Die Goldenen 2oer von aficionada (oder die Liebe meines Lebens) ================================================================================ Kapitel 5: vive la révolution romantique ---------------------------------------- Akt *5 « vive la révolution romantique » Can we see the distance? Be my lover for life when nothing is missin', can't get you out off my mind Musik: Robert Rodriguez - Two against the world | Mooi – Sway Ich merke, wie es langsam warm wird, sobald ich an die Zeit mit ihm denke, wie mein Herz pocht und mir beinahe die Luft zu atmen nimmt, wie mein Lächeln gar nicht mehr weichen möchte und ich meine Auge schließe, in der Hoffnung, dass die Erinnerungen nicht verblassen. Es begann alles mit meinem Erwachen in Berlin und diesem Kuss, an den ich die ganze Zeit denken musste. Die Zeit ohne Harry hielt ich fast gar nicht aus und als er mir in der Schule gegenüber stand, hatte ich das Gefühl mein Herz würde stehen bleiben. Während die Klassenspielproben in Berlin liefen, saßen wir zusammen und ich habe ihm davon erzählt, dass dieser Kuss einiges an Gefühlen bei mir ausgelöst hatte, wie auch immer diese Gefühle zu definieren sein mögen. Er war sehr überrascht über meine Worte, hatte er doch gedacht, für mich wäre es nichts Relevantes gewesen. Für den Kuss entschuldigte er sich sogar mehrmals. Am selben Nachmittag saßen wir ein wenig abseits um unseren Text zu lernen. Doch anstatt zu lernen, küssten wir uns das erste Mal in Berlin. Ich muss sagen – ich war erleichtert. Es war kein Traum, es was wunderschön, die Realität. Ich fühlte mich so sehr erinnert an Griechenland, dass ich am liebsten die Zeit angehalten hätte. Und so nahm alles seinen Lauf. Die verliebten Blicke, die heimlichen Küsse, die mehr oder weniger heimlichen Treffen. Wir einigten uns jedoch darauf keine Beziehung zu führen. Seine letzte war gerade erste vorbei, ich glaube zu dem Zeitpunkt hatten sie sich noch nicht einmal ausgesprochen, und ich war mir einfach zu unsicher was ich eigentlich wollte, obwohl die Zeit viel zu schön war um sich über so etwas Gedanken zu machen. Mir fiel auf, dass er gar nicht dieser Obermacker war, nicht dieser Macho, so wie er sich gerne aufführte. Diese Seite an ihm zeigte er mir zwar schon öfter, in all’ unserer Zeit zuvor, und immerhin war er auch nur ein Mensch mit all’ seinen Facetten, doch dass er zu seiner Freundin so zuvorkommend und liebevoll sein konnte, dass kaum ein böses Wort mehr fiel, von beiden Seiten nicht, dass konnte ich nie ahnen und überraschte mich positiv. Es zeigte mir mal wieder, dass man der charmanteste Schmusetiger werden konnte, sobald man verliebt war - egal wie man nach außen hin wirkt. Harry zeigte mir seine Familie. Am vierten Juni war ich das erste Mal bei ihm Zuhause. Er stellte mich seinen Eltern und Victor, seinem Kater, zu dem er eine ganz besondere Beziehung hegte und der mein kleiner „Konkurrent“ war, vor. Ich weiß noch wie ich zögerlich einen Schritt vor den nächsten gesetzt habe, total überwältigt von dem Wert dieses Hauses. Das erste was mir auffiel war der Marmor und ich traute mich nicht nur irgendetwas zu berühren, geschweige denn mich allein durch das Haus zu bewegen. Im Teich des Gartens befinden sich Kois. Ich habe sie nie gezählt, was ich eigentlich vorhatte, aber es waren ziemliche viele, groß und beeindruckend. Vom Balkon des Wohnzimmers aus, wo wir zwei Mal während unserer Zeit saßen, konnte man sie beobachten. Auch Harrys Zimmer hatte einen Balkon, einen, mit dem ich einige schöne Erinnerungen verbinde. Sein Zimmer war für das eines Mannes sehr ordentlich und edel. An der anthrazitfarbenen Wand, auf die man direkt schaute, hing ein Fell, ich weiß jedoch nicht welche Art von Tier. Über seinem Bett hing ein gezeichnetes Bild von zwei Frauen, das mich immer wieder faszinierte. Für mich standen sie, mit diesem verträumten Ausdruck in ihrem Gesicht, für das Lebensgefühl, das Harry mir vermittelte, diese Freiheit, die Ruhe und der Genuss des Lebens. Seine Flaschensammlung in und auf seinem Regal unterstrich seine Vorliebe für Bier, wie auch ein Geschenk zu seinem 16. Geburtstag, eine Collage seines Lebens, zusammengestellt von seinen Freunden. Sein Bett war verdammt gemütlich, ich lag so gerne dort. Für uns zwei fand ich es immer ein wenig zu groß, da wir ja immer im Knäuel lagen und nur selten ein Stückchen auseinander. Obwohl alles so hochwertig war, fühlte ich mich bei Harry mehr daheim als bei mir. Ich liebte die Ruhe so sehr, diese Geborgenheit und Sicherheit, die seine Familie ausstrahlte und auch die, die Harry mir immer wieder näher brachte. Es war einfach die Familie, nach der ich mich immer so sehr gesehnt und Harry war der Freund, den ich mir immer so sehr gewünscht habe. Von nun an gingen wir jeden Samstag nach den Klassenspielproben zu ihm. Diese Samstage verbinde ich mit dem Lied „Sway“ von Mooi und wie er immer dazu gesummt hat. Nur irgendwie kommen mir die Treffen gar nicht so häufig vor, wie sie waren. Es fühlt sich so kurzlebig an, als wäre vieles nur erträumt. Während draußen die Sonne schien und der Sommer in der Luft hing, brachte mir Harry das richtige Küssen bei und wie viel Spaß es machen konnte hemmungslos rumzuknutschen. Ich begreife nicht, wie er solch eine große Geduld aufbringen und solange darauf verzichten konnte, obwohl er schon so viel erfahrener war, obwohl er Liaisons erlebt hat, von denen könnte ich nur träumen, denn ich hätte es nicht gekonnt. Dafür danke ich ihm so sehr, nie hat er mich zu etwas gedrängt und jeden Schritt, den wir in Berlin gegangen sind, sind wir bewusst gegangen. Der Abend wurde sehr lang, im Fernsehen lief Metallica und das hatte schon etwas leicht Bizarres. Wir merkten zum ersten Mal, wie groß unser Zeitproblem wirklich war. Schon in Griechenland, in unserer ersten Nacht, war es plötzlich fast fünf Uhr, anstatt der vermuteten Mitternacht. Auch diesmal verging die Zeit mit einem Lidschlag. Wir wollten uns gar nicht so recht voneinander trennen, die Zeit, die wir miteinander verbrachten, und die Momente, die uns von nun an unsere waren, nicht gehen lassen. Harry hatte mich sogar noch nach Hause gebracht, fast den ganze Weg, obwohl die Busse um die Uhrzeit in so großen Abständen fuhren. Auf dem ganzen Weg konnten wir nicht die Finger voneinander lassen und ich glaube, ich hatte in meinem Leben noch nie soviel Spaß und fühlte mich zugleich so sorglos, schwerelos, als würde ich in einer anderen Welt leben, in einer, wo die Zeit still zu stehen schient. Es gab zwei dieser Abende. An einem weiteren gingen wir noch zusammen zur Schule, wegen des Bühnenbaus, der zu den Schauspielproben gehörte und wo neben den eingeteilten Mitschülern gerne noch Freiwillige gesucht wurden. Wir fuhren die restliche Strecke mit meinem Fahrrad, was sehr lustig war, denn wir schwankten die ganze Zeit hin und her und haben lauter Unsinn geredet. Zwischenzeitlich, neben der Arbeit beim Bühnenbau, schlichen wir uns mehr oder weniger unbemerkt aus dem Saal um uns zu küssen. Ich mochte diese Momente, diese Spannung in der Luft, als würden wir etwas Verbotenes anstellen. Die ganze Nacht war einfach Wahnsinn, wir waren so glücklich und kamen aus der Freude gar nicht mehr heraus. Und trotz diesem Glückgefühl, das wir empfanden, waren parallel zu allem die Pride Week, der Christopher Street Day und das Schwul- Lesbische- Straßenfest. Ich musste mein Leben neu ordnen, mit der Vergangenheit abschließen bevor ich hätte etwas neues beginnen können. Immerhin lag mir viel an dieser Lebenseinstellung, für die ich lange gekämpft hatte und die ich nun für eine wahre Liebe aufgeben musste. Es fiel mir schwer, das gebe ich zu. Und ich brauchte meine Zeit um zu mir selbst und auch zu Harry zu finden. Eines nachmittags, als wir auf dem Balkon seiner Eltern saßen und uns verliebt anschauten, führten wir eines dieser Gespräche, ob wir eine Beziehungen wagen sollten oder nicht. Ich war mir so unsicher. In der Schule war ich zuvor die einzige, die noch keine Beziehung, geschweige denn ihren ersten Kuss hatte. Mit Jannik führte ich auch deswegen eine Art Seelenverwandtschaft, denn ihm ging es nicht anders. Wir waren vielleicht keine Außenseiter, aber unsere Freundschaft hatte dadurch eine gewisse Bindung. Ich wollte nicht, dass diese Beziehung in die Brüche geht, wie schon einige Freundschaften zuvor. Außerdem war da diese Sache mit meinen Eltern. Gegen meine Mama führte ich schon immer wieder diese Rebellionsschiene und eine Beziehung mit Harry hätte sie nur befürwortet, denn sie mochte ihn und wie bemüht er all’ die Jahre um mich war. Und die Geschichte mit meinem Dad war ja bekannt, beide waren sie nicht gut aufeinander zu sprechen. Ich wollte mir zudem alle Wege offen halten und mich nicht festlegen. Mit der Zuversicht, den Sommer 2006 noch einmal zu erleben, in seiner ganzen Freude, in seiner ganzen Herrlichkeit. Indem ich verbissen versuchte die Vergangenheit aufleben zu lassen, verpasste ich beinahe mein Glück in diesem Augenblick. Diese Einstellung, diese Angst vor der Veränderung hat soviel kaputt gemacht. Ich weiß nicht wie es ihm damals ging, ob er diese Zweifel überhaupt in dem Ausmaße mitbekommen hat, aber wäre sie nicht gewesen, wahrscheinlich wäre dann einiges anders gelaufen. Ich wollte diese Unsicherheit ja nicht, aber was, wenn diese Beziehung schneller zu Ende gegangen wäre, als das Schuljahr noch dauern würde? Was, wenn ich dann alles aufs Spiel gesetzt hätte, jede Veränderung ihren Lauf genommen und ich dann plötzlich mein Herz an jemanden verloren hätte, den ich nie wieder sehe? Ich vertraute ihm, schon allein durch unsere ganze Vorgeschichte, die Augenblicke, in denen wir füreinander da waren. Doch für mich war alles so neu, ich wusste gar nicht so genau wohin mit all meinen Gefühlen und Gedanken. Harry hatte damals schon mit seiner Mama gesprochen. Sie fragte nach mir, denn ich war das erste Mädchen, das Harry mit nach Hause nahm. Er war sich aber nicht sicher was er ihr antworten sollte und fragte schließlich mich: „Was soll ich meiner Mama nun sagen?“ Meist nach den Proben gingen wir noch in den nahe gelegenen Park unserer Schule. Er war perfekt für einen romantischen Spaziergang. Auf der verwilderten Wiese machten wir es uns gemütlich und küssten uns, immer und immer wieder. Ich liebte unser Zeitproblem, mit niemandem sonst verging die Zeit so schnell und doch wunderschön. Einmal rief Karl an, ein Klassenkamerad, um etwas wegen des Klassenspiels zu fragen, und währenddessen machte ich Harry fast wahnsinnig, da ich nicht aufhören konnte ihn zu küssen, nicht genug von ihm kriegen konnte. Es war diese gewisse Leidenschaft, die in der Luft schwebte und der Duft von Neugierde. Ich glaube es war bei unserem ersten Spaziergang im Park, da bat ich ihn um den richtigen Kuss, dieser leidenschaftliche, den man nie vergisst. Es gab diesen Kuss. Er war so unglaublich, auf eine ganz andere Weise wie der in Griechenland. Am 11.Juni 2008 hielt ich diesen Moment in meinem Herzen fest. Einen Tag später, wieder beim Spazieren im Park und gerade auf dem Weg zu gehen, haben wir uns für eine Beziehung entschieden. Seine strahlenden Augen und dieses glückliche Lächeln in diesem Moment, ich werde es nie vergessen. Es war die beste Entscheidung, die wir je hätten treffen und das beste Risiko, das wir je hätten eingehen können. Auch an den Kuss, den er mir anschließend gab, meinem Wunschkuss, kann ich mich noch gut erinnern. Wir versprachen uns sogar, die drei Monate, die Harrys bisherigen Beziehungen nur dauerten, zu toppen. Ein halbes Jahr, mindestens sollte unsere Liebe halten, wenn nicht sogar ein ganzes Leben. Rückblickend haben wir immer wieder feststellen können, dass es am 12.Juni 2008 noch keine Beziehung war, in dem Sinne, sondern wir erst langsam an der Aufgabe, die sie uns gestellt hat, gewachsen sind. Wie mein Herz pocht, während ich all’ das aufschreibe, während ich jede einzelne Erinnerung vor Augen habe und mein Lächeln kein Ende nimmt, merke ich, wie ich mich langsam in ihn verliebte und wie unbegründet meine Zweifel doch waren. Die Proben fielen uns viel leichter seit dem ich Gefühle zuließ und wir wussten, dass sie auf Gegenseitigkeit beruhten. Verliebt zu spielen wenn man wirklich verliebt ist, kann im Grunde nicht schief gehen. Ich begann ganz automatisch zu strahlen und meine Liebe durch die Stimme klingen zu lassen. Vieles was Harry auf der Bühne sagte, klang so, als wäre es allein für mich bestimmt. Es war ein schönes Gefühl. Hinter der Bühne küssten wir uns des Öfteren. Einmal, da standen wir vor dem Spiegel, umarmte er mich und ich sagte: „Ich finde wir sind ein tolles Paar. Wir passen gut zusammen.“ Harry antwortete nicht, aber in seiner Gestik und Mimik bestätigte er mir meine Worte. Ein wenig später machte er mir das erste Kompliment, seit dem wir zusammen gewesen sind. Er meinte, er würde meine Wimpern so schön getuscht finden. Bei keiner anderen würden sie so aussehen. Es ist mir in Gedanken geblieben, die ganze Überzeugung und Ehrlichkeit mit der er seine Worte rübergebracht hatte. Seitdem tuschte ich mir meine Wimpern mit Sorgfalt, um ihn nicht zu enttäuschen. Jeden Tag, noch heute, stehe ich vor dem Spiegel und lege beim Schminken besonderen Wert auf meine Wimpern. Vor unserer Aufführung, am 18.Juni, übernachtete ich das erste Mal bei Harry. Nicht, dass es das erste Mal gewesen wäre, das ich neben ihm geschlafen hätte, aber jetzt, nachdem wir eine Beziehung hatten, fühlte es sich ganz anders an, irgendwie ehrlicher. Zum Glück musste am folgenden Tag nicht unsere Besetzung spielen, denn wir hatten mal wieder kaum Schlaf. Jeweils mit einem Kaffe bewaffnet gingen wir zur Schule. Vier Mal führten wir „Den Belagerungszustand“ von Camus auf, vom 19. Juni bis 21. Juni 2008. Das Stück begann mit einem Komet am Himmel, der die kleine spanische Stadt Cádiz in Aufruhr versetzte. Ein nihilistischer Säufer namens Nada, gespielt von Jannik und Raphael, kündigte an, dass Schlimmes bevorstünde. Die allegorischen Gestalten "Pest" und "Tod", in der Zweitbesetzung unsere zweite Marie und Luise, rissen die Macht in der Stadt an sich und errichteten eine Schreckensherrschaft. Die Tore der Stadt wurden geschlossen, Männer und Frauen getrennt. Ein Galgen wurde aufgestellt und schwarze Sterne wurden verteilt. Fast alle Bürger unterwarfen sich den neuen Machthabern, insbesondere der Säufer Nada war bereit mit ihnen zu kollaborieren. Nur der junge Arzt Diego widersetzte sich. Er verhandelte mit Pest und Tod über das Schicksal der Stadt und seiner Liebe Victoria, der Tochter des Richters. Man bot ihm Freiheit und Liebe für sich selbst an, er aber entschied sich schließlich für die Freiheit der Stadt. Um den Preis seines Lebens errang er einen Sieg. Wir waren alle so sehr im Stress und in leichter Panik, die einzelnen Szenen zu verpatzen, dass die Anspannung nur so in der Luft hing. An sich lief alles gut. Harry und ich küssten uns jedoch nicht auf der Bühne, zu nervös war zumindest ich dafür gewesen, obwohl der Moment bestimmt besonders gewesen wäre. Doch ein sehr lustiger Patzer passierte uns bei Harrys erstem Auftritt mit der Pestmaske. Rückwärts mussten wir aufeinander zugehen, zusammenstoßen und ich musste schließlich erschrocken zusammenfahren und schreien. Die Szene war schon immer problematisch gewesen. Es war eben nicht so leicht alles zu koordinieren. Doch an diesem besagten Abend liefen wir aneinander vorbei. Wir standen also plötzlich voreinander, mit einem unterdrückten Grinsen im Gesicht und waren unsicher, wie wir das nun wieder in Ordnung bringen sollten. Also schrie ich einfach, ein wenig zeit versetzt. Wir mussten so aufpassen nicht zu lachen. Später ist uns noch ein weiterer Patzer passiert, wo wir hinter der Bühne in regelrechtes Gelächter ausgebrochen sind. In unserem Programm für die Aufführungen sammelten wir die lustigsten Versprecher. Sehr schön war einer von Paula: „Ich habe nichts für unterwegs. Gibt mir ein Brot Bruder! Ich gebe dir dafür meine Kinder!“ Am liebsten wäre ich Harry in die Arme gesprungen, am Ende aller Aufführungen und hätte ihn geküsst, aus Freude, dass alles so glatt ging und auf unsere Liebe, die mit dem Stück soviel verbunden hatte und ein wenig dem eines Märchens glich. Wie alles in Griechenland seinen Lauf nahm und mit unserer Rolle als Liebespaar zu blühen begann. Die 12. Klasse nahm ihr Ende und mit ihr Momente und Erfahrungen, die ich nie vergessen werde. Der erste und einzige Zettel, den Harry mir in unserer gemeinsamen Zeit in der Schule schreib, war am letzten Junitag. Draußen war es heiß und ich trug sein Lieblingsoberteil – ein schulterfreies Top in pink, welches ich in Griechenland oft zu den Proben trug. Wir schauten uns immer wieder verliebt an und es wundert mich, dass damals niemand mitbekommen hat, dass wir zusammen waren. „Du siehst gut aus. Danke, dass du da bist.“ Ich las jedes Wort zwei Mal, um keines davon in Vergessenheit geraten zu lassen. Der letzte Schultag war ein Montag. Im Grunde waren es zwei Verabschiedungen, eine von den Mitschülern und eine von der Schule. Es wurden Bilder und ein Video gezeigt, Blumen überreicht, Anekdoten erzählt. Anschließend bekam jeder Fotos von damals und heute, im Vergleich vom Achtklass- und Zwölfklassspiel, und einen Zettel mit Worten, die einen beschreiben, zusammengetragen von den Mitschülern. Harry schrieb: „Liebe Madlin. Du bist fürsorglich und begehrenswert.“ Ich fand es so süß von ihm. Es waren diese kleinen Gesten, die mir zeigten, wie sehr er doch verliebt in mich war. Und währenddessen, am Ende des Abschieds, da wurde mir bewusst, dass ich alle um mich herum, so wie jetzt sind, nicht mehr wieder sehen werde. Es war schwer von unserer alten Schule Abschied zu nehmen. Ich vermisse sie noch heute so sehr, die Pause vor dem Schulgebäude, die erste Sommersonne, die Vögel, die nicht aufhören wollten zu zwitschern und bei denen Lucas an manchen Tagen regelrecht aggressiv wurde. Der tägliche Weg zur Schule und nach Hause, unsere Konstellation der Klasse. Den Park, den Harry und ich mit dem Klassenspiel für uns entdeckten und die Blicke, die er mir im Unterricht zuwarf. Es war so eine schöne Zeit, die wir gar nicht genug ausgekostet haben. Einiges hatte sich, noch in den letzten Tagen der Schulzeit anders entwickelt, als ich es je zu erträumen wagte – und schließlich wurde auch für Harry ein Traum war. Ich spüre deinen Flaum leicht an meiner Wange, wie den Sommerwind, der durch die Felder weht. Spüre die blutroten Schmetterlinge in meinem Bauch, und halte mich an Lügen fest, damit ich keinen Herzsturz erleide. Denn ich möchte mit dir springen, über die Grenze. [..] radiomaedchen am 11.6.08 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)