Avatar - Wege des Schicksals von DoctorMcCoy ================================================================================ Kapitel 12: Der Schlangenpass ----------------------------- „Das ist doch nicht wirklich dein Ernst, oder Toph?“ Geschockt sah Serina ihre Meisterin an. Das konnte wohl nur ein schlechter Scherz sein. Das hatte sie wahrscheinlich nur gesagt, damit Serina noch zusätzlich Angst bekam. Doch Toph grinste sie schief an und Serina wusste sofort, dass es ihr ganz und gar ernst war. Doch viel schlimmer war es noch, dass Toph daran so einen großen Gefallen hatte. „Seit wir hier durch die Gegend gelaufen sind, hatten wir überhaupt keine Zeit zu trainieren. Da wird es höchste Zeit. Immerhin willst du doch eine Meisterin der Erde werden. Da dürfen wir keine Zeit verlieren.“ Seufzend nahm Serina die Augenbinde entgegen. „Aber doch nicht unbedingt, wenn wir gerade den Schlangenpass überqueren“, sagte sie resigniert. „Das ist doch gefährlich genug.“ „Da wir jetzt zu dritt sind, gibt es keine Probleme. Du konzentrierst dich auf dein Training. Ich achte auf die Umgebung, sowie auf deine Sicherheit und Tao wird das Wasser im Auge behalten. So kann uns nichts überraschen.“ Toph schien mit ihrer Planung sehr zufrieden zu sein und Serina musste zugeben, dass es gut durchdacht war. Sie nahm die Augenbinde entgegen. „Aber warte noch bis wir dort sind. Ich denke, sie werden Wachen postiert haben.“ Der Weg zum Schlangenpass verlief ohne Zwischenfälle. Obwohl sie wieder so nah an Ba-Sing-Se waren, dass sie die einzelnen Steine sehen konnten, aus dem die Mauer gefertigt worden war, begegneten sie keiner einzigen Patrouille. Toph hatte Rech behalten, als sie vermutet hatte, dass sie schon viel weiter entfernt nach ihnen suchten. „Wachen?“, fragte Serina geschockt. Das wurde ja immer besser. „Natürlich“, antwortete Toph, als ob es die selbstverständlichste Sache auf der Welt sei. „Sie wollen wissen, wohin wir gehen, darum werden sie alle Posten bewachen, an denen wir vorbeikommen könnten. Aber wir werden nicht mit ihnen kämpfen. Und auf keinen Fall wirst du deine Wasserbändigerfähigkeiten einsetzen. Das wirst du von jetzt an überhaupt nicht mehr tun. Außer im äußersten Notfall, wenn ich es dir erlaube.“ Serina schluckte. Ihre Wasserbändigerkräfte waren bisher das Einzige, was ihr Mut gemacht hatte, denn Wasserbändigen war das Einzige, was sie so richtig gut konnte und es verschaffte ihr eine Art von Sicherheit. Wenn sie nicht mehr bändigen durfte, konnte sie sich überhaupt nicht mehr verteidigen. Ein unbehagliches Gefühl machte sich in ihr breit. Ein Gefühl der Hilflosigkeit. „Du wirst von jetzt an nur noch Erdbändigen. Das wird zum Einen eine gute Übung und zum Anderem eine hervorragende Tarnung sein“, fügte Toph noch hinzu. Serina war alles andere als angetan von der Idee. Zwar stimmte sie Toph in allen Punkten zu, trotzdem hatte sie Angst, ihren einzigen Schutz, den sie besaß, einfach so aufzugeben. Tao bemerkte das natürlich, wie er sonst auch alles bemerkte. Er trat von hinten an Serina heran. Er legte eine Hand auf ihre Schulter und beugte sich zu ihr herunter. „Ich bin bei dir“, flüsterte er ihr ins Ohr. Serina lächelte leicht und freute sich ein weiteres Mal, dass Tao sie begleitete. Vielleicht war sie ja doch nicht so hilflos und alleine, wie sie glaubte. „Meine süße Zuckerschnute“, fügte er nun lauter hinzu. „Tao!“, regte sich Serina auf und konnte nicht verhindern, dass sie rot anlief. „Was ist denn?“, kam es gespielt unschuldig von Tao. Doch niemand hätte ihm das bei seinem schelmischen Grinsen abgekauft. Toph schüttelte den Kopf vor so viel kindlichem Verhalten. Sie konnte sich nicht erinnern, selbst einmal so gewesen zu sein. „Hört zu. Wir haben keine Zeit für so etwas. Wir müssen dringend hier weg. Und ich habe auch schon eine Idee, wie wir an den Wachen vorbeikommen.“ Eine wirklich zutiefst langweilige Arbeit. Eigentlich hatte er sich am Schlangenpass etwas mehr Action versprochen. Doch dieser Wachdienst war nicht viel aufregender als jener auf der Mauer. Man stand sich nur stundenlang irgendwelche Löcher in den Bauch, ohne dass irgendetwas geschah. Und wenn man ihn gefragt hätte, hätte er direkt gesagt, dass dieser Wachposten eigentlich ziemlich überflüssig sei. Immerhin ging es dort zum Schlangenpass und selbst der Avatar konnte nicht so verrückt sein, dass er dort hinüber wollte. Die Geschichten müssten eigentlich bis zum Wasserstamm vorgedrungen sein. Aber er hatte natürlich keine Angst. Er war ein furchtloser Erdbändiger. Ihn konnte so leicht nichts umhauen. Ein leises Rascheln und er zuckte zusammen. Sein Kollege musste sich bemühen, nicht vor Lachen auf die Knie zu fallen. „Hey, Alter, das war bestimmt nur ein Tier.“ Er klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. Doch Mikor war sich da nicht so sicher. Das Rascheln ließ wenn überhaupt schon auf ein großes Tier schließen. Vielleicht sogar ein sehr großes Tier. Er hatte zu viele Geschichten vom Schlangenpass gehört, als jetzt ruhig bleiben zu können. Er schüttelte den Kopf. „Wir sollten aufpassen“, riet er seinem Partner. „Mach dir mal nicht in die Hose. Hier ist weit und breit keine lebende Seele außer uns beiden!“ Doch dann raschelte es erneut. Dieses Mal wurde es sogar lauter und Mikor zuckte ein weiteres Mal zusammen. „Da ist auf jeden Fall etwas. Das kannst du nicht verleugnen“, sagte er verängstigt. Er wollte gar nicht so genau wissen, worum es sich handelte. Am liebsten hätte er sofort das Weite gesucht. Sein Partner, der wohl die Gedanken von Mikor gelesen hatte, meinte: „Bleib bloß auf deinem Posten. Sonst bist du schneller gefeuert, als dass du Pentapocken sagen kannst.“ Auch wenn Mikor seinem Kollegen ungern Recht gab, so tat er es dieses Mal. Er musste dort ausharren, was auch kommen möge. Und dann kam es. Jetzt waren deutlich auch noch Schritte zu hören. Beide Wachen verkrampften sich, doch blieben konzentriert. So viel Erfahrung hatten sie immerhin. Sie machten sich auf eine große Bestie bereit, die leider ausblieb. Aus dem Gebüsch kam eine alte Frau gestolpert, ihren Körper auf eine Krücke gestützt. Sie schien nicht genau zu wissen, wo sie war, denn sie sah sehr verwirrt aus. Außerdem schien sie blind zu sein, wie Mikor fest stellte, als er sie näher betrachtete. Er ging einen Schritt auf sie zu. „Können wir ihnen helfen, Mam? Haben sie sich verlaufen?“ Die alte Frau blickte auf, als sie die Stimme der Wache vernahm. „Bist du das, Kel? Wieso hast du mich einfach so alleine gelassen?“ Sie ging auf die Quelle der Stimme zu und packte die Wache fest am Arm. „Jetzt kannst du mir nicht einfach wieder so davon laufen.“ Mikor versuchte sich zu befreien, doch die alte Dame hatte für ihre Statur und Alter einen ziemlich festen Griff. Ein bisschen eigenartig kam ihm das schon vor, aber vielleicht war das auch nur Einbildung. „Entschuldigen Sie, Fräulein, ich bin nicht dieser Kel, für den sie mich halten. Ich bin nur eine einfache Wache-“ Er brach ab, als die Frau ihm kräftig auf die Brust schlug. „Sei nicht wieder so albern, Kel. Das mag ich nicht und das weißt du auch. Außerdem sind wir schon spät dran. Wir müssen unbedingt weiter.“ Sie zerrte an ihm. Mikor konnte nur noch hilfesuchend zu seinem Partner schauen. Dieser wollte ihm gerade zu Hilfe eilen, als ein junger Bursche aus dem Gebüsch erschien. Seine Augen strahlten, als er die alte Frau sah. Er lief sofort zu ihr hin. „Großmutter, ich habe dich schon überall gesucht.“ Er wandte sich kurz an die Wachen. „Es tut mir furchtbar leid. Meine Großmutter ist manchmal ein wenig verwirrt und sie kann sehr stur sein.“ Mit einem breiten Grinsen nahm er die Hände seiner Großmutter, die die Wache immer noch fest umschlungen hielten. Er streichelte ihr sanft über den Handrücken, was er immer tat, wenn er sie begrüßte. So konnte sie jedes Mal erkennen, wer dort vor ihr stand. „Kel?“, fragte sie ein wenig verwirrt. „Ja, Großmutter. Du hast eben ein paar wirklich nette Männer belästigt. Stolze Erdbändiger, die im Dienste des Königs stehen.“ Tao, der sich als Kel ausgab, wählte seine Worte mit Bedacht. Er wusste, wie mächtig Worte sein konnten. Man musste nur irgendetwas Nettes sagen und schon waren die Menschen geblendet. Toph suchte nach der Hand der Wache. Sie wusste ganz genau, wo sie stand, doch musste sie so tun, als ob sie damit Schwierigkeiten hatte. Immerhin war sie blind. Als sie seine Hand gefunden hatten, schüttelte sie sie einmal heftig. „Es tut mir furchtbar leid, Sir. Ich habe nicht zugehört. Sie müssen wissen, mein Gehör ist auch nicht mehr das Beste“, sagte sie etwas lauter, um ihre Aussage mit Glaubwürdigkeit zu unterstreichen. Tao drehte sich um. „Kaya“, rief er in den Wald hinein. „Ich habe sie gefunden. Zwei nette Herren haben auf sie aufgepasst.“ Er lächelte den beiden Wachen zu, die sein Lächeln erwiderten. Mikor fand die ganze Situation zwar etwas eigenartig, aber immerhin war es kein großes, fleischfressendes Ungeheuer. Also konnte er sich wohl damit abfinden. Keine zwei Minuten später kam noch eine dritte Person aus dem Wald gestürmt. Sie sah sehr besorgt aus, wie es sich für ein Mädchen ihres Alters gehört, wenn man seine Großmutter verloren hatte. „Oma!“ Sie lief freudestrahlend auf sie zu. „Du darfst doch nicht einfach so weglaufen. Wir haben uns große Sorgen gemacht.“ „Wer ist denn weggelaufen?“, fragte die alte Dame grantig. Sie mochte es nicht, wenn man sie für dumm und senil hielt. Tao warf den Wachen einen erklärenden Blick zu. „Sehen Sie“, formte er mit den Lippen. Die Wachen nickten verstehend. Mikor war froh, dass er auf seine Mutter nicht derart aufpassen musste. Serina legte eine Hand auf die Schulter von Toph und sprach in einer Lautstärke, dass die Wachen noch gut alles verstehen konnten. „Wir müssen aber jetzt wirklich los, Oma. Wir sind schon spät dran.“ „Da habt ihr völlig Recht, Kinder.“ Sie packte beide an den Handgelenken und zog sie mit sich. Aber anstatt wieder in Richtung Stadt zu laufen, ging sie schnurstracks auf die Wachen und gleichzeitig auf den Schlangenpass zu. Die Wachen schauten mehr als verdutzt, als sie ungebremst darauf zuhielten. „Ihr wisst schon, dass das der Schlangenpass ist, oder nicht?“, fragte er verwundert. „Das ist viel zu gefährlich. Wir können nicht verantworten, dass ihr ihn alleine überquert.“ Tao drehte sich noch einmal um. „Unsere Großmutter hasst Boote und sie kann sehr stur sein, wie schon mal erwähnt“, erklärte er den Wachen. „Es ist wirklich freundlich von euch, dass ihr uns euren Schutz anbieten wollt“, sagte Serina freundlich. „Ich würde mich wahrscheinlich wirklich sicherer fühlen, wenn die starken und netten Herren mit uns kommen würden.“ Mikor bekam große Augen. So hatte er das natürlich nicht gemeint. Er wollte nur nicht, dass diese seltsamen Personen über den Schlangenpass gingen. Das war alles. Nie im Leben hätte er sie auch noch begleitet. Besser starben sie als er. Das war wohl klar. Tao klopfte auf sein Schwert, das an seiner Hüfte hing. „Kein Problem. Ich werde schon auf die beiden Acht geben. Außerdem würden sie bestimmt Ärger bekommen, wenn sie ihren Posten verlassen, habe ich Recht?“ Tao wusste ganz genau, dass sie ihren Posten nicht verlassen durften. Das wäre nicht zu verantworten, auch wenn sie nur hätten helfen wollen. Mikor schien aber sichtlich erleichtert, als er meinte: „Ja, leider dürfen wir das wirklich nicht. Das hier ist nämlich eine wichtige Mission. Aber bitte seien sie vorsichtig, wenn sie schon unbedingt gehen wollen.“ Tao nickte. „Natürlich sind wir vorsichtig. Was soll uns denn schon Schlimmes passieren?“ Er zwinkerte den Wachen zum Abschied noch einmal zu und nahm dann, Toph am Arm haltend, endgültig den Weg zum Schlangenpass auf. „Das ging ja besser, als erwartet. Ihr wart richtig gut. Trotzdem sollten wir uns beeilen und so schnell wie möglich über den Pass gelangen“, meinte Toph. Sie hatte bereits die Krücke weggeworfen und die weiße Perücke, die sie sich gebastelt hatte. Serina bekam neue Hoffnung. „Heißt das also, wenn wir uns beeilen müssen, dass ich nicht trainieren brauche?“ „So sehr müssen wir uns nun auch nicht beeilen. Ich will nur nicht, dass ihr unnötig rumtrödelt. Ich kenne doch Teenager, wenn sie verliebt sind. Oh Schatz, schau mal, wie schön die Aussicht ist. Das können wir hier nicht gebrauchen.“ Serina warf Tao schnell einen Blick zu. Sie wollte wissen, wie er auf das Gesagt von Toph reagierte. Aber es schien so, als ob er es gar nicht gehört hatte. Oder zumindest ließ er sich nichts anmerken. Sogar eine spitzfindige Bemerkung blieb aus. Deshalb tat Serina auch so, als ob sie diesen Satz gar nicht gehört hatte. Denn es stimmte ja auch nicht. Warum sollte man sich deshalb dann aufregen? Resigniert nahm Serina also die Augenbinde hervor. Sie hatte wirklich überhaupt keine Motivation auf eine Trainingsstunde, da ihr dieser Weg sogar mit offenen Augen bereits genug Angst bereitete. Zum Einen war es vielleicht sogar besser, da sie die Kreaturen, die hier hausten, nicht sehen musste, zum Anderen jedoch konnte sich ihre Fantasie viel weiter austoben als sonst. In der Höhle hatte sie sich auch viele Dinge vorgestellt, die gar nicht da waren. „Wann fangen wir denn mit dem richtigen Training an? Also mit Steine werfen und so einem Zeug?“, fragte sie, während sie sich die Augenbinde umband. „Das richtige Training“, betonte Toph, „wird erst beginnen, wenn du die Grundregeln verstanden hast. Und wenn du eine solche Frage stellst, könnte das noch lange dauern.“ Die Stimme von Toph klang so, als ob sie nicht gerade begeistert wäre. Serina bereute auch sofort, diese Frage gestellt zu haben. Es war dumm, aber sie war ihr einfach so über die Lippen gekommen. Sie war froh, dass Tao nichts dazu sagte. Das wäre wahrscheinlich noch peinlicher. So machte sie sich, nun schweigen, vorsichtig auf den Weg. Zu Anfang setzte sie noch genau einen Fuß vor den Anderem. Nach einiger Zeit jedoch konnte sie fast normal gehen. Sie spürte, dass Tao immer einen Schritt neben ihr war. Das beruhigte sie enorm. Er würde bestimmt darauf achten, dass ihr nichts geschah. „Einen Schritt schneller, wenn es geht. Ich will die Hälfte bis heute Abend geschafft haben, sodass wir morgen unseren Weg weit weg von Wasser fortführen können.“ Das Wort ‚Wasser’ sprach Toph voller Verachtung aus. Serina war neugierig, was sie dagegen hatte, doch war zu feige, um zu fragen. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie die letzte persönliche Unterhaltung ausgegangen war. Auf eine Wiederholung konnte sie da gerne verzichten. Also befolgte sie Tophs Befehl ohne Murren, auch Tao sagte dazu nichts. Serina fand es lustig. Anscheinend hatte Tao wirklich Respekt vor Toph, was sie bei ihrem ersten Treffen nie für möglich gehalten hätte. Tao wirkte nicht wie ein Typ, der sich von irgendwem etwas sagen ließ. Sonst wäre er vermutlich kein Dieb. Aber bei Toph schien er seine große Klappe unter Kontrolle zu haben. Vielleicht wollte er auch einfach sicher gehen, dass er weiter bei ihnen bleiben durfte. Serina wurde immer sicherer beim Gehen, damit hatte sie kaum noch Probleme. Aber das, was Toph erreichen wollte, hatte sie nach ihrer Meinung noch nicht erreicht. Serina fühlte sich nämlich immer noch schutzlos. Wenn sie die Augenbinde trug, war sie vom Rest der Welt abgeschnitten. Ihr Augenlicht fehlte ihr, um sicher zu sein. Um zu wissen, dass keine Gefahr drohte. Aber Toph wollte, dass sie die Gefahr ohne ihr Sehvermögen erkannte. Sie meinte, dass das eine gute Erdbändigerin ausmachte. Nicht nur die Erde als Waffe gebrauchen zu können, sondern die Erde als einen Teil von dir zu akzeptieren. Serina verstand durchaus, worauf Toph hinauswollte. Mit Wasser ging es ihr nämlich ähnlich. Sie war immer sehr begabt gewesen, hatte fast alles mit Wasser anstellen können. Ihre Mitschüler hatten sie immer neugierig gefragt, wie sie das anstellte. Serina hatte darauf nur antworten können, dass sie eins mit dem Wasser geworden war. Wenn Serina bändigte, benutzte sie das Wasser nicht nur, sondern sie fühlte es als einen Teil von ihr. Es war schwer zu erklären und sie hatte es auch nie den Anderen richtig begreiflich machen können. Und jetzt hatte sie Probleme damit, das Element Wasser auf das Element Erde zu beziehen. Ihr Meister hätte bestimmt von ihr erwartet, dass sie dieses Element genauso schnell und gut beherrschen würde wie das Wasser. Aber da hatte er wohl zu viel erwartet. Erde war einfach viel zu anders, sodass Serina es nicht verstehen konnte. Oder zumindest nicht so, dass es auf Dauer in ihrem Schädel blieb. Immerhin hatte sie es bereits einmal geschafft, sowohl die Erde zu bewegen, als auch die Erde zu fühlen. Es war ein berauschendes Gefühl gewesen. Doch jetzt verließ sie sich nur wieder auf ihre übrigen Sinne und schaffte es nicht, auf die Erde zu hören, mit ihr eine Verbindung aufzubauen. Dieses Training brachte in dieser Art überhaupt nichts. Zumindest sah das Serina so. Sie musste da irgendwie anders rangehen. Auf eine andere Art und Weise. Sie nahm sich vor, darüber am Abend mit Toph zu reden. Immerhin war sie ihre Meisterin und solche Probleme musste sie ja mit ihr besprechen. Es konnte nur positiv sein. Tao hatte sich schon schlafen gelegt. Serina hatte extra so lange gewartet, da sie dieses Problem nicht unbedingt vor ihm besprechen wollte. Irgendwie war es ihr peinlich. Immerhin war sie der Avatar und sollte eigentlich nicht solche Schwierigkeiten haben. „Toph, ähm, ich würde gerne etwas mit dir besprechen.“ Serina hätte gerne in die Ferne geschaut, das machte sie immer, wenn sie über irgendetwas nachdachte oder ein ernstes Thema besprach. Doch sie hatte immer noch die Augenbinde auf. Toph hatte ihr erlaubt, sie abzusetzen, wenn sie wollte, doch Serina hatte es für besser gehalten, sie auf zu behalten. Sie hatte schon so genügend Probleme, da würde etwas zusätzliches Training ihr nicht schaden. Serina wartete auf eine Reaktion von Toph, die jedoch nicht kam. Aber sie wusste, dass Toph aufmerksam war, also begann Serina einfach. „Es geht um das Training, in gewisser Weise.“ „Ich hoffe nicht, dass du wieder meine Vorgehensweise kritisieren willst“, sagte Toph mit einem warnenden Tonfall in der Stimme. Serina war wirklich froh, dass sie diese Frage mit einem ‚Nein’ beantworten konnte. Sie hatte durchaus gelernt, dass ein Streit mit Toph verheerend war. „Nein, darum geht es nicht“, meinte Serina. „Ich verstehe sehr gut, was du mir mit dem Training vermitteln willst. Allerdings habe ich das Problem, dass ich es wohl nicht zu fassen kriege. Ich verstehe dieses Element einfach nicht. Es will einfach nicht mit mir reden, habe ich das Gefühl. Wie lange laufe ich jetzt schon blind und barfuß durch die Gegend? Und diese verdammte Erde scheint sich mir nicht öffnen zu wollen.“ Aufgebracht nahm Serina etwas Sand in die Hände und schleudert sie weg. Am liebsten hätte sie etwas Großes zertrümmert, das war jedoch nicht möglich. Toph lächelte leicht. Serina war wirklich nie langweilig. Bei ihr hatte man immer Spaß. Aang hingegen war so gut wie immer freundlich und nett gewesen. hatte sich immer anständig benehmen wollen. „Serina, ich weiß, dass es schwer ist. Aber es heißt doch, dass Wasserbändiger dazu fähig sind, sich auf alles Mögliche einzustellen. Vielleicht solltest du dich endlich damit abfinden, dass du der Avatar bist.“ „Aber das habe ich doch schon längst“, protestierte Serina. „Ich weiß, dass ich der Avatar bin und habe mich damit auch schon abgefunden. Es lässt sich zwar nicht ändern, aber so ist es nun mal. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist das Element an sich. Erde ist einfach viel zu verschieden zum Wasser. Als Wasserbändigerin wurde ich immer bewundert. Ich war die Beste und bei Erde versage ich kläglich. Das ist doch nicht möglich“ Serinas Stimme klang deprimiert und ungläubig zugleich. „Es liegt daran, dass du es tief in dir nicht lernen willst. Du denkst, wenn du die Erde nicht beherrschst, bist du kein Avatar. Ein Avatar zeichnet sich dadurch aus, alle vier Elemente bezwingen zu können. Wenn du die Anderen nicht meistern kannst, bist du folglich kein Avatar. Du denkst, dass dies die ganze Misere beenden würde. Alles wäre gut, wenn du nicht der Avatar wärest. Stimmt das nicht?“ „Nein, ganz und gar nicht. Da irrst du dich, Toph. Ich weiß, dass sich diese Tatsache nicht ändern lässt, ganz gleich, was ich versuche.“ Serina mochte es nicht, wenn Toph so überlegen tat. Sie sprach von Dingen, die sie selbst nie verstehen konnte und hatte dabei so einen lehrenden Unterton in der Stimme, der Serina nur noch mehr aufregte. Aber sie wollte nicht noch einen Streit provozieren. Auch wenn sie jetzt noch Tao hatte, wäre das für die Moral nicht gerade förderlich. „Wenn du so denkst, kann ich dir einen Tipp geben. Erdbändiger zeichnen sich nicht nur durch Stärke aus, sondern auch durch Geduld. Versuche es mal damit. Übereile es nicht. Es ist dir bestimmt und du wirst es auch irgendwann können. Wir haben alle Zeit der Welt.“ Toph machte eine kurze Pause und grinste dann breit. „Wir dürfen uns nur nicht erwischen lassen.“ Für Serina klang das nicht gerade beruhigend. Sie wollte nicht alle Zeit der Welt haben. Sie wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Aber davon konnte sie lange träumen. Das würde nie eintreten. Denn der Avatar war böse und das Böse musste aufgehalten werden. ********** „Guten Morgen, Sonnenschein“, weckte Taos Stimme Serina aus ihrem Schlaf. Müde rieb sie ihre Augen. Liebend gerne hätte sie sich noch einmal umgedreht, doch dann fiel ihr ein, dass sie mitten auf den Schlangenpass waren, was einem dann doch direkt aufwecken konnte. Serina wollte so schnell wie möglich, diesen Teil ihrer Reise hinter sich lassen. Je eher sie von diesem Pass runter waren, desto früher konnte sie wieder aufatmen. Serina packte ihre Sachen zusammen, nahm die Augenbinde, die ihr wohl in der Nacht runtergerutscht war und stand wenige Minuten später aufbruchsbereit vor Toph. „Können wir weiter?“ „Ich bin so weit“, meinte Toph. „Was ist mit dir, Junge?“ Serina war aufgefallen, dass Toph Tao bisher noch nie beim Namen genannt hatte, zumindest nicht, wenn sie ihn direkt angesprochen hatte. Außerdem hatte sie immer so einen feindlichen Unterton in der Stimme. Es war kaum zu übersehen, dass sie Tao wohl nicht so gut leiden konnte. Umso glücklicher war Serina darüber, dass sie ihm trotzdem erlaubt hatte, mit zu kommen. Sie fühlte sich einfach besser, weil sie wusste, dass da noch jemand war. Jemand, mit dem sie reden konnte, wenn sie etwas bedrückte. Zum Beispiel über das Gespräch von gestern Abend. Irgendwie beschäftigte sie sehr die Vorstellung von Toph. Serina war sich zwar sicher, dass sie sich irrte, aber eine weitere Bestätigung würde ihr nicht schaden. Während der nächsten halben Stunde, ließ sich Serina immer weiter zurück fallen. Sie hielt Tao an der Hand, sodass er direkt neben ihr ging. „Wie weit ist Toph entfernt?“, fragte sie, weil sie es selber ja nicht sehen konnte. „Einige Meter. Anscheinend hat sie bemerkt, dass du mit mir alleine sein willst.“ Serina konnte es zwar nicht sehen, aber das breite Grinsen konnte sie sich nur zu gut vorstellen. Es war schon irgendwie erschreckend, wie gut Serina Tao wohl schon kannte, obwohl sie sich vor ein paar Tagen zum ersten Mal begegnet waren. Aber andererseits war es auch schön. Immerhin hatte sie jemanden gefunden, dem sie alles erzählen konnte, zumindest fühlte es sich so an. „Ich möchte gerne mit dir etwas besprechen. Ernsthaft, wenn es keine zu großen Umstände macht.“ Der letzte Satz war notwendig gewesen, sonst hätte sie vermutlich wieder irgendeinen dummen Kommentar bekommen. „Ist okay, Serina. Ich bin ganz Ohr.“ Das war auch eine Eigenschaft, die Serina an Tao mochte. Wenn es wirklich ernst wurde, dann konnte er auch mal vernünftig sein. Leider kam das nicht gerade oft vor. Aber anscheinend hatte er ein ziemlich gutes Gespür dafür, wann es unbedingt notwendig war. Serina erzählte ihm von dem Gespräch, was sie gestern Abend mit Toph geführt hatte. Sie ließ nichts dabei aus. Auch nicht ihre Angst, dass sie das Erdbändigen wohl nie beherrschen würde. Dass sie solche Schwierigkeiten hatte, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Obwohl es ihr gestern noch peinlich gewesen war, das vor Tao zu offenbaren, hatte sie jetzt keine Probleme damit. Es kam von ganz alleine über ihre Lippen. Tao indes hörte aufmerksam zu. Er hatte schon immer gut zuhören können. Das hatte seine Mutter ihm beigebracht. Stundenlang hatte sie ihm Geschichten erzählt. Geschichten, die den bösen Alltag für kurze Zeit zu verdrängen wussten. Bis Tao diese Geschichten irgendwann nicht mehr gereicht hatten. „Wie denkst du darüber?“, fragte Serina, als sie alles erklärt hatte. Tao überlegte kurz. Er wusste, was Serina hören wollte. Jedoch sagte ein guter Freund auch manchmal Sachen, die dem Anderen nicht gefielen, die aber durchaus der Wahrheit entsprachen. „Denkst du nicht, dass Toph vielleicht Recht haben könnte? Sie ist ziemlich weise. Zumindest manchmal.“ Diese Antwort hatte Serina nicht gewollt. Eigentlich hätte Tao sie unterstützen sollen und nicht Toph, die ihn nicht einmal leiden konnte. „Du kennst mich doch kaum, Tao. Wie willst du denn wissen, was ich fühle und denke? Ich habe mich damit abgefunden, der Avatar zu sein, auch wenn es schwierig war. Wie sollte ich das denn auch ändern können.“ „Vielleicht glaubst du es nur“, schlug Tao vor. Er hatte nicht viel Ahnung von der menschlichen Psyche. Immerhin war er nur ein einfacher Dieb. „Vielleicht redest du es dir nur ein, damit du dich nicht mehr damit beschäftigen musst.“ Serina schüttelte entschieden den Kopf. „Das ist völliger Schwachsinn. Entweder habe ich mich damit abgefunden oder nicht. Nur zu glauben, ich hätte es getan, ist doch total blödsinnig. Außerdem habe ich ja bereits einmal erdbändigen geschafft. Es war in einer Höhle gewesen, wo ich ganz alleine gewesen bin. Ich habe sogar die Erde unter meinen Füßen gespürt. Es war alles einfach toll. Ich habe mich stark gefühlt. Bei dem Training von Toph habe ich mich dann auch nicht so dumm angestellt, zumindest nicht, nachdem wir unseren Streit beendet hatten. Also kann es ja gar nicht daran liegen. Sonst hätte es von Anfang an nicht geklappt, oder?“ Tao zuckte mit den Schultern. Woher sollte er das denn bitte schön wissen? „Ich habe keine Ahnung, Serina. Aber es könnte doch sein, dass danach noch irgendetwas passiert ist, das deine Blockade verursacht hat. Irgendetwas, was dich so sehr wünschen lässt, nicht der Avatar sein zu müssen.“ Serina blieb geschockt stehen. Das konnte doch nicht der Grund sein? „Hey, Schmetterling, alles okay? Du bist plötzlich so bleich geworden.“ Taos Stimme klang besorgt, was Serina nun nur noch mehr an Paku erinnerte. Er war auch immer besorgt gewesen. Wie ein großes Bruder um seine kleine Schwester. Er hätte alles für sie getan. Vielleicht wünschte Serina sich ja wirklich, nicht der Avatar sein zu müssen. Nur damit sie wieder mit Paku zusammen sein konnte. Etwas, wonach sich ihr Herz mehr sehnte, als alles Andere. „Du hast Recht, Tao, es ist wirklich etwas passiert. Etwas, was ich immer noch nicht richtig verstehe und was mich total verwirrt.“ Ihre Stimme zitterte. Auch diese Geschichte erzählte Serina ihrem neuen Freund. Doch diesmal kamen die Worte nicht so leicht über ihre Lippen. nach jedem Satz brach sie ab und hätte am liebsten einfach aufgehört zu reden. Denn indem sie es aussprach, wirkte es endgültig. Eine Tatsache, die sich nicht mehr verändern ließ. Damit war klar, dass sich ihr alter Freund schlussendlich gegen sie gestellt hatte. Als sie geendet hatte, musste Serina stark mit ihren Tränen kämpfen. Sie wollte jetzt nicht weinen, doch ihr Körper sagte da etwas ganz Anderes. Plötzlich spürte sie, wie sich zwei warme Arme um sie legten. „Serina, es tut mir so leid. Ich hatte ja keine Ahnung.“ Serina konnte nicht anders und erwiderte die Umarmung. Es tat gut, jemanden ganz in seiner Nähe zu wissen. Jemanden, der einem zuhörte und verstand. „Falls ich diesen Paku jemals treffen sollte, werde ich ihm ordentlich in den Hintern treten. Es ist unverzeihlich, was er getan hat. Man sollte Mädchen nie verletzten. Es ist – Mist!“ Serina spürte nur noch, wie sie von Wasser bespritzt wurde und dann, wie die ganze Erde plötzlich anfing, zu beben. Sie wollte fragen, was los war, doch Tao drückte sie schon zu Boden. „Runter!“ Die Geräusche um Serina herum, waren alles Andere als beruhigend. Er hörte sich fast so an, als ob Geröllmassen von oben auf sie zugerollt kamen. Und wie es scheint, lag sie da nicht ganz so falsch. Denn genau in diesem Moment, zog Tao sie wieder auf die Beine. „Wir müssen hier weg.“, kam es gehetzt von ihm. doch Serina hörte etwas in seiner Stimme, das ihr sagte, dass es dafür schon zu spät war. Sie machte sich auf alles gefasst, doch da kam nichts. Nur ein ohrenbetäubender Lärm, dann war da Stille. „Gut, dass zumindest noch einer aufpasst“, brüllte Toph zu ihnen. „Los, kommt her.“ Tao nahm Serina an der Hand und lief zu Toph. „Es tut mir leid, Toph“, fing er mit einer Entschuldigung an. „Das ist jetzt unwichtig. Welche Richtung?“, fragte Toph. Ihre Stimme war ruhig, wie Serina bemerkte. Serina hielt es nicht mehr länger aus. Es war durchaus klar, dass sie in Schwierigkeiten steckten und da konnte Toph ja wohl schlecht mit ihr schimpfen. Also nahm sie ihre Augenbinde ab. Und schon eine Sekunde später wünschte sich Serina, dass sie es nicht getan hätte. Vor ihnen ragte eine riesige grüne Schlange aus dem Wasser empor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)