Together we're never alone von Crimson_Butterfly (Dein Herz weiß es schon lange ...) ================================================================================ Kapitel 10: Dreams and Memories ------------------------------- Ein tiefes Seufzen verließ meine Lungen, während ich noch immer in Kais Werkstatt stand und Erinnerungen an vergangene Geschehnisse meinen Geist füllten. Ich erinnerte mich deutlich an jenen Tag, obwohl es bereits sechs Jahre her war. Ryan war damals dreizehn gewesen und ich war sechzehn. Es war der Moment, nachdem ich Ryan die Hand entzogen und ihm gesagt hatte, dass ich mit einem Jungen aus meiner Schule ausgehen würde. In diesem Augenblick war er innerlich gestorben. Ich hatte es in seinen Augen gesehen. Doch ich hatte es nicht verstanden. Mir war nicht bewusst gewesen, dass seine Welt längst in Scherben gelegen hatte. *** Flashback: "Komm Fiona, lass uns heute Abend ins Kino gehen", drängte Ryan begeistert und zerrte mich an der Hand haltend hinter sich her. Wenn ich meinen Beinen nicht den Befehl zum laufen erteilt hätte, hätte ich wahrscheinlich schon längst den Boden geknutscht "Momentan läuft ein Film, den ich schon länger sehen wollte", fügte er hinzu. Seine Augen leuchteten und ich schnitt eine Grimasse, als Schuldgefühle in mir hochstiegen, die nicht lächerlicher sein könnten. Ich stemmte die Füße gegen den Boden und entzog mich dem Jüngeren vorsichtig, der mich nur irritiert ansah und wohl nicht zu verstehen schien, warum ich offensichtlich nicht mit ihm gehen wollte. Ich lächelte ihn entschuldigend an und wickelte mir nervös eine meiner Haarsträhnen um den Finger. Unter seinem prüfenden Blick wand ich mich unbehaglich. "Ein anderes Mal, OK?", fragte ich sanft und fühlte, wie mir die Schamesröte heiß in die Wangen schoss. "Ich bin schon verabredet." Leise seufzte ich auf. "Ich gehe mit einem Freund aus. Wir wollten essen gehen." Ich konnte mir keinen Reim darauf bilden, warum ich meinte, mich vor ihm rechtfertigen zu müssen. Ryan war weder mein fester Freund, noch hatte er einzig und allein das Patentrecht dazu, Zeit mit mir verbringen zu dürfen. Also, warum hatte ich das Gefühl, dass ich ihm eine Erklärung schuldig war? Nachdenklich runzelte ich die Stirn, verschränkte die Arme vor der Brust und stieß die Luft aus meinen Lungen. In Gedanken vertieft, beobachtete ich seine Gesichtszüge, die sich zunehmend verfinsterten und ich blinzelte irritiert. Instinktiv wich ich vor ihm zurück. Ich wollte mich schon danach erkundigen, warum sich seine Hände zu Fäusten ballten und wieso er mich so durchdringend anstarrte, doch in der Sekunde riss ich meine Augenbrauen bereits entsetzt in die Höhe und wusste nicht, ob ich mich verhört hatte oder ob er mir diese schrecklichen Worte tatsächlich entgegen geschrien hatte. "Menschen wie du sollten tot sein!", keifte er zornig und zog bedrohlich die Augenbrauen zusammen. "Du bist genau wie all die anderen." Ratlos hob ich die Schultern und schüttelte den Kopf. Er schluchzte leise und die Tränen begannen ihm in Strömen über die Wangen zu fließen. Ich furchte die Stirn. Allerdings bekam ich keine Gelegenheit mehr dazu, um über seine Worte nachzudenken, denn in der Sekunde schlug er bereits mit den Fäusten auf mich ein und nur meine Geistesgegenwart brachte mich dazu, nach seinen Handgelenken zu greifen und diese festzuhalten, auch wenn er sich wie ein Wahnsinniger gegen mich wehrte. Meine Handlung bestand aus reinem Selbstschutz. Ich hatte zumindest mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet, aber nicht, dass diese so heftig ausfallen würde. "Beruhig dich!", schrie ich ihn an, gegen seine verzweifelten Fluchtversuche ankämpfend. "Ryan! Verdammt noch Mal, sieh mich an." Er hörte mir nicht zu und in seiner rasenden Wut konnte er sich schließlich befreien und mich zu Boden stoßen. Er war über mir und saß rittlings auf meinem Schoß. Seine Finger umklammerten meine Kehle. Ryan schnürte mir die Luft ab und mir wurde bewusst, dass er die Absicht verfolgte, mich zu erwürgen. Panik machte sich in mir breit. Mordlust und Hass spiegelte sich in seiner Miene wieder. Der Hals tat mir bereits weh, es war ein Schmerz, weit ab meiner Vorstellung. Kraftlos umklammerte ich seine Arme und versuchte um Hilfe zu rufen, doch kein Ton verließ meine Lippen. Mir wurde bereits schwarz vor Augen und mein Bewusstsein glitt immer tiefer in die undurchdringliche Dunkelheit, als ich sein Gewicht plötzlich nicht mehr auf mir spürte. Meine Sicht war verschleiert und klärte sich nur mühsam. Der qualvolle Druck, der mir die Fähigkeit zu atmen genommen hatte, war verschwunden und meine Lungen sogen gierig die frische Luft ein. Erst nach mehreren Minuten hob ich mühevoll den Blick und versuchte herauszufinden, wer mich vor dem erstickungstot bewahrt hatte. Es musste Leon gewesen sein, der Ryan von mir runter gerissen hatte. Der älteste Sohn der Familie Cornwell stand hinter seinem jüngeren Bruder und hielt diesen fest, während ich spürte, wie ich von jemand hochgehoben wurde. Flashback ende *** Ein paar Tage später, als ich die Treppe hochgestiegen war, die in den ersten Stock führten, hatte ich etwas klappern gehört. Irritiert hatte ich den Kopf gehoben und eine Metalldose dabei beobachtet, wie sie auf mich zugefallen war. Das Stück Blech war vor meinen Füßen gelandet, hatte sich geöffnet und seinen Inhalt auf den Stufen verteilt. *** Flashback: "Heb es auf", erklang eine Stimme, die keinen Widerspruch duldete und ich guckte überrascht zu Ryan, der, mit den Armen vor der Brust verschränkt, auf dem Treppenabsatz stand und überheblich auf mich herabsah. "Ich sagte, du sollst es aufheben." Seufzend senkte ich den Blick auf die Utensilien, die vor meinen Füßen verstreut lagen und nickte, nicht fähig zu widersprechen. Ich ging in die Knie, um die Stifte, den Radiergummi und die Zettel aufzuheben, die in die metallene Box gehörten. Obwohl ich tagelang im Krankenhaus gelegen hatte und die Abdrücke seiner Hände noch immer die Haut an meinem Hals verunzierten, hatte ich kein Wort der Entschuldigung von ihm gehört. Er war noch immer kalt, abweisend und distanziert. Bei jeder Gelegenheit, sie sich ihm bot, behandelte er mich wie das, was ich war. Das Dienstmädchen seiner Familie. Doch hinter seinen höflichen Anweisungen verbarg sich eine Grausamkeit, die ich mit Worten nicht erklären konnte. Meine Finger zitterten, als ich den Kugelschreiber aufhob und sich meine Zähne in das zarte Fleisch meiner Unterlippe vergruben. Im nächsten Augenblick hörte ich ein Zischen und ich hob verwirrt den Kopf, um herauszufinden, woher das Geräusch kam. Meine Augen weiteten sich entsetzt, nachdem ich bemerkte, wie etwas Spitzes, Silberfarbenes auf mich zuhielt. Reflexartig sprang ich zurück und presste die Hand auf meine rechte Gesichtshälfte, als meine Nerven ein Schmerz überzog, der mich um den Verstand zu bringen drohte. Etwas Rotes trübte meine Sicht und ich musste fassungslos einsehen, dass mich dass Kattermesser getroffen hatte. Gequält sah ich auf. Das jüngste Mitglied dieser Familie drehte sich um und ging. Flashback Ende *** Vertrauen fällt schwer, wenn man das nicht gelernt hat, resümierte ich in Gedanken und guckte zu Ryan, der noch immer auf dem sonnenbeschienenen Hof stand und seinen Blick auf mich gerichtet hielt. Ich wusste bis heute nicht, ob er seine Grausamkeit seinerzeit wieder gut machen wollte, indem er mir geschworen hatte, mich zu beschützen. Nach unzähligen Monaten, die sich über drei Jahre erstreckt hatten und in denen ich unter ihm leiden musste, war er in mein Zimmer gekommen, die Händen in den Hosentaschen und einen Vorschlag, den ich nicht ablehnen konnte. Er würde auf mich aufpassen und mich nicht mehr verletzen. Vielen war es unbegreiflich, warum ich Ryan nicht hassen wollte, obwohl er mir so viele schreckliche Dinge angetan hatte, aber niemand konnte verstehen, wie zerbrechlich Menschen waren, die bereits im Kindesalter gelernt hatten, anderen zu misstrauen und niemanden zu nah an sich heran zulassen. Selbst einfache Dinge, die für uns alltäglich erschienen, würde diese Personen, die keinen Sinn in ihrem Leben sahen, tief verletzten. Er wusste bereits mit fünf Jahren, dass ihn seine Mutter nicht gewollt hatte und dass sie dazu gezwungen worden war, ihn zur Welt zu bringen. Darum stellte sich für ihn wohl auch nicht länger die Frage, warum ihn Rose stets behandelt hatte, als wäre er weniger Wert, als der Dreck unter ihren Schuhen. Leon hatte es mir gesagt. Ryan hatte jedem misstraut. Er war der Ansicht gewesen, dass es niemanden gegeben hatte, dem er sich anvertrauen konnte oder der ihn verstanden hätte; was wohl auch der Grund dafür war, dass er so verbittert wurde. Doch als er größer und älter wurde, hatte er scheinbar gemerkt, dass wir uns in vielerlei Hinsicht ähnlich waren und ohne, dass es mir bewusst gewesen wäre, wurde ich für ihn zu etwas besonderem. Ohne es zu wollen, hatte ich ihm damals wehgetan und indem er sich mir gegenüber so abweisend verhielt, konnte er mit dem Schmerz umgehen, der in seinem zerrissenem Herzen Einzug hielt. Schon erstaunlich, wie besitzergreifend er durch diese Erfahrung geworden war. Kaum hatte ich diese Gedanken zu ende gesponnen, musste ich dabei zusehen, wie Adrian wieder auftauchte, seinen Arm um die Schultern des Jungen legte, den ich liebte, und ihn mit sich zerrte, ohne auf den deutlichen Protest zu achten, der von dem Kleineren ausging. Ryan wandte den Kopf in meine Richtung, hob den Arm und streckte seine Finger nach mir aus. Der unglaublich einsame Ausdruck in seinem schönen Gesicht, schnürte mir die Kehle zu. Wut und Hass lenkten meine Bewegungen und ich schnappte mir einen Schraubenschüssel aus Kais Werkzeugkasten. Ich rannte Avalon nach, den kalten Stahl in meiner Handfläche und mit der festen Absicht, dieses Arschloch zu erschlagen, doch sobald er in Reichweite kam, schwand mein Mut und meine Entschlossenheit. Ein Schauer jagte mir über den Rücken und mir stellten sich alle Nackenhaare auf, als er sich zu mir umdrehte, als hätte ich ihn gerufen. Ein gehässiges Grinsen umspielte seine Mundwinkel und böswillige Erheiterung spiegelte sich in seinen dunklen Augen. Ein unerklärliches Zittern befiel meine Muskeln und der Schraubenschlüssel landete mit einem untrüglichen Klirren auf den Pflastersteinen. Ich zuckte zusammen. Dieses Geräusch hallte unnatürlich laut in meinen Ohren wieder und erfüllte die windstille Luft. Die Knie wurden mir weich und ich hatte das Gefühl, mich nicht länger auf den Beinen halten zu können. In der Sekunde, als ich glaubte, vor der Angst kapitulieren zu müssen, die Adrian in mir ausgelöst hatte, befreite sich Ryan von diesem Mistkerl, lief auf mich zu und fiel mir um den Hals. Durch sein Gewicht verlor ich die Balance, so dass er mich umriss und ich zu Boden stürzte. Ich hörte, wie er meinen Namen flüsterte, als würde er ein Gebet sprechen und er klammerte sich an mich; wie ein Ertrinkender an einem rettenden Seil. Fest nahm ich ihn in die Arme und atmete seinen vertrauten Geruch tief ein. Zärtlich streichelte ich ihm durch die Haare, hauchte einen Kuss auf seinen Scheitel und genoss das Gefühl, ihn wieder dicht an meinem Körper zu spüren. Ich fragte mich, ob er in der Vergangenheit, tagelang nicht aus seinem Zimmer gekommen war, weil er nicht gewollt hatte, dass jemand mitbekam, zu welch lebloser Puppe er wurde, wenn Avalon zu Besuch gewesen war. Und eben dieser zuckte jetzt die Schultern, als wenn er keine Schuld daran hätte, wie es seinem Verlobten ging. Du elender Hurensohn! Ich knirschte mit den Zähnen. Der Kerl lächelte, doch seine Züge blieben gleich bleibend emotionslos. Sein unverschämtes Grinsen erreichte seine Augen nicht und ich musste der Versuchung widerstehen, ihm eine Foltermethode zukommen zu lassen, die wesentlich schlimmer war als alles, was er sich ausdenken konnte. Im z.B. die Haut mit einem Sparschäler abziehen. Ryan holte mich aus meinen Überlegungen, als etwas Nasses meine Haut berührte und ich ignorierte es absichtlich. Ich wusste, das er es nicht mochte, wenn ich solche Dinge bemerkte. *** Adrian hatte Ryan in Ruhe gelassen, obwohl ich dieses Verhalten nicht nachvollziehen konnte. Ich hatte damit gerechnet, dass dieser miese Kerl sich wieder in seinem Stolz gekränkt fühlen und auf seinen jüngeren Verlobten losgehen würde, um ihn mit Schläge und Folter erneut zu zeigen, was Gehorsam bedeutete. Doch stattdessen hatte er nur die Schultern gezuckt, sich auf dem Absatz umgedreht und war verschwunden. Er hatte uns keines Blickes mehr gewürdigt. Mir kroch ein ungutes Gefühl über den Rücken, auch wenn ich mir einzureden versuchte, dass es keinen Grund gab, um sich Sorgen zu machen. Nachdenklich schürzte ich die Lippen. Avalon traute ich alles zu und vielleicht hatte er, heute Nachmittag, nur nichts getan, weil Kai in der Werkstatt gewesen war und alles beobachten konnte. Das hieß, wenn er nicht unter seinem Auto gelegen hatte. Zitternd atmete ich ein und versuchte meinen nervösen Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen. Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als sich eine Hand auf meine legte und ich sah Ryan an, der neben mir in den Kissen seines Bettes lag. Sein Blick versank in meinen und ein Lächeln, das mich bis in mein Innerstes erschütterte, umspielte seine Mundwinkel. Irritiert legte ich die Stirn in Falten und fragte mich für einen kurzen Augenblick, ob ich mir diesen warmen Ausdruck in seinem Gesicht nicht nur einbildete. Ich hoffte es nicht. Ich legte mich neben ihn auf die Decke und schloss die Augen, nachdem er seine Finger an meine Wange legte und mit den Daumen über meine Unterlippe strich. Ich seufzte leise, rückte näher an ihn heran und ließ es zu, dass er seine Arme um mich legte. Ich hatte die Tür verriegelt, nur für den Fall, das Adrian es sich vielleicht doch noch anders überlegen sollte. Immerhin hielt auch meine Anwesenheit diesen vornehmen Drecksack nicht davon ab, seinen wahren, hässlichen Charakter zu zeigen, der ihm irgendwann zum Verhängnis werden würde. Da war ich mir ganz sicher. Ich hob die Lider und fühlte, wie mir das Blut heiß in die Wangen schoss. Fast schüchtern schmiegte ich mich dichter an Ryan und legte das Ohr an seine Brust. Ich hörte sein Herz, das in gleichmäßigen, sanften Rhythmus gegen seine Rippen schlug und fühlte, wie er mir durch die langen Haare fuhr und die Klammern aus meinem Nackenknoten zog. Ich wusste nicht, warum ich heute Nacht bei ihm sein wollte, ich spürte nur, dass ich mich nach seiner Nähe sehnte und mich nicht länger, gegen meine Gefühle wehren wollte. Verlegen setzte ich mich auf und öffnete die Knopfleiste meiner Bluse, streifte mir den Stoff über die Schultern und rechnete bereits damit, dass er mich aufhalten und mich abweisen würde, doch Ryan blieb still und beobachtete mich stumm dabei, wie ich mich vor ihm auszog. Sein Schweigen machte mir Angst und das Blut rauschte mir Laut in den Ohren. Zitternd hockte ich nackt neben ihm und bevor er mich zu genau betrachten konnte, klammerte ich mich bereits wieder an ihn. "Bitte berühr mich", flüsterte ich mit wenig Hoffnung und kämpfte gleichzeitig die Erinnerungen an meinen Stiefvater nieder, die in mir aufstiegen und mich an meinem tun hindern wollten. "Bitte, Ryan … bitte." Mir schossen bereits die Tränen in die Augen und ich wollte mich beschämt von ihm abwenden, doch da presste er mich plötzlich fest an deine Brust, rollte sich mit mir herum und küsste mich wild und leidenschaftlich, bevor er leise murmelte: "Willst du das wirklich? Du weißt, dass ich dich dann für mich beanspruche." Benötigte es wirklich eine Antwort? Ich schlang die Beine um seine Hüften und die Arme um seinen Nacken. Er grinste und jedes weitere Wort war überflüssig. Fortsetzung folgt ... _____________________________________________________________________________________________________________________ Anmerkung des Autors: Diese Kapitel habe ich beim Hören folgender Musikstücke, von Roxette, geschrieben ... Listen to your heart http://www.youtube.com/watch?v=NgICd1zImXA It Must Have Been Love http://www.youtube.com/watch?v=fCDXwVlw7jM Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)