Achromatopsie von Adhara (Color blind) ================================================================================ Kapitel 3: Sonnengelb --------------------- Sonnengelb. Es gab nichts Spannenderes als Architektur. Der Tag war leicht bewölkt, perfekt also um draußen zu sitzen und sich Grundskizzen von einigen alten Bauten der 20er Jahre anzuschauen. Auf Esmes Schoß lag ein Blanko Block und zwischen ihren Fingern zwirbelte sie einen guten Bleistift. Das weiße Blatt schrie gerade zu danach bekritzelt zu werden aber sie war sich unsicher. Wie konnte sie ein Gebäude im Stil der 20er Jahre mit modernen Elementen vereinbaren? Eine schier unlösbare Aufgabe, ihrer Meinung nach. Um wenigstens etwas auf Papier gebracht zu haben zog sie einen Strich, ärgerte sich gleich darauf aber deswegen. Wie unkreativ sie war! Esme ließ ihren Blick über die Lichtung gleiten und sie blieb an einem Mann hängen welcher allem Anschein nach zufrieden aus dem hinteren Wald kam. Carlisle war jagen gewesen, allein. Sie konnte nicht anders, sie tastete mit ihren Augen seinen Körper ab und seufzte leise auf. Es war immer noch ungewohnt mit so einem Prachtexemplar von Mann liiert zu sein, so richtig liiert. Er schien so perfekt im Vergleich zu ihr. Mit seinem Körper machte er die Krankenschwestern reihenweise liebestoll und mit seinem Verstand gewann er auch noch ihre Herzen. Nur zu gut, dass seines ihr gehörte. Es half alles nichts, ihre Finger welche den Bleistift hielten fuhren schnell über das Blatt, zeichneten grob seine Konturen nach bevor sie auch nur etwas konkreter wurden konnte. „Wieder kreativ?“ Ohne von der Zeichnung aufzuschauen wusste sie, dass er noch weit genug weg war um in Ruhe aber doch mit einer gewissen Hast weiter zu zeichnen. Für einen kurzen Moment fragte sie sich, ob seine Stimme rau war aber sie konnte es fast nicht glauben. Wieso denn auch? „Ja, ich zeichne gerade-…“ Einen sexy Doktor mit verruchtem Blick und halbnackt. „Einige Skizzen, du weißt doch, der 20er Jahre Stil lässt mich nicht mehr los.“ Keine so schlechte Idee. Bevor sie es auch nur verhindern konnte glich der sexy Doktor auf dem Papier einem Dandy-Verschnitt, nur viel heißer. Oh Gott, biologisch gesehen war sie 26 und sie führte sich so kindisch auf! Als er dann auch noch gefährlich nah kam riss sie das Blatt vom Block und zerknüllte es schnell. „Nicht zufrieden?“ Er war so zuvorkommend, so nett. Obwohl er genau wusste, dass sie völlig unzufrieden war fragte er noch anstelle es als Selbstverständlichkeit hinzunehmen. „Nein.“, seufzte sie und ehe sie es sich versah hatte er seinen Arm um ihre Taille geschlungen und sie hochgezogen. „Ich habe eine klasse Idee, um dich aufzumuntern.“ Für einen Moment bezweifelte sie, dass es gerade überhaupt etwas gab, was sie aufmuntern konnte und dann sagte sie sich einfach: Was soll’s. Der Tag war sowieso schon angebrochen und sie hatten ein unendlich langes Leben Zeit, warum also nicht?! Carlisle spürte die veränderte Haltung von der hübschen Frau in seinen Armen und ein Grinsen huschte über seine Lippen. Ohne, dass sie auch nur den Hauch eines Protestes loswerden konnte glitt sein anderer Arm zu ihren Kniekehlen und mit Leichtigkeit hob er sie hoch. „Carlisle! Ich kann-… argh!“ Sie wollte nicht lachen aber hatte auch keine andere Chance. Wenn er sie trug war es einfach viel zu schön, als dass sie böse auf ihn sein konnte. Zielsicher wie er war rannte er über die Lichtung und in den Wald. Sofort umgab beide ein Geruch von Moos und Natur. Nur wenige Sekunden später wurde er langsamer ehe er ganz stehen blieb. Und als wäre sie eine Lady und keine peinliche 26-jährige ließ er sie galant runter, noch immer ihre Hand haltend. Für einen kurzen Moment schaute sie auf das vor sich liegende, dann Carlisle an. „Wieso?“ Dämliche Frage, das musste selbst sie zugeben. Aber etwas anderes fiel ihr gerade nicht ein wenn sie auf die sonnengelbe Decke schaute welche auf dem Boden ausgebreitet war. Darauf waren in perfektem Abstand zwei Kerzenleuchter mit den nötigen Kerzen welche brannten platziert und der geflochtene Korb erweckte den Anschein, etwas Essbares zu beinhalten. Aber auch das war ein blöder Gedanke, schließlich schmeckte es immer sehr erdig wenn sie was aßen. „Na ja, die Kinder sind bald in der weiten Welt um zu studieren und dann haben wir endlich wieder etwas mehr Zeit für uns beide.“ Seine Stimme war zärtlich und passte perfekt zu der Art wie seine Finger mit ihren spielten. Nur, das was er sagte passte nicht ganz. „Carlisle…?“ Sie konnte sich von dem Anblick lösen und verwirrt drehte sie ihren Kopf zu seinem. „Ich wollte damit fragen, ob ich einen Grund brauche, dich zu überraschen.“ Verdammt, manchmal war sie so schwer von Begriff! Er musste schmunzeln als sie sich beeilte ihr hübsches Köpfchen zu schütteln und beide setzten sich auf die Decke, umgeben von Wildblumen und Moos. Es war angenehm, den Tag mit Esme zu verbringen. Sie war viel unbeschwerter als er und brachte ihn dazu, die Probleme wenigstens für eine kurze Zeit zu vergessen. Gewissermaßen konnte man sagen, dass sie seine Freizeit war. Wenn er bei ihr war erschien alles andere so nichtig, es gab nur sie beide. Er spürte wie ihre Hand seinen Arm streichelte und schaute ihr in die Augen. Eine Frage lag in ihrem Blick aber anstelle zu fragen lächelte sie ihn nur an und strich weiter über seine Haut. „Wir sollten viel öfter nur wir sein.“ Dieser einzige Satz schien sie gleich viel aufgeregter werden lassen. „Sollten wir.“ Vorsichtig legte sie sich auf die Decke, ihr Blick immer noch mit seinem verwoben. Es tat gut das leicht feuchte Moos unter dem Stoff zu spüren, wahrscheinlich hätte sie sonst vergessen, wo sie waren. Einige Sonnenstrahlen die es geschafft hatten durch die Wolkendecke zu brechen versuchten es auch durch die Baumkronen, scheiterten aber daran. Ein angenehmer Wind wehte und trug die Stimmen der Vögel mit sich. „Woran denkst du?“ Seine Stimme drang an ihr Ohr, so wunderbar weich und zärtlich. Es fühlte sich alles so richtig an, einfach nur hier mit ihm zu liegen und ein wenig zu philosophieren. „An…“ Sie zögerte kurz und schloss die Augen. „Dich.“ Stille trat wieder zwischen sie, seine Hand welche ihre immer noch hielt bewegte sich nicht mehr. “Sind es schöne Gedanken?“ Ein Lachen glitt sanft und hell über ihre Lippen und sie öffnete ihre Augen um ihn anzuschauen. Carlisle erwiderte ihren Blick ruhig. „Ausschließlich.“ Ohne jede Affektiertheit erwiderte er ihr Lächeln und schaute kurz verlegen weg um sie gleich darauf wieder anzuschauen. Es war schön zu wissen, dass sie nur gut von ihm dachte. Er strengte sich an, für sie, für ihre Familie und für sich selbst um immer richtig zu handeln. Es war nicht schwer, wenn man wusste, dass andere einen dafür liebten. Wieder lachte sie, jetzt aber völlig ohne Zusammenhang. „Bin ich unfreiwillig lustig in deinen Gedanken?“ Esme drehte sich auf den Bauch und winkelte ihre Beine an. Mit einem spöttischen Grinsen schaute sie ihn herausfordernd an und strich sich eine Haarsträhne zurück. „Du? Niemals.“ Sie würde nicht weiter reden, das merkte er. Vielleicht, wenn er etwas nachhalf. Also legte sich Carlisle auf die Seite, eine Hand unter seinem Kopf und die andere ihre Wirbelsäule nachfahrend. Er erwartete ein unmissverständliches Knurren ihrerseits, dass er es lassen sollte, stattdessen schnurrte sie wie eine Katze auf und lachte dann wieder. „Das ist wirklich unfair, Esme. Du lachst hier und machst dir einen Spaß während ich überhaupt nicht weiß, weswegen du lachst.“ Er klang vorwurfsvoll aber sie wusste, dass er es nicht war. Und doch, gnädig wie sie war seufzte sie auf und schaute einige Sekunden in sein ernsthaftes Gesicht. Wahrscheinlich wollte er ihr damit versichern, dass er auch nicht lachen würde aber sie wusste es besser. Natürlich würde er lachen und sie konnte es ihm nicht vorwerfen, schließlich tat sie es auch. „Okay, okay. Erinnerst du dich an diesen Tag…?“ Sie sah wie er die Augen verdrehte und musste kichern. „Ich erinnere mich an jeden Tag, du musst schon präziser werden.“ Ein Seufzen entwich ihren Lippen und schon lagen seine auf ihren. Überrascht, dass er sie einfach so küsste erwiderte sie sanft. Es war ungewohnt, dass Carlisle sie nicht darauf vorbereitete und deshalb unfair. Was Esme nicht wusste war, dass auch er überrascht war, allerdings über sich selbst. Aber manchmal bedurfte es keiner logischen Erklärung, vor allem nicht bei ihr. Als er sich von ihr löste konnte sie nicht anders, sie musste wieder lächeln. „Ich habe dir doch das etwas ganz wichtiges gesagt.“ Er verstand sofort, tat aber unwissend. „Da gibt es vieles, meinst du vielleicht den Tag, als du mir gestehen musstest, dass du ein paar Menschen-…“ „NEIN!“, unterbrach sie ihn schnell und drehte sich jetzt auch zu ihm, sodass ihre Oberkörper zueinander zeigten. Er ließ seine Hand auf ihrer Hüfte ruhen und lachte. „Dann der Tag, als-…“ Wieder ließ sie ihn nicht ausreden, aber es machte ihm auch nichts aus. „Ich meine den Tag als ich völlig bescheuert war und dir meine Liebe gestanden habe!“, rief sie vorwurfsvoll und handelte sich nur ein weiteres Lachen seinerseits ein. „Du fandest dich also völlig bescheuert? Ich fand dich süß...“ Er erinnerte sich sehr gut daran. Esme und er waren schon mehrere Tage zusammen gewesen und anscheinend hatte sie das tiefe Bedürfnis gehabt, ihm zu sagen, was er schon längst wusste. Es war niedlich gewesen wie aufgeregt sie gewesen war wegen dieser drei kleinen Worte. So sprachlos, als er es charmant aufnahm und lässig erwiderte. Als hätte sie mit seiner Erwiderung nicht gerechnet. „Ich war schon sehr peinlich, oder?“ Ihr kläglicher Tonfall veranlasste ihn zu schmunzeln und er fragte sich, ob er die Wahrheit sagen sollte. Sie würde es merken, wenn er die Wahrheit etwas umformulierte und entschied sich dagegen. „Nur etwas sehr. Aber nur nach Edward. Dass du auch an so was denken musstest, als du mir das gesagt hast!“ Sie wäre errötet wenn sie es gekonnt hätte, das wussten beide. „Dass er auch Gedanken lesen kann! Er hätte ja nicht unbedingt meine lesen müssen als ich es dir gesagt habe.“, endete sie schmollend. „Du warst schon sehr… laut.“ Die Trockenheit in seiner Stimme ließ sie lachen wie schon so oft an diesem Tag. Und der Gedanke an diesen erinnerungswürdigen Tag, der Gedanke an die Skizze welche zusammengeknüllt irgendwo lag und das Wissen, mit ihm hier zu sein ließ sie nur noch fröhlicher werden. Die sonnengelbe Decke passte perfekt zu ihrer Laune und Esme kam der Verdacht, dass Carlisle diese bewusst gewählt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)