Blutige Lilie von Saedy (Der See des Vergessens) ================================================================================ Kapitel 1: Der See der Vergessenheit ------------------------------------ Seufzend ließ Seto Kaiba seine Tasche und seinen Mantel auf das Sofa fallen und sich selbst gleich hinterher. Was für ein Tag! Er fühlte sich wie erschlagen, als er spät abends, nach etlichen Überstunden, wieder nach Hause kam. Außerdem fürchtete er, das Kotzen, welches er heute Morgen unterdrückt hatte, jetzt nachholen zu müssen. Jedenfalls war da ein furchtbarer Kloß in seinem Hals. “Ah, Schatz! Da bist du ja endlich!”, rief eine fröhliche Stimme. Kaiba musste unwillkürlich lächeln, als er sie hörte. Einen Moment später fiel ihm auch schon ein junger Mann um den Hals und ließ sich auf seinem Schoß nieder. “Guten Abend, wie geht es dir, mein Liebling?”, erkundigte er sich nach einem liebevollen Kuss. “Bestens, aber du siehst ja nicht gerade gut aus”, stellte sein Lebensgefährte fest und zupfte an Kaibas Krawatte, um sie schließlich zu lösen. “Oh, danke, dieses Ding hat mir schon regelrecht den Hals abgeschnürt”, seufzte er erleichtert und lehnte sich zurück. “Stimmt, dein armer, geschundener Hals schreit schon nach Zuwendung.” Mit diesen Worten beugte sich sein Freund hinunter und küsste ihn genau dorthin. Kaiba lächelte gequält. Offenbar war sein Geliebter wieder in dieser Stimmung, in der er am liebsten über ihn herfallen und alles Mögliche mit ihm anstellen wollte. Doch leider fühlte er sich dafür viel zu kaputt und ausgelaugt. Außerdem wurde er den Gedanken an das Blut nicht los. Das verdarb ihm gezielt die ganze Stimmung. “Atemu…”, schob er ihn deshalb mit einem entschuldigenden Blick von sich. Jener schaute ihn bedauernd aus seinen großen, violetten Augen an. Er wusste schon, was dieser Blick bedeutete. In den fünf Jahren, seit sie nun zusammen waren, hatte er bereits genug Gelegenheit gehabt, Kaiba genau kennen zu lernen. “Also, was ist los?”, rutschte er vom Schoß seines Freundes und setzte sich neben ihn. “Wir hatten heute einen besonders blutigen Fall zu bearbeiten. Kein schöner Anblick, kann ich dir sagen. Mir ist jetzt noch schlecht. Was für Grausamkeiten sich Menschen nur immer wieder einfallen lassen!” Atemu drückte verstehend seine Hand. “Glaub mir, darüber willst du gar keine Details wissen”, fügte Kaiba hinzu. Nach einem Moment des Schweigens, fragte er: “Du erinnerst dich doch bestimmt noch an diesen Auftragskiller Violette, der bis vor fünf Jahren aktiv war?” Atemu nickte. Er wusste noch, wie sie damals darüber gesprochen hatten, weil das wohl der größte Ausschlag dafür gewesen war, dass Kaiba sich dafür entschieden hatte, Polizist zu werden. “Willst du sagen, er ist jetzt wieder zurück?”, erkundigte er sich besorgt und beugte sich vor. “Nun, es ist noch nicht sicher, es könnte sich auch um einen Nachahmungstäter handeln, aber fest steht jedenfalls, dass er eine violette Lilie am Tatort hinterlassen hat. Und eigentlich”, zögerte Kaiba, “dürfte ich dir das gar nicht erzählen. Doch ich weiß ja, dass du nichts ausplauderst, mein Süßer”, lächelte er und küsste Atemu. “Nein, werde ich nicht”, versprach jener. “Und, wie läuft es im Spieleladen?”, wollte Kaiba wissen. “Bestens. Diese kleinen Biester, ähm, ich meine natürlich, Kinder, sind so hinter den neuen Karten her, als wären sie aus purem Gold.” Das war wieder so eine der Eigenarten Atemus, die Kaiba nicht verstand - sein Freund war Inhaber eines Spieleladens und das, obwohl er Kinder nicht ausstehen konnte. Wahrscheinlich tat er das nur, um dem Erbe seines verstorbenen Großvaters gerecht zu werden. Doch jedes Mal, wenn Kaiba ihn darauf ansprach, behauptete er felsenfest, dass ihm die Arbeit Spaß mache. Doch die meisten seiner Kunden waren eben Kinder und die konnte er definitiv nicht ausstehen, obwohl er das meistens gut zu verbergen wusste. “Das freut mich”, erwiderte Kaiba und schloss müde die Augen. “Oh, mein Engel ist aber müde”, stellte Atemu fest und küsste ihn auf die geschlossenen Augenlider, was Seto zum Lächeln brachte. “Hast du gedacht, du entkommst mir? Hast du das wirklich geglaubt?” Eine Stimme lachte höhnisch auf. “Hast schon geglaubt, ich wäre versunken im See der Vergessenheit. Doch sieh nur!” Er folgte der Aufforderung und erblickte in der Düsternis ein violettes Licht, das von Ferne herüberstrahlte. Darin eine schattenhafte Gestalt, die aus einem dunklen See herauswatete und doch vollkommen trocken schien. Aber wirklich erkennen, konnte man das nicht, denn man sah sie im Dunkeln nicht richtig. Selbst als sie näher kam und das violette Licht ihr ins Gesicht leuchtete, erkannte man sie doch nicht. Er schaute auf die Hand der Gestalt und erblickte eine violette Lilie. Plötzlich war alles voll von diesen Blumen, kein Fleck mehr unberührt und aus den Blüten schossen Ströme von Blut, ergossen sich über Berge von Leichen, die mit einem Mal da waren. Er schrie auf. Seto zuckte aus dem Schlaf hoch und wischte sich müde über die Augen. Was war denn jetzt los? Hatte er gerade einen Schrei vernommen oder das nur geträumt? Plötzlich spürte er einen zitternden Körper, der sich an ihn klammerte. “Atemu, was ist denn?”, flüsterte er und hielt seinen Geliebten schützend fest. Zuerst reagierte der gar nicht und Seto glaubte schon, er wolle nichts sagen. “Ich hatte einen furchtbaren Alptraum”, kam es schließlich in Form eines Hauchens über Atemus Lippen. “Er wirkte so real. Ich habe jetzt noch solche Angst.” “Scht, ist ja gut”, tröstete Seto. “Es ist ja vorbei.” Die beiden lagen eine Weile aneinander gekuschelt im Bett, bis er schließlich fragte: “Und, was hast du denn geträumt?” “Ich möchte nicht darüber sprechen”, nuschelte Atemu in sein Schlafanzughemd. “Aber das wird dir vielleicht helfen, den Schrecken des Traumes abzuschütteln und nicht noch mal so einen Alptraum zu bekommen.” “Hm”, machte sein Freund. Wenn er Seto jetzt erzählte, dass er von Violette geträumt hatte, dann würde der ihm bestimmt nie wieder etwas von seiner Polizeiarbeit erzählen um zu verhindern, dass er sich so darüber erschrak. Das war ja auch ziemlich kindisch von ihm, so auf eine bloße Erzählung zu reagieren. Sein Unterbewusstsein reagierte gerade so, als sei ihm der Auftragskiller persönlich über den Weg gelaufen. “Ach, ich… habe nur meinen… toten Großvater gesehen wie er aus dem Grab gestiegen ist und jede Menge andere Leichen um ihn herum, das ist alles”, behauptete er. “Du sag mal”, stockte Seto plötzlich. “Wie bin ich eigentlich ins Bett gekommen? Ich kann mich daran nicht erinnern.” Atemu neben ihm kicherte verhalten. “Du hast auf der Couch geschlafen wie ein Baby”, amüsierte er sich. “Da hab ich es einfach nicht über mich gebracht, dich zu wecken.” Seto bekam auf diese Aussage hin große Augen. “Willst du damit sagen, du hast mich ins Bett getragen?”, wunderte er sich. “Ach komm schon, so schwer bist du gar nicht”, piekte Atemu spielerisch einen Finger in Setos Bauch. “Hey, dann kann mein kleiner Superman mich ja demnächst immer ins Bett tragen”, spöttelte Seto. “Schönheit ist eben nicht alles”, konterte Atemu geschickt. “Das hat man ja heute gesehen”, ärgerte er seinen Freund ein bisschen. “Und du hast mich wirklich ins Bett getragen?” Der junge Polizist wurde rot um die Nasenspitze, was sein Lebensgefährte zum Glück nicht sehen konnte. Er wunderte sich doch immer wieder, was dieser kleine, zierlich wirkende Mann für eine Kraft hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)