Schwarzmagier können nicht weinen von abgemeldet (Eine Wunschpunsch-FF) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Schwarzmagier können nicht weinen Inspiration: Der Wunschpunsch von Michael Ende „Vermaledeiter Katzenbastard,“ zischte Irrwitzer und betrachtete den friedlich schlafenden Maurizio in seinem Himmelbett. „Alles deine Schuld.“ Wenn der kleine dicke Kater ihn nicht so oft bei seinen Experimenten gestört hätte, dann wäre Irrwitzer längst fertig mit seinem alljährlichen Pensum an Umweltverschmutzung, neuen Krankheiten und so weiter. Diese quälende Angst um sein Leben, von seinem Seelenheil nicht zu sprechen, wäre ihm erspart geblieben. „Wenn ich sowieso verloren bin,“ murmelte er, „Will ich mir wenigstens noch das Vergnügen gönnen, dir den Hals umzudrehen.“ Maurizio schnurrte im Schlaf und ahnte nichts von der Gefahr, in der er schwebte. Er sah aus wie eine kleine, buntscheckige, atmende Fellkugel; ein schwaches, wehrloses Tier. Es wäre so einfach, ihn auszuschalten. Ungebeten meldete sich Irrwitzers Gedächtnis. Er kniff die Augen hinter seiner Brille zu und versuchte, es zu ignorieren, doch die Erinnerung stieg hoch, ob er es wollte oder nicht. () Er war fünf Jahre alt und wanderte allein durch die langen, hallenden Korridore und protzig eingerichteten Zimmer der Villa Vamperl. Die goldgerahmten Gemälde, antiken Möbel mit Samt- und Seidenpolstern und das unvermeidliche Gold und Schwarz ermüdeten das Auge beim Ansehen, genau wie seine dicke, geschminkte, kreischende Tante selbst. Die Bediensteten huschten durch das Haus wie Gespenster und sprachen kaum, nur das Nötigste. Er hatte niemanden, mit dem er spielen oder sich unterhalten konnte. Ein anderes Leben kannte er nicht. Aus Langeweile begab er sich hinaus in den Garten, um die Pflanzen und Bäume zu beobachten. Es war ein kühler, bewölkter Herbsttag, sein Lieblingswetter. Die Sonne brannte immer so auf sein Gesicht und erinnerte ihn schmerzhaft an seine Tante und ihre blendend goldenen Zähne. Der Garten war grün. Seine Lieblingsfarbe. Er streifte durch die Blumenbeete, die je nach Farbe gepflanzt waren: alle roten Blumen in einem Bet, daneben alle weißen, und so weiter. Er betrachtete die Hecken, die in Tierformen geschnitten waren. Warum ließen sie es sich gefallen, von den Gärtnern gestutzt und beschnitten zu werden? Warum können Pflanzen sich nicht wehren, wenn man ihnen etwas tut? Hinter dem großen eisernen Gittertor, dass in die Gartenmauer eingelassen war, bewegte sich etwas. Beelzebub kam langsam näher. Es war eine kleine schwarze Katze, die ihn mit großen glühenden Augen ansah. Sie war so abgemagert, dass man ihre Rippen hätte einzeln zählen können. Er hatte noch nie vorher eine Katze gesehen und staunte; trotz ihres struppigen Aussehens behielt sie eine gewisse Eleganz, genau wie die Panther und Tiger in seinen Büchern. Nur kleiner. Sie war so klein, dass er sie hochheben und mit sich tragen könnte, wenn er wollte. Dann hätte er endlich einen Spielgefährten ganz für sich allein. „Komm her,“ flüsterte er und ging in die Knie, damit sein Gesicht und das der Katze beinahe auf derselben Höhe waren. „Hab keine Angst.“ Die Katze wand sich anmutig durch die Gitterstäbe, ging ein paar Schritte auf Beelzebub zu und sah ihn durchdringend an. Ihr Schwanz zuckte. „Guten Tag,“ sagte sie in einer hellen, angenehmen Frauenstimme. „Könntest du mir vielleicht sagen, wo ich bin? Ich habe mich nämlich verlaufen.“ Beelzebub war nicht überrascht; als Zauberer war er mit der Fähigkeit geboren, die Sprache der Tiere zu verstehen. „Das hier ist die Villa Vamperl,“ erklärte er mit einer Geste nach hinten. „Wo kommst du denn her?“ „Vom Hafenviertel.“ Sie blickte beschämt auf ihre Pfoten, denn das Hafenviertel war der ärmste Teil der Stadt. Der kleine Junge nickte ernsthaft. „Möchtest du lieber hier wohnen?“ fragte er geradeheraus. „Es gibt jeden Tag frischen Fisch. Katzen mögen doch Fisch, oder?“ „Oh ja, gerne!“ Die Katze hob den Kopf; bei ihrem unergründlichen Gesicht war es schwierig zu ernennen, aber erglaubte, dass sie lächelte. „Das ist sehr freundlich von dir. Ich danke vielmals.“ Freundlich. Das Wort kannte er aus Büchern, aber er war sich nicht ganz sicher, was es bedeutete. Die Katze sprach es so aus, als sei es ein Kompliment. „Also komm,“ meinte er und stand auf. Zu seinem Erstaunen strich ihm die Katze einmal um die Beine, schnurrte spürbar und rieb ihren Kopf an seiner Hose. Sobald er jedoch das Haus betreten hatte, baute sich eine bekannte, schwalzgelb gestreifte, hornissenartige Gestalt vor ihm auf. Der schwere, süßliche Geruch ihres Parfums ließ ihm schwindelig werden. Sie lächelte. Der Katze sträubte sich das Fell. „Ach, wie nett von dir, Bubilein!“ flötete sie. „Woher wusstest du denn, dass ich dringend einen Katzenschädel brauche?“ Die Katze versuchte die Flucht, doch die Tür war geschlossen. Tyrannja zeigte mit dem Finger auf sie und ein roter Lichtstrahl fuhr aus dem schweren Rubinring, den sie trug. Dann noch einer und noch einer, bis nichts als ein rauchendes Bündel aus Fell, Muskeln und Knochen auf dem goldfarbenen Perserteppich lag. Nur der Kopf war noch hundertprozentig intakt. Die smaragdgrünen Augen waren leer wie Glasmurmeln und es schien, als seien sie mit vorwurfsvollemBlick genau auf Beelzebub gerichtet. „Wie sagt man das so schön?“ zwitscherte Tyrannja. „Wer zuerst schießt, schießt am besten.“ Dem Jungen brannte etwas im Hals, sodas er kaum atmen konnte. Seine Augen aber blieben trocken. Schwarzmagier können nicht weinen, nicht einmal ihre Kinder. () 182 Jahre später ließ der Geheime Zauberrat Beelzebub Irrwitzer seine Hände fallen und nahm einen Schritt von Maurizios Himmelbett zurück. „Es hilft mir nichts,“ rechtfertigte er sich für seine ‚Unfähigkeit und Schwäche’ wie Tyrannja es nennen würde. „Und außerdem – dazu ist immer noch Zeit.“ Mit flatterndem Schlafrock eilte er aus dem Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)