Achromatopsie von Adhara (Color blind) ================================================================================ Kapitel 12: Tiefrosa -------------------- Tiefrosa. Ein tiefes Knurren drang durch das Haus. Seine dunklen Augen fanden die weiße Decke und ein Seufzen folgte. Der riesige Körper lag ausgestreckt auf dem zu kleinen Bett. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Mit einer Bewegung welche der eines Raubtiers glich sprang er auf und ging ruhelos zu seinem Motorrad. Er wäre bei weitem schneller, wenn er einfach rennen würde aber jetzt verschwendete er keinen Gedanken daran. Immer wenn er seine Augen schloss sah er sie vor sich. Immer wenn er bei ihr war konnte er sich kaum beherrschen. Immer wenn er kurz davor war machte er einen Rückzug. Aber verdammt noch mal, er war doch sonst nicht so! Es machte ihn nahezu krank wenn er daran dachte. Jacob Black achtete nicht auf die geschlungene Asphaltstraße die er entlang bretterte. Er hatte besseres zu tun als auf so eine Banalität zu achten. Zum Beispiel über Renesmee Carlie Cullen nachdenken. Sie war ein Baby gewesen, er hatte sie umsorgt und schlimmer als eine überbesorgte Mutter betüttelt. Sie hatte alles bekommen. Er war wie eine Mutter gewesen. Sie kam in die Schule, er hatte ihr die Hausaufgaben gemacht – Addition und Subtraktion war ihr zu simpel und folglich war sie gelangweilt. Sie hatte alles bekommen. Er war wie ein Bruder gewesen. Sie kam in die High School, er hatte ihre Launen über sich ergehen lassen, hatte sich die Lästereien und Klagen angehört und sie getätschelt. Sie hatte alles bekommen. Er war wie ein Freund gewesen. Sie war in ihrem letzten Jahr, er taumelte von himmelhohem Jauchzen zu tiefster Depressivität, gab ihr alles und konnte ihr doch nichts sagen. Sie würde noch mehr bekommen. Wenn er ihr Geliebter wäre. Das Haus der Cullens stand ruhig und schön wie sonst vor ihm aber es kam ihm vor wie eine Folterbank. Es schien, als würden zwei Seelen in ihm leben und um die Vorherrschaft in ihm kämpfen. Die eine liebte Renesmee. Die andere natürlich auch. Nur waren sich beide uneinig, ob und wann und wie und weshalb er es ihr sagen sollte. Er hatte schon tausende Male dieses Szenario in seinem Kopf durchgespielt. „Hey Nessie, ich bin zufällig auf dich geprägt und somit unwiderruflich und unsterblich an dich gekettet. Ja, das heißt, dass ich dich liebe. Über alles. Seit es dich gibt. Und nein, das ist nicht beängstigend. Nein, ich habe keine Drogen genommen.“ Haha. Sehr witzig. „Nessie, du weißt doch, was mit Sam und Emily ist? Und mit Paul und Rachel? Und mit Quil und Claire? Tja, das nennt man ‚Liebe’… wobei, besser bekannt unter ‚prägen’. Zufälligerweise bin ich auf dich geprägt. Darf ich dich lieben?“ Oh Gott. Was für eine Frage. „Ich liebe dich.“ Boah, das war ja widerlich. Das konnte er wirklich nicht bringen. „Ich bin dein Sklave. Und ich finde es toll, ich kann mir nichts Besseres vorstellen. Ohne Ironie, versteht sich. Los Babe, lass uns zusammen durchbrennen.“ Die verträglichste Alternative. Wenn das so weiterging würde er sich noch einen Strick holen. Bloß war da dann das Problem, dass er stundenlang hängen und einfach nicht abkratzen würde. Was ’ne Vorstellung. Zu geil. Bevor er noch weiter über die verschiedensten Methoden nachdenken konnte, Nessie das Problemchen beizubringen wurde das Fenster aufgerissen und ein strahlendes Gesicht erschien. Er hätte es unter Millionen erkannt. „Jake!“ Ihre Freude ließ ihn für einen Moment starren. Es war immer ein kleiner Schock, ein kleiner elektrischer Schlag der durch seinen Körper raste wenn er sie so sah. So glücklich. So wunderschön. So unschuldig. Er schüttelte seine wieder etwas längeren Haare um die Gedanken über ihre Unschuld zu vertreiben und um sie dann anzugrinsen. „Na, meine Hübsche?“ Ihr Strahlen wurde noch größer und für einen Moment bildete er sich sogar ein, dass ihre Wangen sich hauchdünn rosa färbten. Bestimmt hatte er es sich nur erhofft, so selbstverliebt war er schon. „Na, mein Hübscher?“ Er war nun an der Reihe zu erröten. Zumindest spürte er, wie die Hitze in sein Gesicht stieg. Dass man es sehen konnte war unwahrscheinlich dank seiner dunklen Haut. Andererseits, Nessie hatte Adleraugen – er zog sie damit immer auf, schließlich hatte sie keine Vampiraugen – und es war möglich, dass sie es sah. Und wenn schon, es war ja nicht so, dass ein Typ von ungefähr zwei Metern nicht lächerlich aussah wenn er errötete. Hüstel. „Darf ich zu dir hoch kommen oder gesellst du dich zu mir runter?“ Unter allen Umständen wollte er weit weg von hier. Sehr weit weg. Es war immer wieder ein wenig… angespannt wenn er bei den Cullens war und Edward seine Gedanken lesen konnte bezüglich Renesmee. Vor allem, seit sie ausgewachsen war. „Ich komme. Gib mir 20 Sekunden.“ Puh, Glück gehabt. Dass Renesmee ihr Zimmer auf der Suche nach dem perfekten Outfit auf den Kopf gestellt hatte musste er ja nicht wissen. Sie schloss schnell das Fenster, wirbelte herum und zog sich in wenigen Millisekunden etwas Normales über. Als sie nach nur elf Sekunden vor ihm stand konnte sie gerade noch seinen Gesichtsausdruck sehen. Völlig überwältigt. Ein leises Kichern entglitt ihr und sie schaute zu ihm hoch. „Ich habe mir nur schnell was angezogen.“ Das kurze Jeanskleid war zwar unpraktisch aber wenigstens robuster. „Passt.“ Unfähig, auch nur Worte zu finden die ihre Schönheit ansatzweise beschreiben konnten, fühlte er sich wie der letzte Trottel. Das konnte doch nur ein schlechter Film sein! Wie konnte sie nur so… ja, unbeschreiblich war das richtige Wort, sein? „Und… was wolltest du?“ Oh nein, nicht diese Frage. Was er wollte lag doch auf der Hand. Zumindest für ihn. „Nur-… ein wenig… reden, du weißt schon. Es kommt mir vor, als hätten wir uns Wochen nicht gesehen!“ Auf einmal lachte Nessie los und fasziniert davon konnte er keinen klaren Gedanken fassen. „Du weißt aber schon, dass wir erst vorgestern etwas gemacht haben? Aber gerne, ich habe sowieso nichts zu tun.“ Dass ihr Herz wieder anfing schneller zu schlagen gehörte zur Gewohnheit, aber seit dieser peinliche Zwischenfall vor einigen Wochen passiert war hatte sie sich immer etwas Befangen gefühlt. Jetzt gingen sie also den kleinen geschotterten Weg entlang in Richtung Fluss und waren beide zu verlegen um etwas zu sagen. Jacob, weil er nicht wusste, wie er es ihr endlich beibringen sollte und Renesmee, weil sie nicht wusste, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Da war zu einem die Unsicherheit, zum anderen dieses Verlangen. Und das bereitete ihr Sorgen, denn Jake sah unglaublich gut aus. „Nessie, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ich muss es tun.“ Sie schaute zu ihm hoch und sah, wie er stur gerade aus schaute, die Augenbrauen leicht zusammengezogen. „Ich wollte es dir schon die ganze Zeit sagen.“ Oh Gott, gleich würde er es sagen. Ihr Brustkorb verkrampfte sich und sie presste die Lippen aufeinander. Ihre Wangen verloren an Farbe und sie ging langsamer. Am liebsten hätte sie ihre Hände auf die Ohren drückte um die folgenden Worte nicht zu hören aber das konnte sie schlecht machen. Sie würde es doch sowieso hören. Jake stellte sich vor sie, schaute sie ernst an, wagte es aber nicht, ihre Hand zu nehmen. Er holte tief Luft, spürte wie der Sauerstoff seine Lungen füllte und versuchte, ruhig zu bleiben. Er würde es ihr sagen, jetzt oder nie. „Ich bin geprägt.“ Drei kleine Worte. Drei winzige Worte. So minimal, und doch veränderten sie alles. Jacob setzte zu einer Erklärung an, aber sie wollte es nicht hören, wollte am liebsten wegrennen. „Ich weiß es. Ich weiß alles.“ Dass sie verletzt klang konnte sie nicht unterdrücken. Und die Überraschtheit von ihm wurde sofort durch einen Schock ersetzt. Er hatte mit allem gerechnet, dass sie ausflippen würde, dass sie es nicht verstehen würde, dass sie vielleicht seine Worte erwiderte aber nicht damit, dass sie es wusste. Und auf einmal kam er sich wie der letzte Idiot vor, nicht selbst darauf gekommen zu sein. Nessie war überdurchschnittlich intelligent, wenngleich auch faul, sodass sie es gemerkt haben musste. Renesmee wollte gerade am liebsten heulen. Auch wenn sie sich sicher gewesen war, dass er geprägt war, so hatte sie doch gehofft, dass er es ihr niemals sagen würde. Es hatte also doch nichts gebracht, dass sie sich zurückgezogen hatte. Dass sie noch zickiger geworden war. Oh Gott, wie töricht sie gewesen war! Hatte doch wirklich gedacht, dass er sie küssen wollte. Stattdessen wollte er ihr wohl nur beibringen, dass er geprägt war. Auf irgendein Mädchen aus seinem Reservat, das ihn nicht halb so gut verstand wie sie. Natürlich, sie verstand ihn. Leider nur auf freundschaftlicher Ebene. Ein Seufzen entrann ihr und sie musste sich zusammenreißen um ihn wieder anzuschauen. Auf ihren Lippen lag ein kleines Lächeln welches sie unglaublich viel Überwindung kostete. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass du dich verändert hast in meiner Anwesenheit. Es war auf einmal so, als würde dich etwas hemmen. Du kannst dir denken, dass ich wissen wollte, was dahinter steckt.“ Ein sprödes Lachen glitt über ihre Lippen. „Na ja, wie ist es so? Ich war… überrascht, als ich es erfahren habe.“ Okay, überrascht war vielleicht das falsche Wort. Es würde eher zutreffen, wenn sie sagen würde: Zu Boden zerstört. Auch Jacob war für einen Moment unsicher wegen ihrer Offenheit. Er hatte nicht gedacht, dass sie so locker reagieren würde auf sein Geständnis. Auch auf seinen Lippen bildete sich ein Lächeln. „Es ist unglaublich. Einfach nur… wow.“ Ihn so glücklich zu sehen machte es schwer, auch so zu empfinden. Sie wollte perfekt sein, wollte sich für ihn freuen aber konnte es nicht. Nessie war alles anderes als perfekt. „Mhh… schön.“, murmelte sie. „Sie freut sich sicher auch.“ Eine Sekunde war es still und sie befürchtete schon, dass Jakes Zukünftige plötzlich hinter dem Baum hervorspringen würde aber anstelle dessen passierte nichts. Und plötzlich brach ein entgeistertes „Was?“ aus ihm heraus. Sie drehte sich auf dem hohen Absatz ihres Schuhs um und stolzierte den Weg entlang, wild gestrikulierend. „Du weißt schon, deine Freundin, das Mädchen deiner Träume, deine Zukünftige! Die, auf die du geprägt bist.“ Dieses Miststück, fügte sie in Gedanken hinzu. Obwohl sie wusste, dass es total sinnlos und dumm und schlecht war konnte sie nicht anders, als so über die Unbekannte zu denken. „Ich bin enttäuscht, dass du sie mir nicht schon längst vorgestellt hast. Ich mein, wir sind doch so befreundet. So!“ Und um ihm zu verdeutlichen, was ‚so’ war drehte sie sich wieder zu ihm, hob ihre Hand und kreuzte Zeige- und Mittelfinger. „Äh, Nessie-...“ „Nichts da Nessie. Ich will diejenige sehen, die du später mal heiraten willst.“ In seinem Gehirn ratterte es wie in einem Hochleistungsrechner, gleichzeitig konnte er keinen klaren Gedanken fassen. „Die steht vor mir.“, sagte er verblüfft. Ihr ernster Gesichtsausdruck gefror sichtlich und änderte sich nach 4,619 Sekunden in ein mehr als überraschtes. Da war auf einmal nichts mehr in ihrem Kopf. Wie leergefegt und sie merkte es nicht einmal. Jacob schaute sie unsicher an, er war es nicht gewohnt, dass Nessie mal kein Wort redete. Stattdessen machte er sich mit jeder Nanosekunde die verging größere Vorwürfe, dass er ihr es so gesagt hatte. Oh Gott, was musste sie denken?! „Bitte?“ Ihre Lippen hatten sich nur minimal bewegt und das Wort war ein einzelner Windhauch. Als ob er Schmerzen hätte kniff er seine Augen leicht zusammen und fuhr sich mit seiner Hand übers Gesicht. „Du hast mich schon verstanden.“, murmelte er peinlich berührt in seinen nicht vorhandenen Bart. Die Stoppeln konnten nicht als Bart durchgehen, nicht mal ansatzweise, seiner Ansicht nach. „Ja. Kannst du es wiederholen?“ Ihre Stimme war immer noch so dünn. Und bei ihrem Anblick war er sich unsicher, ob er es wagen konnte. Vielleicht würde sie ja völlig zu einer Puppe erstarren wenn er es noch mal sagte. Er wollte die Gefahr nicht eingehen, auf jeden Fall nicht! „Für mich?“ Andererseits, wenn sie es wollte… „Bitte.“ Ein Ächzen drang durch seine Lippen. Verdammt, es war wirklich schwer wenn sie so sexy war. Er durfte nicht schwach werden. „Jacob…“ Wenn er es sich genau überlegte konnte er nicht anders. Der Angesprochene holte tief Luft und seine Augen scannten sie. Ihre zierlichen Füße die in Mörderinstrumenten steckten, die langen Beine, der Luxuskörper in dem Kleid, ihre verführerischen Haare, das engelsgleiche Gesicht mit den schokoladenbraunen Augen. „Du bist diejenige, auf die ich geprägt bin. Schon immer.“ Bildete er es sich nur ein, oder lächelte sie wirklich? War das etwa tiefrosa auf ihren Wangen? Und selbst wenn nicht, es ermutigte ihn. „Renesmee, ich-…“ Er stockte als sie eine unberechenbare Bewegung machte, konnte nicht mehr weiterreden als sie auf einmal bei ihm war und ihre Lippen vorsichtig auf seine legte. Für den ersten Moment war er in einem Schockzustand. Dann jedoch fanden seine Hände besitzergreifend ihre schmale Taille und mit etwas Druck zog er ihren Körper an seinen. Wie oft hatte sie davon geträumt? Hunderte, tausende Male? Nicht annähernd kamen ihre Träume an die Realität heran. Ihre Hände fanden wie selbstverständlich seinen Nacken und Jake strich über den robusten Stoff an ihrem Körper der so im krassen Gegensatz zu ihren seidigen Lippen war. Wenn er daran dachte, dass er sie ab sofort immer küssen durfte… Er seufzte wohlig auf und löste sich nur schwer von ihren Lippen. „Habe ich es gut gemacht?“ Nessies unsichere Stimme drang an sein Ohr und einen Moment lang achtete er nur auf diese. Dann kam ihm die Bedeutung ihrer Worte in den Sinn und er musste leise auflachen. Natürlich, sie war ja noch ein Teenager. „Sehr gut.“ Völlige Verzückung. „Ich wollte es gut machen.“ Peinliches Geständnis. „Aber-… ehrlich gesagt…“ Kurzes Zögern. „Muss ich was anders machen? Oh Gott!“ Tiefe Verzweiflung. „Ehrlich gesagt finde ich, dass wir noch üben sollten.“ Kunstpause. „Am besten sofort.“ Flirtende Gerissenheit. Ihr erleichtertes Lachen strich über seine erhitze Haut bevor er ihre Lippen mit den seinen wieder berührte. Seid mir bitte nicht böse, dass ich diese Episode vorgeschoben habe. Sie war mir einfach wichtiger... ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)