Ein Tor für die Liebe von Kittykate ================================================================================ Prolog: Abschied ---------------- Gerade noch rechtzeitig traf er am Check-In Schalter ein. Sein Herz klopfte wie wild in seiner Brust. Fast hätte er sie verpasst. Niemals könnte er es sich verzeihen, wenn er sie einfach so gehen ließ. Nein, er konnte sie nicht einfach so gehen lassen. Er wollte sie nicht einfach so gehen lassen. Dort stand sie; Seine Betreuerin, das Mädchen dass er schon so lange liebte ohne es gemerkt zu haben. Ihre braunen Haare fielen ihr locker über die Schulter. Sie wirkte so zierlich und verletzlich zwischen den vielen Menschen. Erleichtert sie zu sehen, blieb er stehen und holte erst einmal tief Luft. Die ganze Zeit über war er gerannt, bis ihn eine ältere Dame mitgenommen hatte, die ebenfalls zum Flughafen wollte. Die ganze Zeit hatte sie ihm erzählt wie glücklich sie darüber war, ihre Tochter abzuholen. Lange Zeit war diese in Europa. Er hörte gar nicht richtig hin. Hin und wieder gab er ein ‚ja’, ‚nein’ oder ‚mh’ von sich, doch seine Gedanken kreisten nur um sie. Erst als die ältere Dame kicherte, setzte sich sein Gehirn wieder in Gang. „Sie muss ein ganz besonderes Mädchen sein“, stellte die Frau am Steuer des Kleinwagens schmunzelnd fest. Mechanisch hatte er genickt. Natürlich war sie etwas Besonderes. Sein Herz klopfte wie wild in seiner Brust als er an sie dachte. Und er hatte es nie bemerkt, nie wahrgenommen wie wichtig sie ihm wirklich war. Lange hatte die Autofahrt gedauert. Seine Hoffnung schwand von Minute zu Minute. Er bekam Angst sie zu verpassen. So sehr wollte er sie noch einmal sehen. Er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als ihr noch einmal gegenüber zu stehen. Und sein Wunsch sollte sich erfüllen. Dort stand sie. Ihre Mutter und sie warteten am Check-In in der Schlange. Es würde nur noch Minuten dauern, ehe sie hinter der großen Glasfront für immer Japan verlassen wird. Seine Augen glitten zu dem weißen Stirnband in seiner rechten Hand. Plötzlich sah er auf, rannte erneut los und rief so laut er konnte ihren Namen. Viele Passagiere am Flughafen drehten sich zu ihm. Einige überrascht, andere entsetzt. Nicht nur über sein Verhalten, sondern auch über sein Outfit. Er trug sein Fußballdress. Bis vor einer Stunde hatte er noch mit seinem Team, inzwischen sogar mit seinen besten Freunden, gegen Nankatsu gespielt. Er hatte gegen seinen größten Konkurrenten gekämpft. Es war ein anstrengendes Spiel gewesen. Immer wieder hatte er sich den Ball zurückgeholt und Angriffe auf das Tor der Gegner gestartet. Sein Team unterstützte ihn tatkräftig aber es reichte nicht mehr. Er verlor. In diesem Moment wurde es ihm so klar. Als er das Stirnband wieder aufhob und die Liebeserklärung las, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte nicht nur das Spiel verloren, sondern auch einen sehr wichtigen Menschen. Für ihn sogar den wichtigsten, den es auf der Welt hatte geben können. Überrascht und verwirrt drehte sie sich zu ihm. Sie erkannte ihn und wich leicht zurück, während sich ihre Augen mit Wasser füllten. Sie wollte ihn nicht sehen. Sie wollte sich nicht von ihm verabschieden. Ihr Herz zerriss allein bei dem Gedanken Japan und ihn zu verlassen. Sie wollte nicht weg und schon gar nicht wollte sie ihm Lebewohl sagen. Bis auf ein paar Schritte trat er an sie heran. Er wollte sie in seine Arme nehmen, sie fest an sich drücken, doch für ihn war sie unerreichbar. Sie verharrte an ihrem Platz und starrte ihn ungläubig an. Er konnte die Tränen in ihren Augen sehen. In diesem Moment zersprang sein Herz. Er wollte sie nicht so sehen. Sie sollte ihn glücklich anstrahlen. Sie würde zu ihrem Vater ziehen. Ihre Familie würde wieder vereint sein. Sie sollte sich freuen und nicht weinen. Langsam regte sie sich. Vorsichtig trat sie einen Schritt auf ihn zu und dirigierte ihn zu einer Bank. „Du blutest“, stellte sie mit ihrer sanften Stimme besorgt fest und zog ein Tuch aus ihrer Tasche. Sie kniete sich hin und versorgte seine Schürfwunde. Diese Worte hatten seinen Kopf leergefegt. Unfähig sich zu bewegen oder etwas zu sagen, sah er sie einfach an. Er sah in ihr hübsches Gesicht und verspürte den Drang sie in seine Arme zu schließen. Mit vorsichtigen Bewegungen band sie ihm ihr Tuch um und blieb vor ihm in der Hocke. Immer noch unfähig etwas zu sagen verharrte er still. Ein Schluchzer ließ ihren Körper erschaudern und sie schlug ihre Hände vor ihr Gesicht. Sie schämte sich vor ihm zu weinen. Aus diesem Grund wollte sie ihm nicht Lebewohl sagen. Er hätte diese Tränen niemals sehen dürfen. Ein Kloß breitete sich in seinem Hals aus und raubte ihm die Stimme. Heißer räusperte er sich. Sie weinen zu sehen tat ihm weh. „Wieso kannst du nicht einmal auf dich aufpassen?“, schimpfte sie leise. Er räusperte sich erneut. Langsam öffnete sich sein Mund um etwas zu erwidern, doch es kam kein Ton heraus. Immer mehr Tränen stahlen sich über ihr Gesicht. Hilflos und unsicher zog er sie in seine Arme. Sie schluchzte ihm ins Trikot, doch es störte ihn nicht. Stattdessen legte er seinen Kopf auf ihren und drückte sie noch ein wenig fester an sich. Sanft strich er ihr über ihren zarten, bebenden Rücken. „Ich werde auf dich warten. Ich bin mir sicher, dass wir uns wieder sehen werden und auf diesen Tag werde ich warten.“ Es war ein Versprechen. Das wurde ihr in diesem Moment klar. Langsam ließ das Zittern nach und sie beruhigte sich wieder. Vorsichtig rührte sie sich und ihr wurde bewusst wie nah er ihr war. Auch er löste seinen Kopf von ihrem und suchte zaghaft ihre Augen. Sie hatte das Gefühl in seinen Augen versinken zu können. Unfähig sich ihm abzuwenden, fühlte sie den schnellen Herzschlag in ihrem Brustkorb und die vielen Schmetterlinge in ihrem Bauch. Eine Frau trat an die beiden heran. Skeptisch hatte sie ihre Tochter und diesen Jungen beobachtete, doch nun war es an der Zeit zu gehen. „Kleines, wir müssen gehen.“ Widerwillig löste sie den Blick und ließ sich von ihrer Mutter aufhelfen. Ein kleines Lächeln trat auf ihre Lippen ehe sie sich vor ihm verbeugte. Als sie sich wieder aufrichtete strahlte sie ihn an. Sie spielte es in diesem Moment, da sie Angst vor einem erneuten Weinkrampf hatte. Nicht vor ihm und nicht schon wieder. „Bis bald“, verabschiedete sie sich in sanftem Ton und drehte ihm den Rücken zu. Unfähig zu reagieren beobachtete er sie, sah ihren Bewegungen zu ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Erst als sie mit ihrer Mutter in den Check-In Schalter trat und hinter der großen Glasfront stand, rührte er sich. Er sprang auf, eilte auf die Glasscheibe zu und sah ihr nach. Langsam betrat sie die Rolltreppe. Ehe sie verschwand drehte sie sich nochmals zu ihm und lächelte. Traurig blickte sie zum Fenster raus. Es regnete und das schon den ganzen Tag. Als würde der Himmel mit ihr fühlen und die Tränen vergießen, die sie nicht weinen konnte. Seit Stunden hatte sie sich nicht mehr gerührt, fühlte nur die Leere in sich und der Lebensmut in ihren Augen war verschwunden. Vorwürfe plagten sie. Sie hatte ihm nichts gesagt. Ihre Gefühle blieben im Verborgenen. Nie hatte sie ihn spüren lassen, dass sie ihn sehr gerne hatte. Immer wieder fragte sie sich ob es etwas geändert hätte, wenn er die Wahrheit wüsste. Ob er geblieben wäre und ihre Gefühle sogar erwiderte. Nur das wusste sie nicht. Er war immer nett zu ihr gewesen und sie hatte ihm die kalte Schulter gezeigt. Jedes mal wenn er sie sah, hatte er ihr zu gelächelt, doch sie funkelte ihn nur böse an oder ignorierte ihn ganz. Sie wusste einfach nicht, was mit ihr los war. Sie fand keine Antwort auf ihre Fragen. Sie konnte nicht sagen warum sie sich so böse und abweisend verhalten hatte. Innerlich hasste sie sich für ihr Verhalten. Und nun hatte sie das Problem. Sie war allein. Ihre Gefühle waren taub. Sie konnte nichts mehr essen, sie konnte nicht weinen und schon gar nicht wollte sie jemanden sehen. Ihre Familie sorgte sich bereits um sie. Doch den Grund wussten sie nicht. Ihre besten Freunde hatten es mehrmals versucht sie aus dem Haus zu bekommen um sie unter Menschen zu bringen allerdings erfolglos. Wieder fühlte sie die Leere in sich. Ihre Gedanken kreisten um ihr erstes Treffen. Damals auf einem Fußballspiel ihrer Mannschaft traf sie ihn zum ersten Mal. Er hatte ihr sofort gefallen, war ihr gleich ins Auge gestochen. Doch er war der Gegner und er war die Konkurrenz. Sie durfte ihn nicht mögen. Ihre Freunde hätten es als Verrat empfunden, sie selbst wäre sich als Verräterin vorgekommen. Es erschien ihr nicht richtig. Auch wenn ihr Herz sich nach ihm sehnte, sie behielt ihren Sturkopf und wies ihn immer wieder ab. Sie war in seiner Gegenwart ein Eisberg und sie hasste sich dafür. Es war zum verrückt werden. Stöhnend ließ sie ihren Kopf gegen die Fensterscheibe sinken. Stand sie zu ihren Gefühlen fühlte sie sich als Verräterin und zeigte sie ihm die kalte Schulter fühlte sie sich schlecht. In ihrem Körper herrschte ein Kampf. Gehirn und Gefühl fochten einen Kampf miteinander aus, indem es nur einen Verlierer gab, nämlich sie. Immerhin hatte er sie nun verlassen. Er war einfach gegangen. Er hatte sich nicht verabschiedet, nur von ihren Freunden erfuhr sie, dass er abgereist war. Im Ausland wollte er einer der besten Fußballer der Welt werden. Ironisch schmunzelnd blickte sie in die Ferne. Jeder wollte der beste Fußballer der Welt werden. So viele ihrer Freunde träumten diesen Traum und jeder kämpfte hart dafür. Die meisten, die sie kannte, blieben in Japan. Sie würden auf eine spezielle Sportschule gehen um gefördert zu werden. Er hätte dorthin gehen können, dann wäre er in ihrer Nähe geblieben. Sie konnte ihn nicht verstehen. Sie wollte es nicht nachvollziehen. Sie verstand nicht warum es ihn ins Ausland zog, wo er doch auch in seiner Heimat Möglichkeiten gehabt hätte. Was wäre nur geschehen, wenn sie ihn nicht so behandelt hätte. Sie wünschte sich die Zeit zurück zu drehen. Allmählich regte sich etwas in ihr. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie konnte die Zeit nicht zurückdrehen, so sehr sie es sich auch wünschte. Die erste Träne löste sich aus ihrem Auge und kullerte ihre Wange hinab. Irritiert über diese einzelne Träne, ihre Reaktion auf ihren Wunsch, der niemals in Erfüllung gehen würde, holte sie einmal tief Luft. Allmählich ließ die Taubheit in ihrem Körper nach. Und sofort wünschte sie sich sie würde zurückkehren. Der Schmerz in ihrem Herzen war unerträglich und mehr und mehr Tränen bahnten sich ihren Weg über die zarten blassen Wangen. Sie wünschte sich ihn nicht so schlecht behandelt zu haben. Sie wünschte sich ihn noch einmal zu sehen. Sie wünschte sich an seine Seite, doch nichts geschah. Einzig und allein ihr blutendes Herz blieb ihr und der Gedanke an ihn – den Jungen, den sie über alles liebte und nie mehr wieder sehen würde. Traurig und allein saß sie auf einer Schaukel im Park und hing ihren Gedanken nach. Immer wieder fragte sie sich, warum er gehen musste. Niemand hatte ihn dazu gezwungen, doch er verließ sie für seinen Traum. Einen Traum, der vielleicht Wirklichkeit wurde. Aber war sie denn nicht die Wirklichkeit? Sie verstand nicht, weshalb er sich in Japan so unglücklich fühlte. Hier hatte er alles. Er hatte seine Freunde, das Fußballspielen und hier war sie. Doch es reichte ihm nicht. Abgesehen davon wusste er nicht einmal etwas von ihren Gefühlen. Wieder stahl sich eine Träne aus ihrem Auge und kullerte die leicht rosafarbene Wange hinab. An ihrem Kinn blieb sie eine Weile hängen, ehe sie auf den Boden hinabtropfte. Sie wusste was er fühlte und sie wusste auch was er wollte. Zu lange kannte sie ihn bereits. Sie war sich sicher, dass sie seine beste Freundin geworden war. Nur hatte sie sich mehr erhofft von ihrer Freundschaft. Sie wollte mehr als seine beste Freundin sein. Sie wollte die Freundin an seiner Seite sein. Aber er ging und ließ sie alleine zurück. Es war schon immer sein Traum gewesen in einem anderen Land Fußball zu spielen und der Beste der Welt zu werden. Sie kannte ihn einfach und er hatte die vielen Jahre über nichts anderes geredet als diesen Traum. So gut es ging und ihr möglich war, hatte sie ihm zur Seite gestanden, für ihn gesorgt und ihn unterstützt. Nie glaubte sie, dass er es wirklich schaffte und dennoch hoffte sie mit ihm. Sie war so dumm. Er war die Liebe ihres Lebens und sie ließ ihn einfach so gehen. Traurig richtete sie ihre Augen in den Himmel. An diesem Nachmittag verließ er Japan und brach in ein neues Leben auf. Langsam stand sie auf. Sie wollte ihm nicht Lebewohl sagen. Sie wollte ihm nicht zusehen, wie er sie endgültig verließ. Er sollte sie nicht zurücklassen. Hätte er sie gefragt, sie wäre sofort mitgekommen. Sie hätte Japan für ihn sofort verlassen, nur um bei ihm sein zu können. Wieder schmunzelte sie über sich und ihre eigene Dummheit. Sie hätte für einen Jungen alles aufgegeben. Langsam ging sie durch den Park. Die Tränen waren längst versiegt. Einzig und allein ihre Gedanken wüteten in ihrem Kopf und ließen sie die Zeit vergessen. Sie nahm nichts mehr um sich herum wahr, während sie durch die Stadt schlenderte. Hin und wieder rempelte sie ohne es zu merken andere Passanten an. Sie ging weiter, beherrscht von ihren Gefühlen und Gedanken. Sie wusste nicht einmal ob er die gleichen Gefühle hegte. Auch war sie sich nicht sicher, ob er wusste, welche Gefühle er in ihr hervorrief. Plötzlich hörte sie eine Stimme, die ihren Namen sagte. Verwirrt blieb sie stehen und sah sich um. Sie war in einer Wohngegend gelandet. Ungewollt in seiner. Irritiert drehte sie sich in die Richtung aus der sie mehrere Stimmen wahrnahm. Eine helle, fast hysterische Stimme drängte immer wieder zum Aufbruch. Eine tiefere, dunkle Stimme klang beruhigend, während der Besitzer der Stimme die Frau immer wieder zur Ruhe mahnte. Doch ihre Augen hielten bei einer Person und starrten diese wie gebannt an. Die braunen Augen strahlten eine Besonnenheit aus und blickten sie voller Wärme an. Dieses Gesicht kam ihr sehr bekannt vor und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie wollte ihn nicht sehen, nicht so und schon gar nicht kurz vor seiner Abreise. Sie nahm nichts mehr außer ihm wahr. Seine Eltern verstummten als sie sahen, wer ihrem Sohn gegenüber stand. Beide beschlossen schon mal ins Taxi einzusteigen, während ihr Junge sich verabschieden sollte. Möglichst ohne Beobachtung. Unsicher standen sich die beiden gegenüber, doch er rang sich ein Lächeln ab. „Ich werde dir schreiben!“ Sie nickte. Ihre Augen starrten in die seinen, ihr Herz klopfte wild und unruhig in ihrem Brustkorb. Es war als wollte es aus ihrem Körper herausspringen. „Wirst du mir auch schreiben?“ Wieder nickte sie. Seine Stimme klang so ruhig und doch schwang etwas Traurigkeit mit. Im nächsten Moment mahnte sie sich zur Ruhe. Ihre Fantasie ging wieder mit ihr durch. Er freute sich bestimmt, denn bald würde sich sein Traum erfüllen. „Ich wollte dir noch danken, für deine Unterstützung und dass du immer für mich da warst!“ Sie hörte seine Worte, verstand sie aber nicht. Ihr Gehirn arbeitete nicht so schnell wie es müsste. Plötzlich fühlte sie seine Hand an ihrer und kurz darauf einen Gegenstand in ihrer Handfläche. Erstaunt regte sie sich und senkte ihren Blick. Ihre Augen trafen eine kleine Schachtel. Sie war samtblau und mit einer weißen Schleife verziert. Überrascht starrte sie ihm ins Gesicht. Er lächelte: „Nur zu, mach es auf.“ Zögernd und mit leicht zitternden Fingern öffnete sie die kleine Schatulle. Eine silberne Kette kam zum Vorschein. Mit großen Augen starrten sie den Gegenstand an und ihr Herz klopfte noch verrückter in ihrem Körper. Er lächelte, nahm die kleine Kette aus der Schachtel und öffnete den Verschluss. Erst jetzt sah sie den rosa schimmernden Stein, der an der Kette befestigt war. Plötzlich stellte er sich hinter sie um ihr die Kette umzulegen. Als er den Verschluss befestigt hatte, fiel sie ihr um den Hals. Sanft legte sie den Stein auf ihre Handfläche und betrachtete ihn. „Das ist ein Rosenquarz“, erklärte ihr sanft und nahe an ihrem Ohr. „Ich hoffe du vergisst mich nicht“, flüsterte er. Ihr Herz raste und in ihrem Bauch kribbelte es. Plötzlich legte er seine Arme um ihren Oberkörper und drückte sie nahe an seinen. Sie spürte die Muskeln, die sich unter seinem Shirt abzeichneten. Röte stieg ihr auf die Wangen. Leicht zitternd versteifte sie sich in seinen Armen. Wieder spürte sie seinen Atem an ihrem Ohr. „Danke für alles! Auf Wiedersehen!“ Er hielt sie noch einen kurzen Moment, doch schon löste er sich von ihr und eilte zum Taxi. Ohne sich noch einmal umzudrehen stieg er ins Auto und fuhr davon. Mit großen Augen, verwirrt und unsicher, starrte sie dem davonfahrenden Wagen nach. Sie hielt es für einen Traum, doch dieser Traum war real. Immerhin hielt sie seine Kette in ihren Händen. Kapitel 1: Wiederhole nicht ihren Fehler ---------------------------------------- Ein herrlicher und sonniger Nachmittag war der Anlass für einen kleinen Umweg durch den großzügig angelegten Park. Machida Mashiko spazierte gemütlich durch die Alleen und genoss den Sommer. Eigentlich wollte sie den schnellsten Weg zum Fußballplatz ihrer Schule nehmen, aber entschied sich ohne große Bedenken dagegen. Nichts sprach gegen einen kleinen Spaziergang, zumal die Jungs auch an diesem Tag „nur“ Training hatten. Außerdem waren Nami und Maria, ihre zwei Helferinnen, vor Ort. Beide hatten vor einem Jahr als Betreuerinnen angefangen, standen den Jungs mit Rat und Tat zur Seite und wussten inzwischen welche Arbeiten zu erledigen waren. Es sollte also zu keinen Problemen kommen, wenn sie selbst mal zu spät dran war. Machida genoss die Ruhe um sich herum. Sie hörte die Vögel zwitschern, denn weit und breit war niemand zu sehen oder zu hören. Sie war allein und konnte endlich ihren Gedanken nachhängen. Vieles schwirrte ihr durch den Kopf und sie hatte bis jetzt kaum Zeit gehabt alles zu verarbeiten oder die Informationen in ihrem Gehirn zu ordnen. In den letzten zweieinhalb Jahren hatte sich vieles getan und selten kam es vor, dass sie alleine war um endlich das Chaos in ihrem Kopf zu beseitigen. Kaum zu glauben dass Yoshiko Fujisawa bereits vor zweieinhalb Jahren Japan verlassen hatte um nach Amerika zu ziehen. Eineinhalb Jahre hatte Machida die Betreuung der Furano Jungs alleine übernommen und es war keine leichte Zeit gewesen. Yoshiko hatte ein großes Loch in die Mannschaft gerissen und Mashiko war nicht in der Lage gewesen das Loch zu stopfen. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen. Natürlich war die Freundin unersetzbar in der Mannschaft. Sie alle kannten sich bereits seit der Grundschule und seitdem waren die Jungs mit den Mädchen befreundet. Fast wie eine kleine Familie schmunzelte die schwarzhaarige Japanerin. Sie rückte ihre Brille auf dem Nasenrücken zurecht, während sie an den Abschied der Freundin dachte. Sie wusste von den Gefühlen der Freundin für den Captain der Furanos. Immer wieder hatte Machida die Freundin dazu ermutigt ihm die Wahrheit zu sagen bevor sie abflog. Nur war sie zu schüchtern um ihre Gefühle zu gestehen. Es war damals auf der Jugendnationalmeisterschaft und es war das Spiel gegen Nankatsu gewesen. Vor dem Spiel der Furanos bekamen die Jungs bestickte Stirnbänder von Yoshiko, ihr Abschiedsgeschenk an ihre Freunde. Die Jungs spielten das Spiel für ihre Betreuerin, nur leider verloren sie dieses Spiel. Yoshiko wurde von ihrer Mutter abgeholt. Sie mussten zum Flughafen. Das braunhaarige Mädchen verabschiedete sich von Mashiko, allerdings hatte sie kein Wort zu den Jungs gesagt. Sie wollte ihnen nicht Lebewohl sagen, besonders nicht ihm. Die Mannschaft trat auf Mashiko zu und wollte wissen wo Yoshiko blieb. Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Jeder wusste zwar dass sie ging, aber wann es soweit war hatte keiner von ihnen gewusst. Machida hatte Hikaru Matsuyamas Reaktion beobachtet, der sie kurz entschlossen anblickte und davon rannte. Er wollte zu ihr. Dass er sie am Flughafen noch getroffen hatte, bestätigte der Kapitän der Furanos. Aber mehr erzählte er nicht. „Hey, Mashiko. Sag mal träumst du?“, riss eine tiefere Stimme das schwarzhaarige Mädchen aus ihren Gedanken. Sie drehte sich um und erkannte Oda, der neben ihr herlief. Wie lange er das schon tat, konnte sie nicht sagen. Auch wusste sie nicht wie oft er sie angesprochen hatte. „Hallo, Oda“, murmelte sie zur Begrüßung. In Gedanken sah sie immer noch den Abschied ihrer besten Freundin vor sich. „Mensch, Mashiko. Ich hab dich dreimal angesprochen, doch du warst wie weggetreten. Woran denkst du denn?“ Klang er besorgt? Machida musterte den groß gewachsenen jungen Mann, dessen dunkle Augen aufmerksam ihr Gesicht und ihre Reaktion beobachteten. Plötzlich überkam sie ein Lächeln, denn so kannte sie Oda gar nicht. „Mach dir darüber mal keine Gedanken. Aber sag mal, hast du nicht schon längst Training? Matsuyama ist bestimmt über deine Verspätung verärgert.“ Als er verlegen die Hand an seinen Hinterkopf legte und ihm keine richtige Ausrede einfallen wollte, musste sich das schwarzhaarige Mädchen das Lachen verkneifen. Sie biss sich auf die Unterlippe und wandte sich von Oda ab. Wenn sie ihn noch ein paar Sekunden länger ansehen würde müsste sie lachen. „Und was ist mit dir? Bestimmt vermissen dich Maria und Nami schon.“ Anscheinend hatte er einen Themenwechsel gefunden. Er erhoffte sich sogar ein klein wenig den Spieß umzudrehen, doch Mashiko war schlagfertig und konterte Augenzwinkernd: „Auch nur, weil die ganze Arbeit an ihnen hängen bleibt.“ Das Mädchen mit der Brille mochte ihre zwei neuen Helferinnen sehr gerne. Und das wusste auch Oda, denn ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht. „Und das würdest du niemals zulassen. Du kannst dich nicht vor der Arbeit drücken. Dein schlechtes Gewissen bereitet dir sonst Bauchschmerzen!“ Auf ihren fragenden Gesichtausdruck hatte er schon die nächste Antwort parat. „Ich kenne dich besser als du denkst!“ Und dieser Satz jagte Machida einen Schauer über den Rücken. Tatsächlich kannte er sie besser als sie dachte. Irgendwie hatte sie es nicht erwartet solche Worte von Oda zu hören. Ihre Blicke trafen sich und beide lächelten ehe sie schweigend weitergingen. Ungewollt verabschiedeten sich ihre Gedanken wieder und ihre erste Begegnung mit Maria kam ihr wieder in den Sinn. Mashiko räumte am Abend nach der Schule noch die letzten Bälle auf als ein junges Mädchen zu ihr eilte und ihr half. Das Mädchen mit der Brille betrachtete die Fremde und lächelte ihr dankbar zu. „Danke, aber was machst du noch hier?“ Das blonde Mädchen mit den schulterlangen Haaren wirkte jünger als Machida, war aber so groß wie Mashiko und sehr zierlich gebaut. Die blauen Augen strahlten, wenn sie lächelte und Grübchen erschienen auf ihren Wangen. Ihrem Akzent nach stammte sie aus Europa, obwohl sie perfekt japanisch sprach. „Ich habe etwas vergessen und dann sah ich dich hier so ganz allein. Ich bin übrigens Maria und vor ein paar Tagen erst hierher gezogen.“ Das blonde Mädchen verbeugte sich kurz vor Mashiko. „Freut mich, ich bin Mashiko und Betreuerin des FC Furano. Danke für deine Hilfe.“ „Ehrlich? Du betreust die Fußballmannschaft?“ Die blauen Augen begannen zu glänzen, als sie von der Mannschaft sprach. „Ja, das kann im Prinzip jeder machen“, antwortete Mashiko überrascht. „Möchtest du mir helfen?“ Nachdem sie den leicht irritierten Blick des jüngeren Mädchens sah, zog sie ihr Angebot sofort zurück. „Du kannst dir das ganze natürlich erst einmal ansehen, wenn du möchtest.“ Unsicher blickte Mashiko das junge Mädchen an, doch jetzt begann das hübsche Gesicht wieder zu strahlen. Die blauen Augen glänzten vor Freude und die Grübchen traten wieder auf ihre Wangen als sie überglücklich zustimmte. „Gerne. Darf ich gleich morgen anfangen?“ Mashiko lächelte das Mädchen gütig an und freute sich über ihre neue Helferin. Maria war nett und mit ihr würde sie bestimmt gut auskommen. Gemeinsam verließen sie das aufgeräumte Feld und gingen zusammen nach Hause, bis sich ihre Wege trennten. Die Mädchen freundeten sich an und halfen dem Furano Team. Machida wollte die Blondine nicht mehr missen. Den ganzen Weg über waren Oda und Mashiko hauptsächlich allein, denn ganz selten nur kam ihnen ein Spaziergänger entgegen. „Es ist schön, dass Hikaru über die Ferien hier ist und wieder mit uns zusammen spielt. Es ist nicht mehr das gleiche seitdem er auf der Tiyú ist.“ Mashiko lächelte. Sie stimmte dem Jungen zu. Der Captain hatte ein halbes Jahr nach Yoshiko Hokkaido verlassen um auf eine spezielle Sportschule in Kurihara zu gehen. Er wollte schon immer besser als Tsubasa Ohzora werden und hatte sich mit dem besten Nachwuchsspieler in Japan die Jahre über verglichen. Sein Ehrgeiz und die Möglichkeit irgendwann in anderen Ländern spielen zu können ließen ihn das Angebot annehmen. Nicht jeder hatte schließlich das Glück einem brasilianischen Trainer zu begegnen, der ihn gleich nach der Schule mitnahm um ihn privat auszubilden. Nein, dieses Glück hatte nur Tsubasa Ohzora. An diesem Wochenende veranstaltete Furano ein Freundschaftsturnier. Die Idee stammte von Matsuyama und Hyuga, die beide wieder mal gegeneinander spielen wollten. Je mehr Freunde sie gefragt hatten, desto größer wurden die Begeisterung und die Vorfreude darauf. Machida freute sich Furano wieder unter der Führung des alten Kapitäns spielen zu sehen und auch darüber alte Freunde wieder zu treffen. Immerhin spielten Musashi, Toho, Nankatsu und Furano mit. Nicht viele Vereine für ein Freundschaftsturnier aber dafür würde das drum herum mehr als angenehm werden. Sie hatten einen Grillabend geplant und auch einen Tanzabend. Ein leichtes Kribbeln in ihrem Bauch zeigte ihr, wie sehr sie sich auf dieses Wochenende freute, zumal es das letzte Wochenende mit ihren Freunden werden würde. Machida erkannte ihre Schule. Den Park hatten sie vor längerer Zeit hinter sich gelassen und sie hatte mit Oda kein weiteres Wort gewechselt. Sofort stieg ihr die Verlegenheitsröte ins Gesicht und drehte sich dem Jungen zu. Dieser schien sie die ganze Zeit beobachtet zu haben, doch kaum trafen sich ihre Augen blickte er verlegen weg. „Es tut mir leid“, flüsterte das Mädchen mit der Brille. „Ich wollte dich nicht ignorieren!“ „Ach, ist schon okay. Dich muss ja einiges bedrücken wenn du ständig in Gedanken bist. Möchtest du mir davon erzählen?“ Mashiko sah ihn unsicher an. Sie konnte mit niemanden über ihre Gedanken reden, sollte sie sich Oda anvertrauen? Sie hatte keine Vertrauensperson. Weder ihre Eltern noch Yoshiko waren für sie da. Sie musste mit ihren Gedanken allein klar kommen. „Das ist echt nett von dir, Oda, aber es ist nichts.“ Der Junge betrachtete sie ein wenig enttäuscht, nickte ihr dann aber verständnisvoll zu. Schweigend erreichten sie das Schulgelände und traten zum Fußballplatz. Matsuyama und seine Mannschaft trainierten bereits und als Oda auf das Feld trat bekam er einen Anpfiff, der sich gewaschen hatte. Auch wenn Oda einer seiner besten Freunde war, griff Hikaru Matsuyama nach wie vor durch. Seine Zeit als Captain lag zwar bereits zwei Jahre zurück, dennoch fühlte er sich verantwortlich für seine Freunde und die Mannschaft. Zu spät zum Training kommen ging noch nie! Selbst nach der langen Zeit akzeptierte er es nicht. „Es tut mir leid, Hikaru, aber ich habe Mashiko unterwegs getroffen und konnte sie nicht alleine durch den Park laufen lassen.“ Anscheinend hatte Odas Ausrede gepunktet, denn Matsuyama blickte kurz zu den drei Betreuerinnen, die ihren Tätigkeiten nachgingen. Ungewollt und unbewusst schweiften seine Gedanken zu Yoshiko, die sich seit zwei Jahren nicht mehr bei ihm gemeldet hat. Seit sie Hokkaido verlassen hatte, nahm keiner mehr seine Pflichten ernst und Unpünktlichkeit stand an der Tagesordnung. Auch durch seinen eigenen Schulwechsel brach der Ehrgeiz im Team. Sie spielten nur noch zum Spaß und nicht mehr so ernst wie früher. Viel lieber konzentrierten sich alle auf die Schule. In den Ferien besuchte er seine Freunde und spielte wieder mit ihnen ernsthaft. Sein ungebrochener Wille und sein Ehrgeiz ließen ihn manchmal vergessen, dass er nicht mehr der Captain der Furanos war. „Hey, Hikaru“, drängte sich eine Stimme in seine Gedanken. Es war die von Oda. „soll ich Strafrunden laufen?“ Mit einem frechen Grinsen und einem Augenzwinkern deutete der Junge auf den Platz. Wie in alten Zeiten, schoss es dem jungen Mann mit dem wuscheligen braunem Haar durch den Kopf. Matsuyama blickte wieder zu seinem Team, die ihn alle leicht verwirrt anblickten und diesen Moment nicht einzuordnen wussten. „Schon gut, Oda! Lasst uns lieber wieder trainieren, denn die anderen Mannschaften werden bald kommen!“ Nicht mehr ganz so bei der Sache spielten die Jungs weiter. Sie übten Schüsse auf das Tor und das Passspiel. Mashiko bemerkte das etwas vorgefallen war, denn das Team spielte unkonzentrierter. Sie hielt inne im Abwasch und beobachtete die Mannschaft. Maria wurde darauf aufmerksam. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Knoten gebunden damit es ihr nicht bei der Arbeit ins Gesicht hing. Auch ihre Augen richteten sich auf das Team. „Was ist los? Ist etwas passiert?“ „Ich weiß nicht!“, flüsterte Mashiko. Sofort sprang Nami auf. Sie war die dritte Betreuerin und ebenfalls vor einem knappen Jahr dazugekommen. Sie kniete vor der Waschmaschine, doch jetzt galt ihre Aufmerksamkeit voll und ganz der Mannschaft. „Hat sich jemand verletzt?“ Machida beobachtete das braunhaarige Mädchen in ihrem Alter. Nami war damals in Marias Nachbarschaft gezogen und kam mit ihr und Mashiko in dieselbe Jahrgangsstufe. So gingen die Mädchen morgens zur Schule und abends wieder nach Hause. Immer wieder half die Braunhaarige ihren Freundinnen auf dem Platz und wurde somit ein fester Bestandteil der Betreuerinnen. „Nein, es hat sich keiner verletzt. Sie spielen nur so unkonzentriert!“ Kaum hatte sie zu Ende gesprochen sah sie das Team auf sich zu kommen. An diesem Tag beendete die Mannschaft ihr Training früher als sonst. Für Machida war dies noch ein langer Abend gewesen. Maria musste früher nach Hause und die Jungs waren auch schon vor mehreren Stunden gegangen. Nachdem alle weg waren hatte sie auch Nami fortgeschickt. Den Rest würde sie allein schaffen. Endlich hatte sie wieder ihre Ruhe. Sie wusste einfach nicht weiter und das Chaos in ihrem Inneren hatte sich immer noch nicht beruhigt. Denn ihr größtes Problem hatte sie bis jetzt allen verschwiegen und es machte ihr mehr zu schaffen als sie es bislang angenommen hatte. Sie wollte und konnte es nicht länger verschweigen, aber wie und wem sollte sie es bloß erzählen?! Sie hatte keine Vertrauensperson mehr. Mit Yoshiko war diese gegangen. Nachdem sie die Arbeiten beendet hatte, verließ sie das Teamhaus und sperrte ab. Sie wollte sich gerade auf den Nachhauseweg begeben, als sie im Mondlicht eine Person auf dem Fußballplatz entdeckte. Neugierig trat sie näher und erkannte den ehemaligen Kapitän der Mannschaft. Mashiko trat vorsichtig an ihn heran. Immer und immer wieder schoss Matsuyama die herumliegenden Bälle ins Tor. Mit jedem Schuss wurde er aggressiver, legte mehr Kraft hinein um die Fußbälle im Zielort zu versenken. Nachdem er den letzten Ball gekickt hatte, blieb er schwer atmend stehend. Sein Blick starrte leer durch die Nacht. „Geh nach Hause, Matsuyama. Ich räum hier schon auf!“ Yoshiko, schoss es ihm durch den Kopf. Ruckartig drehte er sich in die Richtung um aus der die zärtliche Aufforderung gekommen war. Machida erschrak über seine Bewegung, doch nun konnte sie ihm ins Gesicht sehen. In ein sehr trauriges Gesicht. Was war nur mit ihm? Seit dem Training schien ihn irgendetwas zu beschäftigen. „Ich… es tut mir leid…“, stotterte er. Wie konnte er sich nur einbilden Yoshiko würde hinter ihm stehen? Sie war in Amerika und meldete sich nicht mehr. Auf keinen seiner Briefe hatte sie geantwortet. Er wusste nicht ob er etwas falsch gemacht hatte. Konnte es sogar sein, dass sie ihn vergessen hatte? Unsicherheit spiegelte sich in seinen Augen wieder. Er wusste einfach keine Antwort. Er hatte in den letzten zwei Jahren kaum an sie gedacht und heute beschäftigten sich seine Gedanken so fest mit ihr, dass er keine Konzentration mehr aufbringen konnte. Machida lächelte milde, ehe sie die herumliegenden Bälle einsammelte: „Schon gut!“ Auch Matsuyama setzte sich in Bewegung um ihr zu helfen. Eigentlich wollte Mashiko nach Hause und er war schuld, dass sie nicht gehen konnte. Er beobachtete das Mädchen mit der Brille und stellte fest, dass auch sie etwas zu bedrücken schien. „Wieso bist du heute so spät gekommen?“ Eigentlich wollte er sich vorsichtig herantasten, aber darin war er noch nie so wirklich gut gewesen. Mashiko schluckte. „Ich weiß nicht. Mir gehen so viele Dinge durch den Kopf, die ich erst verarbeiten muss. Das wirst du mir nachvollziehen können, oder?“ Sie war stolz auf sich, denn sie hatte gerade noch einmal die Kurve bekommen. Jetzt war er dran zu antworten und so wie er aussah, wusste er nicht so recht, was er sagen sollte. Hikaru Matsuyama wusste wirklich nicht was er antworten sollte. Er wollte mit keinem über seine Gedanken reden, andererseits tat es vielleicht ganz gut mit jemanden zu reden. Mashiko gab ihm die Zeit, die er brauchte. Sie sammelte weiterhin die Bälle ein. Sie ging in die Hocke um den letzten Ball aufzuheben als Matsuyama sich zu ihr hockte und sie ansah - direkt in ihre braunen Augen. „Oda hat mir erzählt, dass du viel nachdenkst. Ich weiß auch worüber.“ Mashiko starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Doch ehe sie etwas erwidern konnte, ließ er die Bombe platzen. „Du ziehst weg! Deine Eltern ziehen in den Westen Japans und du musst mit.“ Mashiko konnte ihre Augen nicht von ihm lösen. Weit aufgerissen starrten ihn ihre braunen Augen an. Sie krallte sich an den Fußball in ihrem Arm um nicht den Halt zu verlieren. Sie verstand nicht, woher er es wusste. Sie hatte es niemanden erzählt. Niemanden, nicht einmal Yoshiko hatte sie es geschrieben. Sie wollte mit ihr persönlich über diese Dinge sprechen und sie nicht auf einem Blatt Papier niederschreiben. Machida sprang auf und drehte sich von Matsuyama weg. Auch er stand wieder auf. „Wieso sagst du es niemanden? Willst du denselben Fehler machen wie Yoshiko?“ Seine Stimme klang streng und doch schwank ein wenig Traurigkeit mit. Immer noch drückte sie den Fußball an ihre Brust. Sie hielt den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen und versuchte ihr Zittern unter Kontrolle zu bringen. Woher wusste er es? Ihre Stimme klang zittrig als sie ihm die Gegenfrage stellte. „Wieso hat Yoshiko einen Fehler gemacht?“ Matsuyama ballte die Hände zur Faust. Wütend biss er sich auf die Unterlippe, ließ seinen Kopf hängen und schloss seine Augen. Er versuchte seine aufgebrachten Gefühle wieder zu kontrollieren. Die Wut und Enttäuschung über ihr plötzliches Gehen hatte er bis jetzt erfolgreich verdrängt gehabt. Es dauerte ein wenig bis er sich wieder halbwegs ruhig fühlte. „Wir hätten die Zeit anders miteinander verbringen können.“ Wir hätten über andere Themen als nur über Fußball reden können, wir hätten die Zeit sinnvoller verbringen können, wir hätten… Matsuyama verdrängte seine Gedanken, die sich wieder hervor schoben. Es war zu spät. Sie war weg, hatte den Kontakt zu ihm abgebrochen und wollte nichts mehr von ihm wissen. „Das wollte sie nicht!“ Mashiko brachte den Mut auf sich umzudrehen und ihn anzusehen. „Sie wollte nicht, dass du…“, sie schluckte, hatte sie doch ihrer besten Freundin versprochen alles für sich zu behalten, „…dass ihr euer Training sausen lasst um die Zeit mit ihr zu verbringen.“ Ihre Stimme wurde wieder fester. „Wenn ich dich daran erinnern darf, zu diesem Zeitpunkt war die Meisterschaft, die ihr gewinnen wolltet. Was hätte es gebracht wenn sie euch ihren Flug gesagt hätte? Sie hätte Unkonzentriertheit und schlechte Stimmung im Team verbreitet. Und so konntet ihr ohne schlechtes Gewissen spielen.“ Matsuyama erwiderte ihren Blick. Er musste ihr zustimmen, denn sie hatte in jedem Punkt recht gehabt. Und auch Yoshiko schien sich mit diesen Gedanken befasst zu haben. „Schreibt sie dir?“ Seine Stimme klang so unendlich traurig und gebrochen. Machida schluckte. Ihr lief ein Schauer über den Rücken als sie in die unsicheren Augen des Jungen blickte. „Manchmal“, flüsterte sie. Nicht oft, fügte sie für sich in Gedanken zu. „Du bist auch ihre beste Freundin“, stimmte Matsuyama leise zu. Mashiko wusste nicht, dass Yoshiko ihm nicht schrieb. Die Freundin hatte nie etwas in einem ihrer Briefe erwähnt. Weder dass er ihr schrieb, noch das sie ihm antwortete. Sie wusste nicht, dass die beiden Freunde in Kontakt stehen oder auch standen. Denn so geknickt wie der Captain ihr gegenüber stand dürfte kein Briefkontakt mehr bestehen. „Matsuyama“, flüsterte sie betroffen. Das war es also was ihn bedrückte - seit Oda und sie zusammen durch den Park spaziert waren und er es Hikaru erzählt hatte. Sie erinnerte sich an die alten Zeiten, wo die gesamte Mannschaft spazieren gegangen war. Und sie wusste auch, dass ihre Freundin mit Matsuyama manchmal alleine durch den Park spazierte. Natürlich hatten sie nur über Fußball geredet, doch Yoshiko hatte sich nie beschwert. Sie genoss die Zweisamkeit mit ihm, hörte ihm geduldig zu und baute ihn auf, wenn er sich schlecht fühlte. Sie war immer für ihn da gewesen. Ein Blick in sein Gesicht reichte Mashiko um zu wissen, dass er die gleichen Gedanken hatte wie sie. Nami trat auf die beiden zu. Nachdem sie Mashiko nicht telefonisch erreichen konnte, hatte sie beschlossen noch einmal zurück zu gehen. Vielleicht war die Arbeit doch zuviel für die Freundin allein. Als sie auf dem Fußballplatz trat entdeckte sie zwei Silhoutten, die sich gegenüber standen und redeten. Verwirrt und mit einem stechenden Schmerz in der Brust trat sie näher heran. „Hallo, ihr zwei“, mischte sie sich in die soeben eingekehrte Stille. Machida ließ vor Schreck den Ball los, der auf dem Boden aufschlug und in Matsuyamas Richtung rollte. Der Junge bückte sich um den Ball aufzuheben und ihn anschließend in das Sammelnetz zu legen. „Was macht ihr noch so spät hier?“ Nami wusste nicht wie sie mit den beiden umgehen sollte. Lief etwas zwischen ihnen und sie hatte nichts bemerkt? Der Schmerz in ihrem Herz stieg an. Sie kannte ihn nicht besonders gut, sie sah ihn immer nur in den Ferien, wenn er in Hokkaido zu besuch war. Und dennoch hatte sie sich in diesen Jungen verliebt. Seit sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Machida und ihn in so trauter Zweisamkeit zu sehen tat weh. „Wir haben noch aufgeräumt“, erklärte Matsuyama, da Mashiko ihn nur unschlüssig anstarrte. „Und es wäre besser wenn wir uns langsam auf den Weg machen. Ich bringe euch nach Hause.“ Schweigend brachten sie erst Nami nach Hause, ehe Matsuyama auch Mashiko sicher zu Hause ablieferte. Bevor er weiterging hielt ihn das Mädchen mit der Brille noch einmal auf. „Matsuyama.“ Er drehte sich ihr zu. „Du hast recht“, stammelte sie. Ihre Hände ballte sie zu Fäusten. „Ich werde nicht denselben Fehler wie Yoshiko machen.“ Ihre braunen Augen suchten seinen Blick. „Wir ziehen nächste Woche um. Dieses Wochenende wird mein letztes in Hokkaido sein.“ Überrascht, dass ihr Umzug schon so bald anstand trat er einen Schritt auf sie zu. „Mashiko“, murmelte er betroffen, doch sie gebot ihm Einhalt. „Ich verspreche dir zu schreiben und den Kontakt zu euch zu halten.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um, da ihr in diesem Moment die Tränen in die Augen stießen. „Gute Nacht“, brachte sie gerade so hervor, ehe der erste Schluchzer sie heimsuchte. Sie eilte zur Haustür, öffnete diese und verschwand dahinter. Irritiert über ihre Worte und ihr Verhalten ging Matsuyama allein weiter und konnte endlich mal seinen Gedanken nachhängen. Das Gespräch mit ihr tat ihm gut, auch wenn es nicht so erfreulich war. Wieder dachte er an Yoshiko und wie es ihr wohl ging. Hatte sie inzwischen einen Freund? Ob sie hin und wieder an ihre alte Heimat Hokkaido dachte? Ob sie an ihn dachte? Hikaru Matsuyama lächelte als er vor seinem Elternhaus stehen blieb, um noch einmal in die sternenklare Nacht hinaufzusehen. Seine Fragen konnte ihm nur ein einziges Mädchen auf der Welt beantworten und mit dem hatte er keinen Kontakt mehr. Er musste sich wieder auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Mit diesem Beschluss schloss er die Haustür auf und verschwand. Kapitel 2: Alte Freunde ----------------------- Eine junge hübsche Frau stand in ihrem roten Trainingsanzug am Fußballfeld und gestikulierte wütend mit ihren Händen. „Ryo Ishizaki, du bist nicht in einem Rentnerclub. Beweg deinen faulen Hintern und hol dir den Ball zurück.“ Sie pausierte kurz, doch dann tobte sie wieder. „Ryo, bist du auch noch schwerhörig? Du sollst endlich mal rennen und nicht spazieren gehen.“ Der angesprochene Junge blieb plötzlich stehen, sah zu seiner besten Freundin und fuhr sich verwirrt durch das kurze schwarze Haar. Er blickte sie ratlos an und zuckte mit seinen Schultern. „Ich weiß nicht, was du hast. Wir haben Ferien und es soll doch auch Spaß machen!“ „Willst du etwa auf dem Freundschaftsturnier verlieren?“, fauchte die Braunhaarige wieder. „Du hast es gerade selber gesagt, Sanae, ein Freundschaftsturnier“, erwiderte er gelangweilt. „Da geht es doch um nichts.“ Sanae schluckte und spürte wie Ryo sie langsam aber sicher zur Weißglut brachte. „Das ist egal. Ihr müsst jedes Spiel ernst nehmen, sonst bringt ihr es zu nie etwas“, sie unterbrach sich und schlug sich mit ihrer Hand vor den Mund. Es waren Tsubasas Worte. Genau seine Worte, die er immer dazu benutzt hatte den Ehrgeiz der Mannschaft zu stärken. Mit einem Mal fühlte sie wieder die Leere in sich und ihr Herz zog sich schmerzerfüllt zusammen. Es war als hätte es ihr jemand in diesem Moment herausgerissen. Sie verstummte und starrte ins nirgendwo. Tsubasas Gesicht erschien vor ihrem geistigen Augen. Zwei Jahre war er bereits weg. Gleich nach der Jugendnationalmeisterschaft hatte er seinen Abschluss gemacht und war mit Roberto Hongo nach Brasilien gegangen. Vor zwei Jahren hatte sie ihn verabschiedet. Sie hielten noch Briefkontakt, doch auch nicht mehr so regelmäßig wie anfangs. Einerseits lag es an ihr, da sie für die Schule sehr viel lernen musste, andererseits antwortete er ihr auch nicht mehr so schnell. Teilweise lagen schon Monate zwischen ihren Briefen und jedes Mal schrieb er, dass er viel trainierte um der beste Fußballer Brasiliens zu werden. Natürlich wollte er das. Es war schon immer sein Traum gewesen. Ryo beobachtete das Mädchen. Ihm war ebenfalls bewusst, dass sie Tsubasa rezitiert hatte. Im nächsten Moment schrillten in ihm die Alarmglocken und er hob entschuldigend seine Hände. Mit einem schiefen und breiten Grinsen konterte er lässig. „Ach, komm schon, Sanae, du weißt doch, dass ich nicht mehr der jüngste bin. Aber du hast Recht. Ich werde meinen faulen Hintern jetzt in Bewegung setzen. Denn immerhin steh ich nicht nur am Spielfeldrand und schimpfe vor mich hin.“ Sanae starrte ihren Freund an, doch im nächsten Moment jagte sie ihm hinterher. „Na, warte Ryo Ishizaki, wenn ich dich in die Finger bekomme!“ Der Junge rannte weg, dicht gefolgt von Sanae die ihre Fäuste in Luft hielt und immer wieder nach ihm schlug. Die anderen Spieler der Nankatsu Mannschaft stellten ihr Spiel ein und beobachteten belustigt die Verfolgungsjagd. Immerhin war es lange her die beiden wie früher zu erleben. Ryo hingegen war erleichtert. Er hatte es geschafft sie von den Gedanken an Tsubasa abzulenken. Mit einem strahlenden, fast glücklichen Lächeln ließ er sich jagen. Er würde alles für Sanae tun, um sie von trübsinnigen Gedanken abzubringen. Ein Mädchen begleitet von einem Jungen, der etwa einen Kopf größer war als sie, trat auf den Fußballplatz zu. Mamoru Izawa deutete auf die beiden Neuankömmlinge. „Seht mal, das ist ja Misugi!“ Auch Sanae und Ryo stellten ihre Verfolgungsjagd ein. Ryo lachte laut auf und rannte auf den Freund zu. „Misugi, schön dich zu sehen!“ Der braunhaarige Junge wurde sofort von dem Nankatsu-Team belagert, während Sanae und Yayoi sich begrüßten. Beide Mädchen setzten sich in die Wiese und unterhielten sich, nebenbei beobachteten sie die Jungs. „Wie geht’s dir, Sanae?“ Das rothaarige Mädchen hatte ihre Schulterlangen Haare zu zwei Zöpfen gebunden und ihre braunen Augen blickten besorgt in das Gesicht ihrer inzwischen guten Freundin. Sie erinnerte sich noch gut daran wie sie zum ersten Mal Sanae getroffen hatte. Es war vor drei Jahren. Yayoi hatte durch einen Zufall ihren Sandkastenfreund Tsubasa Ohzora getroffen. Erfreut ihn nach so langer Zeit wieder zu sehen, begrüßten sie sich stürmisch und tauschten sich über die Neuigkeiten aus. Yayoi teilte ihm überglücklich mit, dass sie seit seinem Umzug, die Betreuerin vom FC Musashi war. Tsubasa hingegen gefiel diese Neuigkeit nicht. Im Gegenteil sogar. Sie war seine beste Freundin gewesen und hatte immer ihn angefeuert, doch nun war sie bei der Konkurrenz und hielt zum Gegner. Etwas verhalten hörte er ihren Erzählungen zu. Später im Gespräch trat Sanae dazu. Eifersüchtig, aber auch irritiert über Yayoi ließ sie sich vorstellen. Beide waren sie nicht gerade begeistert zu erfahren, dass er beide Mädels seine besten Freundinnen nannte. Dieses erste Treffen war nicht geglückt, es tat nur seinen Zweck. Doch im Jahr darauf, zur Jugendnationalmeisterschaft, traf Yayoi Tsubasas Freundin wieder. Die beiden unterhielten sich lange und Sanae teilte Yayoi ihre Sorge um seine Verletzungen mit. Auch Yayoi erzählte dem braunhaarigen Mädchen eine ihrer größten Sorgen - Yuns Herzkrankheit. Sie sorgte sich so sehr um den Captain des FC Musashi, dass sie das Mädchen um etwas sehr wichtiges bat. Tsubasa und Nankatsu sollten das Spiel verlieren - für Yun. Sanae verstand damals die besorgte Betreuerin. Auch wenn sie es selbst nicht für richtig hielt, konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, ob sie nicht genauso handeln würde. Es lag auf der Hand wie Yayoi fühlte und Sanae fragte sich, ob Yun ebenfalls wusste, dass die hübsche Rothaarige in ihn verliebt war. Die Betreuerin der Nankatsu-Mannschaft versprach ihr möglichstes zu tun und verschwand in der Masse. Yayoi war in diesem Moment klar, dass sie sich auf Sanae verlassen konnte. Mit einem besorgten, aber dennoch glücklichen Lächeln hörte sie ihr Herz unruhig in ihrer Brust klopfen. Die Sorge um Yun Misugi brachte sie fast um. Lange würde sie das ganze nicht mehr aushalten. Ihre besorgten braunen Augen suchten Yun in der Gruppe der Nankatsu-Mannschaft. Die Jungs hatten inzwischen angefangen ein kleines Spiel zu machen. Wieder schlich sich die Sorge in ihrer Brust ein. Sie passten Yun den Ball zu, dieser startete mit seinen Mitspielern einen Angriff, doch Ryo stellte sich wagemutig in seinen Weg. „An mir kommst du nicht vorbei“, grinste Ishizaki, doch Yun spielte den Ball zu Kisugi, der ihn annahm und weiter dribbelte. Schon rannte Misugi zwinkernd an Ryo vorbei. „Wenn du meinst“, konterte er lächelnd. Sanae war nicht entgangen wie geistesabwesend Yayoi war. Sie folgte dem Blick der Freundin und beobachtete das Fußballspiel. „Wie geht es Misugi?“ Sie beobachtete das Spiel und Yun Misugi. Er hielt sich zurück, überließ den anderen das Spiel und bot sich als Mittelmann an. „Er arbeitet an seinem Aufbauprogramm. Nach seiner Operation durfte er ein Jahr nicht mehr spielen. Nun hat er die Erlaubnis immer wieder mal zu spielen. Er sollte sich aber nicht zu sehr anstrengen.“ Yayoi senkte ihre Augen in dem Moment als Yun zu den Mädchen sah. Sanae hingegen bemerkte es und lächelte sanft. „Und wie geht es euch beiden?“ Yun beobachtete die beiden Mädchen noch kurz, ehe er wieder mitspielte. Yayois Wangen färbten sich rot und verlegen knotete sie ihre Finger ineinander. Sanae ahnte, dass sie in ein Fettnäpfchen getreten war. Wieder blickte sie zu den Jungs und bemerkte wie Yun erneut zu ihnen sah. „Er mag dich, wo ist denn das Problem?“, hakte sie verwirrt nach. Yayoi spielte mit ihrem Rock und hielt ihren Blick gesenkt. „Ich weiß, dass er mich mag. Er hat es mir gesagt“, stammelte sie leise. Mit großen Augen versuchte Sanae die gesagten Worte zu verstehen. „Aber das ist doch super“, begeisterte sich die Braunhaarige, allerdings knickte Yayoi ein wenig mehr ein. „Aber ich hab…“, sie pausierte. Aufmerksam betrachtete Sanae ihre Freundin. „…ich habe nichts dazu gesagt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte“, stammelte Yayoi traurig. Ihr Herz wurde auf einmal so schwer. Sie wusste es noch ganz genau, als wäre es erst gestern gewesen. Yun hatte mit seinen Teamkameraden des FC Musashi trainiert. Die meisten waren bereits unter der Dusche, doch Misugi trainierte weiter. Yayoi, die aus der Schule heraustrat, entdeckte ihn alleine auf dem Platz. Sie wusste, dass er sich nicht überanstrengen durfte. Entsetzt über sein Verhalten rannte sie zu ihm. Sie hatte sich an seinen Arm geworfen in der Hoffnung ihn von seinem geplanten Schuss abzuhalten. In diesem Moment kämpfte sie mit den Tränen. Sie spürte wie ihr Körper zu zittern begann. Angst stieg in ihr hoch. Eine Szene von früher kam ihr in Erinnerung. Damals hatte sie in seinen Augen einen Fehler gemacht, indem sie Tsubasa und Sanae von seiner Herzkrankheit erzählt hatte. Er hatte es ihr damals nicht nur gesagt, sondern ihr auch eine Ohrfeige verpasst. Er war sauer gewesen. Er wollte ein faires Spiel das jedoch unmöglich war, da die Nankatsu-Mannschaft Rücksicht auf ihn nahm. Yayoi sah damals ihren Fehler ein, doch er wollte einfach nicht verstehen, dass sie sich nur Sorgen um ihn machte. Wieder mischte sie sich in seine Angelegenheiten. Sie wusste, dass es sie nichts anging, dennoch war es ihr wichtig. Zu tief saß sie mit drinnen. Yayoi sorgte sich sehr um ihn. Sie war damals dabei gewesen, als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Sie wachte Tag und Nacht nach seiner Operation an seinem Bett, bettelte um sein Leben und spürte einzig und allein die große Sorge um ihn. Als sie ihn wieder so hart trainieren sah, erinnerte sie sich an die schwere Zeit. Ein erneutes Mal wollte sie die Angst nicht durchstehen. Er war das Wichtigste in ihrem Leben und sie wollte ihn nicht verlieren. Ihre Handlung half. Yun stellte sich hin und brach somit den angesetzten Torschuss ab. Ängstlich und besorgt liefen ihr die Tränen über die Wange. Sie rechnete erneut mit einer Ohrfeige, doch diese blieb aus. Stattdessen zog er sie in seine Arme und legte seinen Kopf auf ihren. Ihre Tränen liefen ungehindert über ihr hübsches Gesicht. „Und was hat er dann gesagt?“, hakte Sanae neugierig nach. Sie hatte der Erzählung der Freundin aufmerksam zugehört. Flüsternd antwortete die Rothaarige: „Nicht weinen, Yayoi. Ich kann es nicht sehen wenn du weinst. Es tut mir leid, dass ich dir solche Sorgen bereite.“ Sie pausierte kurz und suchte unsicher Sanaes Augen. „Dann meinte er noch, dass er mich sehr gerne mag. Mehr als ich mir vorstellen könnte!“ „Das ist doch prima“, jubelte die Braunhaarige. Wenigstens eine von ihnen wusste nun über die Gefühle des Jungen bescheid. „Ganz toll, wirklich“, fauchte Yayoi mehr als sarkastisch. „Ich war in dieser Situation überfordert. Ich habe mich stumm von ihm gelöst und bin weggerannt. Ich konnte ihm nicht einmal in die Augen sehen.“ Sanae suchte wieder Yun. Dieser schoss soeben auf das Tor von Kitahara. „Tor!“, jubelten die Jungs und stürmten auf den Fußballprinzen zu. Die Mädchen beobachteten die fröhlichen Jungs und Misugi in ihrer Mitte. „Aber ihr seid doch heute zusammen hier?“ „Ja, am nächsten Tag tat ich so, als hätte es das Gespräch nie gegeben.“ Ihre Augen hingen an ihrer großen Liebe. Sanae hingegen verstand Yayoi nicht. Immerhin hatte sie die Gewissheit, dass er sie auch mochte. Tsubasa dachte einzig und allein nur an Fußball. Ihre Augen wanderten von einem Jungen des Teams zum nächsten. Sie kannte alle seit der Grundschule. Doch in den letzten zwei Jahren hatten sie sich selten gesehen. Taki Hajiime, Kisugi Tepei, Ryo Ishizaki, Mamoru Izawa und sie selbst, Sanae Nakazawa, hatten auf die Tiyù-Privatschule gewechselt. Es war eine Eliteschule für sehr gute Sportler in Kurihara. Die Jungs wurden direkt nach der Jugendnationalmannschaft angesprochen ob sie nicht nach dem Sommer auf die Schule wechseln wollten. Natürlich stimmten diese zu. Ryo kam nicht umhin auch Sanae zu empfehlen. Immerhin war sie eine leidenschaftliche Volleyballspielerin. Die Talentscouts wollten sich ein Spiel ansehen und Sanae bestand mit Bravour den strengen Aufnahmekriterien. „Erzähl mal, wie geht es dir? Hast du dich schon auf die Volleyballmeisterschaft vorbereitet?“ Yayoi wollte so schnell es ging einen Themenwechsel. Für sie hatte es den Tag im Grunde nicht gegeben und sie wollte nicht mehr an diesen Tag denken. „Wir sind mitten in den Vorbereitungen. Die Mädels sind ganz gut, aber unser Team ist noch nicht perfekt.“ „Wie geht es deinen Mitbewohnerinnen?“ Sanae blickte auf. „Denen geht es gut. Sie kratzen sich hin und wieder die Augen aus, wenn sie sich wieder um Jungs streiten, aber ansonsten sind sie ganz friedlich“, grinste die Brünette. Yayoi grinste ebenfalls: „Du weißt also um welche Jungs sie sich streiten? Wissen es diese Jungs auch?“ „Nein, bloß nicht, denn sonst heben einige der Herren total ab“, ihre Augen glitten zu dem Fußballfeld und blieben an ihren Klassenkameraden und besten Freunden hängen. Sie sehnte sich nach den alten Zeiten. Zeiten in denen Tsubasa noch in Japan war und mit seiner Mannschaft zusammen gespielt hatte. Ihr Herz zog sich zusammen. Sie vermisste ihn und fragte sich, wann er ihr wohl wieder schreiben würde. Sie hatte ihm bereits vor drei Wochen geschrieben, doch eine Antwort ließ noch auf sich warten. Langsam traten die Fußballer auf die Mädchen zu und setzten sich zu ihnen in die Wiese. Yun suchte die Nähe Yayois, doch diese ignorierte ihn und starrte weiterhin auf die Grünfläche. Sanae lächelte schließlich und wandte sich an Misugi. „Wir haben ein Freundschaftsturnier am Wochenende in Hokkaido. Ich nehme an der FC Musashi nimmt ebenfalls teil“, erzählte die Braunhaarige. Ihre Augen suchten die von Yun. Dieser blickte auf und lächelte. „Ja, wir haben eine Einladung erhalten. Wir freuen uns schon riesig drauf.“ „Wir auch“, stimmte Ryo zu. „Seit wir in Tiyú alle in ein und derselben Mannschaft spielen ist es richtig langweilig geworden. Matsuyama und Hyuga hatten die Idee ein kleines Turnier zu veranstalten.“ Kisugi Tepei mischte sich lachend ein. „Aber auch nur weil sie mal wieder ihre Kräfte messen müssen.“ Auch die anderen stimmten lachend mit ein. Sanae hingegen verschränkte ihre Arme vor der Brust und tadelte ihre Jungs. „Wie kommt ihr denn da drauf?“ „Liebe Managerin, bekommst du denn gar nichts mehr mit? Seit wir alle auf der Tiyú sind, geraten die beiden hin und wieder aneinander. Nur auf dem Platz können sie das nicht austragen, da sie in einer Mannschaft spielen. Aber du kennst doch Hyugas Art und er provoziert Matsuyama am laufenden Band.“ Ryo beobachtete Sanaes verwirrten Gesichtausdruck. Sie glaubte ihm nicht. „Hast du das nicht mitbekommen?“ Leicht schüttelte sie ihren Kopf. Das hatte sie wirklich nicht mitbekommen. Matsuyama und Hyuga waren in ihren Augen sehr gute Freunde. „Sie sind Freunde“, verkündete auch Izawa schmunzelnd. Sanaes ungläubiges Gesicht war zu schön. Ihr war etwas entgangen und es schien ihr nicht recht zu gefallen. „Wir kommen vom Thema ab! Wir haben uns überlegt zusammen mit dem Bus zu fahren“, teilte Hajime seine Gedanken mit. „Nankatsu und Musashi. Es macht sicherlich viel Spaß zusammen nach Hokkaido zu fahren.“ „Das ist eine gute Idee“, strahlte Misugi und blickte zu Yayoi hinab, die sich noch kein einziges Mal geäußert hatte. Er verstand sie einfach nicht. Seit er ihr gestanden hatte wie gern er sie hatte ignorierte sie ihn oder tat so als hätte es dieses Gespräch nie gegeben. Verwirrt und auch etwas schüchtern richtete er das Wort an sie. „Bist du auch dafür? Du hättest die ganze Fahrt über Zeit mit Sanae zu reden.“ Leicht verwirrt blickten die Jungs der Nankatsu-Elf auf das vermeintliche Pärchen, denn jeder hatte geglaubt die beiden wären fest zusammen. So leicht konnte man sich irren. Yayoi sah kurz auf und blickte ihm in seine braunen Augen. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Das wäre schön“, antwortete sie und wandte sich lächelnd an Sanae. „Find ich auch“, lachte diese zurück. „Dann muss ich nicht alleine mit diesem Haufen Chaoten fahren. Yukari hat damals auch die Schule gewechselt und jetzt hab ich keinen mehr, der mir hier zur Seite steht.“ „Dann hast du jetzt mich“, stimmte Yayoi zu und strahlte die Freundin an. „Also ist das abgemacht. Alles Weitere können wir dann noch besprechen.“ Mit diesen Worten stand Yun Misugi auf. Alle folgten seinem Beispiel. Nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, traten Yun und Yayoi schweigend den Heimweg an. Auch Nankatsu beendete das Training und die Jungs verschwanden unter die Dusche. Sanae räumte derweil auf und hing mit ihren Gedanken noch an dem Gespräch mit Yayoi. Es musste doch eine Möglichkeit geben Yayoi und Yun zu einer Aussprache zu bringen. Immerhin wusste Yayoi woran sie bei ihm war, sie selbst hingegen wusste nicht ob sie Tsubasa etwas bedeutete. Die unendliche Traurigkeit breitete sich wieder in ihrem Körper aus. Sie fühlte sich allein gelassen und sie vermisste ihn ganz stark. Wieder kämpfte sie mit den Tränen. Entschlossen biss sie ihre Zähne zusammen. Sie würde nicht mehr weinen. Sie hatte genug Tränen wegen ihm vergossen. Es war an der Zeit über die Trauer hinweg zu kommen und ein neues Leben zu beginnen. Sie war es leid, um ihn zu weinen. Zuallererst musste sie sich auf die Schule und auch auf die anstehenden Volleyballmeisterschaften konzentrieren. Kapitel 3: Der Aufbruch ----------------------- Hallöchen, hier ist ein neues Kapitel. Es gefällt mir persönlich nicht, aber immerhin eine Kleinigkeit für euch. Es wird leider wieder länger dauern mit dem nächsten Kapitel. Ich hoffe ihr könnt euch so lange gedulden und verfolgt diese Geschichte trotzdem weiterhin. Viel Spaß Sunshine84 Auf dem Fußballplatz trainierte die Toho-Mannschaft. Kojiro Hyuga und Takeshi Sawada spielten ihre Freunde und Kollegen aus und dribbelten auf das Tor von Ken Wakashimazu zu. Immer wieder passten sich die beiden Stürmer den Ball zu, wichen den heranrutschenden Freunden aus und näherten sich mehr und mehr dem Tor. Ken ermahnte seine Abwehr zur Vorsicht. Er kannte Hyugas Schüsse und auch Sawada war inzwischen Torgefährlicher geworden als noch vor zwei Jahren. Ken erinnerte sich noch zu gut an den Tag, als er von zwei Männern angesprochen wurde. Er und Hyuga sollten auf die Tiyú-Privatschule wechseln. Auf dieser Sporteliteschule, versprachen sie, würden sie bald zu den besten Sportlern ganz Japan gehören. Die Möglichkeit International bekannt zu werden bestand ebenfalls. Er selbst und Kojiro nahmen das Angebot an, Takeshi war noch ein Jahr zu jung dafür. Dieser folgte ihnen im Jahr darauf und so waren die drei besten Freunde wieder vereint. Auf der Tiyú hatten Matsuyama und Hyuga beschlossen ein kleines Turnier auszutragen. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Beide konnten sich immer noch nicht sonderlich gut leiden, dennoch spielten sie hervorragend in der Tiyú-Mannschaft zusammen. Sie waren ein Team und aus Rücksicht auf die anderen unterdrückten sie ihre Rivalität. Dennoch ließ es sich Hyuga nicht nehmen Matsuyama am laufenden Band zu provozieren. Ken stauchte seine Abwehr zusammen. Kojiro und Takeshi kamen dem Tor immer näher. Sie spielten die Abwehr aus und Sawada passte den Ball zu seinen Teamkollegen und dieser schoss aufs Tor. Ken hatte alle Mühe den Ball zu halten, doch er schaffte es. „Bravo, Ken!“ Ein junges Mädchen stand am Spielfeldrand und jubelte und klatschte. Ihre Schulter langen schwarzen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden und das Pony, welches ihr über die Stirn fiel, wippte fröhlich mit, während sie auf und ab sprang. „Das ist mein Bruder! Du bist Spitze, Ken!“ Irritiert über den Jubel seiner kleinen Schwester suchte Ken die Gesichter seiner Freunde. Hyuga und Sawada sahen sich ebenfalls ratlos an. Sie wussten bereits, dass Kens Schwester unberechenbar sein konnte. Immerhin kannten die Jungs sie bereits seit vielen Jahren. Lange genug waren sie auf die gleiche Schule gegangen und nach den Sommerferien würde sie nun ebenfalls die Schule ihres Bruders besuchen. „Wenn ihr weiter so macht, dann werdet ihr das Turnier gewinnen. Ich bin stolz auf euch Jungs! Ihr seid die Besten und ihr werdet immer die besten bleiben!“ Stolz wie Oskar zeigte das Mädchen das Victory Zeichen und grinste breit. Die Jungs der Toho grinsten zurück. Neben der schwarzhaarigen tauchte nun ein braunhaariges Mädchen auf. Sie trug eine grüne Kiste, in der die Getränkeflaschen der Mannschaft aufbewahrt waren. Ihre Kurzhaarfrisur glich eher der eines Jungen. Frech und wild standen ihr die braunen Haare ab und ihr Pony hing ihr ins Gesicht. Beide Mädchen trugen dunkelblaue Trainingsanzüge mit der Schulaufschrift. „Statt die Jungs zu bewundern, solltest du mir lieber helfen“, verkündete die Brünette leicht eingeschnappt. Immerhin arbeitete sie schon den ganzen Vormittag allein, da ihre beste Freundin lieber dem Training zusah. Die Schwarzhaarige hielt inne in ihrem Freudentaumel und blickte verschreckt zu ihrer Freundin. „Aber, Kohana, Kohi, nicht böse sein. Ich lob sie doch nur“, verteidigte sich Kens Schwester, nur die Freundin ließ keine Widerworte zu. „Zuviel Lob stinkt“, konterte diese bissig, während sie die Kiste in die Wiese stellte und auf die Horde Jungen blickte. Einer nach dem anderen rührte sich und trat auf die Betreuerinnen zu und nahm sich seine Flasche heraus. Viele ließen sich in die Wiese plumpsen und tranken genüsslich das erfrischende Wasser. Plötzlich begann die Schwarzhaarige zu zwinkern. „Das mag ja sein, aber du kennst doch den Spruch: Mit Zuckerbrot und Peitsche!“ Verwirrt blickte Kohana die Freundin an. Auch sie begann zu grinsen und stupste ihre Freundin an die Nase: „Na, dann ist es jetzt aber mal gut mit dem Zuckerbrot und hol endlich mal wieder die Peitsche heraus! Sieh dir doch mal die faule Bagage hier an!“ „Faule Bagage?“ Kojiro, der sich nicht hingesetzt hatte, sprang einen Schritt auf die Mädchen zu. „Ihr habt sie doch wohl nicht alle“, schimpfte er und funkelte Kohana bitterböse an. Bevor diese aber etwas erwidern konnte, ging Kens Schwester dazwischen. Sie legte beruhigend eine Hand auf seine Brust und drückte ihn sanft aber bestimmt zurück. „Kojiro, was ist denn heute nur mit dir los? Du bist total gereizt! Hast du etwa Schiss vor dem Turnier?“ Perplex blickte er auf das schwarzhaarige zierliche Mädchen hinunter. Sie war etwa eineinhalb Köpfe kleiner wie er, doch ihre Augen funkelten als könne sie es mit jedem aufnehmen. „Ich und Schiss?! Hast du heute einen Clown zum Frühstück gegessen?“ Er drehte seinen Kopf zu dem Keeper und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Egal was Yoko in der Früh isst, gib ihr das Zeug nicht mehr! Ich soll Schiss haben? Vor wem denn? Nicht einmal Ohzora und Wakabayashi können mir mehr das Wasser reichen“, ließ er überzeugt verlauten. Er sprach über sie als wäre sie nicht anwesend und seine Selbstverherrlichung ging ihr tierisch auf die Nerven. Kens Schwester ballte ihre Hand zur Faust und schlug ihm auf den muskulösen Oberarm. Erstaunt über die Kraft ihres Schlages wandte sich der Tiger wieder ihr zu und musterte sie aufmerksam. „Idiot“, fauchte sie, drehte sich um und ging zum Mannschaftshaus. Noch verwirrter als eben blickte er im Team umher. „Was hat sie denn plötzlich?“ Doch niemand konnte ihn über das Verhalten einer Frau aufklären. Kohana hingegen bemerkte spitz: „Mann redet auch nicht in Anwesenheit der Frau über sie. Ich sehe mal nach ihr“, zwinkerte sie aufmunternd zur Mannschaft und verschwand. Kojiro ließ sich eingeschnappt ins Gras fallen und knurrte nur: „Weiber!“ Kopf nickend stimmten ihm seine Freunde zu. Obwohl sie bereits jetzt schon wussten, dass die Betreuerinnen in Toho fehlen würden. Beide Mädchen würden nach den Ferien auf die Tiyú-Schule, das gefiel keinem der Jungs so recht. Yoko hingegen hatte sich zurückgezogen und schmollte. Sie fluchte innerlich über Kojiro und seine eingebildete Machotour. Sie verstand nicht warum er sich plötzlich für besser hielt als Ohzora oder Wakabayashi. Wieso klopfte ihr Herz plötzlich so schnell? Sie sah in den Himmel und betrachtete die weißen, bauschigen Wolken, die an ihr vorbeizogen. Er war schon so lange weg. Immer wieder dachte sie an ihn, fragte sich was er wohl tat und wie es ihm ging. Meistens dachte sie an ihn, wenn sie abends allein in ihrem Zimmer lag. Erst da wurde ihr schmerzlich bewusst, wie dumm sie sich ihm gegenüber verhalten hatte. Er war ein toller Junge und sie wollte es nicht sehen. Traurig lächelnd schüttelte Yoko ihren Kopf. Nein, sie hatte es gesehen, nur wollte sie es nicht wahrhaben. Sie hatte Angst vor den Reaktionen der Mannschaft. Sie stand voll und ganz hinter Toho, doch wenn sie etwas mit ihm angefangen hätte, wäre sie wie eine Verräterin da gestanden. Ihr Bruder, Hyuga und Sawada, sowie die restliche Truppe hätten es niemals gutgeheißen. Er war der erklärte offizielle Feind von Ken und Kojiro. Sie konnte sich doch nicht in den Feind verlieben. Toho hatte so viele nette Jungen, aber sie verguckte sich in ihn… Sehnsüchtig blickte sie in die Ferne und bemerkte nicht wie Kohana auf sie zutrat. „Denkst du gerade an ihn?“ Sie schluckte und blickte ihre beste Freundin an. Zaghaft nickte sie. Sie musste nicht lügen, nicht vor ihr. „Ich frage mich, was er gerade macht. Weißt du, ich würde ihn gerne noch einmal wieder sehen. Einfach mit ihm reden und ihm alles erklären.“ „Vielleicht gibt dir das Schicksal schon bald eine zweite Chance“, zwinkerte Kohana und umarmte ihre Freundin. „Warte ab. Vielleicht siehst du ihn ja bald wieder, eher als du denkst!“ Yoko nickte und neue Hoffnung flammte in ihren braunen Augen auf. Sie hoffte es so sehr ihn noch einmal zu sehen. Zu gut erinnerte sie sich noch an ihr erstes Treffen. Es war in Nankatsu. Damals spielte Toho gegen Nankatsu. Yoko selbst wollte sich etwas zu trinken holen, als sie mit jemand zusammenstieß. Natürlich plumpste sie nach diesem Zusammenprall auf den Boden und blieb sitzen. Sie rieb sich ihren schmerzenden Hintern, während der Mitverursacher des Crashs sich aufrichtete und ihr seine Hand entgegenstreckte. Er half ihr auf und zum ersten Mal traf sich ihr Blick. Seine Augen fesselten sie. Sie waren braun und strahlten so viel Wärme und Geborgenheit aus, dass ihr Herz gleich ein paar Takte schneller schlug. Unfähig etwas zu sagen, stand sie ihm gegenüber. Er murmelte etwas, doch Yoko hörte gar nicht zu. Seine Augen hielten sie wie im Bann fest und wollten sie nicht wieder freigeben. Nach ein paar Minuten des Schweigens senkte er seinen Blick, verbeugte sich kurz vor ihr und rannte weiter. In diesem Moment ahnte sie noch nicht wer er war. Kohana löste sich von ihrer Freundin als die Jungs zum Mannschaftshaus kamen. Sie waren fertig mit dem Training. Während sich das Team duschte und umzog, räumten die Freundinnen noch den Platz auf. Langsam brach die Nacht herein. Gemeinsam verließen sie ihre Schule und trennten sich wenig später. „Bis morgen“, riefen sich die Jungs gegenseitig zu und jeder ging seinen eigenen Weg nach Hause. Yoko schlief tief und fest. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein seliger Ausdruck und ihre Lippen trugen ein Lächeln. Sie träumte und allem Anschein nach war es ein wunderschöner Traum. Der jedoch abrupt und unbarmherzig von einer tiefen Stimme beendet wurde. „Yoko Wakashimazu, du kommst zu spät!“ Erschrocken über diese unsanften Worte neben ihrem Ohr, schlug sie ihre Augen auf und blickte sich verschlafen mit ihren rehbraunen Augen um. „Wo… was… häh?“ Verwirrt blickte sie in die ebenfalls braunen Augen Jungen. Es war ihr älterer Bruder. Seine wuscheligen schulterlangen schwarzen Haare hingen ihm in leicht welliger Form hinunter. „Ken?“ „Ja, natürlich bin ich da, wen hast du denn erwartet?“ Sie biss sich auf ihre Unterlippe und senkte ihren Blick. Ihr Herz klopfte wie wild in ihrer Brust und ein leichter Rotschimmer trat auf ihre Wangen. Sie erinnerte sich an ihren Traum, den sie bis soeben noch geträumt hatte. Er fand in einer Kirche statt. Sie war festlich geschmückt. Yoko konnte sich selbst in diesem Traum sehen und sie trug ein traumhaft schönes weißes Hochzeitskleid. Es war trägerlos, mit kleinen Perlen bestickt und einem weit ausfallendem Rock. Ihre schwarzen langen Haare waren zu einer Hochsteckfrisur gesteckt und ein bodenlanger Schleier fiel ihr über den Rücken und über die Schleppe. Sie schritt in Begleitung ihres Bruders zum Altar. Dort wurde sie erwartet von dem Pfarrer und einem Mann, der ihr den Rücken zugedreht hatte. Seine schwarzen Haare standen ihm wild durcheinander. Sein Anzug war schwarz und der weiße Hemdkragen blitzte hervor. Der Mann drehte sich nicht um. Auch als Yoko direkt neben ihm stand war sein Gesicht verschleiert. Sie wusste nicht wer er war, aber sie wünschte sich nur eine einzige Person in diesen Anzug. „Hey, Schwesterchen“, besorgt drang sich Kens Stimme in ihr Bewusstsein. Inzwischen hatte er sich zu ihr aufs Bett gesetzt und betrachtete sie aufmerksam. Sie war verwirrt und stand neben sich. „Hast du schlecht geschlafen?“ Yoko suchte seine Augen und warf ihm ein müdes aber aufrichtiges Lächeln zu. „Es ist alles in Ordnung. Bin nur ein bisschen müde.“ „Gut, okay“, antwortete er und stand auf. „Zieh dich an. Der Bus fährt in zwei Stunden.“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer seiner Schwester und schloss hinter sich die Tür. „Bus?“ Es dauerte einen kurzen Moment bis die Worte in ihrem Gehirn verarbeitet waren, doch plötzlich fiel es ihr wieder ein. Sie würden nach Hokkaido fahren. Im hohen Norden trafen sich die Fußballer um ein Freundschaftsturnier auszutragen. Es nahmen nicht viele Mannschaften teil, da die großen Ferien begonnen hatten, aber ein paar hatten sich bereit erklärt dieses kleine Turnier zu machen. Sie stand auf und suchte sich ihre Kleidung zusammen, ehe sie ins Bad verschwand. Nach diesen Ferien würde sich alles verändern. Yoko wusste es nur zu gut. Sie wechselte auf die Schule ihres Bruders, die er mit seinen besten Freunden Kojiro Hyuga und Takeshi Sawada seit zwei Jahren besuchte. Es war die beste private Eliteschule für Sportler in ganz Japan. Die Talentscouts haben damals den besten Fußballern, der Mittelschulen, das Angebot unterbreitet bei ihnen aufgenommen zu werden. Und keiner der Jungs wäre jemals so dumm gewesen und hätte diese Chance ungenutzt gelassen. Nun war es an Yoko auf diese Schule zu kommen. Auch sie wurde im Frühjahr entdeckt bei einem wichtigen Volleyballspiel. Die Scouts boten ihr an sie speziell zu fördern und weiterzubringen. Während sie lieber auf ihrer alten Schule geblieben wäre, hatte ihr Vater hatte das Angebot ohne zu zögern angenommen. Er wollte das Beste für seine Tochter und dazu gehörte auch eine gute sportliche Aus- und Weiterbildung. Sie beeilte sich im Badezimmer und stand keine halbe Stunde später angezogen und zur Abreise bereit mit einer kleinen Reisetasche in der Küche. Ihre Mutter hatte Essenspakete vorbereitet. Ken und Yoko packten jeder eins in ihre Reisetasche und setzten sich an den Küchentisch zum gemeinsamen Frühstück. „Ken, dass du mir ja auf deine Schwester aufpasst.“ „Eher pass ich auf ihn auf, Mami“, konterte Yoko, während sie genüsslich ihr Frühstück verzehrte. „Dass ich nicht lache“, zwinkerte Ken belustigt. „So selig wie du vorhin im Reich der Träume verweilt hast, muss ich eher auf dich aufpassen. Du kommst sonst gar nicht aus den Federn und verpasst alle Spiele.“ Yoko wurde knallrot und konzentrierte sich sehr auf ihr Frühstück. Wenn er nur wüsste, schoss es in diesem Moment durch ihren Kopf. „Ist dir nicht gut, Kind?“, mischte sich plötzlich ihre Mutter ein. Ehe sie antworten konnte übernahm Ken das Wort. „Ihr geht’s gut und es ist alles in Ordnung. Ich würde nur zu gern wissen von was sie geträumt hat.“ Süffisant beobachtete Ken seine Schwester, die noch ein wenig mehr Farbe annahm. „Eher von wem“, murmelte sie unverständlich, doch schon zog sie eine Schnute. „Das kann dir egal sein“, konterte sie keck. „Zudem hab ich Kohana, die sich bestens um mich kümmert.“ Nun begann Ken laut zu lachen. „Die ist doch viel zu sehr mit Hyuga beschäftigt.“ „Und das kann dir auch egal sein, Bruderherz“, erwiderte Yoko und widmete sich nun voll und ganz ihrem Frühstück. Sie versuchte ihr klopfendes Herz wieder unter Kontrolle zu bringen, das seit ein paar Minuten wieder fest und schnell in ihrer Brust schlug. Sie hatte das Kribbeln in ihrem Bauch und die Sehnsucht in ihrem Herzen erfolgreich im Badezimmer unterdrückt, doch eine dämliche Anspielung ihres Bruders hatte all ihre verwirrenden Gefühle wieder aufleben lassen. Plötzlich fühlte sie die Traurigkeit in ihrem Inneren. Viel darüber nachdenken konnte sie nicht, denn Ken stand auf und drängte zum Aufbruch. „Der Bus wartet nicht. Lass uns gehen.“ Die Wakashimazu Kinder verabschiedeten sich von ihrer Mutter und schnappten sich ihre Reisetaschen. Winkend verließen sie das Elternhaus und traten den Weg zu ihrer alten Schule an. Die Toho-Mannschaft stand bereits komplett versammelt auf dem Schulhof und wartete auf den Reisebus. Die Mannschaft freute sich auf das gemeinsame Wochenende, denn nur noch in den Ferien bekamen sie Hyuga, Wakashimazu und Sawada zu Gesicht. Einzig und allein Yoko war bis jetzt die Verbindung zwischen den beiden Schulen, doch das Mädchen wechselte nun auch zu der Eliteschule. Freudig wurden die Wakashimzu Geschwister empfangen als auch schon der Bus eintraf. Gemeinsam verstauten sie ihr Gepäck und bestiegen den Bus. Yoko fand ihre beste Freundin und Mitbetreuerin der Toho-Mannschaft auf einem Sitz am Fenster sitzen und setzte sich zu ihr. „Kohana, schön dich zu sehen.“ „Hey, Yoko, freust du dich schon auf das Wochenende?“ Kohana blickte ihre Freundin mit fast schwarzen Augen an. Ihre dunkelbraunen Haare hatte sie in einem Zopf geflochten, der ihr über ihre Schulter zur Brust fiel. „Total“, quietschte die Schwarzhaarige aufgeregt als der Bus sich in Bewegung setzte. „Und du?“, zwinkerte sie ihr verschwörerisch zu. Mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen wandte sich Kohana wieder dem Fenster zu. „Ich weiß nicht wovon du redest!“ Yoko kannte ihre Freundin zu gut um solche Antworten nicht ernst zu nehmen. Auch sie richtete ihren Blick zum Fenster raus. Eine lange Busfahrt stand bevor. Auch der Bus der Nankatsu-Elf war gefüllt mit der Mannschaft und dem FC Musashi. Die Busfahrt würde lange dauern, doch die Jungs hatten jede Menge Spaß zusammen. Es gab immerhin viel zu erzählen, da sich alle lange nicht mehr gesehen hatten. Zuletzt war es auf der Jugendnationalmeisterschaft und wenige hatten sich auch hinterher in der japanischen Nationalmannschaft wieder gesehen. Sanae und Yayoi saßen nebeneinander ganz vorne im Bus. Die Mädchen hatten darauf geachtet nicht in der Horde Jungs zu sitzen. Fröhlich kicherten sie und erzählten sich den letzten Tratsch. Beide freuten sich auf das Wochenende in Hokkaido. Dort würden sie auf Mashiko treffen, die Betreuerin des FC Furano. Die Mädchen kannten sich untereinander, wenn auch nur flüchtig von den Spielen. „Das wird bestimmt ein ganz tolles Wochenende“, grinste Sanae voller Vorfreude und Yayoi nickte ihr zu. „Ganz bestimmt!“ Aufgeregt verfolgten die Mädchen die vorbei fliegende Landschaft und die lange Fahrt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)