Achromatopsie von Adhara (Color blind) ================================================================================ Kapitel 10: Bitterorange ------------------------ Bitterorange. Ihr Herz pochte schnell. Schneller als das eines Menschen. Und in diesem Moment sogar noch schneller als üblich. Renesmee Carlie Cullen hatte mitten in der Auffahrt geparkt, ihre Hände zitterten deutlich als sich diese vom Lenkrad lösten. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihr die grauen Bremsspuren auf dem Asphalt und ein zufriedenes Lächeln legte sich auf ihre perfekten kirschroten Lippen. Sie liebte wie ihre Familie schnelles Autofahren und am liebsten legte sie bei über 100 Meilen eine Vollbremsung hin. Als ihr Blick jedoch auf das riesige Haus fiel verging ihr Lächeln schnell, sie packte ihre Designertasche – ein Geschenk von Alice – und wütend stieg sie aus. Mit schnellen Schritten ging sie auf die Tür zu, ihre kupferfarbenen Locken wippten hin und her. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen blitzten aggressiv. „Deine Tochter kommt!“, ertönte drinnen die trällernde Stimme von Alice und Renesmee verdrehte die Augen. Alice war ihre Lieblingstante, auch wenn sie ein wenig verrückt war. Ständig kaufte sie ihr irgendwelche Klamotten, Schuhe und Accessoires. Und dann durfte sie die Sachen nur einen Tag anziehen. Im Grund genommen machte es Renesmee nichts aus, es war lustig. Sie war nicht ganz so empfindlich wie ihre Mum, sie mochte es sogar hin und wieder sich schick zu machen aber meistens war es Zeitverschwendung. Vor allem, wenn sie mit Jacob unterwegs war. Meistens war dann ein Minikleid aus Seidenstoff doch unpraktisch. Bei dem Gedanken an Jake wurde sie noch wütender und mit einem schallenden Knall stieß sie unsanft die Tür auf und trat ein. Als erstes sah sie Rosalie und Emmett, anscheinend hatte dieser mal wieder etwas Falsches gesagt denn die wunderschöne Blondine war in Rage. Das liebte sie an Rosalie. Sie war immer so selbstbewusst und kühl, aber wenn man einmal die unsichtbare Grenze überschritten hatte kam ihr Temperament zum Vorschein. Renesmee hatte auch ein hitziges Temperament aber es dauerte nicht so lang, bis dieses zum Vorschein kam. „Ich hab doch nur gesagt, dass du nicht ständig irgendwas kochen musst für Nessie. Hey übrigens!“ Emmett nickte ihr zu und sie zwinkerte zurück. „Du hast gesagt ich mäste sie und dass sie fett wird!“, rief Rosalie erzürnt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mäste ich dich, Nessie?“ Schnell schüttelte die Angesprochene den Kopf. Es stimmte, Rosalie ging völlig in dieser zweiten Rolle als Mutter auf und kochte jeden Tag, aber wirklich jeden etwas für sie. Natürlich wussten alle, dass sie Tierblut bevorzugte aber das wurde unter den Tisch gekehrt. Ohne die beiden weiter zu beachten ging sie schnellen Schrittes die Treppe hoch und begegnete dort Jasper der in Eile schien. „Hey, wie war die Schule?“, fragte er im Vorbeigehen und blieb dann doch stehen, drehte sich zu ihr um und lächelte Er war halt ein wirklicher Gentleman, sonst würde er nicht mit ihr umgehen als wäre sie eine Dame und sie erwiderte sein Lächeln. Sofort verflog ihre bald überschäumende Wut, machte einer angenehmen Ruhe Platz und sie seufzte auf. Jasper war für sie eine aufregende Person, sein früheres Leben war genauso traurig wie interessant und seine Gabe war ab und an wirklich hilfreich. Nessie mochte ihren Onkel aber ein Thema welches er immer ansprach hasste sie: Schule. Beide vertraten zwei völlig unterschiedliche Meinungen und es war ernüchternd mit ihm darüber zu diskutieren, schließlich hatte er so ziemlich immer Recht. „Unglaublich spannend.“, antwortete sie sarkastisch und zuckte mit den Schultern. „Hast du es eilig?“, fragte sie neugierig und sah, wie er einen Blick zum Schlafzimmer von ihm und Alice warf. „Nein, nein. Es ist nur… Alice hat gerade wieder so eine Phase.“ Seine Lippen bewegten sich kaum und sie verstand es fast nicht. Das war das traurige Los eines Halbvampirs. „Dann geh ich ihr mal lieber aus dem Weg. Weißt du, wo Dad ist?“ Mit dem Kopf nickte Jasper zu einem Zimmer am Ende des Gangs und Nessie bedankte sich mit einem Luftkuss. Dann war ihr Onkel auch schon verschwunden, er war aus dem Fenster gesprungen, so komisch es sich auch anhörte. Sogleich war Nessie bei der Tür und knallte diese auf. „DAD!“, ertönte ihre Stimme welche jetzt mehr ein Kreischen war. Jetzt, als Jasper weg war, war auch wieder ihre Wut da und ihr Vater schaute sie mit mildem Interesse an. Als er jedoch sah wie rot sie vor Aggressivität war musste er grinsen und das brachte das Fass zum überlaufen. Es war zu früh am Morgen als Nessie aufwachte. Sie hatte gerade mal ihren Traum abgeschüttelt – übrigens ein sehr schöner Traum, Jacob und sie hatten ihr erstes Date gehabt – als auch schon Alice reintänzelte. „Aufstehen, Schlafmütze!“, rief diese freudig und ging in den anliegenden Raum wo ihre Klamotten aufbewahrt wurden. „Alice…“, knurrte Nessie und strich sich einige Haarsträhnen zurück. Als sie schwankend aufstand und einen kurzen Blick in den Spiegel warf war ihre ‚gute’ Laune dahin. Renesmee war ein Morgenmuffel und die immer vorhandene schlechte Laune wurde nur noch extremer, wenn ihre Locken völlig verknotet und wild waren. So wie jetzt. Ihre Tante kam mit einer edlen Jeans und einer Bluse auf dem Arm zurück, brauchte nur einen Blick um das Ausmaß der Katastrophe zu sehen und seufzte. „Rosalie?“, fragte sie in normaler Lautstärke und ihre Tante im Zimmer. „Ihr seid schrecklich.“, nuschelte Nessie in ihren nicht vorhandenen Bart und ließ sich von Alice die Klamotten reichen. Während sie sich umzog musste sie zugeben, dass sie eigentlich dumm war. Immer wenn sie bei ihren Großeltern übernachtete lief es nach dem gleichen Muster ab: Mit Esme und Carlisle reden, mit Emmett wetten, mit Jasper diskutieren, mit Rosalie sich amüsieren und von Alice Klamotten geschenkt bekommen. Dann einschlafen, am nächsten Morgen aufwachen, von Alice genervt werden was die Klamottenwahl betraf, von Rosalie sich die Haare gemacht bekommen, mit Jasper und Emmett kurz gespielt schäkern, von Esme Lunch bekommen und mit Carlisle schließlich mitfahren, der sie auf dem Weg zum Krankenhaus in der Schule absetzte. Geduldig setzte sie sich auf den kleinen Hocker des Frisiertisches und gähnte als Rosalie ihre Haare kämmte. Alice tänzelte um beide herum. „Du bist heute irgendwie aufgedrehter, kann das sein?“, fragte Nessie desinteressiert und gähnte noch mal. „Kann sein.“, antwortete Alice lachend. „Ich habe deinem Dad seine Zukunft heute gesehen und-… am besten lässt du dich selbst überraschen.“, kicherte sie jetzt. Nessie zog eine Augenbraue hoch und runzelte die Stirn. Sie hasste wie ihre Mum Überraschungen. Es dauerte nicht lang bis ihre langen Locken wieder gezähmt waren und im Licht glänzten, sodass Nessie aufstand und nach unten ging. „Guten Morgen, wunderschöne Dame.“, ertönte Jaspers Stimme und sie hob die Hand zu einem Winken wie es Prinzessinnen taten. „Guten Morgen der Herr.“, antwortete sie zirpend. Von oben war Alice’ Kichern zu hören und Nessie fragte sich, ob ihre Tante das wirklich so locker sah wie Jasper und sie. „Hey, machst du dich gerade an mein Mädchen ran?!“, dröhnte Emmetts Stimme durch das Wohnzimmer und einen Moment später stand er vor Jasper. „Hast du ein Problem damit?“ „Bei so einem Bastard wie dir schon!“ „Lass uns das draußen klären.“ Sie verfolgte den Schlagabtausch und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Als beide sich dann wirklich umdrehten und nach draußen gingen fing sie laut an zu lachen. „Spielkinder.“, seufzte Esme welche auf einmal neben ihr stand und ihr eine Lunchbox hinhielt. Als wäre sie noch in der Grundschule. „Ich finde es lustig.“, lächelte Nessie, nahm die Box und steckte sie in ihre Designertasche. „Carlisle wartet schon in der Garage. Wie immer bringt jemand von uns deinen Wagen zur Schule, wir lassen den Schlüssel stecken. Lern schön.“, fügte Esme hinzu und sie nickte. Mit schnellen Schritten ging sie in die Garage. „Großvater!“, rief sie freudig. Carlisle war jung und attraktiv wie immer. Es war fast schon beleidigend, dass es so einen gut aussehenden Mann gab. Und es war unglaublich peinlich, dass sämtliche Mitschülerinnen von Nessie für ihn schwärmten. „Gut geschlafen?“, fragte dieser sanft und hielt ihr die Beifahrertür auf. Sie stieg ein und lächelte das schiefe Lächeln welches sie von ihrem Dad hatte. „Bis Alice mich aus meinen süßen Träumen gerissen hat.“, antwortete sie und beide lachten. Die ersten Stunden vergingen schnell bis auf einige Zwischenfälle. In Chemie hatte sie, ohne es zu wollen, Wasserstoffperoxid über den Ärmel ihres Laborpartners gekippt. Dass der dann ausgeflippt war und den weißen Labormantel von seinem Körper gerissen hatte war doch nicht ihre Schuld. Leider war da ihr Professor anderer Ansicht gewesen und hatte sie für die restliche Stunde rausgeschickt. In Spanisch hatten sie einen unangekündigten Test geschrieben und schon nach zehn Sekunden wusste sie, dass sie ein F darin haben würde. Als es zur Mittagspause klingelte dachte sie, erst einmal von peinlichen Zwischenfällen befreit zu sein aber weit verfehlt. Nessie schaffte es, sich mitten in der Cafeteria der Länge nach hinzulegen. Und das nur, weil Jacob mit seinem Motorrad an der Glasfront stand und fröhlich klopfte. „Alles okay, Nessie?“, hörte sie die erschrockene Stimme von Sabrina und mit einem Satz richtete sie sich auf. „Ja, ja. Alles klar. Nichts passiert.“ Stille. „Hat das jemand gesehen?“, fragte sie leise. Ihre kupferfarbenen Locken hatte sie beim Aufstehen wie ein Vorhang um ihr Gesicht geschirmt. Die Röte in ihrem Gesicht war unübersehbar. „Ehm-… na ja.“, murmelte Sabrina leise und Nessie schaute vorsichtig auf. Die ganze Cafeteria grinste sie an. Ein gequältes Stöhnen entrann ihr und sie hob die Tasche vor ihr Gesicht. „Alles nur wegen Jacob!“, fauchte sie leise. „Soll ich den Lehrern sagen, dass du dich nach dem Sturz nicht gut gefühlt hast und deshalb nach Hause bist?“ Es war schon normal, dass sie oftmals die Schule schwänzte wenn Jacob da war. „Ja… bitte.“, lächelte sie ihre Freundin an und rannte dann schon fast aus der Cafeteria. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen begrüßte Jacob sie. „Du hast es mal wieder geschafft, Nessie. Die Aufmerksamkeit der ganzen Schule, wow!“ „Lass das!“, fauchte die Angesprochene wütend. So sehr sie sich auch freute, Jacob zu sehen war es doch beleidigend, wie er mit ihr umging. Und um ihm sein inakzeptables Verhalten zu zeigen reckte sie ihr Kinn vor und ging so elegant wie nur möglich an ihm vorbei. „Hey, warte doch!“, rief er und mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen stellte sie mal wieder fest, dass sie ihn in der Hand hatte. Es war nicht so, dass Nessie eine eingebildete Göre war. Sie liebte ihre Familie, sie liebte Jacob und sie war sich ihres großen Glücks bewusst. Nur war sie es halt gewohnt von allen geliebt zu werden und alles zu bekommen, was sie wollte. Ihre Mum hatte mal gesagt, dass sie nicht zu verwöhnt werden sollte und hatte dabei missmutig geklungen. Sich darauf zurück besinnend blieb sie stehen und drehte sich zu Jacob um. „Tut mir Leid.“, murmelte sie leise und seufzte. Sie sah, wie sein Gesichtsausdruck überrascht wurde und wie sich auf seinen Lippen ein breites Grinsen ausbreitete – ihr Jacob Grinsen. „Drehen wir ’ne Runde? Heute ist das Wetter ausnahmsweise mal sonnig.“ Er deutete auf sein Motorrad und Nessie biss sich auf die Unterlippe. Natürlich wollte sie mit Jacob etwas unternehmen, alles sogar aber es war unfair, dass er sie immer verstand und ihr all das gab, was sie wollte. Es war, als wäre er wie ein Hund an sie gekettet. „Klar.“, seufzte sie und schaute dabei zu, wie er mit einem Kickstart den Motor anließ. Bevor irgendwelche Lehrer kommen konnten schwang sie sich hinter ihn und beide brausten davon. Der Wind zerrte an ihren Klamotten, pfiff durch ihre Haare und ließ diese Flattern. Obwohl sie unbesorgt war, dass ihr etwas passieren konnte – so ganz ohne Helm und Jacke – schlang sie ihre Arme um Jacobs Mitte. Es dauerte nicht lange bis sie wusste, wohin es ging. Der Bogachiel State Park war nicht weit von Forks weg und wunderschön. Jacobs zweites Revier, dachte sie und kicherte leise. „Was ist denn so lustig, wenn ich fragen darf?“, hörte sie ihn von vorn und legte ihren Kopf seitlich auf seinen Rücken. „Mhh… ich musste nur daran denken, dass es mir vorkommt, als wäre Bogachiel dein zweites Revier. Dein erstes ist natürlich Forks.“, fügte sie erklärend hinzu und lachte wieder. Jacob lachte nicht. Sie spürte, wie sich sein Körper anspannte und ohne es sehen zu können wusste sie, dass seine Lippen aufeinander gepresst waren, die Mundwinkel verkniffen. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Als Jacob plötzlich wie ein Irrer bremste, auf dem Parkplatz zum Stehen kam und vom Motorrad sprang hatte er wie immer sein berühmt-berüchtigtes Grinsen auf den Lippen. „Die Tasche kannst du hier lassen. Alice würde mich umbringen, wenn das gute Stück auch nur einen Kratzer hat.“ Er runzelte die Stirn und betrachtete die Lacktasche mit einer Mischung aus Spott und Unverständnis. Dann öffnete er den kleinen Raum unter dem Sitz und presste die Tasche ohne zu Fragen rein. Als wäre sie hier besser aufgehoben! „Jake, ich muss dir doch nicht sagen, dass das ein Designerstück ist, oder?!“, fragte sie gespielt pikiert. Alice würde ihr sowieso bald eine neue kaufen, da machte es nichts aus, wenn die dort drin zerquetscht wurde. Allem Anschein nach hatte auch er diesen Gedanken denn er zuckte nur ungerührt mit der Schulter, schlang wie selbstverständlich einen Arm um ihre Taille und schlenderte los. Oh Gott, gleich würde sie einen Herzinfarkt bekommen. Nessie versuchte unter allen Umständen cool zu bleiben aber ihr sonst schon schnell pochendes Herz beschleunigte. Und dass sie plötzlich in der dünnen Bluse anfing zu schwitzen war auch nicht von Hilfe. Sie schwiegen sich jetzt an. Der Pfad welcher ins Dickicht des Parks führte wurde von niemand anderem benutzt, war ja klar. Wer schwänzte schon die Schule um mit dem besten Freund – von dem man übrigens mehr wollte als nur Freunde sein – in einem Park spazieren zu gehen? Natürlich, ein Halbvampir wie sie es war. Um der peinlichen Stille zu entkommen tat sie so, als wären die Pflanzen am Rand des Weges unglaublich interessant. Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen und je länger das Schweigen anhielt umso lockerer wurde sein Griff um ihre Taille. Anscheinend versuchte er, seinen Arm unauffällig wegzunehmen und als er es nach geschlagenen 1627 Sekunden geschafft hatte seufzte sie leise. Jacob räusperte sich und sie schaute erwartungsvoll zu ihm hoch. „Ich-…“, fing er schon mal viel versprechend an. „Ach, nichts.“, sagte er dann schnell und Nessie schaute auf den Boden. Männer waren ja solche Feiglinge! „Egal was es ist, sag’s mir einfach. Ich halt es schon aus!“, murmelte sie nun genervt und verdrehte die Augen. Sie schaute ihn mit noch größerer Erwartung an. Unter ihrem stechenden Blick schien er immer nervöser zu werden, er fuhr sich durch seine Haare und verwuschelte sie damit nur, schaute kurz weg bevor er sie wieder anschaute. Und er blieb still. „Also gut. Wenn du mich nur anschweigen willst, bitte.“ Damit ging sie weiter, die Arme vor der Brust verschränkt. Und wegen so was hatte sie den wichtigen und interessanten Unterricht geschwänzt! Nie wieder würde sie das machen aber gleichzeitig wusste sie, dass es sowieso keinen Sinn hatte. Sobald Jake mit diesem tollen Grinsen da war hatte sie verloren. „Nessie!“ Sie wollte gerade zu ihm schauen als sie seine Hände auf ihrem Oberarm spürte und gegen einen Baum gedrückt wurde, bestimmend aber sanft. „Jake?“ Sie zog ihre Augenbrauen hoch und versuchte ihr wild schlagendes Herz zu ignorieren. Leichter gesagt als getan wenn er sie so hypnotisierend in die Augen schaute. Nessie schluckte und merkte erst jetzt, dass ihre Lippen vor Spannung leicht geöffnet waren. Bestimmt sah sie aus wie der letzte Trottel. „Ich muss dir da was sagen…“, fing er langsam an und klang, als wäre er sich unsicher was er überhaupt sagte. Na ja, wenigstens schien er gerade auch ein Trottel zu sein. Was für ein Trost! Nach einigen Sekunden schwieg er immer noch, er hatte also nicht vor, weiter zu reden. Vielleicht…? Bei der Aussicht, dass er sie vielleicht gleich küsste wurde Nessie verrückt. Der alleinige Gedanke daran brachte sie zum Zittern und sie schloss ihre Augen. Seinen warmen Atem auf ihrer Haut zu spüren ließ die Spannung in ihr noch größer werden. „Ich muss es dir sagen.“, hauchten seine Lippen und obwohl sie ihre Augen geschlossen hatte wusste sie, dass seine Lippen nur wenige Zentimeter von ihren entfernt waren. „Ja~…? Nachher.“, flüsterte sie. Wenigstens brachte sie noch zwei vollständige Worte raus. Nessie war sich dessen nicht so sicher gewesen und deshalb auch überrascht über sich selbst. Vielleicht war sie doch nicht so vertrottelt. „Ja. Okay. Nachher.“ Seine Finger berührten ihre Wange und ihre Lippen öffneten sich wieder um glücklich aufzuseufzen. Jake verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß und das Knirschen der zerbrechenden morschen Äste war so natürlich wie sein Atem auf ihrer Haut. Sie spürte jetzt seine ganze Körperwärme und wusste, dass er nah war. Viel näher als sonst. Bevor seine Lippen auf ihre trafen war ein weiteres knackendes Geräusch von zerbrechenden Ästen zu hören und ein schneller Windhauch erfasste Nessie. Auf einmal war die Wärme welche von ihm ausging weg, die Spannung zwischen ihnen war ausgegangen wie wenn man das Licht ausschaltete. Und dann war da eine Stimme. Einen Moment war sie noch benommen von der gerade eben noch vorhandenen Situation, dann aber drängten sich die Mordgedanken in ihr Gehirn. Wer wagte es, ihren ersten Kuss zu zerstören? Von Aggressivität ergriffen riss sie ihre Augen auf und wollte schon los schreien als sie überrascht inne hielt. „Mum?!“ Ihre Augen wanderten schnell zu Jake der einen Sicherheitsabstand von fünf Metern eingenommen hatte. Sie sah, wie seine dunkle Haut etwas errötet war und fragte sich, wie rot sie selbst war. Als hätte man beide bei etwas Verbotenem erwischt. Der Nachgeschmack von der Aufregung war nicht mehr süßlich, er war bitter, eklig fieses bitterorange. „Alice hat gesehen, dass Sabrina den Lehrer bezüglich dir angelogen hat und dann haben wir uns, beziehungsweise dein Dad, Sorgen gemacht, und-…“ Nessie starrte ihre Mum sprachlos an. Bitte was? Sorgen machen, weil sie schwänzte? Das war doch die Frechheit des Jahrhunderts! Ihre Eltern wussten, wie oft sie die Schule schwänzte und sagten nie etwas dazu. „Es war Dad?“ Ihre Augen wurden zu Schlitzen und sowohl Bella als auch Jake merkten, wie es unter Nessies Oberfläche brodelte. Ihr lieber Dad hatte also ihren ersten Kuss zerstört! Ein leises Fauchen entglitt ihr und sie schaute Jake an. Er schien auch nicht sehr glücklich über die Situation zu sein aber irrte sie sich und lag da Erleichterung in seinem Blick…? Bestimmt irrte sie sich. „Ich werde dann mal nach Hause gehen. Hab noch einiges mit meinem Dad zu besprechen.“, sagte sie ganz ruhig und beherrscht. Jake nickte und Nessie rannte los. Zwar wurde sie von ihrer Mum schnell eingeholt aber sie war so in Mordgedanken und Hasstiraden verstrickt, dass sie nicht wie sonst immer ein Wettrennen veranstaltete. Als sie jetzt auf ihren jugendlichen Vater schaute war sie sich sicher, dass sie die vielen unschönen Gedanken auf dem Weg hierhin in die Tat umsetzen würde. „Weißt du, was du getan hast?“, schrie sie ihn an und ging rasend auf ihn zu. Theoretisch wusste sie, dass sie als Halbvampir keine Chance gegen einen echten Vampir hatte aber das war ihr in diesem Moment egal. „Du hast mein Leben zerstört!“, rief sie vollkommen ernst obwohl es vielleicht ein wenig theatralisch war. Ihr Körper stürzte sich auf ihn und als er auswich lachte er nur. Oh, gleich würde ihm das Lachen vergehen! „Du weißt schon, dass ich deine Gedanken lesen kann?“, fragte er immer noch lachend und sie schnaubte. Ihre Hand schnellte vor und ihre langen Fingernägel kratzten über sein Gesicht. Dass er sich nicht verteidigte obwohl er ihre Gedanken kannte hatte wohl drei Gründe: Er liebte sie, er wollte ihr eine Chance geben, sich abzureagieren und er wusste, dass ihre Nägel gegen seine Vampirhaut keine Chance hatten. Nessie sah, dass es nichts ausgerichtet hatte, zumindest nicht bei ihm. Dafür waren ihre Nägel jetzt ab. Wütend heulte sie auf, das konnte nicht wahr sein! Alice hatte ihr erst gestern die Nägel schön in Form gefeilt und Vincent van Goghs Sonnenblumen sorgfältig draufgepinselt. „Das ist unfair!“, murmelte sie völlig desillusioniert. Sie spürte wie Tränen in ihre Augen schossen und wand sich ab, bevor es ihr Dad sah aber zu spät. Natürlich hatte er es gesehen, er war ein Vampir! Manchmal wünschte sich Nessie, ganz normale Eltern zu haben und nicht solche überirdischen Wesen. „Hey, Schätzchen, wein doch nicht.“, hörte sie seine wunderschöne Stimme und schüttelte ihren Kopf, sodass ihre Haare flogen. „Ich wein wann ich will! Weißt du überhaupt, wie wichtig mir das war?“, fragte sie mit erstickter Stimme. Sofort stand ihr Dad vor ihr, wischte ihr vorsichtig die heißen Tränen weg und lächelte verstehend. „Natürlich.“, antwortete er sanft und sie starrte ihn wieder fassungslos an. „Und warum hast du das dann gemacht?“, rief sie wütend und verletzt. Wenn er jetzt keine gute Erklärung hatte konnte sie für nichts garantieren. „Du kennst doch Väter, die sind immer krank vor Sorge wenn ihre kleine Tochter mit einem Typen weggeht. Und außerdem wollte ich sicher gehen, dass-…“ „Aber es ist doch nicht irgendein Typ! Dad, das ist Jake!“, schrie sie und verschränkte ihre Arme. Unglaublich, was sie sich alles gefallen lassen musste. „Na ja, man muss in der heutigen Zeit als Vater doch sicher gehen, dass der Junge gerade gut genug ist für die Tochter.“ Renesmee seufzte. Wider aller Wut wegen ihres geplatzten ersten Kusses konnte sie ihren Vater verstehen, so irrsinnig es auch klang. Er machte sich Sorgen um sie, natürlich. Aber er kannte Jake doch schon seit Jahren, da war das doch unbegründet. Außer natürlich er war deshalb besorgt, gerade weil er ihn kannte. Aber das war ausgeschlossen. Andererseits… ihr Dad konnte Jakes Gedanken schon immer lesen. Vielleicht war es also doch nicht so abwegig. „Und? Ist er gut genug?“, fragte sie leise. Sein Lachen war verwirrend und sie zog die Augenbrauen hoch. „Wenn sich die eigene Tochter wegen einem Jungen gegen den Vater auflehnt ist er es auf jeden Fall wert.“, lachte er und einen Moment war sie überrascht. Dann stimmte sie in sein Lachen ein. „Aber wehe, so was passiert nächstes Mal wieder!“, meinte sie warnend und warf ihm einen gespielt drohenden Blick zu. „Mal schauen, ob ich mich zurück halten kann.“, erwiderte er provokant und Nessie hielt es für besser zu lachen. Ihm jetzt den Kopf abzureißen wäre nicht sehr hilfreich. Entschuldigt, wenn das Chapter ein wenig verwirrend geschrieben ist. Zuerst wollte ich nur das Verhalten zwischen Renesmee und den Cullens skizzieren, gleichzeitig wollte ich die 'Liebesbeziehung' zwischen Nessie und Jacob zeigen. Ich habe der Einfachheit halber alles weggelassen, was nach dem Ende von Band vier offen bleibt, d.h. der nötige Umzug der Cullens, Nessie's schnelles Wachsen und anderes. Hoffentlich verzeiht ihr mir das, aber ich schreibe, um die Relationen der verschiedenen Familienmitglieder untereinander zu zeigen und nicht, um Mutmaßungen über die Zukunft anzustellen. ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)