Nameless Cruel von abgemeldet (..just don't want you to know) ================================================================================ Kapitel 1: end of all hope -------------------------- Ich konnte nicht nachdenken. Mein Kopf war voller Fragen und Antworten, Wut und Trauer, gefühllos und voller Emotionen, er war erstickt, tot und doch lebendig wie nie zuvor. Eines stand fest. Und das war es, was mich bedrückte. Nein, mich umbrachte. Takashi. Selbst jetzt konnte ich seine warmen weichen Lippen auf meinen spüren. Seine Zunge, die sanft meine umspielte, seinen heißen Atem, dann wurden seine Spielchen härter und fordernder. Warum?! Alles in mir schrie. Und doch war ich ganz ruhig. Warum nur mussten wir diesen verdammten Fanservice machen? Und das, obwohl wir nicht einmal berühmt waren.. Okay, den anderen gefiel es. Sie mochten es, von den Leuten auf der Straße schief angeguckt zu werden, und ihre verdatterten, ja erstarrten Mienen im Rücken zu spüren. Sie liebsten es, ihre Emotionen bei einem Konzert auszuleben, außerdem waren sie alle verrückt nacheinander. Freundschaftlich natürlich, nur freundschaftlich. Es war alles nur Show. Egal, ob es war um die homophobe Menschheit zu schocken oder nur um den Fans zu gefallen. Es war Show. Gefakt. Hatte nichts zu bedeuten. Wie für mich anfangs auch.. Takashi.. Ich nahm selbst kaum wahr, dass ich mich wie ein Irrer von der einen auf die andere Seite meines Bettes rollte. Wieso?! Wieso musste das Leben so grausam sein? Wieso hatte Takashi das heute tun müssen? Es war so ungerecht! Spürte er denn nicht, was in mir vorging? ..Nein, das tat er nicht. Takashi war nicht schwul. Und er käme nie auf den Gedanken, dass einer seiner Freunde es wäre. Das, was er heute getan hatte, war es wieder nur da gewesen, um sie alle zu schocken? Ich wusste, dass es ihm Spaß machte. Nicht umsonst hatte er diese seidigen blondierten langen Haare. Die Haare, die mich an der Nase gekitzelt hatten, an dem Tag, als sich alles entschieden hatte. Doch am heutigen Tage hatte es ausgesehen als hätte es ihm sehr gut gefallen. Zu gut. Dieser Shinichi war auch einfach unerträglich hübsch. Da würde ich nie mithalten können. Takashi hatte es Freude bereitet, ihn immer und immer wieder an verschiedensten Körperstellen zu berühren und zu küssen. Takashi.. Es fiel mir schwer, überhaupt an seinen Namen zu denken.. An diesen Namen, mit dem ich so viel verband. Fest stand, unter diesen Bedingungen konnte ich auf keiner Fall einschlafen. Stöhnend rappelte ich mich auf um mir ein paar Tabletten zu holen. Wie so oft in letzter Zeit. Es ist Klischee, doch Takashi raubt mir den Schlaf. Nachdem ich die Badezimmertür aufgestoßen hatte fiel mein Blick in den Spiegel. Meine Haare standen wirr in alle Richtungen ab und mein Make-up war verschmiert. Ich hatte die Tränen gar nicht bemerkt, die mir die Wangen hinuntergelaufen waren. In meinem Arzneischrank fand ich sofort die Tabletten die ich suchte. Sie wurden so oft verwendet, dass ich mir nicht mehr die Mühe machte, sie sorgsam zu verstauen. Nachdem ich ein paar Minuten mit leerem Blick und ohne zu denken auf das Regalbrett gestarrt hatte, nahm ich gleich die ganze Packung mit. Zur Vorsorge. Einen kurzen Moment lang beherrschte mich die Idee, einfach alle Pillen zu schlucken. Nacheinander, ohne auf Packungsbeilagen zu achten. Man musste ja nicht immer auf das hören, was in der Werbung gesagt wird. Das wurde einem doch auch ständig beigebracht. Doch ich war natürlich zu feige, mich einfach umzubringen. Ich hatte natürlich Angst vor dem Tod und dem, was danach kam. Mir würde sowieso keiner auch nur eine Träne spenden, doch ich hatte auch keine Lust auf meine Wiedergeburt. Mit meinem beschissenen Karma würde mein nächstes Leben nicht besser werden als mein jetziges. Doch – was hielt mich noch hier? Was kam überhaupt nach dem Tod? Himmel? Hölle? Wiedergeburt? Das endlose Nichts? Ich hatte natürlich zu viel Angst um es selbst herauszufinden. Doch irgendwie erschien mir der Tod eher als ein Anfang als ein Ende. Also: Was hielt mich noch hier? Bei meinem Bett angelangt, ließ ich mich auf die Bettkante fallen und versuchte, drei Schlaftabletten aus der Packung zu bekommen. Doch aufgrund meiner Tollpatschigkeit gelang mir das natürlich nicht und der gesamte Inhalt verstreute sich über meinen Nachttisch und den Boden. Angepisst vom Leben und von mir selbst erhob ich mich und begann damit, jede Tablette einzeln aufzusammeln, als es an der Tür schellte, woraufhin ich die Packung achtlos in die Ecke warf, und mich, da meine Eltern sich in Japan bei Verwandten befanden, sodass ich alleine wohnte, nach unten begab, ohne mir Gedanken über mein Aussehen zu machen, was sich in Jogginghose und viel zu großem Pullover äußerte. Vor der Haustür angelangt machte ich mir nicht die Mühe, zu fragen, wer mich denn mit einem Besuch beehrte und öffnete die Tür. Meine Finger gefroren an der Klinke, als ich erkannte, wem ich da geöffnet hatte. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht“, sagte Takashi nach kurzem Schweigen. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft hatte – wie er es geschafft hatte. Doch irgendwie war ich Takashi widerstandslos in mein Zimmer gefolgt. Jetzt konnte ich wirklich nicht mehr klar denken. In meinen Träumen hatte es immer etwas Schönes bedeutet – Takashi und ich allein in einem Raum. Doch dies war Realität, kein Wunschdenken. Das war der wahre Takashi, der, der an der Band interessiert war, nicht an mir. Sorgen. Er sagte, er mache sich Sorgen um mich. Genauso gut hätte er sagen können: „Wenn du so weitermachst, suchen wir uns einen anderen Gitarristen.“ Das war es wahrscheinlich auch, was ich gleich zu hören bekommen würde. Und ich würde dastehen, in sein zorniges und doch so schönes Gesicht sehen und hoffen, das meine wahren Gefühle nicht zum Vorschein kommen. Ich würde mein ausdruckslosen, leeres Gesicht aufsetzen, für das ich mich in letzter Zeit kaum noch anstrengen musste. - Und dann war es das gewesen. Dann war PrincessMurder für mich Geschichte. Dann wäre ich allein, meine einzigen Freunde und meine heimliche Liebe würden sich von mir abwenden und mich auf ewig hassen. Ich hatte mich längst damit abgefunden, bi zu sein, obwohl es noch nicht lange her war, dass ich dieses herausgefunden hatte. Für mich war das etwas vollkommen normales, teilweise machte ich mich sogar über Leute mit Homophobie lustig. Doch niemals. Niemals! Hätte ich damit gerechnet mich in meinen heterosexuellen besten Freund zu verlieben, der mich auch noch für hetero hielt. Mein Blick schweifte zu Takashi, als wäre dieser nicht sowieso schon immer in meinen Gedanken, der währenddessen mein Zimmer halb durchquert hatte, als er auf einmal erstarrte. Nach Sekunden des Schweigens sah Takashi mich erschrocken und entsetzt an. Ich hatte überhaupt Keine Ahnung, was los war und überlegte fieberhaft, was Takashi denn so erschreckendes hatte finden können. Wann hatte ich das letzte Mal aufgeräumt? Es musste sehr lange her sein, dass es mir nicht mehr einfiel. „Yuichi.. Was ist das..?“, Takashis entsetzte Stimmt ließ den Raum erzittern. Seine Stimme schien so voller Angst, dass es mir kaum möglich war, mich zu rühren. „Yuichi! WAS IST DAS?!“, Takashis Stimme wurde immer schriller, sie war von Angst zerfetzt. Ich stolperte ein paar Schritte vorwärts und sah hinter mein Bett, dahin, wo die Schlaftabletten verstreut lagen. „Yuichi! Nein, bitte Yuichi, bitte sag, dass das nicht wahr ist.. NEIN, das darf es nicht..!“, Takashi krallte seine Finger in meine Schultern und schüttelte mich. Ich war unfähig etwas zu sagen. Geschweige denn, etwas zu tun. „Yuichi, nein, du darfst dich nicht umbringen, Yuichi, nein..“ Nach einigen Sekunden, es können auch Stunden gewesen sein, die ich das schmerzverzerrte Gesicht von Takashi nur Zentimeter von meinem entfernt mich anschreien sah, kam wieder Leben in mich. Ich hatte Takashi wie durch einen wässernen Schleier gesehen, all seine Handlungen schienen verzögert. Die Tabletten. Es hatte den Anschein, als hätte ich sie alle schlucken wollen. Hatte ich das nicht auch vorgehabt? Meldete sich eine leise Stimme in mir. Ich verdrängte sie und starrte takashi an. Seine Lippen zitterten. Langsam öffnete ich den Mund: „Takashi.. S-Sie sind mir runtergefallen.. Ich-ich wollte sie nicht alle schlucken.. Das ist kein Selbstmordversuch.. Ich konnte nur nicht schlafen, ich-“ Takashi hatte aufgehört zu schreien. Sein Tränenüberströmtes Gesicht war meinem sehr nahe, als er den Mund öffnete: „..Yuichi.. Wirklich..? ..Danke.. Ich hätte es nicht ertragen können, wenn..“ Diesen Satz brachte er nicht zu Ende. Seine Finger tasteten langsam über meinen Rücken und ich spürte, wie er mich fest in den Arm nahm. Mir blieb die Luft weg. Das war eindeutig zu viel Takashi auf einmal. Seine kleinen Hände, die sich fest in meinen Rücken pressten, seine tränennasse Wange, die auf meinem Schlüsselbein lag, sein heißer Atem, der stoßweise eine Gänsehaut über meine Brust laufen ließ, sein warmer, zierlicher Körper, seine weichen Haare, die mich an der Wange kitzelten - Ich schnappte nach Luft und stieß ihn von mir weg, wirbelte herum um mein Gesicht zu verbergen. Ich drehte mich nicht um. Nicht, als er mich unentwegt ansah. Nicht, als er vorsichtig fragte, was denn mit mir los sei. Nicht, als er mir versicherte, dass ich ihm alles anvertrauen kann. Nicht, als er schließlich auf sein Handy verwies, seufzte, sich umdrehte und zur Tür hinausschlurfte. Ich wusste, dass ich ihn verletzt hatte. Ich wusste, was Selbstmord für Takashi bedeutete. Er selbst hatte vor ein paar Jahren versucht, sich das Leben zu nehmen. Damals, als wir uns noch nicht gekannt hatten. Takashi, damals 13 Jahre alt, hatte nicht gewusst, was es bedeutete, 'Freunde' zu haben, er hatte nie welche gehabt, war wegen der Tatsache das er Visu war von jedem gemobbt worden und war schließlich aus der Schule geflohen und in den nahegelegenen Wald gerannt, wo er irgendwann zusammenbrach und das tat, was er schon so lange in unendlicher Seelenqual vorgehabt hatte. Er hatte mir einmal beschrieben, wie es war, wenn dunkelrotes Blut aus einem herausströmt, während einem die Sinne schwinden. Nach dieser Vorstellung hatte ich tagelang nicht schlafen können, doch Takashi hatte gesagt, es sein ein schönes, befreiendes Gefühl gewesen. Als er jedoch im Krankenhaus aufwachte, man hatte ihn 'retten' können, und er sah, wie seine Mutter zusammenbrach und sein Vater schluchzend in tiefe Gebete versunken war, während er gleichzeitig versuchte, seiner Frau zu trösten, was jedoch scheiterte, war es vorbei gewesen. Denn nichts ist schlimmer als die die man liebt leiden zu sehen. Nach diesem Tag hatten seine Eltern sich bemüht, ihm zu zeigen, wie schön das Leben sein konnte. Sie waren für ein Jahr nach Japan gezogen, wo er sich einer psychischen Behandlung unterzog die sein Selbstwertgefühl aufbauen sollte, sie hatten ihn zu allen möglichen Konzerten geschickt, ihn auf alle Cons gehen lassen, einfach alles versucht um ihn glücklich zu machen. Takashi hatte gesehen wie sie litten. Das hatte sein Leben erhalten. Wie konnte ich nur so grausam sein? Über Selbstmord nachzudenken, ihn dann zu Tode zu erschrecken und ihn dann noch zu verletzen? Was war ich für ein schlechter Mensch, in diesem und in früheren Leben, dass ich das alles erleben musste? Kapitel 2: just forget ---------------------- Ich verzog das Gesicht. Das konnte nicht wahr sein. Seufzend wälzte ich mich um 180° nach links und begann, mit meiner linken Hand auf meinen Nachtschrank einzuschlagen, auf dem irgendwo mein Wecker sein sollte. Ich traf ihn schließlich auch, doch anstatt ihn auszuschalten, flog er in hohem Bogen durch die Luft, landete mit einem ohrenbetäubenden Knall auf dem Boden und rollte fröhlich vor sich hin schreiend unter mein Bett. War klar. Wieder verzog ich das Gesicht und zog mir die Bettdecke über den Kopf, in dem Versuch, das Ding das da unter mir lag zu ignorieren. Irgendwie wurde es immer lauter. Ich krallte meine Finger ins Bettlaken und quälte mich hoch. Dann warf ich einen kurzen Blick unter mein Bett. Mein Wecker lag eindeutig nicht in Reichweite. „Tja, dann bleib doch dort“, knurrte ich und drehte trotzig meine Anlage auf. Rukis Stimme erfüllte den Raum, Miseinen ertönte. „HOKORASHIGE NI KAZASHITETA, KODOKU TO IU PURAIDO WA~A,..“, stimmte ich schließlich beim Refrain ein. Da ich meinen E-Bass nicht passend zu Reitas und Kais Bass-/Schlagzeug Solo bereit hatte, sprang ich Reitalike auf mein Bett und rockte mit meiner Luftgitarre ab. „NA, IST DER JUNGE HERR AUCH SCHON WACH?“ Ich erschrak, wirbelte herum und starrte zur Tür. Was will die Putzfrau denn schon hier? Und WAS ZUM TEUFEL sucht sie in MEINEM Zimmer?! Sie unterdrückte ein Lachen. Mein Gesicht verfärbte sich leicht rot. Morgens wollte ich mich manchmal selbst nicht kennen. Ich sprang vom Bett und schlurfte zur Anlage um GazettE, die mittlerweile wieder beim Refrain waren, den Strom abzudrehen. Sofort tönte mein Wecker wieder durchs Zimmer. Ich drehte mich halb zum Bett, deutete angepisst mit dem dritten Finger meiner rechten Hand in die besagte Richtung. „Ja, bitte?“, ich drehte mich wieder zu Frau Rosenberg, unserer Putzfrau um. Sie war eine typische Oma. Etwas molliger, leicht rosa gefärbte Wangen und immer Kuchen oder Schokolade dabei. Ich schätzte sie auf circa 50 Jahre. Irgendwie mochte ich sie. „Entschuldige bitte, Yuichi, ich versuchte gestern vergeblich, anzurufen, ich muss heute früher gehen. Ich hoffe, das macht dir nichts aus?“. Ihr Blick wanderte belustigt von mir zur Anlage, zum Bett und wieder zurück. „Ich habe geklingelt und angeklopft, aber du scheinst das nicht gehört zu haben..“ „Ach so, nein.. Kein Problem, Frau Rosenberg.“ „Nun gut, ich hab dir schon Frühstück gemacht, Yuichi, lass es dir schmecken.“ Damit verschwand sie immer noch belustigt lächelnd wieder aus dem Zimmer. Ich wollte in diesem Moment gar nicht wissen, was ich für einen Eindruck hinterlassen hatte. DÖÖÖÖÖÖÖDÖÖÖÖM, DÖÖÖÖÖÖDÖÖÖÖÖÖMM! Stöhnend schlurfte ich zum Bett krallte mir auf dem Weg dorthin ein Pikachu-Stofftier, zielte damit auf besagtes Störobjekt und.. verlor auch Pikachu. Nachdem ich dann auf dem Bauch liegend zehn Minuten nach meinem verschollenen Feind und Freund gegrabscht hatte, konnte ich zumindest dem Wecker den Garaus machen. „MUHAHA~! Game over, Baby!“, und jaa, ich lachte ihn doch tatsächlich aus und schoss dann Terminatorlike mit imaginären Knarren auf ihn. Als Überlebender und Meister der Challenge feierte ich mich danach ausgiebig indem ich mich an Frau Rosengartens göttlichem Pudding labte und machte mich auf den Weg zur Schule, wo ich dann mindestens ebenso begeistert empfangen wurde. „Ey, eeeeeeeeeeeey, Sushi! Ey!“, brüllte jemand in Baggys und XXL T-Shirt. „Yuichi, ich wusste schon immer, dass du eigentlich was zu essen bist!“, lachte neben mir plötzlich Ryo. Ich prustete los. „Wow, Yuichi goes nyappy“, Ryo warf mir einen ungläubigen Blick zu. „Klappe.“ Ich schlug ihm auf den Miyavi-Iro. Er war ganze 10 Zentimeter kleiner als ich und DAS Beispiel für Hyperaktivität. Selbst jetzt, um halb acht morgens, rannte er fast neben mir her. ..Takashi hätte jetzt wahrscheinlich eine Art 'Battle' mit Ryo gestartet, in dem es darum gegangen wäre, wer dem Hopper nun den schlagfertigsten Spruch hinterherrief. NEIN, meldete sich mein Hirn wieder. Du hast heute schon jeden Gedanken an Takashi verdrängt, WEITER so. Erstaunlicherweise fiel mir das heute leicht. Takashi ging als einziger auf eine andere Schule und das bedeutete ich würde ihn heute nicht sehen. Wahrscheinlich war das der Grund. Oder vielleicht war auch meine Depri-Phase endlich vorbei. „EEEE~MOOOOOOOOOO~! Ey, Emopunks, da ist 'ne Ecke, geht heulen!“ Ryo, seinen iPod wie immer mit sich führend stimmte daraufhin in das zu der Zeit laufende Lied ein: „~Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der BILD. Und die besteht nunmal, wer wüsste das nicht, aus ANGST, HASS, TITT'N UND DEM WETTERBERI~ICHT, lass die Leute red'n und hör einfach nicht hin, die meisten Leute ham ja gar nichts Böses im Sinn, es ist ihr eintöniges Leben was sie quält, und..~“ Ich verdrehte belustigt die Augen, die meisten umstehenden Passanten verzogen nur genervt die Gesichter. Ich knuffte ihm schließlich in die Seite, woraufhin er mich bis auf den Schulhof jagte, wobei er lachend auf mich einschlug. „Hach, wie niedlich~.. Also bei dem, was ihr hier veranstaltet, ist es kein Wunder, dass uns hier alle für schwul halten. Ryo, dir fehlt echt nur noch 'ne Peitsche. Sagt mal, könnt ihr eure SM-Phantasien nicht woanders ausleben?“, lachte Kei und stürzte sich auch noch auf mich. Kapitel 3: resigned ------------------- Ich schloss die Tür hinter mir und sofort kam das erdrückende Gefühl der Einsamkeit zurück. Gerade so, als hätte ich soeben eine andere Welt betreten, auf der die Schwerkraft anderen Gesetzen folgte. Ich schlurfte in mein Zimmer und hatte aus irgendeinem Grund nicht die Kraft, Hausaufgaben zu machen oder zu lernen. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und starrte mit ausdruckslosem Gesicht an die Decke. Routinetag also. Takashi.. Wann würde ich ihn wiedersehen? Ich hatte mich nicht getraut, Ryo oder Kei nach Shinichi zu fragen. Der Gedanke an Takashi und ihn drückte auf meinen Brustkorb, er schien mein Herz erdrücken zu wollen. Leise ertönte das Bass-/Schlagzeug Solo aus Miseinen, mein derzeitiger Klingelton. Ich streifte mit dem Handrücken über mein Gesicht, streifte die heißen Tränen weg, was einen schwarzen Kajal- /Wimperntusche Streifen auf meiner Hand zurückließ. „Moshi moshi?“, brachte ich hervor. „Yuichi, hast du vielleicht Lust, mit den anderen und mir um halb vier an den See zu fahren? Heute ist es echt zu warm um zu Hause zu gammeln. ..Also du kommst, ja? Cool, bis dann“, plapperte Ryo auf mich ein. Das Handy glitt aus meiner Hand. Mit ihm und den anderen an den See. Komm schon, Yuichi, irgendwie schaffst du das, versuchte ich mich in Gedanken zu ermutigen. Doch ich glaubte selbst nicht daran. Mein Blick wanderte zur Uhr. Es war Punkt drei. Ich hatte also noch etwas Zeit um zu duschen. Das tat ich dann auch und danach entschied ich mich für wasserfeste Schminke. Selbst Tränen blieben damit unbemerkt. Kapitel 4: So what? ------------------- Die Sonne spiegelte sich tausendfach regenbogenfarben auf dem Wasser. Besagter See, eingebettet in einen Wald, den ich Hundertmorgenwald getauft hatte, war eines der wenigen Dingen in der Natur, die mich immer wieder beruhigten und nach denen ich mich immer wieder sehnte. „Waah~!“ Ich spürte, wie ich von etwas Kleinem auf den Boden gepresst wurde. „Ryo~..“, stöhnte ich genervt ins Gras. „Du hast es erfasst. Kluges Yuichi“, lachend sprang Ryo von mir runter und stürmte zu Kei und Takashi zurück, die noch ungefähr 100 Meter zurücklagen. Bei Takashis Anblick zog sich mein Brustkorb kurz zusammen und ich schaute schnell in eine andere Richtung. „Jetzt beeilt euch doch mal“, brüllte Ryo scherzhaft im Laufen und befahl mir, mich schonmal irgendwo breit zu machen. „Na dann mal los“, sprach ich leise zu mir und ließ meine Sachen schließlich auf der großen Lichtung fallen, auf der außer uns irgendwie nie jemand anderes war. Nach einiger Zeit schleppte sich Takashi zu mir, beladen mit seinen Sachen und denen der anderen. Auf der Lichtung ließ er nach und nach alle Sachen fallen, sodass über die gesamte Lichtung irgendwelche Taschen verstreut lagen. Ich brauchte ihn gar nicht zu fragen wo denn die anderen beiden seien, Ryo hatte es mal wieder geschafft, sein Opfer vollständig angezogen ins Wasser zu scheuchen, in dem man die beiden immer mal wieder kurz auftauchen sah. Außerdem war ihr Geschrei noch sieben Kilometer gegen den Wind zu hören. Ich spürte seinen Blick auf mir, doch ich rührte mich nicht. Ich wusste, wenn ich ihn einmal ansah, war das Verlangen so groß, dass ich nicht mehr wegsehen konnte. Also verdrängte ich seine Anwesenheit, was wahrhaft nicht einfach war und starrte stur geradeaus auf den See. „Hey~“, leicht berührten seine Finger meine Schulter. „Hmm..?“, brummte ich und sah ihn weiterhin nicht an. „Was ist mit dir los, Yuichi? ..Wir alle machen uns Sorgen um dich.. Besonders ich, gestern abend warst du vollkommen neben dir..“, fragte er leise und ich hörte ernsthafte Besorgnis aus seiner Stimme. Vielleicht war diese nicht einmal geheuchelt. Vielleicht meinte er das, was er gesagt hatte, wirklich ernst. Vielleicht. Unwahrscheinlich. Unmöglich. „Yuichi..?“ „..Was soll schon sein?!“, fauchte ich. Es hatte nicht ganz so boshaft klingen sollen. „Yuichi bitte. Mach mir bitte nichts vor. Du weißt, dass wir immer über alles reden können..“ Seine Stimme klang beinahe flehend. „Jaa, ich weiß. Ich sagte doch: Es ist nichts. Also nerv mich nicht, ja?!“. Diesen Satz sagend wirbelte ich herum und funkelte ihn schließlich an. Doch ich war natürlich wieder nicht darauf gefasst, was ich zu sehen bekommen würde. Sonnenstrahlen ließen seine wasserstoffblonden Haare beinahe weiß erscheinen und seine Augen wirkten dadurch noch dunkler. Mir fiel auf, dass er leichte Sommersprossen hatte. „Yuichi..?“ Ich schüttelte den Kopf, zwang mich, in eine andere Richtung zu gucken. „Ich geh jetzt ins Wasser. ..Kommst du mit?“ Ich wartete nicht auf eine Antwort sondern schritt mit steinernen Zügen voraus. Kapitel 5: inside - outside --------------------------- Ich schaltete den Fernseher an, drehte Mob 136 Bars laut auf und war nebenbei an meinem Laptop. So versuchte ich, das Piepen in meinen Ohren zu ignorieren. Erfolglos. Ich presste mir die Hände auf beide Ohren, doch es wollte nicht enden. Zitternd ließ ich mich an der Wand entlanggleiten und sank schluchzend in mich zusammen. Mir wurde das alles zu viel. Ich konnte nicht mehr. Aus. Vorbei. Ich wollte nicht mehr. Ich war wieder einmal vorzeitig abgehauen, einfach, weil ich die Nähe Takashis nicht länger hatte ertragen können. Seine ständigen besorgten Blicke. Einfach alles. Mit der einen Hand umklammerte ich das Handgelenk der anderen und ich presste beides gegen meine Brust. Blut mischte sich mit Tränen. Das alles musste aufhören. Ich wollte, dass es aufhörte. Die kalte Nachtluft strich mir durchs Gesicht. Ich saß auf meiner Fensterbank und beobachtete den Mond. Vollmond. Der Mond war für mich immer etwas besonderes gewesen. Unerreichbar und doch irgendwie nah und vertraut. Die Schnitte auf meinem Arm würden mit der Zeit verblassen. Und die Liebe zu Takashi auch, redete ich mir Mut zu. Nein, ich versuchte mich selbst zu belügen. Die Wahrheit verdrängte ich, wie so vieles in der letzten Zeit. Ich weiß nicht, wie lange ich am Fenster saß als ich schließlich meinen Laptop zu mir holte und nach Mangas suchte. 'Confidential Confessions' stach mir sofort ins Auge. Ich beschloss, ihn mir am nächsten Tag sofort zu bestellen. Schlafen konnte ich noch nicht und so setzte ich mich an meine Hausaufgaben. "Bewerten Sie Max Frischs 'Das Tagbuch mit Marion' kritisch." Und: "Halten Sie es für sinnvoll, das Tagbuch mit Marion von Max Frisch als Unterrichtsgegenstand für eine Jahrgangsstufe 12 zu verwenden?" Ich las die beiden Sätze mindestens dreimal ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Dafür geisterte das Bild Takashis durch meinen Kopf, das Bild von ihm mit den Sommersprossen. Eigentlich mochte ich Deutsch, doch ich musste mich heute zwingen mich zu konzentrieren. Nachdem ich die beiden Erörterungen fertiggestellt hatte, wurde mir langsam bewusst, dass ich mich vor gut eineinhalb Stunden geritzt hatte. Selbstverstümmelung. Sebstverletzendes Verhalten. SVV. Ich hatte so viel davon gehört. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein. Ich musste sofort damit aufhören. Es hatte nicht einmal weh getan. Das durfte Takashi nciht erfahren. 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