Entscheidungen von Imogen ================================================================================ Kapitel 1: Erwachen ------------------- Das Erste, was Naruto wahrnahm, klang wie ein unterdrücktes Schluchzen. Er wusste nicht, wo er war – er lag auf etwas sehr Weichem, auf keinen Fall der schlammige Boden, den er eigentlich erwartet hätte. Als er langsam die Augen öffnete, war über ihm kein sturmgrauer Himmel sondern eine komplett weiß gestrichene Decke. Wo war er? Und was war passiert? Der Geruch kam ihm bekannt vor… er verband nicht gerade angenehme Erinnerungen damit. Regen… es hatte geregnet… und er hatte gekämpft! Gekämpft – und verloren, gegen… „Sasuke!“ Mit diesem Aufschrei setze Naruto sich ruckartig auf und sah sich um. „Na-naruto-kun!“ Jetzt erkannte er, dass er in einem Bett gelegen hatte. Je mehr er sich umsah, umso bekannter erschien ihm die Umgebung. Natürlich. Das Krankenhaus von Konoha. Etwas ruhiger blickte er auf die Person, die gesprochen hatte. Lange, schwarze Haare, blasse Haut und weiße Augen… „Hinata? Was machst du hier?“, fragte er das Mädchen, das gerade eine Vase auf den Nachttisch gestellt hatte. „Ich… ich… ähm… ich wollte dich… dich besuchen, Na-naruto-kun.“, antwortete Hinata so leise, dass er Schwierigkeiten hatte, die Worte zu verstehen. Aber es gab wichtigere Dinge. „Hinata, wo ist Sasuke?“, fragte Naruto. Er durfte nicht versagt haben… nicht schon wieder! Aber Sakura war Sasuke gefolgt. Sie hatte ihn bestimmt zurück gebracht. Oder sie wusste zumindest wo er war und ein Team war bereits auf dem Weg dorthin… „I-ich… ich we-weiß nicht, Naruto-kun.“, sagte Hinata. „Ist er hier? Ist er in Konoha?“, fragte Naruto weiter. „N-nein. Er ist… er ist entkommen. Wir wissen nicht… wo er ist. A-aber es wird weiter nach ihm g-gesucht.“, erklärte sie ihm. Ihr Blick ruhte dabei mitleidig auf ihm, während Naruto den Kopf senkte und seine Hand zur Faust ballte. Er hatte versagt. „I-ich bin so froh, dass es… dass es dir wieder gut geht.“, wisperte Hinata. „Aber… Aber Sakura-chan… sie ist ihm gefolgt, nicht wahr?“, fragte Naruto fast verzweifelt. „Sie muss wissen, wo er ist!“ „N-nein, Naruto-kun. Als… als wir euch ge-gefunden haben… da… da war Sakura-san dabei, dich zu he-heilen. D-du warst sehr… sehr schwer verletzt.“ Also wusste es nicht einmal Sakura… niemand wusste es. Ihre Mission war vollkommen gescheitert. „Es ist meine Schuld.“, murmelte Naruto, die Augen fest zusammengekniffen. „Ich hätte ihn aufhalten können – aber ich habe gezögert. Ich hatte Angst, dass ich ihn umbringe… Verdammt!“ Das letzte Wort schrie er. Naruto war zu sehr damit beschäftigt, gegen Tränen anzukämpfen. Erst als er eine Hand auf seinem Arm spürte, merkte er, dass Hinata näher gekommen war. „Naruto-kun, n-niemand macht dir einen V-vorwurf.“, stotterte das Mädchen. „Ich… ich glaube, d-du warst sehr… sehr mutig. S-so könnt ihr ihn wieder finden. Hokage-sama lässt schon weiter nach ihm suchen. K-keine Angst, Naruto-kun. D-du schaffst es ganz be-bestimmt, ihn zurückzubringen.“ Einen Moment lang ließ Naruto diese Worte und die Ehrlichkeit darin auf sich wirken, dann nickte er entschlossen. „Ich werde ihn zurückbringen – wie ich es versprochen habe!“ Hinata lächelte und errötete leicht. „V-viel Erfolg, Na-naruto-kun.“, sagte sie. Kurz sah sie ihm dabei in die Augen – doch gleich darauf errötete sie noch mehr und wandte sich schnell wieder der Blumenvase zu. Die Blumen darin waren blau und erinnerten ihn irgendwie an Sterne. Sie waren schön, zweifellos… aber eben nicht das, was er erwartet hatte. „Hinata – was sind das für Blumen?“, fragte er. „D-da-das sind… da-das sind… L-lilien, Naruto-kun.“, antwortete Hinata, die plötzlich ganz starr geworden war. „Aber sonst bringt Sakura-chan doch immer Narzissen ins Krankenhaus.“, wunderte Naruto sich. „Sag, Hinata, bedeuten Lilien irgendetwas?“ „D-d-die Blumen… sie sind… sie sind von… von mir, Naruto-kun.“, antwortete Hinata so leise, dass er die letzten Worte kaum verstanden hatte. Die Blumen waren von Hinata? Verwundert sah Naruto sich im Zimmer um. Stand hier irgendwo noch eine andere Vase? „W-w-weißt du, Naruto-kun…“, begann Hinata. Naruto bemerkte kaum, dass sie sprach. Es musste doch noch eine andere Vase geben… oder hatte Hinata die Blumen von Sakura weggestellt? Unsinn, das würde Hinata nicht tun – warum auch? So wenig es ihm auch gefiel, es schien nur eine Erklärung dafür zu geben. Sakura hatte ihm keine Narzissen gebracht. Es war lächerlich! Eigentlich kannte Naruto sich überhaupt nicht mit Blumen aus – er konnte gerade mal eine Rose erkennen, wenn er sie sah – aber die Narzissen hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt… damals, als Sakura ihm begleitet von einem Schlag auf seinen Kopf erklärt hatte, was für Blumen sie immer in sein Zimmer stellte. Naruto wusste, dass sie Sasuke damals jeden Tag eine dieser Blumen gebracht hatte, nachdem Itachi ihn ins Koma versetzt hatte. Auch Rock Lee hatte nach seinem Kampf gegen Gaara jeden Tag eine frische Narzisse auf seinem Nachttisch gefunden. Und auch nachdem er selbst bei dem Versuch, Sasuke aufzuhalten, versagt hatte, hatte Sakura ihn jeden Tag mit einer Narzisse besucht. Warum also nicht diesmal? Enttäuschung, das musste es sein. Er hatte sein Versprechen schon wieder nicht einhalten können. Er war sich so sicher gewesen, aber er hatte gezögert… Er hatte zögern müssen! So sehr es auch wehtat, er würde nicht riskieren, Sasuke zu töten. Ihm jeden Knochen im Leib brechen? Sofort und ohne zu zögern, wenn das die einzige Möglichkeit war, ihn zurückzubringen. Aber töten? Sakura würde es verstehen, wenn er es ihr erklärte. Wen versuchte er da überhaupt zum Narren zu halten? Naruto erinnerte sich noch gut daran, wie sie auf sein letztes Versagen reagiert hatte. Sie hatte ihm nicht einmal die Möglichkeit gegeben, sich zu entschuldigen. Im Gegenteil, sie hatte ihm nicht einen Moment lang irgendeinen Vorwurf gemacht. Vermutlich würde sie ihn jetzt allein für die Sorge, sie würde ihm etwas vorwerfen, noch einmal krankenhausreif schlagen… Außerdem, was sollte er eigentlich mit Blumen anfangen? Es war gut möglich, dass Sakura eben nicht mehr Narzissen an das Krankenbett ihrer Freunde brachte. Sie war immerhin eine der besten Medic-Nins in Konoha, vermutlich war sie viel zu beschäftigt damit, sich um die Patienten zu kümmern. Und es bedeutete eindeutig mehr, die Wunden eines Freundes zu heilen, als ihm eine Blume ans Bett zu stellen. Hatte Hinata nicht selbst gesagt, dass Sakura ihn geheilt hatte anstatt Sasuke zu folgen? Wen interessierten schon Narzissen? Es war wichtiger, dass sie sich um ihn sorgte – auch wenn er es hasste, ihr Sorgen zu bereiten. Er konnte es kaum abwarten, dass sie ihn besuchen kam. Oder zur Visite. Oder was auch immer. Die Frage war nur – wann war das? “Sag mal, Hinata, weißt du, wann Sakura-chan normalerweise kommt?“, fragte Naruto. Die folgende Stille war doch etwas verwirrend. Anstatt zu antworten, starrte Hinata ihn nur groß an. Ihre Hände waren in Brusthöhe und er musste sofort an ihre übliche nervöse Geste denken, aber jetzt schienen sie leicht zu zittern. Hinatas Gesicht war leicht gerötet, aber das war es ja eigentlich fast immer. Ihren Gesichtsausdruck konnte er allerdings nicht wirklich deuten. Geschockt? Vielleicht, aber wovon? „Hinata? Ist alles in Ordnung?“, fragte Naruto leicht unsicher. „I-i-ich…“, begann Hinata, den Blick immer noch starr auf ihn gerichtet. „Hinata, was hast du?“, fragte Naruto eindringlicher. Bevor sie antworten konnte, ging die Tür auf und Ino trat ein. „Ah, du bist wach!“, rief sie erfreut. „Wirklich, Naruto, wird auch Zeit, dass du wieder aufwachst. Noch ein paar Untersuchungen und dann kannst du vermutlich schon wieder gehen. Bei deiner Heilung hat Sakura sich selbst übertroffen.“ „Sakura-chan? Wann kommt sie? Du weißt doch bestimmt, wann sie mich normalerweise besuchen kommt, oder?“, wollte Naruto wissen. Auch Inos Reaktion war seltsam. Sie blieb stehen und wirkte auf einmal sehr bestürzt. Sie sah von Naruto zu Hinata und wieder zurück, bevor sie schließlich antwortete: „Naruto… Sakura hat dich nicht besucht.“ Es fühlte sich fast so an wie ein Chidori in seine Magengrube. „Nicht?“, wiederholte er leise. „I-ich… entschuldigt!“ Mit diesen Worten drehte Hinata sich um und lief aus dem Zimmer. „Warte, Hinata, was…?“ Ino versuchte halbherzig, sie aufzuhalten, wandte sich dann aber wieder Naruto zu. „Naruto, Sakura kann dich nicht besuchen.“, stellte sie klar, wobei ihre Stimme nun deutlich professioneller klang. „Sakura hat sich bei deiner Heilung nicht nur selbst übertroffen sondern auch völlig überanstrengt, sie liegt im Zimmer gegenüber.“ „Was?!“, entfuhr es Naruto. „Aber… Sakura-chan…“ Inos strenger Blick wurde etwas sanfter. „Mach dir keine Sorgen, Naruto. Sie wacht bestimmt bald wieder auf, und sobald ich dich noch mal untersucht… Hey! Bleib hier!“ Naruto hörte nicht auf ihre Proteste, als er aus dem Bett sprang und an ihr vorbei aus dem Zimmer rannte. Sakura… bewusstlos? Und es war seine Schuld… Ohne anzuklopfen riss er die Tür gegenüber von seinem Zimmer auf. Er fürchtete fast den Anblick, der sich ihm bieten würde… Natürlich hätte er nicht mit diesem Schrecken gerechnet. Ino zuckte selbst leicht zusammen, als sie die laute Stimme Tsunades vernahm, kurz bevor Naruto rückwärts fliegend wieder in sein eigenes Zimmer zurückkehrte. „Klopf gefälligst an!“ „Hättest du mich ausreden lassen…“, meinte Ino grinsend, während sie Naruto wieder auf die Beine half. Seltsamerweise lächelte der, und kaum stand er, ging er wieder zu Sakuras Zimmer. „Sie ist wach. Sakura-chan ist wach.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)