Abenteuer an der Pokémon Akademie von Taja ================================================================================ Kapitel 13: Aus Vier mach Fünf ------------------------------ Nach dem Gewitter des Abends brach der Sonntag Morgen, mit einer noch etwas blassen Sonne, dafür aber erstaunlich friedlich an. Immerhin war der Sonntag der einzig wirklich freie Tag und so hatte niemand das Bedürfnis bereits mit den ersten Schreien der Dodus aufzustehen. Schon gar nicht Paula, die nach der ganzen Aufregung des Vortages noch in tiefen Träumen versunken in ihrem Bett lag. Und wenn nicht ein nerviges Piepen ihres Messengers sich unaufhaltsam in diese gedrängt hätte, wäre sie wahrscheinlich auch noch einige Stunden weiter unter der kuscheligen Decke geblieben. Doch da der kleine Nervtöter wohl nicht umsonst Töne von sich gab, tastete Paula schlaftrunken danach, während sie versuchte die kleine, leise schnarchende Feuerechse neben ihr nicht aufzuwecken. Es dauerte ein Weilchen, bis sie das schmale Gerät mit den Fingern aufgespürt hatte, denn sie hatte es gestern Abend nur noch schnell von Schreibtisch gekrallt und irgendwo neben ihr Bett gepfeffert, damit sie es nicht noch mal vergaß. Nun war sie ganz froh darüber, denn so brauchte sie nicht extra noch aufzustehen. Die Augen zu öffnen war schon schwer genug. Einen Moment überlegte sie, ob sie das tatsächlich auch tun sollte, denn das konnte ja eigentlich nichts Gutes heißen. Es war sicher noch total früh und mit ihren Freunden war sie heute etwas später zum Frühstück verabredet. Also konnte das nur bedeuten, dass schon wieder irgendwas anderes anstand und darauf hatte sie an ihrem freien Tag absolut keine Lust. So lag das Mädchen noch einige Minuten da und haderte mit sich, ob sie sich das wirklich antun oder lieber dem Verlangen nach Schlaf nachgeben wollte. Wenn auch schweren Herzens entschied sie dann doch für Ersteres. Unwillig schlug sie die Augen auf. Es war zwar schon hell, aber noch nicht so, dass es schon besonders spät sein konnte. Wer zum Teufel wollte jetzt schon was von ihr? Es dauerte einige Augenblicke, dann erkannte sie auf dem Display ein kleines blickendes Symbol, dass die Ankunft einer Mitteilung markierte. Zum Glück brauchte es keine großen Handgriffe um sie zu öffnen, und es wurde auch zuerst die neuste Nachricht angezeigt, denn wenn sie die hundert Mitteilungen vom Vortag, die ihr die besorgte Tifi geschrieben hatte, erst hätte löschen müssen, hätte Paula das Gerät wohl einfach lustlos wieder fallen gelassen. So stöhnte die Schülerin nur genervt auf, als sie las, was da geschrieben stand: “9 Uhr wird der Schularzt zur Untersuchung ihres Fußes einen Zimmerbesuch machen.“ Schularzt? Untersuchung? Erst nach einen Moment kehrte die Erinnerung an ihren lädierten Knöchel in ihr Bewusstsein zurück. Sie hatte das wirklich schon wieder vergessen, denn spüren konnte sie nichts mehr. Eigentlich war eine Untersuchung also unnötig, vor allem, wenn sie ihr den Schlaf vermieste. Aber was sollte es, da musste sie wohl durch. Zumindest würde der Arzt wohl zu ihr kommen, wenn sie das richtig verstanden hatte. Also konnte sich die Schülerin noch etwas entspannt zurücklehnen und dösen. Zumindest bis ihr Blick auf die Zeitanzeige des Messengers fiel. 8.50 Uhr stand, auch nach zweimaligem Hinsehen, unabänderbar da. Kurz versank diese Nachricht noch in dem Dämmerzustand, klopfte dann aber penetrant an die Tür des Bewusstseins. Als Paula dann endlich realisierte, was das eigentlich hieß, federte sie hoch. In 10 Minuten stand der Arzt vor der Tür, in ihrem Zimmer sah es aus, als ob eine Horde Tauros durchgerannt wäre und im Nachthemd wollte die Schülerin dem Unbekannten nun auch nicht gegenüber treten. Zwar hatte ein leichter Anflug von Panik Einzug gehalten, dennoch kletterte Paula vorsichtig aus dem Bett, zum Einen um ihren Kreislauf nicht gleich zu überfordern, zum Anderen um Akarin nicht aufzuwecken, denn eine aufgeregt umherwuselnde Echse konnte sie unter Zeitdruck nicht auch noch gebrauchen. Aber Glumanda machte nicht die geringsten Anstalten aufzuwachen. Ganz im Gegenteil, es machte sich, nun da seine Trainerin entschwunden war, erst mal richtig im Bett breit und schnarchte seelenruhig weiter. Paula musste lächeln, als sie das Bild beobachtete. Wie gerne hätte sie sich zu ihrem kleinen Liebling ins Bett gekuschelt, aber leider war ja Besuch auf dem Weg. Da die Uhr unaufhaltsam immer weiter lief, war nun langsam wirklich Eile geboten. Hastig suchte sich Paula ihre Freizeitsachen vom Boden zusammen, wechselte die Kleidung und sprintete kurz ins Bad, um dann zähneputzend das restliche Chaos vom Fußboden in ihren Schrank zu befördern. Richtig aufräumen konnte sie später immer noch. Kaum, dass sie die letzten Sachen hineingestopft hatte, klopfte es auch schon an der Tür. Die Schülerin hatte zwar so gar keine Lust aufzumachen, aber mittlerweile machte sich der Fuß auf Grund der stärkeren Belastung doch wieder ein wenig bemerkbar und so humpelte sie, nachdem sie noch schnell die Zahnbürste in Bad gebracht und dem Mund mit etwas Wasser ausgespült hatte, die wenigen Schritte zur Tür, um sie zu öffnen. Doch kaum hatte sie diese aufgemacht, erstarrte die Schülerin auch schon förmlich in ihrer Bewegung. Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus, ihre Augen weiteten erstaunt und eine Gänsehaut lief augenblicklich wie eine Welle über ihren gesamten Körper. Denn das, was sie vor der Tür sah, verschlug ihr einfach mal glatt weg die Sprache und das war bei ihr wirklich selten. Paula war wirklich vollkommen perplex, denn sie schaute gerade in die wundervollsten blauen Augen und das hinreißendste Lächeln was sie je gesehen hatte. Ihr Gehirn war plötzlich mit lauter klebrig süßer Zuckerwatte vollgestopft und sie meinte einige rosa fluffige Wölkchen im Hintergrund vorbeischweben zu sehen. Das junge Mädchen war wirklich nicht mehr Herrin ihrer Sinne. So sehr sie auch irgendetwas sagen wollte, ihr Sprachzentrum verweigerte ihr, genauso wie der Rest ihres Körpers, den Dienst. Dafür übernahm ihr Gegenüber die verbale Kommunikation, um das langsam unangenehm werdende, Schweigen zu durchbrechen. „Ich nehme an, du bist Paula? Ich bin Dr. Collins und man hat mir gesagt, dass ich mir mal deinen Knöchel anschauen soll. Darf ich reinkommen?“, fragte der Mann vor Paulas Tür höflich, aber schon leicht amüsiert nach. Es dauerte einen Moment bis seine Stimme, die wie flüssiger Honig klang, durch das Rauschen in ihren Ohren, das vom rasendem Puls kam, und dem Wattenebel in ihr Bewusstsein, drang. Am Rande realisierte das vom Anblick des Arztes benommene Mädchen dennoch, dass er eben Einlass verlangt hatte. Fast überstürzt riss sie die Tür nun ganz auf, trat hastig zur Seite und brachte fast ebenso hastig ein „Ja, natürlich.“ hervor. Warum sollte er auch nicht hereinkommen? Er sollte ja eigentlich nur nicht wieder gehen. Bei diesem Gedanken musste Paula selber verwirrt den Kopf schütteln. Was war nur schon wieder mit ihr los? Dieser Mann hatte so eine ungeheure Anziehungskraft auf sie, dass sie wie hypnotisiert an seinen Lippen hing, in der Hoffnung er würde gleich wieder mit der engelsgleichen Stimme zu ihr sprechen. Paula war so hin und weg, da war die Begegnung mit ihrem mysteriösen Retter vom Bahnhof nichts dagegen, auch wenn der sie schon verdammt aus der Spur geworfen hatte. Wieso gab es an der Akademie nur so viele gutaussehende Männer? Aber wenn sie sich diesen Mann so ansah, verstand Paula plötzlich wieso bei Ärzten immer von „Göttern in Weiß“ die Rede war. Wenn Dr. Collins nicht aussah wie ein Gott, dann wusste sie auch nicht. „So, dann setz dich doch mal auf dein Bett und ich schau mir mal das Problem an.“ Seine sanfte Stimme riss das fast schon ehrfürchtig erstarre Mädchen aus den Gedanken. Ohne auch nur ein Wort von den Lippen zu bekommen, schloss die Angesprochene endlich mal die Tür und ließ sich auf dem Bett nieder. Dr. Collins setzte sich neben sie und hob vorsichtig ihr Bein nach oben, um es genauer zu inspizieren. Seine Berührung ließ Paulas Puls noch weiter nach oben schnellen, außerdem saß er auch noch ganz nah neben ihr auf dem Bett... Das Mädchen merkte, wie es immer schwerer wurde ruhig zu atmen, denn ihre Gedanken machten sich gerade irgendwie selbstständig. Obwohl sie sich wirklich versuchte zusammen zu reißen, kam Paula einfach nicht umhin ihn immer weiter fasziniert anzustarren. Dabei konnte sie noch nicht einmal sagen was ihr an ihm am besten gefiel. Waren es seine kurzen, aber kräftig glänzenden brauen Haare, die schmalen aber auffallend leuchtenden Augen in der Farbe des Himmels, das leicht asymmetrische aber dennoch stimmig wirkende Gesicht, oder gar das charmante Lächeln auf den wundervoll sanft geschwungenen Lippen? Als der Gott in Weiß ihr das auch noch schenkte, war ihr fast als Schwanden ihr die Sinne. „Alles in Ordnung mit dir? Du siehst ein wenig fiebrig aus. Nicht, dass du dich auch noch erkältet hast.“ Fürsorglich beugte sich Dr. Collins nach vorn und streckte seine Hand aus, um nach ihrer Stirn zu fühlen. Paulas Augen weiteten sich als seine zarten Finger immer näher kamen und zu einer erneuten Berührung ansetzten, die ihr wohl das Bewusstsein rauben würden. Unwillkürlich schreckte sie ein wenig zurück, obwohl ihr Körper genau das Gegenteil sagte. „Keine Angst Paula, ich will nur deine Temperatur fühlen. Ich tu dir nichts.“ Der Arzt hatte das Zurückschrecken seiner jungen Patientin etwas missgedeutet. ‚Wie schade.’, schoss es durch Paulas Gedanken, woraufhin sie noch mehr errötete. Was zum Teufel dachte sie da nur ständig? Um nicht so aufzufallen, nickte sie nur schwach und richtet sich wieder gerade auf, damit der Arzt sein werk vollbringen konnte. Als seine kühle Haut auf ihre erhitzte Stirn traf, fühlte sich die Schülerin gequält und erlöst zu gleich, was sie noch mehr verwirrte. Dr. Collins verzog nachdenklich das Gesicht: „Hm, du bist ein bisschen warm, aber nicht besorgniserregend.“ Ohne weiter zu erklären kramte er in seiner Tasche herum und zog einen langen Gürtelähnlichen Gegenstand heraus. Als er ihr das Blutdruckmessgerät umlegte wünschte sich Paulal weglaufen zu können. So wie ihr Blut gerade durch die Adern raste, musste es doch mit Sicherheit das Gerät sprengen. Sie wollte auf keinen Fall, dass er irgendwie verdacht schöpfte, was wirklich mit ihr los war, obwohl sie das ja eigentlich noch nicht mal selber sagen konnte. „Nun ja, auch ein wenig erhöht. Sollte deine Temperatur weiter ansteigen, melde dich sofort bei mir. Momentan können es auch einfach so Nachwirkungen deines Ausfluges sein.“, er zwinkerte ihr wissend zu. „Ja wahrscheinlich.“, gab Paula zaghaft von sich, obwohl sie genau wusste, dass dies ganz bestimmt nicht der Grund war. Fast wünschte sie sich aber noch richtiges Fieber zu bekommen , um den Arzt wieder sehen zu können. „Das wird schon. Aber nun erst mal zu deinem Fuß. Also der sieht eigentlich schon wieder recht gut aus. Noch ein bisschen angeschwollen, aber irgendwelche Schäden kann ich nicht erkennen. Und da du bisher noch nicht geschrieen hast, nehm ich an, es tut auch nicht mehr sonderlich weh.“, stellte Dr. Collins lächelnd fest. Erst jetzt bekam Paula mit, dass er ihren Verband entfernt und ihren Fuß einer Tastuntersuchung unterzogen hatte. „Eh, ja, also ich meine nein. Es tut nicht mehr groß weh.“ Das Mädchen musste über ihre eigene Verwirrung leicht den Kopf schütteln. Warum konnte sie keine vernünftigen Sätze mehr herausbringen? Dr. Collins strahlendes Lächeln machte es ihr aber auch nicht gerade leichter nicht wieder in irgendwelche traumhaften Sphären abzudriften: „Na das ist doch wunderbar. Das Kraut war eine sehr gute Idee und der gute Verband hat den Heilungsprozess noch unterstützt. Hat dir dein kleiner, grüner Freund dabei geholfen?“ „Das war Taja.“, platzte es aus Paula heraus, doch so gleich viel ihr auf, dass die Antwort irgendwie nicht passte, denn das Mädchen was sie gestern zufällig kennen gelernt hatte, war weder klein und vor allem nicht grün. Der Arzt lachte amüsiert auf: „Ah, dann heißt dein Raupy also Taja?“ „Raupy?“, verständnislos sah Paula ihr göttliches Gegenüber an. „Das, was hinter dir hängt?“ Dr. Collins wies erheitert an dem Mädchen vorbei. Paula folgte seinem Verweis und merkte jetzt erst, dass die Raupe mal wieder kopfüber an einem Faden über ihrem Bett hing. Da es sich aber dieses mal etwas weiter hinten abgeseilt hatte und sie somit nicht mit dem Käfer über dem Kopf aufgewacht war, hatte Paula das kleine Pokémon beim Aufstehen in der Hektik mal glatt weg übersehen. Jetzt fühlte sie sich ein wenig dämlich, dass sie nicht einmal darauf gekommen war, was der Arzt gemeint hatte. „Ach so, ja, das ist mein Raupy.“, gestand sie ein wenig beschämt, „Taja, also die Schülerin, die mir nach meinem Unfall geholfen hat, hat seine Seide irgendwie benutzt um den Verband zu machen.“ „Verstehe. Sehr gute Arbeit, von beiden. Dein Raupy hat eine wirklich ausgesprochen feine Spinnseide. So eine Qualität sieht man selten. Ich habe auch einen kleinen Verbandshelfer, siehst du?“ Kaum hatte Dr. Collins es ausgesprochen, tauchte ein kleiner gelber Wurm aus seinem Pokéball auf. „Oh, ein Hornliu.“ Zum Glück kannte Paula dieses Käferpokémon und blamierte sich nicht wieder vor dem gottgleichen Mann. „Genau und es machte ebenfalls sehr gute Seide. Ich trage dir jetzt eine kühlende Salbe auf, wir machen dir einen neuen Verband und wenn du ihn nicht zu sehr belastest, wird dein Knöcheln in zwei Tagen wieder voll funktionsfähig sein.“, erklärte er ihr, während er schon damit begann, den Fadenschuss des Käfers so um den Fuß seiner Patientin zu wickeln, dass er einen festen, aber angenehm zu tragenden Verband ergab. Fasziniert beobachtete das Mädchen seine geschickten Hände. Dann aber konzentrierte sie sich wieder aufs wesentliche, denn sie hatte noch eine Frage, die sie unbedingt loswerden musste. „Soll ich dann noch mal zur Kontrolle kommen?“, fragte Paula zögerlich, doch auch eine Spur hoffnungsvoll. „Naja, eigentlich nicht, es sei denn es gibt Komplikationen.“, erwiderte Dr. Collins. Als er jedoch das leicht enttäuschte Gesicht des Mädchens sah, fügte er noch hinzu: „Aber vielleicht gehen wir lieber auf Nummer sicher. Auch wegen des Fiebers. Also schau übermorgen nach dem Unterricht in der Krankenstation vorbei. Sollte es schlimmer werden, natürlich auch schon vorher. Ich bin immer für dich da.“ Das charmante Zwinkern, dass er ihr dabei zuwarf, ließ Paula fast umkippen. Doch sie kriegte gerade noch so die Kurve und brachte ein paar gestammelte Worte hervor: „Eh ja, gut werd ich machen.“ „Gut, dann wäre meine Visite für heute beendet. Ich wünsch dir gute Besserung. Schon dich etwas.“ Mit einem hinreißenden Lächeln erhob er sich, packte die Sachen zusammen und wandte sich gen Tür. Paula war fast schon erschrocken über das jähe Ende ihres wunderbaren Tagtraums. Etwas in ihr schrie ihn aufzuhalten, doch ihr Gehirn versagte ihr erneut den Dienst und so fiel ihr nichts ein, was den Arzt noch länger bei ihr gehalten hätte. „Okay. Vielen Dank.“ Das Mädchen musste sich echt zusammen reißen, die Enttäuschung nicht in ihren Worten mitklingen zu lassen. „Nichts zu danken.“ Der Gott in Weiß war schon fast zur Tür heraus, drehte sich dann aber noch einmal um, als wäre ihm noch etwas eingefallen, was Paula Hoffnung schöpfen ließ, er würde vielleicht doch noch etwas verweilen. „Ach wegen deinem Raupy. Es hätte gute Vorraussetzungen für eine medizinische Ausbildung. Ich biete im zweiten Halbjahr einen Erste Hilfe Zusatzkurs mit Pokémon an, also wenn du Lust hast, würde ich mich über eure Teilnahme freuen.“, bot er ihr lächelnd an. Das Herz der Schülerin machte einen kleinen Luftsprung. Er wollte sie in seinem Kurs dabei haben. Etwas bessres konnte ihr doch gar nicht passieren. „Ja, klar. Sehr gern. Mir.. eh, ich meine Raupy wird das sicher super gefallen.“, nickte das Mädchen eifrig. „Na dann trag ich euch schon mal auf meine Kursliste ein. Also dann bis in zwei Tagen.“ Mit einem fröhlichen Zwinkern war Dr. Collins nun wirklich aus der Tür heraus und ließ eine Schülerin mit extremen Herzklopfen zurück. Es verging noch eine ganze Weile, bis Paula aus ihrer Starre erwachte und sich verzückt seufzend aufs Bett fallen ließ. Dass sie dabei halb auf Akarin landete und die kleine Feuerechse damit aus dem Schlaf riss, bekam die Schülerin nur am Rande mit. Akarin sah sie zwar fragend an, da seine Trainerin aber keine Anstalten machte irgendwie zu reagieren, zuckte die rote Echse nur mit den Schultern und rollte sich auf Paulas Bauch wieder zusammen. Im Gegensatz zu seiner Trainerin, bei der an Schlaf nicht mehr zu denken war. Da sie noch genügend Zeit hatte, lag sie einfach nur da und träumte mit offenen Augen von ihrem himmlischen Besuch. Erst das Klopfen an der Tür brachte das völlig benommene Mädchen wieder zur Besinnung. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es nun langsam Zeit fürs Frühstück wurde. Hunger hatte sie jedenfalls keinen, denn ihr Bauch war bereits vollgefüllt mit einem so wohlig warmen Gefühl, dass da gar kein Essen mehr Platz haben konnte. Aber auf Paula warteten ja immerhin ihre Freunde und die wollten nun sicher wissen, was am Vortag alles passiert war, da sie gestern Abend ja keine Zeit mehr gehabt hatten, sich auszutauschen. Auch wenn Paula sich momentan ganz und gar nicht darauf konzentrieren konnte, so stand sie doch auf um sich den sicher kommenden Fragen ihrer Klassenkameraden zu stellen. Akarin schlief immer noch seelenruhig und so vertrant wie seine Trainerin gerade war, tat sie sich ausnahmsweise nicht einmal schwer damit, dass kleine Feuerpokémon in seinen Ball zu holen. Raupy war inzwischen dagegen munter und ließ sich ganz bereitwillig in die Tasche fallen, als Paula sie ihm hinhielt. Da sie ja bereits angezogen war, brauchte sie nun nicht mehr lange, um beschwingt die Tür zu öffnen. Draußen wurde die Schülerin schon von drei neugierigen Gesichtern erwartet. „Guten Morgen du Schlafmütze, na hast du dich von gestern schon erholt? Du siehst ein wenig kränklich aus.“, erkundigte sich Tifi beim Anblick, des immer noch von einem leuchtendroten Schimmers überzogenen Gesichts ihrer Freundin, besorgt. „Ja ja, alles Bestens.“, gab Paula grinsend zurück, „Aber was heißt hier Schlafmütze? Ich bin schon seit ner ganzen Zeit wach. Ich hatte heute schon Besuch.“ Paulas seeliges Lächeln und der verträumte Blick stießen bei ihren Freunden auf Verwunderung, sodass Manja interessiert nachhakte: „Besuch so früh am Morgen? Von wem denn?“ „Ach, das erzähl ich euch dann. Lasst uns erst mal frühstücken gehen, sonst ist es eher Mittag.“ Mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen, spazierte Paula an ihren Klassenkameraden vorbei und freute sich daran die Anderen noch ein wenig schmoren zu lassen. Die noch Unwissenden sahen sich kurz an, zuckten mit den Schultern und folgten der Schülerin dann nach unten in den Speisesaal. Von dem lädierten Knöchel sah man außer dem aus den Socken hervorlugenden Verband nicht wirklich etwas. Zwar versuchten sie schon auf dem Weg etwas aus ihr herauszubekommen, doch Paula gab kein Wort von sich, bevor sie nicht alle, einschließlich Akarin und Raupy, mit einem reichlichem Frühstück an einem abgelegenen Tisch saßen und wirklich Ruhe hatten. „Na los, nun erzähl schon.“, drängte Tifi vor Neugier fast zum Platzen gespannt, kaum das sie Platz genommen hatten. „Jaja, schon gut. Also...“ Durch einen kräftigen Biss in ein Croissant mit Marmelade legte Paula noch eine Kunstpause ein, begann dann aber endlich ganz ausführlich von ihrer morgendlichen Begegnung mit einem Gott zu berichten. Während die beiden anderen Mädchen gespannt lauschten, schaltete Gonni nach der Info, dass ein Arzt bei ihr gewesen war, um ihren Knöchel zu untersuchen, ab. Was interessierte ihn denn, was der Typ für himmlische Augen oder ob er Grübchen gehabt hatte? Da waren die Brötchen auf seinem Teller doch bei Weitem spannender. Nachdem Paula gute zehn Minuten später mit der bis ins kleinste Detail reichende Beschreibung von Dr. Collins endlich mal fertig war, grinsten auch Manja und Tifi. So wie ihre Freundin ihn nur nach einem kurzem Treffen vergötterte, musste er wohl wirklich direkt vom Himmel kommen. „Den müssen wir uns doch glatt mal anschauen.“, meinte Manja schelmisch grinsend. „Klar, ihr könnt mich ja begleiten, wenn ich übermorgen zur Kontrolle gehe.“ Beim Gedanken daran ihn schon so bald wiedersehen zu können, blitzten Paulas Augen regelrecht auf. Tifi musste beim Anblick ihrer Freundin vergnügt lachen: „Oh ja, das lasen wir uns natürlich nicht entgehen. Aber was ist denn nun eigentlich gestern passiert? Davon hast du noch gar nichts erzählt.“ „Ach stimmt ja.“, fiel es Paula plötzlich wie Schuppen von den Augen, „Es ist echt so viel passiert, ich glaub, da sitzen wir noch ne Weile.“ „Wir haben doch Zeit.“, warf Gonni trocken ein. Die Erzählung von Paulas kleinem Abenteuer war sicherlich interessanter als irgend so ein Arzt und heute drängte sie ja nun wirklich nichts. Außerdem hatten die Mädchen vor lauter Gequatsche noch so gut wie kein Bissen gemacht, also würden sie wohl eh noch eine ganze Weile im Speiseraum verbringen. „Na ok. Also, ich hatte ja die Auseinandersetzung mit der blöden Wettbewerbstussi und weil ich keine Lust hatte, ewig auf das Ende der Stunde zu warten, bin ich lieber mit Akarin trainieren gegangen. Oder na ja, zumindest wollte ich das, aber dann...“ Und so ließ Paula die Geschehnisse des Vortags noch einmal Revue passieren. „Oh man, wir sollten dir deinen Messenger echt anbinden. Das war ziemlich unvernünftig. Wir haben uns nämlich echt Sorgen gemacht, als wir dich nirgendwo finden konnten und du dich nicht gemeldet hast.“ Tifi klang fast ein wenig vorwurfsvoll, als sie dies sagte. „Ja tut mir ja leid, war ja nicht geplant, dass ich mich verlaufe und nen Hang runterfalle. War halt einfach Pech.“, erwiderte Paula nur schulterzuckend. Sie hatte ihre Freunde ja nicht mit Absicht in Aufregung versetzten wollen und so hatte sie auch nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, auch wenn sie die kleine Rüge verstand. „Naja, passiert. Aber zumindest hattest du Glück, dass du nicht allein durch den Wald irren musstest.“ Manja hatte sich zwar auch Sorgen gemacht, aber für sie war das ganze schon erledigt. „Das stimmt allerdings.“ Beim Gedanken an ihre neue Freundin glitt wieder ein strahlendes Lächeln über Paulas Gesicht. Sie hatten sich so gut verstanden, nur leider war Taja dann am Abend gleich wie vom Erdboden verschluckt gewesen, sodass sie sich gar nicht mehr richtig hatte bedanken können. Mit der plötzlichen Eingebung, sie könnte ja ebenso gerade frühstücken, stand die Schülerin abrupt auf und sah sich auf den umliegenden Plätzen um. Doch von dem Mädchen mit den langen dunklen Haaren, gab es keine Spur. Als sie in die fragenden Gesichter ihrer Freunde blickte, musste Paula ihre Aktion erklären: „Taja war gestern Abend plötzlich weg und da wollt ich schauen, ob ich sie hier gleich finde. Dann hätten wir zusammen fertig frühstücken und ich mich bedanken können. Aber sie ist nicht da.“ Ohne es zu wollen klang es ein wenig bedrückt. Irgendwie hätte sie das Mädchen gern mit dabei gehabt. „Da sie in unsere Klasse geht, werden wir sie wohl spätestens heute Nachmittag zur Fangeinführung sehen.“, merkte Manja an, woraufhin sich Paulas Miene wieder erhellte. „Stimmt ja, ich seh sie ja sowieso täglich.“ Paula war erst jetzt richtig bewusst geworden, dass sie Taja wohl schon so einige Male in der Klasse begegnet war, ohne sie richtig zur Kenntnis zu nehmen. Doch das sollte sich jetzt definitiv ändern. Plötzlich war sie wieder gut gelaunt. „Und was machen wir bis dahin? Weiter die Gegend erkunden?“, erkundigte sich die Schülerin bei ihren Freunden. „Na vielleicht erst mal fertig frühstücken, sonst sitzen wir bis Nachmittag hier rum.“, gab Gonni von sich, da es ihm langsam auf den Wecker ging, dass die Drei über dem ganzen Geschnatter völlig das vergaßen, weswegen sie eigentlich hergekommen waren. „Ja schon gut.“ Fast gleichzeitig bissen die Mädchen in ihre Brötchen. Tifi war am schnellsten fertig und konnte deshalb die bereits geschmiedeten Pläne erklären: „Also wir wollten uns gestern Nachmittag eigentlich an unsere Zusatzhausaufgabe für Heilkunde setzen, aber dann warst du ja plötzlich unauffindbar und deswegen sind wir nicht dazu gekommen. Also sollten wir das heute machen, denn so wie die Lehrer es bereits angekündigt haben, werden wir wohl nächste Woche schon genug normale Hausaufgaben haben.“ „Och nö, so was blödes. Dabei ist draußen so ein schönes Wetter.“ Paula hatte die unliebsame Arbeit schon wieder erfolgreich verdrängt und nun schon wieder was lernen zu müssen, wenn andere ihren freien Tag genossen, passte ihr so ganz und gar nicht. „Wenn wir es noch weiter aufschieben, kommen wir nur in Zeitnot. Außerdem sind wir zu viert, wie lang kann das da wohl dauern? Wir können uns doch auch draußen hinsetzen, stehen doch genug Bänke und Tische rum.“, versuchte Manja dem ganzen zumindest ein wenig Positives zu geben. „Hm, na von mir aus.“ Auch Paula war klar, das sie die Aufgabe nicht ewig vor sich hinschieben konnten und so stimmte sie schließlich geknirscht zu. „Na super, wenn ihr dann endlich mal fertig seid, holen wir unser Zeug und fangen an.“ Mit seinem Aufstehen beendete Gonni das Frühstück. Paula hatte zwar immer noch ein Stück Croissant übrig, aber das war schnell verschlungen und so konnten sie aufbrechen. Jeder schwirrte kurz in sein Zimmer um das nötige Schreibzeug und Bücher zu holen. Wenige Minuten später trafen sich die Vier unten vor der Eingangstür. Das schöne Wetter hatte einige Schüler nach draußen gelockt und so tummelte sich schon eine erhebliche Schar. Trotzdem ließ sich noch eine freie Bank finden, wo sie sich niederlassen und das ganze Arbeitsmaterial ausbreiten konnten. „Am besten nimmt sich jeder ein paar Pflanzen, schreibt das Wichtigeste dazu auf und zum Schluss werfen wir es zusammen und machen vielleicht noch ne Übersicht oder so, damit es besser aussieht.“, schlug Tifi vor. „Hm, ist ja schön und gut, aber weiß noch einer von euch, wie die Pflanzen hießen, die wir zusätzlich machen sollten?“ Paula hatte die ganze Aufgabe so gut wie verdrängt gehabt, da konnte sie sich erst recht nicht daran erinnern, wie das blöde Zeug hieß, das ihnen den Ärger eingebrockt hatte. „Ja, gute Frage.“ Auch Manja hatte sich das nicht gemerkt. Gonni zuckte nur mit den Schultern: „Na dann müssen wir wohl das Buch durchblättern, bis wir sie wiedergefunden haben, müssen wir doch mit den noch Fehlenden eh machen.“ Er nahm sich sein Heilkundebuch und fing an zu blättern. „Na toll.“ Paulas Laune sank drastisch, als sie den fetten Wälzer vor sich liegen sah. Es konnte Stunden dauern da die paar Pflanzen zu finden, die sie brauchten. „Wir könnten auch noch mal in den Garten gehen und da nachsehen. Zumindest die Namen unserer Zusatzpflanzen finden wir dann leichter.“, gab Tifi zu bedenken. Aber ihr Vorschlag stieß bei Paula auf wenig Gegenliebe: „Och nö, nicht noch mehr Pflanzen. Am Ende passiert wieder was und wir machen noch mehr Strafarbeit. Ich hab so schon keine Lust auf den Mist.“ „Nun hör auf zu meckern, sondern fang an.“ Mit diesem Kommentar schlug auch Manja ihr Buch auf und fing an, nach den Zielobjekten zu suchen. Paula grummelte nur noch etwas unverständliches, bevor auch sie sich ihrem Schicksal ergab und die Nase unwillig ins Buch steckte. Auch Taja hatte es an diesem Tage ein wenig länger in ihrem Bett ausgehalten, denn so richtig schnell einschlafen, hatte sie nach dem kleinen Abenteuer nicht können. Nun fühlte sich das Mädchen aber schon wieder ausgeruht, auch wenn ihr Kopf immer noch voll schwirrender Gedanken, ihre Begegnung mit Paula betreffend, war. Das Frühstück hatte sie aber dennoch ausfallen lassen, da sie ihren Magen zu gut trainiert hatte, als dass er ihr noch Hunger anzeigte. Flemmli hatte dagegen heute zum ersten Mal einen recht großen Appetit gezeigt und sein Futter nicht erst eine Stunde misstrauisch beäugt, bevor es sich zum Fressen bequemt hatte. Offensichtlich wurde es doch langsam ein wenig zutraulicher, was seine Trainerin wirklich sehr freute. Während die Sonne nun allmählich ihren Mittagsstand anlief, hatte sich Taja an ihren Schreibtisch gesetzt und die ganzen Unterrichtsstunden noch einmal nachgearbeitet oder auch schon einiges vorbereitet. Doch so richtig konnte sich die gewissenhafte Schülerin heute nicht konzentrieren. Immer wieder glitt ihr Blick zum schönen Wetter nach draußen und ihre Gedanken zu jenem Mädchen, dass sie gestern kennen gelernt hatte. Sie wusste selbst nicht wirklich warum, aber irgendwie ging ihr Paulas Lächeln und ihre strahlenden Augen nicht aus dem Kopf. Sie war gleich so vertrauensselig gewesen, obwohl sie sich doch gerade erst kennen gelernt hatten. Aber auch wenn ihre offene Art für Taja ein wenig sonderbar gewesen war, so hatte sie sich doch in ihrer Gegenwart sehr wohl gefühlt. Seit gestern hatte die sonst so willkommene Stille ihres Zimmers plötzlich etwas Bedrückendes an sich. Das Mädchen konnte nicht sagen warum, aber eine innere Unruhe hatte sie erfasst. Irgendetwas zog sie nach draußen. „Hm, vielleicht sollten wir bei dem schönen Wetter die frische Luft genießen, oder was meinst du?“ Die Frage war rein rhetorisch, denn Sakura war eh in ihrem Pokéball und konnte nicht antworten, aber irgendwie hatte es sich Taja zur Gewohnheit gemacht, ständig mit dem Feuerküken zu reden. Wer wusste schon ob die Pokémon in ihren Bällen nicht doch etwas mitbekamen? Aber diesen Forschungen konnte sie sich vielleicht später widmen. Jetzt erfasste sie erst mal der Drang den Sonnenschein auf der Haut zu spüren. Mit vorsorglich gepacktem Rucksack und einem Lehrbuch unter dem Arm, verließ Taja ihr Zimmer und ging nach unten. Als sie durch die Türe trat und ihr das Geschnatter und Gewusel der ganzen anderen Schüler, denen es scheinbar genauso wie ihr ergangen war, entgegenschlug, wäre das schüchterne Mädchen am liebsten eigentlich sofort wieder umgekehrt. Doch die Verlockung der inzwischen richtig warmen Sonnenstrahlen war größer und so sah sie sich nach einem freien Platz um. Vielleicht fand sie ja etwas Abgeschiedenes. Während ihr Blick suchend über die Sitzplätze glitt, blieb sie plötzlich an etwas haften, mit dem sie nicht so richtig gerechnet hatte. Ein zwar noch nicht lang bekannter, aber doch schon seltsam vertrauter Haarschopf war etwas weiter hinten über ein Buch versunken. Taja hielt unwillkürlich die Luft an. Da saß ganz eindeutig Paula! Plötzliche Aufregung überkam die Schülerin. Was sollte sie denn jetzt bloß machen? Irgendetwas in ihr drängte sie dazu, sofort zu ihrer gestrigen Bekannten zu gehen, doch der andere Teil hatte zu viel Angst davor. Was sollte sie denn sagen? Sicher, ein einfaches Hallo war nicht das Problem, aber wie würde es dann weiter gehen? Sie würde sich blöd vorkommen, wenn sie nichts Vernünftiges zu erzählen hätte. Außerdem wusste Taja ja noch nicht mal, ob ihre Mitschülerin heute ebenso mit ihr reden wollte. Vielleicht hatte ihr die gestrige Begegnung ja schon gereicht. Und sie saß da nicht allein, sondern war umringt von ihren Freunden. Genau wie am Abend fühlte sich Taja bei dem Anblick des Grüppchens irgendwie fehl am Platz. Die anderen waren zwar auch ihre Mitschüler, aber sie kannte sie ja so gut wie gar nicht, also was, wenn die sie nicht mochten? Taja wollte sich ja auf keinen Fall irgendwo reindrängen. So wie es schien, waren sie alle auch mit Lernen beschäftigt und da wollte wie ebenso wenig stören und überhaupt... Nachdem all die wirbelnden Gedanken in ihrem Kopf ihr bewusst machten, dass sie besser nicht dort hingehen sollte, unterdrückte Taja den Impuls auf ihre Klassenkameradin zu zugehen. Auch wenn es ihr schwer fiel, wandte sie den Blick ab und suchte sich einen Platz am Rande eines Tisches unter einem großen Baum. Er warf zwar ziemlich viel Schatten, sodass sie wohl kein wärmender Sonnenstrahl treffen würde, doch hier war es einigermaßen ruhig und auch weit genug entfernt, dass Paula sie sicher nicht bemerken würde. Seufzend ließ sich Taja nieder und schlug ihr Buch auf. Auch wenn sie so gerne wieder Paulas Gesellschaft genossen hätte, sie hatte einfach zu viel Angst vor möglicher Ablehnung. Sicher, sie hatten sich gestern wirklich super verstanden, aber wer konnte schon sagen, wie das heute unter normalen Umständen aussah. Es war dem Mädchen einfach zu riskant ihre schöne Erinnerung an die gemeinsamen Stunden kaputt zu machen. Als zog sie es wie immer vor, in der Ferne zu bleiben und aus dem Schatten zu beobachten. Es fiel Taja enorm schwer sich aufs Lesen zu konzentrieren. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie ihr Blick zu der anderen Bank floh. Nachdem sie einen Satz nun bereits zum fünften Mal gelesen hatte, wurde die Schülerin langsam ärgerlich über sich selber. ‚Reiß dich gefälligst zusammen! Sie hat dich doch eh schon wieder vergessen, also konzentrier dich aufs Lernen, da hast du mehr davon!’, schollt sie sich innerlich. Auch wenn da immer noch ein gewisser innerer Widerstand war, der sie immer wieder ablenken wollte, heftete Taja ihren Blick nun doch bewusst starr auf die Seiten und versank so nach einiger Zeit wieder völlig in ihrer eigenen Welt. „Ach Asche, ich hab keinen Bock mehr!“, fuhr Paula entnervt hoch und verlieh ihrem Frust zusätzlich durch das heftige Zuknallen ihres dicken, langweiligen Wälzers Ausdruck. Die restlichen Anwesenden des Tisches zuckten angesichts dieses plötzlichen Ausbruchs erschrocken zusammen. „Na so kommen wir aber auch weiter.“ Manja sah ihre Mitschülerin ein wenig vorwurfsvoll an, obwohl auch sie es langsam leid war, dass die Erfüllung ihrer Zusatzhausaufgaben so schleichend voran schritt. „Na was denn? Ich blätter das blöde Buch nun schon zum dritten Mal durch und hab trotzdem erst eine Pflanze gefunden. Das bringt doch so nichts!“, fauchte Paula zurück. Ihre Laune war wirklich am Tiefpunkt. Sie hasste es hier sinnlos ihre Zeit tot zu schlagen und nicht im Entferntesten einen Schritt weiter zu kommen. Missmutig lehnte sie sich auf den Tisch und stützte ihren Kopf mit ihrem Arm ab, der im stummen Protest auf dem Heilkundebuch positioniert war. „Ach komm schon, versuch weiter zu machen. Wir sind doch bald fertig, dann helfen wir dir auch.“, versuchte Tifi ihre mies gelaunte Freundin wieder zu motivieren. Nur ohne großen Erfolg. Paula hatte den Kopf zur Seite gedreht und ließ ihren Blick desinteressiert in der Gegend schweifen. „Das bringt nichts. Ich find das Mistzeug nicht und wenn ich noch zehn Jahre in dem Buch blätter. Ich sag einfach, ich habs nicht gefunden und gut ist.“, murmelte sie geistesabwesend vor sich hin. „Aber Paula, du kannst doch nicht...“ Doch so ein richtig überzeugendes Argument fiel Tifi grad auch nicht ein. Gonni verdrehte nur die Augen und sparte sich den Atem, denn Paula sah nicht so aus, als würden sie die Worte der Anderen in irgendeiner Weise interessierten, wenn sie sie überhaupt erreichten. Klar, irgendwo hingen sie da alle mit drin, aber Prof. Achiella hatte nicht gesagt, dass es darauf eine Note geben würde oder, dass sie bei nicht vollständiger Erfüllung noch ne Zusatzaufgabe kriegen würden, also war es ihm herzlich egal, wenn Paula rumbockte. Die hatte sich in der Zwischenzeit ganz ihrem Frust hingegeben und futterte innerlich vor sich hin, während ihr Blick über die Umgebung schweifte, um irgendetwas Interessantes zu finden, dass sie von der unangenehmen Aufgabe hätte ablenken können. Doch die anderen Schüler sahen nicht besonders spektakulär aus und von ihren Gesprächen verstand sie auch immer nur Fetzen, sodass sich Paula nicht die Mühe machte ihre Aufmerksamkeit auf sinnloses Geplänkel zu lenken. Es musste doch noch irgendwas Anderes, außer blöder Bücher, Wiese, Bäume und jede Menge fremde Köpfe geben. Und plötzlich kreuzte ihr Blick auch tatsächlich etwas, das sich lohnte darauf zu verweilen. Mit einem Male richtete sich Paula wieder kerzengrade auf und das Gewitter auf ihrem Gesicht verwandelte sich in puren Sonnenschein. „Was ist denn mit dir?“ fragten ihre Klassenkameraden fast gleichzeitig, weil Keinem die plötzliche drastische Stimmungswandlung entgangen war. Paulas Grinsen wurde noch breiter und in ihre Augen trat ein schelmisches Funkeln, als sie sich zu den Drein wand: „Ich hab grad die Lösung für unser Problem gefunden. Ich bin gleich wieder da.“ Noch ehe die Anderen nachfragen konnten, war das Mädchen aufgesprungen und bewegte sich zielstrebig auf ein ihnen unbekanntes Ziel zu. Nur Paula wusste ganz genau wo sie hin wollte. Unter all den Fremden meinte sie eine bekannte Gestalt entdeckt zu haben, die zwar gerade in einem Buch versunken und ihr dennoch schon so seltsam vertraut war, sodass sie glaubte, sie hätte das Mädchen wohl überall wieder erkannt. So fast ängstlich zusammengekauert im schützenden Schatten der Bäume und völlig abwesend von der Umwelt... das konnte nur Taja sein. Dass ihre Mitschülerin auch heute ohne Schuluniform die Farbe Lila trug, machte es natürlich noch einfacher. Mit einem hüpfenden Gefühl der Vorfreude ging Paula auf ihre neue Freundin zu und baute sich mit verschränkten Armen direkt neben ihrem Platz am Rande des Tisches auf. „Was hatte ich dir denn gestern gesagt?“, fragte die Schülerin halb amüsiert, halb vorwurfsvoll nach. Es hatte zwar eine ganze Weile gedauert, aber nun konnte sich Taja wieder voll und ganz auf ihre Lektüre konzentrieren und sog die Wörter praktisch vom Papier, in der Hoffung sich auch möglichst viel davon zu behalten. Wissen konnte nie schaden und sie wollte sich gerade am Anfang erst gar nicht in Versuchung bringen das Lernen schleifen zu lassen. Immerhin wurde eine Menge von ihr erwartet und noch höhere Ansprüche stellte sie an sich selbst. Und dennoch bereute sie es nicht, der stickigen Luft ihres Zimmers heute einmal entkommen zu sein, denn der sanfte Wind auf ihrer Haut war wirklich ein angenehmes Gefühl, das half sich etwas zu entspannen. Den Rest der Welt hatte das ruhige Mädchen einfach ausgeblendet und der schien sie ebenfalls zu übersehen. So war sie umso erschrockener, als plötzlich neben ihr eine laute und vor allem bekannte Stimme ihr Unsichtbarkeitsschild durchbrach und sie in die Wirklichkeit zurückholte. Völlig verwirrt und verschreckt zugleich, fuhr Taja hoch und sah sich um. Doch sie brauchte nicht lange zu suchen, denn die Person, die es eben gewagt hatte mitten in ihre Abgeschiedenheit zu platzen, stand mit einem herausfordernden Grinsen direkt neben ihr. Als Taje erkannte, dass es sich hierbei um Paula handelte, überlief sie ungewollt eine Gänsehaut und ließ sie noch einmal zusammen zucken. Nicht, dass sie Angst vor ihrer Klassenkameradin hatte, nein eigentlich machte ihr Herz gerade ebenso ungewollt einen Freudenhüpfer, nur hatte Taja eben nicht damit gerechnet, dass Paula sie entdecken und schon gar nicht dann auch noch bei ihr auftauchen würde. Der Hüpfer ihres Herzens wurde inzwischen zu einem unregelmäßigen Galopp und leichte Röte schoss ihr ins Gesicht, denn so fragend wie Paula sie ansah, wartete sie auf eine Antwort. Doch Taja war es im Augenblick nicht möglich Eine zu geben, nicht nur, weil alles in ihrem Körper vor Aufregung zu zittern begann, sondern auch, weil sie die Frage gar nicht realisiert hatte. Paula dagegen amüsierte sich prächtig über die Reaktion ihrer Mitschülerin. Es war wirklich lustig, wie sich das leichenblasse Gesicht mit den verschreckt aufgerissenen, großen braunen Augen, zu einer noch nicht ganz reifen, verlegenen Tomate verwandelte. „Na?“, hakte sie noch einmal nach, auch wenn sie Taja natürlich nicht quälen wollte. Diese war inzwischen komplett durcheinander, da sie absolut nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie wollte ja auf keinen Fall irgendwas Blödes heraushauen und suchte deshalb innerlich verzweifelt nach einer Antwort, die zu jeder Frage passen konnte, ohne gleich völlig ihre Ahnungslosigkeit die Frage betreffend zu verraten. „Ehm, ich weiß es nicht.“, brachte sie schließlich halb stotternd nach quälenden, scheinbar endlos langen Augenblicken heraus, da ihr das am Unverfänglichsten schien. „Hach“ Paula seufzte theatralisch auf, sodass Taja schon Angst bekam, sie hätte genau das Falsche gesagt. Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als ihre Mitschülerin sich auf den Tisch stützte, ihre Lippen leicht trotzig nach vorne schob und sie mit fast zusammengekniffenen Augen fixierte. Doch Paula wollte Taja einfach nur ein wenig necken und das schien auch gut zu funktionieren, wie das fast verängstigte Gesicht des Mädchens verriet. Um sie noch etwas weiter zu reizen, beugte sich Paula vor und sah ihr direkt in die Augen, als sie Taja an ihre Worte erinnerte: „Ich hab gesagt, du musst offener werden und auf Leute zugehen, wenn du neue Freunde finden willst. Also? Warum bist du nicht zu uns gekommen? Und erzähl mir nicht, du hast uns nicht gesehen. Wir sitzen genau im Sichtfeld wenn man zur Türe rausgeht.“ Paula wollte ihr erst gar keine Gelegenheit zu Ausflüchten geben, „Oder magst du mich etwa nicht mehr?“ Tajas Miene verwandelte sich augenblicklich in tiefe Bestürzung: „Doch, doch natürlich. Nur... nur ich wollte einfach nicht stören.“ Verlegen senkte die Schülerin den Kopf. Eigentlich würde sie so etwas vor kaum einer Person gestehen, erst recht nicht, wenn sie sich erst so kurz kannten. Aber Paula... bei ihr war alles irgendwie anders. Nur Taja wusste selbst nicht warum. Im ersten Moment blitzte etwas wie Verärgerung in den Augen ihres Gegenübers auf, was aber sogleich einem halb tadelnden, halb belustigten Blick wich. „So ein Quatsch. Wieso solltest du stören?“ Paula konnte nur den Kopf schütteln. „Naja, ihr saht so beschäftigt aus... du und die Anderen...“ Taja ließ den Satz unbewusst offen, Paula verstand aber trotzdem auf was das wohl abzielte. Anscheinend hatte ihre neue Freundin wohl Angst davor gehabt, dass Paulas andere Freunde sie nicht mögen würden. „Ach du.“, seufzte sie mit einer Mischung aus Ernst und Belustigung, während sie innerlich weiter den Kopf schüttelte, wie man sich nur so viele Gedanken um etwas so einfaches machen konnte. Doch für Taja war Kontakte zuknüpfen alles andere als einfach. Sie hatte von Klein auf nicht viel Zeit in Gesellschaft verbracht und war es einfach nicht gewohnt mit anderen zu kommunizieren, geschweige denn, sie für sich zu gewinnen. Die tief sitzende Angst vor Ablehnung ließ sie jedes Mal einen Rückzieher machen, bevor sie auch nur einen Fuß auf andere zugegangen war. Aber Paula war nicht der Mensch der ein Kneifen duldete. Ohne Vorwarnung schnappte sich das Mädchen Tajas Buch und zog es weg. Als diese leise protestierend ihre Hand danach ausstreckte, wurde diese ebenfalls gekrallt. Mit einem entschlossenen „Na los, komm mit.“ zog Paula das schüchterne Mädchen hoch. Taja hatte gerade noch genug Zeit sich ihre Tasche zu schnappen, bevor sie von Paula mitgezogen wurde. „Aber...“ „Nix aber.“ Paula erstickte jeglichen Protest im Keim und bahnte sich zielstrebig mit ihrer neuen Freundin an der Hand einen Weg durch die anderen Tische, bis sie wieder an ihrem ursprünglichen Sitzplatz angekommen waren. Dass Taja inzwischen vor Schrecken fast das Herz stehen geblieben und jegliche gesunde Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war, schien Paula entweder nicht zu bemerken oder sie ignorierte es einfach mal. Je näher sie dem angestrebten Tisch kamen, desto unwohler fühlte sich Taja und sie hätte sich am Liebsten losgerissen. Zumindest ein Teil von ihr, denn der Andere genoss es irgendwo Paulas Aufmerksamkeit zu haben und von ihr mitgeführt zu werden. „So, darf ich vorstellen, das ist Taja.“, stellte Paula das ängstlich guckende Mädchen an ihrer Seite ihren anderen Freunden vor. Taja musste erst einmal den fetten Kloß in ihrem Hals herunter würgen, der sich durch die spontan entstandene ungewohnte Situation gebildet hatte. Die Gesichter der drei Anderen, die sie ja auch schon aus der Klasse kannte, lagen scheinbar erwartungsvoll auf ihr, sodass in ihrem Inneren schon wieder ein ungeheurer Druck auf ihr lastete. Ihre Gedanken wirbelten so durcheinander, dass sie noch nicht mal ein einziges Wort daraus richtig kristallisieren, geschweige denn verbalisieren konnte. Doch zum Glück half ihr Tifi die erste Hürde mit einem freundlichen Lächeln und ein paar netten Worten zu überwinden: „Hallo, schön dich kennen zu lernen.“ Da Paulas Freunde doch nicht den Eindruck machten, als wollten sie Taja gleich fressen, brachte das aufgeregte Mädchen nun doch ein zaghaftes „Hallo“ über die Lippen. „Ah, die mit dem komischen Flemmli.“, begrüßte Gonni Paulas Begleitung auf seine Art, was ihm jedoch einen finsteren Blick seiner drei Klassenkameradinnen und einen kleinen Fußtritt von Paula einbrachte, obwohl er das eigentlich nicht mal negativ gemeint hatte. „Komm setz dich.“ Manja rutschte ein Stück rüber und deutete einladend auf den freien Platz. Ehe Taja auch nur dankend nicken konnte, hatte Paula sie schon in die Bank geschoben, sie sanft, aber bestimmend runtergedrückt und sich an die andere Seite gesetzt um jegliche Fluchtmöglichkeit zu verhindern. Die Schülerin fühlte sich in mitten so vieler Personen etwas unwohl, aber zumindest Paulas Anwesenheit beruhigte sie doch insoweit, dass sie nicht unruhig auf ihrem Sitzplatz umherrutschte. Trotzdem konnte Taja nicht verhindern, dass ihr Blick verlegen hin und her huschte. Ihren Mitschülern entging natürlich nicht, dass ihre neue Bekanntschaft ziemlich nervös wirkte. Um es nicht noch schlimmer für sie zu machen, ergriff erneut Tifi das Wort. „Schön, dass du sie endlich gefunden hast.“, wandte sie sich zunächst an Paula, um dann für Taja erklärend hinzuzufügen: „Sie hat heut schon den ganzen Tag nach dir gesucht, um sich zu bedanken.“ Unwillkürlich riss Taja vor Erstaunen die Augen auf. Paula hatte sie nicht nur nicht vergessen, sondern auch tatsächlich noch nach ihr gesucht? Das konnte doch gar nicht sein. Aber als sie in Paulas strahlendes Gesicht sah, glaubte sie den Worten ihrer Mitschülerin. „Stimmt, das hät ich beinahe schon wieder vergessen. Also danke noch mal, dass du mir gestern so geholfen und dich um meinen Knöchel gekümmert hast.“, setzte Paula die Erinnerung gleich um. ‚Stimmt, ihr verletzter Knöchel. Ach Mist, warum bist du da nicht drauf gekommen?’, schollt sich Taja innerlich. Das wäre das perfekte Thema gewesen, um Paula ansprechen zu können, ohne sich zu blamieren und ihr war es einfach nicht eingefallen. Zum Glück war sie noch geistesgegenwärtig und schnell genug um ein „Und wie geht es dir jetzt?“ hervorzubringen, bevor es ihr wieder die Sprache verschlug, da Paula ihre Dankbarkeit gleich noch in einer herzlichen Umarmung zum Ausdruck brachte, die Tajas Herz zum Stillstand gebracht hätte, wenn sie auch nur ein wenig länger gedauert hätte. So viel Nähe war die sonst so eigenbrötlerische Schülerin einfach nicht gewöhnt und doch schoss ein angenehm warmes Gefühl durch ihren Körper. So warm, dass sie meinte innerlich zu verglühen und sicherlich komplett feuerrot sein zu müssen. Doch da sie niemand auf etwas Derartiges hinwies, war das wohl nur Einbildung. „Tut überhaupt nicht mehr weh.“, verkündete Paula strahlend, ohne von dem halbem Ohnmachtsanfall ihrer Nachbarin etwas mitzubekommen. Sie dachte auch nicht im Entferntesten daran, dass ihre Umarmung solche Auswirkungen gehabt haben könnte, denn immerhin war das was ziemlich normales. Nur für Taja eben nicht. „Das freut mich.“, brachte diese nur knapp heraus, um ihre zittrige Stimme möglichst zu verbergen. „Das hab ich dir, dem Verband und dem komischen Kraut zu verdanken.“, lächelte Paula weiter, sodass Taja gleich wieder leicht die Röte ins Gesicht stieg. „Ach, das war doch nichts weiter. Das Meiste hat dein Raupy gemacht. Und dass ich das Sedarus-Kraut kannte, war ja auch nur Zufall.“ Taja konnte mit Komplimenten nicht umgehen, auch wenn sie indirekt kamen und versuchte wie immer alles runterzuspielen. „Trotzdem, ohne dein Wissen hätte ich jetzt sicher einen für Wochen unbrauchbaren Knöchel. Es ist schon toll, so viel über Heilkräuter zu wissen. Ich wünschte, ich könnte mir das auch alles merken.“ Paula seufzte leise und warf einen verstohlenen Blick auf das kaum zu übersehende Heilkundebuch neben ihr. Plötzlich ging ihren Freunden ein Licht auf. Das hatte das Mädchen also vorhin mit ’Lösung ihres Problems’ gemeint. Manja und Gonni konnten sich ein wissendes Grinsen nicht verkneifen, während Tifi für einen Moment erschrocken guckte, weil man durch diese Aktion fast den Eindruck gewinnen konnte, Paula hatte Taja nur angeschleppt, weil sie nützlich für ihre Hausaufgaben war. Auch wenn sie sich erst seit einer Woche kannten, so durchtrieben hatte sie Paula nicht eingeschätzt. Als ihr jedoch einfiel, dass ihre Mitschülerin schon den ganzen Tag nach ihrer Helferin gesucht hatte und das ehrliche Lächeln sah, mit dem Paula ihre neue Freundin bedachte, verwarf sie diesen Gedanken gleich wieder und setzte eine amüsierte Miene auf, als ihr bewusst wurde, wie taktisch geschickt Paula gerade vorgegangen war. „Ach, das ist eigentlich gar nicht so schwer und zur Not gibt es ja hilfreiche Bücher.“ Taja hatte als Einzige noch nicht durchschaut was hier gerade lief. „Meinst du? Hm, na ja aber mit denen komm ich irgendwie nicht zurecht.“, meinte Paula mit großen Augen und zog ganz unschuldig ihr Blatt mit den zu bearbeitenden Pflanzen heraus, „Die hier zum Beispiel kann ich nirgends finden.“ Taja besah sich das Blatt interessiert, bemerkte dann, um was es sich dabei handelte und musste innerlich schmunzeln. Da lag also das Haspiror im Pfeffer. Aber Paula guckte sie mit einem so treuherzigen Blick an, dass sie gar nicht anders konnte, als ihr die Lösung zu nennen. Aber ihr machte das eigentlich auch nichts aus, nein, die schüchterne Schülerin war sogar sehr froh, dass es um etwas ging, von dem sie auch Ahnung hatte und wo sie behilflich sein konnte. „Seid ihr im Unterricht nicht fertig geworden, oder warum macht ihr das jetzt erst?“, erkundigte sich Taja trotzdem mal so zwischendurch. Alle vier sahen sich kurz verlegen an, was Taja verwundert beobachtete. „Eh na ja, das war so...“ Und schon erzählte Paula noch mal, was für unerfreuliche Begegnungen sie mit einigen Bewohnern des botanischen Gartens gehabt hatten. „Ah verstehe und jetzt braucht ihr noch diese Pflanzen um die Strafarbeit von Prof. Achiella zu beenden?“, langsam sah Taja durch. Dass ihre neuen Bekannten beinahe ihren jetzt schon geliebten Garten abgefackelt hätten, verdrängte das Mädchen mal lieber schnell. „Genau, aber wir haben keine Ahnung wie die hießen.“, brachte Manja das Problem auf den Tisch. Taja überlegte kurz, ehe sie mit ernster Miene antwortete: „Ich kenne sie leider auch nicht, aber auf Seite 425 gibt es eine Tabelle, wo die meisten gebräuchlichen Pflanzen nach ihrer Wirkung sortiert aufgelistet sind. Dort müssten sie eigentlich namentlich zu finden sein, denn ihr wisst ja, was sie bewirken und könnt sie so indirekt suchen. Und wenn sie nicht im Buch sind, gibt es immer noch den Pflanzenkatalog des botanischen Gartens.“ Für einen Moment herrschte Stille am Tisch. Alle vier sahen ihre Mitschülerin an und es ging ihnen der gleiche Gedanke durch den Kopf... das Mädchen kannte tatsächlich die genaue Seitenzahl einer Tabelle in diesem fetten Wälzer und wusste, dass es einen Katalog über die ganzen Pflanzen gab? War das Mädchen mit der lila Uniform einfach nur ne Streberin oder hatten sie wirklich schon SO viel in der ersten Woche verpasst? Als Taja die Augen der Anderen auf sich ruhen sah, bekam sie erneut etwas Farbe, zog die Schultern ein und vertiefte sich hastig im Buch, um die entsprechende Seite zu suchen. „Also ich denke, dass hier könnte sie sein.“, gab sie kleinlaut von sich, um die langsam unangenehm werdende Stille zu durchbrechen. Paula beugte sich zu ihr herüber und bekam erneut große Augen. „Volltreffer!“, rief sie freudig aus und gleich noch hinterher, „Taja du bist echt ein Schatz.“, was diese nur noch verlegener machte. Während die Anderen ihre Notizen erweiterten, fahndete Taja nach dem letzten fehlenden Grün, allerdings ohne Ergebnis, wie sie nach einer Weile feststellen musste. „Hm, ich werde einfach im Katalog nachsehen gehen und euch die Informationen heraussuchen.“, bot die gewissenhafte Schülerin ihre Hilfe an. Paula zog daraufhin allerdings eine Schnute: „Nö, jetzt gibt’s erst mal was zum Mittag.“ Kaum einer hatte bemerkt, wie die Zeit davongeflogen war, doch jetzt nach der Erwähnung, meldeten sich auch noch drei andere Mägen. Nur Tajas blieb wie immer ruhig. „Okay, dann werde ich es euch danach geben. Wollen wir uns hier wieder treffen? Ich weiß nicht, ob ich euch im Speisesaal wiederfinde.“, gab Taja zu bedenken. Diese Äußerung brachte ihr jedoch nur einen verständnislosen Blick ihrer neuen Freundin ein. „Wieso denn ‚wiederfinden’? Du kommst doch mit essen.“ Letzteres war noch nicht mal als Frage ausgedrückt. Taja sah Paula ein wenig erstaunt an. Sie hatten gerade eine gute Stunde zusammen gesessen und die Arbeit erledigt, bei der sie hilfreich sein konnte und Paula wollte sie immer noch in ihrer Nähe? „Eh, ich hab aber gar keinen Hunger.“, erwiderte Taja zaghaft. Paula zog fragend die Augenbrauen hoch. Dem Mädchen musste man wohl alles direkt sagen. „Na so siehst du auch aus.“ Auch wenn das etwas weitere T-Shirt ihre Figur verhüllte, war unverkennbar, dass Taja die Schmalste am Tisch war und sicher nicht auf eine Mahlzeit verzichten sollte, wenn sie nicht als Gerippe herumlaufen wollte. „Also dann, Sachen zusammenpacken und los geht’s.“ Auch wenn Paulas Ton vielleicht ein wenig zu befehlshaberisch war, hatte kurz vorm Mittag niemand mehr Lust sich mit ihr anzulegen und so packten alle fünf schnell zusammen und brachen Richtung Speisesaal auf. Und damit Taja auch auf keinen Fall stiften gehen konnte, nahm Paula sie erneut an der Hand. Wenn es sein musste, kette sie ihre neue Freundin auch mit Handschellen an sich, nur damit sie regelmäßig etwas aß. Das Mittagessen verlief reibungslos, wenn auch ziemlich langsam, denn Paula plapperte unaufhörlich und Taja musste sich durch einen Berg von Essen kämpfen, bei dem ihr allein vom ersten Anblick schlecht geworden war. Da die fünf Schüler der C-Klasse für die Einführungsveranstaltung zum Pokémonfangen zu einem etwas abseits gelegenen Waldstück mussten, wurde die Suche nach dem letzten Kraut auf den Abend verschoben, denn zeitlich hätten sie es nach dem opulenten Mahl nicht mehr geschafft. So wanderten sie nun gemeinsam über das Akademiegelände und halfen sich gegenseitig mit Informationen zu den einzelnen Gebäuden weiter, da sich anscheinend jeder andere Häuser eingeprägt hatte. Unterwegs kamen auch immer mehr Mitschüler dazu, auch von den anderen Einsteigerklassen, da diese Veranstaltung eh für alle gleich war. Auf der Wiese vor dem Waldrand hatte sich schon eine Traube Schüler versammelt. Auch wenn sie nicht durch die unterschiedlichen Farben ihrer Schuluniformen gekennzeichnet waren, so ließ sich doch recht gut herausfinden, wer in welche Klasse gehörte. Alles was verachtend auf seine Umwelt nieder blickte, war wohl eindeutig A-Klasse und da die ihnen die Gesichter ihrer Mitschüler langsam bekannt waren, blieb für die anderen, meist etwas Jüngeren nur die B-Klasse. Etwas weiter entfernt entdeckte Paula Luna, ihre Bekanntschaft der Schülerkonferenz, doch die war mit ihren Freundinnen beschäftigt und so begrüßten sich die Beiden nur mit einem fröhlichen Winken. Von Leroy und seinen Kumpanen war zum Glück noch nichts zu sehen. Die hatten es wohl nicht nötig. Die Schüler brauchten sich nicht lange die Beine in den Bauch zu stehen, denn fast augenblicklich erschienen die drei Klassenleiter und Prof. Weston. Paula lief ein Schauer über den Rücken als ihr Blick auf Lukosch fiel. Es hätte ihr durchaus gereicht den Mann erst in zwei Tagen wiederzusehen. Den Blicken ihrer Freunde zu urteilen, waren diese der selben Meinung. Doch jetzt gab es wichtigeres als sich über ihren unfairen Mathelehrer aufzuregen. Die Lehrer warteten nur einige Minuten bis die letzten Nachzügler eingetroffen waren, dann begann die schon heiß ersehnte Einführung. „Nun dann Schüler, lauschet meinen Worten und prägt sie euch gut ein.“, schallte Prof. Westons Stimme über die Köpfe hinweg. „Nicht unwesentlich für das Vorrankommen als Pokémon-Trainer, ist das zu Eigen machen neuer Kampfgefährten. Da wir zunächst euer Grundgeschick im Umgang mit diesen Wesen zu begutachten hatten, war euch dies bisher verwehrt. Nun seid ihr dazu bereit befunden wurden, sodass ihr von nun an, die Möglichkeit bekommt mehr oder weniger uneingeschränkt Pokémon zu fangen.“ Damit schien er mit seinem Teil der Einführungsrede fertig zu sein, denn der Klassenlehrer der B-Klasse trat nach vorn und berichtete weitere Einzelheiten. „Ich hoffe ihr brennt alle schon darauf, ins Abenteuer zu stürzen und neue Pokémon zu fangen. Auf dieser Insel leben fast alle bekannten Pokémon in den verschiedensten Gebieten. Doch noch nicht für alle Spezies seid ihr bereit, sodass es ein kleines Punktesystem geben wird, dass euch in eurer Ausbildung unterstützen und weitestgehend Unfälle vermeiden soll.“ Als er den misstrauischen Blick einiger Schüler beim Wort „weitestgehend“ bemerkte, zwinkerte der Mann mittleren Alters ihnen aufmunternd zu. „Also, ihr werdet von nun an jeden Monat ein gewisses Kontingent an Punkten gut geschrieben bekommen. Diese könnt ihr durch gute Noten, Mitarbeit, Zusatzarbeiten, gute Kampfergebnisse und natürlich auch durch das Fangen von Pokémon erhöhen. Diese Punkte spiegeln sozusagen eure Erfahrung wieder. Man kann Punkte auch gegen Items, die ihr zur Versorgung eurer Pokémon benötigt, wie Tränke oder Pokébälle, eintauschen, wenn ihr über kein so reichliches Taschegeld verfügt, um sie euch anderweitig zu besorgen.“ Ein spöttisches Schauben kam von irgendwoher, was wohl ganz zweifelsfrei einem A-Klasse-Schüler zugeordnet werden konnte. Professor Amber sah verärgert in die Richtung, fuhr dann aber mit der Ansprache fort. „Aber keine Angst, euer Erfahrungslevel sinkt dann dadurch nicht wieder. Die verschiedenen Punkte werden gesondert registriert. Bedeutend für heute, sind die Punkte, die ihr euch nur selbst erarbeiten könnt. Für das Fangen von Pokémon bedeutet das: je mehr ihr sammelt, desto mehr Gebiete dürft ihr im Laufe der Zeit erforschen, wo ihr auf immer seltenere Pokémon treffen werdet. Nach wie vor dürft ihr nicht einfach irgendwo auf dem Inselgelände herumlaufen. Um dies zu gewährleisten wird es noch eine Neuerung für euch geben. Bevor wir euch in die Wildnis entlassen, wird auf eurem Messenger ein Programm installiert, das als Ortungssignal dient. Keine Sorge, ihr werdet nicht auf Schritt und Tritt überwacht. Falls ihr einem euch noch gesperrten Gebiet nähert, wird euch das Gerät warnen. Ignoriert ihr dies und, glaubt mir, das kann man nicht einfach überhören, und übertretet die Grenze, werden wir informiert und es wird schlimme Folgen haben, darauf könnt ihr euch verlassen.“ Der fast fröhliche Ton mit dem sie dies sagte, konnte einem regelrecht Angst machen. „Ach und denkt ja nicht, dass ihr die Messenger einfach vor der Grenze oder irgendwo anders liegen lassen könnt, um euch unbemerkt davon zu schleichen. Ich verrate euch nicht was dann passiert, aber beherzigt lieber meinen Rat. Es ist zu eurem eigenen Besten.“ Viele machten ein langes Gesicht, da ihnen diese Variante wohl gerade eingefallen war und nun ihre Hoffnungen doch wieder zu Nichte gemacht waren. Doch die Aufmerksamkeit wurde sogleich auf Prof Lukosch gerichtet, der wohl auch noch ein paar grimmige Worte an sie zu richten hatte: „Obwohl ihr das nicht verdient hat, ist die Akademie so gütig und schenkt jedem von euch...“ er zögerte kurz und schien zu überlegen, welches Wort er benutzen durfte, „...Schülern zehn Pokébälle. Aber vergeudet sie nicht gleich an den ersten nutzlosen Wurm, mehr kriegt ihr nicht von uns. Und nun fangen wir endlich an mit der Demonstration.“ Als er von nutzlosen Würmern sprach, fühlte sich Paula direkt angegriffen und mochte den Lehrer nun noch weniger. Sie würde auf jeden Fall ihren ersten Pokéball dazu verwenden einen Wurm zu fangen, aber einen der total süß war. Einen Moment dachte sie darüber nach, Raupy direkt vor der Nase des Mathelehrers zu fangen, aber das würde wohl unangenehme Fragen zur Herkunft ihres grünen Freundes aufwerfen und das wollte sie nachdem sie gestern so glimpflich davon gekommen war, nicht riskieren. Außerdem wurde die Aufmerksamkeit der Schüler eh auf den Hauptteil der Veranstaltung gelenkt. Prof. Weston hatte einen kleinen Käfig hervorgeholt, während Prof. Lukosch einen seiner Schüler, man erkannte es am arroganten Grinsen, zu sich gewunken hatte. Der unbekannte Auserwählte ließ sein Larvitar frei und schickte es gegen das eben aus dem Käfig gelassene Zigzachs. Prof. Weston kommentierte den Vorgang mit Erklärungen zum Fangen eines Pokémon, die die meisten aber eh schon kannten, weshalb dem Ganzen nur mit einem oder nur halben Ohr zugehört wurde. Nachdem das Pokémon zum Vorzeigen seinen Platz im Pokéball gefunden hatte, war es zum Glück schon vorbei und wurde interessanter. „So gleich habt ihrs geschafft. Da das heute euer erster Ausflug in die Wälder ist, möchten wir, dass ihr nicht allein geht. Schließt euch bitte in Vierergruppen zusammen und bleibt das dann auch annähernd. Dann holt ihr euch das Programm und die Bälle von eurem jeweiligen Klassenlehrer ab und dann kann’s auch schon losgehen. Ihr habt 4 Stunden Zeit, dann meldet ihr euch bei uns wieder zurück. Ihr müsst es heute nicht übertreiben, ihr habt schließlich ab jetzt jeden Tag Zeit. Wenn’s Probleme gibt, sagt sofort Bescheid. Na dann mal los und viel Erfolg beim Fangen eurer ersten Pokémon.“ Damit hatte Prof. Amber den offiziellen Teil beendet und wandte sich der Vergabe der Pokébälle zu. Die Schüler hatten jedoch erst mal noch damit zu tun, sich zu gruppieren. Ziemlich schnell wurde dabei deutlich, dass sich die Trennung der Klassen in den Köpfen schon festgesetzt hatte, denn gemischte Gruppen wurden noch nicht mal in Betracht gezogen. Für Taja bestand allerdings ein anders Problem. Ihr war die ganze Sache mit den Gruppen gar nicht recht, denn sie wollte allein gehen damit es nicht zu Schwierigkeiten mit Sakura kam. Auch wenn Flemmli gestern recht positiv auf Paula und Glumanda reagiert hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie auch andere Pokémon akzeptieren würde und sie wollte sich ja nicht gleich wieder unbeliebt machen. Außerdem waren Paula und ihre Freunde schon zu viert, da war für sie kein Platz. Also trat sie ein wenig zurück um Abstand zu gewinnen und unbemerkt zu Prof. Amber zu gehen. Doch ihr Plan ging nicht auf. „Wo willst du denn hin?“ Paula hatte die Flüchtige schneller am Arm gepackt, als sie gucken konnte. „Naja, Pokébälle holen.“, gab diese verlegen zurück. „Das machen wir gleich alle zusammen. Ich will nur nicht in der ganzen Masse stehen.“, erklärte Paula ihr Zögern. „Ehm, na ja ich dachte mir, ich geh vielleicht besser allein. Wegen Flemmli und ihr seid ja auch schon zu viert.“, brachte Taja leicht stockend hervor und wandte betreten den Blick ab. Doch Paula ließ das nicht durchgehen: „So ein Quatsch, Flemmli wird sich schon zusammenreißen und mit der Gruppenaufteilung kriegen wir das schon hin. Die werden uns schon auch zu fünft gehen lassen. Du kommst jedenfalls mit mir.“ „Aber…“ Doch Paulas Blick ließ Taja schon im Ansatz verstummen. Ihre neue Freundin schien in mancher Hinsicht wohl keine Widerworte zu dulden. Das Problem mit der Gruppierung löste sich allerdings auch im nächsten Augenblick von selbst, denn einer ihrer Klassenkameraden kam herüber und fragte Gonni, ob er nicht mit ihnen gehen wollte, da ihrer Jungengruppe noch ein Mitglied fehlte. Gonni zuckte nur mit den Schultern: „Geht klar.“ Ihm war das auch eigentlich wirklich egal, mit wem er durch den Wald streifte und wenn er nicht vier quatschende Mädels um sich hatte, die alle Pokémon verscheuchten, war ihm das auch ganz recht. „Also dann wir sehen uns später.“ Mit einem kurzen Wink wandte er sich ab und begleitete den anderen Jungen zu seiner Gruppe. Taja sah ihm mit einem reichlich schlechten Gewissen nach. Nur wegen ihr hatte er gehen müssen und dabei waren die vier schon länger Freunde und er hätte das Vorrecht gehabt und… „Nun guck nicht so, für uns ist das völlig in Ordnung. Ich freu mich, dass du mitkommst.“ Paula hatte den schuldbewussten Blick ihrer Kameradin gesehen und versuchte sie zu beruhigen, auch wenn sie sich selbst nie um solche Sachen einen Kopf machte. Klar wäre es gut gewesen, wenn sie alle zusammen hätten gehen können, denn dann hätte man Tifi und Gonni vielleicht gaaaanz unbeabsichtigt allein im Wald stehen lassen können, aber dazu gab es sicher auch noch später genügend Gelegenheit und jetzt war es erstmal wichtiger Taja bei sich zu behalten, damit das Mädchen ihre Scheu verlor. Nachdem auch Tifi und Manja nickend Paulas Worte bestätigt hatten, fühlte sich Taja nicht mehr ganz so miserabel und fehl am Platz. „Gut, na dann können wir ja los machen. Die Schlange hat sich auch gelichtet.“ Paula war sichtlich zufrieden mit der Situation. Die vier Schülerinnen gingen zu ihrer Lehrerin, die sie beim Überspielen des Peilsenderupdates auf ihren Messenger angesichts der Konstellation ihrer Gruppe leicht stirnrunzelnd ansah. „Na zum Glück könnt ihr ab heute nicht mehr so einfach verloren gehen.“ Dabei sah sie Paula und Taja ganz besonders intensiv an. Während Paula daraufhin grinste, lief Taja dagegen leicht rot an. „Hier habt ihr noch eure Pokébälle und dann kann’s los gehen. Ich wünsch euch viel Glück. Aber seid vorsichtig.“ Ihre ernste Miene wurde von einem eher belustigten Zwinkern unglaubwürdig gemacht. Die Mädchen nickten alle brav, obwohl es nur zwei davon auch ernst nahmen. Die kleine Schachtel mit den zehn Pokébällen und dem Gürtel mit Halterungen zum Befestigen der Fangutensilien nahmen dagegen alle sehr gern an. Nun waren sie wirklich fertig ausgerüstet für die Jagd. Dieser Gedanke zauberte allen einen vorfreudigen Glanz in die Augen. „Dann mal auf in den Wald.“ Manja stapfte euphorisch los, wurde aber schon nach wenigen Schritten durch Paulas Ruf gestoppt. „Einen Moment noch, ich hab noch was ganz wichtiges zu erledigen.“ Ohne weitere Erklärung setzte sie in aller Ruhe ihre Rucksack ab und kaum, dass sie ihn öffnete, kam ein runder grüner Kopf neugierig heraus. „Ah Raupy.“ Tifi verstand was ihre Freundin vorhatte, die eben ihr zugelaufenes Pokémon vorsichtig auf den Boden absetzte und sich davor positionierte. „So Raupy, nicht erschrecken, ich fang dich jetzt, damit du auch offiziell mein Pokémon bist und nicht irgendwer rummeckern kann.“, sprach sie in der Hoffnung, dass der rot-weiße Ball, den sie nun so sanft wie möglich auf ihren Käferfreund fallen ließ, ihn nicht verschrecken würde. Doch als das Fangobjekt den grünen Kopf erreichte, machte Raupy keine Anstalten zusammenzuzucken. Als es sich in eine rote Silhouette verwandelte, die aufgesogen wurde, herrschte für einen Moment gespannte Stille, doch es dauerte nur einen Wackler lang, bis endlich das Erfolg verkündende Geräusch ertönte und der Ball ganz still im Gras lag. „Hey, ich habe ein Raupy gefangen!“, verkündete Paula grinsend und lautstark, wenn auch mehr zum Spaß und nicht um zur Schau zu stellen, dass sie wohl die Erste dieses Jahrgangs war, der dein Pokémonfang geglückt war. „Herzlichen Glückwunsch. Und bekommt Raupy nun auch einen Namen?“, erkundigte sich Tifi lächelnd. „Hey, sehr gute Idee!“ Paula verzog grübelnd das Gesicht. Raupy brauchte einen tollen, imposanten Namen, denn irgendwann, in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft, würde es als prächtiges Smettbo die Lüfte erobern. Laut Pokédex war Raupy männlich, also durfte er auch nicht niedlich sein. Plötzlich ging ein Strahlen über das Gesicht der Trainerin. „Ha, ich hab den perfekten Namen!“ Keine Sekunde später stand Raupy wieder in voller Größe, insofern man das bei einem 30 cm großen Wurm sagen konnte, vor ihr und strahlte sie ebenso an. Paula fuhr ihm über den Kopf und ließ stolz verlauten: „So Raupy, nun sind wir wirklich für immer Freunde und weil du was Besonderes bist, bekommst du nun einen Namen. Von heute an sollst du auf den Namen Hermes hören.“ Angesichts der Würdigung wuchs Raupy gleich ein paar Zentimeter und sah nun ebenso stolz aus, wie seine Trainerin. Nachdem nun auch diese Formalität geklärt war, Raupy nun Träger eines Namens und zur Sicherheit wieder in seinem Pokéball war, immerhin befanden sie sich noch in Sichtweite der Lehrer, konnten sie wirklich starten. „Na los! Lasst uns den Wald unsicher machen und ganz viele neue Freunde finden!“ Gut gelaunt schulterte Paula ihren Rucksack, winkte ihren Freundinnen auffordernd zu und übernahm die Führung in die unbekannten Gefilde des Waldes in dem hoffentlich viele Pokémon auf sie warten würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)