zuzufügen. Die Katze schlug mit ihren Krallen zu, konnte aber die harten Schuppen nicht verletzen. Die Drachin schnappte immer wieder nach Kehle und Bauch ihrer Gegnerin, die ihr aber jedes Mal geschickt auswich und sich nun auf die Flügel der anderen konzentrierte. Suis Mutter erkannte sofort den neuen Plan und brachte schnell viel Abstand zwischen ihnen beiden. Die andere Dämonin setzte ihr sofort nach, doch plötzlich schoss der lange Schwanz der Drachendämonin vor, wickelte sich fest um deren Körper und drückte zu. Verblüfft und wütend fauchte das Opfer, schlug wild um sich und biss zu. Sie erwischte die empfindliche Kehle der Drachin und die gewaltige Kraft ihrer Kiefermuskeln ermöglichte es ihr, den Panzer zu durchdringen und die Kehle zu zerfetzen. Ein Aufschrei ging durch die Menge unten. Suis Mutter stieß einen erstickenden Schrei aus und griff zu ihrer List. Das Gebiss der Katze krachte auf einmal zusammen, als der Widerstand geschwunden war. Der gesamte Körper der anderen löste sich auf! Nur mehr Wasser befand sich zwischen ihren Zähnen, auch der Druck auf ihren Rücken und Bauch war verschwunden! Sie hatte sich komplett in Wasser aufgelöst! Verärgert schrie die Katze auf und sah sich um. Weiter tobten die Tornados um sie herum und verteilten das Wasser fein in der ganzen Umgebung. Ihre Sinne waren geschärft wie selten, ganz genau besah sie sich alles um sich herum, wartete auf eine verräterische Bewegung, auf eine Energie, die ihre Gegnerin verriet. Ungeduldig bewegte sie sich durch die Luft, sprang von einem Ort zum anderen, doch ihre Gegnerin war absolut nirgends zu erkennen. Doch auf einmal ging alles ganz schnell. Sie wollte wieder springen, konnte aber ihre Hinterläufe nicht mehr bewegen! Überrascht schaute sie nach hinten und panisch riss sie ihre Augen auf: Sie fror ein! Das Wasser in der Luft hatte sich auf ihr Fell gelegt und es durchnässt. Und nun brachte die Drachin es zum Gefrieren! Unglaublich wütend bäumte sie sich auf, versuchte ihre Beine frei zu bekommen, aber das Eis breitete sich immer weiter aus, griff nach ihrem Rück und Bauch, lähmte ihre Vorderbeine und zog sich mit tödlicher Präzision ihren Hals hinauf. Ein letzter Schrei entrang sich ihrer Kehle, bevor sie völlig einfror. Sie war geschlagen. Das Eis grub sich in ihren Körper, fror ihr Blut ein, ihr Herz, alles. Sie verlor das Bewusstsein und stürzte nach unten. Der Wind löste sich auf, es wurde ruhig. Die Katzendämonin krachte auf den aufgerissenen Boden und blieb besiegt liegen. Staunendes Schweigen lag über allen. Dann sammelte sich neben der großen Katze Wasser. Es floss von überall zusammen, und aus der Pfütze des kühlen Nass erhoben sich erst die Konturen einer Person. Das Wasser verfestigte sich und die Herrin des Ostens stand wieder da in ihrer alten, menschenähnlichen Gestalt. Sie hatte gewonnen! Wieder! Zuerst brach ihre Familie in Jubel aus, der sich auf alle Wasserdämoninnen ausbreitete. Die des Windes, die Anhänger Tyris, schwiegen betreten und enttäuscht, auch verärgert. Suis Mutter stand neben Tyri und mit einer kleinen Bewegung ihrer Hand hob sie den Zauber auf, der das Wasser zu Eis hatte werden lassen. Es schmolz und ganze Bäche flossen den gewaltigen Katzenkörper herab, in den langsam das Leben wieder zurückkehrte. Total geschwächt verwandelte er sich zurück, wurde kleiner, das Fell verschwand und schließlich lag Tyri wie vorher da. Sie war ohnmächtig. Mit einem Siegeslächeln drehte sich die Drachin um zu den Zuschauern. Sie hatte es geschafft, natürlich, und jetzt war ihre Tochter an der Reihe. Kapitel 9: Feuer und Eis ------------------------ So, nun geht es ab und Sui muss sich beweisen. Ihre Gegnerin hab ich zum Leben erweckt, Sui stammt von Liel/Sui.Bin gespannt, ob euch der Kampf gefällt. Ein kleines Rev wäre lieb...blinker Feuer und Eis Sie setzte sich in Bewegung und steuerte auf ihre Familie zu. Einige liefen ihr bereits entgegen und ein paar ihrer vielen Schwestern klopften ihr gratulierend auf die Schultern. Doch über allem erschallte bereits wieder das Horn, das die nächsten Kämpfer aufrief. Tyris bewusstloser Körper wurde von Angehörigen ihrer Familie Feld geschafft, damit dem letzten Kampf an diesem Tage nichts mehr im Wege stand. Sui ging wie die anderen ihrer Mutter entgegen und blieb vor ihr stehen. Diese legte ihr lächelnd eine Hand auf ihre Schulter und sprach ihr Mut zu: „Gib dein Bestes! Streng dich an und sollte es doch nicht klappen, ist es weder schlimm, noch eigentlich verwunderlich. Es ist dein erster Kampf gegen jemand Fremdes, der dazu noch ein wenig stärker ist als du. Trotzdem besteht für dich eine reelle Chance, die du nutzen kannst.“ Sie beugte sich vor und flüsterte, damit niemand sonst sie hören konnte: „Diese Chance besteht aus dem hohen Wassergehalt in der Luft, den ich hinterlassen habe. Zieh deinen Trumpf gleich am Anfang, damit deine Gegnerin nicht den ganzen schönen Wasserdampf verschwinden lässt!“ Sie stellte sich aufrecht hin und zwinkerte ihrer Tochter aufmunternd zu. „Gib dein Bestes und du wirst uns damit stolz machen!“ Damit ging sie weiter und die Menge zog sich wieder zurück und ließ Sui allein stehen, die sich nun nach ihrer Gegnerin umschaute. Und sie musste nicht lange warten, da kam sie auch schon aus der großen Masse an Feuerdämonen jeglicher Art, die ihr allesamt zujubelten und sich mit dem Jubel der Wasserdämonen einen wahren Wettkampf lieferten. Mit einem Lächeln trat die Dämonin auf Sui zu und blieb einige Meter von ihr entfernt stehen. Sui spannte ihre Muskeln an, hob ihre Arme und konzentrierte sich voll und ganz auf ihre Gegnerin. Sie war groß, hatte dichtes, dunkelrotes Haar, das ihr wild über die Schultern fiel, ihre Augen schienen Sui zwei glühende Kohlen zu sein, die sich fest auf sie richteten. Ihr Gesicht war hager und kantig, ihre Hände und Finger sowie ihr ganzer Körper waren lang und dürr. Eine Schönheit stand ihr da wahrhaftig nicht gegenüber. Was hatten sie ihr über ihre Gegnerin gesagt? Sie war ausdauernd wie kaum eine Dämonin und ein Ass im Nahkampf. Sie musste also alles auf eine Karte setzen und das gleich zu Beginn. Sprich jetzt. Doch bevor sie sich sammeln konnte um ihren Angriff vorzubereiten, sprang sie irritiert in die Höhe. Der Boden unter ihr war so heiß geworden, dass er ihr durch ihre Schuhe hindurch die Füße verbrannte. Ein kurzer Blick auf ihre Gegnerin versicherte ihr, dass diese die Ursache für die plötzliche Hitze war. Hämisch grinsend wurde sie taxiert. Dieser Feuerhexe selbst schien es ja nichts auszumachen, lebendig gebacken zu werden. Aber was viel schlimmer war, der von Wasser getränkte Boden begann zu kochen, immer dichter werdende Dampfschwaden stiegen hoch und beschränkten die Sicht. Bald würde man gar nichts mehr erkennen können. ‚Gut.’, dachte sich Sui. ‚Der Dampf macht mir nichts aus, er hilft mir sogar noch, auch wenn es schwieriger werden wird, ihn zu gefrieren. Keine Sorge,’, ihre Gedanken wurden grimmig ‚ich werd’s dir nicht einfach machen!’ Sie sprang in die Luft und verwandelte sie sich blitzschnell in ihre Drachengestalt. Die Zuschauer beobachteten sie dabei gebannt, verfolgten wie ihre schlanke Gestalt sich in ein glänzend beschupptes Wesen verwandelte, dessen Rüstung Teil ihres neuen Körpers wurde. Sofort breitete Sui ihre zarten Flügel aus. Sie musste ja nicht am Boden kämpfen, sie konnte nun ohne Probleme fliegen. Doch sie musste schnell sein, der Boden musste sich wieder abkühlen, damit ihre Technik funktionierte. Leider hatte ihre Gegnerin jedoch genau das Gegenteil vor. Der Morast unter ihr begann zu kochen und die ersten Lehmblasen spritzen in die Höhe und ergossen sich beinahe über Suis Körper. Inzwischen war das Gelände unter ihr zu einem blubbernden Inferno geworden. Kochend heißer Lehm spritze über all empor, Wasserdampf zischte aus zahlreichen Spalten, die sich in der geplagten Erdoberfläche auftaten, es stank nach Fäulnis und Schwefel. „Maaaannn.“, maulte Sui, schlug mit den Flügeln und flog in die Höhe. ‚Jetzt oder nie!’ dachte sie und begann mit ihrer Magie. Sie konzentrierte sich, breitete ihre Arme weit aus und fühlte die Magie des Wassers in sich und das Wasser um sich herum. Es gab ihr Kraft und sie setzte ihre Macht frei. Blaues Gleißen umgab ihre Gestalt, und schimmerte wie Licht, das von einer Wasseroberfläche widergespiegelt wurde. Ihr Blick richtete sich nach unten, suchte ihre Gegnerin, die nach wie vor an Ort und Stelle stand. In ihrem Kopf formte sich ein Gedanke, den sie mit aller Kraft verband und wirken ließ. Ihre Handflächen richteten sich zum Boden hin und schickte alle Magie hinaus, die sie aufwenden konnte. Das Licht um sie herum wurde strahlendhell und blendete alle Umstehenden, dann wurde es plötzlich kalt. Alles gefror. Der Boden verlor seine Hitze, der aufgeweichte Lehm gefror mit einem Schlag und auch der Wasserdampf in der Luft. Doch diesen formte Sui zuvor noch mit ihren Gedanken und errichtete so hohe Mauern aus Eis, die den Boden nun überzogen und einen wahren Irrgarten bildeten, in den ihre Gegnerin eingeschlossen wurde. Sie selbst schwebte darüber hinweg und atmete tief und schwer. Es hatte sie doch viel mehr Kraft gekostet, als sie gedacht hatte, ihre Technik anzuwenden. Der gesamte Kampfplatz war nun ein einziges Labyrinth, dessen Gänge von hohen, dicken Mauern gebildet wurden und auch eine Decke hatte sich auf dieses gelegt, um so jegliches Entkommen zu verhindern. Die Feuerdämonin saß in der Falle, die Mauern waren zu dick, um sie mit einer einfachen Attacke zu durchbrechen. Und das Beste war, sie, Sui, konnte sich im Labyrinth frei bewegen. Sie flog zu Boden und landete vor der äußeren Mauer des eisigen Käfigs. Ihre Flügel verschwanden wieder und mit einem Lächeln trat sie in die Mauer ein. Da es ihre Magie war, konnte sie mit dem Eis verschmelzen und so in das Innere gelangen und alles zu ihrem Vorteil wenden. Von einem Moment auf den nächsten war sie im Eis verschwunden. Die Feuerdämonin blickte verärgert um sich. Sie war gefangen in einem Raum aus Eis. Grimmig schüttelte sie sich, hasste sie doch nichts so sehr wie die Kälte, die von den blau schimmernden Wänden ausging und den Raum erfüllte. „Na warte, du kleiner Wasserbalg, dir werde ich schon noch einheizen.“ Sofort begann sie, den Raum aufzuheizen. Immerhin war ihr schon nicht mehr kalt. Aber der Gestank des sich erwärmenden Lehms und die Tautropfen der Eiswände waren nicht nach ihrem Geschmack. Sie musste hier raus, und zwar schnell. Außerdem vernahm sie ein seltsames Knistern in der Wand vor ihr. Sui bewegte sich lautlos durch das Eis und fand sofort ihre Gegnerin. Ruhig und konzentriert verharrte sie in einer Wand und formte in ihren Händen lange, harte Messer. Diese schleuderte sie kurz darauf von sich. Mit tödlicher Präzision flogen sie auf die Feuerdämonin zu. Diese lachte nur kurz auf, als sie die rasiermesserscharfen Klingen auf sich zukommen sah. Sie erhob kurz die Hand und schickte aus ihrer Handfläche eine gleißende Feuerwand auf die Messer zu. Da die Waffen aus Eis geformt waren, schmolzen sie in dem Feuer augenblicklich dahin. Nur einige Tropfen berührten den inzwischen wieder stark erhitzen Boden.Die rothaarige Frau grinste und hob dann wieder lässig ihren rechten Arm. Aus der Spitze ihres ausgestreckten Zeigefingers drang plötzlich ein scharfer, gebündelter Strahl. Er traf die Wand genau dort, wo sich Sui verborgen hielt. Diese konnte gerade noch blitzschnell ausweichen, denn als der Strahl auf die Wand traf, schnitt er sofort ein tiefes Loch in diese hinein. Die Feuerdämonin führte den Strahl weiter und hatte schon in kurzer Zeit eine große Öffnung in die Eiswand geschmolzen. „Wird Zeit, dass ich hier abhaue“. Mit einem belustigten Blick sprang sie schnell durch die Öffnung hindurch und war verschwunden. Sui fluchte in einer stillen Ecke vor sich hin und folgte dann der Frau. Ihre Gegenerin war zwar dieser Kammer entkommen, jedoch war sie lediglich in die nächste gelangt, die sie nun schließen würde: Sich verdeckt haltend befahl sie dem Eis, zu wachsen. Und das tat es auch. Die Mauern um ihre Gegnerin wurden immer dicker und arbeiteten sich immer weiter in den Raum vor, um die darin stehende Dämonin zu zerquetschen! Schnell schoss das Eis weiter, das Loch, dass die Rothaarige sich heraus gebrannt hatte, war bereits wieder verschlossen und sie hatte kaum mehr Platz um sich zu bewegen. Die Feuerdämonin war ziemlich verärgert darüber, dass schon wieder festes Eis sie umschloss. Und es kam auch noch auf sie zu. Dachte die Kleine etwa, sie könne sie einschließen? Das Feuer gefangen nehmen? Da musste sie aber früher aufstehen. Die Frau begann sich im Kreis zu drehen. Der Platz reichte kaum noch dazu aus, sie musste die Arme eng an den Körper anlegen. Aber mit jeder Umdrehung wurde sie schneller, und ihr Körper begann so rot zu glühen wie ihre Haare. Schneller und schneller drehte sie sich, das Eis schmolz um sie herum und gab ihr wieder Raum. Ihre Gestalt begann unscharf zu werden, Flammen züngelten an ihr, und ihr Inneres begann zu glühen. Erst in einem tiefen Dunkelrot, dann orange und mit jeder weiteren Umdrehung wurde sie heller und durchsichtiger. Inzwischen leuchtete sie von Innen in einem tiefen Blau, ihre Gestalt war nur noch eine Silhouette, die von Flammen umgeben war. Dann stieß sie sich ab und sprang in die Höhe. Die feste Eisdecke konnte ihren Durchbruch nicht stoppen. Die Feuersäule fraß sich mühelos durch diese Wand und durch alle anderen, die die kleine Wassernixe aufgebaut hatte. Endlich war sie wieder im Freien und atmete genüsslich die herrliche Frühlingsluft ein. Die Glut in ihr verblasste wieder. Die Feuerdämonin stand etwas abseits von dem Labyrinth, dass ihre Gegnerin erschaffen hatte. Bewundernd betrachtete sie die vielen Irrgänge und Mauern. „Nicht schlecht für so eine kleine Wassermaid. Wo die doch sonst nur alles überschwemmen. Aber ich werde deine tollen Mauern trotzdem nicht stehen lassen. Also komm raus und zeig dich, bevor ich dich kochen werde.“ Die letzen Worte hatte sie geschrieen. Kaika zuckte zusammen als sie die drohenden Worte vernahm. Die um sie herum stehende Verwandtschaft grölte auf, als sie die Warnung hörte, nur Kaika machte sich Sorgen um ihre zarte Freundin. Die Alte dort war eine erprobte Kämpferin, gegen die sie kaum eine Chance hatte. „Scheiße! Verdammte Oberscheiße! Mistvieh! Waaaaaaaa!“ Sui zeterte einen Kraftausdruck nach dem anderen in ihrem Eispalast und stampfte wütend auf. „Das ist doch nicht wahr, oder? Miststück! Wie kann sie’s wagen, einfach auszubrechen?“ Sie verstummte wieder und fragte sich, was sie jetzt tun sollte. Welche Möglichkeiten hatte sie noch? Das hier war ihre stärkste Attacke gewesen, die viele Gegner restlos besiegt hätte, aber nicht diese Feuerdämonin… Dann hörte sie deren Stimme, die durch das Eis gedämpft in das Innere des Labyrinths drang. „Also komm raus und zeig dich, bevor ich dich kochen werde!“ ‚Mich kochen?’ wunderte sich Sui wütend. „Vorher erfrierst du jämmerlich!“, zischte sie zurück. OK, auch wenn das ihre beste Attacke war, sie hatte sehr viel Eis um sich herum, und das konnte sie noch nutzen! Ein Gedanke von ihr ließ ihre Gestalt im Eis nach oben tragen, bis sie schließlich oben aus der Decke herauskam und missmutig auf die Ebene vor sich blickte, wo ihre Gegnerin mit einem hämischen Grinsen im Gesicht stand und auf sie wartete. Die rothaarige Kämpferin gluckste vergnügt. „Ah, da bist du ja. Jetzt pass mal auf, dass du keine heißen Füße bekommst. Jetzt mach ich nämlich deinen netten Eispalast kaputt.“ Sie hob beide Arme und schoss eine Feuersalve auf das blinkende Labyrinth ab. Salve um Salve jagte sie den Mauern entgegen, die unter der Hitze zu schmelzen begannen. Sie drehte und wendete ihre Arme, und die Funken prasselten von allen Seiten auf das Geflecht von Mauern und Wänden ein. Die ersten Bereiche kippten schon um. Flüssiger Lehm tropfte herunter und verwandelte den Boden wieder in einen Morast. Weiter trieb die Feuerdämonin die Flammen an, zielte nun auf das zarte Mädchen, das immer noch auf der Decke des Raumes stand, indem sie sich vorher verborgen hatte. Dampf stieg wieder auf, diesmal laut zischend und tosend, da er mit grimmiger Macht freigesetzt wurde und durch die extremen Temperaturunterschiede ins wirbeln geriet. Doch Sui lächelte nur. Genau das hatte sie gewollt. Die Attacke der Dämonin schaffe Wind. Kalte und warme Luft stieß aufeinander, gemischt mit Wasserdampf. Und Suis Magie tat ihr Übriges. Sie hob die Hände und sammelte das restliche Eis, zerkleinerte es und mischte es mit dem aufkommenden Wind. Sie selbst hatte zwar keine Macht über diesen, aber dafür sorgte die andere schon. Ihr Eis wurde zu kleinen Hagelkörnern und Schnee verarbeitet, den sie in großen Wirbeln hoch schickte, sie errichtete eine wahre Wand daraus und sandte sie mit aller Kraft gegen die Feuermagierin. Ein Blizzard von der höchsten Stärke raste auf ihre Gegnerin zu und begrub sie in sich. Kapitel 10: Blizzard -------------------- Blizzard Kaika reckte den Kopf, um genug sehen zu können, was auf dem großen Kampfplatz abging. Beißend kalt war es geworden, da ihre Freundin gewaltige Schneemassen erzeugt hatte. Ein eisiger Sturm zerrte an ihrer Kleidung, und wäre das rote Gewand nicht aus Feuerrattenfell, hätte sie gar in der eigentlich lauen Frühlingsnacht jämmerlich gefroren. Die dunkle Wand eines Schneesturms hatte Suis Gegnerin vollständig verschluckt, doch die johlenden Feuerdämonen auf den Rängen spornten sie an, mit der Kälte Schluss zu machen. Kein Feuerzeichen konnte Eis und Schnee leiden, und da sogar die Zuschauer nicht ungeschadet davon kamen, forderten sie tobend eine neue Attacke. Die alte Dämonin unter dem Schnee ließ sich da nicht zweimal bitten. Langsam wurde es ihr zu bunt, sie fing schon an zu frieren. Und so weit sollte es in einem Turnier dann doch nicht kommen. Hier würde sie noch etwas mehr einheizen müssen. Das Eis musste verschwinden, und zwar ohne jeglichen Dampf, sonst kam die Kleine wieder auf so blöde Gedanken. Brrrr, wie sehr hasste sie die Kälte. Jetzt war gerade der Frühling gekommen, und den ließ sie sich nicht von so einem Grünschnabel verderben. Also, wohin mit dem ganzen mistigen Schnee und Eis? In die Luft oder in den Boden? Na, ab in den Boden damit, dann kam die Wasserbraut nicht mehr dran, damit wäre endlich Schluss mit dem Quatsch. Die Dämonin schloss die Augen, viel sah sie in dem dunkeln Schneeberg eh nicht. Sie konzentrierte sich auf ihre Füße, die nackt auf dem matschigen Gras standen, das noch nicht vom Schnee bedeckt war. Sie nahm Verbindung auf zu den Feuerströmen in den Tiefen der Erde. Ja, nicht weit entfernt spürte sie die glühende Hitze drängen, rot glühendes Gestein floss wie ein unterirdischer Fluss durch das Innere der Erde. Sie lenkte es um, hob es an, hinauf zu ihr, und nur einige Meter entfernt von ihrem Standort brach sie dann den Boden auf. Das war ein Teil der Magie, die sie einem Erdzeichen verdankte, das in ihre Familie eingeheiratet hatte. Ganz praktisch, gerade in diesem Fall, wenn man auch heiße Erde oder kochendes Gestein bewegen konnte. Durch den tiefen Spalt sah man die träge fließende Lava leuchten, gefährlich und unheilvoll. Das dumpfe Glühen war durch den Schnee hindurch erkennbar, jedoch konnten die Zuschauer und auch ihre Gegnerin nicht genau erkennen, was sie vorhatte. Der Spalt brach weiter auf und mit einem großen Wisch ihrer Arme trieb sie die Schneemassen in den Spalt. Mehrmals holte sie aus und trieb mit ihrer Zauberkraft das verfestigte Wasser in den brodelnden Spalt. Dann schloss sie ihn wieder, bevor der entstehende Dampf entweichen konnte. Und damit sie wieder warme Füße bekam, beschwor sie einen Wüstenwind herauf, der nicht nur sie, sondern auch die Zuschauer und die Umgebung mit seinem heißen Atem umfing. Tja, das war das Vermächtnis des Uronkel väterlicherseits, einem Windmagier. Man sollte immer alle Mächte nutzen können, die in einem wohnten. Zufrieden grinste sie. Das Gelände trocknete in sekundenschnelle ab, der Boden wurde hart und bekam Risse, wie in einem Dürregebiet. So, jetzt war es wieder trocken hier und mehr nach ihrem Geschmack. Mal sehen, was die Kleine nun machen würde. Triumphierend schaute sie dem zierlichen Mädchen entgegen. „Na, gibst du auf?“ Sui stand wütend da und überlegte fieberhaft. Auch atmete sie schwer, sie hatte schon viel Energie und Magie verbraucht. Und ihre neue Attacke hatte auch nichts bewirkt. Langsam gingen ihr die Ideen aus. Eine Möglichkeit stellte noch der Nahkampf dar, doch sie sagte sich schon selbst, dass ihr das nicht weiterhelfen würde. Vor ihr stand eine Spezialistin für Nahkampf und in ihrem Zustand würde sie das nicht lange aushalten können. Vielleicht sollte sie wirklich aufgeben. Sie war am Ende und die andere sah noch topfit aus. Aufgeben war also eine gute Option, bevor sie noch ernsthaft Schaden nahm. Aber wirklich? Sie war eine Prinzessin des Ostens. Ihre Familie stand bei ihr, was würden sie sagen? Ihre Mutter hatte ihr gesagt, sie solle ihr Bestes geben. Hatte sie das bereits getan? Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Nein. Das Beste bestand nicht nur aus ihrer stärksten Attacke, sondern auch aus ihrem Durchhaltevermögen, ihrem Willen zu gewinnen und stark zu sein. Die Feuerdämonin sah die geballten Fäuste der jungen Kämpferin. Da war aber jemand ganz schön wütend. „Na komm, Kleine, gib auf. Du hast tapfer gekämpft, und für dein zartes Alter sind ein Blizzard und ein Eislabyrinth schon ein paar prächtige Pluspunkte. Ich werde dich nicht direkt angreifen, da kannst du machen was du willst, denn ich vergreife mich nicht an jungen, unerfahrenen Mädchen. Ich werde mich nur gegen deine Attacken wehren bis du umfällst. Aber lieber noch würde ich mein Feuer verwenden, um einen Ochsen damit zu braten. Und zu diesem Essen würde ich dich auch gerne einladen, denn du hast dir große Anerkennung errungen. Na, was ist? Kommst du mit feiern?“ ‚Junges, unerfahrenes Mädchen?’ zornig blitzten ihre Augen auf. ‚Pah! Also wirklich! OK; ich bin vielleicht noch jung. Aber unerfahren? Obwohl…das ist mein erster Kampf hier. Und sonst hab ich nur immer gegen meine Familienmitglieder gekämpft. Was soll ich tun? Gemein! Das ist so was von gemein! Und Hunger hätte ich auch…’ Unentschlossen schaute sie zu ihrer Familie hinüber. Was würden sie tun? Würden sie ihr ein Zeichen geben? In einer Reihe standen sie alle da, ernste Gesichter beobachteten das Geschehen. Die alte Dämonin, die inzwischen neben ihr stand, lachte auf. Sie hatte den suchenden Blick bemerkt, den ihre Gegnerin zu ihrer Mutter sandte. „Ha, da kannst du lange warten. Bevor deine ehrgeizige Mama dir den Segen gibt, aufzugeben, wird die Hölle zufrieren. Deine werte alte Dame bricht sich doch einen ab hier die Stärkste und Mächtigste zu sein. Hey, wir sind gekommen um zu feiern und unsren Spaß zu haben. Komm doch einfach mit und lass die Alte stehen. Ich verspreche dir, unsere Feten sind ein wenig Familienärger wert. Schau, da drüben ist Kaika, das ist doch deine Freundin. Die will auch dass du kommst.“ Sui schaute immer noch fragend zu ihrem Clan hinüber. „Hast’n schlechtes Gewissen, Kleine? Na komm, ich geb’ dir Deckung, sag, ich will dich als Pfand haben bis morgen. Na, was ist??“ Sui senkte ihren Blick. Es klang verlockend ihr Angebot, gar keine Frage. Aber…es ging nicht. „Nein.“ Antwortete sie und ihre Stimme klang fest und bestimmt. Kapitel 11: Die Feuersäule -------------------------- Sui wird betsochen, und es klingt sooooooo verlockend. Aber ehrgeizig wie sie ist, gibt sie dem Drängen nicht nach sondern kämpft tapfer weiter. Die Feuersäule Sui schaute trotzig auf, direkt in das Gesicht der nahen Dämonin. „Ich kann nicht. Man erwartet es von mir, hier nicht einfach aufzugeben. Und solange ich noch kämpfen kann, will ich es tun. Ich soll mein Bestes geben und auch wenn ich dir nicht gewachsen bin, werde ich es dennoch versuchen.“ Sie spannte ihre Muskeln wieder an und ging in Angriffsposition über. „Du meine Güte, du bist aber hartnäckig. Na, bei der Mutter kann ich das gut verstehen.“ Mit abfälligem Blick schaute sie hinüber zu der vornehm gekleideten Gruppe Wasserdämonen, die gebannt zu ihrem Clanmitglied herüber starrten. „Warum die so von Ehrgeiz zerfressen sind, verstehe ich auch nicht. Hey, das Leben ist da, um Spaß zu haben. Du, kleine Wasserlady, hast deinen Teil mehr als gut erledigt. Und jetzt hau’n wir noch mal schön auf den Putz, damit die Mama auch zufrieden ist, Ok?“ Die alte Frau hatte ihr die Worte leise zugeflüstert und Sui war gespannt, was nun kommen würde. Blitzschnell richtete die Feuerfrau sich auf und breite die Arme aus. Ein Feuerstrahl kam vom Himmel geschossen und hüllte das Mädchen ein, ohne jedoch sie selbst oder ihre Gewänder zu entflammen. Sie stand gefangen stand in einer hohen Feuersäule, umspielt von züngelnden Flammen. Überrascht blickte Sui sich nach allen Seiten um. Sie spürte rein gar nicht, keine Hitze, kein wabernder Lufthauch, der von der Feuersbrunst erzeugt wurde, einfach nichts. Als sie aber den Rand der Säule berührte, züngelten die Flammen an ihrer Hand hoch und verbrannten ihr dort die feinen Härchen. Schnell zog sie sie wieder zurück und schaute zu ihrer Gegnerin hin. Diese lächelte sie kameradschaftlich an mit einem verräterischen Blick in ihren Augen. Sui erwiderte diesen Blick und sprach ein stummes ‚Danke’ aus. Jetzt musste sie sich befreien. Am Rand des Kampffeldes stand Suis Mutter und schüttelte unwillig ihren Kopf. Sie war zwar stolz auf ihre Tochter, dass sie nicht aufgab, auch als diese Feuerdämonin ihr solche verlockenden Gedanken in den Kopf gesetzt hatte. Doch diese Feuersäule würde den Kampf beenden. Sui war dieser Magie einfach noch nicht gewachsen. Es war wohl doch zu früh gewesen, Sui ganz alleine an einem solchen Wettbewerb teilnehmen zu lassen. Sui wusste von den Blicken, die auf ihr ruhten, und sie wusste von den Ansprüchen, die an sie gestellt wurden. Eine Prinzessin des Hauses des Ostens hatte zu gewinnen. Das und nichts anderes war Ziel jeden Kampfes und wurde selbstverständlich auch von ihr gefordert. Und so sammelte ihre letzte verbleibende Kraft und schickte sie aus, um diese Säule zu sprengen. Doch es kam anders, ganz anders. Sie hatte vor, das Feuer zu löschen, und erschuf aus ihrer Magie so viel Wasser wie möglich und schleuderte es mit aller Kraft gegen die Flammen. Doch es war, als hätte sie Öl hervorgezaubert. Das Wasser verdampfte sofort, ohne das Feuer auch nur im Geringsten zu beeinträchtigen. Wasserdampf wirbelte in der Säule um sie herum und wurde immer heißer. Alles wurde auf einmal heiß, unerträglich heiß um sie herum. Sie bekam keine Luft mehr und ihr wurde schwindelig. Übelkeit stieg in ihr empor. Die Hitze setzte ihr zu, durchdrang all ihre Kleider, den Panzer, selbst ihre Haut glühte schon. Und sie wurde immer größer. Ihre Lungen brannten, als hätte man sie gekocht, ihre Kehle kratze, und so viel sie auch schluckte, der Schmerz wurde immer größer. Sie japste nach Luft und meinte, nur noch glühenden Rauch einzuatmen. Erschöpft und völlig am Ende ihrer Kräfte sank sie auf ihre Knie und hielt sich ihre Kehle. Sie atmete schwer, hatte das Gefühl, überhaupt keine Luft mehr zu bekommen. Die Hitze nahm nochmals zu, dann schwanden ihre Sinne und alles wurde schwarz vor ihren Augen. „So, das reicht jetzt.“ Auch wenn ihre tapfere, kleine Gegnerin einfach nicht klein bei geben wollte, das war eindeutig genug gewesen. Die Feuerdämonin schaute auf das zusammengesunkene Mädchen, das im Dampf verschwand. Sie musste da raus, bevor sie durch gekocht wurde. Schnell ließ sie die Feuersäule mit einem lauten Knall explodieren und sprang dann mitten hinein in die dicksten Schwaden. Das war genau das, was sie gebraucht hatte. Die Kleine hatte ihr auch ohne Absprache genau das geliefert, was sie benötigte. Keiner konnte sie mehr sehen, und so konnte sie ungestört handeln. Das Publikum fing erwartungsgemäß schon an zu tuscheln, als auch die zweite Frau nicht mehr auftauchte. Unruhig lief Suis Mutter im Kreis ihrer Freundinnen hin und her. Was war mit ihrem Kind passiert? Was hatte dieser Feuerdrache ihr angetan? Immer noch war nichts zu sehen auf dem großen, durchwühlten Kampfplatz. Kein Anzeichen von ihrer Tochter. Da, der Nebel schien sich zu lichten, und ein sanft rotes Leuchten war aus seinem Inneren zu erkennen. Da stand ihre Tochter, hoch aufgerichtet und stolz, und ihr gegenüber die rothaarige Dämonin. Also hatte sie doch noch ihre Würde behalten können und stand noch fest auf beiden Beinen. Die Mutter war zufrieden…und erleichtert. Sie hatte schon das Schlimmste befürchtet. Die Alte war ebenfalls zufrieden. So sollte der Kampf nicht enden, dass ihre Gegnerin vor ihr auf dem Boden lag, und so hatte sie den Nebel nutzen können, um die Kleine wieder fit zu machen und auf die Beine zustellen. Vielleicht war sie doch ein wenig zu hart mit ihr umgesprungen. Diese Wasserleute vertrugen einfach keine Hitze. Die Alte packte Suis Arm und riss ihn mit ihrem eigenen hoch, ein Zeichen des Sieges für sie beide. Nun würde die alte Wasserhexe bestimmt Ruhe geben und den Kampf beenden lassen, ohne dass ihrer Tochter noch was passieren würde. Die Zuschauer jubelten, und die Feuerdämonin zog die überrascht schauende Sui einfach mit vom Feld. Sie hatte genug für diesen Abend und wollte jetzt zum Fest. „Du hast gut gekämpft, und nicht aufgegeben. Du bist tapfer und ehrbar, und jetzt genug damit, jetzt lass uns trinken gehen. Ich habe Durst von der vielen Hitze. Und dein Wasser ist mir zu fad...“ Sie lachte dröhnend und lieferte die junge Kämpferin am Rand des Spielfeldes ab. „Schau erst mal nach der Mama. Aber ich würde mich freuen, wenn du im Laufe des Abends noch bei uns vorbei schauen würdest. Dann können wir miteinander anstoßen.“ Kapitel 12: An den Lagerfeuern ------------------------------ An den Lagerfeuern Sui tat, was die Feuerdämonin zu ihr gesagt hatte. Beide verließen das Schlachtfeld in verschiedene Richtungen und wurden von ihren Leuten überschwänglich begrüßt. Die Feuerfrau wurde von allen Seite beglückwünscht, eine Tochter der hohen Herrin des Ostens besiegt zu haben, während Sui gut gemeinte Schulterklopferer abbekam und das eine oder andere tröstende Lächeln. „Kopf hoch.“ Sagte schließlich ihre Mutter zu ihr. Sie legte ihr einen Arm um die Schulter und zog sie mit sich zu ihren Zelten. „Du hast gut und tapfer gekämpft und nicht aufgegeben. Es wäre doch sehr verwunderlich gewesen, wenn du sie besiegt hättest. Aber du hast dein Bestes gegeben und das reichte auch vollkommen.“ Lobte sie ihre Tochter, die sich mit einem glücklichen Lächeln an ihre Mutter lehnte und deren Nähe ganz und gar genoss. Viel zu selten kam es noch vor, dass ihre Mutter so zutraulich zu ihren Kindern war, die allesamt schon aus diesem Alter herausgewachsen waren –wie sie meinte- in dem sie diese Zuwendung brauchten. Doch hin und wieder ertappte Sui sie dabei, wie sie ihre Überzeugung wohl vergaß und ihre Kinder wieder behandelte als wären sie noch klein. Da Suis Kampf der letzte dieses Tages gewesen war, konnten die Frauen nun ihr Fest beginnen, das sie immer jeden Abend während der Wettkämpfe zu feiern pflegten. Der Platz ihrer Zelte war hell erleuchtet von Fackeln und großen Feuerstellen, über denen Ochsen und Schweine hingen und langsam knusprig gebraten wurden. Ihr leckerer Duft hing über das ganze Lager. Daneben standen gewaltige Tische mit allerlei zu trinken, von einfachem Wasser bis hin zu hochprozentigem Sake, für jeden war etwas dabei. Viel Lachen lag in der Luft, jeder feierte, ob er heute nun gewonnen oder verloren hatte. Suis Familie saß beisammen und viele Freunde von anderen Familien saßen bei ihnen, im Laufe des Abends mischten sich auch Dämonen anderer Elemente zu ihnen und ein paar der Wasserleute suchten ihre Freunde auf, die in einem anderen Teil des Lagers ihre Zelte hatten. So wurde fröhlich durchgemischt und auch Sui wollte zu den Feuerdämonen gehen, doch konnte sie das noch nicht gleich tun. Sie saß mit ihrer engeren Verwandtschaft um ein besonders großes Feuer herum und genoss mit ihnen den herrlichen Ochsenbraten mit viel Wein dazu. Obwohl sie nicht allzu viel davon trank, sie hatte nicht vor, hier betrunken zu werden. Man lachte gemeinsam und scherzte viel. Liebevoll trösteten ihre Tanten Sui und sagten, dass sie alle einmal so angefangen hatten, wer wohl nicht? Doch Sui ärgerte es doch ein wenig, dass sie verloren hatte, auch wenn sie so eine nette Gegnerin gehabt hatte, die ihr nichts angetan hatte und doch dafür gesorgt hatte, dass Sui gut und tapfer dastand. Sie hatte trotz allem verloren und das tat sie nicht gern. Böse war sie dabei ihrer Gegnerin ganz und gar nicht, sie gab sich selbst die Schuld dafür. Aber ihre Familie heiterte sie wieder auf und sprach ihr Mut zu und auch die Aussicht auf die spätere Feier mit den Feuerdämonen ließ sie lächeln. Wenn ihre Großmutter wüsste, wohin sie später noch verschwinden würde… Zuerst aber jubelte und aß sie mit ihrer Familie. Erst als diese sich langsam der Reihe nach zur Ruhe legten, konnte auch sie sich entschuldigen und eilte schnurstracks zu ihrer Freundin Kaika und deren Leute. Die Nacht endete in einem feucht-fröhlichen Gelage, das bis in die Morgenstunden anhielt. Die Feste der Feuerzeichen waren berühmt für ihre Ausgelassenheit und Fröhlichkeit, und am nächsten Morgen war Kaika ziemlich erledigt und heiser vom Lieder singen. Völlig fertig schleppte sie sich von dem Lager im Zelt ihrer Großmutter hoch und suchte nach einem Frühstück. Sie musste gleich noch nach ihrem Pferd sehen, und bei der Weisen der Leere ihren Termin wahrnehmen, den sie gestern versprochen bekommen hatte. Dann nahm sie noch an einem Viererkampf mit Teilnehmern von allen vier verschiedenen Elementen, der äußerst spaßig werden sollte. Sie hatte es mit ihrer Überredungskunst mal wieder geschafft, dass sie an diesem Wettstreit teilnehmen konnte, der am Abschluss des großen Turniers abgehalten wurde. Aber erst wollte sie bei Sui vorbei sehen. Die hatte sich sehr spät in der Nacht wieder zurück in ihr Lager geschlichen, damit ihre Familie ihre Abwesenheit nicht mitbekommen würde. So wie die Gute gebechert hatte, würde sie sich wohl auch nicht besonders fühlen. Aber immerhin hatte sie sich losreißen können. Kaika hatte schon gedacht, sie käme gar nicht mehr, da die wilde Alte, mit der Sui gefochten hatte, bereits ziemlich ungeduldig auf ihre Gegnerin gewartet hatte. Aber dann stand sie doch auf einmal da, eingehüllt in ein lichtes Tuch, dass sie beinahe unsichtbar machte. Sui wurde gefeiert, war sie doch das einzige Wasserzeichen, das hier bei dem Feuerclan stand und mit ihnen trank und sang. Kaika strahlte und nahm ihre Freundin immer wieder in den Arm. Die Umstehenden stichelten sehr direkt gegen die Wasserzeichen allgemein und deren Empfindsamkeit, auch den unverhohlenen Ehrgeiz und Sui musste sich da einiges mit anhören. Aber die Freundin hatte genug Humor und lachte herzhaft, als die alte Dämonin gekonnt ihre Mutter nachahmte, wie die sich über ihre Gegner aufregte und mit hoch erhobener Nase über ihre Gegner lästerte. „Nun, ganz so schlimm ist sie auch wieder nicht.“ Hatte Sui immer wieder gesagt und versucht, ihre Mutter in ein etwas besseres Licht zu rücken, aber was sollte sie machen? Bei ihr in der Familie sprach man genauso lästernd über die Feuerdämonen. So verging die Nacht und auch die ganz Harten kamen endlich in den frühen Morgenstunden in ihr Bett. Aber die Sonne wartete auf niemanden und sandte für viele viel zu früh ihre warmen Strahlen wieder über das Land und kündete den zweiten Kampftag an. Kapitel 13: Die Weise der Leere ------------------------------- Kaika erforscht das Vermächtnis ihrer Ahnen, dass in dieser Geschichte noch eine tragende Rolle spielen wird. Die Weise der Leere Kaika suchte verzweifelt das Zelt der Weisen der Leere. Sie hatte schon das ganze Lager abgesucht und war sich sicher, dass es hier irgendwo sein müsste. Aber jetzt irrte sie schon seit einiger Zeit in dieser Ecke herum, wo das Zelt stehen sollte, und konnte es einfach nicht finden. Wieder drehte sie sich im Kreis und suchte erneut die flatternden Stoffbahnen ab, ob nicht eine zu einer Behausung gehörte, die die ehrwürdige Dame beherbergen könnte. Doch da stand nur ein einsamer Baum. Gerade wollte sie sich abwenden, als eine tonlose Stimme sie rief. „Komm herein!“ Kaika blickte überrascht auf. Wo kam diese Stimme her? Unter dem Baum erkannte sie plötzlich ein Zelt, ein sehr unscheinbares, dessen graue Seidenbahnen in der lauen Luft flatterten. Als sie es genauer betrachtete, schien es, als ob es sich teilweise vor ihren Augen wieder auflösen würde. Der Stoff schimmerte seltsam und teilweise schien er nur noch ein Schatten zu sein, der vollkommen im Gegenlicht unterging. Kaika blinzelte irritiert. Kein Wunder das sie so ein Zelt ewig nicht finden konnte. Die Stimme war aus genau dieser Richtung gekommen, das musste es also sein. Entschlossen schritt sie näher und versuchte einen Blick ins Innere des Zeltes zu erhaschen, aber es erschien ihr vollkommen dunkel...und leer. Nichts war darin zu erkennen, es sah aus, als ob es nur aufgestellt worden war...tja, wofür? Nicht einmal Gepäck war darin zu erkennen. Hatte sie sich doch getäuscht? „Nun komm schon rein!“ Wieder ertönte die leise Stimme. Kaika duckte sich und trat durch den niedrigen Eingang. Als sie sich wieder erhob, erkannte sie ganz wage eine Gestalt, die im hinteren Teil des Zeltes auf einem Podest saß. Ansonsten war der Raum wirklich leer. Na, das war doch wohl klar. Sie gehörte zum Element der Leere, da war es doch nicht erstaunlich, dass man ihr Zelt und dessen Innenraum kaum erkennen konnte und auch nichts drin stand. Warum hatte sie sich nur gewundert. Ehrfürchtig verbeugte sie sich vor der Hohen Frau und grüßte sie stumm. Als sie ihren Blick wieder hob, erkannte sie im Schatten der luftigen Stoffbahnen ein sehr altes Weiblein. Sie saß auf ihren Fersen, wirkte unscheinbar und schmächtig. Ihr Gewand hatte eine undefinierbare Farbe, es glänzte ein wenig silbern so wie ihre langen Haare, die sie einhüllten. Ein paar Strähnen waren abgeteilt und fielen über ihre eingefallenen Schultern. Ihr Gesicht war fahl und faltig, die Augen grau und der Blick vollkommen leer. Diese Frau machte ihrem Element alle Ehre. Man erkannte sie beinahe nicht, so unscheinbar war sie. Und doch war es den Mitgliedern dieser Sippe verwehrt, an den Kämpfen teilzunehmen, da ihre Macht vernichtend war. Keiner konnte gegen die Leere bestehen, sie verschlang alles, egal ob Wind, Wasser, Feuer oder Erde. Niemand war ihr gewachsen, und so sandten sie nur ihre Beobachter, um die Kontakte zu den anderen Elementen weiter zu pflegen. Ob sie auch ihren Spaß dabei hatten, konnte Kaika nicht abschätzen. In diesem Gesicht ließ sich nichts erkennen, keine Regung, kein Gefühl. Kaika trat näher. Die Alte deutete ihr einen Platz neben sich an und die junge Kämpferin ließ sich nieder. „Du wolltest mich sprechen?“ Die Alte betrachtete ausdruckslos ihre Besucherin. Selbst der sonst immer so forschen Feuerdämonin war etwas seltsam zu Mute in dieser Umgebung. Da wunderte sie sich nicht, dass dieses Element nicht gerade beliebt bei den anderen war. Es war richtig unheimlich hier, fast gruselig. „Ja, ehrwürdige Dame.“ , antwortete sie leise. „Und was willst du wissen?“ „Wie ich die Leere in meinem Blut nutzen oder bezwingen kann.“ Die alte Frau schaute das Mädchen lange an. „So, du hast also Leere in deinem Blut. Bezwingen willst du sie? So sehr fürchtest du dich vor ihr?“ Kaika schwieg betreten. Hätte sie das lieber nicht sagen sollen? Kaum einer ihrer Familie wusste oder sprach davon, dass sie nicht ganz reinerbig von den Feuerelementen abstammte. Die Leere war sowohl verpönt als auch gefürchtet. Obwohl, was machte das schon aus? Alle Dämonen der Elemente waren stolz auf ihr eigenes Zeichen und verachteten die anderen. Das bekam sie ja schon bei ihrer Freundin Sui vom Wasserclan deutlich genug mit. Da machte es dann nicht mehr viel aus, ob jemand von einem anderen Element oder sogar von der Leere abstammte. Aber da die Fähigkeiten dieses geheimnisvollen Zeichens so selten angewandt wurden und nie auf einem öffentlichen Turnier zu bewundern waren, wuchsen die Gerüchte und die Furcht über deren alles verschlingende Macht. Wieder erhob die alte Frau ihre seltsam tonlose Stimme. „Hast du denn diese Macht jemals benutzt?“ Kaika schüttelte schnell verneinend den Kopf. „Und woher weißt du dann, dass die Leere in dir wohnt?“ Kaika biss sich nervös auf ihre Unterlippe. „Die Großmutter hat es mir gesagt.“ Ein Hauch von Neugier schien auf den eingefallenen Zügen der Weisen aufzublitzen. „Und sonst? Ist dir selbst etwas aufgefallen an dir?“ Sie beugte sich vor und schaute der jungen, braungebrannten Feuerdämonin direkt in die Augen. Kaika erwiderte standhaft den Blick, aber sie konnte die Iris der seltsamen Alten kaum erkennen. Sie schien ihre Farbe zu verlieren und schimmerte Weiß wie der Rest des Auges. Kaika lief ein Schauer über den Rücken. Uh, war das gruselig. Aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und konzentrierte sich auf ihre Antwort. Die Furcht wich, und sie fühlte sich ruhig und entspannt. „Nun, ich fühle mich oft so einsam, entfernt von allem, so leer, ohne jegliches Gefühl, außer einer alles verschlingenden Traurigkeit. Ich weiß nicht, ob das etwas mit der Leere zu tun hat oder ich zu einsam bin und einfach mein Leben besser in den Griff kriegen sollte...“ Die Greisin schmunzelte tatsächlich. Aufatmend lehnte Kaika sich zurück. So schlimm war sie also doch nicht. „Ich denke, du nutzt mehr von der Leere als dir bewusst ist. Lässt du nicht manchmal unerwünschte Gefühle in ihr verschwinden?“ Das junge Mädchen stutze. Na, das tat doch jeder wenn er sich ein wenig beherrschte und konzentrierte, oder nicht? Sie zog die Brauen nach oben, gab aber keine Antwort. Die Alte lehnte sich etwas zurück und beobachtete ihren Gast weiterhin. „Nun, bestimmt hast du dich schon immer abgesondert von den anderen, bist lieber alleine durch die Gegend gezogen, hast dich oft versteckt.“ Kaika sah beinahe betroffen zu der alten Frau hinüber. Sie beschrieb ihr gerade ihre Kindheit. Wieder war ein kurzes Lächeln auf ihrem Gesicht zu erhaschen. Kaika ärgerte sich ein wenig, sie musste gerade ein recht dummes Gesicht machen. Aber sie hörte weiter aufmerksam zu. „Wahrscheinlich ist dir diese Gabe bisher nur Last gewesen, denn sie zehrt an deinen Gefühlen. Davor musst du dich besonders hüten, wenn du ihre Macht anwendest. Denn wenn die Leere dein Innerstes berührt, kann sie dich vernichten.“ Bedeutungsvoll senkte sie die Stimme. Kaika blickte sie erschrocken an. Also sie war manchmal ein wenig schwermütig, fühlte sich leer und ausgelaugt, aber sie hatte sich nie bedroht davon gefühlt. „Soll ich diese Kraft dann überhaupt anwenden?“ Die Alte senkte bedächtig den grauen Schopf. „Nun, sie ist ein Teil von dir, der in dir schlummert. Und sie wäre mächtig, könnte dir in mancher Not das Leben retten. Außerdem solltest du sie unbedingt beherrschen lernen.“ Kaika seufzte. „Das würde ich gerne. Würdet Ihr mir dabei helfen?“ Die Weise nickte bedächtig. So erfuhr das junge Mädchen über die vielen Möglichkeiten sich aufzulösen, zu verschwinden, unsichtbar zu werden, wobei sie als Feuerdämonin es auf ihre Art tat. Sie wurde auf Anleitung der alten Frau ein flackerndes Irrlicht, eine in silberne Flammen umhüllte, am Schluss völlig durchsichtige Gestalt, die kaum mehr zu sehen war und die auch keine irdische Waffe mehr treffen konnte. Da hatte die Person, die ihr ihren Namen gegeben hatte, wohl mehr gewusst als sie selbst. Denn Kaika bedeutete ‚flackerndes Irrlicht’. Viel konnte die ehrwürdige Weise ihr in der kurzen Zeit nicht beibringen, aber sie gab ihr Aufgaben und Übungen mit, die sie regelmäßig machen konnte. Und sie lud sie ein, in einem Jahr wieder bei ihr vorbei zu schauen und ihre die neu erlernten Fähigkeiten zu zeigen und neue zu üben. Zurückhaltend sollte sie mit diesen Fähigkeiten umgehen, sie nicht zu sehr benutzen und sie auch nicht als Waffe gegen einen Feind zu verwenden. Das würde sie erst viel später erlernen. Kaika wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Ihr kam es vor als wären Stunden vergangen, aber die Sonne war nicht sehr viel weiter vorgerückt, als sie wieder aus dem Zelt trat. Sie hatte sich ausgiebig bei den Weisen bedankt, die keinen Lohn annehmen wollte für ihre Hilfe. „Sei vorsichtig, nutze die Macht nie zu lange!“, warnte sie sie extra nochmals, bevor Kaika das Zelt verlassen hatte. Als sie sich umdrehte, schien das Zelt wieder verschwunden zu sein. Nur ab und zu konnte sie noch die Silhouette erahnen, wenn der Wind kräftig wehte und das Sonnenlicht ein wenig durch die Äste drang. Schnell machte sie sich auf den Weg zu ihrer Freundin, der sie von dem seltsamen Treffen berichten wollte. Sie war froh wieder in der wärmenden Sonne zu stehen, wo alles deutlich zu sehen war und es keine gruseligen alten Frauen gab, die sie so seltsam ansahen. Immerhin hatte die Alte ihr sehr freundlich geholfen. Wer weiß, vielleicht konnte sie ja was von diesem Irrlichtzeug mal verwenden. Sie sollte nicht ahnen, wie schnell das sein würde. Kapitel 14: Aufbruch -------------------- Oh, ich hab ja lange nimmer on gestellt. Das Festival ist vorbei und die beiden Mädels brechen auf. Aufbruch Die Sonne war schon seit einiger Zeit wieder aufgegangen, als auch Sui ihre Augen aufschlug. Sie lag in einem kleinen Zelt, das eines der vielen war, die hinter dem großen ihrer Mutter aufgestellt worden waren, und schälte sich nun unter ihren Decken hervor. Gähnend streckte sie sich, klaubte sich ihre Kleider von dem kleinen Stapel am Zeltausgang und zog sich an. Dann stand sie auf, zog sich draußen ihre Schuhe an und machte sich auf die Suche nach jemandem, den sie kannte. Sie hatte an diesem Tag nichts Bestimmtes vor, am Vormittag würden noch zwei ihrer Tanten kämpfen, aber das war’s dann auch schon. Etwas traurig dachte sie an das Ende des großen Treffens. Es dauerte immer viel zu kurz. Drei Tage waren auch wirklich nicht lang. Und dann mussten sie wieder zurück, zurück in ihr anderes Leben, wie man schon beinahe sagen konnte. Sie schritt durch das Lager und sah vereinzelt bereits abgebaute Zelte und aufbrechende Dämoninnen. Welche hatten es wohl besonders eilig, wieder nach Hause zu kommen. Nun, sie selbst nicht. Doch auch dieser Tag verging, leider. Und das viel zu schnell. Sie verbrachte ihn damit, zuerst ihren Tanten zuzusehen (eine gewann, eine verlor) und dann bei Kaikas Kampf dabei zu sein, um sie anzufeuern. Er hatte lange gedauert und Sui hatte gemerkt, wie köstlich Kaika sich amüsiert hatte. Der Kampf, bei dem Kaika teilgenommen hatte, war ein ungewöhnlicher Viererkampf gewesen. Jedes Element war vertreten, und sie konnten beliebig gemeinsame Sache machen. Bei diesem Kampf ging es traditionsgemäß nicht um Siege, sondern um spontane Einfälle und ungewöhnliche Finten. Und Kaika hatte es ja geschafft, dass sie genau an diesem Schlagabtausch teilnehmen konnte. Selbst am nächsten Tag, als sie beide zusammen schon wieder auf dem Rückweg waren, sprach sie immer wieder über ihren Kampf und Sieg. Es war eine dementsprechend lustige und aufregende Heimreise. „Und wie die dumm geschaut hat, als sie in das Schlammloch fiel. Auf einmal, platsch, war sie weg.“ Kaika klopfte sich vor Lachen auf die Schenkel. Sie schenkte ihrem schwarz glänzenden Pferd, das ruhig weiter flog, keinerlei Aufmerksamkeit. Es schien die stürmische Art seiner Reiterin und auch seinen Weg genau zu kennen. Der zurückliegende Kampf hatte Kaika außerordentlich amüsiert und aufgeregt wiederholte sie immer wieder die lustigsten Anekdoten: „Und als sie dann aus dem Schlammloch gekrochen kam, da haben die Luftfrau und ich sie schön getrocknet mit einem warmen Wind. Und die Haare, die hat sie ihr so rumgewirbelt, dass sie nachher wie eine Pyramide in die Höhe standen.“ Die beiden Mädchen lachten ausgelassen, gerieten immer mehr in Hochstimmung. Grund dafür war wohl auch, dass ihr normales Leben, in das sie zurückkehrten, keinen Grund für ausgelassene Freude bot. Die Etikette und Beschränkungen ihres adeligen Lebens machte es den beiden Frauen nicht leicht, ihren Spaß auch in ihrem Alltag zu haben. Sui war die älteste Tochter des östlichen Herrschers. Sie hatte noch zwei jüngere Brüder und drei jüngere Schwestern. Und da sie die älteste seiner vier Töchter war, war sie die erste, die ins heiratsfähige Alter gekommen war und noch immer verheiratet werden musste. Wirklich musste, nicht konnte oder wollte, sondern musste. Ihre Mutter war schon verheiratet worden von ihren Eltern, sowie alle ihre Tanten. Auch deren Mutter war schon wie ihre Schwestern verheiratet worden, und so würde es auch mit Sui und ihren Schwestern geschehen. Daran konnte sie nichts ändern. Sie konnte nur hoffen, dass ihr zukünftiger Ehemann, der den Göttern sei Dank noch nicht feststand, einigermaßen…angenehm war. Freundlich würde ihr schon reichen. Aber sie hoffte, dass dieses Thema noch in einiger Ferne lag und sie erst noch allein ihren Lebensweg bestreiten konnte. Ihren tristen Lebensweg…auch wenn sie sich nicht beklagen konnte, es fehlte ihr an nichts, sie lebte ein Leben in Wohlstand, was sich viele nur wünschen konnten. Trotzdem…ihr Leben war geprägt von Vorschriften, Verboten und Geboten, die sie alle einhalten musste. Dass sie dadurch wie kaum einer eingeschränkt und ihr Willen beschnitten wurde, musste sie nicht erwähnen. Die etwas ältere Kaika hatte es da etwas leichter. Sie hatte sich mit aller Macht durchgesetzt, was bei den eher spontanen und lockeren Feuerdämonen auch leichter fiel, wie bei den sich streng an die Regeln haltenden Wasserwesen. Sie war trotz ihres Alters die einzige, die noch nicht verheiratet worden war und sie trieb sich herum wie sonst nur ihre männlichen Genossen. Ihre angebliche Schutzkleidung aus Feuerrattenhaar befreite sie von den Kleiderzwängen und bescherte ihr die nötige Bewegungsfreiheit für ihr recht wildes, ausgelassenes Leben, dass sie nicht gewillt war aufzugeben. Sui hatte sie oft deswegen beneidet, aber sie selbst…konnte nicht so sein wie Kaika. Ihre Familie war ihr ein und alles, sie stand an erster Stelle. Immerhin hatte sie noch eine Familie. Kaika hatte weder Geschwister, noch war ihre Mutter noch am Leben, und so streifte sie herum, weil sie einfach niemanden hatte, der ihr nahe stand. Der Vater war vollkommen von seinen Regierungsaktivitäten vereinnahmt und nahm sich kaum Zeit für seine Tochter, die er dafür an der langen Leine ließ. Es war aber auch dir Frage, wie lange das noch so gehen würde. Sui seufzte. Die Freiheit eines Mädchens war keinen Pfifferling wert. Trotzdem hing sie an ihrer Familie und nahm die Einschränkungen duldend in Kauf. „Oh mein Gott, oder wie du die arme Wasserfrau angezündet hast! Bei dieser Stelle hab ich wirklich mit der armen Frau mitgefühlt und konnte nicht mal lachen!“ Sui gab ihrer Stimme einen ernsten, tadelnden Klang, doch ihre glitzernden Augen verrieten sie, dass das so nicht stimmte. „Tja, ich fackle halt nicht lange. Sie hat es wirklich verdient!“ „Ja, ja.“, lachte Sui. „Du, Kaika-chan, ich hab Durst.“, meinte Sui nun und ließ ihren Blick über den weit entfernten Boden schweifen. Sie suchte ihn nicht nur mit ihren Augen ab, sondern ließ auch ihre Sinne spielen. Ihre Fähigkeiten zeigten ihr verschiedene Wasseradern und -wege unter der Erde, sie sah sie wie Energielinien vor ihrem geistigen Auge. Ein paar dieser unterirdischen Läufe liefen zusammen und speisten eine Quelle. „Nach rechts, Kaika-chan!“, rief sie auf, legte ihre Flügel an und stieß nach rechts unten durch die kühle Luft. Kaikas Pferd hinter ihr wieherte laut und lautes Flügelschlagen signalisierte ihr, dass ihre Freundin ihr auch schon folgte. Sie steuerte eine Bergkette an. Die Quelle befand sich in einer kleinen, engen Schlucht, die gesäumt war von hohen Mauern aus grau-blauem Stein. Am Boden wuchs kräftiges grünes Gras, gespeist von der Quelle, die in einem kleinen Becken aus dem Boden brach und es mit klarem, kaltem Wasser anfüllte. Das Wasser versickerte wieder unter dem Felsen, so lief das Becken nicht über. Für Sui schien diese Quelle wie ein Wunder unter all diesem harten Stein und voller Vorfreude flog sie noch schneller. Als sie näher kam, erkannte sie, dass vor kurzem noch ein Felssturz stattgefunden haben musste. Große Felsbrocken lagen verstreut am Boden der Schlucht, doch im Sinkflug betrachtete sie eingehend die Felswände und stellte für sich fest, dass von ihnen keine Gefahr mehr ausging. Sie würden unbekümmert dort unten kurz rasten können. Kaika sah das abgelegene Tal vor ihr. Ihre Freundin hatte wirklich eine sensible Spürnase für so grandiose Landschaften und sie freut sich, hier eine Rast einlegen zu können. Das Wasser glitzerte verlockend und sie trieb ihr mächtiges Pferd ebenfalls zum Sinkflug an. Ihr war heiß, auch sie hatte brennenden Durst und noch mehr freute sie sich darauf, sich in die Fluten des klaren Bergteichs stürzen zu können. Die schimmernden Flügel Suis standen fast waagrecht in der Luft, als diese sanft auf einem der Felsbrocken landete. Sie musste etwas weiter hinten im Tal aufsetzten, das ihr Pferd mit wehender Mähne noch einige Schritte benötigte, um den Schwung des Fluges abzubremsen. Bis sie von seinem breiten Rücken gesprungen war, saß die Freundin schon am Rand des Wasserbeckens und trank aus der hohlen Hand. Ihre schönen Flügel hatte sie eng an ihren Körper angelegt, in der Hocke saß sie neben dem Wasser. „Oh ist das lecker! Komm her! Das Wasser kommt frisch aus der Erde. Es ist jung und steckt voll Kraft! Gebirgswasser ist einfach genial.“, rief Sui ihre Freundin und trank gierig weiter. Angenehm floss das kühle Nass ihre Kehle hinunter und ihr Körper begann, sich ebenfalls nach dem Wasser zu sehnen. „Sag mal, Kaika-chan, hast du Lust auf ein Bad? Wenn man an so ein Wasser kommt, sollte man sein Glück ausnützen!“ Sie drehte sich gerade um um nach der Freundin zu sehen, erhaschte aber nur noch einen braungebrannten Körper, der neben ihr ins Wasser sprang. Kaika hatte sich in ihrem Überschwang bereits im Laufen die Kleider vom Leib gerissen. Sie säumten ihren Weg zum Becken, in dem sie sofort mit einem Kopfsprung verschwand. Die glatte Wasseroberfläche wurde durchbrochen von tanzenden Wellen, und erst als sie sich wieder etwas beruhigt hatten, sah man den nackten Körper des Mädchens über die Kiesel des Grundes schwimmen. Das mächtige Pferd kam ebenfalls mit schnellem Schritt zu dem verlockenden Nass geeilt und steckte schnell die Schnauze hinein um seinen Durst zu stillen. Sui schüttelte lachend den Kopf. Das hätte sie wirklich wissen können… Grinsend verwandelte sie sich zurück, ihre Flügel verschwanden und mit einigen Griffen hatte sie sich von ihrer Kleidung befreit. Langsam und bedächtig setzte sie einen Fuß nach den anderen in das Wasser und elektrisierend waberte es um ihre Beine. Das tat gut…nach dem harten Kampf hatte sie sich noch immer nicht vollständig erholt und dieses Bad war da nur perfekt. Dieses Wasser, erfüllt von der Kraft eines ganzen Gebirges, füllte ihre Kraftreserven wieder auf. Sie musste nur einige Zeit darin verbringen. Entspannt ließ sie sich vollständig ins Wasser gleiten und stieß sich vom Rand ab. Währenddessen wurde die Wasseroberfläche wieder von Kaika durchbrochen. Mit geschlossenen Augen schoss sie aus dem Wasser heraus wie ein junger Seehund den Kopf in den Nacken gelehnt, wobei die langen, schwarzen Haare an ihrem braungebrannten Rücken klebten. Dann glitt sie wieder zurück in die Fluten und hielt sich leicht paddelnd mit dem Kopf über Wasser. Suchend schaute sie sich um und ein Lächeln huschte über ihre tropfenden Züge, als sie die Freundin bereits neben ihr in dem Becken schwimmend erkannte. Das Pferd soff immer noch am Ufer stehend, den langen Hals weit nach vorne gebeugt. „Brrr, ist das kalt.“ Kaika suchte die Augen der Freundin, sah jedoch, wie sie den Kopf in das Wasser gebettet hatte und mit ausgestrecktem Körper auf dem Rücken lag. Sie Sonne umspielte den bleichen, schlanken Körper, und kleine Wellen brachen sich an den makellosen Brüsten, die ein wenig aus dem Wasser ragten. Ihre hellen Haare umschmeichelten sie wie Algen eine Meerjungfrau. Die Augen hatte sie geschlossen, und genoss das Bad in ihrem eigenen Element in vollen Zügen. „Soll ich das Wasser ein wenig warm machen?“ Kaika wartete gerade auf die Antwort der Freundin, als ein Schnauben des Pferdes ihre Aufmerksamkeit zum Ufer hin lenkte. Der feurige Rappe hatte seinen Kopf erhoben und schaute unruhig in das hinter ihnen liegende Tal Auch Sui richtete sich wieder auf und folgte dem Blick von Kaika und dem Pferd. Der Boden der Schlucht senkte sich nach und nach ab und so hatten sie eine gute Sicht. Und sie sahen die Gestalt, die sich ihnen näherte. „Wer ist das?“, fragte Sui und kniff ihre Augen zusammen, um besser sehen zu können, doch umsonst. Die Sonne stand im Rücken der Person und blendete sie. „Keine Ahnung. Vielleicht noch jemand von dem Treffen?“, sprach Kaika eine Vermutung aus. Doch ihr Pferd schnaubte laut auf ihre Worte hin, anscheinend war es ganz und gar nicht dieser Ansicht. „Oder auch nicht.“, meinte Sui auf dessen Reaktion hin. Die Gestalt kam näher, sie schritt langsam und bedächtig über das schimmernde Gras auf sie zu. Er musste sie auch bemerkt haben, machte aber keine Anstalten, sie anzureden oder sonst wie auf sie zu reagieren. Er kam einfach näher. Kapitel 15: Der ungebetene Gast ------------------------------- Der ungebetene Gast Es sah so aus, als ob er direkt zu dem kleinen Becken wollte. Vielleicht hatte auch er Durst und wollte einfach nur trinken. Unaufhaltsam schritt er näher, und sowohl die Eleganz und als auch die stoische Ruhe in seinen Schritten waren unübersehbar. Langsam konnten die beiden Frauen ihn erkennen. Er war sehr groß, und er schien ein Dämon zu sein. Die Ohren, die zwischen den langen Haaren durchschimmerten, schienen spitz. Kaika schaute den fremden Youkai ziemlich unwirsch an. Sie hatte sich noch nie von Männern etwas bieten lassen, und der hier brauchte sich gar nicht einbilden, dass er ihr genüssliches Bad unterbrechen könnte. Dass sie nackt war, störte sie dabei am wenigsten. Sie brauchte keine Waffe, um sich zu verteidigen. Sollte er doch! Sie kniff die Augen zusammen. Wie das blendete! So viel Weiß! Seine endlos langen Haare glänzten silbern, seine schimmernde Kleidung bestand hauptsächlich aus weißer Seide, ein Panzer spiegelte das kräftige Sonnenlicht, sodass sie die Muster seiner Kleidung gar nicht erst erkennen konnte. Von überall wurden die intensiven Sonnenstrahlen so stark reflektiert, dass sie nicht mal sein Gesicht sehen konnte. Und dabei schien noch eine Art Lichtschild seinen Körper zu umfangen. Hochgewachsen war er auf alle Fälle und schlank, soviel konnte sie unter den zugekniffenen Lidern noch erkennen. Er trug einen Brustpanzer mit seltsamen Dornen, und ein langes Fell lag locker über seine Schulter geschwungen, natürlich wieder in der Farbe weiß. Sie musste gestehen, dass er ziemlich cool aussah, aber das waren immer die schlimmsten Großmäuler, die dann bei Gefahr am schnellsten verschwunden waren. Kaika lachte spöttisch. „Hey, kannst du nicht ein paar junge Damen in Ruhe baden lassen?“ Der Typ sagte gar nichts, sondern hob nur drohend sein rechtes Handgelenk, an dem die beiden Mädchen mehrere dunkle Streifen erkennen konnten. Er reckte die schmalen Finger in die Höhe und ließ mit einer Drehbewegung die Knochen laut knacken. Dabei schritt er einfach weiter auf die Frauen zu ohne inne zu halten. ‚Na das ist ja ein ganz Frecher!’, dachte sich Kaika und spürte dabei, wie der Ärger langsam in ihr hochstieg. „Hey, ich hab dich was gefragt. Hörst du nicht?“ Völlig unbeeindruckt marschierte der Weiße weiter. Na, der konnte was erleben. Sie blickte kurz zu ihrer Freundin hinüber, die inzwischen ans Ufer geeilt war und sich mit einem Tuch behelfsmäßig verhüllt hatte. Diese stand etwas hinter dem fremden Mann und nickte ihrer Gefährtin zu. Sie war bereit, hatte ihren Dolch bereits ergriffen und wartete, was Kaika vorhatte. Der Fremde war wahrlich groß. Er überragte Kaika um gut einen Kopf und Kaika selbst war noch ein wenig größer als Sui. Da sie die Sonne im Rücken hatte, konnte sie ihn unverhohlen anstarren, weit besser als die sichtlich geblendete Freundin. Er trug stattliche Kleidung, die ihn als hohen Dämon auswies, doch Sui hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Auch befanden sich keine Wappen auf seiner Kleidung, mit deren Hilfe sie ihn hätte identifizieren können. Und doch…Kleidung und er selbst, seine Ausstrahlung, sein Charisma, das die enge Schlucht auszufüllen schien, waren schlicht und ergreifend beeindruckend. So wie er auftrat, musste er von adliger Abstammung sein. Er reagierte nicht auf Kaikas Fragen, ja er schien sie nicht einmal zu beachten. Auch ihr selbst hatte er seinen Rücken zugedreht, als ginge von ihr mit ihrer Waffe keine Gefahr aus. Sie packte ihren Dolch fester und spannte ihre Muskeln an. Sie stellte sich breitbeiniger hin, um einen besseren Stand zu haben und jederzeit weg springen zu können, sollte es erforderlich sein. Männer…er wollte sie also nicht ernst nehmen? Sie würde ihm zeigen, wie gefährlich sie sein konnte! Edle Kleidung hin oder her, so leicht kam er ihr nicht davon! So aufgekratzt wie die Beiden noch von dem Turnier waren, hatten sie nicht vor, sich etwas gefallen zu lassen. Ohne groß nachzudenken, ob sie diesem Gegner auch gewachsen waren, ließ Kaika ihren Körper in Flammen aufgehen. Helles Feuer umzüngelte ihren braungebrannten Leib, ohne ihn jedoch zu verbrennen. Sie spreizte schnell die Arme nach vorne und feuerte dem Fremden eine Salve entgegen. Die Flammen bohrten sich knapp vor den mit schwarzen Stiefeln bekleideten Füßen in den Boden. Sie stoppten aber nicht seinen Schritt. Unbeirrt setzte er seinen Weg fort zu Wasser hin. Sein Gesicht, das Kaika nun endlich erkennen konnte, zeigte keinerlei Gefühlsregung. Male zeichneten es, ein dunkler Halbmond war auf der Stirn zu erkennen, und purpurne Streifen auf den kantigen Wangen. Die Augen waren von einem ungewöhnlichen Gold und hätten weich gewirkt, wenn nicht das ganze Gesicht völlig abweisend und kalt gewesen wäre. Schön war er, unglaublich schön, und Kaika hätte mit ihm geflirtet, wenn die Situation eine andere gewesen wäre. So wurde sie nur noch wütender. Der Dreckskerl hatte sie mit keinem Blick gewürdigt, obwohl sie splitterfasernackt vor ihm stand. Also so hässlich war sie auch nicht, dass ein Kerl ihr nicht wenigstens einen Blick gönnen könnte. Aber bevor sie sich weiter aufregen konnte, musste sie sich schnell vor einer Attacke des Dämons in Sicherheit bringen. Ohne jede Vorwarnung zischten lange, grün funkelnde Peitschen aus seinen Fingerspitzen, die nach ihr hieben. Sie konnte gerade noch rechtzeitig wegtauchen. Sofort als der Dämon seine Attacke startete, sprang Sui vor, holte weit mit ihrem Dolch aus und zielte auf die empfindliche Seite des Dämons, die von keiner Rüstung geschützt war. Doch bevor sie traf, wirbelte der Mann herum und wehrte sie ab. Seine eine Hand schloss sie schmerzlich fest um ihre, die den Dolch führte, und drückte sie nach unten, während seine andere ihr ins Gesicht schlug. Suis Kopf ruckte zur Seite, und Schmerz schwappte von einer Kopfseite zur anderen und sie spürte Blut, das ihr Kinn hinab rann. Aber sie gab keinen Laut von sich. Doch sie musste weg von ihm. Sie hob ihren Kopf wieder und blickte dem Dämon nun in die Augen. Sie hatten eine faszinierende Farbe und schauten kalt auf sie hinab. Doch auch ihre Augen hatten sich gewandelt. Ihre Pupillen waren zu engen Schlitzen geworden und der blaue Augapfel war von schillernden, ja schon glühenden feinen Linien durchzogen. Ein Knurren entstieg ihrer Kehle und ihr wütendes Dämonenblut gab ihr neue Kraft. Sie riss sich aus seinem Griff los und während ihres Sprunges aus seiner Reichweite heraus, entfaltete sie ihre Flügel. Sie kam wieder am Boden auf, kniete halb und bedachte ihren Feind mit wütendem Blick. Mit ihrer Hand fuhr sie sich über ihren Mund und wischte das Blut dort weg. Jetzt war sie sauer und er konnte was erleben! Kaika war inzwischen aus dem Wasser gekrabbelt und hatte ihr Pferd bestiegen, immer noch splitternackt. Gleich drückte sie ihm die Fersen in den empfindsamen Bauch und ließ es in die Lüfte steigen. Die riesigen Flügel breiteten sich aus und trugen sie schnell davon. Doch sofort riss sie die Zügel herum und lenkte das Pferd wieder auf den fremden Dämonen zu. Auf einen kurzen Zuruf hin stand ihr Pferd in Flammen, ebenso wie ihr noch tropfnasser Körper. Wie ein Racheengel saß sie fest auf dem Rücken ihres Reittieres, eine Einheit bildend aus verzehrendem Feuer. Ihre wilden, schwarzen Locken verhüllten ihren Oberkörper und reichten ihr fast bis an die Taille, das Wasser rann von ihren langen Beinen, mit denen sie sich an dem Körper des Rappen fest hielt. Ihre schwarzen Augen loderten vor Wut. Bläuliche Flammen umzingelten sie beide, und sie griff den Mann von hinten an. Die Sorge um ihre Freundin trieb sie voran, dies zu tun. Sie wollte ihn unbedingt von ihr ablenken. Um nicht unfair zu sein, wollte sie aber nur eine harmlose Attacke ausführen. Ein Angriff von hinten war nicht ritterlich, und es widersprach jeglicher Ehre. Aber darüber brauchte sie sich keine Gedanken machen, denn der Dämon wirbelte in unglaublicher Geschwindigkeit herum und hieb mit seinen Klauen nach ihr, die plötzlich an den langen, wohlgeformten Händen erschienen waren. Erschrocken trieb sie ihm einen Feuerball entgegen, weiß glühend im Inneren. Da sollte er mal aufpassen, dass ihm das nicht die langen, weißen Zottelhaare absengte. Sie schwebte knapp an ihm vorbei, wobei sie mit dem Feuerrappen wieder ausweichen musste, da er nochmals mit den Krallen nach ihr schlug. Sie sog die Luft ein, es roch nach Gift, und sie sah auch eine grüne Flüssigkeit von den Nägeln tropfen. Soviel zur Fairness. Sie wendete das Pferd und ließ es mit kräftig schlagenden, rabenschwarzen Flügeln in der Luft schweben. Ein kurzer Kick mit den Zehen genügte, und das Pferd spie einen mächtigen Feuerstrahl auf den Fremden, der dreimal so stark war wie der von Kaika erzeugte. Kapitel 16: Gift ---------------- Sooo.... auch wer dieses Kapi schon von einer anderen Seite her kennen sollte, ich habe es überarbeitet und noch ein wenig spannender und bildlicher gemacht. Es geht hart auf hart, Sturheit und Ärger gegen Coolness...wer gewinnt??? Danke für die Revs und Bussi an alle Leser. Gift Die Flammen erreichten schon fast seine schlanke Gestalt. Lässig erhob er seine rechte Hand und blockte sie mit einer Art bläulichem Energieschirm ab. Das hatte also nichts gebracht. Doch bevor Kaika sich eine neue Attacke überlegen konnte, hatte er sich schon wieder ihr zugewandt und jagte ihr seine giftgrünen Energiepeitschen entgegen. Die Feuerdämonin zuckte zusammen. Die Energie würden sie nicht verletzen, sie würde sie aufnehmen, ohne dass der sie umhüllende Flammenkreis durchbrochen werden würde. Aber sie war sich nicht sicher, was das Gift ihr antun würde. So riss sie ihr Pferd rasch nach hinten, doch leider hatte sie einen winzigen Augenblick zu spät reagiert. Das Ende der Peitschen hatte sie erfasst und streifte leicht die sonnengebräunte Haut an ihrem Arm. Mit einem Aufschrei stürzte sie von dem fliegenden Ross, der Schmerz war zu überraschend und heftig. Wie ein Stich brannte die Stelle, wo er sie berührt hatte. Die Haut brannte wie Feuer, ein Gefühl, dass der Feuerdämonin gänzlich fremd war. Schon krachte sie mit verrenkten Gliedern auf den Boden, wo sie sich mit entsetztem Gesicht die vergiftete Stelle rieb. Sui riss panisch ihre Augen auf, als sie Kaika stürzen sah. Schnell erhob sie sich in die Lüfte, schlug kräftig mit ihren Flügeln, hatte es aber nicht mehr geschafft, ihre Freundin in der Luft aufzufangen. Sie war schon dem Boden aufgeprallt. Doch kurz darauf landete Sui vor ihr und stellte sich beschützend zwischen sie und den Dämon. Sie hielt ihren Dolch auf ihn gerichtet und wartete auf seine nächsten Schritte. Hinter sich hörte sie Kaika aufstöhnen, zum Glück war ihr Pferd nicht allzu hoch geflogen. „Geht’s dir gut, Kaika-chan?“, fragte Sui. „Ja. Keine Sorge.“ Ihre Stimme hörte sich gepresst an. Sui konzentrierte sich voll und ganz auf ihr Gegenüber. Er setzte sich in Bewegung und hob seine rechte Hand. Sie glühte grün von seinem Gift. ‚Nicht mit mir.’ ,dachte Sui grimmig. Sie hob ihre andere Hand und richtete ihre Handfläche gegen ihren Gegner. Es musste klappen, sie musste ihre Kräfte mobilisieren, auch wenn sie noch so mitgenommen waren von ihrem Kampf gegen die Feuerdämonin am Tag zuvor. Sie griff hinaus, sandte ihre Magie in seinen Körper. Der Körper von Lebewesen bestand zu einem sehr hohen Teil aus Wasser. Sie hatte diese Art des Kampfes zwar noch nicht so oft geübt, aber ihr fiel momentan nichts Besseres ein. Sie bemerkte, wie er ins Stocken kam, als ihre Magie auf seinen Körper traf. Sie befahl dem Wasser, zu gefrieren, um ihn so zu stoppen, um ihrer brenzligen Lage zu entkommen. Es schien zu wirken! Aufgeregt sah sie seinen etwas verwunderten Gesichtsausdruck, als er wahrnahm, dass sich sein Körper veränderte, sah, dass er innehielt und stehen blieb. Aber es war anstrengend, viel zu anstrengend, diese Magie aufrecht zu erhalten. Sui atmete schwer und Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn. Aber sie durfte nicht aufgeben, es würde nicht mehr lange dauern, und er war eingefroren! Doch dann schaute er ihr plötzlich in die Augen und wirkte belustigt, so als würde er sich über sie amüsieren. Und ging einfach weiter! Sui sog wie unter Schmerzen scharf die Luft ein, als sie spürte, wie ihre Magie zerbrach. Schwäche brach über sie herein und sie ging in die Knie. Wie…? Er hatte einfach…aber wie? Warum war er so stark? Sie rang nach Luft. Was jetzt? Was sollte sie tun? Das mächtige Pferd stürmte inzwischen aufgeregt über den Himmel, wendete aber, um treu zu seiner Besitzerin zurück zu kommen. Kaika hingegen hatte mit Entsetzen beobachtet, wie der Gegner ihre Freundin in die Knie gezwungen hatte, hinter der sie selbst schon wieder stolz und aufrecht stand. Der Kerl hatte sie beide total überrascht, aber das würde ihm so schnell nicht noch einmal gelingen. Jetzt würde sie mit all ihren Kräften kämpfen, würde ihre volle Macht einsetzen, ohne Gnade, ohne Rücksicht, denn anders war diesem Dämonen wohl nicht beizukommen. Er sah so harmlos aus, so…bescheiden, doch war dies wohl eher Tarnung als Bescheidenheit. Schnell umhüllte sie sich mit einem noch intensiveren Feuerball, diesmal weiß glühend. Eine enorme Hitze ging von ihr aus, und sie trat ein paar Schritte zurück, um ihre Freundin nicht zu verletzen. Diese war als Wasserzeichen sehr empfindlich gegen Feuer. Kaika schloss kurz die Augen um sich zu konzentrieren, dann sammelte ihre Macht und bündelte die in ihr wohnende Energie. Ein dünner, gleißender Strahl verließ ihre Finger, wanderte flink über den Boden, in den er eine tiefe Furche schnitt, hinterließ brennendes Gras und qualmende Blüten, sogar durchtrennte Kiesel, und hatte schon beinahe den Körper des feindlichen Dämons erreicht. Das Feuermädchen wollte ihm drohen, ihm aber auch die Gelegenheit geben, sich zurückzuziehen, denn es wäre besser, wenn er abhauen würde, wie wenn sie sich mit ihm anlegen mussten. Diesmal schien er tatsächlich etwas zurückzuschrecken, schien zu erkennen, dass es diesmal ein sehr mächtiger Zauber war, den die Feuerdämonin herauf beschwor. Er konnte alles zertrennen, macht nicht Halt vor Metall, Holz, selbst Fels und Stein zerfielen zu Staub. Auch eine Rüstung konnte dieser Energie nicht standhalten. Tatsächlich war der weiße Dämon zurück gewichen, jedoch nur geringfügig, um sich aus dem Bereich des sich nähernden Strahls zu halten. Dafür verblüffte er die Frauen umso mehr, als er zu einer ganz anderen Reaktion ansetzte. In einer fließenden Bewegung begann er, seinen Köper zu drehen. Graziös stand er auf den Zehnspitzen eines Beines wie ein eleganter Tänzer und wirbelte immer schneller um seine eigene Achse. Die langen Haare wurden mit gerissen, der Sog zerrte an dem seidigen Stoff seiner edlen Kleidung, und die sich immer schneller drehende Gestalt schien langsam in einer Hülle aus Staub und Nebel zu verschwinden. Wollte er sich jetzt auflösen oder in den Himmel schießen? Die beiden Mädchen starten ihn verblüfft an Was sollte das jetzt? Fing der Typ an zu tanzen? Bevor die Freundinnen auch nur ahnen konnten, was er vorhatte, fuhr er seine Energiepeitschen wieder aus und hob vom Boden ab. Wie ein grünlich schimmernder Wirbelsturm fegte er auf Kaika zu, die immer noch versuchte, ihn mit ihrem gebündelten, weiß glühenden Feuerstrahl zu verfolgen. Aber er war inzwischen zu schnell. Seine Gestalt war nicht mehr zu erkennen, er war nur noch ein tanzender Irrwisch bestehend aus weißen Haaren und grüner Energie. Er bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit auf die junge Feuerdämonin zu, die zu allem Unglück auch noch über eine Wurzel stolperte, als sie versuchte, sich aus dem Gefahrenkreis zu bringen. Doch der wirbelnde Gegner war schneller. Kaika fluchte äußerst undamenhaft, als sie fiel, aber es war zu spät: ihr Energiestrahl erlosch, und in diesem Augenblick lag sie wehrlos am Boden. Ein kurzer Blick machte ihr klar, dass die giftgetränkten Peitschen sie schneller erfassen würden, als sie wieder auf die Beine gesprungen war. Und sie war schnell bei diesem Kunststück, bei dem sie hochschnellen konnte wie eine gespannte Feder. Aber sie hatte sich schon längst ausgerechnet, dass die Zeit nicht dazu reichen würde. Und so wählte sie eine andere Lösung. Ohne Vorwarnung verschwand ihr Körper. Einen Wimpernschlag lang war sie noch als silbernes, fast durchsichtiges Irrlicht zu erkennen, dann löste sie sich auf und die Peitschen durchpflügten den Boden, auf dem sie gerade noch gelegen hatte. --- Panisch schaute Sui zu der Stelle hin, an der sich Kaika bis eben noch befunden hatte. Doch diese war einfach verschwunden. Es war alles viel zu schnell gegangen, sie hatte ihr nicht helfen können. Dafür war der Angriff ihres Widersachers ins Leere gegangen. Kurz dachte sie daran, dass ihre Freundin die Weise der Leere besucht hatte, anscheinend hatte sie dort gelernt, diese Magie zu gebrauchen und nun eingesetzt. Sie verspürte Erleichterung, dass Kaika nun wohl in Sicherheit war – zumindest hoffte sie das – aber sofort wurde ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Gegner gelenkt. Er hatte sich umgedreht und blickte sie nun an. Sui kniete immer noch am Boden und atmete schwer. Auch wenn ihre Freundin nun in Sicherheit war, sie war es noch lange nicht. Aber was sollte sie tun? Was konnte sie noch tun? Wäre sie nicht so geschwächt gewesen von dem Kampf, hätte sie vielleicht eine Chance gegen ihn gehabt, aber so…ihr blieb nur noch die Flucht als letzter Ausweg. Ihre feinen Sinne nahmen war, wie der Dämon sich anspannte und wohl zum Sprung ansetzte. Er schien ihr auch noch den Rest geben zu wollen. Schnell tat sie es ihm gleich, drückte sich am Boden ab und hörte, wie ihr Gewand riss, als sie damit in einem dornigen Gestrüpp hängen blieb. Sie riss sich schnell los und hob ihre Flügel für den ersten Schlag weg von hier. Es geschah gleichzeitig. Zusammen sprangen beide vom Boden ab, der Dämon auf Sui zu und sie in die Höhe, sie schlug ihre Flügel in wilder Panik, als sie ihn auf sich zukommen sah, doch sie war zu langsam. Ein Ruck ging durch ihren ganzen Körper, als er sie am Hals packte. Seine Hand schloss sich fest und würgend um ihn und Sui krächzte auf. Ihre Flügel erschlafften, hilflos hing sie an seinem ausgestreckten Arm und versuchte, mit ihren schwindenden Kräften seinen Griff zu lockern, doch vergebens. Sie sah ihn an. Sein Blick, den er ihr schenkte, wirkte fast schon gelangweilt und doch auch wütend. Er hob seine andere Hand und Sui erkannte das grünliche Glühen, das diese umgab. Sein Gift…er würde sie töten! Sie bäumte sich auf, aber es half nichts. Sie hatte solche Angst, sie wollte schreien, wenn sie es noch gekonnt hätte. Sie wollte nicht sterben! Sie wollte nicht getötet werden! Sie musste fliehen! Der Dämon stieß zu. Wie ein Blitz schoss seine Hand vor, zielte auf ihr Herz und stieß in das warme Fleisch…das jedoch augenblicklich zu Wasser wurde. Auch in seiner anderen Hand befand sich plötzlich nur noch Wasser, der ganze Körper seines Opfers hatte sich vollkommen aufgelöst! Es platschte laut zu Boden und versickerte darin. --- Sesshomaru ließ seine Hände sinken, seine Miene wirkte enttäuscht. Also war auch sie geflohen. Feiglinge! Er blickte sich nicht einmal um, ob in der Nähe eine von ihnen wieder aufgetaucht war, sondern setzte einfach seinen Weg fort, als wäre nichts gewesen und ging zu der Quelle, um seinen Durst zu löschen, was er ursprünglich vorgehabt hatte. Der Geruch der beiden Frauen hing über diesen Ort und auch der Wind schien ihn nicht zu verwehen, der leicht aber zügig durch die Schlucht säuselte. Ihre Kleider lagen wohl noch hier herum, hatten sie doch nackt gegen ihn gekämpft. Elegant ließ er sich am Ufer des Beckens nieder, tauchte seine hohle Hand in das kalte Nass und trank ein paar Schlucke, als er etwas Glänzendes aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm. Er schaute auf und erkannte eine Rüstung, die etwa einen Meter neben ihm lag und von einem Felsen verdeckt worden war, der wohl vor kurzem von dem Bergmassiv herabgestürzt war. Interessiert näherte er sich der Rüstung und stand vor einem Kleiderhaufen, auf dem ein silbern schimmernder Brustharnisch lag. Sein Blick fuhr die filigranen Linien, die in ihn eingraviert waren, nach, und er erkannte das Wappen, das sie darstellten. Er hob seinen Kopf und sah zu der Stelle zurück, an der die letzte der beiden verschwunden war. Allem Anschein nach war sie nicht irgendeine Dämonin gewesen, sondern stammte aus der Herrscherfamilie des Ostens. Um nicht zu sagen, dass sie eine der dortigen Prinzessinnen war. Sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. Die zwei Frauen waren sicher von diesem lächerlichen Treffen gekommen, das alle Dämoninnen des Landes einmal im Jahr abhielten, aber dass eine davon eine so hochgeborene Dämonin war, hätte er nicht gedacht. Man rechnete auch nicht damit, dass man, selbst dem hohen Adel angehörend, von anderen Dämonen seines Standes ohne Grund angegriffen wurde…wie von diesen beiden verrückten, wehrhaften Mädchen. Frucht kannten sie wohl nicht, und auch nicht Respekt. Und noch eher hätten sie Vorsicht walten lassen und nicht blindlings auf ihn losgehen sollen. Der große Dämon atmete langsam aus. Zum Glück hatte er sie doch nicht getötet. Das hätte nur Schwierigkeiten hervorgerufen. Er schüttelte nur widerwillig en Kopf und ging, als wäre nichts passiert, einfach weiter seines Weges. Er verließ die Quelle, verließ die Schlucht und gelangte mit zügigem Schritt über einen Geröllhang immer tiefer in das Gebirge hinein. Doch seltsamerweise verließ ihn der Geruch der beiden Frauen nicht, genauer gesagt, der der vermeintlichen Prinzessin. Eigentlich sollte er ihn auf diese Entfernung nicht mehr so stark wahrnehmen, zumal der Wind sich auch noch gedreht hatte und diesen Duft daher von ihm wegwehen sollte. Aber er trug ihn ihm zu, deutlich und immer stärker werdend. Was hatte das zu bedeuten? Befand sie sich etwa vor ihm? War sie nicht geflohen? Er folgte seiner Nase, verließ den Hang und kam auf einen kleinen, engen Pass, der zwischen zwei hohen Hügeln hindurchführte. Ihr Geruch wurde stärker mit jedem seiner Schritte und er musste sich eingestehen, dass sein Gang sich inzwischen ein wenig beschleunigt hatte. Dort vorne machte der Weg eine Kurve, und er blickte neugierig um die Kurve. Dann sah er sie. Sie lag am Boden, vollkommen hilflos und wohl ohne Bewusstsein. Um sie herum befand sich eine Pfütze mit blutigem Wasser. Langsam trat er näher an sie heran und bemerkte die feinen Rinnsale aus Blut aus ihren Ohren, Mund und Nase. Sie lag auf dem Rücken, und an ihrer linken Brust erkannte er eine Wunde, genau da, wo er sie noch getroffen hatte, bevor sie geflohen war. Aber sie lebte noch, wie ihm seine Sinne sagten. Nachdenkend stand er bei ihr und beobachtete sie. Ihre Atmung war schwach und rasselnd, so als hätte sie Probleme mit ihrer Lunge. Schweiß stand auf ihrer Stirn und sie schien Schmerzen zu haben, da sich immer wieder ihr Gesicht verzerrte. Anscheinend war sie noch eine sehr junge Dämonin aus dem Clan der Wasserdrachen. Sesshomaru wusste von deren Fähigkeit, sich in Wasser aufzulösen und an anderer Stelle wieder zu materialisieren, was die Kleine hier unmissverständlich getan hatte, oder besser gesagt, versucht hatte. Denn ihrem Zustand nach zu urteilen, war ihr das Materialisieren nicht perfekt gelungen. Wahrscheinlich hatte sie starke innere Verletzungen, und es würde dauern, bis diese wieder verheilt waren. Doch dabei konnte sie nicht hier liegen bleiben. Sie war wie Freiwild für andere Dämonen, die nicht wussten, wer sie war, oder – selbst wenn sie es wüssten – denen das egal war. Doch er wusste es und ihm war es auch nicht egal. Im gewissen Sinne war er sogar dazu verpflichtet, ihr zu helfen, auch wenn sie selbst Schuld an ihrem Zustand war und ihn zuvor verärgert hatte. Sie stammte aus dem Adel des Ostens, und der Osten war einer seiner Verbündeten. Es würde sich schlecht auf diese Beziehung auswirken, wenn sie hier umkam und man ihn, den zukünftigen Herrn des Westens, damit in Verbindung brachte. Innerlich seufzend trat er ganz an sie heran, bückte sich hinab und hob sie vorsichtig auf seinen Armen hoch. Sie stöhnte auf, verzog ihr Gesicht vor Schmerzen, doch sie wachte nicht auf. Ihr loser Umhang hing tropfend an ihrem Körper herab und verhüllte so gut wie gar nichts, worauf Sesshomaru aber nicht achtete. Er überlegte kurz, was er mit ihr tun sollte, ob er sie in ihre Heimat bringen oder hier in der Nähe Unterschlupf suchen sollte. Aber ihr Zustand war zu schlecht und sie würde einen Transport kaum überleben, zumindest war er sich darüber nicht sicher. Also entschied er, sich in der Umgebung nach etwas Passendem umzusehen. So flog er los, der Prinz des Westens, mit einer Prinzessin des Ostens auf den Armen. Kapitel 17: Flackerndes Irrlicht -------------------------------- Flackerndes Irrlicht Kaika sank zu Boden, die wirbelnden, giftgetränkten Peitschen des Gegners kamen ihr immer näher. Sie spürte noch immer die leichte Verletzung am Arm, die er ihr vorher beigebracht hatte. Dieses Gift war extrem lähmend, es zog ihr damit ihre Energie ab. Wenn diese Peitschen sie treffen würden, hatte sie keine Chance mehr. Das durfte sie nicht zulassen. Er durfte nicht gewinnen, und sie konnte doch Sui nicht in Gefahr bringen. Sie musste unbedingt aus dieser Situation heraus kommen, und zwar ohne berührt zu werden. Blitzschnell dachte sie nach. Als Feuerwesen konnte zwar kein Metall sie verletzen, so wie eine Klinge durch die Flamme saust ohne diese groß zu beeinflussen. Energie nahm sie mühelos auf, Wasser konnte sie geschickt verdampfen. Schwieriger war es mit großen Mengen Erde oder Sand. Aber dieses dämonische Gift war wie ein ganzer Berg, wie eine riesige Decke, die sie mit voller Macht erstickte. Sie durfte nicht mit ihr in Berührung kommen. Aber sie lag hier hilflos vor ihm am Boden. Schnell, eine Lösung, sofort! Panisch schaute sie umher. Was konnte sie tun? Ein Gedanke huschte durch ihren Kopf…und schon war sie verschwunden. So schnell sie konnte, hatte sie ihr neu erlerntes Wissen angewandt, hatte die Leere heraufbeschworen, hastig, überstürzt, unkontrolliert. Hauptsache, sie wirkte. Sie war ihr einziger Trumpf. Ihre Gestalt verlor ihre Umrisse gerade in dem Augenblick, als die Peitschen sie erreichten. Völlig erschrocken sah sie, wie die Gift triefenden Enden durch ihre Haut drangen, aber sie war bereits körperlos, nur noch ein fahles Abbild ihrer Selbst. Sie atmete schwer, wollte schreien, aber jeder Laut blieb ihr im Halse stecken. Du meine Güte, das war knapp. Sie konnte ihren Körper selbst nicht mehr sehen, aber sie spürte ihn noch. Es war seltsam, ihre Sinne waren alle noch vorhanden, aber die Physis war verschwunden. Schnell blickte sie auf um zu sehen, wie ihr Gegner auf ihre Finte reagiert hatte. Der hatte sich leider gar nicht lange ablenken lassen, sonder ging schon auf Sui los. Ob die Freundin wusste, was mit ihr los war? Sie hatte ihr doch erzählt, was sie bei der Weisen der Leere erfahren hatte. Bestimmt konnte sie sich ihren Reim drauf machen, was sie getan hatte. Aber dieser Dreckskerl, was machte er da? Er sprang in die Höhe, genau im gleichen Augenblick, als Sui ihre schimmernden Flügel ausgebreitet hatte, um sich ebenfalls in die Luft zu erheben. Die Beiden prallten zusammen und Kaika musste mit Entsetzten sehen, wie der Kerl ihre Freundin grob an der Gurgel packte. So ein rabiater Ochse! Die arme Sui würgte schrecklich, und Kaika sprang mit einem mächtigen Satz hoch, dem Feind auf den Rücken. Dort klammerte sie sich fest, klemmte sich mit den Knien an ihn wie an ein bockendes Pferd und versuchte, seine Arme vom zarten Hals der Wasserdämonin zu lösen. Doch verblüfft musste sie erkennen, dass sie nicht in der Lage war, sie zu bewegen. Kaika hatte immer enorme, körperliche Kräfte besessen, schon das Reiten ihres stürmischen Pferdes verlangte ihr einiges ab. Aber so sehr sie zerrte, sie konnte den eisernen Griff des schlanken Dämonen um keinen Millimeter bewegen. Das konnte doch nicht wahr sein! Noch einmal packte sie zu und riss mit aller Kraft, die sie nur aufbringen konnte. Aber der Dämon reagierte überhaupt nicht. Entweder er war unheimlich stark und ließ sie so eiskalt abblitzen, oder…sie hatte keine Kräfte mehr, zumindest keine körperlichen. Sui hing schon wie ein lebloses Wesen in seiner Hand, die seidenen Flügel hingen schlaff herunter wie bei einem toten Vogel. Nein, sie konnte doch nicht sterben, wo sie hier direkt an ihrem Feind hing um ihn zu bekämpfen. Voller Wut holte Kaika mit ihrer Rechten aus und schlug mit derber Wucht auf den Rücken ihres Gegners ein, an dem sie immer noch hing. Aber er zeigte keine Reaktion, nicht einmal ein Zucken. Wieder und wieder schlug sie mit geballten Fäusten zu, aber es brachte nichts. Schnell glitt sie von seinem Rücken und blickte zu der Freundin, die immer noch in seiner Faust fest steckte. Er hatte die andere Hand erhoben, drohte ihr mit Gift. Was tat er da? Er zielte direkt nach ihrem Herzen, und jetzt, jetzt trieb er seine Giftklaue in Richtung ihres weichen Körpers…Nein, nicht Sui, nicht ihre Freundin! Sie wollte aufschreien, brachte aber immer noch keinen Ton hervor. Und plötzlich, in dem Augenblick, in dem er gerade ihre Brust berührte, traf er nur noch auf eine Wasserblase. Kaika atmete erleichtert auf. Sui hatte sich verwandelt, sich in Wasser aufgelöst. Aber etwas beunruhigt war die unsichtbare Feuerdämonin doch. Sui hatte ihr begeistert von dieser Gabe erzählt, aber auch, dass sie sehr schwer zu beherrschen sei. Jedes Wasserzeichen brauchte Jahrzehnte, um sie zu übern und zu trainieren, denn die Rückverwandlung in die ursprüngliche Form benötigte enorme Kenntnisse und Fähigkeiten. Wenn nur ein Organ an die falsche Stelle wanderte, war ihr Leben bedroht. Hoffentlich schaffte die kleine Sui das. Aber immerhin war sie jetzt erst einmal in Sicherheit. Aufgeregt beobachtete Kaika den zurück gebliebenen Dämonen. Das konnte doch nicht wahr sein! Der marschierte einfach ungerührt weiter zu der Quelle hin. War das alles, was er wollte? Wasser trinken? Und warum hatte er da nicht einfach gefragt? Dort saß er, kniete am Ufer des Beckens und trank aus seiner hohlen Hand, als ob nichts gewesen wäre. Dieser dreckige Mistkerl! Und deswegen hätte er sie beide beinahe umgebracht? Na ja - Kaika musste schuldbewusst schlucken - sie waren auch nicht gerade freundlich zu ihm gewesen und hatten sich ziemlich großspurig aufgeführt. Aber immer noch kein Grund, sie deswegen gleich töten zu wollen. Dort lagen Suis Kleider, ihr Harnisch mit ihrem Wappen. Ja, jetzt glotze er sie blöde an. ‚Hast wohl nicht gewusst, mit wem du es zu tun hast?’ Er selbst hatte ja keine Kennzeichnung, kein Zugehörigkeitssymbol zu irgendeinem Haus. Nur diese weißen, seidenen Kleider, elegant und mit einem Blumenmuster, wie es nur sehr reiche Herrscher tragen durften. Wer war er wohl? Sie konnte ihm nur noch nachschauen, wie er gemächlich schlendernd das Tal verließ. Da letzte, was sie sah, war die lange, schimmernde Mähne, die ihm bis in die Kniekehlen reichte und sanft schwankend seine Gestalt umschmeichelte. Kapitel 18: Heilung ------------------- Heilung Als Sui zum ersten Mal ihre Augen wieder aufschlug, war es schwarz um sie herum, sie sah nichts. Panisch fragte sie sich, ob sie erblindet sei, und suchte die Schwärze nach irgendetwas ab, das sich von ihr abhob. Sie erkannte eine ovale Form, die nicht ganz so schwarz wirkte und glaubte auch, Sterne darauf zu erblicken, so als würde sie nach draußen sehen. Aber wo war sie? Hatte sie sich hierher geflüchtet? Sie wollte ihren Kopf ein wenig drehen, doch ließ es sofort wieder bleiben, als unglaublicher Schmerz in ihrem Gehirn explodierte und wie ein Echo durch ihren ganzen Körper hallte. Sie schloss ihre Augen und ertrug ihre Pein. Das hatte sie davon, dass sie etwas tat, was sie nicht konnte. Sie konnte von Glück sagen, dass sie überhaupt noch lebte…wenn ihre Familie das herausfinden würde…es wäre schrecklich. Mit dem Gedanken daran, was noch alles hätte passieren können, schlief sie wieder ein. Als sie das zweite Mal ihre Augen öffnete, schloss sie sie sofort wieder, da es gleißend hell war. Blinzelnd versuchte sie, sich an das schmerzende Licht zu gewöhnen, und als sie es tat, sah sie sich um. Sie lag auf dem Rücken und schaute zuerst nur die Decke an. Sie befand sich in einer Höhle und ein beklemmendes Gefühl machte sich sofort in ihr breit. Sie spürte kein Wasser um sich herum, was hieß, dass sie wohl immer noch in dem Gebirge war und sich sehr weit über dem Erdboden befand. Und wenn sie kein Wasser hatte, hieß das, dass ihre Heilung noch länger dauern würde… Vorsichtig drehte sie ganz langsam ihren Kopf zur Seite. Sie bemerkte, dass ihr wohlig warm war, nur ihr Gesicht lag in der kalten Luft. War sie etwa zugedeckt? Aber wie? Mit was? Und…von wem? Sie erkannte auf der einen Seite der Höhle nichts Verdächtiges, also drehte sie ihren Kopf zurück und auf die andere Seite, doch noch bevor sie dort etwas anschauen konnte, vernahm sie plötzlich eine Stimme: „Du solltest weiterschlafen, dein Körper hat sich noch lange nicht erholt.“ Es war eine dunkle, aber nicht unangenehme Stimme, die Sui nicht kannte. Neugierig drehte sie ihren Kopf doch weiter, schaute in die Richtung, aus der gesprochen worden war und erstarrte. Ihre Augen weiteten sich, ihr Mund öffnete sich leicht vor Verwunderung und im nächsten Moment zogen sich alle ihre Muskeln zusammen und sie setzte sich auf, wollte aufspringen, aus der Höhle heraus und so schnell sie konnte wegfliegen, doch kam sie nicht weiter als in eine sitzende Position, bevor sie vor Schmerzen aufstöhnte und sich an Brust und Bauch fasste. Ihr war, als würde sie innerlich verbrennen. Alles schmerzte und Übelkeit schwappte über sie hinweg und es drohte ihr wieder schwarz vor Augen zu werden. Sie durfte nicht ohnmächtig werden, sie musste fliehen! Vor ihm…diesem weißhaarigen Dämon! Sie stützte sich ab, wollte ihren Schmerz ignorieren und aufstehen, aber es ging nicht. Ihr Arm knickte unter ihrem Gewicht weg und ihre Kraft verließ sie wieder und ihr Oberkörper stürzte nach hinten auf den harten Boden zu, wurde jedoch auf einmal abgefangen. Vorsichtig legten die Hände an ihrem Rücken Sui wieder hin. Sie verkrampfte sich nur noch mehr, hob ihrerseits ihre Hände und stieß sie nach oben, um den Dämon weg zu schupsen, den sie nun nahe neben sich vorfand, jedoch fehlte ihr auch dafür die nötige Kraft und auf halben Wege sackten sie nach unten. Sie atmete schwer und mit jedem Atemzug schienen sich ihre Lungen mehr zusammenzuziehen und brachten sie in schiere Atemnot. Was war hier los? Wieso war er da? Wieso lebte sie noch in seiner Gegenwart? Ihr Blick ließ ihn nicht los und er erwiderte ihn, jedoch ohne irgendeine Regung zu zeigen. „Bleib liegen! Umso schneller wirst du gesund und wir beide können von hier weg.“ Damit stand er auf und verschwand wieder aus ihrem Blickfeld. Doch Sui dachte nicht daran, liegen zu bleiben. Sie biss die Zähne zusammen und setzte sich noch einmal auf. Sesshomaru drehte sich nach ihr um und sog ärgerlich die Luft ein. Er näherte sich ihr wieder, bückte sich davor schnell und hob etwas vom Boden auf, das er ihr dann an die Kehle hielt. Sui zuckte zusammen, als sie das kalte Metall einer Klinge an ihrem Hals spürte. „Ich sag es dir noch einmal im Guten: bleib liegen! Sonst werde ich dich dazu zwingen.“, vernahm sie seine Stimme wieder knapp hinter ihrem Ohr. Sie schluckte schwer und ihr Rachen brannte dabei, als wären es scharfe Glasscherben gewesen. „Warum bist du hier?“, fragte sie ihn. Sie war kaum zu verstehen und hörte sich krank an, unglaublich krank. „Warum ich hier bin?“, wiederholte er ihre Frage, legte eine Hand an ihren Rücken und mit der anderen, in der das Messer lag, drückte er sie langsam zurück, damit sie sich wieder hinlegte. Misstrauisch sah sie ihm dann ins Gesicht. „Aus einem ganz einfachen Grund.“, sagte er, nahm den Dolch (ihren Dolch!) von ihrem Hals und kniete kurz neben ihr. „Mein Land steht in einem Bündnis mit dem Land, das dein Vater regiert. Ich bin also dazu verpflichtet, hier bei dir zu bleiben. Solltest du sterben, würde sich das nur schlecht auf diese Beziehung auswirken.“ Suis Augen weiteten sich wieder. Er wusste wer sie war? Woher? Er lachte leise. „Woher ich es weiß, wer dein Vater ist?“, erriet er ihre Gedanken richtig. Er griff zur Seite und holte etwas in ihr Blickfeld. Es war ihr Brustharnisch. „Eine Prinzessin sollte sich in der Fremde ohne ein Gefolge, das sie beschützen kann, nie zu erkennen geben, hat man dir das nicht beigebracht?“ Seltsamerweise fühlte Sui sich ertappt. Aber sie war auch zornig. „Und man könnte meinen, dass man einer Prinzessin auch beigebracht hat, dass sie nicht blindlings und unüberlegt andere Dämonen provoziert. Die noch dazu viel stärker als sie selbst sind.“, fuhr er tadelnd fort und Sui holte Luft, um ihm zu widersprechen. „Du warst selbst schuld!“, krächzte sie ihn kaum hörbar an und bereute es auch schon wieder. Schmeckte sie da Blut? Er lachte freudlos. „Ja, nichts tuende Dämonen sind selber schuld, wenn sie ohne Grund angegriffen werden. Anscheinend habt ihr im Osten interessante Anschauungen über euer Umfeld.“ Sie schaute ihn böse an. Warum war sie so schwach? Sie würde ihn sonst fertig machen! „Wer bist du eigentlich?“, keifte sie stattdessen leise weiter. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Warum sollte ich dir das sagen?“ „Du weißt auch, wer ich bin.“, hielt sie ihm entgegen. Gott, wie das wehtat! „Wenn du deine Sachen einfach herumliegen lässt.“, war sein Kommentar. Und Gott, war sie wütend! „Ich hatte nicht damit gerechnet, ohne sie verschwinden zu müssen.“ „Woran du auch selbst schuld bist.“ Wieder holte sie tief Luft, um etwas zu erwidern, doch ließ es dann. Es brachte nichts und erschöpfte sie zu sehr. Stattdessen wandte sie ihren Blick ab und schloss ihre Augen. Warum passierte ihr so etwas? Mit diesem Dämon, der sie und Kaika beinahe getötet hätte! „So ist es brav, schlaf schön, damit du wieder gesund wirst.“ Sie hörte den Spott aus seiner Stimme und versuchte wieder, ihn mit ihrem Blick zu töten, doch es klappte nicht. Er stand auf und verschwand erneut aus ihren Augen. Wenn sie nur nicht so erschöpft wäre…und so durstig. Sie brauchte Wasser. Ihr Körper brauchte Wasser. In der richtigen Umgebung wären ihre Wunden schon längst verheilt, doch hier… Sie schlief wieder ein und erwachte erst wieder am Abend. Kaika wusste, es wurde Zeit die Leere wieder loszuwerden. Die Weise hatte sie eindringlich gewarnt, die Macht dieses Elements nicht zu lange zu nutzen. Sie versuchte sich an die Anweisung zu erinnern, aber der Schmerz in ihrem Arm lenkte sie zu sehr ab. Nervös lief sie auf und ab und suchte dabei den Himmel nach ihrem fliegenden Begleiter ab. Sie konnte ihren treuen Schwarzen bereits erkennen, wie er wieder über das Tal kreiste und zur Landung ansetzte. Er ging nie weit weg, passte auf sie auf und kehrte immer auch ohne Rufen zu ihr zurück. Gerade war er am Becken gelandet, faltete die mächtigen Schwingen zusammen und schritt langsam zu der glitzernden Wasserfläche hin um wieder zu trinken. Kaika näherte ich ihm vorsichtig von der Seite. Ob er sie gesehen hatte und drum hier gelandet war? Sie rief seinen Namen, Hotaru, was Glühwürmchen bedeutete und eine groteske Untertreibung seiner wahren Größe war. Genau deswegen hatte Kaika ihm diesen Namen gegeben. Doch als ihre Lippen die Silben formten, durchbrach kein Laut die Stille. Also hören konnte er sie wohl auch nicht. Ob er sie wenigstens spüren konnte? Sie trat zu ihm und strich ihm über sein glänzendes, warmes Fell, den kräftigen Hals, den schön geschwungenen Rücken, auf dem sie noch vor kurzem gesessen hatte. Nichts, das Tier reagiert nicht. Oder doch? Gerade zuckte seine Seite wie wenn eine kleine, störende Berührung ihn ärgerte. Aber es war nur eine Fliege, die er wegschüttelte. Auf ihre Berührung reagiert er nicht. Sie konnte sich ihm direkt vor die Nase stellen, er riss sie nur kurz hoch um sich umzusehen, nicht, weil er seine Reiterin erkannt hatte. Trotzdem, sie konnte hier nicht einfach bleiben. Sie wollte ihre Kleidung holen, sich anziehen und mit ihrem Pferd losziehen, um Sui zu suchen. Entschlossen suchte Kaika mit stolpernden Schritten nach ihrem roten Feuerrattenanzug und fand ihn verstreut am Uferrand vor. Aber als sie ihre Hose aufheben wollte, griff sie daneben. Verärgert bückte sie sich noch einmal, und wieder entglitt sie ihren Fingern, die sie nur spürte, aber nicht sehen konnte. Aber sie war sich sicher, dass sie an die richtige Stelle gefasst hatte. Sie probierte es immer wieder. Keine Chance. Sie konnte den weichen Stoff nicht greifen! Hm, das kam bestimmt von dieser Leere. Sie war körperlos, damit konnte sie auch nichts anfassen. Ihr Pferd hatte sie ja auch nicht gespürt, und dieser dämliche Gegner ebenfalls nicht. Also musste sie erst, um all dies tun zu können, ihren Körper wieder zurück erhalten. Wie sonst sollte sie ihre Kleidung greifen, ihr Reittier lenken, wie ihm mitteilen, wohin sie wollte? Also, wie ging das noch mal? Verflixt, warum konnte sie sich kaum noch erinnern? Warum war ihr Kopf so leer? Blöde Frage…wenn man von der Leere befallen ist, gab sie sich selbst die Antwort. Also schnell, bevor sie alles vergaß. Gleich setzte sie sich auf das kurze, saftige Gras, schlug die Beine unter und versuchte sich zu entspannen, wie die Alte es ihr gezeigt hatte. Langsam schloss sie ihre Augenlider und konzentrierte sich auf ihren Atem, der endlich ruhiger wurde. Mit geradem Rücken saß sie da, ganz vorbildmäßig, und entspannte ihren Geist. Nun musste sie sich auf ihre Energie konzentrieren, auf ihre Aura, die sie umgab und dann die Leere ertasten, die mitten in ihr wuchs. Sie spürte sie, wie sie in ihr hoch stieg und versuchte ihre feurige Seele einzufangen. Jetzt musste sie ihre Mächte bündeln, ihr Feuer ballen und gegen die Leere wenden um sie zu verdrängen. Kaika verlor sich vollkommen in dieser Aufgabe, sie bündelte ihre gesamte Energie und stellte sich bildlich vor, wie sie diese der Schwärze in ihr entgegen sandte. Die Energiewelle brauste los…und wurde einfach verschluckt. Sie zeigte überhaupt keine Wirkung. Kaika wurde unruhig. Sie hatte ja die Leere viel zu hastig und zu intensiv herbeigeholt. So stark war sie vorher nie gewesen, sie hatte sie damals im Zelt der Weisen kaum gespürt und doch war sie damals schon unsichtbar geworden. Nun spürte sie wie diese ungewohnte Macht in ihr fraß, sich ausbreitete und immer mehr von ihr einnahm. Ihre Energie schwand rapide, ihr Gedächtnis wurde immer lückenhafter und anstatt sich weiter zu konzentrieren wurde sie immer schläfriger. Abrupt rappelte sie sich auf. Sie musste es noch einmal versuchen. Ihre Feuerkräfte waren doch riesig, mit ihnen müsste sie doch diesem unterentwickelten Element in ihr trotzen können. Gegen die aufsteigende Gleichgültigkeit ankämpfend raffte sie nochmals ihre ganze Kraft zusammen und bündelte ihr Feuer. Sie verdichtete es zu einem glühend weißen Ball und presste ihn dann mit aller Wucht auf die schwarze, alles verschlingende Leere in ihrer Mitte. Mit einem Stöhnen kippte sie zur Seite ins zarte Gras. Die Dunkelheit war endgültig über sie gekommen und nahm sie gefangen. Kapitel 19: Rettung ------------------- Rettung Es war dunkler in der Höhle als Sui am Morgen, der Blick nach draußen aus der Höhle raus zeigte ihr einen rosafarbenen Himmel. Die Sonne ging unter und färbte die wenigen dünnen Schleierwolken in dieser zarten Farbe. Sui fühlte sich besser. Ihre Kopfschmerzen waren abgeklungen zu einem dumpfen Pochen, das sich aushalten ließ. Auch ihr Hals tat ihr nicht mehr weh, sie konnte gut atmen. War es vorbei? War sie geheilt? Zur Probe bewegte sie ihre Hände unter der Decke, in die sie noch immer gehüllt war. Es tat nicht weh. Sie hob ihre Schultern ein wenig an, doch sofort krampfte sich ihr Brustkorb zusammen. Anscheinend war doch noch nicht alles verheilt. Aber sie war nun eher in der Lage, von hier zu verschwinden. Denn sie wollte keine Sekunde länger bleiben! Aber sie wollte nicht einfach aufspringen und fliehen. Erstens war sie noch immer nackt, wie sie feststellte, als ihre Hände über ihre blanke Haut fuhren, und konnte so nicht los. Der Dämon war ihr egal dabei, aber nicht ihre Familie. Sie wollte sich nicht vorstellen, was alles geschehen würde, wenn sie auf einmal viel zu spät als ausgemacht nackt zuhause auftauchte… Zweitens wusste sie, dass dieser Dämon sie nicht einfach gehen lassen würde. Er würde sie nur wieder zurückzwingen. Trotzdem musste sie hier raus! Vorsichtig drehte sie sich zur Seite und biss ihre Zähne dabei zusammen. Sie hob ihren Blick und sah ihren Kleiderstapel neben sich mit ihrem Harnisch, aber auch den Dämon, der hinter ihr saß. Direkt hinter ihr. War er ihr die ganze Zeit so nahe gewesen? „Wieder wach?“, fragte er. Sui hatte das Gefühl, dass er sich über sie lustig machte. Sie streckte ihren Arm aus nach ihren Kleidern, doch seine Hand legte sich auf ihre. Dabei fiel ihr auf, wie kalt ihre Hände waren, da seine warm war. „Ich habe dir noch nicht erlaubt, wieder aufzustehen.“ Sein Ton war ernst und bestimmt. „Und das soll mich kümmern?“, gab Sui bissig zurück. Ihre Stimme klang nun kräftiger und ausgeruhter. Kein Krächzen mehr. „Ja, sollte es.“ „Ich lasse mir aber nichts von irgendwelchen dahergelaufenen Dämonen befehlen.“ Er lachte wieder leise. „Vertraue mir, ich bin nicht irgendein dahergelaufener Dämon.“ „Ach ja? Und was bist du dann?“ Er beugte sich ein wenig vor. Sein Blick war ernst und…wütend? „Dein Lebensretter.“ Suis Augen wurden groß. „Du hast mich in diese Lage gebracht!“, giftete sie und zog ihre Hand weg. Sie biss ihre Zähne zusammen und richtete sich auf ihren Knien auf. Dabei hielt sie die Decke, in die sie noch immer gehüllt war, um ihren Körper herum und erwiderte seinen Blick herausfordernd. Sie würde jetzt von hier verschwinden! Koste es, was es wolle! Sie rutschte vor, näher an ihn und ihre Kleider heran. „Du bist wirklich mutig.“, meinte er. Sein Gesicht zeigte dabei keine Regung. „Oder wirklich dumm.“, fügte er noch hinzu und augenblicklich wurde sie noch wütender. Doch auch in seinen Augen blitzte Wut auf und seine Hände schossen vor und packten sie fest an ihrer linken Schulter und an ihrer Hüfte und noch ehe sie sich versah, hatte er sie umgedreht und sie lag mit dem Rücken halb auf ihm. Ziehender, schlimmer Schmerz zog sich von ihrem Unterleib bis zu ihrem Kopf, der sofort wieder stärker zu pochen anfing. Sui verkniff sich jeden Laut, was ihr schwer fiel. Wehrlos lag sie da, dann vernahm sie seine Stimme nahe an ihrem Ohr. Sehr nahe… „Und jetzt stell dir diesen Schmerz bei jedem deiner Flügelschläge vor. Wie sie deinen ganzen Körper in der Luft halten und bei jedem Heben und Senken deine Muskeln beanspruchen und sie zu zerreißen drohen. Immer noch so erpicht darauf, von hier zu verschwinden?“ Sui sagte nichts. Er hatte ja Recht. Doch das würde sie nicht zugeben. „Dann will ich mich wenigstens anziehen.“, zischte sie zurück. Sie spürte nur zu deutlich seine eine Hand, die auf ihrem Bauch lag. Zum Glück hatte sie die Decke noch. Aber sie wollte nicht länger nackt sein in seiner Gegenwart. Nicht, wenn es noch einmal passieren konnte, dass sie ihm so nah kam, weil sie von hier verschwinden wollte und er sie davon abhielt. „Gerne.“, erlaubte er es freundlicherweise. Geschickt und gleitend stand er von seinem Platz auf und sie saß wieder am Boden neben ihren Kleidern. Vorsichtig und noch langsam zog sie sich an, ihr Hemd, ihre Hose und schnürte sich alles besonders fest zu. Sie griff nach hinten nach ihrem Dolch samt Gürtel und erwartete schon, dass er ihr ihre Waffe abnehmen würde, doch er tat es nicht. Anscheinend meinte er, dass von ihr keine Gefahr ausging, auch wenn sie bewaffnet war. Eine neue Welle Ärger brandete in ihr auf bei diesem Gedanken und sie gürtete sich ihn auch fest um. Mistkerl… Ihren Harnisch ließ sie noch an Ort und Stelle. Sie würde weiterhin liegen müssen, da wäre er nur hinderlich und unbequem. Fertig angezogen schaute sie sich nach ihrem Aufpasser um. Er saß im hinteren Teil der Höhle an die Wand gelegt, seine Augen waren geschlossen. Ruckartig wandte sie sich wieder ab. Sie konzentrierte sich auf ihre Atmung, um Herr über ihren Schmerz zu werden. Langsam ließ das Ziehen in ihrer Brust wieder nach und auch ihr Kopf beruhigte sich. Sie legte sich zurück unter ihre weiße Decke, die sie nun zum ersten Mal genau betrachtete. Es war eigentlich keine richtige Decke. Es war Fell. Aber…hatte der Dämon nicht so ein Fell um seine Schultern getragen? Er hatte sie darin eingehüllt? Oh Gott… Sie schloss seufzend ihre Augen. Das war alles sicher nicht wahr, sie träumte oder so was… Die Sonne ging immer weiter unter, die Dämmerung brach herein und die Nacht kam schließlich über die Lande. In der Höhle war es wieder stockdunkel, als Sui aufwachte. Man sah nicht einmal die Hand vor Augen. Sie konnte zwar noch den Ausgang erkennen, aber dieses Mal waren keine Sterne zu sehen. Der Himmel war wohl von dichten Wolken verhangen. Was ihr nur recht sein konnte. Sie lauschte auf ihre Umgebung und hörte die regelmäßigen Atemzüge des Dämons. Er schlief. Ohne das leiseste Geräusch zu verursachen erhob sie sich von ihrem Lager. Sie griff nach ihrem Brustpanzer, legte ihn lautlos an und schlich zum Ausgang. Vorsichtshalber dehnte sie kurz ihren Oberkörper, doch nur mehr ein leichtes Ziehen erinnerte noch an ihre schlimmen Verletzungen. Das ließ sich aushalten, beschloss sie für sich. Sie stellte sich an die Öffnung, hielt sich am Rand fest und lehnte sich nach draußen. Frischer Wind fuhr ihr durch die Haare und tief atmete sie ein. Wie gut das tat. Als erstes würde sie Wasser suchen und trinken. Nur noch trinken. Und baden. Ja. Sie stellte sich aufrecht hin und konzentrierte sich darauf, ihre Flügel zu entfalten, als sie plötzlich von hinten gepackt wurde, herumgedreht wurde und an die Wand gedrückt wurde. Erschrocken keuchte sie auf, spürte seine Hand mit den scharfen Krallen hauchzart an ihrem Hals und sah schemenhaft das Gesicht des Dämons vor sich und erstarrte. Nicht schon wieder… Schweigen. Er beugte seinen Kopf vor, ganz nah an ihren heran. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals in der Brust vor Aufregung. Warum war sie so aufgeregt? Warum fühlte sich seine Hand auf ihrer Taille so…seltsam an, so ungewohnt…und nicht unangenehm. Warum? Und wie nahe er ihr wieder war…noch nie war ihr ein Mann so nahe gekommen. Sie sollte Angst haben, panische Angst, immerhin brauchte es nur einen kurzen Ruck seiner Hand an ihrem Hals und sie war tot! Wo also war ihre Angst? „Kennst du das Sprichwort: Wer nicht hören will, muss fühlen?“, flüsterte er. Ein Schauer lief über Suis Körper. Seine Finger streckten sich ein wenig und sie fühlte nicht mehr seine Nägel, sondern seine Fingerkuppen, die warm auf ihrer Haut lagen, sein Gesicht war ihrem so nahe…nervös blinzelte sie, was ihm natürlich nicht entging. Was hatte er vor? „Also was willst du nun fühlen dafür, dass du nicht auf mich gehört hast?“, sprach er weiter. Seine Hand an ihrer Hüfte wanderte langsam höher und erschrocken hielt sie sie mit ihrer fest. Er lächelte. „Vorschläge deinerseits? Sonst entscheide ich.“ Ihre Augen weiteten sich und sie brachte keinen Ton über ihre Lippen. Seine Hand unter ihrer drehte er und schloss seine Finger um ihre. Er hob ihre Hand hoch und hielt sie gegen die Wand. Damit kam wieder Bewegung in Sui. Sie hob nun ihrerseits ihre Hand und wollte seine von ihrem Kinn nehmen, aber sein Lächeln wurde nur überheblich. Auch diese Hand drehte sich schnell und hatte ihre schon umschlungen und an die Wand gedrückt. Sofort versuchte Sui, sich zu befreien, doch er war zu stark. „Da du nicht antwortest“ Sie konnte ihn nicht richtig sehen, schaute ihm in seine kaum sichtbaren Augen und atmete stockend und flach. Das war nicht Angst, was sie verspürte…warum war sie so aufgeregt? Seine Lippen berührten ihr Gesicht fast, so nahe war er ihr. Sie konnte seine Wärme auf ihrer Haut spüren. „Entscheide ich.“ „Nein.“, hauchte sie, doch es war zu spät, er küsste sie. Ihre Augen schlossen sich von selbst, ihre Knie wurden weich, als sie seine Lippen auf ihren spürte, doch da löste er sich auch schon wieder von ihr. Er ließ eine ihrer Hände los und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie drehte es weg von ihm und wollte seine Hand wegdrücken, aber auch das schaffte sie nicht. „Hör auf!“, wisperte sie, doch er dachte nicht daran, auf sie zu hören. Viel zu schön war es, zu beobachten, wie sie unter seinen Berührungen erschauderte. Aber nicht aus Furcht oder etwas Derartiges. Das nun wirklich nicht. Er ignorierte ihre Hand, schloss seine um ihr Kinn und drückte ihr Gesicht wieder zurück, bis sie ihn ansah. Sie atmete flach, ihr Herz raste…sie schaute ihn so unschuldig, ängstlich an, verlockend. „Nein, das werde ich nicht.“ Er küsste sie wieder, spürte das leichte Zittern ihrer Lippen. Ein leises Seufzen entrang sich ihrer Kehle, was in ihm widerhallte. Innerlich lächelte er. Wenn er so weitermachen würde, würde er noch weiterkommen, als sie nur zu küssen. Er löste seine andere Hand und fuhr zärtlich ihre Seite nach unten und schlang sie um ihre Hüfte. Er spürte, wie sie auf seine Berührungen reagierte, ihren Körper ihm wohl unbewusst entgegendrückte. Ihr Arm legte sich auf seinen, er zog sie nahe an sich heran und wollte seinen Kuss vertiefen. Sanft fuhr seine Zunge über ihre Lippen, bat um Einlass, doch sie öffnete sie ihm nicht. Sie trennten sich und er hörte wieder ihre Stimme. „Hör auf!“, befahl sie augenblicklich, machte aber keine Anstalten, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Was war das? Alles in ihr schrie danach, von ihm weg zu springen, ihn zu schlagen, zu kratzen und was ihr noch einfallen würde, doch…sie tat es nicht. Sie tat es einfach nicht. Sie…genoss es sogar. Seine Berührungen, seine Küsse…Warum tat sie das? Das war verboten! Nicht nur, dass er ein gefährlicher, unbekannter Dämon war, der sie beinahe getötet hätte, sie war eine Prinzessin! Sie küsste nicht wildfremde Männer, das war absolut untersagt! Es war untersagt, dass sie überhaupt Männer küsste! Doch sie machte das gerade. Wenn das herauskam…sie durfte es nicht weiter kommen lassen. Das wäre fatal. Aber…es fühlte sich so gut an in seinen Armen. Sie war noch nie von einem Mann geküsst worden. Und diese zwei…hatte ihr Herz schon jemals so schnell geklopft? Sie konnte sich nicht erinnern. Sie senkte ihren Blick und schaute seine Brust an. „Und wenn nicht?“, fragte er ernst. „Ich befehle es dir!“ Ihre Stimme wurde ein wenig lauter und klang fest. Er lachte und kam ihr wieder nahe. „Du befiehlst es mir? Warum sollte ich auf dich hören?“ „Weil ich eine Prinzessin bin und über dir stehe.“ „So, tust du das? Bist du dir da so sicher? Aber was ist, wenn ich der Herr eines Landes bin, auf gleicher Höhe mit deinem Vater? Was dann? Dann dürfte ich dir Befehle erteilen, die du bedingungslos befolgen müsstest.“ Sie schaute hoch und kniff ihre Augen etwas zusammen. „Mach dich nicht lächerlich. Von welchem Land solltest du denn der Herr sein?“ „Wer weiß? Von einem Land, das weit weg ist von eurem. Dessen Herrscher dir nicht bekannt ist.“ „Das glaubst du doch selbst nicht. Also lass mich in Ruhe! Ich werde jetzt gehen.“ Sie wollte von ihm wegtreten, doch er ließ sie nicht gewähren. „Du wirst gehen.“, stimmte er ihr zu. „Aber erst“, seine Hand umschloss wieder ihr Kinn. „wenn du mich noch einmal geküsst hast.“ Ihre Augen weiteten sich. „Das darf ich nicht.“, rutschten ihr die Worte sofort aus dem Mund. „Aber du willst es.“, fügte er hinzu. Sie blinzelte wieder. „Nein.“, sie versuchte zu schlucken. Ihr Mund war so trocken. „Ich werde es niemandem verraten.“, flüsterte er und seine Augen glitzerten listig, was sie aber nicht sah. Sui schüttelte ihren Kopf. „Nein.“, sagte sie nur. „Ich darf es nicht und ich will es nicht!“ bekräftigte sie noch einmal. „Und jetzt lass mich los!“ Er gehorchte ihr tatsächlich und ließ sie gewähren. Er trat von ihr zurück und sah, wie sie tief durchatmete. „Na also.“, sagte sie nur und wandte sich dem Ausgang zu. „Ich werde jetzt gehen. Und du wirst mit weder folgen, noch mich suchen, besuchen oder was dir sonst einfallen könnte!“, befahl sie ihm. Wie amüsant sie doch war, dachte Sesshomaru sich. „Und ich werde mich auch nicht bedanken, für gar nichts!“, setzte sie noch eins drauf und verwandelte sich. Kurz wurde es taghell in der Höhle, bis sie mit ihren Flügeln dastand und mit ihnen den Ausgang blockierte. Ohne einen Blick für ihn sprang sie in die Freiheit und rauschte durch die Nacht. Sesshomaru stellte sich an die Öffnung und schaute ihr hinterher. Noch lange vernahm sein feines Gehör ihre Flügelschläge. Ein Lächeln legte sich über seine Lippen. „Ich muss dich enttäuschen.“, flüsterte er. „Aber ich stehe nun mal über dir und muss deinen Befehlen deshalb nicht gehorchen. Wir werden uns schon bald wieder sehen.“, versprach er ihr. Sie hatte sich geirrt. Und wie sie sich geirrt hatte. Kaum hatte sie den ersten Flügelschlag getan, zerriss ungeahnter Schmerz ihren Körper. Er begann an ihrem Rücken, wo ihre Flügel ansetzten, und zog sich in den Bruchteilen einer Sekunde über ihren Brustkorb nach vorne und strahlte über den Rest ihres Körpers. Ihr Kopf antwortete und schien mit alter Wucht explodieren zu wollen. Ihre Arme und Beine zuckten unkontrolliert und sie zog sie eng an sich, um es zu unterdrücken, was nur noch mehr Schmerzen verursachte. Tränen standen in ihren Augen. Qualvoll biss sie ihre Zähne zusammen und glaubte wieder Blut zu schmecken. Warum war sie noch so stark verletzt? Ihr war es doch gut gegangen in der Höhle. Nun, dort hatte sie auch nicht fliegen müssen und jeden einzelnen ihrer Muskeln beanspruchen müssen. Anscheinend hätte sie doch noch länger warten sollen, wie dieser Dämon es gesagt hatte. Dieser Dämon…schon der Gedanke an ihn ließ ihr Blut brodeln. Bastard…Keinen Augenblick länger hätte sie in seiner Gegenwart verbringen wollen. Dafür ertrug sie den Schmerz auch! Ihre Nase und ihr Gefühl zeigten ihr den Weg zum Meer, das nicht mehr weit weg war. Auch wenn dieser Weg in ihrem Zustand unerträglich war und sich somit in die Länge zog. Sie torkelte immer mehr und verlor an Höhe. Ihre Atmung ging schwer und jeder Schlag ihrer Flügel war unerträglich. Bald…bald hatte sie es geschafft. Bald konnte sie im Wasser sein. Im Meer, in dieser Urgewalt, dass nur so überfloss an Energie und sie heilen würde. Sie würde schwimmen können im Fluss der Gezeiten, entspannen können. Und sie würde verschwinden für kurze Zeit für alle, die sie irgendwie erspüren konnten. Das Meer würde ihre Schwingungen übertönen und sie sprichwörtlich verschlucken. Sie konnte also beruhigt loslassen und sich ganz und gar auf ihre Heilung konzentrieren. Ihr Blut rauschte laut in ihren Ohren. Doch glaubte sie, ein anderes Rauschen dazwischen zu hören. War sie da? Die Berge unter ihr verschwanden langsam, wichen hohen Hügeln, die allmählich zu sanften Erhebungen wechselten und dann jäh abfielen. Das andere Rauschen war da, unter ihr. Das Meer… Sui atmete auf und ließ sich nach unten fallen. Vereinzelt bremste sie ihren Sturz noch ab, ließ sich jedoch dann ins Wasser fallen. Sie hatte es geschafft. Kapitel 20: Leere ----------------- Hallo, schreibt denn keiner hier ein Rev??? Jetzt kommt die große Rettung auch für Kaika...und rate mal von wem... Leere Als Kaika ihre Augen wieder öffnete, war die Sonne bereits am Untergehen und verzauberte das einsame Tal mit goldenen Tönen. Mit trübem Blick beobachtete sie die Umgebung. Unberührt lag das kleine Wasserbecken da. Ja, dort war sie doch noch vor kurzem so fröhlich mit ihrer Freundin geschwommen. Und dann war etwas passiert. Aber sie konnte den Gedanken kaum fassen, er versiegte hinter ihrem leeren Blick. Nur ein paar kleine Wasserläufer huschten jetzt eilig dahin, glitten wie Schlittschuhläufer über die schwarz glänzende Fläche. Ein Schwarm Fliegen tanzte am Ufer, das geflügelte Pferd stand dösend im Schatten, und ein paar verirrte Schmetterlinge umschwärmten die ersten Blüten, dich sich mit dem Verschwinden der Sonne bald schließen würden und den Zugang zu ihrem verlockenden Saft damit versiegelten. Nichts zeugte mehr von dem Kampf der beiden jungen Frauen, der leider so schnell auf Leben und Tod hinaus gelaufen war, wie es der grimmige Gegner vorgegeben hatte. Dieser Mistkerl! Erinnerungen an eine Gestalt in Weiß huschten durch Kaikas Kopf. Die Wut, die sie sofort durchströmte, brachte wieder etwas Leben in sie. Wegen ein paar Schluck Wasser hätte der sie beinahe umgebracht. Sie fühlte sich grässlich, obwohl sie kaum Schmerzen hatte. Der Arm tat ihr noch weh, dort, wo sie mit seinem Gift in Berührung gekommen war. Aber da ihre Gestalt immer noch nicht sichtbar war, konnte sie die Stelle auch nicht begutachten. Es brannte wie Feuer und sie befürchtete, dass die Wunde inzwischen ziemlich entzündet war. Lähmend zog sich das Gift durch ihren Körper und schien ihr das Herz abzupressen. Mit einem Stöhnen sank sie wieder zurück auf die Wiese. Sie bekam kaum Luft, obwohl eine herrlich frische Brise über sie hinweg zog. Noch einmal versuchte sie matt, ihre Konzentration auf die Vertreibung der Dunkelheit tief in sich zu richten. Sie konzentrierte sich, versammelte ihre letzten Kräfte, aber ihre geballte Energie ging auch diesmal wortwörtlich ins Leere. Bewusstlos sackte ihr geschwächter Köper wieder zurück ins Gras. --- Mitten in der Nacht erwachte sie kurz. Sie fror, als der Wind über ihre nackte Haut hinweg wehte. Zitternd lag sie da, doch sie war zu keiner Bewegung fähig, um sich irgendwie zu schützen. Mühsam und völlig erschöpft hob sie ihren lockigen Kopf ein wenig in die Höhe, um überprüfen zu können, ob sie endlich wieder zu sehen war. Nichts, nicht mal ein Schimmern. Matt und mutlos fiel sie schwer zurück ins Gras .Wann würde sie endlich wieder sichtbar werden? So hatte sie es sich nicht vorgestellt. Sie hatte doch nur schnell dem Gift des Gegners entfliehen wollen. Aber die Verwandlung hatte sie dabei wohl zu schnell und zu hektisch vollzogen. Zu tief hatte sie die Leere in sich eindringen lassen, und nun hielt diese sie gnadenlos gefangen. Jetzt lag sie hier, völlig ausgebrannt, ihrem Körper fehlte jegliche Energie und sie konnte sich nicht aufraffen, irgendetwas zu tun. Sie wollte doch aufbrechen, irgendjemanden suchen. Sie konnte sich schon nicht mehr erinnern wen. Eine Frau, eine junge Frau…wieder fiel sie ohnmächtig zurück ins Gras. --- Es musste schon der nächste Tag sein. Die Sonne stand hoch am endlos blauen Himmel als Kaika wieder erwachte. Sie fühlte sich immer noch schwach und kraftlos. Lang ausgestreckt lag sie am Boden, und obwohl die Sonne sie wärmte, konnte ihre körperlose Gestalt die Energie nicht ausreichend aufnehmen. Kälte erfüllte sie, und der sanfte Frühlingswind, der angefüllt war mit den Düften aufbrechender Blüten, entzog ihr nur noch mehr ihrer spärlichen Wärmereserven. Die junge Feuerdämonin versuchte sich aufzusetzen, aber sie konnte sich nicht regen. Ihre Beine gehorchten ihr nicht, nicht einmal einen Finger konnte sie bewegen, geschweige denn ein Feuer entfachen, dass ihr ein wenig Wärme spenden könnte. Diese Leere fraß sie auf, sie und ihre ganze Energie, ihre Macht. Panische Angst befiel sie, dass sie sie nie mehr loswerden würde. Sie würde für immer ein fahles Irrlicht bleiben, bis an ihr Lebensende, dass ihr vielleicht schon kurz bevor stand. Sie würde sterben, ja, schon bald. Sie war alleine, keiner würde sie retten. Ihr Leben war zu Ende, es war öde und trostlos und würde nicht mehr lange andauern. Hoffnungslos und einsam legte sie sich zurück, bereit den Tod anzunehmen und schlief kraftlos ein. --- Eine Rucken weckte sie. Schläfrig öffnete sie die Augen. Nur wenige Sterne schimmerten am nachtschwarzen Himmel, der Mond zeigte sich nicht. Sie fror erbärmlich und erkannte, dass die Bewegung von ihrem eigenen Körper ausging. Er zitterte, schüttelte sie auf dem zarten Gras hin und her vor Kälte. Sie war also doch noch nicht tot. Wie lange lag sie jetzt schon hier? Es musste Nacht sein, es war stockdunkel, und sie würde weiter auskühlen, womöglich erfrieren, wenn sie nicht endlich eine Möglichkeit fand, sich zu wärmen. Sie musste weg von hier. Mit eisernem Willen raffte sie alle Energie und allen Mut zusammen und stemmte zitternd ein Bein in die Erde. Da, immerhin, es rührte sich! Ja, sie hatte es geschafft. Sie konnte sich tatsächlich wieder bewegen. Trotzdem fiel es ihr unendlich schwer, ihren Entschluss umzusetzen und nur mühsam und mit endlos langsamen Bewegungen richtete sie sich auch. Als sie den Kopf erhob, roch sie es sofort: Rauch. Na, immerhin ihre Sinne funktionierten noch…oder wieder. Es musste hier irgendwo sein: verlockendes Feuer, Wärme, Energie, Prasseln und Knistern. Und sie fror so erbärmlich. Gier machte sich in ihr breit, und wie eine Süchtige zog es sie zu dem verlockenden Ziel. Das Tal war nur von ganz wenigen Sternen erleuchtet, das silberne Licht des Mondes fehlte ganz, da es Neumond war. Es musste bereits mitten in der Nacht sein. Ein leichter Wind strich über die frischen Halme des neuen Grases, und seine Kälte zeugte davon, dass der Frühling in den Bergen doch noch nicht so weit fortgeschritten war, wie die Wärme liebende Feuerdämonin sich das wünschte. Langsam und taumelnd stand sie auf. Jede Bewegung fiel ihr schwer, und vor allem fühlte sie sich noch ausgelaugter als zuvor. In ihrem Kopf war es immer noch alles öde und leer, nur der Gedanke an das Feuer hielt sie aufrecht. Feuer, ihr Element. Sie brauchte es so dringend wie noch nie in ihrem Leben. Normalerweise konnte sie beliebig viel Hitze erzeugen, konnte lediglich ihre immer nackten Füße damit wärmen, ihren Körper mit einer wärmenden Hülle umgeben oder gar eine ganze Landschaft mit sengender Glut überziehen. Aber jetzt konnte sie sich nicht im Geringsten konzentrieren. Sie versuchte es verzweifelt, probierte ihre Kräfte zu mobilisieren, um einen kleinen Hitzestoß hervor zu zaubern. Aber es ging einfach nicht. Diese verdammte Leere, die sie zwar gerettet hatte, die sich jetzt aber überall in ihr breit machen wollte. Sie konnte kaum einen Gedanken fassen. Verflixt, sie durfte sie nicht ganz von ihr beherrschen lassen. Mit einem mühsamen Ruck stand sie auf und setzte ihren Fuß in die Richtung, aus der sie den Rauch roch. Das Gras wurde kaum eingedrückt von ihrem leichten Schritt. Das schlafende Pferd spielte zwar kurz mit den Ohren, doch es erkannte seine Herrin nicht, die sich mühsam mit ihrer letzten Energie in Richtung Feuer schleppte. Es brannte abgelegen in einer kleinen Felsennische, etwas weiter hinten im Tal und zog die Feuerdämonin magisch an. Sie war nicht mehr dazu in der Lage zu überlegen, wer in diese abgelegen Gegend kam. Keinerlei Furcht hielt sie noch ab, keine Vorsicht waltete noch in den ausgebrannten Gedanken, nur die animalische Gier nach Feuer und Wärme lockte die junge Dämonin weiter. Ein junger Mann hatte das Feuer entfacht. Er saß mit untergeschlagenen Füßen direkt neben der prasselnden Glut. Sehr lange, schwarze Haare verbargen sein Gesicht, und die flackernden Flammen konnten kaum seine Züge erhellen. Er schaute grimmig, so viel konnte Kaika erkennen, die sich, ganz aus Gewohnheit, hinter einem Fels verborgen hielt. Eine gewisse Vorsicht war ihr angeboren, und den Rest hatte jahrzehntelanges Kampftraining in ihr eingebrannt. Doch die Gier siegte. Sie stürzte beinahe, als sie über eine Wurzel kletterte, um näher zu dem Feuer zu gelangen. Sie spürte schon die die Glut, konnte die nachtschwarzen Augen längst nicht mehr konnte den prasselnden Funken abwenden, sie wollte nur noch weiter, um in den Genuss der heilenden Flammen zu gelangen. Jegliche Vorsicht außer Acht lassend, kroch sie nun auf allen Vieren, um so schnell wie möglich an die verlockende Wärme zu kommen. An dem Jungen kam ihr irgendwas bekannt vor, aber sie konnte sich nicht lange genug konzentrieren, um zu erkennen, was es war. Außerdem wirkte er harmlos. Es schien ein Mensch zu sein, denn seine Sinne waren nicht besonders geschärft. Er blickte zwar mal kurz auf, als ein kleiner Stein unter ihr wegrollte, aber auch er schien unendlich müde zu sein und verfiel wieder in Halbschlaf. Dann hatte sie es endlich geschafft, sie hatte das Lagerfeuer erreicht. Ah, wie schön es wärmte. Sie genoss die glühende Hitze, spürte sie, wie sie langsam ihren Körper hoch kroch und die eisige Kälte vertrieb, die sie vollkommen gelähmt hatte. Noch näher rückte sie an die knisternden Flammen an der von dem Jungen abgewandten Seite des Feuers. Bald schlummerte sie ein, nur noch ab und zu aufgeschreckt von der Hand des Fremden, der ein paar Äste nachlegte um das Feuer am Leben zu erhalten. Ihr kam es so vor, als ob er sie selbst am Leben erhielt. Kapitel 21: Der rot gekleidete Junge ------------------------------------ Hallöchen, vielleicht interessiert es ja jemanden, wie es bei Kaika weiter geht und wer dieser Junge ist...lasst mir doch mal ein Rev da, würde mich soo freuen... Der rot gekleidete Junge Wieder erwachte sie vor Kälte. Müde und zu keinem zusammenhängenden Gedanken fähig blickte sie auf. Das Feuer war ausgegangen, aber die Sonne noch nicht aufgegangen. Sterne schimmerten am klaren Himmel und beleuchteten spärlich die kleine Felsenschlucht. Der fremde Mann lag auf der anderen Seite der Feuerstelle. Undeutlich konnte sie seine Silhouette erkennen. Anscheinend hatte er seinen Kopf auf seinen Arm gebettet und lag etwas eingerollt neben der erkalteten Glut. Kaika bibberte vor Kälte. Ihr ganzer Körper schien vollkommen taub zu sein, sie konnte ihn nicht mehr spüren. Sie hatte noch nicht genug Energie von dem kleinen Lagerfeuer aufnehmen können, um ihre Reserven wieder zu füllen. Sie brauchte Wärme. Ohne nachzudenken krabbelte sie mit letzter Kraft hinüber zu dem schemenhaften Körper des jungen Mannes. Sie spürte seine Körperwärme, sie zog sie magisch an und so kroch sie schnell zu ihm hin und drückte sich dann eng an ihn. Er schien tief zu schlafen. Und da sie ja immer noch körperlos war, konnte er ihre Berührung nicht einmal spüren. Fest presste sie ihren nackten Rücken an seine weiche Kleidung, ihren Kopf legte sie neben seinen auf seinen ausgestreckten Arm. Ah, wie herrlich er sie wärmte. Prickelnd stieg die Hitze in ihren Körper hoch. Langsam fühlte sie ihre Beine wieder, das Zittern hörte endlich auf. Näher und näher presste sie sich an seinen wohligen Köper, schien direkt mit ihm zu verschmelzen. Ihr letzter Gedanke, bevor der Schlaf sie wieder ereilte, war, dass sie nirgends anders liegen wollte als hier in seinem wärmenden Schoß. Noch etwas geschwächt erwachte Kaika wieder. Vorsichtig schlug sie Augen auf, irgendetwas stimmte nicht. Mit feuerrotem Glühen kündigte sich die Sonne an, die bald ihre ersten Strahlen über den Bergkamm senden würde. Die Vögel waren bereits erwacht und trällerten noch träge ihre Morgenlieder. Sonst lag das Tal in vollkommener Stille. Wo war sie überhaupt? Und was war das Rote da über ihr? Sie erkannte einen Arm, gehüllt in einen weiten, roten Ärmel, der über ihrer Taille lag. Ja, sie konnte ihren Körper wieder erkennen. Endlich! Wenn es auch nur ein fahles Abbild war, ein silbriges Flackern, aber ihr Körper war wieder da. Vorsichtig hob sie den Kopf von der festen, aber warmen Unterlage, die sich ebenfalls als Arm herausstellte. Genau, der junge Mann am Lagerfeuer. Er war es, der ihr mit seiner Körperwärme wieder einen Funken Leben eingehaucht hatte. Und jetzt lag sie hier, fest in seinem Arm. Vorsichtig drehte sie ihren Kopf, um in das schlafende Gesicht hinter ihr zu blicken. Sein leichter Atem ging schon unregelmäßig, gleich würde er erwachen. Die langen, schwarzen Haare verbargen beinahe seine Züge, sie konnte nur ein junges Gesicht erkennen. Aber er lag vollkommen friedlich da, sein Grimm von der Nacht davor schien gewichen zu sein. Sie spürte, wie das Leben in ihn zurückkehrte. Und noch etwas passierte da, was sie nicht genau deuten konnte. Die ersten Sonnenstrahlen blitzen jetzt über die Felskante, und mit ihnen veränderte sich etwas an dem Körper, der immer noch neben ihr lag. Seine Hand, die auf ihrer Hüfte ruhte, verwandelte sich. Sie spürte Krallen, die sich aus den menschlichen Fingernägeln entwickelten und über ihre Haut glitten. Oha, das konnte gefährlich werden. Sie drehte sich vorsichtig zu ihm hin, um diesen Jungen genauer betrachten zu können. Sein Arm rutsche dabei ihren nackten Rücken hinab. Aber Kaika war viel zu fasziniert von dem Anblick, dem sie gewahr wurde, als dies noch mitzubekommen. Seine Haare veränderten ihre Farbe. Sie wurden immer heller, als ob die Sonne sie bleichen würde. War auch er eine Feuergestalt, deren Magie von der Sonne belebt wurde? Langsam schlug er die Augen auf, goldfarbene Augen hinter langen, schwarzen Wimpern, die verschlafen und müde drein schauten Wer oder was war dieser Kerl hier? Er verwandelte sich eindeutig mit der aufgehenden Sonne. Aber zu was? Inzwischen hatte er sie erkannt, und er war gewaltig zusammen gezuckt als er bemerkte, dass er eine junge Frau eng umfasst hielt. Kaika kicherte. Sie versuchte freundlich zu lächeln, als er angespannt hoch sprang und sie anstarrte. Nach seinem Blick zu urteilen war sie also eindeutig wieder sichtbar. Und jetzt wusste sie auch, was ihr an ihm so bekannt vorkam. Seine Kleidung! Er trug das gleiche wie sie, einen roten Feuerrattenanzug. Tja, wenn sie den mal nur angehabt hätte… Seine Haare waren inzwischen beinahe weiß und da war noch irgendwas auf seinem Kopf. So kleine Knubbeldinger. Er sah wieder sehr mürrisch zu ihr herüber, anscheinend hatte er seinen ersten Schock überwunden und fand es nicht unbedingt hinreißend, eine splitternackte, junge Frau in seinen Armen vorgefunden zu haben. „Was willst denn du hier?“ Seine Stimme klang trotzig und etwas bellend. Na, etwas begeisterter hätte er schon wirken können. „ Ich habe hier geschlafen, an deinem Feuer. Danke dass du mich gewärmt hast!“ Kaika fühlte sich wieder bedeutend besser und wollte wenigstens ein wenig höfliche Konversation machen. Der Vorfall vom Tag davor saß ihr noch gewaltig in den Knochen und sie wollte nicht gleich wieder mürrisch und pampig einen Streit hervorrufen. Und der Typ sah nicht gerade aus, als ob er es toll fand, ihr einen Gefallen getan zuhaben. „Ich bin ja nicht gefragt worden.“, kam nur mürrisch von ihm zurück, wobei er immer noch ihren etwas durchscheinenden, nackten Körper anstarrte. „Und wer bist du?“ Immerhin konnte er seinen Blick mal von ihren Brüsten zu ihrem Gesicht heben. Kaika grinste immer mehr. Ihm schien das eindeutig peinlicher zu sein als ihr. „Ich heiße Kaika!“, klärte sie ihn auf und strahlte ihn an. „Und du? Wie heißt du?“ „Sag ich nicht…“, schmollte er nur und schaute sie verschlossen an. Er war süß, das stand eindeutig fest. Das Gesicht kantig markant, aber noch sehr jung. Die honiggelben Augen sahen sehr ungewöhnlich aus und würden bestimmt warm strahlen, wenn er mal lächeln würde. Aber davon war er weit entfernt. Misstrauisch betrachtete er sie weiter, er rätselte wohl, was mit ihr los war, dass ihr Körper so durchscheinend war. Seine Verwandlung war inzwischen abgeschlossen. Er war ziemlich groß, wenn auch nicht so riesig wie der weißgekleidete Dämon am Tag zuvor. Lange, silberne Haare umspielten seine schlanke Gestalt, die in dem roten Feuerrattenanzug kaum zu erkennen war. Sogar seine Füße ragten nackt heraus, er lief also barfuss wie auch sie. Der Kerl war ihr männliches Ebenbild…na ja, jetzt nicht mehr so, mit den weißen Haaren. Und er schien nun Hundeohren auf dem Kopf zu haben, die in der Sonne zuckten. Also ein Hundedämon. Oder besser ein halber. Denn nur Hanyous verwandelten sich immer wieder in ihre menschliche Form zurück. War er deswegen so abweisend? Weil sie ihn bei seiner Verwandlung gesehen hatte? „Ich sag’s nicht weiter.“, flüsterte sie ihm deswegen verschwörerisch zu. Er schaute immer noch trotzig zu ihr herüber. Auch wenn sie versuchte, ihn ein wenig aufzutauen, er ging nicht auf sie ein. Plötzlich zog er sein Oberteil aus und warf es ihr zu. Dankend fing sie es in der Luft auf und zog es sich schnell über. Ja, sie konnte wieder zupacken und etwas fest halten. Und er war also doch ganz nett. Jetzt stand er da in dem weißen Oberteil, das auch sie sonst immer unter ihrem Gewand trug. Er verschränkte die Arme vor seinem Körper und schaute schon wesentlich gefasster, nachdem sie nun nicht mehr splitterfasernackt vor ihm stand. „Du trägst die gleiche Kleidung wie ich.“, erklärte sie ihm begeistert. „Ich seh’ nur, dass du gar nichts anhast.“, kam es von ihm leicht belustigt zurück. „Hach, ja, ich hab das liegen lassen an dem Teich da hinten.“ Sie wies in die Richtung des kleinen Beckens. „Aha, und warum rennst du hier ohne sie rum? Und warum bist du so durchsichtig? Bist du krank?“ Kaika lachte auf. Ja, krank konnte man das schon nennen, aber sie genas, zum Glück. Und vielleicht auch wegen ihm. Sie hatte den Eindruck, sie wäre in der Nacht glatt erfroren, hätte ihre Seele in die Leere hinausgehaucht wenn er nicht gewesen wäre. „Ja, ich war krank. Mich hat was befallen, womit ich nicht mehr zu Recht kam. Drum hab ich auch nichts an. Aber du hast mich gerettet.“, erklärte sie ihm strahlend. „So?“ Er legte den Kopf schief und sah sie neugierig an. „Äh, gern geschehen.“, meinte er nuschelnd, wobei er nicht so recht wusste, was er denn getan haben sollte. Irgendwie war sie lustig, freundlich und offen. Er hatte bei ihr nicht das übliche Misstrauen wie bei fast allen anderen Wesen, die ihm über den Weg liefen. „Ja, du hast ich gewärmt heute Nacht.“ Sie klärte ihn auf, er schien nicht die Andeutung einer Ahnung zu haben, womit er ihr geholfen hatte. Sie erkannte, dass er seine Ablehnung langsam aufgab und grübelte, was sie tun konnte, um sich ein wenig dankbar zu erweisen. Schnell holte sie einige Zweige herbei, die sie in der Umgebung fand und legte sie auf die erkaltet Feuerstelle. „Das wird nichts nutzen, das Feuer ist aus.“, meinte er nur trocken als sie sich schon wieder erwartungsvoll neben die Feuerstelle setzte. Kaika schloss die Augen und konzentrierte sich. Ja, sie war wieder da, ihre innere Energie, ihr Feuer. Sie richtete ihre blassen, durchscheinenden Finger auf das Holz und ließ einen gebündelten Feuerstrahl aufblitzen. Das Holz brannte augenblicklich und prasselndes Flammen stiegen wärmend empor. „Hey, nicht schlecht!“ Der junge Mann setzte sich ihr gegenüber an das Feuer. „Und warum hast du das gestern Nacht nicht gemacht?“ Kaika blickte zu ihm hinüber. „Ich konnte nicht, ich war zu krank. Sie hatten schon eine ganze Weile geredet. Er hatte ihr zögerlich erzählt, dass er sich immer verbarg, wenn seine Rückverwandlung zum Menschen anstand, weil er von niemand entdeckt werden wollte. Er sei ein Hundedämon, aber seinen Namen wollt er ihr immer noch nicht verraten. Er zog oft in der Gegend herum, weil er wohl nicht so scharf auf den Kontakt mit seiner Familie war. Auch seine Mutter war bereits gestorben, und so konnte die junge Feuerdämonin ihn nur zu gut verstehen. Sie hatten wirklich eine Menge Gemeinsamkeiten. „Und deinen Anzug? Wo hast du den her? Hast du ihn auch von deinem Vater bekommen? Um dich zu schützen?“ Kaika fühlte sich inzwischen völlig entspannt. Der junge Hundedämon war wirklich ein reizender Kerl. Er war schüchtern aber witzig, schlagfertig und nicht auf den Mund gefallen. Und er war wohl so hitzköpfig wie sie. Sie sah in freudig an, ob sie wohl schon wieder eine Gemeinsamkeit finden konnten. Als er nur nickte, lachte sie grölend auf und schlug sich auf die untergeschlagenen Schenkel. Das gab es doch einfach nicht…so viele Ähnlichkeiten. Der Junge hatte sich schon längst an das prasselnde Feuer gesetzt und blickte die gut gelaunte junge Frau fasziniert an. Sie war so ausgelassen, so…feurig, sie machte ihrem Element alle Ehre. Mit ihr konnte er lachen wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Seltsam, er kannte sie überhaupt nicht und trotzdem kam sie ihm so vertraut vor. Ihre Gestalt wurde immer deutlicher sichtbar und ihm gefiel, was er da erkannte. Sie war schlank, aber nicht ausgezehrt, der Körper braungebrannt und muskulös. Sie schien sich viel im Freien zu bewegen, war nicht vornehm blass wie die eingebildeten, reichen Damen am Hof. Sie hatte einen beinahe schon derben Humor, der es ihm aber erleichterte, mit ihr auszukommen, da er nicht immer ganz höflich und zuvorkommend, sondern eher direkt und oft auch provozierend war. Andere bezeichneten ihn als schnell beleidigt und auch beleidigend. Aber ihr machte es nicht aus. Sie lachte und amüsierte sich prächtig. Plötzlich rumorte sein Magen laut. Sie saßen auch schon einige Stunden an dem Feuer, das inzwischen ausgegangen war, da die Sonne die beiden jungen Wesen erwärmte. Kaika lachte auf. „Du hast wohl Hunger. Ich auch. Komm, wir gehen an den See wo ich gestern war, vielleicht können wir da ein paar Fische rausholen.“. Sofort waren sie aufgebrochen. Er folgte ihr erst zögernd, doch dann sprang er gemeinsam mit ihr mit leichtem Schritt dem Ende der Schlucht zu. Unterwegs kam ihnen das geflügelte Pferd entgegen getrabt, dass seine Herrin gesucht hatte. Kaika schwang sich, nachdem sie es überschwänglich begrüßt hatte, auf den glatten Rücken, der Hundejunge lehnte jedoch dankend ab. Er war auch auf seinen eigenen Beine schnell genug unterwegs um mit den großen Schritten des Rosses mithalten zu können. Am Teichbecken angekommen sammelte Kaika ihre Kleidung ein und zeigte sie triumphierend ihrem Begleiter. Tatsächlich, sie war absolut identisch. Doch sie zog sie nicht an, sondern warf sie wieder ans Ufer und zusätzlich das rote Gewand ihres Retters hinterher, dass sie sich vorher blitzschnell ausgezogen hatte. Schon hechtete sie Kopf voraus in die kühlen Fluten des Bergsees. Schon wenige Augenblicke später kam sie mit einem dicken, zappelnden Fisch in jeder Hand wieder an die Wasseroberfläche. Langsam stieg sie aus dem Wasser, und der junge Mann starrte sie mit offenem Mund an. Das Wasser perlte von ihren langen Locken ab, aus denen ihre festen Brüste hervorlugten, und lief weiter über ihren Körper. Geschmeidig bewegten sich die runden Hüften, die langen Beine suchten sich tastend einen sicheren Tritt auf dem felsigen Untergrund der Uferregion. Seine Hand brannte, als er sich erinnerte, dass sie in dieser Nacht auf ihrem Bauch gelegen hatte. Sie betrat das Ufer, warf die Fische ins Gras und hob ihre Arme. Ein plötzlich auftretender, lauer Wind umfing sie, trocknete ihre Haut, die sich schon vor Kälte zusammen gezogen hatte. Ihre Haare wurden hochgerissen und tanzten in dem warmen Wirbel, wo sie schnell trockneten. Nun war ihre Haut wieder samtweich und die Haare schimmerten in tiefem Schwarz, als sie schnell in ihre Kleidung stieg und zu dem wartenden Hundedämon am Ufer kam. Mit einem Messer nahm sie die Fische aus. Er hatte inzwischen Holz gesammelt und eine Feuerstelle angelegt, die sie ihm zuliebe entzündete. Sie hätte die Fische aber auch ohne Holz grillen können. Inzwischen waren sie gut durchgebraten und hungrig stürzten sich beide auf ihr Essen. Gierig verschlangen die saftigen Stücke weißen Fleisches und stillten ihren drängenden Hunger. Das Fleisch war zart und würzig, die Menge genau richtig für ein kleines Frühstück. Das tat gut! Zufrieden saßen sie da und ließen sich dann nach hinten ins Gras fallen. Jeder kaute auf einem Grashalm und blickte zufrieden in den blauen Himmel. „Das ist schön hier.“, meinte sie. „Hmmmm…“, kam es brummend von ihm. „Bist du öfter hier?“, fragte sie ihn nach einer langen Pause. “An Neumond.“, bestätigte er ihr. Neugierig blickte er immer wieder zu ihr hinüber. Nachdem sie sich angekleidet hatte, konnte er tatsächlich die absolut identische Kleidung an ihr bestaunen, wie auch er sie trug. Es war seltsam, so neben ihr zu liegen. Er kannte sie gerade seit dieser Nacht, aber irgendwie fühlte er sich so vertraut, als ob er sie ihn schon eine Ewigkeit kannte. Und Kaika schien es genauso zu gehen. Immer wieder grinste sie ihm verschmitzt zu wenn sich ihre Blicke trafen. Ob das nur von der gleichen Bekleidung kam? Kaika kaute verträumt auf einem kleinen Blumenstängel, als sie sich abrupt aufsetzte. „Mann, ich muss weiter!“ Der Junge schaute überrascht zu ihr hinüber. Das kam ja überraschend. „Und was hast du jetzt wieder vor?“ Sie war ja ziemlich spontan und stürmisch, hatte ständig was anders vor. „Das hab ich total vergessen. Ich muss Sui suchen.“ „Und wer ist Sui?“, kam es mit einem Stirnrunzeln von ihrem Gegenüber. „Das ist meine Freundin, mit er ich auf dem Frauenturnier war. Wir sind getrennt worden…“ Kaika setzte sich auf und schaute nachdenklich auf den im Gras liegenden, schlaksigen, jungen Hanyou. Sie wollte ihm lieber nicht alle Einzelheiten erzählen, immerhin wusste sie noch nicht mal seinen Namen. Auch wenn sie naiv, wirkte, so unvorsichtig war sie doch nicht, dass sie Privates zu schnell ausplauderte. Sie stand auf und suchte ihre Sachen zusammen. „Du, tut mir leid, aber ich muss weiter.“ Mit tiefer Sorge dachte sie den zurück liegenden Kampf und ob ihre Freundin wohl ernsthaft verletzt worden war. Und sie hatte einfach hier rumgegammelt und gegessen, anstatt sie zu suchen. Ein sehr schlechtes Gewissen machte sich in ihr breit. Sie hatte schon ihr Pferd an der langen Mähne gepackt und stand dem Jungen gegenüber um sich zu verabschieden. Er sah aber wirklich zu gut aus und konnte normalerweise schon als Ausrede herhalten, dass sie ihre Suche ein wenig verzögert hatte. „Also, mach’s gut. War nett mit dir. Und danke nochmals dass du mich…gewärmt hast.“ Und bevor der etwas rot angelaufene Hanyou sich recht versah, hatte sie ihn umarmt und ihm einen sanften Kuss auf die Wange gegeben. Sie saß schon oben auf dem Rücken ihres Pferdes, als sie noch einmal zu ihm hinunter blickte und leise vor sich hin murmelte. „Wenn ich nur wüsste, wie ich sie finden soll.“ Er warf seine langen Strähnen aus dem markanten Gesicht und sah zu ihr auf. „Hast du keine Ahnung wo sie ist?“ Die Reiterin schüttelte verneinend den Kopf, so dass ihre wilden Locken auf ihren Schultern hüpften. „Hast du irgendein Kleidungsstück von ihr?“ Das Mädchen schaute ihn verblüfft an. „Kleidung?“ Sie blickte sich verwirrt um, suchte den Boden an der Stelle ab, wo sie ihre Gewänder abgelegt hatten. Dort vorne, nahe dem Ufer, erkannte sie etwas in einem kleinen, dornigen Busch, und trieb das Tier an, sich dem Ort zu nähren. Ja, tatsächlich. Dort hing ein kleiner Fetzen von Suis Umhang. Welch ein Glück. Sie sprang hinunter auf den Boden, schnappte sich das Stoffstück und ging langsam zu dem Jungen zurück, der ihr schon entgegen kam. Sie hielt ihm das blaue Stück Tuch hin und wartete gespannt, was er damit anfangen wollte. Er nahm es ihr ab und hielt es an seine Nase. Dann schnüffelte er daran. ‚Klar’, schoss es Kaika durch den Kopf. ‚Die Ohren! Er ist doch ein Hundedämon. Und die können sehr gut riechen.’ „Und, weißt du in welcher Richtung ich suchen muss?“, fragte sie ihn und sah ihn gleich freudestrahlend an. Er lächelte über ihren Optimismus, wollte sie nicht gleich enttäuschen. Der Duft in dem Mantel war zwar gut zu erkennen, aber es war nur ein Hauch eines individuellen Duftes, hauptsächlich bestand er aus Wasser, dem einer frischen Quelle, sprudelnd und voller Energie, aber das war kein Duft, den man so leicht nachspüren konnte. „Nicht direkt, und nicht von hier unten aus.“ Einladend lächelte sie ihn an. „Na dann komm doch mit nach oben!“ Schnell schwang sie sich wieder auf den Pferderücken und hielt ihm einladend die Hand hin, um ihm beim Aufsteigen behilflich zu sein. Eigentlich hatte er gar nicht vor sie zu begleiten, aber ihre freundliche Einladung wollt er auch nicht ablehnen und so sprang er mit einem Satz auf den Pferderücken hinter ihr. Gleich breitete das mächtige Tier die gewaltigen Flügel aus und erhob sich in die Lüfte. Der fellbekleidete Rücken war glatt und rutschig, und so hielt er sich rasch an ihrer schmalen Taille fest, wobei er sich eingestehen musste, dass er sie gerne wieder umfing Kapitel 22: Wiedersehen ----------------------- Wiedersehen Kaika hielt gespannt Ausschau, ob sie ihre Freundin irgendwo erkennen konnte. Der Wind hatte aufgefrischt und sich mit dem Geruch von Salz und Meer vermengt. In weiter Ferne erkannte sie tatsächlich das schimmernde Band der Küste. Ihr junger Begleiter, der so eng hinter ihr saß, wies mit seiner Hand auf eine Bucht, die schimmernd vor ihnen lag und mit jedem Flügelschlag der mächtigen, blauschwarz schimmernden Schwingen näher kam. „Dort muss sie sein!“ Kaika spornte ihren Rappen an und sie stoben mit erhöhter Geschwindigkeit auf die angewiesene Stelle zu. Schnell setzte das Pferd zum Sinkflug an, und der junge Dämon hinter ihr packte sie erschrocken fester um die Taille, als es die gewaltigen Flügel eng an den geschmeidigen Körper anzog und sich in die Tiefe stürzte. Die Feuerdämonin beugte ihren Oberkörper auf den lang gestreckten Hals des Tieres, und sie konnte spüren wie der junge Mann hinter ihr ihre Bewegung nachahmte und seinen Kopf an ihrem Rücken barg. Der heulende Wind zerrte an den langen Haaren der Reiter, und die hochgerissenen, langen Ärmel ihrer roten Kleidung umtanzten sie wie Flammen. Kaika suchte mir scharfem Blick die Bucht ab, und wirklich, an deren einem Ende konnte sie einen Körper erkennen, der von den Wellen wie ein Spielball hin- und hergetrieben wurde. Schnell lenkte sie den schwarzen Pferdekörper mit den Schenkeln hinüber zu der Person im Wasser, und im Landen war ihr schon klar, dass es sich wirklich um ihre Freundin handelte. Der Hundejunge hatte gut gerochen. Suis schlanker Körper wurden vom Meerwasser umspült, der geschmeidige Körper gab jeder Bewegung der Wellen sanft nach und trieb gemächlich in der perlenden Brandung. Die langen, hellen Haare wogten wie Algen in der brodelnden Gischt und ab und zu gaben die Wogen einen fischartigen Schwanz frei, dessen silberne Schuppen in der Sonne glänzten. Kaika sprang schwungvoll in den Sand schon bevor die Hufe diesen berührten und rannte in Windeseile zu der Wasserdämonin hin. Sui hörte Schritte. Es war ungewöhnlich, Schritte? Hier? Langsam kehrte sie aus ihrem Dämmerzustand zurück, in den sie sich versetzt hatte, damit ihr Körper voll und ganz von der Magie des Wassers geheilt werden konnte. Sie fühlte den Sand unter sich, wie er sanft und lose über ihren nackten Rücken streifte, ihre Haare, die ihre Haut kitzelten, und das kalte Wasser, das ihren Körper einhüllte. Die Brandung prickelte unter ihrem verwandelten Körper und ließ ihn mit sich vor und zurück schweben. Sie tat einen tiefen Atemzug und stemmte ihre Hände in den Sand und hob ihren Oberkörper aus dem heilsamen Nass heraus und schaute sich um. Da rannte Kaika auf sie zu. Ihre Kaika. Suis Augen weiteten sich. Der Name ihrer Freundin rollte lautlos über ihre Lippen. Da lief sie und es ging ihr gut! „Kaika!“, rief sie dann laut, drehte sich um und hatte vergessen, dass sie noch keine Beine hatte und kippte noch mal vorn über unter Wasser. Im nächsten Moment ließ sie sofort ihre schimmernde Flosse verschwinden, ihre Beine erschienen und sie sprang auf. Ihre Freundin preschte schon durch das seichte Wasser und im nächsten Moment lagen sie sich lachend in den Armen. Der weißhaarige Junge schaute zögerlich zu den beiden Frauen hinüber. Er saß immer noch auf dem ihm viel zu glatten Pferderücken und überlegte, was er tun sollte. Es war nicht so einfach gewesen, die Witterung dieser Frau aufzunehmen. Wie der Fetzen ihres Mantels verraten hatte, roch sie eh schon sehr nach Wasser, und dieses Wesen dort sah aus, als ob es ständig im Meer lebte. Der Geruch nach Tang und Salz des sich nähernden Pazifiks hatte die Suche zusätzlich erschwert, und es schien auch keinerlei dämonische Energie von ihr auszugehen, die er hätte spüren können. Vorsichtig rutschte er von dem tänzelnden Reittier und schlenderte langsam hinüber zu den beiden Frauen. Sanft drückten sich seine nackten Füße in den weichen Sand und hinterließen Spuren, die die herein rauschenden Wellen sofort wieder verwischten. Gebannt betrachtete er die Wassernixe. Ihren Fischschwanz schien sie ja wieder verloren zu haben. „Sui, es geht dir gut! Mann, bin ich froh dass ich dich gefunden habe...“ Innig umarmte Kaika die klitschnasse Freundin, „ …oder besser er da!“, vervollständigte sie ihren Satz und wies lachend mit ihrem Kopf in Richtung Strand. „Alleine hätte ich dich nie gefunden. Gut dass er mir geholfen hat. Dabei hätte ich mir denken können, dass es dich ins Wasser zieht.“ Sui schaute neugierig an ihrer Freundin vorbei und ihr stockte der Atem. Der, der geholfen hatte, sie zu finden, schaute dem Dämon aus der Höhle irgendwie sehr ähnlich. Was hatte das zu bedeuten? Doch sie schluckte schnell und wischte ihre Bedenken beiseite. Von ihm ging sicher keine Gefahr aus, wenn er mit Kaika reiste. Und ihr auch noch geholfen hatte, sie zu finden. „Wo warst du, Kaika?“, wollte sie stattdessen von ihrer Freundin wissen. „Du bist auf einmal einfach verschwunden! Wohin?“ Der Weißhaarige kam näher und blieb erst einige Schritte entfernt stehen und beobachtete sie beide aufmerksam. Genauer gesagt sie, Sui, was ihr ein wenig unangenehm war. Ihr fiel auf, dass er sogar dieselbe Augenfarbe hatte wie der andere Dämon…das war doch sicher mehr als Zufall! „Und wer genau ist das?“ Man hörte ihrer Stimme das Misstrauen an, das sie empfand gegenüber diesem Fremden. „Ach, den hab ich in dem Tal getroffen. Und er hat mir geholfen. Ich hab mich in die Leere geflüchtet um dem Gift von dem Mistkerl zu entfliehen, und bin da drin stecken geblieben. Ich konnte nicht mehr materialisieren, mich nicht bewegen und auch keine Energie mehr aufnehmen. Ich bin fast erfroren, ich war doch eh splitternackt. Er da“, und sie wies nickend auf den sich langsam nähernden Hundedämon, „hat mich…gewärmt. Ohne ihn hätte ich es vielleicht nicht geschafft.“ Suis Augen hatten sich vor Entsetzen geweitet bei Kaikas Schilderung und ihr Blick huschte wieder zu dem Dämon. Die dunkelhäutige Feuerdämonin grinste. „Aber wer er ist, will er mir nicht sagen. Auf alle Fälle hat er dich gefunden.“ Diese Information beruhigte Sui ganz und gar nicht. Langsam schritten sie zum Strand zurück und sie wollte Kaika schon auf die Ähnlichkeit der beiden Dämonen ansprechen, doch diese war schneller: „Und wie ist es dir ergangen?“ Aber bevor sie auch darauf noch antworten konnte, meinte der Dämon, auf den sie zugingen: „Ist es normal bei euch nackt rum zu laufen?“ Verwirrt betrachtete er den blanken Busen der bleichen Frau, der zwischen ihren nassen Strähnen hervorlugte. Sie sah so anders aus als die Feuerdämonin, die er die letzen Stunden recht ausgiebig betrachten hatte können. Die Freundin war bleich und sehr schlank, alles an ihr war hell, die porzellanfarbene Haut, die hellen Augen wie auch die silbrig schimmernden Haare. Sui blinzelte ihn erst überrascht an. Dann fiel es ihr ein. Sie war nackt. Noch immer. Erschrocken amtete sie schnell ein und krallte sich im nächsten Moment auch schon Kaika und schob sich hinter diese. „Wie kannst du es wagen?“, giftete sie drauf los. „Man schaut weg bei so was! Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“ Sie machte sich ganz klein hinter ihrer Freundin, damit er ja nichts mehr von ihr sehen konnte. Wo waren ihre Kleider Warum passierte ihr das immer? Es war nicht gerecht! „Äh, was hast du denn? Das macht doch nix. Der hat Übung, der hat mich die ganze Zeit ebenfalls nackt rumhüpfen sehen.“ Kaika lachte auf, schritt aber brav als Deckung für Freundin mit raschen Schritten zu dem Bündel Kleidung, dass sie am Strand liegen sah. „Komm, sei doch mal so lieb und dreh dich um.“, forderte sie grinsend den jungen Mann auf, der inzwischen etwas verlegen zu den beiden Mädchen hinüber starrte. Folgsam drehte er sich etwas zur Seite und senkte seinen Blick. „Und, wie ist es nun dir gegangen?“, fragte sie erneut die Freundin, nachdem diese sich blitzschnell angezogen hatte. „Wie es mir ergangen ist?“ Suis Ton war bitter und sie senkte ihre Stimme auf ein Flüstern herab und wandte sich Kaika zu. „Dieser Dämon hat mich mitgenommen! Ich war verletzt und hab mich aufgelöst, um so zu entkommen.“ Sie hob die Hand, als Kaika etwas sagen wollte. „Er hat mich in eine Höhle gebracht und dort gewartet, bis ich wieder fliegen konnte. Besser gesagt, er hat mich festgehalten, bis ich es konnte.“ Ihre Stimme nahm eine säuerliche Note an. „Er wusste, wer ich bin, weil er meinen Harnisch gefunden hat. Und da meinte er auf einmal, dass sein Land und das meines Vaters ein Bündnis hätten und er mich somit nicht allein lassen könnte. Ich lag glaube ich…zwei Nächte in dieser Höhle, dann bin ich gegangen. Und“, sie sprach noch leiser. „merkst du nicht, dass er deinem Freund da verdammt ähnlich sieht?“ „So ein Mistkerl! Wegen dem hatten wir solchen Ärger. Der soll mir mal wieder vor die Fäuste kommen, dann kommt er nicht mehr so leicht davon. Hatte mich extra zurück gehalten, und der Sauhund langte voll zu…“ Eine steile Falte zierte die Stirn der empörten Feuerdämonin, die wütend den Horizont betrachtete. Immer noch verärgert wandte sie den Blick wieder an die Freundin. “Aber wegen der Ähnlichkeit: also weiße Haare haben noch mehr Dämonen, unter anderem auch du. Aber die Augen passen schon, da hast du Recht, das gleiche Honiggold. Dafür hat der andere aber diese Zeichen im Gesicht gehabt, den Mond auf der Stirn und die Male an den Wangen und er nicht.“ Kaika tuschelte ebenfalls leise mit ihrer Freundin, wenn es ihr auch ein wenig peinlich war, so geheimnisvoll zu tun vor ihm. Der junge Mann erstarrte. Seine empfindlichen Hundeohren zuckten ein wenig, als er gebannt den Beschreibungen der beiden Frauen lauschte. Schlagartig drehte er sich im weichen Sand um und suchte den Blick der ins Gespräch vertieften Feuerdämonin. Als diese aufblickte, sagte er nur schroff: „Du, jetzt muss ich gehen. Mach’s gut, vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.“ Und bevor die junge Frau reagieren konnte, war er schon mit weiten Sprüngen hinter der Düne verschwunden. Der Sand, den seine flinken Füße aufgewirbelt hatten, rieselte leise zurück und die beiden Frauen blieben allein am Meeresufer zurück. „Na, der hatte ja ’nen Zahn drauf. Was hat ihn denn vertrieben? Ich hätte ihn gern noch ein wenig um mich gehabt.“ Enttäuscht schaute Kaika in die Richtung, in der der Junge verschwunden war. „Hm…“, machte Sui nur. Noch eine Sache mehr, die den Dämon da verdächtiger werden ließ. Warum verschwand er so plötzlich? Sie schaute sich um und schickte ihre Sinne aus. Drohte vielleicht Gefahr, vor der er geflohen war? Doch sie konnte in der Umgebung nichts Verdächtiges feststellen. Merkwürdig. „Und du hast wirklich keine Ahnung, wer er ist?“ Sie hörte sich nun seltsam neugierig an, ungefährlich… „Nein.“, kam es ehrlich und arglos von Kaika, die immer noch dem Jungen hinterher schaute. Sui seufzte. „Es ist ja schön, dass er dir geholfen hat, aber weißt du nicht, wie gefährlich fremde Dämonen sein können? War deine Situation wirklich so aussichtslos, dass du Hilfe bei einem anderen Dämon suchen musstest? Was wäre passiert, wenn er nicht so nett gewesen wäre? Er hätte dich töten können!“ Ernst und besorgt schaute sie ihrer Freundin ins Gesicht „Ach, der ist harmlos, und das roch man Meilen gegen den Wind. Ich verlass mich da voll auf meinen Bauch.“ Kaika schaute verträumt weiter über die Düne, wo der junge Halbdämon verschwunden war. „Und er war so nett…und schön. War ein tolles Gefühl von ihm gerettet zu werden.“ Sie grinste das Wassermädchen frech an ohne sich anmerken zu lassen, wie abhängig sie in der vergangen Nacht wirklich von fremder Hilfe gewesen war. Aber eine Gefahr sah sie trotz einer gewissen Ähnlichkeit nicht in dem jungen Hundedämon. Vielleicht gehörte er ja zum selben Clan. „Komm, der is’ weg. Jetzt machen wir uns ’nen schönen Tag hier. Ein Tag am Meer, den haben wir uns verdient.“ Und einladend schwenkte sie mit ihrem Arm über die wundervolle Bucht, die in dem voll erstrahlten Glanz der Sonne lag. „Das können wir nicht.“, hielt Sui sofort dagegen. Kaika schaute sie verwirrt an. „Wir werden seit zwei Tagen bei mir daheim erwartet! Also sollten wir endlich aufbrechen!“ Dringlichkeit sprach aus ihren Worten. Kaika schüttelte ihren Kopf. „Keh, also wirklich. Wir haben doch wohl in diesen zwei Tagen genug durchgemacht, oder? Wir haben es uns also echt verdient, noch einen Tag auszuspannen, meinst du nicht auch? Was man in deinem Schloss nicht wirklich kann…“, murmelte sie noch und zog einen Schmollmund. Doch Sui ließ sich nicht beirren und schüttelte ablehnend den Kopf. Kaika versuchte es noch mal. „Ach komm, du bist immer so pflichtbewusst. Denk doch auch mal an dein Vergnügen. Und ich könnte eine große Ladung Sonnenstrahlen vertragen. Ich fühle mich ziemlich ausgelaugt und würde gerne erst mal ein wenig entspannen und auftanken, bevor ich wieder unter Menschen gehe. Bei euch ist immer der Bär los, da hat man nie seine Ruhe. Willst du nicht auch mal ein wenig an dich denken?“ „Vielleicht. Aber bei mir zu Hause wären wir sicherer als hier. Ich hab keine Lust, hier noch mal auf freier Bahn mit einem Dämon zu kämpfen, wo ich mich gerade erst erholt habe vom letzten Kampf!“ Kaika nickte anerkennend, aber so ganz war das nicht das, was sie sich vorgestellt hatte. Sie hatte sich zu sehr auf ein wenig schönes Leben gefreut, auf Sonne, Strand und Meer. Ihre Freundin hatte einen unheimlichen Riecher für wunderschöne Landschaften. Sie fand die herrlichsten Täler, die schönsten Buchten, und die junge Feuerdämonin hätte sich so gerne in der Sonne geaalt. „Ach komm, ich fühle mich immer noch schwach und zittrig und würde so gerne ein wenig Energie tanken. Und diese wundervolle Bucht ist doch geradezu geschaffen dafür. Da können wir auch sich nähernde Feinde schon von weitem erkennen. Mein Dicker hier passt auf!“, meinte sie und wies auf ihr Pferd hinüber, das voll Vergnügen durch die hereinrollenden Wogen preschte und die Gischt nur noch so aufwirbelte. Auch ihm schien es hier sehr gut zu gefallen. Warum nur konnte sie die Freundin nicht überreden, mal an etwas anderes als nur die Pflicht zu denken? Kaika sah die Freundin bettelnd an. Aber deren Gesicht nahm einen unwilligen Ausdruck an. Hier hatte sie wohl keine Chance. Wenn sie da bleiben wollte, dann wohl nur alleine. Seufzend gab sie auf. „Ich seh’ schon, du wirst keine Ruhe geben. Also brechen wir halt auf.“ Kaika war enttäuscht und rief schmollend ihr Reittier zu sich. Nicht einmal ein wenig spielen durfte der Schwarze. Aber da hatte sie wohl keine Chance. Was ihre Pünktlichkeit betraf, war Sui unnachgiebig. Davon sollte sie sich auch mal eine Scheibe abschneiden, dann käme sie nicht immer so peinlich zu spät…na, wenigstens eine kleine Scheibe. Und auf einen neuen Feind treffen wollte Kaika nun auch nicht. Und der, den sie gerne noch hier gehabt hätte, war eh schon wieder hinter der Düne verschwunden. Also war es wohl besser, wenn sie aufbrachen. „Ja, das ist besser.“ Sui nickte bestätigend und wurde augenblicklich ruhiger mit dem Wissen, endlich nach Hause zu kommen. Kaika schaute sich nach ihrem Pferd um, dass inzwischen angetrabt kam und saß auf. Ihr Blick glitt dabei sehnsüchtig auf das wogende Meer hinaus und gern wäre sie in dessen Fluten versunken. Sui hingegen verwandelte sich und hatte wieder ihre Flügel. Sie blickte Kaika an, nickte ihr zu und beide erhoben sich in die Lüfte und steuerten nach Osten. Kapitel 23: Beunruhigende Neuigkeiten ------------------------------------- Ein neues Kapi...für meine einzige Leserin????? Ist es euch zu lasch? Passiert nicht genug? Dann kann ich euch versichern, das sehr viel passieren wird in den folgenden Kapis und es sich lohnen wird, hier mitzulesen. Bleibt dran, und schreibt mir doch mal, wie es euch gefällt. Bitte... LG Hi-chan Beunruhigende Neuigkeiten Sui legte ein rasches Tempo vor. Sie wusste, wie ungern Unpünktlichkeit gesehen wurde in ihrer Familie, und wollte deshalb immerhin noch ein wenig Zeit einsparen. Zusammen mit Kaika glitt sie durch die hohen Lüfte, segelte auf dem Wind dahin und nutzte ihn zu ihrem Vorteil aus, um immer noch mehr Schnelligkeit herauszuholen. Das Pferd ihrer Freundin tat es ihr automatisch gleich und so dauerte es nicht allzu lang, bis sie in die östlichen Ländereien kamen und sich schließlich das Anwesen von Suis Familie unter ihnen auftat. Es war eine weitläufige Anlage, die auf einen bewaldeten Hang erbaut worden war, der Teil eines hohen Berges war. Auf dessen Gipfel ragte ein Tempel empor, der der hiesigen Göttin geweiht war. Sie war eine schüchterne Quellgottheit, deren ewig fließende Quelle den gesamten Berg und die großen Gartenanlagen des Schlosses speiste. Sie befand sich an diesem Ort schon seit Jahrhunderten, und Suis Vorfahren hatten der Göttin zu Ehren diesen Tempel geschenkt und ihr heiliges Wasser für ihr Schloss verwendet. Fröhlich plätschernd floss das kühle Nass an eigens angelegten Wegen den Berg hinab, rauschte in Wasserfällen dahin, sammelte sich in Terrassen und floss weiter über steinerne Treppen in verschiedene Bereiche der Gärten. Die freien Flächen des Hanges waren in lange, verschlungene Gartenanlagen umgebaut worden, Seen, verbunden durch schmale Bachläufe, schlängelten sich unter vielen kleinen Brücken hindurch und nahmen die meiste Fläche ein. Sie waren meist seicht und klar und gaben den Blick auf ihren steinigen Grund frei über dem sich farbenprächtige Zierkarpfen tummelten. Einige von ihnen waren mit zart scheinenden Seerosen bedeckt und sie alle gaben dem Anwesen in der hellen Frühlingssonne ein wundersames Aussehen. Weiches Grün wechselte sich mit dem sanften Blau des Wassers ab und gepflasterte Wege auf dem gepflegten Rasen verbanden die einzelnen Gebäude miteinander. Sie waren locker angeordnet und folgten doch einem klaren System: Die Bauwerke am Fuß des Berges, wo sich der Hang anhob, waren die Stallungen. Sie waren in die Länge gezogen und nicht ganz so hoch wie die oberen. Dorthin lenken die beiden Mädchen ihren Flug, um das mächtige Ross gut versorgt zu wissen, solange seine Besitzerin in dem prächtigen Schloss bei ihrer Freundin verweilen würde. So gaben sie Hotaru ab und folgten dem Weg, der eine Stufe höher an den Gästehäusern vorbei führte. Dort herrschte hektische Betriebsamkeit, viele Bedienstete gingen mit Bergen von Wäsche eifrig umher und schienen Vorbereitung für kommenden Besuch zu treffen. Einige der Häuser war sehr prachtvoll, andere eher bescheiden, je nach Gast, der in ihnen nächtigen sollte. Und in alle gingen die Diener ein und aus. Kaika drehte verwundert den Kopf zu der neben ihr schreitenden Sui. „Erwartet ihr hohen Besuch?“ „Nicht das ich wüsste.“ Sui betrachtete genauso erstaunt die Horden von Untergebenen, die geschäftig ihrer Arbeit nachgingen. Links und rechts davon ein wenig abseits und im Wald versteckt lagen die Gesindehäuser, die locker Platz boten für die hunderte von Dienern, die sie nun zum Teil so geschäftig erlebten. Nach den Gästehäusern zog sich der erste größere Garten nach oben hin zu dem höchsten Gebäude, dem eigentlichen Haupthaus. Sie erreichten es über eine breite Treppe mit niedrigen, vielen Stufen. In ihm befand sich der offizielle Empfangssaal, in dem der Herr des Ostens selbst ausgewählte Personen in Empfang nahm. Kaika blickte ehrfurchtsvoll an der gewaltigen Fassade nach oben. Sie war immer wieder beeindruckt von der Pracht und Größe des Schlosses der Herrscher des Ostens, Suis Clan. Auch Suis Blick schweifte über ihr herrliches Zuhause. Zwei hohe Stockwerke waren über der gemauerten, etwa vier Meter hohen Grundfeste aufgeschichtet und das geschwungene Dach reichte ausladend über die breite Veranda hinaus, die sich um das Gebäude herumzog. Kunstvolle Schnitzereien zierten die Holzverkleidung, zeigten schlangenhafte Drachen und andere Fabeltiere, Blumenmuster und Ornamente. Das Holz des Daches, der Maserungen und der Türrahmen war dunkel, fast schwarz und hob sich von der reinen weißen Farbe der Täfelungen ab. In Nächten mit klarem Himmel reflektierte dieses Weiß das Sternen- und Mondlicht und wirkte so auch in der Dunkelheit überaus imposant. Die Giebel des Daches beherrschten die beliebten, aus Jade gefertigten Shachihoko, die seit der Erbauung des Anwesens über es wachten. Sie sahen aus wie ein Fisch mit einem Tigerkopf und galten als Symbol für Wasserbewohner und als Amulett gegen Feuerschäden. Jedes einzelne Gebäude hatte diese Schutzgeister auf seinen Giebeln, sogar die Häuser der Dienerschaft, bei denen sie allerdings aus Holz und nicht aus teurer Jade waren. Sie erreichten die hohen Empfangs- und Ratshalle, deren Türen weit offen standen. Ihr heller, polierter Holzboden glänzte im Sonnenlicht, das durch die kleinen Öffnungen unter der Decke einfiel. Sie war leer bis auf ihr eines Ende: es hob sich ein wenig ab von dem übrigen Boden und neue Tatami lagen sauber angeordnet da. Auf ihnen nahm der Herr des Ostens Platz, wenn er eine Audienz gab. Anscheinend stand bald eine bevor, denn auch hier waren unzählige Diener damit beschäftigt, die Böden zu polieren und den Raum zu reinigen. Die beiden Frauen schritten weiter, vorbei und auf die Treppe zu, die weiter den Berg hoch führte. Sie kam an mehreren kleineren Häusern vorbei, in denen nun die nähere Verwandtschaft des Herrschers wohnte. Sie alle lagen einem weiteren Gebäude zu Füßen, das sie alle an Eleganz und bescheidener Pracht übertraf: dem Wohnhaus des Herren und seiner Gattin. Dorthin setzten die beiden Dämoninen ihre flinken Schritte, um die Zimmer der jungen Prinzessin zu erreichen. Kaika würde dort ebenfalls wohnen, so lange sie Gast bei den Herrschern des Ostens war. Das Wasser der Quelle umfloss das Herrenhaus, kreiste es ein, und speiste einen Teich in einem Hof des Hauses. Das Sonnenlicht brach sich dort auf der Wasseroberfläche und brachte auch die Wände von Suis Gemächern zum schimmern und wabern, ließ auch sie wie fließendes Wasser wirken. Sui öffnete glücklich die Türe zu ihren Räumen. Sie war zu Hause. Endlich. Kaum dass sie die vertraute Umgebung ihrer Zimmer betreten hatte, fühlte sie sich viel entspannter. Freudig eilte sie in einen angrenzenden Raum und schob auch dort die Türe auf, die in einen kleinen Garten führte. Ein fein gearbeiteter Springbrunnen mit filigranen Verzierungen befand sich dort, erfüllte die Wände um sich herum mit leisem Plätschern. Über ihm thronte die Krone eines Kirschbaumes, der über und über mit jungen Knospen bedeckt war, die bald aufbrechen würden. Eine schmale Bank aus dunklem Kirschholz stand zwischen Baumstamm und Brunnen auf weichem Gras, über das eingelassene Steinplatten zu den vier Türen führten, die allesamt zu Suis Gemächern gehörten und über die man in den Garten gelangte . Sie hatte vier Zimmer, die alle um diese kleine Idylle herum gebaut worden waren. Tief atmete sie die Luft ein und ihre Sinne erhaschten das vertraute Summen des Wassers, das sie zu begrüßen schien. Warme Sonnenstrahlen fielen auf sie herab und wärmten sie. Hier herrschten Harmonie und Frieden, ihr schien es, als würden die Wände um ihren Garten alles Störende abhalten und sich schützend um ihn schließen. Hier war ihr eigenes kleines Reich, in das sie sich zurückziehen konnte, um Kraft zu schöpfen, sich auszuruhen, zu erholen. Hier war ihre Heimat. „Ich frag mich wirklich, was im Schloss schon wieder vor sich geht.“, sagte Sui ruhig und mit einem letzten Blick auf den Brunnen drehte sie sich wieder zu Kaika um. Kaika hatte sich auf der Veranda niedergelassen, die den Garten umschloss und baumelte mit den nackten Füßen. Sie hatte sich eine Stelle heraus gesucht, an der sie in der prallen Sonne sitzen konnte. Sie benötigte noch viel Energie und nutze jede Gelegenheit, von dem gleißenden Gestirn gefüttert zu werden. Mit leichtem Schwung warf sie die Haare in den Nacken und streckte das Gesicht mit geschlossenen Augen dem Himmel entgegen. Es war schön in Suis Garten, und auch sie musste gestehen, dass sie diese Abgeschiedenheit genoss. „Hm, vielleicht ist irgendetwas passiert, als wir weg waren. Hoffentlich nichts Schlimmes. Aber das wirst du bestimmt gleich erfahren…“ „Wahrscheinlich. Am Schluss kommt dann noch -“, sie verstummte und schaute sich zur Tür um, die auch sogleich mit Schwung aufgeschoben wurde. Ihre Mutter stand da und sah nicht gerade glücklich aus, eher…verärgert. Wütend. „Sui-jin!“ kam es auch dann gleich und Sui machte sich innerlich auf die Standpauke gefasst, die jetzt folgen würde. „Bequemst du dich auch endlich mal wieder, zu Hause vorbeizuschauen? Wie nett…“, aber es klang nicht, als ob die edle Dame wirklich erfreut wäre. Kaika zog den Kopf ein, baumelte aber weiter mit den Füßen. Ihre dunklen Augen hatte sie auf die Herrin des Ostens gerichtet, die in der Türe stehen geblieben war und ihre Tochter mit vorwurfsvollem Blick musterte. „Ich bin fast gestorben vor Angst, als du nicht heimgekommen bist. „Aber es lag nicht an Kaika, Okaa-san!“, widersprach Sui sofort. Ihre Mutter schaute nun wieder sie an. „Wir haben uns sofort nach dem Turnier nach Hause aufgemacht! Nur wurden wir…aufgehalten, als wir kurz Rast machten.“ Sui wusste nicht, ob sie ihrer Mutter erzählen sollte, was genau geschehen war. Sie hatte sich so schon genug Sorgen gemacht, was würde sie sagen, wenn sie ihr auch noch von ihrer ‚Beinahe-Ermordung’ berichtete? Auch würde sie, Sui, dann mit Sicherheit nie mehr alleine wohin dürfen… Doch andererseits, musste sie ihrer Mutter etwas Derartiges berichten! Immerhin waren sie und Kaika Prinzessinnen des Ostens und Südens, einem solchen Verbrechen, wie dieser Dämon es begangen hatte, musste nachgegangen werden. Was sollte sie also machen? Sie blickte kurz zu ihrer Freundin hinüber und hoffte, dass diese ihr inneres Dilemma von ihrem Gesicht ablesen konnte. „Das wäre ja das erste Mal“, fauchte die Mutter sofort los, „dass ihr nicht wegen Kaikas Trödelei zu spät dran seid. Hattet ihr dann wenigstens euren Spaß gehabt auf eurer ‚Rast’?“ Die erzürnte Mutter schaute beide Mädchen kurz an. Keine schien bereit, ihr eine Antwort zu geben. Da reckte sich die junge Feuerdämonin und drehte ihr das gebräunte Gesicht zu. Kaika ahnte, dass Sui zögerte, der Mutter die volle Wahrheit zu sagen, und auch sie wusste nicht so recht, wie sie es der wütenden Frau schonend beibringen konnte, warum sie so spät eingetroffen waren. „Ich wünschte, wir hätten es, aber Sui war wirklich eine vorbildliche Tochter und ist sofort aufgebrochen, nachdem sie wieder konnte. Ich wäre gerne länger geblieben, aber sie hat mich überredet, gleich hierher zu kommen.“ Suis Mutter kniff ihre Augen zusammen und fixierte eingehend ihre älteste Tochter. „Nachdem du es wieder konntest?“, hakte sie nach und Sui seufzte leise. Es würde wohl kein Weg daran vorbei führen, es ihr zu erzählen. Ob sie Spaß gehabt hatten…das nun wirklich nicht. „Als wir rasteten…wurden wir angegriffen.“ Die Augen ihrer Mutter weiteten sich ungläubig und Sui holte tief Luft und begann zu erzählen. Sie berichtete von der Quelle, ihrem Bad und dem Fremden, der gekommen war und sie dann angegriffen hatte. Sie berichtete von seiner Stärke, dass es für sie den Anschein gehabt hatte, als würde er nicht einmal einen Bruchteil seines wahren Könnens zeigen, und vom Ende des Kampfes, dass sie beide hatten fliehen müssen. Und dass sie geflohen sei, indem sie sich in Wasser aufgelöst hätte. Stolz streckte sich die eh schon hohe Gestalt der Herrin, als sie hörte, wie ihre kleine Sui sich mit dieser schwierigen Verwandlung hatte retten können. Doch dass ihre Tochter angegriffen wurde, konnte sie beinahe nicht glauben. Wer wagte es, eine so hoch stehende Persönlichkeit wie die Prinzessin des Ostens einfach zu bedrohen, und das durchaus tödlich, wenn sie der Schilderung ihre Tochter Glauben schenken konnte? Aber warum sollte sie sie anlügen? „Wie sah der Kerl aus, der das getan hat?“ Beide Mädchen schilderten ihr übereinstimmend von einem sehr hoch gewachsenen, schlanken Mann mit weißen, langen Haaren. Als sie die Male beschrieben, die er getragen hatte, wurde sie stutzig, ließ sich aber nichts anmerken. Ein ungeheuerlicher Gedanken durchstreifte ihren Kopf, aber nein, das konnte nicht sein. Sie würden es nicht wagen… Sie fragte Kaika, warum diese nicht zur Hilfe geeilt war, aber auch diese durchaus mächtige Dämonin schien gegen den Fremden nicht gewappnet gewesen zu sein. „Was war danach?“, wollte sie weiter wissen. „Warum seid ihr danach nicht gleich zurückgekehrt? Hattest du Probleme bei der Rematerialisierung, Sui?“ Ihre Augen richteten sich sorgenvoll auf ihre Tochter, die ihre Lippen zusammenpresste. „Nun ja…“, begann sie. „Ein wenig.“ Und mit knappen Worten erzählte sie, wie derselbe Dämon sie in eine Höhle gebracht hatte, damit sie sich in Sicherheit erholen konnte, und dass er das getan hatte, weil er erfahren hatte, wer sie wirklich war. Allerdings erwähnte sie nichts von den Küssen…darüber würde sie später nur mit Kaika reden. Suis Mutter schnaubte und schürzte empört die Lippen. Kaika konnte sich des Eindrucks nicht verwehren, dass sie wusste, wer der Kerl war. Von ihrem ‚Fund’ in der Neumondnacht wollte sie lieber gleich gar nichts erzählen. „Na, immerhin hat er dir dann geholfen. Mein armes Kind. Aber das ist ja auch unerhört, ein Angriff auf ein Mitglied des Hohen Hauses. Die können was erleben…“ Ihre Blicke schweiften ab, dunkle Gedanken jagten über ihre Züge bis sie sich wieder konzentrierte und sorgenvoll ihre Tochter betrachtete. „Wie geht es dir nun? Bist du wieder ganz in Ordnung? Oder möchtest du nicht lieber zu der Heilerin gehen? Du musst heute nämlich noch eine Pflicht erfüllen.“ „Nein, ich bin sofort zum Meer geflogen und hab mich dort eine Nacht lang erholt, mir geht es wieder gut.“, antwortete Sui und schaute auch ein wenig überrascht drein. Eine Pflicht? „Welche Pflicht denn? Hat das was mit dem ganzen Trubel hier zu tun?“, wollte sie wissen und neugierig wartete sie auf eine Erklärung. „Darum habe ich mir ja solche Sorgen gemacht. Eine große Bedrohung kommt aus dem Norden auf uns zu. Kein Wesen sollte noch alleine und ungeschützt draußen herum streifen, besonders keine Mitglieder der Hohen Häuser. Nach vielen Jahrzehnten versammeln sich die großen Herrscher der Himmelsrichtungen zum ersten Mal wieder, um zu beratschlagen, wie sie vorgehen wollen. Und dieses Treffen findet bei uns statt. Ihr werdet ebenfalls teilnehmen.“ Sie wandte sich an Kaika, der die leicht gerunzelte Stirn der Dame gar nicht gefiel. „Kaika, dein Vater ist unterwegs und wird noch heute hier eintreffen. Er bekommt das größte Gästehaus unten am Fuß des Berges. Du kannst aber trotzdem hier bei Sui wohnen…und ich würde dir empfehlen, dir unter Suis Gewändern ein besonders festliches heraus zu suchen. Ich befürchte, dass du selbst keines hast, wo du doch immer in deinem roten Priestergewand herum läufst.“ Kaika schürzte die Lippen, aber sie traute sich nicht offen zu protestieren, denn sie wollte die Mutter nicht gegen sich aufbringen. Diese übersah ihre Schnute geflissentlich. „Es würde dir gut tun, einmal deine Weiblichkeit zu unterstreichen. Du siehst doch hübsch aus. Und deine Rolle als Beraterin deines Vaters wird dir deswegen bestimmt nicht aberkannt werden. Probier es mal, du wirst staunen, welche positive Erfahrungen du machen wirst.“ Kaika blickte schmollend zu Boden, während sich Suis Augen verblüfft weiteten. Die Herrscher der Himmelsrichtungen? Hier? Alle? Dass sie so etwas erleben würde, hätte sie nicht gedacht. Und eine Gefahr aus dem Norden? Was war da los? Es war äußerst selten, dass die einzelnen Herrscher einander besuchten, jeder lebte für sich in seinem Reich und war zufrieden damit. Seine Nachbarn wurden akzeptiert, aber das war es auch schon. Zwar gab es keine richtige Feindschaft zwischen den einzelnen Reichen, trotzdem zog es jeder vor, für sich zu bleiben, und man wollte so wenig wie möglich mit den anderen zu tun haben. Dass sich jetzt alle treffen würden, war… unglaublich. Doch was war mit dem Norden? Wollte er einen Krieg anfangen? Trafen sich deswegen die hohen Herren? „Was ist denn mit dem Norden? Wollen sie Krieg?“, brachte Sui sofort die wichtigsten Fragen vor. Beunruhigung und Sorge machte sich in ihr breit. “Es wäre nicht das erste Mal…“, antwortete die Mutter knapp. „Vor einigen Jahrzehnten, du warst noch nicht geboren, griff der Norden schon einmal die anderen Herrscherhäuser an. Sie hatten sich Gefolgsleute aus China geholt, mieses Gesindel, aber stark und mächtig, und fielen über uns her. Nur indem wir uns verbündeten, konnten wir den Armeen trotzen. Wir haben nach langen, verlustreichen Schlachten gesiegt, und seit damals knebeln Verträge und strenge Überwachung den fintenreichen Herrscher des Nordens. Wir hatten gedacht, es würde Friede herrschen für alle Zeiten, aber die letzten Späher kamen nicht zurück, und Gerüchte gehen um über grausame Morde und eine geheime Waffe. Schnell haben sich die drei Herrscherhäuser zusammengerufen und treffen sich nun bei uns zu einem Bankett, um zu beratschlagen.“ Sui kannte die alte Geschichte, aber hätte nie gedacht, dass sie sich vielleicht wiederholen könnte. Wenn sie das täte, wäre es furchtbar. Und was war an den Gerüchten dran? Sie hoffte, dass sie falsch waren. Sie überlegte, ob der Dämon, der sie angegriffen hatte, aus dem Norden kam. Doch er hatte selbst gesagt, dass sein Land mit dem ihres Vaters ein Bündnis hatte. Außerdem hätte er sie sicherlich nicht in Sicherheit gebracht, sondern sie sterben lassen, wäre er aus dem Norden gekommen. „Und was wird meine Pflicht sein? Hat sie was mit dem Bankett zu tun?“, erinnerte sie ihre Mutter an ihre vorherige Frage. „Du wirst dort anwesend sein wie alle Mitglieder der Herrscherfamilien. Und du kannst uns ein wenig mit deiner Spielkunst erfreuen, wenn das Bankett zu Ende ist und die Herren sich ein wenig entspannen wollen. Dein Flötenspiel ist berühmt, und viele Damen sind gekommen, um dich spielen zu hören. Es ist ein großes und ehrenvolles Bankett, und viele Männer werden euch betrachten. Kleidet euch entsprechend standesgemäß, lasst euch baden und schön machen. Und nun muss ich gehen… ich habe da noch etwas vor und muss unbedingt mit jemandem sprechen.“ Sie rauschte ab und verließ die beiden jungen Mädchen, die völlig verdutzt im Garten zurück blieben. „Weißt du“, sagte Sui zu ihrer Freundin. „Irgendwie wundert es mich gar nicht, dass so etwas genau dann passiert, wenn wir zu spät kommen. Irgendwie kommt immer alles zusammen.“ Betrübt schaute sie die Tür an, hinter der ihre Mutter so schnell wieder verschwunden war wie sie aufgetaucht war. Über einen langen Zeitraum hinweg passierte gar nichts, das Leben war friedlich und schön. Doch dann…dann geschah alles auf einmal. Auch wenn ihre Mutter es nicht ausgesprochen hatte, so war Sui doch davon überzeugt, dass es zum Krieg kommen würde. Die hohen Herren trafen sich nicht einfach nur wegen ein paar Gerüchten. Da brauchte es schon handfeste Beweise und Geschehnisse, die Grund genug sein mussten für so ein außergewöhnliches Treffen. „Ich glaube, dann sollten wir uns tatsächlich beeilen und tun, was deine Mutter sagte und uns schick machen für heute Abend. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“ Kaika blickte besorgt auf ihre Freundin. Vielleicht würden diese Vorbereitungen die Sorgen ein wenig verjagen, die die Stirn der kleinen Wassernixe in Falten legten. Und es war nicht das Schlechteste, sich nach dem Turnier und seinen Folgen ausgiebig baden und ölen zu lassen. Dabei konnte sie mit Sui immer noch den neusten Klatsch durchgehen, den die Bademädchen ihnen bestimmt gerne erzählen würden. Und sie konnte Sui fragen, was ihr in der Höhle genau passiert war. Denn da steckte mehr dahinter als diese der Mutter mitgeteilt hatte. Und Kaika war neugierig… Die beiden jungen Frauen schlenderten hinüber zum Badehaus. Es stand etwas abseits vom herrschaftlichen Wohnsitz, da die ständig brennenden Feuer, die das Badewasser erwärmten, eine zu große Gefahr für die aus Holz gebauten Wohnräume bedeuteten. Das Gebäude selbst bestand aus einfachen Mauern, die mit luftigen Öffnungen mehrer Räume umfassten, in denen die kleineren Zuber standen, die das wohl duftende Waschwasser enthielten, als auch riesige Becken mit wohlig warmen Wasser, die zum Entspannen dienten. Aber was Kaika immer am meisten gefiel, war der rundum geschlossene Garten, der zum Badehaus gehört. Er war, den Wasserzeichen würdig, auch von Wasser geprägt. Die heilige Quelle ergoss sich von einem hohen Felsen und brauste als in der Sonne schimmernder Wasserfall in ein steinernes Becken, bevor sie in einem munter plätschernden Bach das Gelände wieder verließ. Moose und filigrane Farne säumten seinen Lauf, auf deren zarten Blätter Tautropfen schimmerten. Der kleine Garten war über und über mit Blumen bepflanzt, und schon zu der frühen Jahreszeit bedeckten Teppiche aus sternförmigen, weißen Blüten den Boden und begrenzten die schmalen Kieswege, die durch den Garten führten. Ihr Duft war unbeschreiblich, süß und schwer lastete er in der Luft und betörte die Anwesenden. Der ganze Garten war eingefriedet von natürlichem Fels, Hecken oder hölzernen Zäunen, so dass kein neugieriges Auge einen unerlaubten Blick wagen konnte. Manchmal erwärmte Kaika mit ihrer Feuermagie das glasklare Wasser im steinernen Becken des Wasserfalls, und dann konnten die beiden Freundinnen abseits aller Blicke und doch mitten in der Zivilisation in einer heißen Quelle liegen, wie es sie sonst nur hoch oben im Gebirge gab. Diesmal war die Feuerdämonin jedoch zu erschöpft dazu, mussten doch Unmengen Wasser erhitzt werden, da das Becken ja einen natürlichen Zu- wie auch Abfluss hatte und das Wasser gerade im Frühjahr eisig kalt war. So zogen sie es vor, sich in der behaglichen Wärme des Badehauses von den Bademädchen sorgfältig waschen zu lassen und dann in einem großen, hölzernen Bottich, der mit Seidentüchern ausgeschlagen war, zu liegen und sich von den Strapazen der letzten Tage zu erholen. Die hölzernen Schiebetüren waren weit aufgeschoben, und so drang der Duft der kleinen Blüten ungehindert zu ihnen herein. Sui lag mit geschlossenen Augen im Wasser, den Nacken bequem an die Trogwand gelehnt. Ihre Beine hatte sie wieder zu dem fischartigen Schwanz verwandelt, der ihr das Aussehen einer Meerjungfrau verlieh. Die silbernen Haare hingen frisch gewaschen und triefnass über ihre Schulten, unter Wasser umschmeichelten sie ihren Körper mit der sanften Bewegung von Algen, was sie noch mehr wie eine Wassernixe erscheinen ließ. Ihr blasses Gesicht flirrte in den Wasserspiegelungen, die das Sonnenlicht in ihrem Badewasser erzeugte. Kaika lag ihr gegenüber, die Augen ebenfalls geschlossen. Sie hatte sich die Ecke ausgesucht, in der sie die vollen Sonnenstrahlen abbekam, die durch die Türe hereinschienen. Ihre nassen Locken ließen sich auch durch die Wassermassen nicht glätten und so umhüllten sie widerspenstig ihr braungebranntes Gesicht. Das Wasser dampfte um sie herum besonders heftig, da sie die Temperatur ständig recht hoch hielt. So ein kleines Becken zu heizen brachte sie noch nebenbei zustande. Sie mochte ihr Badewasser eh sehr warm, und wenn sie Abkühlung brauchte, hängte sie einfach ihre langen, schlanken Beine über den Rand des Zubers. Genüsslich entspannten sich die Mädchen in dem klaren Wasser, die Bademädchen waren abgezogen und so waren sie nun völlig alleine zurück geblieben. Kaika war es nicht möglich, lange still zu liegen, und so richtete sie sich bald auf, schob die Ellbogen nach hinten über den Rand des Bottichs und schaute Sui grübelnd an. „So, jetzt rück mal raus, was da in der Höhle wirklich passiert ist.“ Sui hob unwillig ihren Kopf an von seiner angenehmen Lehne und schaute ihre Freundin an. Sie schlug einmal leicht mit ihrer Flosse unter Wasser und schickte so viele Wellen über die Oberfläche. Sie atmete tief ein und verzog ihren Mund ein wenig. Ihr Blick richtete sich nach draußen zum Himmel hin und beobachtete die vielen hochschichtigen Wolken, die dort entlang zogen. „Du darfst es niemandem erzählen, OK? Versprich mir das!“ Während sie auf Kaikas Antwort wartete, tastete sie mit ihren Sinnen umher, um irgendwelche heimlichen Lauscher auszumachen und gegebenenfalls zu verscheuchen, doch sie waren ganz allein. Das, was sie ihrer besten Freundin nun sagen würde, durfte nie herauskommen! Kapitel 24: Gespräche in der Badewanne -------------------------------------- Gespräche in der Badewanne „Und du weißt immer noch nicht, wer er ist?“ Kaika schaute neugierig zu ihrer Freundin hinüber, die ihr gerade in allen Einzelheiten ihre Erlebnisse gebeichtet hatte. Sui schlug unwillig mit ihrem Schwanz. „Woher denn? Er hat es mir ja nicht gesagt, der räudige Köter der…“ Wie immer, wenn Sui sauer war, wurde sie ein wenig ausschweifend in ihren Bezeichnungen von anderen Personen. „Wahrscheinlich ist er irgendein dahergelaufener Streuner ohne Zuhause, ohne Pflichten, ohne Verantwortungsbewusstsein, ohne Weitsicht und ohne Ehre.“ Sie atmete tief ein, um sich ein wenig zu beruhigen. Starke Wut war in ihr auf einmal hochgeschlagen, die sie nun wieder zu besänftigen versuchte. Sie durfte sich nicht so mitreißen lassen, nur weil sie von diesem…Kerl erzählte. „Also sollten wir ihn vergessen. Wir sollten ihn einfach vergessen.“ Sie verschränkte ihre Arme und nickte sich selbst zu. Ja, das war das Beste, was sie tun konnte. Nicht mehr an ihn denken. Denn das tat sie noch… „Aber immerhin hat er dir recht nett geholfen, oder nicht?“ Kaika schaute listig zu der Wassernixe hinüber, die ihr gegenüber im Bottich lag. Irgendwas stimmte da nicht. Sie hatte den Verdacht, dass ihr die Freundin diesmal nicht alles erzählt hatte. Tja, der Kerl hatte sie übel angegriffen, aber Sui dann doch gerettet. Sicher war sie wütend auf ihn, aber da war irgendetwas Persönliches im Spiel, sonst wäre sie nicht so hochgegangen. „Nett geholfen…“ Sui spie die zwei Wörter fast schon aus. „Er hatte Schiss vor den Konsequenzen, die mein Tod mit sich gebracht hätte! Das war alles. Nichts mit nett. Feige geholfen wäre da schon treffender.“ Kaika blinzelte und spielte mit den Zehen ihrer Füße, die sie über die gegenüberliegende Wand des Zubers hängen ließ. Sie war überrascht so viel Wut in der Stimme der Freundin zu hören. Wut, oder vielmehr…Verletztheit. Sie sah sie grübelnd an. Er hatte sie verletzt, so viel war klar. Aber womit? War es ihr so peinlich gewesen, schwach und hilflos zu sein? Hatte er sie damit geärgert? Dieser weiße Dämon hatte schon mit voller Berechnung gehandelt, darüber war sie sich sicher. Aber so erzböse war er dann auch wieder nicht, denn ihr war inzwischen klar, dass er sie beide mit Leichtigkeit am See hätte umbringen können. Ob er sie gehänselt und ihr ihre Schwäche unter die Nase gerieben hatte? „Hat er dich verhöhnt?“, fragte sie glatt heraus und war gespannt auf die Reaktion der Freundin. „Ha!“, rief sie aus. „Verhöhnt! Oh ja, das kann man sagen. Mistkerl!“, setzte sie noch eins drauf. Ihre Flosse schlug kräftig aus und unterstrich ihre Worte nur mehr. Ihre Finger auf dem Holzrand tippten unruhig und schickten ein regelmäßiges Klackern durch den Raum. Ihr Atem klang abgehackt, ihr Blick heftete sich böse auf die breiten Schiebetüren. Oha, war die sauer. Also war da was vorgefallen. Aber was? Sui schlug zwar eine Menge Wellen, aber sie wirkte nicht so, als ob sie damit heraus rücken würde, was da passiert war. Also musste Kaika sie ein wenig provozieren. „Na komm, er ist immerhin bildhübsch. Hast ihn wohl vernascht dort in der Höhle…ich hätte es zumindest auf alle Fälle getan.“ Sie grinste vergnügt zu dem Wassermädchen hinüber. Ihr hatte zumindest ihr eigenerer Retter ausnehmend gut gefallen. Sie musste an seine goldenen Augen denken, sein Lächeln und musste sich eingestehen, dass sie sehr bedauerte, dass sie nicht mehr Zeit miteinander hatten verbringen können. „Vernascht?“ Ihr tödlicher Blick richtete sich augenblicklich auf Kaika. „Ich? Ihn? Das ist nicht dein Ernst, oder? Er hat doch hier -“ Sofort biss sie sich auf die Lippen. Aha, erwischt! Treffer! Kaika grinste noch mehr. Daher wehte der Wind…der coole Typ hatte sich an Sui rangemacht. Und ihr hat das wohl…gewisse Probleme bereitet, große sogar, wie an dieser heftigen Reaktion zu erkennen war. Da musste sie weiter bohren. „Na komm, den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen. Was hast du mit ihm angestellt, oder er mit dir? Rück’s raus, ich lass nicht mehr locker!“ Sie wackelte mit den Beinen im duftenden Wasser herum und kräuselte damit die Oberfläche. Sui starrte böse vor sich hin, ihr Blick war fern, sie schien in ihren Gedanken das Geschehen in der Höhle nochmals Revue passieren zu lassen. „Ich hab mit ihm gar nichts angestellt! Alles was ich wollte war, von dort zu verschwinden! Aber er - aber er…“, sie holte tief Luft, „er hat mich nicht gelassen.“, murmelte sie. „Er hat mich festgehalten und…ja…geküsst.“, war es noch kleinlaut von ihr zu hören. Irgendwie war es ihr peinlich, darüber zu reden. Kaika runzelte die Stirn. Sie wusste, wie zurückhaltend, ja fast ängstlich Sui im Umgang mit Männern war. Geküsst hatte er sie also. Und es war doch Suis erster Kuss. Ob sie ihm den freiwillig gegeben hatte? Na, vielleicht hatte sie ihn ja gar nicht zurück geküsst. Kaika schwieg und nagte an ihrer Unterlippe. Das war ein heikles Thema, und sie wollte ihre Freundin nicht verletzen. Aber sie wollte auch wissen, was genau vorgefallen war. Vorsichtig fragte sie nach: „Und hat es dir gefallen? Es war doch dein erster Kuss…hast du ihm einen zurückgegeben?“ „Natürlich nicht! Du weißt doch wie verboten das ist!“, schoss es sofort zurück. Sui sank ins Wasser zurück und nur noch ihr Kopf schaute heraus. Ihr Blick war düster, nachdenklich. „Es war…“, sagte sie dann leise. „Es war…ungewohnt. Und…irgendwie…aufregend. Ärgerlich. Ich war wütend auf mich selbst, weil…es…nicht unschön war.“ Sie schaute ihre Freundin an und schien ein wenig verzweifelt. „Was soll das, Kaika? Ich meine, er war ein gefährlicher Dämon, der uns beinahe getötet hätte, wenn wir nicht geflohen wären. Warum küsst der mich? Und warum…gefällt es mir? Was ist nur los mit mir?“ Ihr Kopf sank niedergeschlagen gegen die Wand. „Na, nur mal mit der Ruhe. Erstens ist es nicht so furchtbar verboten, wie sie es uns immer darstellen. Wir werden eh einfach mit jemand verheiratet, ohne wählen zu können. Da werden wir wenigstens noch selbst entscheiden dürfen, wen wir küssen wollen. Nimm das mal nicht so tragisch. Und dass es nicht schön war, glaub ich dir nicht so recht. Gefallen hat es dir ja doch. Und ich kann dir sagen: das ist eine ganz normale Reaktion. Hey, komm, wenn mich ein so bildhübscher Kerl wie der abknutschen würde, ich denke, ich wäre entzückt. Also krieg jetzt nur keinen Krampf, weil dir einfach mal was gefallen hat. Und ihm hat es auch gefallen, meine Liebe, sonst hätte er es nicht getan. Den kann man nicht zu was zwingen, da kannst du dir sicher sein.“ „Aber -“, begehrte Sui wieder auf. „Er ist böse! Er ist ein kaltblütiger Mörder! Wie kann ich da mit ihm…von ihm… und es auch noch… Das geht nicht!“ Sie seufzte tief und schwer. „Ich meine…ist das normal? Das ist nicht normal." Kaika grinste wieder. „Na, ein kaltblütiger Mörder ist er ganz bestimmt nicht. Wir haben es überlebt, und er hat dir geholfen. Das kannst du nicht von der Hand weisen. Und es ist doch nur normal, das du von ihm angezogen bist. Hey, der sieht aus wie ein Gott, und ihr ward so nahe beieinander in der Höhle…und du bestimmt verwirrt …und ich hätte mich da auch nicht wehren können. Gestehe dir einfach ein, dass du bei einem so geilen Kerl einfach schwach geworden bist. Na und? Ist doch nicht schlimm. Schade, dass da nicht mehr draus werden kann…“ Sui saß da in dem warmen Wasser und überlegte. Ja, er sah definitiv aus wie ein Gott, ohne Zweifel. Und ja, er hatte ihr geholfen. Sogar das Leben gerettet, nachdem er es zuvor beinahe genommen hätte…und sie war verwirrt gewesen. Es war also viel gewesen, was da auf sie eingewirkt hatte. Was sie schwach werden hat lassen in seinen Armen… Sie blinzelte schnell, um die Erinnerung daran abzustreifen. Dann blubberte sie, ihr Mund halb unter Wasser: „Vielleicht hast du ja Recht.“ Sie fühlte sich ein wenig erleichtert. Nicht mehr irgendwie schuldig oder so. Ja, sie waren schön gewesen, seine zwei Küsse. Ob wohl alle ihre Küsse so werden würden? Ein kleines Grinsen stahl sich auf ihren Mund. „Ach schön, jetzt lächelst du wieder!“ Die Feuerdämonin zwinkerte ihr zu. „Weißt du, mir hätte es auch gefallen, wenn ich…ein wenig mehr Zeit gehabt hätte mit meinem Retter. Der hat mir auch gut gefallen, und ich wäre einem Kuss nicht abgeneigt gewesen. Aber leider…ist er so übereilt abgehauen, der Feigling.“ Kaika zog wieder mal eine Schnute. „Seltsamerweise genau in dem Moment, wo wir über unseren Angreifer gesprochen haben.“, meinte Sui und tauchte wieder etwas mehr aus dem Wasser auf. Für sie bestand nach wie vor eine Beziehung zwischen diesen beiden Männern. „Ja, komisch ist das schon.“, bestätigte Kaika. „Aber welche Beziehung sollte zwischen denen bestehen? Meiner war ein süßer, kleiner, unschuldiger Hunde-Hanyou, er wohl weggelaufen war. Deiner sah schon erhabener aus. Vielleicht kannte meiner ja deinen und hat sich verdrückt, bevor es Ärger gab. Schade, ich hätte ihn gerne noch ein wenig um mich gehabt. Jetzt weiß ich nicht, ob ich ihn jemals wieder sehen werde.“ Sui wollte ihre Freundin bei dem ‚Deiner’ unterbrechen, sah dann aber den sehnsüchtigen Ausdruck auf deren Gesicht und ließ es. Der Hanyou hatte es ihr wohl wirklich angetan. Irgendwie war es ungerecht. Kaika konnte bei ihrem „Fund“ nicht lange genug bleiben, und sie selbst wäre ihrem „Fund“ am liebsten nie über den Weg gelaufen. Aber sie musste Kaika aufmuntern. Das hatte sie schließlich eben bei ihr auch getan. „Kopf hoch, Kaika-chan! Es war kein Zufall, dass du ihn getroffen hast, als du ihn am dringendsten gebraucht hast! Genau er sollte da in der Schlucht sitzen und dich am Leben erhalten, niemand sonst. Das hat ein Band zwischen euch geschmiedet, das euch verbindet. Ein Band, so stark wie das Leben, das gerettet worden ist. Du wirst ihn wieder sehen. Du musst einfach nur dieser Verbindung folgen, nämlich deinem Leben. Es führt dich wieder zu ihm. Vielleicht, wenn du ihn wieder ganz dringend brauchst, aus hoffentlich anderen Gründen, als beim ersten Mal.“ Sie lächelte aufmunternd und fröhlich. Kaika seufzte. „Na, wenn das nur mal stimmt“ Insgeheim befürchtete sie eher, dass hier nicht ein Schicksalsband geknüpft worden war, wie Sui das so bildhaft beschwor, sondern ihr einfach eine nette Zufallsbekanntschaft wieder durch die Lappen gegangen war. Aber sie wollte sich weder die Laune nicht vermiesen lassen noch sich weiter darüber ärgern. Kurz entschlossen stand sie auf und schwappte damit eine Menge Badewasser über den Rand des Zubers. “Ich geh jetzt raus, ich werd noch ganz schrumpelig.“ Und schon hüpfte sie über den Rand und rief nach einem Bademädchen, das weiche, große Tücher brachte und sie darin einhüllte. „Jetzt schon?“, fragte Sui überrascht, verwandelte ihre Flosse aber wieder in Beine, um auch aufstehen zu können. Sofort eilte eine weitere Dienerin zu ihr heran, hielt ihr das mitgebrachte Handtuch vor und wickelte auch ihre Herrin gleich darauf fest darin ein. Kapitel 25: Kleiderwahl ----------------------- Liebe Grüße an engel-alexiel - wohl eine meine wenigen Leserinnen. Nun bretzeln sich unsre beiden Damen auf... es steht ja auch ein ehrwürdiges Bankett bevor. Kleiderwahl Die Sonne war ein schönes Stück gewandert, als Sui und Kaika das Badehaus wieder verlassen hatten. Sie wechselten weiter in den Raum mit den Massageliegen. Dort wurden sie ausgiebig mit den duftendsten Ölen einmassiert, bis ihre Haut seidig und weich war. Danach suchten sie wieder Suis Räume auf, eingehüllt in flauschige, weiße Yukatas. Um ihre langen Haare hatte man weiche Tücher gewickelt und ihre nackten Füße wurden von geschmeidigen Sandalen geschützt. Danach wurden sie frisiert. Ihre langen Haare wurden getrocknet und dann ewig lange gebürstet, um anschließend hochgesteckt zu werden. Bei Sui verwendeten die Dienerinnen dazu Unmengen Stäbchen mit schillernden Muscheln an den Enden, die in ihrem silbernen Haar funkelten und blitzten. Die Strähnen waren streng in Form gezwungen, und ein duftendes Öl hielt sie fest in den Bögen und Linien, die die Dienerinnen vorgegeben hatten. Anders als bei Kaika. Ihre Locken strotzten jeder Frisurkunst, und so begnügten sich die Frauen, Perlenketten und Bänder in ihre schwarze Haarpracht zu schlingen. Immerhin saß sie nach der Bearbeitung durch die Mädchen einigermaßen zivilisiert aus. Als sie nun endlich Suis Gemächer betraten, hatten die Dienerinnen bereits eine Reihe von edlen, teuren Kimonos auf Decken ausgebreitet. Die Farbe Blau dominierte in ihren verschiedensten Schattierungen und Erscheinungsformen auf den Tatamimatten, untermalt von Weiß, das im Sonnenlicht wie Perlmutt schimmerte. Zarte Stickereien zierten die weiten Ärmel und die Säume und feine Muster, Tiere, Vögel und Blumen waren mit viel Aufwand in den Stoff eingearbeitet worden. Jeder Kimono bestand aus mehreren Schichten und man brauchte Hilfe beim Ankleiden. Sui und Kaika stellten sich vor die Auslage hin und musterten die edlen Stücke. Sui kannte ihre Truhen und Schränke in- und auswendig und stellte fest, dass hier auch einige neue Kimonos lagen. Man hatte sie wohl extra für diesen Anlass anfertigen lassen. Erfreut betrachtete sie diese, einer war schöner als der andere. Ihr suchender Blick blieb schließlich an einem hängen, der sie nicht mehr losließ. Wie die anderen bestand er aus feiner Seide, die von winzig kleinen Fäden dieses perlmuttfarbenen Garns durchwirkt war, was die schillernde Seide mehr wie Wasser wirken ließ. Er hatte die helle Farbe von klarem Meerwasser, das am Strand über Kies und Steine wanderte, eine Farbe, wie sie nur die Färber der königlichen Familie des Ostens erschaffen konnten. Der Kimono bestand aus drei Schichten, und sobald man ihn anzog, wirkte er wie fließendes Wasser, mit jeder Bewegung des Körpers schien er über Arme und Beine dahin zu gleiten. Eine kleine Unterwasserwelt war mit filigranen Stichen in den Stoff eingewirkt, schlanke Fische, Meerjungfrauen und Muscheln tummelten sich zwischen hohen Wasserlilien und unter blühenden Seerosen. Sie trat auf das wunderbare Kleidungsstück zu und sofort kam eine Dienerin hinzu, die ihr beim Ankleiden behilflich sein würde. Es dauerte seine Zeit, die drei Schichten richtig und perfekt anzuziehen, auch mit Hilfe. Doch bald war es geschafft und der breite, ebenfalls reich bestickte, wasserblaue Obi wurde ihr umgelegt und auf sehr komplizierte Art und Weise gegürtet. Eine andere Frau brachte ihr fein gewebte Tabi und Zori, kniete vor ihr nieder und half ihr, die Socken mit dem abgetrennten Zehenbereich und die schlicht wirkenden, aber aufwändig gearbeiteten Sandalen anzuziehen. Verneigend erhob sie sich wieder und auch die andere Dienerin trat mit geneigtem Haupt von Sui zurück. Kaika betrachtete versonnen die nun vollständig eingekleidete Freundin. Es war immer wieder erstaunlich, wie sehr das Aussehen einer Frau mit unterschiedlicher Kleidung verändert werden konnte. Und Sui sah einfach fabelhaft aus. Die seidenen Stoffe betonten ihre schlanke Figur und verhüllten doch dezent, was nicht für das Auge des Betrachters bestimmt war. Die zarten Farben betonten ihre Feingliedrigkeit, ihre blauen Augen, ihren porzellanfarbenen Teint und ließen ihre schneefarbenen Haare glänzen. Sie sah absolut edel aus, obwohl das Gewand einfach und schlicht wirkte, auch wenn es aus den teuersten Stoffen gearbeitet war. Kaika erhob sich schon und machte Anzeichen, den Raum verlassen zu wollen, doch Sui schaute nur erstaunt zu ihr hinüber. „Du willst doch nicht schon gehen?“ Unwillig betrachtete sie die Freundin, die sich ihren tiefroten Anzug von einer der Dienerinnen, die ihn mitgebracht hatte, geschnappt hatte, und damit verschwinden wollte. „Na, du bist doch fertig?“, hakte diese überrascht nach. Suis Gesicht wirkte verwundert und ihre Stimme klang ungläubig. „Du willst das anziehen? Zu dem Bankett?“ Sie deutete auf das rote Stoffbündel in den Armen ihrer Freundin. „Kaika!“ „Was? Warum sollte ich es nicht anziehen?“, gab diese zurück und schaute Sui unverständig an. „Na, weil vielleicht die Herrscher ganz Japans heute anwesend sein werden? Das ist nicht irgendein Familienschmaus, wo dein Vater dabei sein wird, sondern ein Bankett, das wegen einer wichtigen Staatsangelegenheit einberufen wurde. Du wirst dort mit deiner Anwesenheit dein Land mitrepräsentieren. Du wirst an diesem Abend weder Tochter noch Freundin sein, sondern eine Prinzessin des Südens, die hier ist, um ihr Land teilhaben zu lassen an den wichtigen Diskussionen über den Frieden in ganz Japan!“ „Ja, schon klar”, beruhigte sie Kaika. „aber mein Gewand hat auch noch eine andere Rolle. Glaub mir, es war schwierig genug zu entscheiden, in welcher Kleidung ich auftreten soll. Ich habe nun mal die Rolle der politischen und militärischen Beraterin des Hauses des Südens inne. Ich habe um die Rolle gekämpft, mehr gegen die Untergebenen wie gegen meinen Vater. Er hatte schon immer einen Sohn haben wollen und hatte leicht akzeptiert, dass ich auch als Frau teilhaben möchte an seiner Macht und seinen Entscheidungen. Meine Mutter hatte ihn früher schon immer beraten, aber eher hinter der Bühne. Ich wollte die Aufgabe aber offiziell haben.Aber wie sollten wir das den anderen beibringen, so dass sie mich auch akzeptierten, meine Anweisungen befolgten? Frauen haben immer nur die Rolle der Dienerin inne, die Befehle der Männer annehmen und ohne zu Murren befolgen. Und nun saß ich da, hinter meinem Vater auf dem Podest des Herrschers. Wenn ich da als Zuckerpüppchen hingetrippelt wäre in einem schmucken Kimono mit schicker Frisur, dann hätten sie nur gelacht und gespottet. Und gehört hätte keiner auf mich. Was soll eine Frau denn schon zu sagen haben? Also habe ich lange mit Oto-sama beraten, und er hat mir dieses rote Priestergewand mitgebracht. Es ist, wie du weißt, aus Feuerrattenhaar und schütz so vor Verbrennungen, was ich als Mitglied des Feuerclans ja sehr gut gebrauchen kann. Das ist die Begründung, die wir vorgeschoben haben, warum ich dieses Gewand trage, da konnte keiner etwas dagegen vorbringen. Es ist ein Männergewand, es ist praktisch und ich kann in ihm unbehindert die Rolle ausüben, die mir mein Vater gewährt. In einem seidenen Kimono, der mir nur winzige Schritte zulässt, mit dem ich weder reiten noch kämpfen kann, kann ich nichts anfangen. Und ich muss gestehen, so schön sie sind, sie reizen mich nicht besonders.“ Ihr Blick glitt über die ausgebreiteten Schmuckstücke, die immer noch zu ihren Füßen lagen. Sui hatte der Erklärung der Freundin schweigend zugehört. Trotzdem schien sie nicht ganz mit ihr überein zu stimmen. Sie holte Luft. „Aber du kannst da nicht einfach wie immer rumlaufen, weil das hier keine Angelegenheit wie immer ist. Es hat eine ernste Ursache, weswegen all das passiert, und wegen dieser Ursache kommen hier zum ersten Mal, seit wir auf der Welt sind, alle Herrscher der großen Länderein zusammen. Das ist ein wirklich außergewöhnlicher Akt. Und ich bitte dich ja nur, dich den Umständen hier anzupassen.“ Aus Befürchtung, ein wenig zu streng geklungen zu haben, lenkte sie ein. „Es ist ja nur dieses eine Mal. Du trägst sowieso so selten Kimonos. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie du darin aussiehst.“ Sie lächelte. „Außerdem weißt du, was meine Mutter gesagt hat. Du bist so eine Schöne und sollst das auch mal zeigen! Also putz dich heut doch mal fein raus mit mir und zeig diesen alten Herren, was eigentlich in dir steckt! Ich finde nämlich, auch wenn du eine Männeraufgabe ausführst, solltest du dennoch ab und zu zeigen, dass du eine Frau bist und eben kein Mann. Das schadet sicher nicht.“ Ihr Lächeln wurde breiter und sie zwinkerte ihrer Freundin zu. „Bitte!“ Kaika grübelte und vermutete, dass sie an diesem Abend eh nicht hinter ihrem Vater sitzen würde, da das Podest den drei mächtigen Herrschern vorbehalten bleiben würde. Also musste sie wie die anderen Angehörigen in den vordersten Reihen vor dem Podest Platz nehmen und würde somit auch nicht im Mittelpunkt stehen. Da konnte sie auch in einem prächtigen Kimono hintrippeln. Sie grinste Sui an, die erleichtert aufatmete. „Na gut, warum auch nicht!“,. stimmte sie zu und das erfreute Lächeln im Gesicht ihrer Freundin belohnte sie sofort dafür, dass sie bereit war, einmal über ihren Schatten zu springen. Sie hatte sich nie die weiblichen Freuden gegönnt, sich viele Gedanken über ihr Aussehen zu machen und ständig Kleider anzuprobieren und zu sehen, wie sie ihr standen. Warum sollte sie die Zeit und die üppige Auswahl bei Sui nicht mal nutzen, um andere darauf aufmerksam zu machen, dass sie auch schön sein konnte?„Dann lass uns mal loslegen. Was hast du denn noch alles?“ Sui wies zu ihrer linken Seite hin und Kaika betrachtete zögerlich den riesigen Schrank und die voll gehäuften Decken mit Suis Sachen. Langsam wanderten die wählerischen Augen der jungen Feuerdämonin über die endlosen Stapel an Kleidung. Die meisten wiesen die Farben des Wasser-Clans auf: weiß, blau und türkisgrün. Doch Kaika wollte sich nicht mit den Farben einer anderen Familie schmücken, außerdem fand sie, dass ihr diese auch nicht standen. Feuerfarben, rot, gelb, orange, das waren ihre Favoriten. Aber ob sie die hier finden würde? Sie näherte sich dem weit offen stehenden Schrank und stöberte in den Regalfächern herum. Da ganz hinten konnte sie ein orangefarbenes Leuchten erkennen. Vorsichtig zog sie den Stapel heraus. Seidenbrokat schimmerte, in den Stoff eingearbeitete Blätter glänzten in Gold und Braun, kleine Blüten in dunklem Rot schmückten die Schulterpartie und die bodenlangen Ärmel eines edlen Kimonos. Die Augen der Dämonin leuchteten: „Das wäre was!“ Sie entfaltete das wertvolle Stück und bestaunte immer begeisterter die prächtige Handarbeit. „Das ist wundervoll! Warum hast du das nie angezogen?“ Sie blickte kurz zu Sui, die nur die Schultern zuckte. „Keine Ahnung. Meine Mutter hat es mir mal vor einiger Zeit geschenkt, aber darin seh ich noch blasser aus als ich sowieso schon bin. Auch gefällt mir die Farbe nicht so. Also ist es immer weiter nach hinten gewandert im Schrank.“ „Wenn du erlaubst, würde ich den gerne tragen.“ Kaika konnte nicht mehr die Augen von dem schimmernden Stoff lassen. Sui grinste. Da schien es aber eine gepackt zu haben und sie konnte die kribbelnde Begeisterung nur zu gut nachvollziehen, die die Vorstellung an einen gelungenen Auftritt in ihr immer erzeugte. Für Kaika schien es wirklich vollkommen neu zu sein, Gedanken an schöne Kleider zu verschwenden. Doch auch sie strahlte nun vor Begeisterung. „Na die werden schaun. Vielleicht fällt ihnen dann sogar mal auf, das ich tatsächlich eine Frau bin“, grinste sie nur vor sich hin. Und sie selbst könnte einmal spüren, eine zu sein. Sie hatte noch nie wegen ihrem Körper Aufsehen erregt, sondern immer durch ihre Taten. Ihr Körper war nur Hülle, dazu da ihr alle Wünsche zu erfüllen und ihr zu dienen. Er war gesund und kräftig, biegsam und mit wenig zufrieden und die junge Dämonin hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, sich groß um ihn zu kümmern oder gar zu verwöhnen. Er musste lediglich funktionieren und ihre Kleidung bequem und praktisch sein. Trotzdem reizte sie nun das Spiel, einmal nicht mit ihren Reizen zu geizen und mit einem kecken Lächeln trippelte sie aus Suis Kammer hinaus ihrem großen Auftritt entgegen. Kapitel 26: Das Bankett ----------------------- Nach den Frauengesprächen wird es nun offiziell Das Bankett Die Gäste hatten den großen Versammlungssaal bereits betreten und sich auf den ihnen zugewiesenen Plätzen niedergelassen, als die beiden jungen Frauen sich durch eine Schiebetüre schoben, die direkt hinten bei dem Podium lag. Vorsichtig und leise hatten die Dienerinnen die große Türe geöffnet, um sie durchzulassen. Nur den Mitgliedern der Herrscherfamilie war dieser Eingang vorbehalten. Scheu senkten die beiden Mädchen ihre Blicke und lugten unter ihren strengen Frisuren hinauf auf das glänzend polierte Podium aus Edelholz, auf dem die drei hohen Herrscher des Ostens, Südens, und Westens bereit Platz genommen hatten. Kaika lächelte verstohlen ihrem Vater zu, der in seinen prächtigsten Gewändern aus schimmernder, mit Flammenmustern bestickter, roter Seide ihr am nächsten auf einem der niedrigen Hocker saß. Sein Haar war so schwarz wie das seiner Tochter, und es hätte sich genau so unbändig gekringelt, wenn es nicht in einem strengen Knoten nach oben gebunden worden wäre. Er nickte ihr zu, und sie trippelten weiter. Die ungewöhnliche Aufmachung seiner Tochter verwunderte ihn, aber er war auch erfreut, dass sie einmal freiwillig ihre Rolle als Frau annahm und sich so schön herausgeputzt hatte. Das war bestimmt dem Einfluss ihrer Freundin zu verdanken, die neben ihr auf der Suche nach ihren Plätzen war. Als nächstes kamen die beiden herrschaftlich gekleideten Frauen an ihrem Gastgeber vorbei, der den Schemel in der Mitte eingenommen hatte, welcher ihm als Gastgeber zustand. Sein schillerndes, weißes Haar hing ihm lang über seine breiten Schultern, die wie der Rest seines Körpers in dunkelblaue Seide gehüllt waren. Silbern war das Wappen seiner Familie fein in den Stoff auf den Ärmeln eingearbeitet worden, und Sui wusste, dass diese Stickereien auch den Rücken ihres Vaters zierten. Mit geradem Rücken und beiden Armen auf seinen Beinen abgestützt saß er da und überblickte mit ernstem Gesicht die versammelte Menge, er blickte kurz seine eingetretene Tochter an und nickte ihr zu. Sui nickte grüßend zurück und ihr Blick huschte kurz über den dritten der Männer. Der letzte Herrscher war ein hoch gewachsener Mann, den die beiden Mädchen noch nie gesehen hatten, dessen Ähnlichkeit mit ihrem Widersacher vom Badesee aber sehr verblüffend war. Beide starrten den schlanken Mann an, der lässig auf seiner Sitzgelegenheit thronte. Das lange, glänzendweiße Haar war zu einem energischen Pferdeschwanz zusammen gefasst, wobei die langen Strähnen immer noch bis auf den Boden reichten. Seine Gewänder waren aus weißer Seide gefertigt, nur wenige blaue und rote Muster unterbrachen das Schimmern des edlen Stoffes. Ein üppiges Fell lag um seinen Hals, das genauso weiß war wie seine ganze Gestalt. Und zum Schluss zierte genau der gleiche nachtblaue Halbmond die Stirn des Herrschers, den sie schon einmal erblickt hatten, aber auf einer anderen Stirn. Erschrocken schauten die beiden Prinzessinnen sich an. Das musste der Herr des Westens sein, den sie beide bisher noch nie gesehen hatten. Die Häuser lebten seit vielen Jahrzehnten in Frieden, und so hatte es keinen Anlass gegeben, ein Treffen einzuberufen. Schnell senkten die Mädchen wieder ihren Blick, war es doch unschicklich, einen Gast anzustarren. Übereilt wanden sie sich ab und suchten ihre Sitzkissen, die nebeneinander liegen sollten und die Grenze von Wasser- und Feuerclan markierten. Suis suchender Blick entdeckte schließlich ihre Sitzgelegenheiten. Noch immer spukten diese beunruhigenden Gedanken in ihrem Kopf herum von dem Herrn des Westens und seiner Ähnlichkeit mit dem Angreifer. Warum mussten sich alle auf einmal so ähnlich sehen? Das war nicht normal. Sie trat an ihr Kissen und schaute noch einmal im Stehen über die versammelten Leute, ob sie jemand Bekanntes antreffen würde, und ihre Hand schnellte im nächsten Moment nach hinten und griff schmerzhaft nach Kaikas Arm. Sie schluckte schwer, atmete tief ein und glaubte nicht, wen sie da sah. Dort, in der ersten Reihe auf der Seite des Westens, da saß er. Er. Er, ihr Angreifer! Dieser Dämon, der sie beide beinahe getötet hätte! Der mit ihr allein in der Höhle gewesen ist. Der sie… Sie hörte, wie ihre Freundin hinter ihr die Luft scharf einsog, sie hatte ihn ebenfalls entdeckt. Kurz standen beide still da, merkten nicht, wie sie ein wenig verwundert von den Umstehenden angeschaut wurden, dann drehte sich Sui ruckartig weg von der 'Entdeckung' und sah Kaika an. 'Das ist nicht wahr, oder?', fragte ihr Gesicht ihre Freundin und diese schüttelte leicht den Kopf. Sui holte tief Luft. Im Moment konnte sie nichts unternehmen. Nervös nahm sie mit Kaika Platz, darauf bedacht, nicht in eine bestimmte Richtung zu sehen, was ihr natürlich nicht allzu lang gelang. Kaika setzte sich umständlich auf ihr weiches Sitzkissen. Es war sehr ungewohnt für sie, mit dem beengenden Kimono eine bequeme Sitzposition einzunehmen. Daher ließ sie sich etwas steif und förmlich auf ihren Fersen nieder. Fast bereute sie schon, sich in diese edle Kleidung geworfen zu haben, aber als sie aufblickte und die vielen Männerblicke bemerkte, die sie aufmerksam und freundlich begutachteten, genoss sie die ungewohnte Aufmerksamkeit. Sonst wurde sie zwar immer respektiert, aber sie erhielt nie eine Anerkennung für ihr Aussehen, das sie selbst doch durchaus akzeptabel fand. ‚So ist’s recht, schaut nur mal was ich zu bieten hab, ihr Kerle!’ Kaika konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken. Der Führer der kleinen Armee ihres Vaters saß hinter ihr. Ihm fielen fast die Augen heraus, hatte er den militärischen Berater des Feuerclans doch noch nie in so weiblicher Kleidung erblickt. Die Herzöge des Südens, Vasallen von Kaikas Vater, glotzten ebenfalls recht dämlich, und die junge Feuerdämonin genoss ihren Auftritt immer mehr. Trotzdem versuchte sie noch einen Blick zu erhaschen auf den so plötzlich aufgetauchten Lebensretter von Sui. Diese saß stocksteif neben ihr, den Blick gebannt auf das Podium vor sich gerichtet. 'Das kann nicht sein…', dachte sie sich. 'Wie kann der so ruhig und…unschuldig da drüben sitzen? Ist er etwa wirklich…Kann er…Oh mein Gott.' Sie schloss entgeistert ihre Augen, um ruhig zu bleiben. 'Oh mein Gott, er ist es. Der Sohn vom Herrn des Westens. Er sitzt in der ersten Reihe und diese Ähnlichkeit. Er ist also doch nicht irgendein dahergelaufener Dämon. Er ist ein Prinz des Westens. Warum muss das passieren? Augerechnet mir! Ob er etwas vorhat? Er weiß, dass ich hier bin. Und er wusste in der Höhle schon, wer ich bin. Warum hat der Spinner mich dann also geküsst? Wenn er da auch schon von diesem Bankett hier gewusst hatte, dann wusste er auch, dass wir uns hier wieder sehen würden. Warum? Wenn ich wollte, könnte ich ihn dran kriegen. Ihm Probleme bereiten, aus denen er nicht mehr raus kommt. Mich rächen! Ihn fertig machen! Warum fühlt er sich also so sicher, dass ich nichts dergleichen tun werde? Ich mein, ich tu’s ja auch nicht. Noch nicht. Was nicht ist kann ja noch werden! Mistkerl…' „Kaika!“, zischte sie lautlos ihrer Freundin zu. Kaika wandte ihr den Kopf zu und fragte mit leiser Stimme nach. „Was ist? Hey, hast du den verdammten Kerl da drüben hocken sehen? Diesen Arsch, der uns so fertig gemacht hat? Der traut sich was…gehört der zum Westen?“ „Na, schau ihn doch mal an!“, knurrte Sui. „Wie er dem Herrn dort oben neben meinem Vater ähnelt! Am Schluss ist er noch sein Sohn.“ Ihre Stimme verklang. Nein, nein, nein und nochmals nein. Das durfte nicht sein. „Eingebildeter Bastard.“, verließ es noch ihren Mund. Der, über den sie sich so aufregte, saß erhaben und gelangweilt in der vordersten Reihe. Er musste auf alle Fälle eines der höchsten Mitglieder dieses Clans sein. Seine Kleidung war wieder die gleiche wie bei ihrem Zusammenstoß am See: wallende, edle Gewänder aus Seide, die über der Schulter, wo auch wieder das lange, weiße Fell lag, mit blauen und roten Mustern verziert waren, ähnlich denen, die bei dem Lord dort oben auf dem Podium zu finden waren. Das hübsche Gesicht war wie immer unergründlich, keine Gefühlsäußerung war zu erkennen, weder Überraschung, noch Häme. Nur eine gewisse Arroganz strahlte von ihm aus. Auch Kaika schaute verstohlen zu ihm hinüber. Die Ähnlichkeit war frappierend. Hier konnte kein Zweifel bestehen. Das gleiche, schmale Gesicht, die gleiche, hoch gewachsene Gestalt, die gleichen, wunderschönen, endlos langen, silbernen Haare. Sie hielt die Luft an. Die ganze Familie schien aus einfach unbeschreiblich schönen Wesen zu bestehen. Irgendwie wurde sie sogar neidisch, dass Sui mit diesem flotten Hecht so lange alleine in einer Höhle gewesen war. Na ja, neidisch unter Einschränkungen. Der Kerl da schien sie ja ganz schön geärgert zu haben. Da war ihr ihr Date schon in weit angenehmerer Erinnerung. Ob der auch zu denen gehörte? Die Haare waren gleich, aber das Gesicht von dem Jungen am Feuer, es war breiter, kantiger, wenn auch seine Augen die gleiche, goldene Farbe aufwiesen. Hm, sie begutachtete wieder den Lord des Westens oben auf der Bühne. Nein, diese Zeichen fehlten, das Fell, und die Kleidung war völlig anders…und er war wild und frech und nicht so erhaben wie die beiden da. Vielleicht bestand ja eine weitläufige Verwandtschaft, aber die gleichen Eltern konnten die beiden auf keinen Fall haben. Wieder ärgerte sie sich, dass sie nicht dazu gekommen war, länger mit ihrem Retter reden zu können. Saß da eigentlich eine Frau dabei, eine Gemahlin des hohen Herrn? Kaika reckte den Kopf und suchte die Sitzplätze um den Schnösel gründlich ab. Nein, keine Frauen, auch keine Töchter, nur Heeresführer und Vasallen. Sie musste aufpassen, die Leute um sie herum schauten schon, nach was sie da suchte. Das war doch zu auffällig. Sie würde ihren Pa mal genauer befragen, wenn dieses Bankett hier vorbei war. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder nach rechts und sah Sui, die wie gelähmt neben ihr saß und den Typen unentwegt anstarrte. Kaika musste lächeln. Egal was Sui auch sagte, wie sehr sie ihn verfluchte. Er hatte sie in seinem Bann. Sie konnte ihre schönen, blauen Augen nicht mehr von ihm lösen, wenn sie auch böse dabei funkelten. Sanft stupste sie die Freundin an. „Hey, Süße, du hast da die Nacht mit dem Prinz des Westens verbracht, weißt du das? Das ist eindeutig der Sohn von dem auf dem Podest. Keine schlechte Partie…“, grinste sie anzüglich, wobei sie genau wusste, dass sie die erboste Sui damit erst recht auf die Palme bringen würde. Aber immerhin würde sie dann mal von diesem Hexenmeister ablassen können, der sie so verzaubert hatte…auf seine Art. Suis Augen lösten sich von dem Dämon und wandten sich Unheil verkündend ihrer Freundin zu. „Was hast du gesagt?“ Ihre Stimme war kaum hörbar und kalte Wut klang aus ihr heraus. „Ich habe keine Nacht mit ihm verbracht! Nicht einmal ansatzweise!“ Sie betonte jedes einzelne Wort. „Und es ist mir scheißegal, wer er sein mag. Er ist und bleibt ein räudiger Bastard! Also hör auf, ihn als keine schlechte Partie zu bezeichnen!“ Ihr Kopf ruckte zurück, starrte stur nach vorne, und ihre Augen wichen kein einziges Mal mehr ab zu dem weißhaarigen Dämon. Kapitel 27: Flöte, Tanz und Trommelschlag ----------------------------------------- Hallo, mir sind wohl die Reviewer verloren gegangen... wo seid ihr denn hin??? Aber ich hoffe, es liest noch jemand mit und drum wird es höchste Zeit. Die armen Mädels erfahren jetzt nämlich den Ernst des Lebens. Flöte, Tanz und Trommelschlag Das Bankett begann. Eine langatmige Begrüßung von Suis Vater würdigte jeden Besucher, schmeichelte dem betreffenden Clan, ohne dass der Vortrag wirklich auf den Punkt kam. Die Herrscher begrüßten sich, verneigten sich vielmals und ließen die Geschenke präsentieren, die sie mitgebracht hatten. Das Publikum schwieg, es war zum reinen Zuschauen verdammt wie immer im großen Ratsaal. Nur bei den Sprechstunden der Herrscher durften selbst die kleinen Leute ihre Probleme vortragen und Bitten vorbringen, auf dass ihr Herr Recht sprechen oder ihnen zu Hilfe kommen sollte. Die Sitzordnung gab Aufschluss über den Rang des jeweiligen Gastes. In der Mitte saß der Wasserclan, je weiter vorne umso höher war ihr Rang. Links von ihnen saßen die Leute des Feuers, rechst die Gefolgschaft des Lord des Westens. Kaika und Sui-jin saßen in der ersten Reihe, ihrem Rang als Prinzessinnen der Häuser entsprechend. Mit tiefen, sonoren Stimmen versicherten sich die Herren immer wieder ihrer gegenseitigen Hochachtung. Von der großen Bedrohung aus dem Norden wurde gar nicht detailliert gesprochen, obwohl es genau darum ging: zusammen zu halten gegen den erstarkenden Feind. Kaika wusste bis jetzt noch nicht genau, was eigentlich vorgefallen war, dass alle Häuser in solche Aufruhr versetzt hatte, dass große Bündnisse und militärische Zusammenschlüsse notwendig geworden waren. Das wollte sie gleich nach dem Bankett herausbekommen, wenn sie mit ihrem Vater auf ihr Schloss im Süden zurückkehren würde. Doch nun musste erst mal dieser feierliche, offizielle Akt hinter sich gebracht werden. Direkte Absprachen wurden gar nicht getroffen, es ging nur darum, nach langer Zeit des Eigenbrötlertums wieder den Zusammenhalt der Häuser zu bestärken. Die militärischen Bündnisse sollten später geschmiedet werden, nicht unter den Blicken so zahlreicher Gäste. Hier wurden nur Zeremonien abgehalten, in festen Regeln gehaltene Treffen, um eine Annäherung der Lords zu gewährleisten. Entsprechend steif und förmlich ging es bei diesem Bankett zu. Daher wurde auch kein Essen gereicht. Das sollte später in kleinerem Kreise stattfinden. Die Bühne war von vielen, kleinen Feuerschalen beleuchtet, der Rest des riesigen Raumes lag beinahe im Dunkeln. Nur wenige flackernde Fackeln spendeten den vielen Gästen mattes Licht. So war ihre Aufmerksamkeit voll und ganz auf das Podest gerichtet. Die Herrscher saßen etwas abseits, so dass sie bei den nun folgenden Darbietungen nicht im Weg saßen. Stille legte sich auf den ganzen Saal, alle Zuschauer blickten gebannt auf die leere Bühne, wo nun gleich die Musikerinnen auftreten mussten. Es waren meist Töchter der oberen Häuser, die hier auftraten. Ihre ausgezeichnete Ausbildung konnte so präsentiert werden, und ein würdevoller Auftritt in prachtvollen Gewändern steigerte ihren Wert bei anstehenden Mitgiftverhandlungen. Sui stand mit ihrer Flöte neben ihrer kleinen Schwester Negisa vor der Schiebetüre, die auf das Podium führte. Sie hatte schon oft bei verschiedenen Gelegenheiten mit ihrer Flöte die Gäste ihrer Eltern unterhalten und seit ein paar Jahren tanzte Negisa zu ihrer Musik. Sie wurden von allen Seiten gelobt, ihre Eltern wurden beglückwünscht, solch talentierte Töchter zu haben. Oh ja, sie waren ausgezeichnet. Sui wusste das. Trotzdem war sie vor jeder neuen Aufführung wie immer ein wenig aufgeregt. Obwohl sie es dieses Mal mehr war also sonst. Sie wusste genau, wer ihr heute zuhören würde, sie die ganze Zeit über ansehen würde… „Geht es dir gut?“ Sui schaute überrascht ihre kleine Schwester an, die diese Frage gestellt hatte. Sofort lächelte sie. „Ja, natürlich. Ich bin nur ein wenig aufgeregt, das ist alles.“ „Wir machen das doch so oft, warum bist du da noch aufgeregt? Es wird wie immer.“ Ein aufmunterndes Grinsen legte sich auf ihr junges Gesicht und Sui nickte. ’Reiß dich zusammen!’, ermahnte sie sich selbst. Es war soweit. Die Tür wurde aufgeschoben und beide Schwestern traten ein. Sui nahm Platz auf einem für sie bereitgelegten Kissen, Negisa stellte sich neben sie, nahm ihre Ausgangposition ein und wartete auf Suis Einsatz. Diese atmete zum ersten Mal seit langem wieder tief durch und sammelte sich kurz. Dann hob sie ihre Flöte an den Mund, schloss ihre Augen und begann zu spielen. Negisa reagierte auf ihre ersten Töne. Aus den weiten Ärmeln ihres reich verzierten Kimonos holte sie einen blutroten Fächer hervor und schwang ihn ihm langsamen Takt des Liedes. Das Lied, das Sui gewählt hatte, handelte von einem kleinen Bach und erzählte seine Geschichte. Es begann mit seinem Lauf im Winter, wenn die Natur kalt und träge war, und klirrendes Eis den Weg des Wassers versperrte. Darauf folgte der Frühling. Waren die Noten zuvor noch langsam und tief gewesen, so sprangen sie nun schnell und fröhlich von Suis Fingern, summten dahin und wurden von Negisa aufgefangen und in ihrer anmutenden Art wiedergegeben. Sie drehte sich und ließ ihren Fächer kreisen, spiegelte ganz die Freude des Baches wider, seinen Wasserlauf, der anschwoll, das Leben, das um ihn herum wieder erwachte. Der Sommer kam. Die Musik wurde ein wenig ruhiger, besonnener, aber war nach wie vor fröhlich und heiter. Es brauchte nur wenig Fantasie und die Zuhörer konnten sich einen heißen Tag vorstellen, mitten im Grün, mit dem plätschernden Bach vor ihrer Nase. Sein Wasser schoss nicht mehr so wild dahin wie im Frühjahr, war es doch weniger geworden, und wurde von allerlei Schilf und Gras in seinem Lauf gebremst. Überall war Leben, auch in der Flötenmusik. Trällernd schallte sie durch den Saal, spielte lieblich die Melodie eines Vogels, wurde leiser und sang von einer lauen Sommernacht neben dem glucksenden Rinnsal, als sie plötzlich mit aller Macht tiefe Töne entsandte. Die Herbststürme brachen über den Bach herein, ließen ihn anschwellen und in seinem Bett wüten. Doch auch sie vergingen, alles beruhigte sich und bereitet sich auf seinen Schlaf vor. Der Winter kündigte sich an, Blätter fielen auf das Wasser, Nebel legte sich grau und kalt über das Land. Alles erstarrte mit der Zeit, Eis legte sich hart auf den Bach, lähmte ihn. Negisa kauerte sich am Boden zusammen, ahmte die Lähmung nach, und der letzte Ton des Liedes verklang in der stillen Halle. Negisa richtete sich auf und schaute über ihr Publikum hinweg. Tief und konzentriert atmete sie ein und aus. Endlich hörte sie den Applaus, ein angemessenes Klatschen vieler Männerhände, das Geräusch klatschender Fächer, die von den Damen sanft gegen die Hände geschlagen wurden, und sie verneigte sich geschmeichelt, wie sie es immer tat. Sui saß neben ihr, ihre Flöte lag in ihrem Schoß. Ihr Blick war gesenkt, doch schließlich hob sie ihn und musterte zum ersten Mal ihr Publikum von oben. Sie sah nur die ersten beiden Reihen gut, die noch von den wenigen Feuerstellen erleuchtet wurden, dahinter verschwamm alles in der herrschenden Dunkelheit. Sie sah ihre Mutter und alle ihre Brüder in der Mitte, links von ihnen saßen die näheren Verwandten von Kaika und die Befehlshaber ihres Landes, und rechts…schnell huschten ihre Augen über die Personen auf der rechten Seite. Aufrecht und erhaben saß er da, seine Hände ruhten ruhig auf seinen Oberschenkeln. Selbst in dem dämmerigen Licht, das ihn umgab, wirkte er noch eindrucksvoll und charismatisch, wie sie ihn zum ersten Mal erlebt hatte. Und er schaute sie an. Sein Blick elektrisierte sie, hielt sie gefangen. Erst als sie schnell blinzelte, konnte sie ihm entkommen. Rasch wandte sie sich ab. Diese Augen…selbst auf diese Entfernung hin konnte sie noch das schillernde Bernstein in ihnen erkennen. Und außerdem…was war das für ein Kribbeln gewesen, als sie in seine Augen geschaut hatte? Es hatte sich durch ihren ganzen Körper gezogen, zu schnell als dass sie es hätte vielleicht verhindern können. Sie schluckte. Ihre Aufregung war geschwunden während des Stückes, doch nun war sie mit alter Macht wieder da. Er beobachtete sie, jede ihrer Bewegungen…Sie konnte ihre Ermahnung von vorhin nur wiederholen: ‚Reiß dich zusammen!’ Auf den Wink des Herrschers wurde eine Taiko herein getragen, eine riesige Fasstrommel, bespannt mit der Haut eines Ochsen. Dicke Nägel hielten die Haut auf dem glatten Holz fest. Geschlagen wurde sie von Männern mit dicken Knüppeln, die der Trommel einen tiefen und wohl tönenden Klang entlocken konnten. Die Taiko war meist ein Instrument, das von Priestern für feierliche Anlässen benutzt wurde, um mit ihrem ehrwürdigen Klang den Göttern zu huldigen. Im Krieg wurde sie genutzt, um vor Angriffen zu warnen, sich über das Tosen des Schlachtenlärmes zu verständigen oder mit ihrem Furcht einflößenden Klang das gegnerische Heer zu verunsichern. Aber sie wurde auch benutzt, um den Tänzern den Rhythmus vorzugeben und dabei konnte ihr Spiel durchaus leicht und gewand sein. Doch meist wurde sie von den muskulösen Männern langsam und bedächtig geschlagen. Blitzschnell stand Kaika auf und huschte zu der Schiebetüre hinaus hinter die kleine Bühne. Kaum jemand hatte sie gesehen, auch ihre Freundin Sui nicht. Keiner hatte mitbekommen was sie vorhatte. Die Tänzerin stand schon auf der Bühne und blickte mit eingefrorenem Lächeln auf die Gäste hinab. Sui saß neben ihr, die Flöte an ihren Lippen und begann mit einer klagenden Weise. Die Taiko stand immer noch verwaist am Rande des Podiums in einer dunklen Ecke. Kein Spieler war bisher aufgetaucht. Etwas stutzig blickte der Herr des Ostens hinüber. Ein Tuscheln von dem kleinen Seiteneingang, der direkt auf die Bühne führte, lenkte ihn ab. Dann sah er eine Gestalt zu der großen Trommel huschen und er wandte seinen Blick wieder seinen Töchtern zu. Er hörte den Klang der Taiko hinter sich, langsame Schläge, immer wieder pausierend wie auch der Tanz der blutjungen Frau. Sie verharrte, am ausgestreckten Arm den roten Fächer haltend, und stand unbeweglich da, betrachtet von all den vielen Gästen, deren Blicke an ihr und der Spielerin hafteten. Wieder ein Schlag der Trommel, durchdringend und erfüllend, versetzte den Raum in Schwingung. Der Trommler hob die Arme elegant nach oben, die beiden Schlagstöcke verlängerten seine Körpergröße und ließen ihn riesig erscheinen. Der Spieler verharrte, sammelte die Konzentration vor dem nächsten Schlag, Dann fielen die Arme herab und die Stöcke schlugen mit voller Wucht auf die gespannte Fläche. Tiefes Dröhnen durchdrang den großen Raum bis zur hintersten Wand. Die Schwingungen gruben sich in die Körper der Gäste und ließen sie erzittern. Wieder wurden die in die weiten, roten Ärmel eines Priestergewandes gehüllten Arme hochgerissen, wieder trafen die Stöcke auf das Leder. Dann wurde der Rhythmus verspielter und schneller, die Tänzerin passte ihre Bewegungen an und drehte sich flink im Kreis. Weit bog sie ihren schmalen Oberkörper nach hinten und behielt dabei immer noch ihre Zuschauer im Auge. Suis Spiel klang zwischen den tiefen und hohen Trommeltönen durch und tönte immer mehr mit dem Rhythmus im Einklang mit. Einem Trommelschlag schickte sie ihre weichen Töne hinterher, trällerte flink und geschickt. Ihr Lied folgte schon keinen Noten mehr, sie ließ sich mitreißen von den Klängen des Trommlers und verwebte mit ihnen intuitiv ihre Flötenmusik. Es war einmalig. Immer schneller wurde die Trommel geschlagen, die Stöcke huschten über das Leder, klopften mit hohem Klang gegen den hölzernen Rand oder wurden hoch über dem Kopf gegeneinander geschlagen. Dazu stampfte der Spieler mit den nackten Füßen auf den Boden. Leicht gebeugt und breitbeinig stand der Spieler hinter der Trommel und begleitete die sich wirbelnde Tänzerin bei ihren Bewegungen. Das Spiel der Flöte wurde wilder und stürmischer, die Trommel drängte immer mehr. Der Rhythmus hatte die Besucherschar gepackt. Auch Suis kleine Schwester wurde mitgerissen. Sie drehte sich so schnell, dass die Ärmel ihres Kimonos weit um sie schwangen. Das Bambusinstrument füllte den Raum mit einer fröhlichern und quirligen Melodie, und erst als die wilden Trommelschläge von heftigen Rufen begleitet wurden, wurden die Köpfe der Gäste nach rechts gerissen, um den Spieler hinter der Trommel genauer zu betrachten. Die Stimme war viel zu hell für einen männlichern Spieler. Und wirklich, sie gehörte der Prinzessin des Südens, die dort in ihrem roten Feuerrattengewand hinter der großen Taiko stand und sie mit fliegenden Armen bearbeitete. Mit hoch erhobenen Armen beendeten die Tänzerin und die Trommlerin das Spiel. Sui verbeugte sich tief vor den applaudierenden Gästen, nach kurzem Besinnen taten es ihr die beiden anderen Mädchen nach. Ihre Herzen hämmerten wild und äußerst undamenhaft verließen sie heftig atmend die Bühne, nicht ohne sich einen missbilligenden Blick von Suis Mutter einzuhandeln. Kaika warf auch dem Prinz des Westens einen schnellen Blick zu. Er schaute ihnen leicht amüsiert nach und musterte dabei ihren roten Anzug. Normalerweise waren die musikalischen Darstellungen bedeutend ruhiger, und so sah auch Sui ihre Freundin Kaika vorwurfsvoll an. Diese hatte tatsächlich wieder ihren roten Anzug an, anstatt in dem schönen Kimono zu glänzen. Unmöglich! Die Schiebetür wurde geschlossen, die drei Frauen waren außer Sicht- und Hörweite. „Warum eigentlich such ich mit dir einen Kimono aus, wenn du ihn bei der ersten Gelegenheit schon wieder eingetauscht hast gegen diesen roten Anzug?“ Sui fragte sich das eher selbst als Kaika. „Ich mein…“ Sie seufzte. „Ach ja, ich weiß, du hast ja Recht. Aber den haben ja schon alle angegafft. Man, ham’ die mich blöd angestarrt. Und nun hatte ich Lust, Taiko zu spielen und euch zu begleiten und ein wenig Schwung in die Bude zu bringen. Hab’ extra den Priester überredet sie mir zu überlassen, sonst wär’s wieder so steif und ernst geworden. Und das Ding kann ich nun mal in diesem engen Kimono nicht schlagen. So schön er ist…aber dazu taugt er nicht. Überhaupt…Frauenkleider sind nichts für mich. Ich werd’ halt nie ne echte Dame!“ Kaika grinste frech herüber, ihr Brustkorb hob und senkte sich immer noch unter ihren raschen Atemzügen. „Na, das verlang ich doch gar nicht von dir. Es ist nur…du hast so schön ausgesehen. Ziehst du ihn wenigstens wieder an? Jetzt?“ Bittend schaute sie Kaika an. Und Kaika überlegte. Schön war das Kleidungsstück schon gewesen, wunderschön sogar. Sie überlegte sogar schon, ob sie Sui anbetteln sollte, ihr das Teil zu überlassen. Man konnte ja nie wissen, ob sie es nicht öfter mal brauchen konnte. Und einen so herrlichen Kimono hatte sie noch nie gesehen. Da waren die Wasserfrauen einmalig in ihrem Geschmack. Die Feuerclans bevorzugten schwerere Stoffe, bevorzugten Leder und kleideten sich eher markant. Aber mit diesem Gewand kam sich zum ersten Mal wie eine wirkliche Prinzessin vor. „Gern, aber hilf mir schnell rein. Ich bin da nicht so fit wie du.“ Und hektisch wurde die Feuerdämonin von Sui und ihrer Schwester in die vielen Schichten des Gewandes gewickelt und verschnürt. Dann gingen die Frauen wieder zurück zu ihren Plätzen, und nachdem sich das teilweise aufgebrachte Tuscheln wieder gelegt hatte, galt die Aufmerksamkeit wieder dem Podium des Herrschers des Ostens. Kapitel 28: Neue Bündnisse -------------------------- Neue Bündnisse „Meine Gäste!“ Der Herr des Ostens hatte sich von seinem Platz erhoben und ließ den Blick seiner dunkelblauen Augen über die Menge gleiten. Mit ein paar letzten Worten würde er die Anwesenden von dieser Versammlung entlassen. „Dies war ein einzigartiger Abend, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Unsere drei Reiche haben sich erneut zusammengeschlossen, um unserem gemeinsamen Feind und seinen üblen Machenschaften entgegenzuwirken. Mit diesem Abend, dieser Versammlung bestärken wir unser uraltes Bündnis, setzen wir einen neuen, bedeutenden Schritt in der gemeinsamen Geschichte dieses ganzen Landes, reihen uns damit ein in die hohen Verdienste, die unsere Vorväter vollbracht haben. Und wir sind stark. Wir sind ein mächtiges Bollwerk gegen unseren gemeinsamen Feind. Doch die Gefahr ist nichtsdestotrotz groß und bedroht dieses neue Bündnis. Deshalb haben wir drei beschlossen,“, er wandte sich kurz bezeichnend nach den anderen beiden Herrschern um, „dass wir dieses Bündnis erneut stärken und es unzerstörbar machen. Nichts soll es und somit unseren Schutz vor dem Feind ins Wanken bringen! Deswegen erfüllt es mich voller Stolz hier und jetzt den ersten Schritt zu verkünden, der die Zukunft und die Verbindung unserer drei Reiche sichert: Die Verlobung meiner ältesten Tochter mit dem Sohn des Inu No Taisho.“ Seine starke Stimme verhallte in der Halle, die augenblicklich von zustimmendem, tiefem Gemurmel erfüllt wurde. Köpfe nickten, stimmten diesem Beschluss zu. Seit jeher war dies ein gutes Mittel, um neue oder auch alte Beziehungen zu festigen. Und gleich eine so gute Partie! Seine älteste Tochter würde den Thronfolger des Westens heiraten! Sie würde später die Herrin der westlichen Länder werden! Ein wahrlich guter und vorteilhafter Schachzug. Da saß sie inmitten all dieser Leute und hatte wie diese eben die Worte ihres Vaters vernommen. Zustimmendes Gemurmel erhob sich um sie herum, während sie nur dasaß und ein paar Mal blinzelte. Diese neue Botschaft rollte in ihrem Kopf vor und zurück und schien dabei alles platt zu walzen, was sich ihm an Gedanken in den Weg stellte. Immer wieder, vor und zurück, vor und zurück…ständig wiederholten sich die Worte, die sie gerade gehört hatte und füllten ihr Denken aus. Nach außen hin wirkte sie vollkommen entspannt, ihre Hände ruhten locker in ihrem Schoß, ihr Gesicht war weiterhin aufmerksam auf die Bühne gerichtet. Der Prinz des Westens erhob sich links von ihr und schritt auf die Bühne neben seinen Vater und stimmte der Verlobung zu. In Suis Kopf tauchte nun eine zweite Walze auf, die aus seinen Worten bestand, die zusätzlich alle Gedanken verdrängte. Ihr Blick wurde überrascht und ungläubig, ihre Augen verengten sich. ‚Moment!’, dachte sie lautstark und verbannte das Echo der Worte aus ihrem Kopf. Wie war das? Sie sollte diesen Dämon heiraten? Fassungslos starrte sie die vier Männer vor ihr an. Sie konnte nicht glauben, was sie da gehört hatte, wollte es nicht glauben. Das konnte doch unmöglich wahr sein! Dass ihr Vater so etwas sagen würde! Er wusste doch wie jeder andere in ihrer Familie von dem, was dieser Dämon da getan hatte! Er und ihre Mutter, was bereits die wichtigsten Personen bei so einer großen Entscheidung waren. Er musste doch mit dem Herrn des Westens darüber gesprochen haben! Er musste es dessen Sohn doch vorgeworfen haben! Sui ballte ihre Hände zu Fäusten und spannte ihren ganzen Körper an. Böse schaute sie empor, sie war entsetzt und wütend über so eine Entscheidung. Dieser Dämon brachte sie und ihre Freundin beinahe um und er kam so davon? Was war hier nur los? Jeder andere wäre sofort verfolgt, gestellt und getötet worden für ein solches Verbrechen! Nur der hier…der wurde weder verfolgt, noch gestellt, noch getötet. Nein, er wurde eingeladen, königlich untergebracht und bekam die Tochter des Hauses gleich noch zur Frau! Die er ein paar Tage vorher beinahe mal so abgemurkst hatte. Sui holte tief Luft. Dass ihre Eltern das tun würden…das hätte sie nie gedacht. Man hatte sie von klein auf dazu erzogen, zu gehorchen, und sie hatte das immer getan, da sie stetig darauf vertraut hatte, dass ihre Eltern nur das Beste für sie wollten und weise Entscheidungen trafen. Nie hatte sie diese Entscheidungen bisher angezweifelt, weil sich eine nach der anderen immer als weise herausgestellt hatte. Doch hier und jetzt…zweifelte sie. Sie stellte fest, dass in dem Moment, in dem ihr Vater diese Verlobung verkündet hatte, dieses Vertrauen verschwunden war. Mit einem Schlag. Sie sollte heiraten? Ihren „Beinahe-Mörder“? Sicher nicht. Ihr innerer Widerstand wurde stärker, baute sich auf ihrer Wut auf, die enorm war, da sie sich verraten fühlte. Verraten und verkauft. Ihre Familie warf sie diesem Dämon vor die Füße! Ihre Familie, die für sie immer Schutz und Geborgenheit bedeutet hatte! Sie konnte es fast nicht glauben und an alles, was sie noch denken konnte, war, sich zu wehren. Zum ersten Mal zu widersprechen. Dieser Wunsch wurde so übermächtig in ihr, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen und allen ihre Wut und Enttäuschung zu zeigen. Sie sprang auf. Ihre Augen blitzen die vier Männer vor ihr eiskalt an und suchten dann den Blick ihres Vaters, der ziemlich überrascht wirkte. „Nein.“, war alles, was sie sagte, und klar und deutlich verhallte das eine Wort in dem Saal, in dem es augenblicklich totenstill geworden war. Dann rauschte sie mit hoch erhobenem Kopf an den Gästen vorbei, ignorierte ihre entsetzte Mutter und all ihre Tanten, einfach ihre ganze Familie, öffnete die Schiebetüre und schleuderte sie wieder zu. So schnell ihr edles Gewand es zuließ, rannte sie die Treppen hinab und flüchtete in Richtung Gärten. Das erneute Öffnen der Schiebtüre bekam sie gar nicht mehr mit, erst wieder die schnellen Schritte, die von ihrer Freundin Kaika stammten, die ihr mit gerafftem Kimono nachgerannt kam. Diese packte sie am Ärmel und zerrte sie weiter außer Hörweite des großen Saals. "Hey, denen hast du es aber gegeben. Die haben dumm geschaut." Sui schrie nur noch lautstark: „Verfluchte Scheiße! Das darf nicht wahr sein! Sind denn alle wahnsinnig geworden? Meine Fresse! Die können mich alles so was von – grrrrrrrr.“ Ein schrilles Knurren war zu hören. „Scheiße! Nicht wirklich! Nie! Nie im Leben!“ Kaika grinste nur, ihr war es lieber, die Freundin legte mal so richtig los anstatt immer nur brav alles zu schlucken. "Komm, lass es raus!" „Diesen Dreckskerl heiraten zu müssen! Was kommt als nächstes? Verkauft ihr mich an den Norden, damit die Ruhe geben?“ Sie hatte sich umgedreht und ihre Wort hinüber geschrieen zu dem großen Bankettraum. Sollten sie sie doch schimpfen hören. „Das ist unerhört! Kaika, hast du das gesehen? Kannst du das glauben? Das ist doch einfach –“ Sie brach ab, wusste nicht was sie weiters sagen sollte. Sie stand am Ufer eines schmalen Baches und blickte in sein klares Wasser. Es rauschte dahin wie das Blut in ihren Adern, von jedem neuen Schlag ihres heftig pochenden Herzens angetrieben. Mit sich schwemmte es diese unglaubliche Wut durch ihr Innerstes. „Ich kann es nicht glauben…“, murmelte sie zu sich selbst. „Dass sie so etwas tun!“, rief sie aus und schickte ihren wütenden Blick hoch zum Saal. Dort war die Tür aufgeschoben worden, und als ihre Mutter und ihr Vater durch sie hindurch getreten waren, schloss ihr Vater sie eiligst wieder. Sui atmete tief ein und wappnete sich innerlich auf die nun kommende Auseinandersetzung. Es würde hässlich werden, doch in ihrer Wut hatte sie kein Einsehen. Nicht jetzt. Nicht dieses Mal. „Oh oh…“, kam es von Kaika. „Das sieht nach Ärger aus, Mädel.“ „Sollen sie doch toben.“, knirschte Sui gefährlich leise. „Sie sind zu weit gegangen.“ Kaika stellte sich dicht hinter ihre Freundin, um sie zu unterstützen und ihr beizustehen, als sich deren Eltern näherten und schließlich in dem kleinen Garten ankamen. Erst herrschte Schweigen. Sui starrte trotzig ihren Vater und ihre Mutter an und ballte ihre Hände zu Fäusten, als eine neue, große Flut an Zorn über sie hinweg schwappte. Ihre Gesichter waren ernst und sie schauten ihre Tochter wütend aber auch besorgt an. Ihre Mutter sprach als erste und zwar zu Kaika: „Kaika, würdest du uns bitte alleine lassen?“ Ihre Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Die angesprochene Dämonin presste etwas missbilligend ihre Lippen zusammen und legte ihre Hand auf Suis Schulter. „Wir sehen uns später, OK?“ Sui nickte leicht, ohne ihre Augen abzuwenden von den beiden Erwachsenen. Kaika ging an ihnen vorbei und ließ die Familie allein. „Was hast du dir nur dabei gedacht, Sui-jin?“, begann ihre Mutter sofort. „Bist du dir überhaupt bewusst, was du angerichtet hast? Diese Beleidigung! Du –“ „Was ich mir dabei gedacht habe?“, begehrte Sui auf. „Was habt ihr euch dabei gedacht? Ihr wollt mich mit dem Mann verheiraten, der mich und Kaika beinahe getötet hätte! Was habt ihr erwartet, dass ich vor Freude Luftsprünge mache, oder was?“ Ihre Stimme war beherrscht aber laut. „Es handelte sich um ein Missverständnis! Glaubst du, wenn er gewusst hätte, wer ihr seid, dass er euch dann angegriffen hätte?“ Sui schnappte nach Luft. Sie sollte das vergessen, weil es keine Absicht war? „Aber das spielt doch überhaupt keine Rolle! Es geht darum, dass er es getan hat! Und er braucht nur hier aufzutauchen und kriegt mich zur Frau! Was soll das? Was habt ihr euch dabei gedacht?!“ „Wir haben an unser Land gedacht.“ Ihr Vater sprach nun mit seiner tiefen Stimme. „An unser Land und seine Bewohner. Allen voran an unsere Familie.“ „Ich gehöre zu dieser Familie.“, entgegnete sie bitter. „An mich habt ihr nicht gedacht.“ „Sui…“, setzte ihre Mutter an und klang verzweifelt. Sie sah den Ausdruck der Trauer und der Wut im Gesicht ihrer Tochter und sie quälten sie. Ihr Vater seufzte. „Wir haben an dich gedacht. Egal wie es für dich scheinen mag.“ „Ihr habt an mich gedacht? Wo? Sagt mir das! Vielleicht als ihr von seinen Taten von mir erfahren habt und ihn dennoch nicht dafür zur Rechenschaft gezogen habt? Vielleicht als ihr beschlossen habt, mich ihm auch noch zur Frau zu geben?“ „Es reicht, Sui-jin!“, herrschte er sie an. „Nein, es reicht nicht!“, gab sie zurück. „Warum nur –“ „Sui-jin!“, donnerte sie ihr Vater an und sie verstummte. „Ich wiederhole die Frage deiner Mutter: bist du dir darüber im Klaren, was du heute angerichtet hast? Du hast dich offen gegen deine Familie gestellt, gegen mich! Du hast meine Entscheidung vor den versammelten Herrscher dieses Landes angezweifelt! Und nicht nur vor ihnen, sondern auch vor ihren kommandierenden Hauptmännern und Familien, vor ganz Japan! Erkennst du nicht die Tragweite deiner Handlung? Du hast unsere Familie entehrt.“, seine Stimme wurde leise und enttäuscht. „Aber –“ „Nichts aber.“, entgegnete er. „Egal was sich ereignet, egal wie du dich dabei fühlst, niemals darfst du deine Familie so entehren! Du hättest danach zu uns kommen können, aber nicht vor allen Leuten!“ „Ich hätte danach zu euch kommen können? Warum seid ihr nicht davor zu mir gekommen? Warum habt ihr es mir nicht zuvor gesagt? Mich gewarnt? Mich überhaupt gefragt, ob ich das will?!“ Verzweiflung mischte sich in ihre Stimme. „Ich habe euch doch vertraut…“, flüsterte sie. Mitleidig sah sie ihr Vater an. Er verstand sie nur zu gut. Den Schock, den sie erlebt haben musste, als ihr Name gefallen war zusammen mit dem von Sesshomaru. Auch ihre Wut auf ihn und ihren Verlobten. Für sie musste es so scheinen, als wäre sie von ihrer Familie im Stich gelassen worden, als würde sie ihr nichts mehr bedeuten. Doch dem war nicht so, sondern das genaue Gegenteil war der Fall. Seine Frau war sofort zu ihm geeilt mit der Nachricht, was Sui und Kaika passiert war auf ihrem Weg nach Hause. Dementsprechend wütend hatte er den Herrn des Westens aufgesucht und ihn und seinen Sohn zur Rede gestellt. Sesshomaru hatte in aller Form um Verzeihung gebeten, seinen Standpunkt und seine Handlung erklärt und auf das Missverständnis hingewiesen, das zwischen ihm und den beiden Prinzessinnen geherrscht hatte. Auch dass er sich sofort um Sui-jin gekümmert hatte, nachdem er von ihrer wahren Identität erfahren hatte. Das hatte zwar seine schlimmsten Befürchtungen beruhigt, aber dennoch war er noch lange nicht zufrieden gestellt gewesen. Doch die Lage, in der er sich befunden hatte und in der sich sein Reich noch immer befand, hätte komplizierter nicht sein können. Er hätte es sich in dieser Zeit unter keinen Umständen leisten können, sich den Westen zum Feind zu machen, genauso wenig wie es sich der Westen hätte leisten können, sich den Osten und den Süden zum Feind zu machen. Also war man nach einer heftigen Diskussion zu einer Lösung gekommen: Eine Hochzeit zwischen Sesshomaru und Sui-jin.. Erst danach hatte man den Herrscher des Südens hinzu gebeten, da ja auch seine Tochter in den Überfall verwickelt gewesen war. Dieser war mit der vorgestellten Lösung einverstanden gewesen. Dies löste zwar viele Probleme, aber noch lange nicht alle. Das eine Problem stand nun vor ihm, seine Tochter, die diesen Weg überhaupt nicht einsah und sich offen gegen ihn gestellt hatte, eine der größten Unehren, die ein Kind seiner Familie antun konnte. Er hatte zwar Verständnis für sie, doch hatte es einen großen Kampf in seinen Inneren ausgelöst, sich bei allen Gästen, vor allem bei den anderen beiden Herrschern entschuldigen zu müssen, ein Kampf zwischen Scham, Wut und Mitleid. Eigentlich musste sie bestraft werden, doch er wusste, dass für sie diese Hochzeit schon Strafe genug sein würde, wie sie meinte. Denn es gab auch einen anderen Grund, wegen dem er dieser Vermählung zugestimmt hatte, der nichts mit der Politik zu tun hatte. Auf diesen Grund hatte er sich hauptsächlich gestützt und sein Gewissen beruhigt, doch Sui-jin würde ihm diesen nicht glauben, weshalb er ihn vorerst nicht ansprach. So Leid es ihm tat, er musste seine Tochter ins kalte Wasser springen lassen. Es war das Beste für sie, ohne dass sie es wusste. „Du hast uns immer vertraut, Sui, warum jetzt nicht?“, wollte er mit gütiger Stimme wissen. „Na, weil…seht ihr das nicht?“, meinte sie unverständig. „Wir haben in deinem Leben viele Entscheidungen für dich getroffen und ich weiß, dass wir und vor allem du keine einzige davon je bereuen musstest. Warum vertraust du uns nicht auch hier? Es hat sich nichts geändert. Nach wie vor wollen wir nur das Beste für dich. Wir wollen, dass du in diesen unsicheren Zeiten in Sicherheit bist, dass du geschützt wirst und eine gute Zukunft hast.“ „Aber ich bin hier doch in Sicherheit! Hier bei meiner Familie! Ich will nicht fort! Und schon gar nicht zu diesem Dämon!“ In jedem einzelnen Satz hörte man ihre Dringlichkeit heraus. Suis Mutter blickte ihren Vater an. Es half nichts. Seine Stimme war ernst und duldete keinen weiteren Widerspruch, als er sprach: „Dann befehle ich es dir. Als dein Vater und als das Oberhaupt deiner Familie befehle ich dir, den Prinz des Westens zu heiraten zum Wohle aller. Des Weiteren sollst du ihm zur Frau gegeben werden, um für die Schmach, die du mit deinem Ungehorsam über diese Familie gebracht hast, zu sühnen.“ Suis Gesicht wurde immer ausdrucksloser und sie starrte ihren Vater einfach nur an, während er fort fuhr: „Ich dulde keine Widerrede mehr. Von heute an in vier Wochen wirst du in den Westen reisen und Sesshomaru, den Sohn des Inu No Taisho heiraten. Hast du das verstanden?“ Sui hielt seinen Blick noch kurz stand, dann senkte sie verbittert ihren Kopf und flüsterte: „Ja, Oto-sama.“ Dieser atmete tief ein und sah bestürzt auf das gesenkte Haupt vor ihm. Es half nichts. „Du darfst gehen.“, entließ er sie. Sui schloss ihre Augen. Ihre Fingernägel gruben sich in ihr Fleisch, so fest ballte sie ihre Hände zusammen. Sie fühlte sich, als wäre ein Berg über sie hinweggerollt und hätte sie schwach und verletzt liegengelassen, ohne auf sie Rücksicht zu nehmen. Alles in ihr schrie danach, sich zu wehren, sich aufzukämpfen und zurückzuschlagen, doch sie wagte es nicht noch einmal, gegen das Wort ihres Vaters zu rebellieren. Er hatte Recht. Sie hatte eine riesige Schande über die Familie gebracht, dadurch dass sie sich offen gegen sie gestellt hatte. Normalerweise sah so ein Vergehen vor, dass sich die frevelnde Person selbst das Leben nahm, um ihrer Familie dadurch die Ehre zurückzugeben. So gesehen rettete ihr Vater ihr das Leben und doch verkaufte er sie an diesen Prinzen. Sie wirbelte herum und lief davon. Ohne zurückzublicken eilte sie so schnell sie konnte durch den Garten, vorbei an allen den Bächen und Teichen, verließ ihn und wandte sich in die Richtung ihrer Zimmer. Kurz bevor sie diese erreichte, stolperte sie jedoch über ihre eigenen Füße und konnte ihren Schwung nicht abfangen, da der Kimono sie behinderte. Sie fiel mit voller Wucht auf das Pflaster unter ihr und schürfte sich ihre Knie und Hände auf. Mit zusammengebissenen Zähnen blieb sie liegen und krümmte sich, als sich brennender Schmerz durch ihren Körper zog. Tränen wollten in ihr hochsteigen, doch erschrocken unterdrückte sie diese sofort. Langsam setzte sie sich auf und betrachtete ihre blutenden Hände. Einem plötzlichem Impuls folgend schrie sie auf, stemmte ihre Handflächen kräftig auf den Boden und ließ all ihre Wut aus sich heraus in die Erde fließen. Eine gewaltige Menge Energie verließ dabei ihren Körper, verteilte sich im ganzen Berg und ließ ihn erzittern. Gleich darauf erfüllten seltsame Geräusche die Luft, ein Klirren und ein Bersten, das Sui nicht zuordnen konnte. Nach einer Weile erhob sie sich schwerfällig und taumelte dabei ein wenig. Ihr war schwindelig und sie konnte die Umgebung nur unscharf erkennen. Irgendetwas stimmte nicht mit dem Teich, der dicht neben ihrem Weg lag: er war vollkommen zugefroren. Auch die schmale Treppe, über die sich das Wasser in den See ergoss, war mit dickem Eis überzogen. Lange Zapfen säumten jede Stufe, hatten den Fluss des Wassers in der Starre gebannt. In ihrer Wut hatte sie wohl zuviel Magie freigesetzt. Suis Blick folgte dem Verlauf der Treppe, den Hügel hinauf mit dem Tempel, der darauf ruhte. Jeder noch so kleine Bach und jeder noch so große Teich, alles Wasser auf dem Berg war gefroren worden. Von ihr Genugtuung macht sich in ihr breit. Mit einem siegreichen Lächeln auf ihren Lippen setzte sie ihren Weg zu ihren Zimmern fort. Sie fühlte sich ein wenig besser. Kapitel 29: Trost ----------------- Schade, dass hier keiner liest... oder zumindest keinen Kommi da lässt. Ich weiss, diese Story zieht sich ziemlich, aber inwzischen wird es sehr spamnnend - und politisch. Was wohl aus unsren Mädels wird? Müssen sie so springen, wie die andren das von ihnen erwarten? Trost Die Versammlung war bereits beendet worden, als Kaika zum großen Saal zurückkehrte. Tuschelnd entfernten sich die geladenen Gäste, empört über das unflätige Benehmen der Tochter des Herrschers des Ostens. Nein, wie ungebührlich sich die junge Frau benommen hatte. Kaika grinste in sich hinein und suchte mit raschem Blick ihren Vater in der Menge. Der schritt mit verschlossener Miene den Weg hinab, der zu seinem Gästehaus führte. Seltsam, die sonst so munter sprudelnden Bäche, die das ganze Areal des Wasserclans durchzogen, waren verstummt. Sie waren…vereist, und das, obwohl die Nacht ausgesprochen lau war. Seltsam. Ob Sui damit zu tun hatte? Oder ein anderes Wasserwesen? Kaika holte bald ihren Vater ein und schritt dann stumm neben ihm her. Beide schwiegen den ganzen Weg bis zu dem großen Gästehaus hinunter, das weit entfernt vom herrschaftlichen Schloss lag. Ungewohnte Stille lag über dem ganzen Gelände, da ja das Wasser in seinem Lauf gebannt worden war. Auch die Vögel waren bereits versummt, da die Nacht sich sanft über die Hügel gelegt hatte. Nur die raschen Schritte der vielen Gäste waren zu hören, die sich auf den Kieswegen verstreuten, um zu ihren Unterkünften zu gelangen. Als sie angekommen waren und schon die Stufen des Hauses erklimmen wollten, wandte Kaika sich ihrem Vater zu. „Du, Oto-chan, ich geh wieder zu Sui. Ich denke, die kann ein wenig Trost dringend gebrauchen. Und ich bleib bei ihr, so lange ich kann, OK? Reist ihr ruhig schon vor, ich komm nach, wenn es ihr wieder besser geht." Ihr Vater nickte nur stumm. Seine Augen zeugten von großem Verständnis, das er für die Prinzessin des Ostens aufbrachte. Er fand ihr Aufbegehren nur verständlich. Seine Tochter hätte wohl noch viel heftiger reagiert, und so ließ er sie gerne gehen, um dem armen Mädchen beizustehen. „Geh nur!", brummte er nur und winkte ihr zu, als sie schon wieder davon getrippelt war. Seine Kaika in einem Kimono…er blieb kurz stehen und schaute ihr hinterher. Es war ein seltener Anblick, und er musste lächeln, als er sah, wie sie mit dem engen Kleidungsstück kämpfte, als sie versuchte, so schnell wie möglich zu den Gemächern ihrer Freundin zu gelangen. Nicht unbedingt die eleganteste Weise der Fortbewegung, aber das Wohlergehen ihrer Freunde lag ihr schon immer mehr am Herzen als ein würdiges Auftreten. Hoffentlich würde das ein zukünftiger Ehemann ebenso anerkennen können wie er. Kaika versuchte, so schnell wie möglich zu Suis Gemächern zu gelangen, wo sie hoffte, die Freundin bald wieder zu treffen. Es sei denn, die Eltern hielten ihr immer noch eine Standpauke. Aber sie wollte bei denen lieber nicht mehr auftauchen und so beschloss sie, notfalls die ganze Nacht in ihrem Zimmer auf Sui zu warten. Endlich hatte sie trotz des beengenden Kimonos die große Außentreppe erreicht, hastete sie empor, stellte ihre Schuhe auf der Veranda ab und überprüfte, ob Suis Eltern noch irgendwo zu sehen waren. Nein, die langen Gänge schienen leer zu sein, und so huschte sie schnell und lautlos auf ihren Socken über den polierten Boden. Unentdeckt erreichte sie Suis Zimmer. Schnell öffnete sie die mit Reispapier bezogene Schiebetüre und huschte hinein. Nach ihrem Wutausbruch hatte sich Sui in ihren kleinen Garten zurückgezogen. Sichtlich ruhiger hatte sie sich auf ihre Bank gesetzt und ihren Blick auf den gefrorenen Brunnen gerichtet. Sein Wasser war in einer wunderschönen, vielschichtigen Krone erstarrt und funkelte nun im Licht der aufgehenden Sterne. Eine kurze Weile saß sie so davor und versuchte, Ordnung in ihr Gedankenchaos zu bringen. Ein Ereignis des Tages jagte das nächste und ständig ging es im Kreis herum. Und immer wieder tauchte das Gesicht dieses Dämons vor ihrem geistigen Auge auf. Er ließ ihr keine Ruhe. Als es ihr zuviel wurde, sprang sie auf von ihrem Platz und stellte sich vor ihren Brunnen. Seit sie zurückgekommen war, war sein Eis nicht geschmolzen, trotz den warmen Temperaturen der Frühlingsnacht. Das Lächeln, das sich nun auf ihren Lippen abzeichnete, konnte man ruhig als böse bezeichnen. Keiner der Diener konnte das Eis zum schmelzen bringen, man brauchte Magie dazu. Die Gäste ihres Hauses mussten wohl einige Zeit lang ohne Wasser auskommen. Sie hob ihre Hand und legte sie auf das Eis, als ein Geräusch sie aufschauen ließ. Tapsende Schritte wurden lauter und im nächsten Moment wurde eine der Türen, die die Räume von der Veranda abtrennten, aufgeschoben und Kaika erschien in der Öffnung. Hastig warf sie einen Blick in den umsäumten Garten und sah ihre Freundin dort am vereisten Brunnen stehen. Schnell breitete die Arme aus und eilte auf die blasse Gestalt zu, die sich gerade über die gefrorene Wasseroberfläche beugte. Schnell packte sie Suis eiskalte Hände. Wie erstarrt wirkte das Wassermädchen, mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen. Hoffentlich waren ihre Eltern nicht zu sehr über sie hergefallen. Das hatte ihnen ja bestimmt gar nicht gepasst, dass ihr liebes Töchterlein einmal nicht ‚Ja und Amen’ zu ihren Plänen gesagt hatte. Kaika seufzte. Es war klar, dass sie als unverheiratete Kinder der hohen Herrscher als erste als Pfand herhalten mussten. Auch ihr würde dieses Schicksal wohl nicht erspart bleiben, auch wenn sie sich schon so lange erfolgreich davor gedrückt hatte. Aber bisher hatte Frieden geherrscht. Das war nun vorbei und so mussten sie wohl oder übel Opfer bringen. Aber so schwere? Verzweifelt richtete sie ihre dunklen Augen auf die leichenstarre Freundin. Sie trieb ein wenig Wärme in ihre Finger, um die Erstarrung vielleicht damit lösen zu können. Außerdem berührte sie kurz mit einer Fingerspitze das Eis in dem erstarrten Brunnen. Augenblicklich begann es zu schmelzen, die Kristalle verschwanden und das Wasser begann wieder zu plätschern. Sui öffnete die blassen Lippen, sah sie verzweifelt an. Blankes Entsetzen stand in ihren tiefblauen Augen, in denen bereits Tränen funkelten, aber sie war nicht in der Lage, etwas zusagen. „Mein Gott, meine Süße, ich weiß, es ist schrecklich. Komm, sag doch was! Was haben sie mit dir gemacht?“ Suis Ton war bitter, als ihre Stimme ihren Mund verließ. „Sagen? Was soll ich denn sagen?“ Sie senkte ihren Blick. „Ich habe meine Eltern alles gesagt, was ich zu diesem Thema zu sagen gehabt habe. Ich werde genau das machen, was von mir erwartet wird. Wie immer. Es liegt in der Natur der Dinge, dass ich als hohe Tochter das mache.“ Wut und Sarkasmus sprachen aus ihrer Stimme. Das waren momentan die einzigen Gefühle, die sie in ihrem Inneren hegte. Sie schwieg, bevor sie ihrer Freundin von dem Gespräch mit ihren Eltern berichtete. Wie sie ihre Einwände übergangen hatten, und am Ende ihr befohlen hatten, diese Heirat einzugehen. Davon, dass sie am Schluss ihre Strafe war, da sie ihre Familie bei dem Bankett so entehrt hatte, und dass ihr Vater sie von ihr gefordert hatte, um dafür zu sühnen und die Ehre wiederherzustellen. „Der Prinz des Westens ist nun meine Strafe. Dafür, dass ich mich gewehrt habe.“, schloss sie düster. Ihr Hals fühlte sich an, als würde sie jeden Moment ersticken. Sie spürte, wie eine neue Tränenflut in ihr hoch wuchs. Kaika zog das Mädchen näher zu sich heran und umfasste sie fest mit beiden Armen, streichelte ihr den Rücken. Was sollte sie nur tun? Der Brunnen begann auch schon wieder zuzufrieren. Suis Mächte machten sich selbständig, je mehr ihre Gefühle außer Kontrolle gerieten. Dabei hatte immer alle Regeln befolgt, sie war nie aufmüpfig gewesen, hatte nie rebelliert. Und nun sollte sie auch noch einen Mann heiraten, den sie hasste? Es war leider klar, dass es Sui erwischen würde. Sie war die älteste Tochter, und er der anscheinend einzige Sohn. Obwohl, es hätte auch das Haus des Südens treffen können und sie selbst hätte seine Gemahlin werden müssen. Aber sie hatte das seltsame Gefühl, dass das nicht gepasst hätte. Er war Suis Schicksal, und sie grübelte, wie sie die Freundin damit versöhnen könnte. Er hatte Sui gerettet, er hatte sich um sie gekümmert, sie geküsst, und er muss einen Grund dafür gehabt haben. „Sui, Sui, meinst du nicht dass er dich mag? Sui, er hätte dich nie geküsst wenn er dich nicht…nett gefunden hätte. Ist es denn so schlimm?“ „Mich nett findet? Was interessiert es mich, dass er mich nett findet? Was ist mit mir?“ Ihre Stimme wurde laut durch die Wut, die nun zum Vorschein kam. Aber das, was Kaika hinter ihrem Rücken erblickte, sprach eine andere Sprache. Dort zeichnete sich langsam das Gesicht des ihr ach so verhassten Dämonen auf der glatten Eisfläche ab. Erst hatte sie gedacht, es sei nur eine Art Wirbel, doch das Eis wurde auf einmal glänzend und glasklar, und sie konnte Sesshomaru erkennen, sein hübsches Gesicht, mit den langen Haare und den ausdrucksvollen Augen, das sich aus der Oberfläche heraus schob. Sui empfand also doch mehr für ihn als sie zugeben wollte, wenn sie sein Abbild unabsichtlich im Eis formte. Aber bevor sie bloß gestellt werden würde, wischte die junge Feuerdämonin das Gesicht mir einem Bewegung ihre Hand hinweg und ließ das wassere erneut schmelzen. „Was ist mit mir?“, hauchte sie danach, wobei die Worte kaum ihren Mund verlassen konnten vor lauter ungeweinter Tränen. Sie kämpfte sie tapfer zurück und erschlaffte in Kaikas Armen. Kaikas Stirn zeugte von tiefem Nachdenken. Fieberhaft versuchte sie, der Freundin einen Lösungsweg aufzuzeigen. „Hm, wenn es so schlimm ist für dich, dann lauf doch einfach weg. Pack schnell ein paar Sachen zusammen und ich helfe dir zu fliehen. Vielleicht musst du das Land verlassen, aber wenn er dir so verhasst ist, dann solltest du alles tun, um ihm aus dem Weg zu gehen.“ Eigentlich war sie überrascht, dass Sui sich so vehement gegen diese Verheiratung wehrte. Gerade von ihr hätte sie eher erwartet, dass sie diese Pflicht akzeptierte und gehorchte, so wie sie es sonst all die Jahre über getan hatte. Nun, dass es aufgerechnet dieser Randalierer vom See sein musste, war echt blöd. Aber wenn man bedachte, dass Sui eh bald verheiratet worden wäre, dann war die Sache gar nicht mal so schlecht gelaufen. Sie heiratete in die höchsten Kreise, der Kerl war umwerfend schön, und Manieren konnte sie ihm ja noch beibringen. Sui rückte von ihr ab und schaute sie entgeistert an. „Weglaufen? Ich kann doch nicht weglaufen! Ich habe heute schon genug angerichtet. Meine Familie würde dadurch endgültig ihr Gesicht verlieren und das will ich nicht, trotz allem. Das neue Bündnis könnte ebenfalls zerbrechen, was zu gefährlich wäre in diesen Zeiten. Außerdem…hätte ich dann kein Zuhause mehr.“, flüsterte sie noch und schluckte schwer. Durch tiefe Atemzüge versuchte sie Herr über ihr Gefühlschaos zu werden, vor allem über ihre Tränen, die nicht lockerließen. Kaika sah Sui eindringlich an. Ihre Augen glitzerten verdächtig. „Ach, wein doch einfach, wenn dir danach ist. Aber was willst du dann machen? Weglaufen willst du nicht, aber dann wird dir nichts anderes übrig bleiben als mitzuspielen.“ Sui versuchte, sich wieder zu fassen. „Du weißt genau, dass ich nicht weinen darf. Es könnte wer weiß was passieren, vor allem jetzt, wenn die Herren der anderen Länder hier sind. Am Schluss verursache ich auch noch einen Bruch dieses Bündnisses.“ Sie schüttelte ihren Kopf, blinzelte aber weiter. „Und was ich machen will?“, wiederholte sie Kaika bitter. „Das, was ich immer mache. Ich gehorche. Ich tue, was man von mir verlangt. Egal wie ich mich dabei fühle.“ Der Zorn und die Trauer über diese Worte lieferten sich ein Gefecht und Sui wusste nicht, was die Oberhand gewinnen würde. Beides drängte stark in ihrem Inneren darauf, nach Außen dringen und sich der Welt zeigen zu können. Doch sie wusste nicht, was ihre Wut als nächstes anrichten würde in ihrem Umfeld, und ihrer Trauer war es verboten, sich zu zeigen. „Was ich will, ist egal. Ich meine, ich darf nicht einmal so etwas Simples wie weinen! Obwohl alles in mir gerade danach schreit, es zu tun. Meinen Tränen einfach nur einmal freien Lauf zu lassen. Wann mir danach ist, ohne Rücksicht auf andere.“ Sie barg ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte kaum hörbar. Heiße Tränen liefen ihre Wangen hinab und sie fragte sich, wann sie zum letzten Mal dieses Wasser gespürt hatte. Es war zu lange her. Kaika stöhnte empört auf. Ein Blick auf den Brunnen zeigte ihr, wie sehr ihre Freundin verstickt war in ihre riesige, unterschwellige Wut. Die Oberfläche war schon wieder gefroren. Und nicht einmal die Tränen waren ihr erlaubt. Sie wusste ja, dass es den Wasserdämonen aus Suis Clan strengstens verboten war, zu weinen. Obwohl jeder einzelne von ihnen mit dem Urelement des Wassers verbunden war und das von Geburt an, war es ihnen beinahe unmöglich, selbst dieses Element zu erschaffen. Nur die alten und längst verstorbenen hohen Dämonen dieser Familie waren noch dazu in der Lage gewesen, Wasser aus dem Nichts zu erschaffen, was jedoch nur selten geschah: erschuf man Wasser, konnte das das Gleichgewicht der Elemente erheblich stören und wahre Katastrophen auslösen, da Prozesse dadurch in Gang gebracht wurden, die versuchten, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Mit den Jahren war diese Fähigkeit jedoch verschwunden. Allerdings, wenn einer der derzeitigen Dämonen weinte, erschuf er Wasser. Drachendämonen hatten keine Tränendrüsen, somit war es ihnen eigentlich unmöglich, zu weinen. Nichtsdestotrotz konnten sie es und holten sich das dafür nötige Wasser aus ihrer Magie. Und auch wenn es nur vergleichsweise wenig Wasser war, bewirkte es irgendetwas. Niemand wusste, was genau das war. Weinte einer, konnte es ohne Vorwarnung und Anzeichen zu regnen beginnen, Flüsse konnten einfach überlaufen oder austrocknen, Ebbe und Flut erstarrten, irgendetwas geschah eben, das mit Wasser zu tun hatte. Es gab Geschichten, dass wegen einer Träne riesige Sturmfluten das Land heimgesucht hatten und Stürme mit unglaublicher zerstörerischer Kraft alles verwüstet hatten. Deshalb war es ihnen verboten worden, zu weinen. „Kein Mensch kann dich zwingen, diesen Kerl zu heiraten. Du musst dir nur im Klaren sein, welche Konsequenzen das haben wird. Aber müssen tust du gar nichts. Und wein doch einfach, schrei deinen Frust heraus, heul wie ne alte Kanalratte! Und wenn dann was passiert, na und? Hast du nicht auch ein Recht auf deine eigenen Gefühle? Wenn Feuerdämonen Schluckauf haben, dann fackeln sie die ganze Umgebung ab. Meinst du, das hätte auch nur einen aus meinem Clan davon abgehalten, sich die Birne voll zu saufen und Schluckauf zu kriegen? Nö, nicht die Bohne, alle lachen nur und nehmen es einfach hin, weil Spaß haben und feiern einfach wichtiger sind als verängstigt in der Bude zu hocken und sich zu fürchten und zu grämen, das was passieren könnte.“ Kaika war so richtig in Fahrt gekommen. Ihre Meinung war es schon immer, das Leben in die Hand zu nehmen und das Beste darauf zu machen. Suis Unterwürfigkeit und Passivität reizten sie da sehr. Sie konnte sich dieses Leben ja wählen, aber dann sollte sie auch damit zufrieden sein und nicht jammern. Sie packte die schmalen Schultern der verdutzt blickenden Freundin und rüttelte sie. „Hey, Sui, Prinzessin, aufwachen! Du bist gefragt. Du musst handeln, nicht handeln lassen. Was willst du? Denk genau drüber nach…und handle danach. Wenn du ihn nicht willst, welche Möglichkeiten gibt es? Welche möchtest du wählen?“ Sui blickte ihre Freundin überrascht an. Ihre Augen waren groß geworden bei deren Worten und ihr war auf einmal, als wäre sie hellwach aus einem Schlaf hoch geschreckt. Die Bedeutung der Worte sickerte durch. „Was ich will?“, wiederholte sie leise. „Ich will vieles, nur…was kann ich denn machen, wenn man es mir versperrt?“ „Du kannst ihn heiraten und dich gleich nach dem Krieg wieder scheiden lassen. Das tun viele, gerade wenn die Ehen aus rein politischen oder militärischen Gründen geschlossen wurden. Scheidungen sind gang und gäbe gerade bei den Mächtigen. Oder du lebst dein eigenes Leben in deiner Ehe, hast deine Räume, deinen eigenen Umgang, vielleicht auch einen Liebhaber, einen Mann, den du wählst und der dir gefällt. Auch das ist durchaus verbreitet. Oder du könntest versuchen, Druck auf ihn und sein Verhalten auszuüben, damit er dich so behandelt, wie du es dir wünschst. Du bist kein kleines Bauernmädchen, das nach der Ehe zur Sklavin ihres Herrn wird, du bist eine Prinzessin aus einem der höchsten Häuser. Und wenn er dich mies behandelt, dann haben deine Eltern genug Macht, um ihn die Ohren lang zu ziehen. Und wenn du alles gar nicht willst, dann hau ab. Und du kannst immer noch stiften gehen, wenn dir das alles gar nicht passt. Aber tu etwas, handle, sei nicht das kleine Opferlamm.“ Sui starrte ihre Freundin zuerst sprachlos an. Kurz war in ihrem Kopf gähnende Leere, sie konnte an nichts denken, und erst nach und nach legte sie sich innerlich die Worte ihrer Freundin zurecht. Kaika sprach von der Zeit nach der Hochzeit. In ihrer aufgekommenen Panik hatte Sui noch gar nicht so weit gedacht, ihre Gedankengänge waren bei ihrem neuen Verlobten angekommen und gegen eine Wand aus Panik gelaufen. Zum ersten Mal atmete sie wieder tief durch, auch um ihren Körper zu beruhigen. Es war selten, dass eine so große Panik sie übermannte, aber wenn, dann richtig. Sie blockierte dann alles, vor allem ihr Denken. Nun setzte es wieder richtig ein. Nachdenklich senkte sie ihren Blick und ging für sich Kaikas Vorschläge für die Zukunft durch. Sie hatte Recht. Wenn sie es wollte, konnte diese Verbindung nur vorübergehend sein. Weglaufen konnte sie nach wie vor nicht, das stand außer Frage für sie, denn zuviel stand dabei auf dem Spiel. Also würde sie heiraten. Und danach, wenn dieser Krieg zu Ende und diese Art Bündnis nicht mehr nötig waren, dann konnte sie sie wieder trennen. Denn mit ihm zusammenbleiben wollte sie nicht, das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen! Auch nicht, wenn sie dann praktisch ein eigenes, von ihm unabhängiges Leben führen würde, wenn, dann sollte sie das richtig tun und sich scheiden lassen. Und mit diesen Gedanken floss eine unglaubliche Erleichterung durch ihr Innerstes. Die Situation wirkte mit einem Mal nicht mehr so ausweglos wie vor ein paar Minuten noch. Sie hatte eine Lösung gefunden für ihr Problem, zumindest die beste, die man finden konnte, wie sie meinte. Sie stimmte ihrer Freundin wirklich zu: anstatt hier wütend rum zu weinen, sollte sie das Beste aus ihrer Situation machen und handeln. „Du hast Recht.“ Sie wischte sich ihre Tränen ab und trocknete ihre Hand dabei schnell an ihrem Kimono. „Du hast so Recht.“ Sie schaute auf und lächelte ein wenig. „Ich hab mich wohl wirklich dumm benommen, so…stark zu reagieren.“ „Nein“, Kaika blickte betreten zu Boden, „dumm wirklich nicht sondern ganz normal. Das war schon der Hammer und ich wäre genauso baff gewesen wie du auch. Grad der Kerl, der uns so brutal angegangen ist… Der hat Dreck am Stecken und damit könntest du ihn packen. Hör mal, zwei Prinzessinnen angreifen auf so gewalttätige Art. Und den sollst du heiraten? Das könntest du ohne weiteres als Verhandlungsargument anbringen. Bist dir ja deines Lebens nicht mehr sicher bei so nem Ehemann.“ Sie erhob ihren Lockenkopf und grinste Sui frech an. „Mach ihn fertig, fordere von ihm und seiner Familie was du willst. Du sitzt am längern Hebel. Also mach das Beste draus.“ Trotz der lockeren Sprüche brütete Kaika, was sie wohl getan hätte, wenn ihr der Lange als Ehemann aufgebrummt worden wäre. Ein schöner Mann, aber ob er jemals zulassen würde, dass man sich ihm emotional nähern würde? Könnte der wirklich lieben? Oder seine Frau wenigstens respektieren? Würde er zulassen können, dass auch die Stimme seiner Frau Wert hat? Oder könnte er nur als Oberhaupt leben und alle anderen mussten sich ihm unterordnen? „Hm…“, machte Sui nachdenklich. „Heiraten muss ich ihn, trotz dem, was vorher passiert ist.“ Sie atmete tief ein. „Diese Ehe ist wichtig beim momentanen Stand der Dinge. Und ich bin die einzige königliche Tochter des Ostens, die im heiratsfähigen Alter ist, also…und ich bin froh dass es nicht eine meiner Schwestern getroffen hat.“ Sie schüttelte schnell ihren Kopf. „Aber du hast Recht: Ich sitze am längeren Hebel.“ Ein Lächeln zeichnete sich in ihrem Gesicht ab und in ihren Augen blitzte es verschlagen auf. „Ich kann ihm zwar für den Moment nicht umgehen, aber er sollte nicht erwarten, dass ich das brave, fügsame Frauchen sein werde!“ Sie schaute ihrer Freundin fest in die Augen. „Ich werde meine Pflicht erfüllen, aber unter meinen Bedingungen!“ Tatendrang und Entschlossenheit sprachen aus ihrer Gestik und Mimik, sie hatte neuen Mut gefasst und ihre Angst war verschwunden. Stattdessen machte sich kühle Berechnung in ihr breit und grimmig schwor sie sich, nicht klein bei zu geben. Er würde sie kennen lernen… Dann schenkte sie ihrer besten Freundin ein dankbares Lächeln: „Was wär ich nur ohne dich?“ Sie drückte ihre Hände fest, die immer noch so schön warm waren. Es fiel ihr jetzt erst richtig auf. Und der Brunnen plätscherte wieder. Kapitel 30: Hochzeitsvorbereitungen ----------------------------------- Hochzeitsvorbereitungen Eine kühle Brise wehte durch den kleinen Garten mit seinem Brunnen und Kirschbaum und vertrieb die dort angestaute Wärme vom Tag immer mehr. Sui saß auf ihrer Bank und blickte zum orange gefärbten Himmel hinauf, den die untergehende Sonne so zeichnete. Das Wasser im Brunnen plätscherte fröhlich seinen gewohnten Weg entlang im Einklang mit dem Rauschen der vielen Blüten des Baumes. Der Wind trug noch den herrlichen Duft tausender Blumen mit sich, die nun überall in voller Blüte standen und alles nach dem langen, kalten Winter zum Leben erweckten. Den Tag über hatte die Luft nur so gesummt, Bienen, Hummeln und Käfer hatten sie eifrig durchschwirrt, auf der Suche nach den süßen Säften, mit denen sie die Blumen anlockten. Vögel hatten ihre hundert Weisen gesungen, um auf sich aufmerksam zu machen, und suchten emsig neue Brutplätze. Alles war voller Leben, das ganze Anwesen. Doch der meiste Trubel hatte bei Sui geherrscht. Aber vielleicht kam es ihr auch nur so vor auf Grund der letzten Ereignisse. Der letzten zwei Ereignisse. Natürlich zuerst die Verlobung, doch die Gedanken daran schob sie sofort wieder zur Seite. Zum nächsten Ereignis war es dann am Vormittag gekommen, als ihre Mutter Kaika heimgeschickt hatte. Kaika hatte die Nacht bei Sui in ihren Zimmern verbracht. Sie hatten noch bis spät in die Nacht geplaudert, da keine von ihnen so recht hatte schlafen können, und am nächsten Morgen waren sie dementsprechend lange liegen geblieben. Bis schließlich sogar Suis Mutter persönlich aufgetaucht war, um nach dem Verbleib ihrer Tochter zu sehen. Sie war nicht sehr begeistert gewesen, sie und ihre Freundin noch tief schlafend vorzufinden. Vor allem nicht, weil die beiden so das Frühstück verpasst hatten, das noch stattgefunden hatte, bevor die Gäste wieder nach Hause aufgebrochen waren. Dementsprechend waren sie geweckt worden. Sui gähnte, als sie sich an ihren Morgen erinnerte. Es war nicht gut, wenn man so abrupt aus dem Schlaf gerissen wurde. Ein Vortrag war gefolgt, wie beschämend es ausgesehen hatte, da zwei Plätze in der großen Halle verwaist waren, deren Besitzer währenddessen dann auch noch friedlich geschlafen hatten. Und was sie sich dabei gedacht hatten. Sie hatten den ersten Ansturm überstanden, doch der nächste hatte nicht lange auf sich warten lassen. Sie waren aufgestanden und hatten sich angezogen. Kaika war wie immer in ihren roten Anzug geschlüpft, was an diesem Tag nun nicht weiters schlimm war. So waren die beiden dann ziemlich spät noch in einen viel kleineren Raum als die große Halle gehuscht, in dem Suis Familie normalerweise speiste, und hatten dort ein Frühstück bekommen. Als sie dann über ihren Schüsselchen mit Suppe, Fisch und warmem Gemüse gesessen waren, hatten sie erst so richtig bemerkt, welch ein Gerenne um sie herum herrschte. Sui selbst hatte gerade aufgesehen und sich über das viele Getrampel gewundert, als die Tür zu ihrem Raum aufgestoßen wurde. Der zweite Ansturm ihrer Mutter. „Sui-jin! Wo bist du denn andauernd?“, schalt sie auch gleich und ihre Tochter hatte erkannt, dass das Schweigen, das darauf einsetzte, die Ruhe vor dem Sturm war. Ihre Mutter hatte über sie beide hinweggeschaut, die Situation analysiert, und losgelegt. „Ihr beide!“ Die jungen Frauen hatten überrascht aufgeblickt. „Ihr hört jetzt endlich auf zu essen! Dort draußen ist der Teufel los wegen dir, Sui, während du hier in aller Ruhe sitzt und frühstückst!“ Sui hatte ihre Mutter überrascht angeblickt. Was war los? Sie hatte doch gar nichts getan! „Los! Los!“ Sie scheuchte ihre Tochter hoch, die noch immer nichts verstand. Kaika neben ihr hatte verwirrt von Mutter zur Tochter geschaut, als sich die Aufmerksamkeit der Herrin des Ostens auch schon auf sie gerichtet hatte. „Und du!“, hatte sie angesetzt. „Dein Vater ist heute Morgen schon mit seinem gesamten Gefolge zurück in den Süden aufgebrochen! Und du sitzt immer noch hier. Willst du ihm nicht folgen? Sui hat die nächsten Wochen genug um die Ohren, sie wird sich also kaum um dich kümmern können.“ Die Worte, dass Kaika die nächsten Wochen also nur im Weg rumstehen würde, hatte sie nicht aussprechen brauchen. Die beiden wussten, dass sie genau das dachte. Sui hatte ihre Mutter entgeistert angeblickt und nicht geglaubt, was sie da gehört hatte. „Oka-san!“, hatte sie ausgerufen. „Du kannst doch Kaika nicht einfach so rauswerfen! Was ist in dich gefahren?“ Die Diskussion, die daraufhin gefolgt war, hatte nur kurz gewährt, denn ihre Mutter hatte sie abgebrochen und beide nach draußen gescheucht. Sui seufzte. Kaika war wirklich sofort nach Hause aufgebrochen. Sie konnte es ihr nicht verübeln, mit ihrer Mutter im Nacken war es nicht sehr angenehm hier. Doch sie wäre zu gern mit ihr gegangen. Des Rätsels Lösung für die ganze Hektik im Schloss war sie selbst gewesen. Sie und ihre Verlobung. Alle waren aus dem Häuschen, alle waren aufgeregt und alle freuten sich. Natürlich außer sie selber, doch das half ihr nichts. Nach Kaikas Abreise hatte sie nicht eine ruhige Minute mehr gehabt. Sämtliche Zofen, Dienerinnen und irgendwie verwandte Dämoninnen, die das Schloss vorweisen konnte, waren allesamt ununterbrochen um sie herumgewuselt, jede mit einer anderen Aufgabe: Die einen vermaßen ihren ganzen Körper für neue Kimonos und andere Kleidungsstücke. Andere brachten ihr riesige Stoffballen in den unterschiedlichsten Farben und Materialien, einer edler als der andere, aus denen sie wählen sollte. Man maß ihre Füße für Tabis, Getas und Zoris, fragte sie nach den Mustern, die man in diese hinein weben und sticken sollte. Gleichzeitig berieten sich ihre weiblichen Verwandten über Schmuck. Viel Jade musste natürlich dabei sein, Blautopas, Aquamarin, alles in der Farbe ihres Elementes. Man erkundete sich auch hier nach Suis Vorlieben und ließ sie den Goldschmieden übermitteln. Irgendwann hatte Sui begonnen, abzuschalten. Sie nickte, wenn man es verlangte, schüttelte den Kopf, deutete auf Stoffe, die sie langsam gar nicht mehr richtig sah. Den ganzen Tag ging es so dahin, sie war nie allein, immer standen mindestens fünf Frauen um sie herum und grabschten, zerrten, redeten, riefen, um dann wieder mit neuen Frauen die Plätze zu tauschen… Ihr schien es, als würde der Tag kein Ende nehmen. Zwischendurch hatte man etwas zu essen gebracht, wozu ihr aber auch kaum Zeit blieb. Die Sonne wanderte, doch aus Suis Sicht kam sie doch nicht vom Fleck. Auch verschwand keiner aus ihren Räumen. Sie fragte sich, ob das nun jeden Tag bis zur Hochzeit so gehen würde, und verzweifelte bei diesen Gedanken. Es war später Nachmittag, als sie sich wünschte, keine Beine mehr zu haben, die wehtun konnten. Endlich hatte die letzte Schneiderin für diesen Tag ihre Gemächer verlassen, die letzte Dienerin räumte gerade die übrigen Stoffballen weg und alle ihre Verwandten gingen ebenfalls, nur ihre Mutter war noch bei ihr geblieben. Erschöpft wie selten ließ sich Sui an Ort und Stelle nieder und atmete tief ein und aus. „Ach, mein Mädchen.“ Sie kam zu ihr und ging neben ihr in die Hocke. „Ich weiß, dass das anstrengend ist, bei meinen Hochzeitsvorbereitungen war es nicht anders.“, erzählte sie ihrer Tochter, die niedergeschlagen aufblickte. „Geht das jetzt jeden Tag so?“, wollte sie wissen und bekam ein mitleidiges Lächeln geschenkt. „Die meisten.“ Sui seufzte. Wie sollte sie das durchhalten? Und das alles nur, um diesen Dämon zu heiraten? „Kopf hoch. Am Ende wird es sich lohnen. Solch wunderbare Sachen wie zu deiner Hochzeit wirst du nie wieder in deinem Leben bekommen, also freu dich.“ „Außer ich heirate noch einmal…“, knirschte sie leise zwischen den Zähnen hervor, was ihre Mutter nichtsdestotrotz hörte. Sie setzte sich ebenfalls und rutschte an ihre Tochter heran. „Als ich deinen Vater geheiratet habe, habe ich ihn das erste Mal bei der Verlobungsfeier gesehen.“, begann sie zu berichten und Sui schaute sie ein wenig erstaunt an. Sie hatte ihre Mutter noch nie etwas über deren Hochzeit sagen hören. „Meine Familie war mit seiner nur weitläufig verwandt und doch stammten wir von denselben Vorfahren ab. Das und dass ich die älteste Tochter war, waren die Gründe für unsere Heirat. Ich war damals sogar noch jünger als du es heute bist.“ Sui blickte sie zweifelnd an. Jetzt kam ganz eindeutig eine Predigt, dass so eine Hochzeit doch gar nicht schlimm sei und dass sich alles zum Guten wenden würde. Sie schaute zur Seite. Auch wenn sie es jetzt zum ersten Mal hören würde, konnte sie darauf momentan getrost verzichten. „Ich wünsche mir fast, dass ich ihn gestern auch zum ersten Mal gesehen hätte.“, murmelte sie. Ihre Mutter schenkte ihr einen mitleidigen Blick. „Nun“, meinte sie leise und mitfühlend. „Immerhin heiratest du ihn jetzt nach eurem…Zusammentreffen.“ Sui blinzelte verwirrt und fragte sich, ob ihre Mutter ihre Worte gerade gar nicht oder falsch verstanden hatte. Was war das für eine Antwort? Immerhin? Verstört drehte sie ihr ihren Kopf zu. „Immerhin?“, wiederholte sie laut. „Nun…stell dir vor, das wäre öffentlich geworden, dass du unverheiratet eine Nacht in einer Höhle mit einem fremden Mann verbracht hättest? Was denkst du, was das für Folgen gehabt hätte? Das Gerede, die Unehre…dass du daran unschuldig gewesen bist, hätte nichts geändert.“ Ihre Stimme klang so überzeugt, während Suis Gesichtszüge ihr immer mehr entglitten. Wie sich das anhörte! Sie hatte keine Nacht mit ihm verbracht!!! Und Unehre? Also Schande! Sie hatte also Schande über die Familie gebracht, weil dieser Dämon sie angegriffen und beinahe getötet hätte? Sie glaubte, sich verhört zu haben. „Ich musste ihn also heiraten, weil ich sonst Schande über die Familie gebracht hätte, für die ich nicht einmal verantwortlich gewesen wäre?“, giftete sie. „Dein Auftritt gestern war auch nicht gerade hilfreich dabei…“, murmelte ihre Mutter. Sui musste tief einatmen. Das durfte alles nicht wahr sein. „Das war nicht allein meine Schuld, wie ihr wisst! Was hättest du gemacht, wenn man dich an einen Mann ohne Warnung versprochen hätte, der ein paar Tage zuvor versucht hat, dich zu töten? Wärst du da ruhig geblieben?“ „Ich gestehe, dass wir es dir hätten sagen sollen. Und doch.“ Aber sie fuhr nicht fort sondern seufzte nur noch tiefer. „Es ist ja nicht der alleinige Grund für die Hochzeit.“, fügte ihre Mutter in versöhnlichem Tonfall hinzu. „Du weist inzwischen, wie es um unsere Länder steht, und kennst die Bedrohung aus dem Norden. Eure Hochzeit hätte es so oder so gegeben.“ „Das ist nicht gesagt!“, widersprach sie sofort. „Auch der Süden hat eine Tochter, es hätte also auch Kaika sein können, die ihn heiraten hätte müssen.“ Auch wenn sie Kaika diesen Mann nicht unbedingt antun wollte, aber sie musste auf diese Möglichkeit hinweisen. Ihre Mutter schwieg und schaute plötzlich irgendwie ertappt zur Seite. „Es hat also eine Rolle gespielt...“ Sui klang bitter. Sehr bitter. Sie sprang auf. „Dieser Dämon tötet mich, die Prinzessin des Ostens, und meine beste Freundin, die Prinzessin des Südens, beinahe, und kriegt als Belohnung…mich? Nur weil er, nachdem ich tödlich verletzt geflohen bin, mich in einer Höhle gefangen hielt? Weil man daher meinen könnte, ich sei entehrt worden?!“ Hätte sie nicht so viel Selbstbeherrschung, sie hätte geschrieen oder zumindest etwas kaputt gemacht. „Wundert es dich eigentlich noch, dass ich hier langsam aber sicher die Geduld verliere und wütend um mich schreie? Wundert es irgendjemanden? Wohl nicht, oder?“ Ihre Mutter erhob sich nun. Es schmerzte sie, dass sie ihre Tochter hier so vor sich sah, zornig und leidend, und doch würde es nichts helfen, wenn sie ihr die ganze Wahrheit mitteilen würde. Sie würde ihr keinen Glauben schenken. „Sui-jin. Es stimmt, diese beiden Gründe haben zusammengespielt, doch du kannst es nicht mehr ändern. Du wusstest immer, dass du eines Tages verheiratet werden würdest, was stört dich das also jetzt so? Du solltest dich geehrt fühlen, in so hohe Kreise einheiraten zu können, wie es nur selten vorkommt. Du wirst die Herrscherin eines Landes werden, mehr kann sich eine Frau dieser Familie nicht wünschen, oder?“ Sui öffnete ihren Mund, doch ihr fiel keine Erwiderung ein. Ja, sie hatte es immer gewusst. Alles was sie nun störte, war ihr Ehemann, nicht die Heirat selbst. Er. Nur er. „Aber was, wenn ich mir doch mehr wünsche?“, fragte sie leise und die Traurigkeit in diesen Worten schmerzte ihre Mutter sehr und sie trat auf sie zu, um sie in die Arme zu nehmen, doch Sui drehte sich um und verschränkte ihre Arme. „Ich wäre jetzt gerne alleine.“, sagte sie. Ihre Mutter schaute sie verstehend an und nickte. Sie ging zur Tür, schob sie auf, doch blieb noch einmal stehen. „Ich habe deinen Vater nicht von Anfang an geliebt. Erst mit der Zeit erkannte ich, was für ein Mann er war. Was für ein großartiger Mann, bei dem ich nicht anders konnte, als ihn zu lieben. Bei dir wird es genauso werden. Vertrau mir!“ Die Tür schloss sich hinter ihr. Seitdem saß Sui auf ihrer Bank. Ihre anfängliche Wut hatte sich gelegt und einer gewissen Niedergeschlagenheit Platz gemacht. Sie erkannte, dass es in dieser Welt nichts brachte, sich aufzuregen, sich zu beschweren, Recht zu haben. Früher hatte sie noch etwas bewegen, verändern können mit ihrer Stimme, man hatte ihr zugehört und auf sie gehört. Doch hier? Sie seufzte wieder und lehnte ihren Kopf gegen den Baumstamm. Der Tag verging in einem prächtigen Farbenspiel am westlichen Himmel, der Abendstern glitzerte schon in all dem Rosa, Lila und dunklem Blau und kündigte die übrigen Sterne an. Der zunehmende Mond hing in einer schmalen Sichel über ihr, keine Wolke war am Himmel zu sehen. Es wirkte alles so friedlich. Ein einzelner Vogel sang noch sein Abendlied, der Wind hauchte weiter über sie hinweg… Sie gab einen überaus genervten Laut von sich, der in einem nicht zu leisen Wutschrei endete. Sie beugte sich vor und stützte sich händeringend auf ihren Beinen ab. Sie hatte das Gefühl, noch lauter schreien zu müssen, um sich irgendwie besser fühlen zu können, doch was hätte das gebracht? So stand sie schweigend auf und trat auf den Brunnen zu. Sie schaute in das klare Wasser und hielt ihre Hand hinein. Über Nacht war es ihrer Familie gelungen, alles Eis zu schmelzen und die Wasser wieder fließen zu lassen. Sie hatten Magie anwenden müssen, von allein wäre das Wasser jahrelang nicht getaut. Sui hatte ein wenig Gewissensbisse davon bekommen, als sie sich die Arbeit und Mühe vorstellte, die ihre Familie gehabt haben musste ihretwegen. Nichtsdestotrotz hatte sie stur darauf bestanden, nicht mitzuhelfen, das Eis zu tauen. Es war kalt, eiskalt, doch die Kälte machte ihr nichts aus. Sie blickte die Wände um ihren Garten herum an, die ihr momentan sehr beengend vorkamen. Irgendwie…war ihr, als würden sie ihr nicht mehr den Schutz bieten, wie am vorherigen Tag noch. Sie konnten sie nicht schützen. Nicht mehr. Vielleicht sollte sie ihre Zimmer mal verlassen. Sonst würde sie noch wahnsinnig werden… Ohne einen Blick zurück verließ sie den kleinen Garten im Innenhof, durchquerte eines ihrer Zimmer und verließ ihre Gemächer zur Seite des Berges hin. Sie würde einen Ort aufsuchen, der vollkommen einsam war, wo sie allein sein konnte, wo sie viel Kraft tanken konnte, sich ausruhen konnte von diesem Tag. Die Dämmerung lag über den Ländereien. Sui stieg über breite Treppen den Hang hinauf und entdeckte nur vereinzelt huschende Diener, die ihren letzten Aufgaben für den Tag nachgingen. Sie schätzte die Ruhe, die man ihr jetzt ließ, sehr. Kein Geschnatter, kein Gewusel, keine nervende Frauen um sie herum, nur sie, der Wind und der Mond. Entspannend erklomm sie weiter den Berg, hin zu seinem Gipfel, der ihr Ziel war, nur verfolgt von zwei Augen, die sie golden aus den Schatten heraus beobachteten. Kapitel 31: Hinter den Dünen ---------------------------- Hinter den Dünen Sengende Hitze herrschte über den weitläufigen Sanddünen, die die Grenzen zu Kaikas Reich markierten. Hier, wo die Hitze flirrte, wo anscheinend glitzernde Seen in der Ferne lagen und dann doch nur dörrende Wüste zu finden war, fühlte sich die Feuerdämonin zuhause. Es gab nur wenige Sanddünen ganz im Süden der japanischen Inseln, und diese Dünen hatten sich ihr Clan schon vor vielen Jahrtausenden zur Heimat erwählt. Schweißnass preschte ihr schwarzes Reittier den heimischen Ställen entgegen, wo hunderte seiner Art es schrill wiehernd begrüßen würden. Und auch Kaika freute sich, wieder ihre einfachen, aber Licht durchfluteten Räume zu betreten, wieder die vielen Feuerstellen um sich zu haben, die die kalten Wüstennächte erwärmten. Sehnsüchtig hielt sie Ausschau nach den in den Sand geschmiegten Gebäuden des mächtigen Schlosses, das flach, aber mit zahlreichen Gebäuden in die Wüstenlandschaft eingepasst war. Und sie freut sich, endlich wieder unter Ihresgleichen zu verweilen. So sehr sie ihre Freundin mochte und auch die ständig plätschernde Anwesenheit des Wassers auf deren Schloss, mit den Wasserwesen wurde sie einfach nicht richtig warm. Und gar Suis Mutter war für sie eine Plage. Ewig meckernd, immer auf die Etikette bedacht, konnte diese Frau einem das Leben zur Hölle machen, und hätte sie sie nicht rausgeworfen aus ihren heiligen Hallen, hätte sie sich eine Ausrede einfallen lassen müssen, um dort verschwinden zu können. Sie wäre noch geblieben, um Sui zu helfen, die sich von ihrem Schicksal überfahren fühlte. Sie hatte sich große Sorgen um ihre Freundin gemacht, denn sie schien von der Aussicht, ihren Peiniger heiraten zu müssen, gerade zu erstickt zu werden. Dabei könnte sie ihn so schön erpressen. Aber List und politische Intrigen waren nun mal nicht Suis Stärken, und so sah sie sich nur in der Rolle der absoluten Verliererin. Hoffentlich hatte sie es geschafft, ihr ein wenig Auftrieb zu verleihen und nicht nur mit ihrem Schicksal zu hadern. Aber jetzt musste sie unbedingt mal in Ruhe und ausgiebig mit ihrem Vater sprechen. Die ganze Zeit hatte sie nur durch gesandte Diener mit ihm in Kontakt bleiben können, und als sie ihm mitteilen ließ, dass sie noch bliebe, um ihrer Freundin beizustehen, war er mit dem ganzen Hofstaat schon vorausgeeilt. Sie mussten schon seit Mittag das große Schloss erreicht haben, und richtig, unter ihr erkannte sie die ersten Pferdeweiden, die in den wenigen, durch Bewässerung begrünten Ausläufern der gewaltigen Sanddünen zu erkennen waren. Und kaum hatten die dort weidenden Tiere sie erkannt, wurden Köpfe hochgerissen, Schwänze steil hochgereckt und in wehenden Galopp preschte die ganze Herde heran, um sie mit aufgeregtem Gewieher zu begleiten. Fliegende Mähnen in allen Farbe, schmale Köpfe mit wachen Augen, zierliche Hufe, die über das üppige Grün hasteten, dieses Bild war in ihr eingebrannt, seit sie als junges Mädchen reiten und fliegen gelernt hatte. Sie liebte diese geflügelten Wesen innig, und auch diese hingen an ihren Herren. So hätten sie doch ohne Mühe fliehen können, doch das verlockende Gras und respektvolle Behandlung ließen sie schon seit Generationen hier verweilen. Und so waren Feuerdämonen und ihre geflügelten Begleiter ein Innbegriff für Einheit, Kraft und Eleganz geworden. Mit der heranstürmenden Herde unter ihr wurde Kaika schon von weitem erkannt. Sie landete unmittelbar vor den geräumigen Ställen des Herrenhauses. Hunderte von Pferden konnten hier untergebracht werden, und endlos viele Menschen waren hier beschäftigt, die Boxen sauber zu halten und genug Nahrung bereit zu stellen für ihre glänzenden Bewohner. Ein paar der Stuten zogen es vor, mit ihren neugeborenen Fohlen in der Kühle der Ställe zu verharren, und sobald Kaika abgesprungen war und ihr Pferd nach üppigen Tätscheln des Halses einem Stallburschen übergeben hatte, verschwand sie in den Gängen, um nach einer ihrer Lieblingsstuten zu sehen, die inzwischen geboren haben musste. Das staksige Fohlen war noch nass und klebrig, als sie es hinter der Mutter entdeckte, wo es neugierig hervorlugte. Es war pechschwarz, ihr Glühwürmchen war sein Vater, und auch die Mutter sah ihm sehr ähnlich. Es würde bestimmt wie seine Eltern einmal üppig gelockten Schweif und Mähne bekommen, doch bisher hatte es nur einen kleinen Stummelschwanz ohne lange Haare, mit dem es heftig herumruderte als ob es mit ihm sein Gleichgewicht halten wollte. Die kleinen Stummelflügelchen ragten noch ohne jegliche Federn aus den schmalen, kleinen Schulter, doch paddelte das Fohlen bei fast jedem schnelleren Schritt damit in der Luft. Kaika quietschte vor Vergnügen über die unsicheren Bewegungen des Fohlens. Es konnte nur wenige Stunden alt sein, und seine Mutter überprüfte sorgfältig, ob Kaika ihm auch nichts tun würde. Die sonst so zutrauliche Stute war misstrauisch geworden und übervorsichtig. Ihre Mutterschaft hatte sie verändert. Kaika sinnierte. Vielleicht war Suis Mutter ja auch wegen ihrer Mutterschaft so überängstlich und keifend geworden, weil sie Sui schützen wollte. Trotzdem nervte sie gewaltig und ihr Verhalten grenzte schon an Unhöflichkeit, ja, Stutenbissigkeit. Hatte sie sie doch einfach rausgeworfen. Immerhin war sie auch eine Prinzessin, und von ihr wurde sie behandelt wie einfaches Fußvolk. Die schöne Stute schob nun doch vorsichtig den Kopf zu Kaika herüber um nach einem Mitbringsel zu suchen, dass diese immer dabei hatte. „Du wirst bitte nicht so, meine Alte.“ Sie klopfte der Pferdedame ihren schlanken Hals, streichelte ihr über die schnuppernden Nüstern und bot ihr dann den Leckerbissen auf der flachen Hand an. Genüsslich kaute sie, während das Fohlen seine ersten Trinkversuche unternahm. Dann dieses ewige Gestänker weil sie einem anderen Element angehörte. Jedes Jahr ärgerte sie sich darüber auf dem Frauenfest, jedes Jahr schwor sie sich da nicht mehr hinzugehen, um sich dieses ewige Gehacke nicht mehr anzutun. Und im Jahr darauf war es wieder vergessen und sie freute sich unendlich auf das Turnier, um dann wieder enttäuscht zu werden. ‚Aber wie sollen wir das nur schaffen, zusammenzuhalten gegen einen gemeinsamen Feind, wenn wir schon auf einem Turnier nicht miteinander auskommen können?’ Kaika runzelte die Stirn. Sie sollte wirklich nicht so empfindlich sein. Die ollen Ziegen waren nun mal so, und sie spielte ihnen ja auch genug Streiche, um sich zu rächen. Immerhin hatten sie eine ihrer höchsten Prinzessinnen sozusagen als Opfer dargebracht, um den Frieden zu wahren. Sui als Opferlamm…kein schöner Gedanke. Aber auch der Süden würde Opfer bringen müssen. Und sie war die einzige Tochter. Oh Mann, das sah nicht gut aus. Sie musste unbedingt mit ihrem Vater reden, wie schlimm diese Bedrohung wirklich war. An wen konnte sie denn verheiratet werden? Der Westen hatte doch nur diesen Sesshomaru, und der war ja schon versorgt mit der armen Sui. Es gab noch ein paar jüngere Brüder von Sui, aber die waren eher noch Kinder. Nun, bei Bedarf wurden auch Minderjährige verheiratet. Toll, dann konnte sie mit ihrem Ehemann Verstecken spielen. Prima! Immerhin konnte sie dann viel mit Sui zusammen sein…nein, halt, die wäre dann ja gar nicht mehr im Haus…dafür deren Mutter. Nein, die wäre ja dann ihre Schwiegermama!! Nein, bitte nicht! Und außerdem hätte sie sich schon gewünscht, einen richtigen Mann als Ehemann zu bekommen. Sie wollte doch auch ihren Spaß in ihrer Ehe haben. Wenn sie so ’nen Wasserbengel heiraten musste, dann konnte sie ja ewig warten, bis der mal nicht mehr mit seinen Bauklötzen sondern mit ihr spielen wollte. Die Stute riss nervös den Kopf hoch und spähte argwöhnisch in den tiefen Schatten des Ganges, wo sie eine Gestalt erkannte. Kaika streichelte ihr beruhigend über die geblähten Nüstern. Sie hatte die Präsenz dieses Wesen bereits erkannt, es war ihr Vater, der sie wohl gesucht hatte. „Dachte ich mir doch, dass du hier bist.“ Sein braungebranntes, breites Gesicht war von einem warmen Lächeln überzogen, die wild gelockten Haare in einem Pferdeschwanz gebändigt, der ihm über den breiten Rücken hing. Seine Festtagskleidung hatte er wieder gegen einen einfachen, rostroten Yukata getauscht, den er locker gebunden trug. Er schritt auf Kaika zu und zog sie herzlich in seine Arme. „Schön, dass du wieder da bist.“ Fest drückte er sie an sich, als ob sie monatelang weg gewesen wäre. „Du hast mir auch gefehlt, Oto-chan.“ Kaika schmiegte ihr Gesicht an seinen muskulösen Hals und gab ihm dann einen Kuss auf die Wange. Ihr Vater lehnte sich neben ihr an die Pferdebox und schaute dem schwanzwedelnden Fohlen zu, das mit kräftigen Stößen die Milch seiner Mutter zum Fließen zu bringen versuchte. „Gestern Nacht ist es gekommen, ganz ohne Komplikationen.“, klärte der Vater sie auf. „Na, wenigstens etwas, das ohne Schwierigkeiten klappt.“ Ihr Vater lachte auf. „Hast du denn wieder welche gehabt? Dir scheinen sie ja auch nachzulaufen. Vielleicht solltest du wirklich dein freches Mundwerk mal ein wenig in Zaum bekommen.“ Auch Kaika lachte auf. „Nein, als Schwierigkeiten würde ich es nicht gerade bezeichnen. Die alte Krähe hat mich rausgeworfen. Aber ich war froh, dass ich da wegkam. Ich hoffe nur, dass sie anständig zu Sui ist. Der geht es eh schon dreckig genug.“ Kairoku, so war der Name ihres Vaters, schaute sie nachdenklich an. „Tja, sie heiratet jetzt ja in ein hohes Haus. Da werden bestimmt die Vorbereitungen voll im Gange sein.“ Kaika nickte nur stumm und wandte den Blick nachdenklich zu ihrem Vater. „Nein, wir haben noch nichts ausgemacht, was dich betrifft.“ Kaika lächelte, er schien ihre Gedanken lesen zu können. „Aber jetzt komm erst einmal in unsere Gemächer, bade dich und komm dann zum Essen. Dann können wir ausführlich reden.“ Kaika hatte in dem holzgetäfelten Saal Platz genommen, in dem der Vater seine Mahlzeiten serviert bekam. Die beiden Türen waren weit geöffnet, ebenso die großen Fenster und ließen den lauen Wind des Abends durch den Raum streichen. Seidene Tücher in den Farben des Feuers bauschten sich in der sanften Brise auf, die ersten Feuerschalen waren entzündet worden und hineingeworfene Kräuter verströmten einen sinnlichen Duft. Das Gebäude war das zentral liegende Herrenhaus, das mit seinen vielen kühlen Innenhöfen mit Brunnen und Palmen das Kernstück der ganzen Anlage war. Hier hatte Kaika mehrere Räume für sich zur Verfügung, ausgeschmückt mit üppigen, goldglänzenden Tüchern und weichen Bodenbelägen, da sie sich oft am Boden aufhielt, seidenen Wandbespannungen und immer wieder wallenden Vorhängen, die im Wüstenwind spielten. Kaika liebte wallende Stoffe. Und von ihrer Freundschaft mit den Wasserzeichen her liebte sie plätschernde Brunnen und Quellen. Wasser war in der Wüste rar, aber sie hatten jede Menge Brunnen gebaut an Stellen, die Sui ihnen gezeigt hatte, und so zierten Wasserspeier und komplexe Brunnengebilde die Innenhöfe und boten in der gleißenden Sonne eine willkommene Abkühlung. Rankpflanzen umkränzten die Höfe und der Duft vielerlei Früchte verlockte zu einem schnellen Biss in saftiges Fruchtfleisch. Große Bäume in der Mitte der Höfe schenkten den Besuchern Schatten unter ihren üppigen Blättern. Etwas entfernter lagen die Gästehäuser und die Anwesen der höheren Beamten und Regierungsmitglieder ihres Clans. Soldatenunterkünfte, die Häuser der Bauern und Diener waren im äußeren Kreis des Schlosses untergebracht. Ein paar Diener brachten Schüsseln mit Reis und verschiedenem Gemüse, dazu Fisch und gebratenes Hühnchenfleisch. Kaika saß auf einem dicken Kissen gegenüber von ihrem Vaters. Heute waren keine Fürsten oder Beamte anwesend, nur der Herr und seine Tochter saßen sich an dem niedrigen Tisch gegenüber, der beladen war mit köstlichen Speisen. Kaikas noch nasse Haare hingen ihr lang über den schmalen Rücken, ihr roter Yukata, den sie nun trug, war schon ein wenig durchnässt, doch sie liebte es, die Haare langsam im Wüstenwind trocknen zu lassen. Sie hätte nachhelfen können mit ihren Fähigkeiten, aber wozu, wenn die Feuchtigkeit so erfrischend kühlte? Fröhlich häufte sie sich von den leckeren Speisen in ihre Schüssel und packte die Stäbchen, um sie genüsslich zu verschlingen. Ihre Tischmanieren waren nicht die besten, und ihr Vater, der nur noch den Kopf schüttelte, ließ sie gewähren. Ihr fehlte die Mutter schon seit ihrer Geburt, bei der diese gestorben war. So hatte sie nur die Kindermädchen und den Vater, der in ihr mehr den fehlenden Sohn sah und ihre weibliche Erziehung stets vernachlässigte. Kaika war geübt in der Waffenkunst, konnte hervorragend reiten und kämpfen, hatte diplomatisches Talent und war eine hervorragende Kriegsstrategin, aber weibliche Benimmregeln waren ihr weniger geläufig. Ihr hitziges Temperament war dem ihres Vaters sehr ähnlich, auch wenn sie dessen Weisheit und Ausgeglichenheit, die ihm sein Alter und Erfahrung mitgebracht hatte, noch manchmal schmerzlich vermisste. Sie konnte sich durchsetzen, und ihr Vater ließ ihre freie Hand bei ihren Taten. Da sie die Rolle eines militärischen und juristischen Beraters am Hofe wahrnahm, hatte ihr Vater keinerlei Geheimnisse vor ihr, bestimmte sie doch schon längst das Schicksal ihres Clans mit. Bisher ging es jedoch lediglich darum, wo neue Felder angelegt werden sollten, mit wem man Handel treiben konnte und ein wenig Gerichtsbarkeit bei den Streitereien unter den Bewohnern. Nur selten mussten sie gegen irgendwelche Eindringlinge vorgehen, die sie überfielen, meist Dämonen, die aus ihren ursprünglichen Regionen vertrieben worden waren und auf der Suche nach einem neuen Unterschlupf waren. Noch nie hatte es Krieg gegeben, zumindest nicht seit Kaika sich erinnern konnte. „Und? Wie ist es dir denn überhaupt ergangen die letzten Wochen? Hast du am Turnier teilgenommen? Und was war mit dem Überfall, von dem du berichtet hast?“ Er schaute seine Tochter fragend an, die erst noch gierig ein paar Stücke Fleisch hinunter schluckte, bevor sie antworten konnte. „Das Turnier war klasse wie immer, wenn nur die Wasserweiber nicht dauernd so lästern würden. Als ob es nur Wasser auf der Welt gäbe. Aber das mit dem Überfall ist jetzt übel ausgegangen.“ „Warum das?“ Kairoku sah seine Tochter fragend an. Sie hatte ihm nur bruchstückhaft berichtet, dass sie belästigt worden waren an einem See, an dem sie Rast gemacht hatten. Mehr wusste er nicht. „Na, der kleine West-Bubi ist es gewesen. Der hat uns da fertig gemacht. Ich hatte mich extra noch zurück gehalten, als der frech wie Harry einfach an uns vorbei stolziert war, als wir gerade schön baden wollten. Und der ging uns so übel an die Gurgel, dass wir beide schnell ’nen Abgang machen mussten, sonst hätte der uns noch abgemurkst. Ist das ’ne üble Type. Und dann kommen wir heim zu Sui und werden nur angemault, warum wir so spät dran sind und so. Und was kommt dann bei raus? Sie soll das Früchtchen auch noch heiraten. Echt der Hammer, wenn du mich fragst.“ Von der Rettung und den Nächten in der Höhle, die ihre Freundin da mit dem Sohn des Westens verbracht hatte oder besser verbringen hatte müssen, erzählte sie nichts. Das war dann doch ein Frauengeheimnis. „Kennst du den Kerl? Und warum haben sie den gerade Sui verpasst?“ Sie griff schon wieder eifrig bei den Schüsseln zu und sah kauend zu ihrem Vater hinüber, der nachdenklich dasaß und ihren Worten nachhing. „Ja, ich kenne ihn. Er ist wirklich ein recht arroganter Kerl. Aber er ist klug und mächtig. Ich denke, er hat mehr Kräfte als all wir andern Dämonen zusammen. Ihn als Gatten zu haben ist schon eine Ehre.“ Er grinste verschmitzt zu ihr hinüber, wusste er doch genau wie empfindlich Kaika bei diesem Thema war. Sie hatte ihn gebeten und gebettelt, sie so spät wie möglich zu verheiraten. „Ehre? ’Nen Kerl, der dich ein paar Tage vorher locker über den Jordan hätte gehen lassen wegen nix und wieder nix, und das soll ’ne Ehre sein, den Lümmel heiraten zu müssen? Also Pa, was redest du da? Da kann der noch so mächtig sein. Wir Frauen sollen mit denen ein Leben lang auskommen.“ Sie schaute ihn vorwurfsvoll an, aber er grinste nur. „Und? Wie ist das überhaupt gelaufen mit der Auswahl?“ Kairoku lächelte leicht, als er ihr antwortete. „Nun, nach deiner Erzählung leuchtet mir das nun etwas eher ein, warum der Herr der Wasserwesen so erpicht war auf diese Hochzeit. Keine Angst, meine Kleine, ich musste dich gar nicht schützen. Die waren so scharf drauf ihre Kinder zu verheiraten, wir haben nur noch genickt zu allem.“ Ein wenig nachdenklich ergänzte er dann: „Und wenn ich so recht überlege, ja, da war die Dame im Hintergrund, Suis Mutter, die heftig gedrängt hatte, aber auch Sesshomaru selbst schien es darauf abgesehen zu haben, deine Freundin zu ergattern. Läuft da was zwischen den beiden? Normalerweise mischen sich die Söhne nicht groß in die Wahl ihrer Ehegatten ein. Das ist Sache ihrer Väter.“ Kaika schluckte. Also so war das, Sesshomaru wollte Sui haben! Nicht nur sie hatte es irgendwie erwischt, auch den Kerl selbst. Na, das konnte noch lustig werden bis die beiden Turteltäubchen mal bereit waren, ihren Stolz abzulegen und sich zu gestehen, dass sie sich verguckt hatten. Na, immerhin, er hatte sie gewählt. Kaika war froh und freute sich insgeheim für ihre Freundin. „Und wie geht es jetzt weiter? Wie schlimm ist denn diese Bedrohung überhaupt?“ Kapitel 32: Hinauf zum Gipfel ----------------------------- Hier ein wunderschönes Kapi von Liel, meiner Ex-Co-Autorin. Gut aufpassen, da geht es um Dinge, die für die Zukunft wichtig sind... Hinauf zum Gipfel Es dauerte seine Zeit, bis Sui ihr Ziel erreicht hatte. Doch schließlich trat sie durch das hohe Tor mit seinen geschwungenen, dunkelblauen Balken, das den Eingang zu dem kleinen Tempel und seinen Bereich der Göttin markierte. Hohe Bäume säumten ihren Weg und rauschten sacht in der kühlen Abendluft. Kleine Bäche schlängelten sich am Weg entlang, die sich, als Sui sich dem eigentlichen Tempel näherte, erweiterten und zu großen, klaren Teichen wurden mit schmalen Brücken und Stegen und vielen Seerosen. Die Göttin liebte diese Blume und hier oben wuchs sie wie nirgends sonst auf dem Berg. Der Tempel selbst war klein und zierlich, aber nicht weniger prächtig. Er war alt, stand er doch schon seit den Anfängen von Suis Familie auf dieser Anhöhe. Dunkles Holz war für ihn verwendet worden, das über die Jahrhunderte so nachgedunkelt hatte, dass es nun pechschwarz war. Zahlreicher Schmuck und Symbole waren hineingeschnitzt, die jedoch nicht mehr ganz so deutlich zu erkennen waren. Die Schindeln des geschwungenen Dachs waren mit Moos bedeckt, nur die Shachihoko waren frei von jedem Schmutz und ihre feine Jade strahlte grün ihren Schutz aus. Das Gebäude befand sich mitten auf einem kleinen See, von dem aus sämtliche Bäche des Berges ihren Weg nahmen. Ein schmaler Steg führte hinüber zu ihm und endete in einem rechteckigen Vorhof mit einem Brunnen. Kunstvoll war er aus einem Stück Fels herausgehauen worden und stellte einen Drachen dar, dessen langer Körper sich um ein Becken wand und dessen Maul das Wasser spendete. Seine Augen waren zwei schimmernde, blaue Edelsteine, sein Körper war über und über mit silbernen Schuppen belegt, die jedoch alle beschlagen waren und nicht mehr glänzten wie früher. Suis Eltern hatten oft Diener damit beauftragt, dieses Silber wieder rein zu polieren, doch war es ihnen nie gelungen, was sich niemand erklären konnte, dieses Metall wollte einfach nicht mehr sauber werden. Eine kleine Bank stand am Rande des Hofes, von dem aus eine Treppe auf die Veranda führte, die den einstöckigen Tempel umgab. In seinem Inneren befand sich ein steinernes Becken, das man um die Quelle, die tief aus der Erde hervorsprudelte, herum gebaut hatte, um das Wasser zu fassen und durch Röhren nach draußen zu leiten. Sui hatte das Innere des Tempels erst einmal gesehen, da es die Göttin nicht gern hatte, wenn man in ihr Reich eindrang. So blieb sie im Hof und setzte sich auf die steinerne Bank. Sie war noch warm von der Sonne und tief ausatmend schloss Sui ihre Augen. Das leise Plätschern des Brunnen und das Murmeln des Sees füllten einige Zeit nur ihr Denken aus, bis sie die Anwesenheit eines anderen Wesens spürte. Sie öffnete ihre Augen und lächelte die Frau an, die von links langsam auf sie zukam. Sie war klein, kaum größer als Sui selbst, und sie war alt. Auch wenn Sui fand, dass sie für ihr eigentliches Alter noch relativ jung aussah. Sie musste mindestens zweitausend Jahre alt sein, da damals Suis Vorfahren diesen Berg besiedelt hatten und die Göttin da bereits hier gehaust hatte. Trotz diesen hohen Alters schritt sie noch aufrecht und stolz dahin. Nur vereinzelt durchzogen weiße Haare ihr dickes, dunkelblaues Haar und wirkten dabei wie Lichtstrahlen, die sich über ihren Kopf ergossen. Die Haut ihres Gesichtes war noch rein und glatt, nur um Mund und Augen zeigten sich feine Fältchen. Für Sui waren diese kleinen Alterserscheinungen nur ein Zeichen dafür, welch altem Wesen sie hier gegenüberstehen musste. „Sui-jin, mein Liebes.“, begrüßte sie die junge Dämonin mit ihrer melodischen, hellen Stimme. Wie immer klang sie freundlich und liebevoll. „Dich habe ich hier oben schon lange nicht mehr gesehen.“ Sui lächelte entschuldigend. Es stimmte, sie war schon seit längerer Zeit nicht mehr hierherauf gekommen. „In letzter Zeit hatte ich leider viel zu tun. Ich war oft weg, wie Ihr sicher wisst.“ „Ja, das weiß ich. Du hast dich gut geschlagen bei deinem Kampf gegen diese eine Feuerdämonin.“ Es wunderte Sui nicht, dass sie bescheid wusste über ihren Kampf. Sie war eine Göttin des Wassers, alles, was irgendwie mit Wasser zu tun hatte, wusste sie. Somit wusste sie natürlich auch alles, was auf diesem Berg geschah, ob dessen Bewohner das wollten oder nicht. „Hm, ja anscheinend.“, meinte Sui nur. Das Turnier…es kam ihr so vor, als würde es schon ewig zurückliegen. Viel war seitdem passiert. Die Göttin kam langsam auf sie zu und setzte sich neben sie. Ihre Augen richteten sich gen Himmel, an dem nun langsam viele tausend Sterne erwachten. „Du warst gut, daran darfst du nicht zweifeln, zumal da ich es dir sage.“, fuhr sie fort. „Du bist eine junge Prinzessin mit erstaunlich viel Talent. Das meiste davon schlummert nur noch in dir.“ Sui schaute sie von der Seite her an. „Im Laufe deines Lebens jedoch wird es zum Vorschein treten. Du wirst stark werden wie kaum eine andere Dämonin deiner Familie.“ „Aha.“, machte Sui. Sie wusste nicht recht, was sie mit diesen Worten anfangen sollte. Anscheinend sollten sie sie trösten. „Was ich damit sagen will“ Die Frau drehte Sui ihren Kopf zu und blickte ihr bestimmt in die Augen. „Egal was die Zukunft dir bringen mag, es kann dir nicht schaden. Du wirst ihm ebenbürtig sein.“ Sui blinzelte überrascht. Ihr wurde klar, worauf sie hinauswollte, auf wen. Doch sie blickte zur Seite, verärgert, dass sie auch hier nicht ihre Ruhe vor ihm fand. Er war nicht einmal in ihrer Nähe und trotzdem begleitete seine Person sie hier wohl ständig wie ein Schatten! „Ich würde gerne über ein anderes Thema sprechen, wenn es Euch nicht allzu sehr stört.“ Sie war zu diesem Tempel, zu diesem Ort der Stille und Besinnung gekommen, um zur Ruhe zu kommen, sich zu entspannen und neue Kraft zu schöpfen für die ihr bevorstehenden Überlegungen: Wie genau sie ihre Zukunft gestalten sollte. Wie sie sich ihrem Verlobten gegenüber benehmen sollte. Wie sie die nächsten Tage ohne ständige Wutausbrüche auskommen konnte. Sie hatte keine Kaika bei sich, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte, sie war allein im Moment und musste deshalb erreichen, dass sie sich voll und ganz auf sich selbst verlassen konnte. Und dafür brauchte sie Ruhe! „Bist du dir sicher?“, fragte sie die Göttin und Sui sah ihr Lächeln nicht, da sie wegschaute. „Ich hatte den Eindruck, dass du hier zu meinem Tempel gekommen bist, um genau über dieses Thema nachzudenken und darin eine Lösung zu finden.“ „Ihr irrt Euch.“, widersprach Sui und drehte ihren Kopf wieder zurück und blickte in das ernste Gesicht der alten Frau. „Ich bin nur hierher gekommen, da ich es in meinen Räumen nicht mehr aushalte und ich sonst momentan nirgends auf diesem Anwesen wohl meine Ruhe finden würde, da mir ständig mit Sicherheit irgendwer auflauern würde. Ich will allein sein und mich einfach nur entspannen. Und keinen störenden Gedanken an diesen Dämon verlieren.“, stellte sie alles richtig. Sie zog ihre Knie an und stützte schmollend ihren Kopf darauf. Die Göttin lächelte sie gütig und verstehend an. „Deine kleine Freundin Kaika ist nicht da und so siehst du dich allein vor diesen großen Berg an Problemen gestellt. Du hast Angst, dass er dich überrollen wird und du die Kontrolle verlierst. Alles um dich herum hat mit einem Schlag, mit einem Wort nur begonnen, sich radikal zu verändern, und droht nun, dich mitzureißen und dich ohnmächtig an irgendeiner Stelle deines Lebens auszusetzen, einsam und verletzlich. Deshalb bist du hier, du versuchst, die Kontrolle über dein Leben zurück zu gewinnen, damit du in den neuen Grenzen, die man dir auferlegt hat, wieder Herr deines Weges wirst. Du wirst unweigerlich viele Gedanken an diesen Dämon verlieren müssen, da er diese Grenzen symbolisiert.“ Sui schaute sie aus großen Augen an. Sie hatte gerade ihre ganze innere Welt nach außen gekehrt. Und das steigerte ihre momentane Unsicherheit nur noch mehr. „Doch wie gesagt“, fuhr die Göttin fort. „Kaika kann nicht da sein, die dir helfen würde. Sie hat eigene Aufgaben, denen sie unbedingt nachkommen muss. Deine Geschwister sind zu jung, und dem Rest deiner Familie gehst du so gut es geht aus dem Weg, da du sie für deine Lage verantwortlich machst. Du brauchst jemanden zum reden und findest keinen. Doch ich würde mich anbieten. Du weißt, dass kein Wort, das auf dieser heiligen Stätte ausgesprochen wurde, sie verlässt, so wahr ich als Göttin des Wassers vor dir sitze.“ Einer alten Gewohnheit folgend versperrte Sui sofort ihr Inneres, was sie immer tat, wenn ihr jemand so nahe kam und Sachen wohl mit so einer Klarheit von ihr wusste, wie sie ihr selbst nicht einmal ganz klar waren. Sie hasste es, wenn Personen in ihrer Umgebung über ihr Innenleben bescheid wussten, sie verbarg es sonst immer. Nur vor Kaika konnte sie so offen sein und reden, wie sie wirklich war, auch wenn es da meistens auch seine Zeit brauchte, bis sie richtig auftaute, wie Kaika es manchmal so schön bildhaft ausdrückte. Sie trug ihre Gefühle und Geheimnisse halt nicht auf ihrer Zunge mit sich herum, sondern tief in ihrem Herzen. Hier jetzt zu sitzen und von jemand anderem ihr Innerstes offenbart zu bekommen, war wie ein Schlag vors Gesicht. Als sie nichts sagte, meinte die alte Frau zerknirscht: „Verzeih mir. Ich war zu schnell. Ich hätte wissen müssen, dass ich besser nicht einfach so drauf los plappern sollte.“ Sie seufzte. „Manchmal bin ich zu übereifrig, das hat man mir früher schon vorgehalten.“ Sui schwieg kurz und versuchte, ihr Unbehagen zu verdrängen. Dann breitete sich Neugierde in ihr aus. „Wer?“, hakte sie unbewusst und interessiert nach. Obwohl die Göttin schon von Anbeginn ihrer Familie mit ihr zu tun hatte, wusste man allgemein nur sehr, sehr wenig von ihr. Eigentlich gar nichts. Nicht einmal ihren Namen. Sie hatte ihn nie gesagt. Die Frau lächelte und freute sich, dass sie die junge Dämonin, die da so niedergeschlagen auf ihrer Bank saß, wohl von ihren Grübeleien, die sie selbst mit hervorgerufen hatte, ein wenig ablenken konnte. Sie kannte die Neugier über ihre Person, die nach wie vor in der Familie herrschte. Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter. „Mein Gemahl. Ich wage zu behaupten, dass meine Unüberlegtheit bei solchen Situationen früher noch unkontrollierter war.“ „Ihr seid verheiratet?“ Sui wurde hellhörig. Nie hätte sie damit gerechnet, dass sie einen Mann hatte! Man sah ja nie einen… Doch das Lächeln ging zurück und machte einem traurigen Ausdruck Platz. „Ich war es. Er starb vor einer halben Ewigkeit.“ Bestürzt blickte Sui sie an und neigte ihren Kopf. „Das tut mir Leid für Euch.“ Aber die Göttin winkte ab. „Das ist lange her. Die Zeit ist nicht stehen geblieben, sondern hat mich weiter getragen. Sodass ich jetzt hier bei dir sitze.“ Sie hielt inne. „Wirklich. Wenn du willst, kannst du mit mir darüber reden. Du weißt, wie erleichternd es sein kann, wenn einem jemand zuhört. Seine Probleme wirken dann nicht mehr ganz so groß und unlösbar.“ Sui schaute auf in die gütigen Augen der Frau, dann seufzte sie. „Ihr wisst anscheinend sowieso schon alles. Alles, was um mich herum vorgeht, und auch alles, was in mir vorgeht. Ich weiß also nicht, was ich noch sagen soll.“ „Aber willst du es nicht aussprechen? Es gibt einen Unterschied darin, dass ich es schon weiß und du es mir gesagt hast. Ein wichtiger Unterschied für dich.“ „Hm.“, war alles, was Sui dazu beitrug. Sie hatte ehrlich gesagt keine Lust dazu. Nicht jetzt. Sie konnte doch nichts dazu sagen, wenn sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Es stimmte alles, was die Göttin über sie bereits erwähnt hatte. Doch Sui konnte solche Worte nach wie vor nicht über die Lippen bringen. Noch nicht. Sie wollte, musste sich erst selbst über alles im Klaren sein. Dann könnte sie darüber reden. Doch andererseits…vielleicht wusste die Göttin eine Lösung? Immerhin war sie schon alt und weise, war selbst verheiratet gewesen. Vielleicht konnte sie ihr helfen. Sie sollte reden. Tief in sich wusste sie, dass sie darüber reden sollte. Sonst würde es sie auffressen und nur noch mehr quälen. Ihre Stimme war leise, als sie langsam und erst noch ein wenig stockend begann: „Nun, Ihr habt Recht. Ich fühle mich…schlimm. Ich fühle mich, als würde ich einsam auf einer Bergspitze hoch oben über den Wolken stehen, fern von allem, was mir wichtig ist, fern von allem, was mich schützt. Immer wenn ich nach unten sehe, steigt Panik in mir auf, und ich weiß nicht, was ich tun soll.“ Sie atmete tief ein. „Und doch…stehe ich dort und will keine Panik haben. Ich will es alleine schaffen, aus dieser Lage herauszukommen. Nur weiß ich nicht wie.“ Hilfe suchend schaute sie die weise Frau an. „Mein Problem ist die Bergspitze. Ich fühle mich isoliert und alleingelassen von allen, die mir was bedeuten. Sie haben mich auf diesen Berg gesetzt und gesagt: Sieh zu, wo du bleibst. Also sage ich mir: Das tue ich, ich komme allein wieder hier herunter. Zumindest will ich das.“ Die Göttin lächelte sie an und legte ihre Hand auf Suis linken Arm, der ihre Knie umschloss. „Aber du kannst doch fliegen.“, antwortete sie. „Du kannst deine Flügel aufspannen und den Berg sicher verlassen.“ Suis Gesicht umwölkte sich verwirrt. „Ich soll fliehen?“ „Nein.“ Die Göttin schüttelte sanft ihren Kopf. „Fliehen würdest du, wenn du wegfliegst, nach oben oder zum Horizont. Doch du segelst nach unten zurück zu deiner Familie, zu deiner alten und zu deiner neuen. Du breitest deine Flügel aus und gleitest zu ihnen zurück. Sie haben dich vielleicht auf diesen Berg gesetzt, aber nie wollten sie dir etwas Böses antun, das weißt du. Vertrau mir, wie dein Vater schon sagte, sie haben an dich gedacht bei ihrer Entscheidung. Vor allem an dich. Für dich mag der Berg eine Strafe sein, für sie war er ein Ort, der dir Sicherheit versprach. Du warst dort oben nicht von ihnen getrennt, wie du meinst, sondern von allen Gefahren, die sich in nächster Zeit auftun werden.“ „Aber…“, Sui seufzte. „Ich bin doch auch hier in Sicherheit!“ Das Gesicht der Göttin wurde ernst und besorgt. Sie atmete tief und schwer. „Sollte es zum Krieg kommen, mein Kind, und glaube mir, das wird es mit großer Wahrscheinlichkeit, dann bist du im Westen sicherer als hier. Das Schloss des westlichen Herrschers liegt in einer weit sicheren Lage als dieses. Auch sind seine Streitkräfte größer und gefürchteter als die deines Vaters. Er weiß das, wie deine Mutter. Durch die Hochzeit wärst du an einen der stärksten Dämonen gebunden, die es in diesem Land gibt, und er wäre dazu verpflichtet, dich mit seinem Leben zu beschützen. Deine Eltern wissen, dass, sollte die Zeit kommen, sie nicht alle ihre Kinder hier gleichzeitig schützen können.“ Sie klang nun traurig und Sui meinte, dass sie sich selbst an etwas erinnerte aus ihrem Leben bei ihren Worten. „Also suchten sie für dich einen Ort, an dem du sicherer bist.“ Beunruhigt und bewegt senkte Sui ihren Blick. Stand es wirklich so schlimm um ihr Land? Drohte wirklich eine so große Gefahr? „Sei nicht böse auf sie, Sui-jin. Sie versuchen nur, ihre Familie zu schützen.“ Verzweifelt schaute sie wieder auf. „Aber mein Vater hat immer gesagt, wie sicher diese Anlage ist! Wie lange wir einer Belagerung standhalten können! Die Verteidigung sei doch unüberwindbar! Ist sie das nicht?“ Wenn sie das nicht war, was war dann mit ihren Geschwistern? Warum schickte man sie weg, wenn auch sie sie beschützen könnte? Oder könnte sie die Brüder und Schwestern…vielleicht mitnehmen? „Der Norden wird stärker mit jedem Tag. Ich spüre es, ich weiß es. Dein Vater will kein Risiko eingehen. Er war schon immer ein vorsichtiger, vorausschauender Mann. Aber, meine Kleine...“, mit einem mal wirkte sie fröhlicher. „Ich bin mir sicher, dein zukünftiger Ehemann würde dir gerne eine Bitte erfüllen.“ Sie zwinkerte. „Vor allem wenn du ihn ganz lieb darum bittest. Dein Vater konnte so etwas nicht erbeten, aber du. Bitte ihn, deine Geschwister auf seinem Schloss in Sicherheit zu bringen. Daran dachtest du doch gerade, nicht?“ Sui blinzelte überrascht. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob diese Frau Gedanken lesen konnte. Es stimmte, das hatte sie sich gefragt. Doch sie sollte ihn darum bitten? Wie stellte sie sich das denn vor? „Und wenn er ablehnt, dann erwähne ruhig, dass er sich in der Höhle noch weniger korrekt verhalten hat, als man von ihm erwartet hätte. Ich denke, dass dürfte ihn umstimmen.“ Ohne es zu wollen schlich sich ein rosa Hauch auf Suis Wangen. Davon wusste sie also auch schon… „Ähm…“, machte sie, doch die Göttin lachte glockenhell auf. „Oh ja, du wirst deinem Ehemann noch einige Manieren beibringen müssen. Denk dabei dran, dass du am längeren Hebel sitzt und du ihm einige Schwierigkeiten bereiten könntest, wenn du es willst.“ ‚Dasselbe hat Kaika auch gesagt.’, erinnerte sich Sui. „Du solltest dich nicht von ihm ärgern lassen, egal was er anstellen oder sagen mag. Du bist ihm gleichgestellt und erfüllst verantwortungsbewusst deine Pflichten. Lass ihn das ruhig spüren, wenn du ihn wieder siehst.“ Zum ersten Mal, seit Sui hier saß, lächelte sie. Die Worte der Göttin schienen in ihr eine bisher unüberwindbare Mauer Stein für Stein aufzulösen. Erleichterung durchflutete sie. Sie erkannte, was sie ihr sagen wollte. Ihre Familie liebte sie und setzte alles daran, sie zu schützen. Sie hatten ihr eine Macht in die Hände gespielt, mit der sie ebenfalls über ihre Familie wachen konnte, und nicht sie in die Hände dieser Macht gespielt. War das von ihrem Vater wirklich alles so geplant gewesen? Anscheinend. Und dieser Sesshomaru… es würde ihm nur recht geschehen, wenn sie ihn benutzen würde. Sie hatte alles Recht der Welt dazu. Diese Ehe beruhte nicht auf Einseitigkeit. Nicht nur sie bekam neue Pflichten aufgehalst, sondern auch er. Und sie würde dafür sorgen, dass er ihnen nachkommen würde. „Na, siehst du.“, sagte die Göttin, als sie Sui lächeln sah. „Fühlst du dich jetzt besser?“ Sui nickte. „Ja. Ziemlich. Erleichtert. Und fröhlicher.“ Sie atmete auf. „Danke.“ „Das habe ich doch gerne gemacht.“ Sui grinste sie an. „Ihr wart also verheiratet. Wie ist das so, verheiratet zu sein?“ Die Göttin verzog ihre Lippen zu einem verstehenden Lächeln und ihre Augen verengten sich. „Nicht schlecht, diese Taktik, aber du wirst nicht mehr von mir erfahren.“ Enttäuscht blickte Sui sie an. „Warum macht Ihr so ein Geheimnis daraus? Ich würde es auch niemandem verraten!“ „Nein, mein Kind.“, meinte sie nur und dabei blieb es. Sui seufzte. Nach wie vor war es unmöglich, aus dieser Frau mehr rauszukriegen, als diese wollte. Gedankenverloren lehnte sie sich ein wenig zurück und schaute zu Himmel empor, wo die Sterne hell glitzerten. Der Mond senkte sich bereits wieder dem Horizont entgegen und würde bald verschwunden sein, trotzdem war es noch erstaunlich hell. „Ah, das hätte ich fast vergessen. Ich habe ein Geschenk für dich.“, kam es kurz darauf von der alten Frau und Sui drehte ihr überrascht ihren Kopf zu. „Warte hier kurz.“, bat sie die Göttin, stand auf und verschwand schnell in ihrem Tempel. Eiligen Schrittes durchquerte sie den Raum, vorbei an dem tiefen Becken mit der Quelle. Dahinter öffnete sie eine Bodenluke und sicheren Fußes schritt sie eine schmale, steile Treppe in einen Raum unter den Tempel. Es war stockdunkel, doch die Göttin brauchte kein Licht, um hier zu sehen. Zielsicher durchquerte sie den niedrigen Raum, der erstaunlich trocken war dafür, dass um ihn herum nur Wasser war. Sie hielt vor einem kleinen Tisch, auf dem eine reich verzierte Truhe stand. Sie war aus dunklem Holz gefertigt worden und mit Perlmutt verziert, das vielfarbig geschimmert hätte, hätte es hier unten Licht gegeben. Mit gewohnten Bewegungen öffnete sie die Truhe und langte hinein und zog ein kleines Säckchen heraus. Es bestand aus dunkelblauer Seide und ihre Finger erfühlten seinen Inhalt, einen Ring, einer der kostbarsten Schätze in ihrer Kammer hier unten. Es fiel ihr schwer, sich von ihm zu trennen, doch sie wusste einerseits, dass er in die richtigen Hände kam, die ihn tragen sollten, und andererseits, dass er eines Tages wieder zu ihr zurückkommen würde, was ein gewisser Trost für sie war. Sui musste ihn bekommen, der Ring hatte es selbst gewollt, und sie durfte sich dem nicht entgegenstellen. Sie schloss die Truhe wieder sorgfältig und ging zurück in den Tempel, schloss die Luke, die sich nahtlos in den Boden einfügte und so für unwissende Augen unsichtbar war, und suchte wieder Sui auf. Vor ihr hielt sie ihr mit einem Lächeln auffordernd das Geschenk hin. Überrascht schaute Sui das kleine Säckchen an. „Ich habe es mir zur Tradition gemacht, jeder verlobten Frau dieses Clans ein kleines Geschenk zu geben. Das hier ist deines.“ „Vielen Dank.“ Sui griff nach ihrem Geschenk und neigte ihren Kopf ehrerbietig. Dann schaute sie fragend auf. „Na los, öffne es!“ Neugierig löste sie die Bänder und schüttelte das Säckchen vorsichtig über ihrer Hand aus, als ein Ring herauspurzelte. Verblüfft schaute sie das kostbare Kleinod an, das da auf ihrer Handfläche lag. Er war silbern und filigran gearbeitet. Ein kristallklarer, bläulich schimmernder Stein war in ihn eingebettet und wurde von feinen Linien aus Silber umkreist, die ihn festhielten. „Wunderschön.“, murmelte sie und blickte gefangen in das schimmernde Blau des geschliffenen Steins. Sie schaute auf. „Danke. Vielen Dank.“ „Trage ihn immer. Er wird dir Glück bringen und dich an deine Heimat erinnern, wenn du von hier fort gehst.“ Sui senkte ihren Blick wieder auf ihr Geschenk. Er würde sie an ihre Heimat erinnern…wenn sie fort musste. Was schon bald sein würde. Obwohl sie nun so weit klar kam mit dieser Tatsache und ihren Begleitumständen, verursachte es doch noch einen Stich in ihrem Herzen. Noch einmal wollte sie sich bedanken, doch die Göttin war nicht mehr da. Sie war wieder in ihrem Tempel verschwunden. Überrascht schaute sie hoch zu dem Heiligtum. Dass sie auf einmal so schnell verschwinden musste…das passte eigentlich nicht zu ihr. Nachdenklich betrachtete sie ihren Ring auf ihrer Hand. Das Wasser im Brunnen plätscherte unverändert vor sich hin. Sie blieb noch eine Weile sitzen, genoss die Ruhe um sich herum, bis sie schließlich doch aufstand. Langsam verließ sie die kleine Tempelanlage, trat unter dem hohen Tor hindurch und setzte ihren Fuß auf die oberste Stufe der Treppe, die sie nach unten bringen würde, als sie kurz aufsah und die Person erblickte, die ein paar Meter unter ihr stand und zu ihr hochsah. Er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)