Die Chronik der anderen Welt von DhalaElenaAngel ================================================================================ Kapitel 2: Tags grau und nachts tiefschwarz ------------------------------------------- „Nein!“ Mit dem Aufschrei auf den Lippen schreckte Harry aus seinem Alptraum hoch – und wäre fast vom Fensterbrett gefallen, auf dem er immer noch saß. Er musste eingeschlafen sein, mindestens für ein, zwei Stunden, denn draußen war es bereits stockdunkel. Aber das ging hier immer schnell. Er hatte den Wechsel von Tag und nacht oft beobachtet. Er rieb sich die Augen. Nein, er war immer noch hundemüde, aber er wollte nicht mehr schlafen, er war nicht bereit, sich wieder den Alpträumen zu ergeben. Das würde er nicht aushalten, er konnte Severus nicht zweimal in vierundzwanzig Stunden sterben sehen, er konnte es einfach nicht. Wortlos ließ er sich von der Fensterbank gleiten und schlüpfte in die alten Schuhe, deren Sohlen sich schon fast lösten, zog sich die zu weite Jacke über. Erst dann trat er zur Tür. Zögerlich. Er wusste nicht, ob er wirklich gehen sollte, oder nicht. Raus aus der Wohnung, erst das zweite Mal, seit er hierher gezogen war. Aber er hielt es nicht mehr aus, bei all seinen Erinnerungen. An der Wand gegenüber von seinem Fenster hingen sie, die Bilder der Gefallenen. Sirius, Remus, Severus. Andere. Warum er die Zeitungen gelesen und die Bilder ausgeschnitten hatte, wusste er nicht, Vermutlich noch ein Weg, um sich selbst zu bestrafen. Sehr effektiv. Also zog er den Schlüssel aus dem Schloss, trat aus der Tür und zog sie hinter sich zu, schloss sie wieder ab. In der Tasche seiner Jacke befand sich etwas Geld, nicht viel, aber etwas. Es würde für ihn reichen, das tat es immer. Es war nicht so, als würde er hungrig werden und was zu Essen kaufen wollen. Lautlos schlich er sich durch das menschenleere Treppenhaus, ohne sich die Mühe zu machen, den Lichtschalter zu betätigen, die Dunkelheit war ihm gerade Recht, er konnte mit ihr verschmelzen, als würde er so verschwinden können, endlich den dauernden Schmerzen entkommen. Die Dunkelheit mildete die sonst so scharfen Umrisse um ihn herum, sie ließ die Umgebung so schön weich erscheinen. Im Grunde hatte er mehr als ein Mal mit dem Gedanken gespielt, endlich etwas zu unternehmen, sich die Pulsadern aufzuschneiden, Irgendwas, aber er hatte Draco schwören müssen, sich selbst nichts anzutun, er konnte sich nicht umbringen, der Schwur würde es verhindern und den Blonden auf den Plan rufen. Die Enttäuschung auch in seinen Augen sehen zu müssen, wäre schlicht zu viel gewesen. Das hätte er nicht ertragen. All die Menschen in seinen Träumen, die ihm ihren Tod vorwarfen, waren mehr als genug Stoff für seine Alpträume. Also lief Harry aus dem alten Haus, hinaus auf die nun menschenleere Straße. Zwar gab es Laternen, aber die Meisten von ihnen waren dankbarer Weise kaputt. Nur selten zischte ein Auto an ihm vorbei und blendete ihn mit den Scheinwerfern. Sonst war da niemand und Harry war froh darum. Er folgte der Straße einfach immer weiter ohne nach rechts oder links zu sehen, bis sie nur noch in eine Art Feldweg mündete, er lief weiter, auch, als es anfing, zu regnen, der Regen war ohnehin recht warm. Kein Grund umzukehren. Erst die aufragende Klippe brachte ihn zum halten. Dort setzte er sich, die Füße über dem Abgrund. Von unten hörte er, wie die Wellen mit großer Wucht gegen den Fels krachten. Wie das wohl bei Gewitter war? Waren sie dann noch lauter? Er sah hinunter in das vollkommen schwarz wirkende Wasser. Es wäre so einfach, loszulassen und zu springen, kurz wäre es vermutlich laut, aber dann würde es endlich still werden und die Alpträume würden aufhören. Und doch konnte er das nicht tun, ohne auch Dracos Leben aufs Spiel zu setzen. Wie hatte Blondie es nur geschafft, ihn in diesen Schwur zu zwingen? Er sah auf seine Hand, strich über die kleine Narbe zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Magie um diesen kleinen Platz wurde heftiger, wie immer, wenn er wirklich kurz davor war, dem Ruf einfach nur nachzugeben. Er wollte Draco nicht gefährden, also würde er der Versuchung nicht nachgeben. Stattdessen verfluchte er Poppy dafür, das die ihren Job so ernst genommen hatte, er hatte sie gesehen, seine Eltern, Sirius, im Licht, er hatte gewusst, da würde er auch Severus wiedersehen und Remus, er hatte zu ihnen gewollt, er war gerannt, er hatte sich so angestrengt, aber man hatte es ihm nicht gegönnt. Auf ein Mal war er zurück in seinen Körper gezerrt worden, mit Gewalt, gegen seinen Willen, unter wahnwitzigen Schmerzen – und er hatte sich Dumbledore stellen müssen. Und all den Anderen. War es so viel verlangt gewesen? Er hätte sein Versprechen nicht gebrochen, wäre er an seinen wirklich massiven Verletzungen gestorben, er hätte seine Ruhe gehabt, aber nein, wegen einer überfleißigen Heilerin musste er weiterhin hier im tristen Nirgendwo bleiben, wo nur noch Schmerzen ihm zeigten, dass er zum Leben verdammt war. Automatisch griff er sich an die Brust, die wieder heftig zu ziehen begonnen hatte, scheinbar ohne jeden Grund. Als habe man etwas in ihm zerrissen. Er hoffte, dass er krank war, aber er glaubte nicht, dass das Schicksal ihm den Gefallen tun würde, ihn auf diese Weise endlich gehen zu lassen, gleich, wie sehr er sich das wünschte und wie sehr er darauf hoffte. Hoffnungslos hob Harry sein Gesicht, er fühlte den Regen auf seinen Wangen, die Flüssigkeit verlief mit den Tränen und versteckte sie so. Das Wetter war, wie er sich fühlte, tagsüber grau, nachts tiefschwarz. Er war froh, dass Ron und Hermine ihn noch nicht besucht hatten, denn sie wussten ja gar nicht, wie es ihm ging. Die Beiden waren, kurz nach der letzten Schlacht, endlich zusammen gekommen und brauchten die Zeit für sich. Er erzählte ihnen in seinen Briefen, dass es ihm gut ging und sie es nicht wagen sollten, wegen ihm ihren Urlaub abzubrechen, er würde ohnehin über beide Ohren in Arbeit stecken, mit seiner neuen Wohnung und anderen Dingen. Seine besten Freunde hatten ihn immer nur stark und unverwüstlich erlebt, er wollte nicht, dass ihr Glaube erschüttert wurde. Auch Molly hatte ihm wieder eine Einladung geschickt, die er abgelehnt hatte. Er wusste, die Frau hoffte, dass aus Ginny und ihm doch noch ein Paar werden würde, sie versuchte, subtil zu kuppeln, aber allein bei dem Gedanken stellten sich ihm alle Haare auf. Ginny war für ihn wie eine Schwester, wie Hermine, allein der Gedanke an eine Beziehung kam ihm vor, wie Inzest. Und so tolerant er war, das war etwas, das er nicht tun wollte. Nein, er wäre nur ein drittes Rad am Wagen in dieser fröhlichen Familie. Länger als einen Tag konnte er sich nicht zwingen, so zu tun, als wäre er wieder normal. Nicht zu vergessen, dass ein Besuch auch die Rückkehr nach England bedeutet hätte. Er packte einen Stein neben sich, schleuderte ihn mit aller Macht in die Tiefe. Nein! Niemals! Er wollte nicht zurück! Nie wieder! Wer wusste schon, was Dumbledore dann tun würde? Ihm Auroren auf den Hals jagen, bis er sich bereit erklärte, zu seinen Verwandten nach Surrey zurück zu kehren oder schlimmer noch, nach Grimmaulds Place, wo alles ihn an Sirius, Remus und Severus erinnerte. Die Bilder, die Gerüche. Und dann konnte er nicht mehr dafür garantieren, dass er sich selbst keinen bleibenden Schaden zufügen würde. Denn er würde es tun, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Schon hier war es schwer, wobei ihn kaum etwas an England erinnerte, oder an Schottland. Wo alles anders war, die Sprache, die Menschen, die Einstellung, ja, selbst das Essen. Nach einer Weile stand Harry schließlich auf. Er musste zurück, wenn er vor Tagesanbruch wieder in seiner Wohnung sein wollte, sonst würde Jemand ihn sehen und sicher unerwünschte Fragen stellen. Am Ende würde irgendeine überfleißige Muggelbehörde ihn zurück nach England schleifen und er hatte nicht mal mehr einen Zauberstab, um ihnen die Erinnerung zu nehmen. Er wollte nicht zurück in die magische Welt, wozu also ein Ding kaufen, das ihn als Zauberer auszeichnen würde? Mit hängendem Kopf trottete er den Weg zurück, den er schon gekommen war, in der angenehmen, unbeleuchteten Dunkelheit, dann zurück auf die Straße, wo es ihm fast schon wieder zu hell war. Im Flur zog er sich die durchweichten Turnschuhe aus, stellte sie in der Wohnung auf eine alte Zeitung, deren Überschrift sich auf ein Fest im Ministerium bezog, dann hängte er den nassen Anorak auf und schlurfte mit hängendem Kopf in das winzige Bad, in dem nur ein Klo, eine kleine Dusche und ein Spülstein Platz hatten. Keine Waschmaschine, nichts. Den Spiegel, den Draco ihm mitgebracht hatte, hatte er weit unter all die Handtücher geschoben, er wollte sich nicht sehen, er konnte sein eigenes Gesicht ohnehin nicht ertragen. Wäsche machte er per Hand in einem Eimer, den er dann auf den Klodeckel stellte. Darin hatte er ja auch Übung. Langsam befreite Harry sich aus seinen durchnässten Klamotten und drehte den kleinen Duschkopf auf, bevor er sich in der Dusche zusammenkauerte, die Arme fest um die Beine geschlungen, die Augen geschlossen, während das lauwarme Wasser weiter auf ihn herab prasselte. Er wusste nicht, wie lange er da so saß, auf den sich langsam seiner Körpertemperatur anpassenden Fliesen, während er sich mit seiner Hand über die Narben strich, die er sich, zum großen Teil, selbst zugefügt hatte, bevor er sich dazu überwinden konnte, wieder aufzustehen und nach dem Handtuch zu greifen. Er trocknete sich nur oberflächlich ab, bevor er eine frische Boxer von der Leine über sich fischte, zusammen mit einem langärmligen Pullover. So angezogen setzte er sich wieder auf seinen Stammplatz, während das Licht der Morgensonne sich seinen unbarmherzigen Weg zurück an den Himmel kämpfte. Ein weiterer, grauer, bedeutungsloser Tag hatte seinen Anfang genommen. Es verging eine Woche, doch dann konnte niemand Severus mehr im Bett halten. Er hasste es, wenn man das versuchte und Thea ließ er es nur durchgehen, weil sie ihn schon auf die Welt geholt hatte. Aber auch sie sollte ihren Bogen nicht überspannen, er war nicht umsonst der Herrscher hier. Er hatte keine Probleme, das auch auszuspielen. Äußerlich ruhig zog er sich an, die Roben, die er aus dem Schrank gesucht hatte, dann blickte er in den Spiegel, froh, die Frustfalten wieder los zu sein. Dann wanderte seine Hand zum Hals, wo er gerade den Verband abgerissen hatte. Noch immer sah man, wenn man genau hinsah, die beiden runden, leicht geröteten Löcher, wo Naigini ihre verdammten Fänge in seinen Hals geschlagen hatte, aber sie waren fast verschwunden und in zwei Tagen würde man sicher gar nichts mehr ausmachen können. Severus konnte es sich einfach nicht leisten, länger im Bett herumzulungern. Zwar dachten die Anderen, er habe es nicht mitbekommen, aber er hatte nicht geschlafen, als seine Schwester an seinem Bett gesessen hatte und der Bote herein geplatzt war, er hatte nur keine Lust gehabt, die bohrenden Fragen über ‚Wer ist dieser Harry?’ und ‚Ist da was, was ich wissen sollte?’ zu beantworten. Sie dachte wohl, nur weil sie ein paar hundert Jahre älter war, alles zu dürfen! Aber da war sie schief gewickelt! Verdammt schief! Auch er hatte das Recht auf ein paar Geheimnisse und etwas Privatleben! Er hatte vor, das Meeting, in dem sie saß, zum Platzen zu bringen. Er wollte alle Einzelheiten, sofort, gestern und auf der Stelle, dann würde er Pläne ausarbeiten. Seinen Besuch in England würde er eben noch etwas herauszögern müssen. Das hier war wichtiger. Er würde stattdessen erst mal einen Boten losschicken, der sicherstellen würde, dass er nicht nur einen Grabstein vorfinden würde. Denn das würde er nicht vertragen. Warum, wusste er selbst nicht so genau. Vielleicht, weil es einfach unfair war, selbst für seine Begriffe, wenn ein noch nicht mal Siebzehnjähriger, ein Kind, dass kaum aus den Windeln heraus war, einfach drauf ging, nur weil einige Erwachsene zu dumm waren, ihre eigenen Kriege zu kämpfen! Weil er wissen wollte, dass die schmerzgefüllten Augen wieder Freude gefunden hatten. Das Weasleygör hatte schließlich mehr als ein Mal deutlich gemacht, dass sie nichts lieber tun würde, als Harry die Familie zu geben, die er sich so sehr wünschte. Nicht zu Vergessen, dass Molly nichts lieber tun würde, als ihn tatsächlich in die Familie aufzunehmen. Er hatte wenig Zweifel, dass es so kommen würde, aber er musste sich vergewissern. Das verlangte sein Inneres einfach von ihm. Er wollte sich nicht mal zeigen, nur sicherstellen, dass der Junge heil überlebt hatte. Er sollte ihn ruhig weiter für tot halten, das war vermutlich das Beste so, für sie Beide. Nun aber zu anderen Dingen. Rasch trat Severus aus seinen Gemächern, wobei ihn Theon und Raban stumm flankierten, ohne ein Wort zu sagen. Wie vor seinem kleinen Ausflug. Wenigstens irgendwas hatte seine Ordnung behalten. „.. um etwas zu... Severus? Was tust du denn hier?!“ „Meinen Job wieder aufnehmen, “ gab der Andere mit stoischem Gesicht zurück, bevor er Serena auf die Stirn küsste. „Es wird Zeit, diesen verdammten Krieg zu beenden, ich habe keine Lust mehr auf das ewige Gemetzel, davon hatte ich eigentlich genug!“ Serena seufzte und rückte, wie alle Anderen einen Platz auf, so, dass Severus auf dem höchsten der gepolsterten Stühle Platz nehmen konnte. „Und nun noch mal von Vorn – was hat die Situation so drastisch verschlimmert? Ich habe in meiner Abwesenheit alle Berichte bekommen und abgesehen von den Wochen in denen ich indisponiert war, bin ich im Bilde. Bisher gingen die Grenzgemetzel wie immer – was also hat sich geändert?“ Die Minister sahen sich gegenseitig unsicher an. Sie kannten ihren Herrn, wussten, wie ungemütlich er werden konnte. Vor allem, da der, der sie angriff niemand anders war, als der Onkel des Königs, der den Thron für sich beanspruchte, aus welchen diffusen Gründen auch immer. Denn eigentlich hatte er sich das Recht schon lange verspielt, durch die Taten, die er begangen hatte. Ein Familienkrieg und das waren die Schlimmsten, es wurden immer alle verletzt. „Nun, “ setzte der Erste vorsichtig an. „Es geht um... eine Prophezeiung.“ Severus konnte nicht an sich halten, er stöhnte nur frustriert auf. Als hätte er die letzten zwanzig Jahre nicht wirklich genug von Prophezeiungen gehabt! Die Dinger hatten nun wahrlich genug Unglück über Jedermann gebracht!„Was für eine ist es dieses Mal? Und von wem?“ „Rebana.“ „Oh, wunderbar, “ grummelte Severus frustriert. „Nun? Und um was geht es dieses Mal?“ Warum er? Warum immer er? Jedes Mal brachte das dumme P-Wort nur Ärger! Und jedes Mal ihm! „Es geht um... euren Gefährten...“ „WAS?!“ Einer der Männer holte ein Stück Papier hervor. „Die Prophezeiung ist die Direkteste, die je gemacht wurde, “ gab er nur zurück. „Sie besagt, dass Ihr einen mächtigen Gefährten habt, der, einmal an Eurer Seite, den Krieg herum reißen und einen endgültigen Sieg bringen wird. Nun wird Euer Onkel also alle Kräfte konzentrieren, um schneller zu sein, als das Schicksal, oder um diesen Gefährten zu töten.“ Ja, sein Leben stank, stellte Severus nur fest. Es stank bis zum Himmel und wieder zurück. Sein Leben wurde mal wieder von Dingen bestimmt, die er nicht kontrollieren konnte und es gab nicht, was er mehr hasste. Er hatte keine Zeit, sich gerade jetzt um so etwas wie sein Sexleben zu kümmern, verdammt noch mal! Doch er wusste, dass der Rat ihn wieder dazu drängen würde. Nicht, dass er vorhatte, nachzugeben, er war der König, die konnten ihn alle mal gern haben! Oh, wie kindisch benahm er sich eigentlich gerade und... Gefährte? Wie in Mann? Na, wenigstens etwas. Immer noch besser, als eine Frau. Er schauderte bei dem Gedanken, so gern er seine Schwester auch hatte, ihre Launen waren manchmal einfach nicht zu ertragen.. da lieber ein Mann, die fand er ohnehin attraktiver. Er hatte schon immer sein eigenes Geschlecht im Bett bevorzugt, er fand am Körper einer Frau nichts, was ihn erregen konnte. Aber dann schob er den Gedanken entschieden wieder von sich und öffnete seine Augen. Das war sicher kein Thema, nicht, bevor der verdammte Krieg nicht sein Ende gefunden hatte! „Die Schlachtkarten, “ befahl er knapp. „Und die Aufstellung des gesamten Heeres, ich will akkurate Zahlen, das nächste Treffen wird in drei Stunden sein, dann werde ich Befehle geben... Serena, wenn du bitte bleiben könntest?“ Die Frau mit den langen, schwarzen Haaren und den stechend schwarzen Augen setzte sich wieder und sah ihren Bruder vorwurfsvoll an. Sie hatte sich wirklich eine Knutschpause verdient, verdammt! Aber was sollte sie schon tun? Kleine Brüder waren nun mal eine Krankheit und diese ließ sich wenigstens noch ertragen. „Wie kann ich dir helfen, Kleiner?“ „Ich weise dich darauf hin, dass ich gute zehn Zentimeter größer bin, “ gab der Andere unbeeindruckt zurück, während er die mit roten Punkten gespickte Karte betrachtete. „Ja, jetzt, “ gab die Andere genauso ruhig zurück. „Gibt es einen Grund, warum du so gereizt bist? Geht es um die Sache mit dem Gefährten? Sei lieber froh, dass du einen hast, du weißt, es gibt viele, die sind nicht so glücklich und am Ende geht es ihnen, wie unseren Eltern.“ Severus zuckte leicht. Und immer auf den wunden Punkt. Er bewunderte immer wieder, wie schnell und präzise seine Schwester diese Punkte fand und in ihnen herum stocherte. „Ich habe für so etwas im Moment wirklich keine Zeit, “ knurrte er nur. „Und ich habe mich gerade erst jahrelang mit einer anderen Prophezeiung herum geschlagen, nur um zu verhindern, dass wir entdeckt werden! Ich kann diese Dinger nicht mehr hören!“ „Oh, Sevvie, du tust so, als hättest du in diesen Sachen eine Wahl, “ sprach die Ältere nur sanft. „Nenn mich nicht so!!!“ „Wie denn dann? Kleiner gefällt dir nicht, Sevvie gefällt dir nicht und ich denke nicht, dass ich dich wieder Puu nennen soll! Also, ertrag dein Schicksal, ich bin deine Schwester, ich bin älter, auch, wenn du die Krone hast, ich kann dich, wenn wir allein sind, nennen, wie ich will, Grummel!“ Severus stöhnte nur erneut frustriert, doch er sagte nichts mehr. Er hing schließlich an seinem verdammten Leben. „Ich habe es einfach satt, keine Kontrolle zu haben!“ Serena trat nur neben ihren Bruder, zog ihn an sich und umarmte ihn. „Das Leben ist nie leicht, das solltest du inzwischen gelernt haben, “ meinte sie nur sanft, strich über die feinen Haare. „Hat es etwas mit diesem Harry zu tun?“ „Was? Wie kommst du darauf? Er... ist nur Jemand, der auch nie Kontrolle hat, das ist Alles, ich habe mit ihm gekämpft, ich werde im nächsten Jahr wohl noch mal nach England gehen, oder irgendwann, wenn ich mal eine Minute Zeit habe, ohne Hiobsbotschaften zu bekommen, um sicher zu gehen, dass es ihm gut geht, aber mehr ist da nicht.“ „Nein?“, fragte Serena verwundert. „Nein, “ bestätigte Severus, löste sich entschieden aus den Armen und sah wieder auf die Karte. Nein, bei Harry war nicht mehr. Ganz sicher. Nur die Augen, die ihn verfolgten und dieser eine Schrei... Er fuhr, wie um sich abzulenken, die Linie des Frontverlaufes nach. „Vorschläge, Schwesterchen?“ „Deinen Gefährten suchen gehen, “ kam es prompt zurück. „Ich meinte etwas Konstruktives.“ „Das meinte ich konstruktiv.“ „Für solche Spielereien habe ich wirklich nicht die Zeit!“, blaffte Severus die Karte an. „Um mein Liebesleben kann ich mich später immer noch kümmern, jetzt geht dieser lächerliche Krieg vor!“ „Sevvie, du brauchst mal Jemanden, der dich ablenkt, “ gab Serena sanft zurück. „und ich rede nicht von einer schnellen Nacht bezahlten Sex in einem dunklen Zimmer. Ich rede von mehr, kuscheln, küssen, Vertauen und Entspannung. Du solltest deinen Gefährten suchen, nicht wegen einer dummen Prophezeiung, sondern für dich. Du weißt, wie wichtig es für uns ist.“ Der Tränkemeister seufzte leise, er hob den Kopf seiner Schwester an: „Mach dir nicht dauernd wegen mir so viele Sorgen, “ bat er erneut bestimmt. „Das ist vollkommen unnötig. Ich werde schon noch Zeit auch für so etwas finden, aber im Moment gehen andere Dinge wirklich vor, meinst du nicht? Ich will, dass endlich wieder Frieden herrscht, dann kümmere ich mich auch gern darum, mein Bett auf Dauer zu füllen. Und jetzt geh knutschen, ich sehe dich in ein paar Stunden.“ Serena warf ihrem sturen Bruder einen letzten, verzweifelten Blick zu, bevor sie die Tür des kleinen Salons hinter sich schloss. Der Idiot war erstaunlich stur, dagegen war ihr Holzkopf von Vater ja noch vernünftiger gewesen, aber sie verstand ihn auch. Vermutlich wollte er einen Gefährten nicht unbedingt in ein Kriegsland bringen nur würde er dieses Mal keine Wahl haben. Es würde eine Weile dauern, Severus würde fluchen und sich sträuben, aber sich am Ende doch fügen. Erneut musste sie an diesen Harry denken. Ein Mann, der mit ihrem Bruder gekämpft hatte. Ob er...? Nein, das hätte selbst Sevvie merken müssen! Er hätte seinen Gefährten sofort erkannt, daran hatte sie keinen Zweifel. Die einzige Ausnahme wäre, wenn er noch ein Kind wäre, aber welcher vernünftige Erwachsene ließ bitte ein Kind aufs Schlachtfeld?? Mit dem beruhigenden Gedanken ging sie zurück zu ihren eigenen Gemächern, um ihren Bruder für ein Weilchen in Ruhe brüten und schmollen zu lassen. Draco sah zu seinem Vater, der in seinem Lieblingssessel saß, einen teuren Kelch mit Feuerwhiskey in der Hand. Es war bereits spät abends und das war eine Gewohnheit, die sein Dad schon lange hatte. Nachher würde seine Mutter kommen, sich kurz zu ihm setzen und dann würden die Beiden gehen, um ins Bett zu steigen und auf den Rest verzichtete Draco in seiner Fantasie dann doch lieber. Er setzte sich auf den Sessel gegenüber und wartete. Lucius sah schließlich auf. „Was gibt es?“, fragte er nach einer ganzen Weile. Er kannte den Jungen gut genug, um zu merken, dass etwas nicht stimmte. Und allein, dass der einfach, ohne etwas zu sagen und ohne ein Buch da hockte und ihn anstarrte war mehr als ein guter Hinweis. „Ich... mache mir Sorgen.“ „Potter?“ „Ja, Harry. Er... war so komisch, vor einigen Tagen. Seine Augen... Dad, es wird einfach nicht besser, es scheint immer schlimmer zu werden! Er lebt in einer klinisch weißen Wohnung, dabei hasst er diese Farbe, er hat Nichts aufgebaut oder sonst was getan, er ... er will nichts mehr machen, er sieht magerer aus, als ich ihn je gesehen habe!“ Lucius blickte zu seinem Sohn. „Posttraumatischer Stress, “ gab er nur zurück. „Prägend sind Lustlosigkeit, Depressionen und die Unfähigkeit, etwas zu tun.“ „Du verstehst nicht!“ „Allerdings nicht, “ gab Lucius zurück. „Ich weiß nicht, warum du dich so sorgst. Gib ihm noch ein, zwei Monate, dann wird die neue Umgebung ihre Wirkung zeigen. Der Junge hat noch mehr mitgemacht, als du, “ erinnerte er Draco milde. „Lupin ist in seinen Armen und Severus vor seinen Augen gestorben. Nicht zu vergessen, Black. Außerdem war er gezwungen, zu töten. Und er hat das erste Mal Zeit, wirklich darüber nachzudenken. Er braucht Zeit.“ Natürlich wusste er, dass es eine gute Chance gab, dass Severus lebte, aber noch war er sich nicht sicher und er würde auch sicher nichts sagen, wenn der Andere das nicht wollte und sich nicht von selbst zeigte, denn auch, wenn er überlabt hatte, konnte es gut sein, dass er schwer verletzt war. „Aber... auch für posttraumatischen Stress ist es nicht normal, dass er physische Schmerzen hat!“ „Was hat er?“, fragte Lucius, nun ehrlich überrascht. Es war das erste Mal, dass er das erfuhr, bisher war es nur darum gegangen, dass der grünäugige Junge entschieden zu viel brütete und zu wenig zu essen schien. „Schmerzen. Er versteckt sie, aber er hat sie, überall, glaube ich. Er hält sich ständig den Kopf oder die Brust, als wäre er krank, aber dann hätte Poppy ihn doch nicht gehen lassen! Oder?“ Der Ältere nickte. „Allerdings nicht, “ bestätigte er ruhig. „Ich denke eher, Harry bildet sich das ein, das ist auch nichts Unübliches. So etwas wie Phantomschmerzen, ein amputiertes Körperglied schmerzt obwohl es nicht mehr da ist. Und das mit dem Kopf kann gut die jetzt fehlende Präsenz des dunklen Lords sein.“ „Ich glaube aber nicht, dass das Alles ist. Ich mache mir wirklich Sorgen, Dad, ich hab ihn auch noch nie was essen sehen, höchstens mal eine Tasse Kaba trinken.“ Der Langhaarige runzelte die Stirn. Anorexie? Er selbst hatte sich schon gefragt, ob der Grünäugige so etwas haben könnte, denn er war ungewöhnlich dürr gewesen, an dem Tag, als er vor dem Wizgamont für sie gesprochen hatte. „Wann gehst du wieder zu ihm?“ „Morgen, aber nur kurz, ich glaube, er mag keine Besuche. Er ist immer so... er kennt mich, ich weiß, was er vor den Meisten versteckt, aber... er scheint nie froh, mich zu sehen. Ich verstehe das nicht. Warum will er lieber allein sein?“ Lucius zuckte mit den Schultern. „Vermutlich, weil er überfordert ist. Draco, ich bin kein Psychologe. Aber ich denke, das hängt zusammen. Warte ab und überleg dir gut ob und wie du handelst und wie du ihn mehr verletzt. Was Harry braucht, ist ein Freund und Verständnis, da werden die Weasleys ihm nicht viel helfen. Er... bräuchte Black oder Lupin... oder Severus. Wir, ich insbesondere, sind nicht die richtige Adresse. Sei einfach für ihn da, besuch ihn ein Mal die Woche und beobachte ihn. Du hast doch gesagt, er kann sich selbst keinen großen Schaden zufügen.“ Draco nickte. „Dann lass ihn, zeig ihm, dass du da bist und mehr nicht.“ „Meinst du... ein Tier würde ihm helfen? Wo Hedwig doch tot ist?“ Überrascht sah Lucius auf. Diese Freundschaft musste wahrlich tiefer sein, als er geahnt hatte. „Diese Idee ist hervorragend, “ stimmte er zu. „Ein Hund vielleicht oder eine Katze, auf jeden Fall etwas sehr Junges, um das er sich wirklich kümmern muss, weil es allein nicht überleben kann.“ „Eine kleine Katze?“, murmelte Draco zu sich selbst. „Als vorgezogenes Geburtstagsgeschenk, ich meine, er hat doch ohnehin in ein paar Monaten. Nicht, dass ich ihm dann nicht noch was schenken würde, aber die Idee gefällt mir einfach...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)