Unter dem Banner des weißen Raben von chryssantes (eine Wichtelgeschichte für Wieldy - Winterwichteln 2008) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Unter dem Banner des weißen Raben -eine Wichtelgeschichte für Wieldy- von chryssantes 1. Kapitel Wikingersiedlung Getinge in Halland – 869 Anno Salutis Die Strahlen der Morgensonne fielen in eine kleine Kammer des lang gestreckten Herrenhauses. Der junge Wikinger öffnete blinzelnd seine Augen und wandte sein Gesicht der anderen Wärmequelle auf seiner Lagerstatt zu. Die schwarzhaarige Sklavin schlief noch fest und bekam nicht mit wie ihr Herr liebevoll mit seinen Händen ihre schmalen Hüften und den kleinen Busen erneut erkundeten. Seine Mutter war ein wenig entsetzt gewesen als er das knabenhafte Mädchen zum ersten Mal mit in sein Bett nahm. Er ließ sich jedoch nicht von seiner Vorliebe für dunkelhaarige und flachbrüstige Dirnen abbringen. Harteknuth Sigurdsson öffnete einige Zeit später die Tür des Herrenhauses und trat, sich träge streckend, in den Hof hinaus. An der etwas abseits gelegenen Abfallgrube verrichtete er herzhaft gähnend seine Notdurft. Gleichmütig sein Geschlecht zurück in die Hose steckend ging er zwischen den Hütten in Richtung Meer. Einer zufällig seinen Weg kreuzenden Dienerin entriss er den Wasserkrug und nahm einen tiefen Schluck bevor er ihn über sich ausgoss und anschließend dem erschrockenen Mädchen zurück warf. Mit beiden Händen fuhr er sich über das Gesicht, schnäuzte sich heftig, schüttelte die vor Wasser triefenden, langen hellblonden Stirnhaare, kratzte sich genüsslich im kurzgeschorenen Nacken und klopfte sein Wams ab. Nun war er endgültig wach und konnte sich der geplanten Überprüfung seiner Schiffe widmen. Obwohl es noch sehr früh war herrschte bereits emsiges Treiben zwischen den zum Herrenhaus gehörenden Hütten und Ställen. Aus der Schmiede erklang metallisches Hämmern und es roch nach Rauch und Asche. Harteknuth interessierte sich heute nicht für die Arbeit des Schmiedes. Sein neues Schwert, bezahlt mit dem Silber aus der letzten Beute wartete bereits in seinem Raum auf den Einsatz im nächsten Raubzug. Mit energischen Schritten näherte er sich seinem Ziel – dem Stolz seiner Familie. Zwei Schiffe, schlank und wendig, mit dem Wissen und der Kunst ihrer Vorfahren erbaut, harrten aufgebockt unter einem Zelt zur Überwinterung an Land auf ihren erneuten Einsatz zur See aus. Sie waren nicht sehr lang, die des Königs waren bedeutend größer und konnten mehr Männer und Beute aufnehmen. Aber kleinere Schiffe boten nicht den unerheblichen Vorteil leicht übersehen zu werden und sich besser in den Flüssen verstecken zu können. Eine Tatsache, die Harteknuth zu schätzen gelernt hatte. Liebevoll strich der junge Krieger über das Holz. Seine erfahrenen Augen suchten nach ausbesserungswürdige Stellen in der Bootswand und im Bereich des Innenraumes. Weitere Wikingerschiffe befanden sich sicher aufgebockt und noch von schützenden Planen verhüllt wenige Schritte weiter entfernt. Sie waren Eigentum des Königs, seiner Söhne und weiteren männlichen Verwandten, die sich eines leisten konnten. Gemeinsame Fahrten zur See waren eher selten, denn je mehr königliche Verwandten an einem Raubzug teilnahmen desto weniger Beute gab es am Ende für jeden von ihnen. Ganz zu schweigen von den einfachen Kriegern, die der Sitte nach einen geringeren Anteil bekamen als der Anführer. In den letzten Tagen war es zunehmend wärmer geworden. Reste von Schnee lagen noch vereinzelt in schattigen Ecken der Siedlung. Die ersten Schneeglöckchen lugten aus der feuchten Wiesenerde hinter der Wikingersiedlung, mutig ihre Köpfchen dem Himmel entgegenstreckend. Der Winter neigte sich in Halland damit endgültig seinem Ende entgegen und nach Ablauf des nächsten Mondes war der lang ersehnte Zeitpunkt gekommen mit den Schiffen in See zu stechen um wieder reiche Beute zu machen. Ein Hüne von Mann näherte sich gemächlichen Schrittes, mit einem Sack von Werkzeug für die Ausbesserung der Winterschäden auf der Schulter, von den ein wenig abseits gelegenen Hütten. Fröhlich grinsend stoppte er bei Harteknuth und mit Handschlag begrüßten sich die beiden Freunde. „So, wie haben unsere beiden Schönheiten den Winter überstanden?“, fragte Bjørn und ließ die schweren Werkzeuge mit einem Rumps zu Boden gleiten. „Ich habe zwei Stellen am Bug entdeckt, die du dir mal näher anschauen solltest. Die Sitzbänke müssen wir dieses Frühjahr unbedingt austauschen. Sie sind durch die Brandpfeile letzten Jahres mehr beschädigt worden als ich zuerst vermutet hatte“, meinte der junge Wikinger, einen fragenden Blick zum Hünen werfend. Die Brandpfeile, die ihnen im Frankenland entgegen gehagelt hatten hinterließen genügend Arbeit für einen Schiffszimmermann im Innenraum beider Schiffe. Er würde im Verlauf des Tages jeden seiner ihm verpflichteten fünfzehn Mann umfassende Truppe fragen wann sie die nächsten Tage bei der Reparatur der Schiffen helfen konnten. Bisher hatte er nie Probleme gehabt genügend Gefolgsleute für einen Raubzug im Frankenland um sich zu versammeln. Das zu erbeutende Silber lockte viele. Das Leben in Halland war hart und reichte gerade zum Leben. Der Boden war wenig fruchtbar. Der König und seine Sippe lebten im Gegensatz zu anderen Wikingergemeinden eher bescheiden. Viele junge Leute waren in den letzten Jahren auf Seefahrt und Raubzüge gegangen. Die meisten seiner Verwandten waren auf der Suche nach Silber und leichter Beute ins Frankenland oder noch weiter gezogen, ihre Dienste anderen Wikingerkönigen anbietend. Sie hatten keine Zukunft im kargen Halland gesehen. Sein eigener Vater Sigurd, ein Bruder des jetzigen Königs von Halland, war mit mehreren Vettern vor mehr als zehn Sommer in das Land der Angelsachsen aufgebrochen und dort einem Hinterhalt zum Opfer gefallen. Harteknuth hatte mit seinen Unternehmungen bisher mehr Glück gehabt, was ihm auch den Ruf eines listigen Kriegsführers einbrachte. Harteknuth war mit seinen Gedanken bereits bei der nächsten reichen Beute und was er damit zu tun gedachte. Falls diese Saison erfolgreich war, würde er diesen Sommer genügend Reichtum erbeutet haben um einen eigenen Hausstand mit einer Frau aus dem Adel zu gründen. Sein königlicher Onkel würde ihm bei der Brautschau helfen, das stand außer Frage. Ein reicher und dazu aus der königlichen Linie entstammender Bräutigam galt als eine gute Partie. Harteknuths Pläne gingen noch ein Stück weiter als nur sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen. Sein Traum war eine neue Siedlung zusammen mit mehreren seiner jetzigen Kampfgenossen zu gründen und damit Jarl einer neuen Wikingergemeinde zu sein. Fettes Land gab es genügend - weiter südlich gelegen von dem eher recht rauhen Halland - und es wartete nur darauf erobert zu werden. Mit ein wenig Glück würde er schon bald die notwendigen Mittel dazu haben. Im Verlauf der nächsten Tage wurden die Schiffe von Bjørn und den altgedienten Männern der letzten Fahrt und den neuen Rekruten generalüberholt. Wenn das Wetter sich weiter bessern würde stand einem Auslaufen der beiden Langboote nichts mehr entgegen. Bevor es soweit war zeigten sich eines Frühlingsnachmittags die Segel unbekannter Schiffe am Horizont. Der König rief seine Krieger zu den Waffen. Mehrere fremde Schiffe verhießen immer Ärger mit den Nachbarn. Es gab außer den befreundeten Wikingersiedlungen auch kriegerische Seefahrer der Rus und andere, die ihre Siedlungsgebiete im östlichen Teil der Ostsee hatten. Doch die Sorge des Hallandkönigs erwies sich als unbegründet. Ein Herold mit dem Rabenbanner kam von einem der in der Bucht vor Anker gegangenen Schiffe und kündigte den Botschafter des hohen Herrn Ubba Ragnarsson an, der den König in dessen Auftrag zu sprechen wünschte. Die Nachricht ging wie ein Lauffeuer in der Siedlung um. Ubba war ein Sohn des berühmten Krieger Ragnar Lodbrod und befehligte zusammen mit seinen Brüdern Halfdan und Ivar dem Knochenlosen ein mächtiges, großes Wikingerheer im Südosten des bekannten angelsächsischen Landgebietes. Aus Rache an dem Mord an ihrem Vater durch Aelle II., König von Northumbria hatten sie bereits weite Teile Englands verwüstet und schließlich Northumbria erobert. Von der Hauptstadt York aus kontrollierten sie das Land und hatten bereits mehrere Angriffe auf Mercia, die schottischen Nordgebiete und Ostanglien gestartet. Trotz reicher Beute war es ihnen bisher nicht gelungen Northumbrias Nachbarkönigreiche zu erobern. Zur Zeit wurde das bis dahin weitestgehend von Krieg und Verwüstung verschont gebliebene reiche Ostanglien hart umkämpft, welches sich noch immer in der Hand des wehrhaften angelsächsischen Königs Edmund befand. Das Aufgebot an Wikingerkrieger, welches von den Einheimischen als das Große Heer bezeichnet wurde, sollte Berichten zufolge inzwischen auf fast 3000 Mann angewachsen sein. Ein Großteil davon befand sich immer noch im Winterlager vor Thetford, der Hauptstadt von Ostanglien. Alle waren im Einzelkampf hervorragend ausgebildet, mit Waffen für den Krieg bestens ausgestattet und ihren angelsächsischen, westsächsischen oder schottischen Feinden mehr als überlegen. Dennoch konnten sich die Angelsachsen bisher ganz gut gegen ihre Angreifer erwehren. Ihnen half der Umstand, dass auch die drei Ragnarsson Brüder sich nicht ganz einig waren wer nun den Oberbefehl über das Große Heer hatte. Was für ein Angebot würde der Herold von Ubba Ragnarsson dem Hallandkönig für seine Hilfe bei der Eroberung Ostanglien unterbreiten? In Ubbas Namen und dem Namen seiner Brüder versprach der Herold jedem Teilnehmer am großem Beutezug gegen die angelsächsischen Bewohner Ostanglien fette Bette und Landbesitz für diejenigen, die neue Siedlungen auf englischen Boden gründen wollten. Das Angebot Ubbas war wie Öl ins Feuer der jungen Wikingerkrieger von Halland wie Harteknuth. Das karge Leben in Halland würde bald der Vergangenheit angehören. In den südlicheren Gefilden war der Ackerbau und die Viehzucht erfolgreicher. Bald würde ihnen gutes Ackerland wie in Skåne zur Verfügung stehen! Neben Harteknuths Kriegern wollten auch ein Sohn und ein Bruder des Königs samt ihren Gefolgsleuten an dem Unternehmen teilnehmen. Mehr Kriegern und Schiffen verwehrte der eilends einberufene Thing die Erlaubnis Halland zu verlassen. Die Siedlungen im Umkreis sollten nicht schutzlos zurückbleiben. In der Nacht vor der Abreise feierten die Gefolgsleute Harteknuths zusammen mit dem der königlichen Familie die bevorstehende Fahrt und den Kriegszug mit dem üblichen Gelage für solche Anlässe in der Halle des großen Herrenhauses. Met floss in Strömen, ergänzt durch importierten Weinen aus dem Frankenland und Ostanglien. Obwohl der junge Wikinger mit seinen 23 Sommern jünger als sein königlicher Onkel war und sich sein Rang weit unter dem des Sohn des Königs befand, hatte ihm der Hallandkönig Erik Egellson das Kommando über das Unternehmen übertragen. Von den drei Kommandanten konnte er über die meisten Erfahrungen und Erfolge aufweisen. Weder Prinz noch Onkel konnten ihren Unmut darüber gut verstecken. Mit Sorge beobachtete der König das Gebaren seiner Verwandten. Es war nicht unüblich Erbstreit über einen Kampf auszutragen, aber hier stand die Zukunft von Halland mit auf dem Spiel. Er hoffte, dass sich die Spannungen zwischen seinem Sohn, Bruder und Neffe im fernen Ostanglien sich schnell legen würden wenn sie dort erst einmal im Dienste der Ragnarsöhne stehend ihrem Kriegshandwerk nachgingen und ihre Taschen mit Silber füllen konnten. Wie es seit langem Brauch und Sitte auf Halland war, beschloss der König vor der Abreise seiner Krieger das Orakel zu befragen. „Holt mir die Seherin Walburga! Sie soll mir das Los für unsere Hallandkrieger werfen“, befahl Erik Egellson mit fester Stimme ohne seinen königlichen Unmut über die ansonsten weder Tod noch Dämonen fürchtenden Kampfgefährten durchscheinen zu lassen und lehnte sich in seinem Hochstuhl bequem zurück. Zustimmendes Gemurmel seiner eher abergläubischen Kampfgefährten erhob sich seitens der langen Bank in der Halle. Die Aussage des Losorakels war ein wichtiges Bestandteil ihres Beutezuges und ohne dessen glückverheisendem Segen wagte sich niemand von ihnen auf hohe See. Eine uralte Frau wurde an dem Arm eines Mädchens hereingeführt. Ihr schlohweißes Haar hing ihr offen über den Rücken. Goldene Spangen hielten ihr prächtiges Gewand an den eingefallenen Schultern. Einen Stab aus Erle stützte neben dem Arm ihrer Urenkelin ihren von Krankheit ausgemergelten Leib. Doch noch immer hatte sie die Macht des Sehens und war hochgeschätzt. Vorsichtig setzte sich die Völva auf einen ihr angebotenen Hocker und ließ von dem Mädchen das Fell auf dem strohbedeckten Lehmboden der Halle ausbreiten bevor sie den kleinen Beutel an ihrer Seite ergriff und dessen Inhalt über dem Fell ausschüttete. Bunt durcheinander lagen kleine Knochen und Steinchen, alle von großer magischer Bedeutung. Die Alte zeigte einen knorrigen Finger auf drei aufeinander liegende dunkle Kochenstücke. „Drei sind eins, drei werden eins oder nie mehr zusammen drei!“ Schrill sagte sie diese Worte und jedem in der Halle war klar, dass sie damit die drei Kommandanten meinte. Beunruhigt sahen sich die Krieger an bevor sie mehr als verstohlen zu den versteinerten Gesichter der königlichen Familie spähten. Stand bereits jetzt das Scheitern des glorreichen Raubzuges fest? Waren sie zu einem ruhm – und ehrlosen Ende in der Fremde verdammt? Die Seherin kniete sich plötzlich vor dem Fell nieder, ihre schlechte körperliche Verfassung schlicht vergessend. Ekstatisch griff sie nach einem weißen und einem schwarzen Stein. „Reiche Beute, oh ja, reiche Beute! Das Weißkleid und der Rabe sind mächtig und wer mit ihnen ist wird auch daran teilhaben“, verkündete die alte Frau mit dramatischer Stimme und urplötzlich zitterte ihr ganzer Körper. „Der Seiðmenn, der Seiðmenn! Er stiehlt das Auge!“ Erschöpft brach sie vor sich hinbrabbelnd zusammen und überließ ihrer Urenkelin das Einsammeln der Orakelknochen. Danach begleitete sie die alte Frau auf einem Wink des Königs wieder aus der Halle. Die anwesenden Krieger hatten die Warnungen und die Verheißungen der Seherin wohl wahr genommen. Der Kriegs- und Beutezug stand unter einem guten Stern solange die drei Kommandanten an einem Strang zogen. Aber was hatte es mit der Warnung vor einem der schwächlichen Seiðmenn auf sich? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)