Wolfsmoon von cookiie (Die Legende der letzten Götter) ================================================================================ Kapitel 1: Hanako ----------------- „Er ist so wunderschön!“. Sie saß still auf dem Fensterbrett und starrte fasziniert auf den silbrig leuchtenden Vollmond, durch dessen Licht die ganze Nacht erhellt wurde. Die strahlende Scheibe am Firmament schien sie zu rufen. Als wolle er ihr etwas sagen, doch seine „Geschichte“ wurde von dem leisen Rauschen des Windes übertönt und trug auf diese Weise das Geheimnis des Mondes mit sich hinfort. So dachte es sich das Mädchen, auch wenn es wusste, dass diese Vorstellung absurd war, gefiel ihr dennoch der Gedanke daran. Und deshalb folgte sie wie jeden Tag seinem Ruf, saß am Fenster und blickte hinaus in die dunkle Nacht, während sie den Geräuschen um sich herum lauschte. Sie konnte stundenlang so verharren, ohne den Blick von dem runden „Etwas“ am Abendhimmel abzuwenden. Solange, bis ihre Lider immer schwerer und schwerer wurden und unter ihrer Erschöpfung langsam zufielen, bis man nur noch das leise und gleichmäßige Atmen des Mädchens hörten konnte. „Aufstehen Mädels, los, bewegt euch“, hallte es am frühen Morgen in den schmalen Gängen des St. Helen Waisenhauses. Die friedliche Stimmung der vergangenen Nacht, wurde durch die strenge Stimme der Erzieherin namens Frau Puck gebrochen. Die jungen Frauen schlüpften, nachdem sie wie immer so rüde geweckt wurden, müde aus ihren Betten und streckten sich gähnend. Auch im kleinsten Einzelzimmer des Waisenhauses erwachte langsam wieder das Leben. Hanako öffnete nun ebenfalls ihre noch bis vor kurzem geschlossenen Augen. Sie kletterte vorsichtig und noch im Halbschlaf das Fensterbrett hinunter, auf dem sie gestern eingeschlafen war. Das Mädchen blickte sich noch ein bisschen benommen in dem karg eingerichteten Zimmer um, während sie mit ihren Augen den kleinen Raum nach ihrer Kleidung durchsuchte. Langsam setzte sich Hanako in Bewegung, nach dem sie ihre Sachen immer noch nicht ausfindig gemacht hatte und wünschte sich sogleich, dass ihre Socken nicht diese diversen Löcher aufweisen würden. Denn der hölzerne Boden war kalt und splittrig. Doch leider musste sie feststellen, dass es um ihre restlichen Kleidungsstücke nicht besser bestellt war. Das Mädchen hatte vollkommen verdrängt, dass es noch die Löcher in ihrer abgenutzten Schuluniform flicken wollte, aber das war jetzt auch egal. Es blieb keine Zeit mehr übrig, um das noch zu erledigen. Dann musste es eben so gehen. Hanako sah sich noch einmal in dem morschen, alten Zimmer noch ihrem kaputtem Rucksack um und fand ihn schließlich in der hinteren Ecke, in der Nähe der leicht verschimmelten Wand. Das Mädchen ekelte sich schon lange nicht mehr vor diesem Gestank und dem heruntergekommenem Raum, den sie ihr Eigen nennen durfte. Sie hatte sich schon längst an daran gewöhnt. Es war trister Alltag geworden. Denn es hätte auch nichts genutzt etwas dagegen zu unternehmen. Was hätte ein Mädchen, von zarten 16 Jahren auch schon gegen so eine strenge, egoistische Erzieherin ausrichten können. Ihr Leben lag in ihrer Hand und das wusste Hanako genau. Sie hatte keine Eltern oder sonstige Verwandte zu denen sie hätte gehen können. Das Mädchen war stets allein, seit sie sich erinnern konnte, immer einsam. Die anderen mieden und verspotteten sie und das Mädchen versuchte es zu ignorieren. Sie blieb stets freundlich, doch glücklich war sie so nicht. Diese Umstände waren hart, doch die 16-jährige wusste sich nicht wirklich zu wehren. Durch ihre Kindheit hatte Hanako gelernt, das es das Beste war, sich zurückzuziehen und die anderen mit ihr machen zu lassen, was sie wollten. Es war ihre Art und Weise damit umzugehen. Sie war wie ein aufkeimender Samen, der sich erst seinen Weg durch den dreckigen Schlamm hart erkämpfen muss, bevor er ans ersehnte Sonnenlicht gelangt und die lebensnotwendige Wärme spüren kann. Wie eine zarte Blume, die Leid und Schmerz kannte und deren Schönheit so nur noch heller erstrahlte. Denn das Mädchen war zwar nicht hässlich, doch trotzdem hatte sie einen Makel, wenn es nach der Meinung der Anderen ging. Es waren ihre Augen, ihre bildhübschen, großen Augen, deren einziger „Fehler“ es war, das sie anders waren und zwar rot, blutrot. Viele dachten sie hätte diese Augenfarbe aufgrund einer schweren Krankheit, weshalb sich auch der größte Teil der Menschen von ihr fern hielt. Denn sie war anders und wer nicht der Norm entsprach, wurde mit Abneigung und Ablehnung bestraft. Doch egal was die anderen auch immer sagen oder tun würden, es konnte ihr nichts mehr anhaben. Das Mädchen war mit den Jahren stark geworden und hatte aus ihren Fehlern gelernt. Aber leider kann man Stärke nicht mit Gefühlen wie Glück und Liebe gleichsetzen. Nach außen hin versuchte sie fröhlich zu wirken und hatte sich selbst innerlich abgehärtet, aber Schmerz ist nun mal ein Bestandteil des Lebens und kann nicht einfach vergessen werden. Doch trotz alldem hatte Hanako immer das Gefühl, nicht allein zu sein. Denn jeden Tag, wenn sie in den halb zerbrochenen Spiegel in ihrem Zimmer blickte und durch ihre mittellangen, silbrig glänzenden Haare strich, sah sie nicht nur ihr eigenes hübsches Gesicht, sondern stellte sich immer vor, dass die Person, die sie im Spiegel anblickte, ihre liebevoll lächelnde Mutter wäre. Diese Vorstellung machte das Mädchen irgendwie glücklich und gab ihr Kraft. Denn die Rotäugige wusste, sie war nicht allein, es durfte einfach nicht so sein. So schaffte sie es auch trotz all dieser Umstände weiterzumachen und nicht aufzugeben. Hanako konnte es sich selbst nicht erklären, aber auch wenn sie weinte, war das nicht aufgrund ihrer Einsamkeit, denn diese hatte sie gelernt zu ertragen. Das Mädchen war traurig, wenn sie an ihre Vergangenheit dachte, denn sie konnte sich an nichts erinnern, es war alles wie ausgelöscht und wie jeder andere wollte auch sie wissen, wo sie herkam. Und eins wusste die Weißhaarige, wenn sie es schaffen würde, sich wieder an alles zu erinnern, so hätte ihr Leben einen Sinn. „Warum dauert das denn so lange?“, rief Frau Puck erneut. Man konnte schon einen leichten Anflug von Zorn aus ihrer Stimme heraushören. Die Mädchen waren immer noch dabei sich umzuziehen, alle bis auf Hanako, die sich schon für die Schule fertig gemacht hatte. Sie war jeden Tag die Erste, die das Gebäude verließ, da sie nicht wie die anderen mit dem Bus fahren konnte. Denn die Weißhaarige war die Einzige, die auf eine andere Schule ging, als der Rest und die Leiterin des Waisenhauses wollte nicht noch extra für sie einen Bus mieten, so war doch schon der für die Anderen eine hohe Ausgabe. Also musste Hanako den Umweg durch den Wald nehmen, doch das störte sie eigentlich recht wenig, denn sie liebte das Rauschen des Flusses, an dem sie auf dem Weg zur Schule immer vorbeikam. Ebenso lauschte sie gerne dem Gesang der Vögel und beobachtete einfach gerne die friedliche Umgebung. Denn an diesem Ort fühlte sie sich sehr wohl. Hanako wusste selbst nicht warum, aber dort gab es so viele Dinge, die sie irgendwie glücklich stimmten. Vielleicht lag es an der ungewöhnlich zutraulichen Art der Tiere, die ihr gegenüber nicht das geringste Anzeichen von Angst hatten. Sie fürchteten sich auch nicht vor der Nähe zu Hanako und ließen sich sogar ohne Scheu von ihr streicheln, wobei sie sich vor jedem anderen Menschen in Acht nahmen. Aber Hanako war eben nicht wie jeder andere, sie war einfach anders und das bemerkten auch die Tiere, sogar, wenn es ihre Mitmenschen nie bemerken würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)