Nostalgia von -Fynnian (Gefangen in der Zwischenwelt (Prideshipping)) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Legende: "..." = jemand spricht '...' = jemand denkt (Geister verständigen sich durch Gedanken, daher sprechen sie mit '...'-Anführungszeichen) ------~-----~~--------------------~---------------------------------~~-------------- Prolog Hast du dir jemals gewünscht, die Zeit zurückzudrehen? Einen Fehler ungeschehen machen zu können? Ich wünsche mir nichts sehnlicher als eine zweite Chance. Kühler Wind schlägt mir gegen die geschlossenen Lider, streicht verspielt durch meine Haarsträhnen. Er wirbelt sie in kleinen Windhosen herum, lässt sie wild tanzen. Eine besonders Verwegene tanzt mitten durch mein Gesicht. Als wolle sie mich auffordern, meine Trübsal zu vergessen, hüpft sie auf und ab und kitzelt mich dabei an Lippen und Nase. Und tatsächlich. Für einen kurzen Moment gelingt es mir, die schweren Gedanken hinter mir zu lassen. Mit einem Lächeln auf den Lippen beschließe ich, dies auch meinen frechen Haaren mitzuteilen und schnappe nach einer goldenen Franse. Natürlich ohne Erfolg. Mit noch immer geschlossenen Augen setze ich mein Spiel fort, versuche, ein paar Haare zu erwischen und recke dabei den Kopf immer höher. Natürlich klappt das nicht, da der Schwung, den ich dabei hole, dem Wind zuspielt und mir nun, da mein Kopf in meinem entblößten Nacken liegt, die Mähne ringelnd in die Höhe tanzt. Nun sind meine Haare zwar aus meinem Gesicht, kitzeln mich dafür aber umso eindringlicher im Nacken. Ein wohliger Schauer durchläuft mich und ich schüttle mich aus Reflex. Damit befördere ich nun wieder alle Haare zurück an den Platz, von dem ich sie doch eben erst vertrieben habe. Ein leises, fröhliches Lachen entflieht meiner Kehle. Langsam hebe ich meine schweren Lider -- schwer von den vielen Tränen, die ich in den letzten Wochen vergossen habe -- und lasse meinen Blick über das weite Land schweifen. Eine öde Graslandschaft, möchte man meinen, aber nicht für mich. Seit ich hier bin, gibt es für mich keinen angenehmeren Ort. Auf dieser riesigen, vereinsamten Wiese, auf der soweit das Auge blickt weder Baum noch Strauch sprießen, bin ich ganz allein. Hier gibt es niemanden, der mich stören könnte. Keine anderen Geister, keine Tiere, Feen, nichteinmal ein Insekt stört die unendliche Ruhe. Kein leises Rascheln, kein gesprochenes Wort. Dies hier ist die Wiese der ewigen Stille, das Herzstück des Totenreiches. Und obwohl sie zentral inmitten der toten Stadt liegt, die keinen Anfang und kein Ende kennt, wagt sich niemand hierher. Schon seltsam. Wovor kann ein Geist sich fürchten? Meine amethystfarbenen Augen wandern über den Horizont. Sie fahren die sich sanft in der abendlichen Brise wiegenden Gräser entlang, folgen deren Bewegung bis sie wieder beim Horizont angelangen. Direkt vor mir erstreckt sich ein wunderschöner Sonnenuntergang. Warm und hell umgibt sein Licht alles in dieser Welt. Meine Umgebung wird in sanfte Gelb- und Orangetöne getaucht. Es ist ein wunderschöner Anblick. Noch immer lächelnd strecke ich eine Hand nach dem Schauspiel aus. Im Himmel, wie die Christen ihn nennen, im fernen Westen, wie mein Volk zu sagen pflegte, im ewig grünen Garten, hier ist man der Sonne so nahe wie sonst nirgendwo auf der Welt, Zeit seines Lebens. Lebens... Traurig senke ich den Blick. Eine weitere Träne entkommt meinen fest geschlossenen Lidern und bahnt sich quälend langsam ihren Weg über meine verquollenen Wangen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hat sie endlich mein Kinn erreicht. Aber was zählt schon die gefühlte Ewigkeit, wenn man in der endlosen, wahrhaftigen Ewigkeit steht. Mit einem leisen Geräusch, das ich wohl eher fühle als es zu hören, löst sich der salzige Tropfen von meiner Haut und stürzt sich zu Boden. Nach wenigen Sekunden des Fallens hinterlässt er einen kleinen Fleck auf meiner Brust. Wovor Geister sich fürchten? Ich weiß es doch...Ich weiß es besser als jeder Andere. Ich tue jeden Tag, was die Anderen vermeiden, weil sie es fürchten. Ich bin allein. Ich denke nach, viel zuviel denke ich nach. Und mit dem Nachdenken kommt jedem irgendwann, mal früher, mal später, zu Bewusstsein, wo er ist. Was er ist. Was der Tot bedeutet... Er ist unumkehrbar, unaufhaltsam, das Ende. Es gibt keinen Weg zurück. Diese Erkenntnis ist schmerzhafter als jedes Sterben. Sie ist engültig und grausam, zerstört jedwede Hoffnung im Keim. Ich war schon lange tot, bevor ich hierherkam. 3000 Jahre lang, um genau zu sein. Doch in all diesen Jahren war ich dem Leben nahe. Lebende Menschen waren um mich rum und erfüllten mich mit ihrer Wärme. Umso härter trifft mich Abend für Abend die Tatsache, dass ich von nun an und auf ewig allen Lebens entbehren muss. Eine zweite Träne kullert über meine kühle Wange. Eine weitere folgt ihr. Niewieder...niewieder. Ein verzweifelter Schrei hallt durch meine Ohren, ohne dass ich meine Stimme erhoben habe. An diesem Ort haben Stimmen ihre Bedeutung verloren. Sie dienen nur der Ablenkung. Aber keine Stimme, mag sie auch noch so verlockend und süß klingen, kann über die Wahrheit hinwegtäuschen. Ich werde niemals zurückkehren können. Ich bin hier gefangen. Ich werde dich niewieder sehen...Seto... Eisiger Schmerz durchflutet mein stummes Herz, als ich mit tränennassen Augen der roten Sonne mitten ins Antlitz schaue. Auf der anderen Seite bist du. Siehst du dir den Sonnenuntergang an? Siehst du vielleicht sogar in meine Richtung? Mittlerweile hat auch die dritte Träne mein Kinn erreicht. Doch sie endet nicht wie ihre Vorgängerinnen im weichen Stoff meines Hemdes. Sie fällt ungehindert ins Gras, glitzert und funkelt im freien Fall verheißungsvoll. Bei ihrem Aufprall vernehme ich ein seltsam hallendes Geräusch. Das muss wohl Einbildung sein, Tränen machen keine Geräusche. Kurz schüttele ich den Kopf, doch der zarte Glockenton hällt an. Verwundert mustere ich die Stelle im Gras, auf der die Träne gelandet sein muss. Der Boden beginnt seltsam, sich zu wellen. Ganz so, als wäre er flüssig. Womöglich Wasser, dass aus einer kleinen Quelle sprudelt? Oder eine Fatamorgana... Der schillernde Fleck wird größer. Es scheint fast so, als wolle er mich einfangen. Aber das kann nur eine Täuschung sein. Dennoch werde ich das mulmige Gefühl nicht los, lieber ein paar Schritte zurücktreten zu sollen. Gerade hebe ich meinen Fuß um den ersten Schritt zu tun, als der sich wellende Boden unter mir nachgibt und ich stürze. Mein erschreckter Aufschrei verhallt schnell in der Dusternis. Es ist so dunkel, ich kann die Hand vor Augen nicht sehen. Doch ich spüre, dass ich falle. Panik ergreift von mir Besitz und ich beginne zu zappeln. Hier muss es doch etwas geben, an dem ich mich festhalten kann! Irgendetwas... Meine rudernden Hände greifen ins Nichts. Jedoch spüre ich im selben Augenblick etwas noch viel Verstörenderes: Mein Herz schlägt vor Angst rasend schnell. Ungläubig presse ich eine Hand auf meine Brust und halte den Atem an. Moment...Ich atme?! So viele Fragen rauschen mir im Kopf, lähmen meinen Verstand. Ein harter Aufprall raubt mir für einige Augenblicke das Bewusstsein. Mir ist schwindlig und alles dreht sich... Mein Kopf tut so weh! Wankend stehe ich auf und schaffe es endlich, die Augen wieder zu öffnen. Milchiger Nebel umgibt mich, dick und undurchlässig. Er ist feucht und kalt. Innerhalb kürzester Zeit bin ich bis auf die Haut durchgefroren. Ich bin noch immer zu verwirrt, um die neue Umgebung richtig in mich aufzunehmen. Diese grauenhafte Kälte... Ich sehe meinen Atem vor meinem Gesicht kleine Wölkchen bilden. Wo bin ich hier nur? Auf zittrigen Beinen taumle ich wenige Meter, als mir unerwartet jemand entgegenkommt. Noch sind die Konturen unklar, doch es kommt rasch näher. Es muss wohl ein anderer Geist sein. Erleichtert gehe ich ihm entgegen, öffne schon den Mund, um ihn anzusprechen, als ich erstarre, von eisiger Kälte aus meinem Inneren heraus geschüttelt werde, während die junge Frau mich gar nicht zu bemerken scheint. Sie wird noch in mich hereinlaufen...Urgh...Ich kann mich nicht bewegen...Diese Schmerzen...Sie werden immer schlimmer! ,Hilf- ng!' Meine Stimme versagt mir den Dienst. So hilf mir doch jemand! Die Schmerzen steigern sich fast bis zur Besinnungslosigkeit. Vor meinen Augen verschwimmt alles. Und dann... Dann geht sie einfach so durch mich hindurch! Vor Entsetzen und Pein schreie ich laut auf. Dieses Gefühl, dieses schreckliche Gefühl! Sie geht durch mein Innerstes. Als würde mich jemand auseinanderreißen...von innen heraus. Wimmernd breche ich auf dem Bordstein zusammen, keuche und atme schwer, nach Fassung ringend. Die Frau geht weiter als wäre nichts gewesen... Angstvoll sehe ich ihr nach. Mit ihr geht auch der Schmerz. Was war das bloß? Als sich mein Atem endlich wieder beruhigt hat, kämpfe ich mich vom Boden hoch und sehe mich erneut um. Direkt vor mir erhebt sich eine große Uhr aus den Nebeln. Aber...diese Uhr kenne ich doch! Fassungslos stolpere ich näher heran. Ja! Das ist die Uhr vom Dominoer Stadtplatz. Hier hat damals Battle City begonnen. Wie ist das möglich? So langsam haben sich auch meine Augen an die undurchdringliche Nebelsuppe gewöhnt und sehen klarer. Hier sind überall Leute... Alte, junge, Kinder. Jetzt weiß ich es! Das muss ein Traum sein! Etwas Anderes ist undenkbar. Schnell hebe ich eine Hand und kneife mir fest in den Arm. ,Aua!', entfährt es mir. Okay, das ist definitiv ein sehr realer Traum. Und wieder wird mir so furchtbar kalt... Eine Hand packt mich von hinten und zerrt mich mit sich. ,Idiot! Was machst du denn?!', werde ich angeschnauzt. Als wohlerzogener Pharao müsste ich wohl zu mehr fähig sein, doch in diesem Moment bringe ich lediglich ein verdutztes ,Hä?' zu Stande. ,Was >Hä< ?! Du Dumpfbacke! Jetzt lass dich nicht so mitschleppen, sondern komm!' Jetzt erst erkenne ich die Gestalt, die mich da im Schraubstockgriff hinter sich herschleift. ,BAKURA?!?' ,Was dagegen?' Oh, das ist heute eindeutig zuviel! Was für ein Tag... Worauf muss ich mich noch gefasst machen? Während ich so in Gedanken bin, verfrachtet mein Erzfeind mich in eine besonders neblige Wolke und zwingt mich, mich zu setzen. Ich begnüge mich vorerst damit, ihn finster anzustarren. Das Reden überlasse ich zunächst ihm. Er lässt sich mir gegenüber nieder und grinst mich breit an. ,Du kommst wohl von oben, was?' Von oben? Was redet der da? Unwillkürlich hebe ich den Kopf und blicke zum Himmel empor. Oder besser dorthin, wo der Himmel hätte sein sollen. Stattdessen starre ich genau auf das Totenreich. Von unten wirkt es merkwürdig verzerrt... ,Hey! Hörst du mir überhaupt zu!', reißt mich Bakuras lautes Organ von dem Anblick los. Sofort sehe ich wieder ihn an. ,Äh...ich, äh...ja. Natürlich.', murmele ich. Ich wüsste immernoch gerne, was der Typ von mir will. Zum Glück spart er es sich nicht lange auf und spricht gleich weiter. ,Pah, von wegen! Aber mir doch egal. Ist ja schließlich dein Problem. Aber holla, Mann! Ich habe echt noch niemanden von da oben hier herunterkommen sehen! Dazu muss man schon ganz schön unfähig sein.' Erneutes Grinsen. Oh wie ich ihn hasse! ,Wie hast du das geschafft? Ich meine...Du warst doch schon längst tot!' Mein Herz macht einen Sprung und plötzlich hänge ich geradezu an Bakuras Lippen. ,Ich war? Heißt das etwa, dass ich jetzt-' ,Nein, heißt es nicht!', unterbricht er mich rüde. Aber was kann man von so einem schon großartig an Manieren erwarten? Eben, nichts. ,Du bist jetzt noch viel dümmer dran. Hach ja~ Willkommen in Nostalgia.' Als würde sich das selbst erklären, nickt er mir hämisch lachend zu und steht auf. Schnell springe auch ich auf meine Füße und halte ihn am Ärmel fest. ,Was soll das heißen? Und was ist Nostalia?', fordere ich zu wissen. Da lacht mich der Kerl doch tatsächlich aus! ,Nostalia, eure Hohlheit', höhnt er feierlich und deutet eine Verbeugung an, ,Ist direkt hier, vor deiner Nase. Willkommen also im Reich derer, die den Weg ins Jenseits nicht gefunden haben. Und bevor du fragst; nein, es gibt keinen Weg zurück. Du sitzt hier fest und das für immer.' Er freut sich geradezu spitzbübisch. Dieser...Grrrr! Ich könnte ihn erwürgen. Das merkt auch er und grinst mich nur scheinheilig an. ,Na was denn? Fühlt sich unser ehrenwerter Pharao hier etwa nicht wohl?' Ich will ihm schon eine gepfefferte Bemerkung an den Kopf werfen, als mir ein Gedanke kommt. ,Du, Bakura? Das da...ist das die Welt der Lebenden?' Er nickt. ,Und wir können sie sehen?' Wieder nickt er, etwas verwirrt, was plötzlich in mich gefahren zu sein scheint. ,Aber geh nicht zu nah ran. Wie du ja schon gemerkt hast, ist das äußerst schmerzhaft. Warte mal...wenn ich es mir recht überlege: Geh ganz nah ran!', rät er mir ?freundschaftlich?. Das bedeutet dann ja, dass ich Seto sehen kann! Freudig renne ich los, den Weg zur KaibaCorp suchend. ,Braver Pharao!', ruft es mir nach. Zu spät merke ich, dass ich mitten in eine Horde Kinder reinlaufe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)