Unter dem Banner des weißen Raben von chryssantes (eine Wichtelgeschichte für Wieldy - Winterwichteln 2008) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Unter dem Banner des weißen Raben -eine Wichtelgeschichte für Wieldy- von chryssantes 1. Kapitel Wikingersiedlung Getinge in Halland – 869 Anno Salutis Die Strahlen der Morgensonne fielen in eine kleine Kammer des lang gestreckten Herrenhauses. Der junge Wikinger öffnete blinzelnd seine Augen und wandte sein Gesicht der anderen Wärmequelle auf seiner Lagerstatt zu. Die schwarzhaarige Sklavin schlief noch fest und bekam nicht mit wie ihr Herr liebevoll mit seinen Händen ihre schmalen Hüften und den kleinen Busen erneut erkundeten. Seine Mutter war ein wenig entsetzt gewesen als er das knabenhafte Mädchen zum ersten Mal mit in sein Bett nahm. Er ließ sich jedoch nicht von seiner Vorliebe für dunkelhaarige und flachbrüstige Dirnen abbringen. Harteknuth Sigurdsson öffnete einige Zeit später die Tür des Herrenhauses und trat, sich träge streckend, in den Hof hinaus. An der etwas abseits gelegenen Abfallgrube verrichtete er herzhaft gähnend seine Notdurft. Gleichmütig sein Geschlecht zurück in die Hose steckend ging er zwischen den Hütten in Richtung Meer. Einer zufällig seinen Weg kreuzenden Dienerin entriss er den Wasserkrug und nahm einen tiefen Schluck bevor er ihn über sich ausgoss und anschließend dem erschrockenen Mädchen zurück warf. Mit beiden Händen fuhr er sich über das Gesicht, schnäuzte sich heftig, schüttelte die vor Wasser triefenden, langen hellblonden Stirnhaare, kratzte sich genüsslich im kurzgeschorenen Nacken und klopfte sein Wams ab. Nun war er endgültig wach und konnte sich der geplanten Überprüfung seiner Schiffe widmen. Obwohl es noch sehr früh war herrschte bereits emsiges Treiben zwischen den zum Herrenhaus gehörenden Hütten und Ställen. Aus der Schmiede erklang metallisches Hämmern und es roch nach Rauch und Asche. Harteknuth interessierte sich heute nicht für die Arbeit des Schmiedes. Sein neues Schwert, bezahlt mit dem Silber aus der letzten Beute wartete bereits in seinem Raum auf den Einsatz im nächsten Raubzug. Mit energischen Schritten näherte er sich seinem Ziel – dem Stolz seiner Familie. Zwei Schiffe, schlank und wendig, mit dem Wissen und der Kunst ihrer Vorfahren erbaut, harrten aufgebockt unter einem Zelt zur Überwinterung an Land auf ihren erneuten Einsatz zur See aus. Sie waren nicht sehr lang, die des Königs waren bedeutend größer und konnten mehr Männer und Beute aufnehmen. Aber kleinere Schiffe boten nicht den unerheblichen Vorteil leicht übersehen zu werden und sich besser in den Flüssen verstecken zu können. Eine Tatsache, die Harteknuth zu schätzen gelernt hatte. Liebevoll strich der junge Krieger über das Holz. Seine erfahrenen Augen suchten nach ausbesserungswürdige Stellen in der Bootswand und im Bereich des Innenraumes. Weitere Wikingerschiffe befanden sich sicher aufgebockt und noch von schützenden Planen verhüllt wenige Schritte weiter entfernt. Sie waren Eigentum des Königs, seiner Söhne und weiteren männlichen Verwandten, die sich eines leisten konnten. Gemeinsame Fahrten zur See waren eher selten, denn je mehr königliche Verwandten an einem Raubzug teilnahmen desto weniger Beute gab es am Ende für jeden von ihnen. Ganz zu schweigen von den einfachen Kriegern, die der Sitte nach einen geringeren Anteil bekamen als der Anführer. In den letzten Tagen war es zunehmend wärmer geworden. Reste von Schnee lagen noch vereinzelt in schattigen Ecken der Siedlung. Die ersten Schneeglöckchen lugten aus der feuchten Wiesenerde hinter der Wikingersiedlung, mutig ihre Köpfchen dem Himmel entgegenstreckend. Der Winter neigte sich in Halland damit endgültig seinem Ende entgegen und nach Ablauf des nächsten Mondes war der lang ersehnte Zeitpunkt gekommen mit den Schiffen in See zu stechen um wieder reiche Beute zu machen. Ein Hüne von Mann näherte sich gemächlichen Schrittes, mit einem Sack von Werkzeug für die Ausbesserung der Winterschäden auf der Schulter, von den ein wenig abseits gelegenen Hütten. Fröhlich grinsend stoppte er bei Harteknuth und mit Handschlag begrüßten sich die beiden Freunde. „So, wie haben unsere beiden Schönheiten den Winter überstanden?“, fragte Bjørn und ließ die schweren Werkzeuge mit einem Rumps zu Boden gleiten. „Ich habe zwei Stellen am Bug entdeckt, die du dir mal näher anschauen solltest. Die Sitzbänke müssen wir dieses Frühjahr unbedingt austauschen. Sie sind durch die Brandpfeile letzten Jahres mehr beschädigt worden als ich zuerst vermutet hatte“, meinte der junge Wikinger, einen fragenden Blick zum Hünen werfend. Die Brandpfeile, die ihnen im Frankenland entgegen gehagelt hatten hinterließen genügend Arbeit für einen Schiffszimmermann im Innenraum beider Schiffe. Er würde im Verlauf des Tages jeden seiner ihm verpflichteten fünfzehn Mann umfassende Truppe fragen wann sie die nächsten Tage bei der Reparatur der Schiffen helfen konnten. Bisher hatte er nie Probleme gehabt genügend Gefolgsleute für einen Raubzug im Frankenland um sich zu versammeln. Das zu erbeutende Silber lockte viele. Das Leben in Halland war hart und reichte gerade zum Leben. Der Boden war wenig fruchtbar. Der König und seine Sippe lebten im Gegensatz zu anderen Wikingergemeinden eher bescheiden. Viele junge Leute waren in den letzten Jahren auf Seefahrt und Raubzüge gegangen. Die meisten seiner Verwandten waren auf der Suche nach Silber und leichter Beute ins Frankenland oder noch weiter gezogen, ihre Dienste anderen Wikingerkönigen anbietend. Sie hatten keine Zukunft im kargen Halland gesehen. Sein eigener Vater Sigurd, ein Bruder des jetzigen Königs von Halland, war mit mehreren Vettern vor mehr als zehn Sommer in das Land der Angelsachsen aufgebrochen und dort einem Hinterhalt zum Opfer gefallen. Harteknuth hatte mit seinen Unternehmungen bisher mehr Glück gehabt, was ihm auch den Ruf eines listigen Kriegsführers einbrachte. Harteknuth war mit seinen Gedanken bereits bei der nächsten reichen Beute und was er damit zu tun gedachte. Falls diese Saison erfolgreich war, würde er diesen Sommer genügend Reichtum erbeutet haben um einen eigenen Hausstand mit einer Frau aus dem Adel zu gründen. Sein königlicher Onkel würde ihm bei der Brautschau helfen, das stand außer Frage. Ein reicher und dazu aus der königlichen Linie entstammender Bräutigam galt als eine gute Partie. Harteknuths Pläne gingen noch ein Stück weiter als nur sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen. Sein Traum war eine neue Siedlung zusammen mit mehreren seiner jetzigen Kampfgenossen zu gründen und damit Jarl einer neuen Wikingergemeinde zu sein. Fettes Land gab es genügend - weiter südlich gelegen von dem eher recht rauhen Halland - und es wartete nur darauf erobert zu werden. Mit ein wenig Glück würde er schon bald die notwendigen Mittel dazu haben. Im Verlauf der nächsten Tage wurden die Schiffe von Bjørn und den altgedienten Männern der letzten Fahrt und den neuen Rekruten generalüberholt. Wenn das Wetter sich weiter bessern würde stand einem Auslaufen der beiden Langboote nichts mehr entgegen. Bevor es soweit war zeigten sich eines Frühlingsnachmittags die Segel unbekannter Schiffe am Horizont. Der König rief seine Krieger zu den Waffen. Mehrere fremde Schiffe verhießen immer Ärger mit den Nachbarn. Es gab außer den befreundeten Wikingersiedlungen auch kriegerische Seefahrer der Rus und andere, die ihre Siedlungsgebiete im östlichen Teil der Ostsee hatten. Doch die Sorge des Hallandkönigs erwies sich als unbegründet. Ein Herold mit dem Rabenbanner kam von einem der in der Bucht vor Anker gegangenen Schiffe und kündigte den Botschafter des hohen Herrn Ubba Ragnarsson an, der den König in dessen Auftrag zu sprechen wünschte. Die Nachricht ging wie ein Lauffeuer in der Siedlung um. Ubba war ein Sohn des berühmten Krieger Ragnar Lodbrod und befehligte zusammen mit seinen Brüdern Halfdan und Ivar dem Knochenlosen ein mächtiges, großes Wikingerheer im Südosten des bekannten angelsächsischen Landgebietes. Aus Rache an dem Mord an ihrem Vater durch Aelle II., König von Northumbria hatten sie bereits weite Teile Englands verwüstet und schließlich Northumbria erobert. Von der Hauptstadt York aus kontrollierten sie das Land und hatten bereits mehrere Angriffe auf Mercia, die schottischen Nordgebiete und Ostanglien gestartet. Trotz reicher Beute war es ihnen bisher nicht gelungen Northumbrias Nachbarkönigreiche zu erobern. Zur Zeit wurde das bis dahin weitestgehend von Krieg und Verwüstung verschont gebliebene reiche Ostanglien hart umkämpft, welches sich noch immer in der Hand des wehrhaften angelsächsischen Königs Edmund befand. Das Aufgebot an Wikingerkrieger, welches von den Einheimischen als das Große Heer bezeichnet wurde, sollte Berichten zufolge inzwischen auf fast 3000 Mann angewachsen sein. Ein Großteil davon befand sich immer noch im Winterlager vor Thetford, der Hauptstadt von Ostanglien. Alle waren im Einzelkampf hervorragend ausgebildet, mit Waffen für den Krieg bestens ausgestattet und ihren angelsächsischen, westsächsischen oder schottischen Feinden mehr als überlegen. Dennoch konnten sich die Angelsachsen bisher ganz gut gegen ihre Angreifer erwehren. Ihnen half der Umstand, dass auch die drei Ragnarsson Brüder sich nicht ganz einig waren wer nun den Oberbefehl über das Große Heer hatte. Was für ein Angebot würde der Herold von Ubba Ragnarsson dem Hallandkönig für seine Hilfe bei der Eroberung Ostanglien unterbreiten? In Ubbas Namen und dem Namen seiner Brüder versprach der Herold jedem Teilnehmer am großem Beutezug gegen die angelsächsischen Bewohner Ostanglien fette Bette und Landbesitz für diejenigen, die neue Siedlungen auf englischen Boden gründen wollten. Das Angebot Ubbas war wie Öl ins Feuer der jungen Wikingerkrieger von Halland wie Harteknuth. Das karge Leben in Halland würde bald der Vergangenheit angehören. In den südlicheren Gefilden war der Ackerbau und die Viehzucht erfolgreicher. Bald würde ihnen gutes Ackerland wie in Skåne zur Verfügung stehen! Neben Harteknuths Kriegern wollten auch ein Sohn und ein Bruder des Königs samt ihren Gefolgsleuten an dem Unternehmen teilnehmen. Mehr Kriegern und Schiffen verwehrte der eilends einberufene Thing die Erlaubnis Halland zu verlassen. Die Siedlungen im Umkreis sollten nicht schutzlos zurückbleiben. In der Nacht vor der Abreise feierten die Gefolgsleute Harteknuths zusammen mit dem der königlichen Familie die bevorstehende Fahrt und den Kriegszug mit dem üblichen Gelage für solche Anlässe in der Halle des großen Herrenhauses. Met floss in Strömen, ergänzt durch importierten Weinen aus dem Frankenland und Ostanglien. Obwohl der junge Wikinger mit seinen 23 Sommern jünger als sein königlicher Onkel war und sich sein Rang weit unter dem des Sohn des Königs befand, hatte ihm der Hallandkönig Erik Egellson das Kommando über das Unternehmen übertragen. Von den drei Kommandanten konnte er über die meisten Erfahrungen und Erfolge aufweisen. Weder Prinz noch Onkel konnten ihren Unmut darüber gut verstecken. Mit Sorge beobachtete der König das Gebaren seiner Verwandten. Es war nicht unüblich Erbstreit über einen Kampf auszutragen, aber hier stand die Zukunft von Halland mit auf dem Spiel. Er hoffte, dass sich die Spannungen zwischen seinem Sohn, Bruder und Neffe im fernen Ostanglien sich schnell legen würden wenn sie dort erst einmal im Dienste der Ragnarsöhne stehend ihrem Kriegshandwerk nachgingen und ihre Taschen mit Silber füllen konnten. Wie es seit langem Brauch und Sitte auf Halland war, beschloss der König vor der Abreise seiner Krieger das Orakel zu befragen. „Holt mir die Seherin Walburga! Sie soll mir das Los für unsere Hallandkrieger werfen“, befahl Erik Egellson mit fester Stimme ohne seinen königlichen Unmut über die ansonsten weder Tod noch Dämonen fürchtenden Kampfgefährten durchscheinen zu lassen und lehnte sich in seinem Hochstuhl bequem zurück. Zustimmendes Gemurmel seiner eher abergläubischen Kampfgefährten erhob sich seitens der langen Bank in der Halle. Die Aussage des Losorakels war ein wichtiges Bestandteil ihres Beutezuges und ohne dessen glückverheisendem Segen wagte sich niemand von ihnen auf hohe See. Eine uralte Frau wurde an dem Arm eines Mädchens hereingeführt. Ihr schlohweißes Haar hing ihr offen über den Rücken. Goldene Spangen hielten ihr prächtiges Gewand an den eingefallenen Schultern. Einen Stab aus Erle stützte neben dem Arm ihrer Urenkelin ihren von Krankheit ausgemergelten Leib. Doch noch immer hatte sie die Macht des Sehens und war hochgeschätzt. Vorsichtig setzte sich die Völva auf einen ihr angebotenen Hocker und ließ von dem Mädchen das Fell auf dem strohbedeckten Lehmboden der Halle ausbreiten bevor sie den kleinen Beutel an ihrer Seite ergriff und dessen Inhalt über dem Fell ausschüttete. Bunt durcheinander lagen kleine Knochen und Steinchen, alle von großer magischer Bedeutung. Die Alte zeigte einen knorrigen Finger auf drei aufeinander liegende dunkle Kochenstücke. „Drei sind eins, drei werden eins oder nie mehr zusammen drei!“ Schrill sagte sie diese Worte und jedem in der Halle war klar, dass sie damit die drei Kommandanten meinte. Beunruhigt sahen sich die Krieger an bevor sie mehr als verstohlen zu den versteinerten Gesichter der königlichen Familie spähten. Stand bereits jetzt das Scheitern des glorreichen Raubzuges fest? Waren sie zu einem ruhm – und ehrlosen Ende in der Fremde verdammt? Die Seherin kniete sich plötzlich vor dem Fell nieder, ihre schlechte körperliche Verfassung schlicht vergessend. Ekstatisch griff sie nach einem weißen und einem schwarzen Stein. „Reiche Beute, oh ja, reiche Beute! Das Weißkleid und der Rabe sind mächtig und wer mit ihnen ist wird auch daran teilhaben“, verkündete die alte Frau mit dramatischer Stimme und urplötzlich zitterte ihr ganzer Körper. „Der Seiðmenn, der Seiðmenn! Er stiehlt das Auge!“ Erschöpft brach sie vor sich hinbrabbelnd zusammen und überließ ihrer Urenkelin das Einsammeln der Orakelknochen. Danach begleitete sie die alte Frau auf einem Wink des Königs wieder aus der Halle. Die anwesenden Krieger hatten die Warnungen und die Verheißungen der Seherin wohl wahr genommen. Der Kriegs- und Beutezug stand unter einem guten Stern solange die drei Kommandanten an einem Strang zogen. Aber was hatte es mit der Warnung vor einem der schwächlichen Seiðmenn auf sich? Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- 2. Kapitel 35 Tage später im Mündungsgebiet der Großen Ouse, Ostanglien Die Fahrt über das Meer bis an die Ostküste von Ostanglien war ereignislos und bei gutem Wetter verlaufen. Harteknuths Vetter und Onkel beschlossen sofort unter dem Banner des Raben in das Landesinnere vorzustoßen und vereinigten ihre Schiffe und Truppen unter einem gemeinsamen Kommando. Um weitere Konfrontationen mit seinen königlichen Verwandten aus dem Weg zu gehen, die weitaus mehr Männer an Bord hatten als er und um unabhängig seinen eigentlichen Plan, dem der Landbesitznahme weiter verfolgen zu können, beschloss Harteknuth mit seinen beiden Schiffen ein Stück an der Küste entlang bis zum Mündungsgebiet der Großen Ouse zu fahren und von dort landeinwärts mit der einsetzenden Flut vorzustoßen. Einer ihrer Nebenflüsse war die Kleine Ouse und an einer Furt befand sich die wichtigste Siedlung von Ostanglien – Thetford, die Hauptstadt der Angelsachsen und gleichzeitig ein Bischofssitz der Christen. Die Eroberung jener Stadt war das Ziel der drei Söhne von Ragnar Lodbrod. Hier erhofften sie neben der Stadt York in Northumbria ein weiteres Machtzentrum der Dänen und anderer Wikinger zu errichten. Ostanglien war nach Berichten von durchziehenden Händlern und Späher, was sie meistens beides waren, ein fruchtbares Land, welches reich an Wälder war, Weinanbau und Sonnenblumenfelder zu bieten hatte. Große Teile bestanden aus Moor und moorähnlichen Landschaften – vieles was an zu Hause in Halland erinnerte und deshalb um so begehrenswerter erschien. Fast lautlos glitt Harteknuths schmales Wikingerschiff im Dunkel der Nacht auf dem Fluss landeinwärts. Vorsichtig tauchten die Männer ihre Ruder im Gleichtakt in das träge fließende Wasser. Der Mast lag gekappt im Schiff, so wie es üblich war vor einem Überraschungsangriff auf eine ahnungslose Handelsniederlassung. Sie hatten ihr Langboot über die Ebene von einem Nebenfluss her bis zu dem Ufer dieses Flusses getragen. Das Schwesternschiff unter dem Kommando seines Freundes Bjørn befand sich auf dem Landweg der knapp oberhalb der Siedlung und weiter flussaufwärts führte. Der zweite Trupp war mit ihrem Schiff auf den Schultern bereits seit Mitternacht zu Fuß auf den Weg über die sanften Hügel und würden dann oberhalb der Siedlung das Schiff den Fluss Richtung Meer befahren bis sie wie nach Absprache noch vor dem Morgengrauen gemeinsam auf die kleine Handelssiedlung treffen würden. Es war eine typische Wikingerkriegslist, der schon so große und gut befestigte Städte wie Paris im Frankenland mehrfach zum Opfer gefallen waren. Unverhofft tauchte in der Uferböschung eine schmale Gestalt in einem hellem Gewand auf, die mit brennenden Augen zu ihnen herüber sah und genauso schnell wie sie auftauchte wieder verschwand. Verblüfft sah Harteknuth der Erscheinung einen Augenblick hinterher. Ein Späher? In einem hellem, sehr auffälligen Gewand?! Hatten seine Augen etwa verrückt gespielt? Seine Männer hatten aufgehört zu rudern und flüsterten leise miteinander. Nach seinen Berechnungen und den Angaben von Ubbas Späher mussten sie sich in unmittelbarer Nähe zur Siedlung befinden. Wie Recht er mit seiner Vermutung hatte bewies ihm zorniges Hundegekläff, welches aus geringer Entfernung zu ihnen herüberschallte. Die Wikinger griffen zu ihren Waffen und die Hälfte der Männer nahm wieder ihre Ruder in die Hände und bewegten ihr Schiff weiter flussaufwärts, angestrengt in die Dunkelheit vor ihnen nach irgendeinem Anzeichen für die Handelsniederlassung suchend. Agnar, der Bogenschütze, spähte mit seinen scharfen Augen nach vorn und bevor Harteknuth die Hand zum Angriff erheben konnte, schoss er mehrfach in Richtung des Gekläffs. Der getroffene Hund jaulte noch einmal auf und verstummte. Ebenso wurden die aufgeschreckten feindlichen Wachposten von Pfeilen getroffen. Jetzt konnten auch diejenigen mit weniger scharfen Augen sehen, dass vor ihnen eine Brücke mitten im Fluss aufragte und dahinter waren die schwachen Umrisse vieler kleinerer und größerer Händlerboote versteckt, die dort vor Anker lagen. Harteknuth warf sein Ankerseil hinüber und vertaute das Langschiff sicher. Danach schwang er sich auf die Bretter der Brücke und stürmte zusammen mit seinen Leuten zur befestigten Siedlung, in die der Trupp vseines Freundes Bjørn wahrscheinlich bereits eingedrungen war. Es überraschte ihn nicht, dass aus der Nähe mit einem Mal menschliche Schreie und Klagen, Hundegekläff und das Knistern von brennenden Holz und Stroh zu hören waren. Jedoch konnte er nirgends seinen Freund oder ihm bekannte Männer finden. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn welches sich im nächsten Moment sogleich bestätigte. Lichterloh standen inzwischen alle Holzgebäude und Strohdächer in Flammen. Es roch nach Blut, verbranntem Fleisch und Exkrementen. In ihrem Schein plünderten und zerstörten Wikinger unter einem unbekanntem Banner die kleine ostanglische Flusssiedlung. Von Bjørns Mannschaft war weit und breit keine Spur zu sehen. Harteknuths Männer konnten nur verbittert zuschauen wie ihre erhoffte Beute vor ihrer eigenen Nase von anderen geraubt wurde. Die Reichtümer der Siedlung waren nicht für sie bestimmt. Harteknuth nickte seinen Männer grimmig zu und sie zogen sich zu ihrem Schiff zurück. Der junge Wikingeranführer suchte in dem durch das Feuer erhellten Bootssteg nach seinem zweitem Schiff und entdeckte statt dessen ein unbewacht erscheinendes, großes Langschiff. Ihr Anführer hoffte, falls sein Freund wie vermutet verspätet am vereinbarten Treffpunkt eintraf sich ebenso wie er von den fremden Wikinger zurückziehen würde ohne das Schwert zu erheben. Die hier anwesende Streitmacht war stärker als seine und er würde ohne Zweifel den Kürzeren ziehen falls er ihnen ihre Beute streitig machen wollte. Vorsichtig ruderten Harteknuths Männer ihr Schiff den Fluss wieder in Richtung Meer um in einem gebührenden Abstand zur brennender Siedlung wieder auf Anker zu gehen. In dieser Nacht schlief niemand. Der Himmel über ihnen war vom Flammenmeer wo einmal eine Siedlung stand, hell erleuchtet und Brandgeruch wehte unablässig zu ihnen herüber. Am nächsten Morgen fiel feiner Regen über den Fluss und nach kurzer Zeit waren die Männer bis auf die Knochen durchnässt. Der Brandgeruch hatte mit dem Einsetzen des Regens spürbar nachgelassen. Den junge Wikinger quälte die Sorge um das unbekannte Schicksal von Bjørn und der Mannschaft vom Schwesternschiff. Ihm gingen die Warnung der Völva nicht aus dem Kopf. War am Ende er der Schuldige, der die Einheit der Drei aufs Spiel gesetzt und jetzt dadurch von Missgunst bestraft wurde? Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- 3. Kapitel Im Hauptlager des Großen Heeres, in der Ebene vor Hoxne, Ostanglien – August 869 Anno Salutis Halfdan Ragnarsson saß wie gewöhnlich mit einem weißen Gewand und Kettenhemd bekleidet auf seinem Hochstuhl und hielt einen Kelch Wein in der Hand. Auf dem Tisch vor ihm lagen Landkarte, Pergamente mit Berichten und andere Korrespondenz. In einer Nachricht seines Bruders und Mitanführers des Großen Heeres Ubba Ragnarsson berichtete dieser in seiner knappen Art von der Rekrutierung einer Einheit von zehn Schiffen aus Halland und es fiel der Name Harteknuth Sigurdsson, einem Neffen des Königs von Halland. Von diesem hatte Halfdan bereits gehört. Ein cleverer Anführer, der trotz weniger Männer und nur mit zwei kleinen Schiffen ausgestattet sich fette Beute während seiner Raubzüge im Frankenland verschafft hatte. Nach Ubbas Einschätzung war er der fähigere der drei Kommandanten von Halland und nun auf dem Weg zu ihm um seine Dienste anzubieten. Das klang viel versprechend. Halfdan konnte immer fähige Leute gebrauchen. Halfdans nächstes Ziel war die endgültige Eroberung des Königreich Ostanglien und die Beseitigung des angelsächsischen Königs Edmund. Schon bald würde er sich mit den Truppen seines Bruders Ivor vereinigen der von York kommend quer durch das riesige Gebiet von Mercia marschierte um sich in der Gegend um Hoxne mit den restlichen Truppen seiner beiden Brüder Halfdan und Ubbas zu treffen. Ubbas selbst würde in den nächsten Tagen von seinem Streifzug an die See in das Hauptlager des Großen Heeres zurückkehren und dabei frische Truppen aus Danemark, Schweden und Halland mitbringen. Ein wohlbekannter Schatten tauchte neben ihm auf und verharrte schweigend an seiner Seite, darauf wartend bis das Wort an ihn gerichtet wurde. Der Heeresführer, der die Vierzig bereits überschritten hatte und in dessen Haar mehr Grau als Blond zu finden war, richtete seine immer noch scharf blickenden blauen Augen auf seinen persönlichen Seiðmenn. „Was gibt es, Fridleiv?“ Grüne, durchdringend blickende Augen, in einem schmalen Gesicht welches von schulterlangem, dunklem Haar umrahmt war – eher ungewöhnlich für einen Nordmann – richteten sich auf den Heeresführer der Dänen. „Er ist hier, nur einen Tagesmarsch entfernt. Ich habe sein Schiff vor einem Mond recht nah an unserem Stoßtrupp vorbeifahren gesehen. Inzwischen befindet es sich auf dem Weg hierher, an der Küste entlang. Einer unserer Späher berichtete von einem zweiten Schiff, von den Angelsachsen an Land weiter Flussaufwärts zerstört, die Mannschaft getötet.“ Halfdan fragte nicht wer Er war. Sein jüngerer Bastardbruder hatte natürlich die Nachricht von Ubbas entdeckt und sein Mienenspiel beim Lesen beoachtet. Fridleiv hatte eine gute Menschenkenntnis und ein feines Gespür für Zusammenhänge. Man munkelte, dass der jüngste Ragnarspross so manches sah, was Normalsterblichen normalerweise verwehrt blieb. Nicht umsonst war er einer der mächtigsten Seiðmenn die ihm je begegnet waren. Bedauerlicherweise war ihr Ansehen unter den Wikingern nicht sehr hoch im Gegensatz zu ihren weiblichen Parts, den Völvas. Er, Halfdan, wäre ein Idiot wenn er sich nicht die Macht und die besonderen Fähigkeiten seines persönlichen Seiðmenn zu Nutze machte. Wie vermutet war ein Trupp von Halldan unter der Führung von Harteknuth nach einem monatelangen Alleingang durch Ostanglien zu seinem Großem Heer hinzu gestoßen. Es war an der Zeit einen Herold zu schicken und den königlichen Spross von Halldan in sein Lager einzuladen. Ein unverhoffter Anblick bot sich der Mannschaft des schmalen Langbootes dar, als sie vor der Küste des Gebietes um Hoxne an Land wegen Nachschub für Proviant und neue Nachrichten gingen. Der Herold war mit einem feinem Wams bekleidet und was für einen hartgesottenen Wikinger aus Halland recht ungewohnt war, er war sowohl frisiert als auch parfümiert. Ein Höfling und kein echter Mann eben! Die Seefahrer grinsten nur. Harteknuth hob seine Brauen im offensichtlichen Erstaunen als sein Blick auf das Banner fiel, welches der Herold mit sich führte. Es zeigte anstatt eines schwarzen einen weißen Raben. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- 4. Kapitel Der Herold begleitete die Handvoll Halland-Wikinger zum Feldlager Halfdan Ragnarsson welches sich etwas außerhalb in der übersehbaren, waldarmen dafür aber umso mehr wasserreichen, flachen Ebene des kleinen Ortes Hoxne befand. Zwischen einzelnen Katen, die einst hier lebenden armen Bauern gehört hatten, standen mehrere Zelte. Verborgen im Schatten eines dieser Lagerzelte stand Fridleiv und beobachtete die Ankömmlinge. Das größte Bauernhaus hatte der Heeresführer kurzerhand zur Audienzhalle erklärt. Dort erwartete er die Männer von Halland. Das Banner des weißen Raben hing überall und flatterte im leichten Sommerwind. Halfdan Ragnarsson hielt Hof wie ein König. Laute Flüssterstimmen sagten ihm nach er wäre von königlichem Blut und der jetzige König von Schweden sei ein Onkel von ihm. Bei den verzwickten Verwandtschaftsverhältnisse, die in Ragnarsson Familie herrschten war alles möglich. Jedenfalls verstärkte die ihn umgebenden Gerüchte seine Position als einer der drei Führer des Großen Heeres nicht gerade unerheblich. Der Mann, der auch wegen seiner auffälligen Kleidung Weißkleid genannte wurde galt als der mächtigste, fähigste und auch als der grausamste der Ragnarsson Brüder. Er umgab sich mit einer Reihe von Seiðmenn und Völvas, die ihm bisher bei seinen Raubzügen den nicht zu unterschätzenden magischen Vorteil verschafft hatten. So glaubten es jedenfalls seine eigenen Männer und seine Feinde schlossen sich dieser Meinung an auch wenn sie überwiegend dem christlichen Glauben anhingen. Seit sein berühmter Vater, der legendäre Krieger Ragnar Lodbrod in der Schlangengrube des northumbrischen Königs Alles II. einen schmählichen Tod fand, war Halfdan von Rache beseelt. Er würde nicht ruhen bis das fruchtbare Land, die Reichtümer und das Leben seiner angelsächsischen Feinde ihm gehörten. Seine beiden Brüder Ubba und Ivor schlossen sich seiner Kampagne an, da sie wie er in einem Zug ihren Vater rächen und die Besitztümern dieses Landes an sich reißen wollten. Die Größe ihrer gemeinsamen Streitmächte überstiegen alle bisher dagewesenen Dimensionen in denen Wikinger ihrer Herkunft auf Beutezüge gingen. Ihre angelsächsischen Feinde erkannten die Gefahr, die von dem Großem Heer aus ging sehr gut. Noch immer waren sie untereinander zerstritten, konnten sich nicht auf ein eigenes Bündnis gegen die Eindringlinge einigen und genau diesen Umstand nutzten die das Land verheerenden Wikinger seit Jahren zu ihrem Vorteil aus. Einige der angelsächsischen Siedlungen zahlten vor einigen Jahren ein Danegeld an die Ragnarsöhne um sich vor Verwüstungen zu schützen. Für die Nordmänner ein äußerst lukratives Geschäft. Harteknuth erkannte, als er in die Audienzhalle geführt wurde, dass der Heeresführer höchsten Respekt verlangte und es ihm auch zustand. So kniete er sich in gebührendem Abstand vor ihm nieder. Der Herold verhielt sich wie es für seinen Stand üblich war und kündete seinem Herrn den Gast an. „Mein Herr, dies ist Harteknuth, Sohn von Sigurd und er reiste von Halland bis hier in die Gefilde der Angelsachsen und bietet Euch nun seine Dienste an.“ Der Seiðmenn nutzte die Gunst der Stunde um den wie alle anderen Wikinger seines hohen Standes in einem mit Pelz verbrämten eisernen Harnisch gehüllten Anführer näher zu betrachten. Seine Augen hatten sich im Dunkel der damaligen Nacht nicht getäuscht. Es war das Gesicht des Mannes, den ihm der Wahrheitszauber vor vielen Jahren auf der spiegelblanken Fläche des heimatlichen Sees gezeigt hatte. Daran bestand nun kein Zweifel mehr. Fridleiv drängte es danach diesen Hallandmann näher kennen zu lernen. Gleichzeitig fürchtete er die mehr als wahrscheinliche Ablehnung die er durch Harteknuth erfahren würde. Ein Seiðmenn zu sein galt unter den Nordmännern als unmännlich, denn wer mit Magie kämpfte anstatt das Schwert zu nutzen wurde in der Gesellschaft der Wikinger für nicht vollwertig anerkannt. Sein älterer Bruder Halfdan war in dieser Beziehung eher die Ausnahme, denn er umgab sich mit mehr als einem Seiðmenn um seine Feinde und mögliche verwandte Konkurrenten im Ringen um die Macht zu schlagen. Er selbst galt bei seinen Männern als ein Zauberer, der aber lieber mit dem Schwert als mit Zauberformeln zuschlug. Seiner Gesinnung zeigte sich im Tragen auffälliger weißer Kleidung welche ihm den Beinamen Weißkleid einbrachte. Er war kaum dem Kindesalter entwachsen als sein älterer Bruder Halfdan auf ihn und seine Fähigkeiten aufmerksam wurde und unter seine Fittiche nahm. Als Sohn eines armen Bauernmädchens wäre ihm ein hartes Leben in Knechtschaft beschieden gewesen. Die Anerkennung seiner Existenz durch Halfdan ermöglichte ihm seine verborgenen Talente zu entfalten und letztendlich den Weg einzuschlagen, der ihm im Blut lag. Seine Gedanken gingen einige Jahre in die Vergangenheit zurück, als er fast noch ein Kind war und sich an einem kalten Wintertag gemeinsam mit seiner Halbschwester Gudrun und den anderen Halbwüchsigen mit ihren selbst gefertigten Schlitten aus Holz und Tierfellen den kleinen schneebedeckten Hügel hinter der heimatlichen Siedlung in Richtung des vor Kurzem zugefrorenen Sees hinunterfuhren. Ein paar Erwachsen hatten ebenfalls Schlitten gebaut und mischten sich unter sie. Es war ein Riesenspaß für jedermann gewesen. Bis sein Schlitten ungewöhnlich viel Fahrt aufnahm und auf die halbgeforene Eisfläche des Sees hinab schoss und diese dem Gewicht zweier Kinder nicht standhalten konnte. Die dünne Eisdecke brach und eisiges Wasser verschlang beide Geschwister. Das Mädchen konnte nur noch tot geborgen werden, da sie unter die bestehende Eisschicht gerutscht war und von den zu Hilfe eilenden Männern der Siedlung nicht schnell genug geborgen werden konnte. Der Verlust seiner Lieblingsschwester und sein eigener Beinahetod brach etwas in ihm auf – etwas wie eine Eisschicht. Danach war nichts mehr wie es vorher war. Etwas in ihm war erwacht. Harteknuth wurde nach der Ehrerbietung und Gruß in den Dienst von Halfdan Weißkleid aufgenommen. Ihm wurden die restlichen Männer der Hallandkrieger unterstellt, da sowohl sein Onkel als auch der Sohn des Königs in Scharmützel mit den Angelsachsen gefallen waren. Die ganze Zeit hatte er das Gefühl im Nacken, dass ihn jemand beobachtete. Als er wieder aus der Audienzhalle heraustrat fiel sein Blick auf eine hell gekleidete Gestalt, die ihn wie damals vom Ufer des Flusses aus vor mehr als einem Mond beobachtet hatte. Die Kleidung entsprach dem eines Höflings aber es war auch deutlich an den vorhandenen Ketten und langen, offenen Haaren zu erkennen, dass es sich hier um einen Seiðmenn handelte. Harteknuth wandte seine Augen ab und beschloss die Existenz des Zauberers zu ignorieren. So vermisste er das erst verletzte und dann wütende Aufflackern in den Augen des anderen. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- 5. Kapitel Im Gebiet um Hoxne, nach der Entscheidungsschlacht von Hoxne – November 869 Anno Salutis Nach mehr als drei Monden der Verzögerungstaktik und kleinerer Scharmützel stellte sich der ostanglische König Edmund endlich mit seinem Heer von angelsächsischen Kriegern und Verbündeten aus Mercia dem Großen Heer der Wikinger und wurde vernichtend geschlagen. Sein enthaupteter Körper wurde wie der vieler anderer Krieger auf dem Schlachtfeld bei Hoxne den Aasfressern überlassen. Sein Kopf schmückte einen Pfahl neben der Audienzhalle des Weißkleids als Zeichen seines Triumphes über den christlichen Ostanglienkönig. Ostanglien fiel damit endgültige unter die Kontrolle der Wikinger, die nun neben Northumbria ein weiteres Territorium hinzugewonnen hatten. Widerstand regte sich bereits in Mercia und bei den Westsachsen. Nur wenige Hallandkrieger waren nach der Schlacht um Hoxne noch am Leben und die überlebt hatten trugen zum Teil schwere Verletzungen davon. Fridleiv fand den Hallander am Rande eines brachliegenden Ackers wieder, kniend, die Hände in die feucht kalte Krume vergraben und den Kopf gesenkt. So saß er reglos da und starrte vor sich hin. Nach Bjørns Verschwinden und der späteren Bestätigung, dass er und seine Mannschaft einem Trupp Angelsachsen in die Falle gegangen und noch in derselben Nacht erschlagen wurden, hatte der junge Hallander noch mehrere Freunde und Kampfgefährten verloren die ihm nahe standen. Er spürte, dass er an einem Scheideweg befand. Sein Kriegsglück hatte ihn verlassen als er dem Werben Ubbas Ragnarsson folgte und ostanglischen Boden betrat. Die Völva hatte die Zukunft falsch ausgelegt. Die Voraussage um die Einheit der Drei betraf seiner Meinung nach nicht die drei hallandischen Kommandanten sondern die drei Söhne des Ragnars, welche sich bis jetzt auch bewahrheitet hatte. Solange Ivor, Ubba und Halfdan sich einig waren konnten sie ganze Königreiche in den Staub werfen. Lakonisch dachte Harteknuth an den letzten panischen Ausruf der Völva an jenem Abend vor fast einem halben Jahr. Nicht der Seiðmenn hatte ihm sein rechtes Auge gestohlen sondern der Pfeil eines angelsächsischen Krieger. Fridleiv, ein Bastard des als alten Schwerenöter bekannten Ragnar, hatte mit seiner Heilkunst versucht die gefährliche Wunde zu heilen ohne dass sie sich infizierte. Noch immer war die Haut um das verlorene rechte Auge von roten Wülsten umgeben, die ihm einen recht grimmigen Ausdruck verschafften. Aber er war ohne Schmerzen und schon bald würden die Narben verblassen. Der Seiðmenn näherte sich vorsichtig dem Trauernden und entschloss nach kurzem Zögern sich neben ihn zu hocken. Er legte behutsam seine Hand auf dessen hängende Schultern. Der blonde Wikinger hob seinen Kopf und blickte den anderen lange an. Der Seiðmenn hatte sich in den letzten Monden nach der anfänglichen Abfuhr nicht beirren lassen und Harteknuth gezwungen, seine Existenz und das seltsame Band zwischen ihnen zu akzeptieren. Die Behandlung seiner schweren Augenverletzung tat ihr übriges. Harteknuth griff nach ihm und überraschte sie beide damit. Zog ihn trotz anfänglicher heftiger Gegenwehr unter sich, hielt ihn fest. Barg sein Gesicht in Fridleivs Halsbeuge und atmete seinen Geruch ein. Fridleivs schneller Herzschlag beruhigte sich nach einer Weile und er entspannte sich in der Umarmung des Kriegers. Keiner sprach ein Wort. Es war auch nicht notwendig. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)