Legenden der Mitternacht von xBlackwolfx (Phönixschwinge) ================================================================================ Kapitel 1: Sonnenwende ---------------------- Legenden sehen bitterkalt Geboren aus Unsterblichkeit Als Helden sterben Hochmut erben Und der Wesen Einigkeit Vertreten auch aus Donnerglut Klangen Stimmen wohl bekannt Die Klinge führte Alsbald rührte Sich der Zorn im Land Doch den Flügel streifen Bleibt sein Wille ganz allein So getragen Ohne Klagen Können nur Legenden sein Kapitel 1 Sonnenwende Wie ein glühender Feuerball berührte die Sonne den Horizont und tunkte den Himmel in eine kräftige, rote Farbe. Alles schien sich zu wandeln und war getränkt in einen Schimmer so warm wie Gold. Selbst die Pflanzen um ihn herum übernahmen den satten Ton, als hätte die Sonne sich selbst über die ganze Welt verteilt. Eine sanfte Ruhe herrschte um die Klippen am Rande des Bitteren Waldes und vor ihm, weit am Horizont, lagen die Hochebenen, die weiten Wiesen der Azurnalben. Wenn er genauer hinsah, konnte er sogar jetzt noch hier und da das blaue Funkeln eines Schwärmerlings ausmachen, die wie kleine Motten durch die Gräser huschten. Es war kaum vorstellbar, welch friedlicher, stiller Anblick sich ihm bot. Für einen kurzen Moment spürte er die Schönheit einer Welt, die sich selbst als Feind hatte. Einen Moment der Stille für all das vergossene Blut, einen Moment der Beschaulichkeit für all die Toten, all die vergeudeten Leben. Der junge Mann an der Klippe konnte seinen Blick nicht von diesem kurzen, zerbrechlichen Augenblick nehmen, viel zu selten hatte er die Zeit dazu. In seinen Augen spiegelte sich das Gold der Sonne als trauriger Schein wieder, verriet etwas von all dem, was es schon erblickt hatte. Sanders hieß er und er war einer jener Männer, dem die Menschen lieber aus dem Weg gingen, wenn sie ihn erblickten. Hexer, Ketzer, Schwarzkünstler wurde seine Art gemeinhin geschimpft, ein Mann des Teufels und der dunklen Kräfte. Er selbst und seine Mitstreiter nannten sich schlichtweg Magier, doch ihr Ruf in den Ländern der gottesfürchtigen Menschen war nicht der beste. Jeder, der die Kunst beherrschte das Traumgeflecht zu beeinflussen, war unter Menschen eine Art Monster, selbst wenn es sich um die eigenen Nachkommen handelte. Sanders war sich bewusst, dass die Menschen es einfach nicht besser wussten, aber sie hatten einfach Angst vor dem, was anders war. Und er war genau das und auch, wenn er zugeben musste, dass sich sein Stolz um seine Kunst mit den Jahren verflüchtigt hatte, das würde er immer bleiben. Seinesgleichen erkannte man schnell, denn die Magier pflegten, vielleicht aus Trotz, vielleicht aus Provokation, einen anderen Kleidungsstil als die üblichen Gelehrten. Sanders trug ebenfalls zumeist seine Ordenstracht, zum einen weil ihm eigentlich keine andere Wahl blieb, wenn er nicht den Zorn seiner Kollegen auf sich ziehen wollte und zum anderen weil sie ihm sogar gefiel, auch wenn er es nicht offen zugeben würde. Sie bestand hauptsächlich aus einer langen, halboffenen Robe aus rotem Filz, der sich schwer an seinen Körper anlegte. Der Saum war gestickt mit einer goldenen Verzierung, die sich bei genauem Hinsehen als kleine Flammen herausstellten, die sich trotzig züngelt an seinen Kleidern hocharbeitete. Auf dem Rücken hob ein ebenfalls goldgesticker Phönix seine Flügel in die Luft, den Kopf majestätisch erhoben und mit Stolz gereckt. Der lange, flammende Schweif umschloss das Bildnis im Kreise und der zurzeit aufkommende Wind konnte sogar ein wenig bewegtes Leben in die Stickerei wehen. Ansonsten pflegte Sanders praktischer zu denken, denn er war keiner von den Bücherwürmern und Bibliothekaren, die sich vielleicht ihre extravaganten Krönchen, Ketten und sonstigen Klimperkram leisten konnten. Feste Stiefel und Handschuhe aus gegerbtem Tatzelwurmleder und zähe Beinkleider gegen die Witterung zeugten von seinem standfesten Charakter. Er wurde hier gebraucht, in der Welt der Mitternacht und nicht hinter staubigen Wälzern, zwischen rauchenden Gläsern und knisternden Zahnrädern. Vermutlich, denn so denken die meisten Menschen, stellt man sich unter einem „Magier“ einen alten, graubärtigen Mann vor, dessen Anzahl Falten nur von seinen Lebensjahren übertroffen werden. Doch solchen Vorstellungen sprach der Anblick Sanders' Hohn. Lange, blonde Haare zierten das schmale Gesicht, zu einem praktischen Zopf gebunden, damit sie ihm nicht im Weg waren. Die sonst so selbstsicheren Augen und das kecke Lächeln ließen aber schon vorneweg jeden Anschein von junger Naivität und Gutgläubigkeit verfliegen. Doch nun fühlte auch er sich von der leichten Melancholie des Augenblicks ergriffen. Der Sonnenuntergang, der alles um ihn langsam verdunkeln ließ, nachdem das satte Schimmern blutrote Lichter auf die Welt geworfen hatte, stimmten ihn ein wenig Traurig, gaben ihm auch die Zeit zum Nachdenken über all das was geschehen und noch geschehen würde. Es war wahrlich keine schöne Zeit, in die er hineingeboren wurde, trotz dem Glanz dieser einmaligen Welt. Er würde gerne die Schönheit dieser Welt für sich entdecken, sie bereisen, erkunden und erforschen. Jeden Winkel ob seiner atemberaubenden Wunder würdigen, die schöpfende Kraft hinter allem atmen, die Herrlichkeit der Natur in seiner Fülle kennen lernen. Doch all das, würde getränkt in Blut und Schatten seiner Bewohner. Sanders gab eines seiner seltenen Seufzer von sich und stützte sich auf seinen eisernen Stab, eine goldbraune Schlange mit einem Drachenkopf. Langsam entfernte er sich von der Klippe und ging einige Schritte tiefer zurück in den Dickicht des Waldes um ihn herum. Offenbar durfte er nicht allzu schnell damit rechnen, seinen Zielort zu erreichen. Die Grenzen zu den Toten Ländern lag noch eine Weile weg. Eigentlich hoffte er schnell mit seinem Auftrag fertig zu werden, denn auch ihm waren die Länder der Schwarzalben nicht geheuer. Auch wenn er nur am Randgebiet tätig war, er wollte jede Begegnung mit einem Blutschleifer oder Schlimmeren vermeiden. Dummerweise hatten sie den Kontakt zu einem der mechanischen Späher verloren, der offenbar die Lage der Länder zwischen den Grenzen überwachen sollte. Keine Art der Veränderung in den Ländern um Estérna sollte dem Magierkönig Gabaros Zutan entgehen, besonders nicht seinem gewaltigen Informationsnetz. Was blieb also für Sanders zu tun? Erneut ein überflüssiger Botengang seinerseits. Die zerstörten Überreste des Spähers finden und seinen Lazawardkern bergen, welcher das magische Gedächtnis eines jedem Golems bildete. Die Daten wurden dann sicher wieder von irgendwelchen Arkanisten in ihren Werkstätten ausgewertet, mit denen Sanders am Ende sowieso nichts zu schaffen hatte. Manchmal glaubte er, dass nur er solche Aufgaben zugeteilt bekam, weil ihn möglichst viele aus Hallándar, der Hauptstadt der Magiernation, fernhalten wollten. Solche Botengänge waren unter seiner Würde, doch eigentlich war er ganz dankbar dafür mal etwas anderes als den trockenen Steppenboden der Länder seiner Heimat zu sehen. Hier an den äußersten Randgebieten des Bitteren Waldes war das Leben ruhiger und gab selbst ihm einen kurzen Moment der Besinnung. Einige Schritte ging Sanders wieder in das Dickicht und schob es mit seinem Stab beiseite als er ein leises Knistern vernahm. Stirnrunzelnd blickte er sich um, konnte aber außer hoch aufragenden Baumstämmen und dunkelgrüner Büsche kaum etwas erkennen. Prüfend sah er sich auch noch einmal zur Klippe um, doch auch dort erwiderte nichts außer der fast versunkenen Sonne seinen Blick. Das einzige Geräusch war das Krächzen eines Vogels und das leise Echo, dass seine Flügelschläge nachahmte. Einige Momente passierte nichts, als das Sanders da stand und in die Ruhe hineinlauschte. Flammen rauschte durch seine Hände als sich der Magier mit einem weiten Sprung vom Waldrand entfernte und seinen Stab drohend wie eine Waffe in die Schatten zwischen den Stämmen richtete. „Zeig dich!“, forderte er mit fester Stimme und ließ seine Augen über die Pflanzen schweifen. Dort, irgendwo in der Dunkelheit hatte er eine flüchtige Bewegung wahrgenommen, viel zu groß, damit es sich noch um ein gewöhnliches Waldtier handeln konnte. „Komm heraus! Ich warne dich“, sagte Sanders, diesmal mit deutlich mehr Nachdruck. Doch eine Antwort bekam er nicht. Wieder blieb es einige Sekunden ruhig und der Magier schwang seinen Stab nervös zwischen mehreren Bäumen hin und her. Doch dann zuckte auch er zusammen, als sich ein tiefes Grollen aus dem Wald erhob, dunkel wie deutlich wie die Schatten selbst. Sichtlich aufgeregt stolperte Sanders einige Schritte zurück, die eiserne Schlange in seinen Händen so fest umklammert als wäre es sein einziger Halt auf der Welt. Was zur Hölle war das? Ein Tier, dass solche Laute von sich gab? Konnte es so etwas an den Randgebieten des Waldes geben? Erneut erschallte das Knurren, welches selbst die Äste erzittern ließ. Der dumpfe Schlag einer gewaltigen Tatze auf hartem Boden, das Brechen und Knacken des Geästs als sich etwas Massiges durch den Wald schob. Völlig verstört sah Sanders dabei zu, wie sich selbst die Bäume zu biegen schienen als sich die Kreatur ihm immer weiter näherte. Leidvoll knirschten das Holz unter Quallen als es aus dem Bogen gehoben wurde oder gänzlich ob der gewaltigen Kraft zersplitterte. Der Magier konnte nicht erkennen was war, aber er spürte das es definitiv näher kam. Doch das einzige, was ihm blieb, war der Weg nach vorne, denn die Klippe in seinem Rücken würde er angesichts seiner Lage wohl kaum rasch bewältigen können. Harsch wie ein Schwert zerriss ein Schrei die letzten Reste der Stille wie lästige Blätter im Wind und ließ selbst die Erde erbeben. Ohne überhaupt begreifen zu können was geschah, riss Sanders die Hände vor Gesicht. Vor ihm schien der Waldrand förmlich zu explodieren. Die Bäume barsten unter massiven Klauen und ganze Erdbrocken lösten sich, als das Wesen aus aus dem Wald hervorpreschte und sich auf den Magier stürzte. Der Schutt aus Holzsplittern und Dreckklumpen regnete auf ihn nieder, doch er versuchte dennoch den Überblick zu behandeln, was angesichts des Chaos um ihn kaum möglich war. Das donnernde Gebrüll, der Schrei von sterbendem Holz und die Angst, die sich wie ein Leichentuch um alle seine Sinne legte, betäubte seinen Verstand fast zur Gänze. Fluchend stolperte er nach vorne und schwang seinen Stab wie eine Schwert gegen seinen Gegner, den er angesichts seiner Lage nicht einmal ausmachen konnte. Doch rasch hörte er weitere Kreaturen aus dem Waldrand kommen, weitere massige Leiber, die durch das Unterholz jagten. Die Ruhe des Ortes hatte sich in eine leibhaftige Hölle aus Wirrnis und Zerstörung verwandelt und Sanders schien gefangen mitten in diesem Hexenkessel. Die wenigen Augenblicke, in der er einen freien Blick auf seine Umgebung gewährt bekam, sah er nur schwarze Tatzen, rote Augen und Schatten, die aus allen Richtungen auf ihn einstürmten. Immer mehr Bäume um ihn herum, rissen sich mit einem gewaltigen Knarren aus dem Boden und vermischten sich mit dem Getöse um ihn herum. Verwirrt versuchte sich der Magier gegen den Tumult zu wehren, als alles auf einmal über ihm zusammen zu brechen drohte. Keuchend blickte Sanders auf, schüttelte voller Zorn den Kopf und riss mit aller seiner Kraft seinen Stab herum und schleuderte ihn wie ein Speer gegen den sein Ziel. „Fauler Zauber!“, schrie der aus Leibes Kräften und endete damit das Chaos augenblicklich. Der Zauber verging und als wäre nichts passiert herrschte wieder Ruhe über den Klippen. Sanders keuchte etwas, doch hielt seinen Stab immer noch fest und entschlossen in den Händen, wenn auch leicht zitternd, ob der Geschehnisse. „Einen Magier kann man nicht so leicht täuschen“, stellte er fest und blickte langsam zum Ende seines Stabs, „Nicht einmal durch billige Tricks wie Traummagie.“ Der Drachenkopf war gegen einen recht zierlichen Körper gepresst und nagelte Sanders' Gegenüber fest an einen Baumstamm, sodass er sicher nicht noch mal im Stande wäre, ihm eine erneute Illusion vorzugaukeln. „Du wirst besser, Sanders. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen“, antwortete eine freche Frauenstimme zu seiner Überraschung. „Nevi?“, fragte er etwas ungläubig und besah sich die Person, die er durch seinen Stab an den Baumstamm gepresst hatte erneut. Vor ihm stand eine junge Frau, nicht älter als er selbst. Ihre Haut hatte einen hellen sandfarbenen Ton, ihre Haare dagegen waren schwarz und ein wenig strähnig, genau wie er es in Erinnerung hatte. Ihr Gesicht mochte auf den Betrachter hübsch wirken, da ihre Züge durchaus etwas Edles, Feines an sich hatten. Dieser Anblick wurde jedoch durch ihr keckes Lächeln gestört, welches eine Reihe silberglänzender Reißzähne entblößte. Auch die zwei dunklen, ledernen Schwingen, die ihr aus dem Rücken schossen, passten nicht ganz zum Bild einer jungen Maid. Gekleidet war sie ausnahmslos in eine schwarze, unauffällige Stoffgewandung mit leichten Schuhen und einem Gürtel, an dem diverse Taschen befestigt waren. Sie hob ihre Hand und legte es auf den Drachenkopf, der ihr immer noch von Sanders an den Hals gedrückt wurde und sie zwang sich an das Holz des Baumes zu lehnen. Ihre langen Krallen an ihren Händen glänzten ebenfalls wie reines Silber. „Du konntest meine Tricks nicht immer so einfach durchschauen“, sagte sie sachte und senkte mit Nachdruck Sanders' Stab von ihrem Hals. Der Magier selbst ließ seine Waffe schließlich ganz sinken und betrachtete das Mädchen sorgfältig. „Es ist eine Weile her, das stimmt. Die Nachtgiger meiden den Kontakt mit mir doch seit einer Weile.“ „Warum sollten wir uns auch mit jemanden zusammenschließen, der dem Erzmagier Gabaros Zutan persönlich dient?“ „Du weißt, dass ich mehr als einem Herren diene“ , stellte der Zauberer fest und bekam als Antwort zunächst nur das helle Lachen der Nachtgiger zu hören. Langsam lehnte sie sich vor und kam einen Schritt auf ihn zu. Ihr Geruch erinnerte ihn irgendwie an eine Wasserpflanze bei Nacht. Kalt, aber eindringlich. Genau wie ihr ganzes Wesen, ihre ganze Art. Vermutlich lag das einfach in der Natur der Dinge. Die Nachtgiger waren allgemein recht lichtscheue Wesen, die in gewisser Art und Weise sich auch dem Lauf der Dunkelheit anpassten. Und wahrlich, Sanders konnte sich kaum etwas anderes vorstellen, was besser zur kalten und ruhigen Beschaulichkeit der Nacht passend mochte als Nevi. „Du hast dich ein wenig verändert. Diese Kleidung... steht dir“, sagte sie und lachte leise. Ihre dunkelblauen Augen musterten den gesamten Körper des Magiers, auf geradezu unzügliche Weise. Immer wenn sie ihn auf diese Art ansah, kam sich Sanders plötzlich nackt vor und er musste etwas verlegen hüsteln. „Danke“, sagte er und stützte sich wieder auf seinen Stab, „Ich nehme an, du bist nicht hierher gekommen, um mir das zu sagen.“ „Warum nicht? Für mich würde das als Grund völlig ausreichen“, meinte sie genüsslich und lehnte sich leicht an Sanders' Brust, bevor dieser überhaupt wusste, was geschah. Viel sagend blickte sie ihn an und trommelte mit ihren Fingern an seiner Schulter. Das entlockte dem Magier sogar ein leichtes Schmunzeln. „Weißt du was? Das würde ich dir sogar zutrauen“, sagte er, legte den Kopf schief und betrachtete das dunkle Mädchen, die ihm erneut ein freches Lächeln schenkte. „Und warum bist du nun wirklich hier?“, fragte er erneut nach. Ihr Lächeln erstarb augenblicklich. „Du ruinierst die ganze Stimmung, Sanders. Du hast keinen Sinn für Romantik. Nur wir zwei, an den Klippen und den Sonnenuntergang im Hintergrund. Kommen dir da nicht auch warme Gedanken?“, flüsterte sie schnurrend. „Mir fehlt es schwer romantische Gefühle zu entwickeln, wenn die Frau in meinen Armen zwei Flügel wie eine Fledermaus auf dem Rücken trägt. Das stört ein wenig das Ambiente“, erwiderte Sanders lachend. Nevi dagegen schlug dem Magier missmutig auf die Brust, ging einige Schritte von ihm weg und verschränkte eingeschnappt die Arme. „Manchmal bist du echt ein Trottel. Typisch Mann!“, fauchte sie böse. „Du hast dich wirklich kein bisschen geändert“, lachte Sanders und schüttelte amüsiert den Kopf. Die Nachtgiger dagegen streckte nur ihre lange Zunge raus und fauchte anschließend. „Du sollst Nathaniel einen Gefallen tun“, sagte sie dann schließlich und wandte sich leicht schmunzelnd von Sanders ab, als dieser hellhörig wurde. „Von Nathaniel? Was will er? Hat er endlich das Dämonenkind gefunden?“, fragte er aufgeregt und kam Nevi einige Schritte näher, doch sie wandte im weiter den Rücken zu und gab ein leichtes Schulterzucken von sich. „Woher soll ich das wissen? Ich bin doch nur eine Botin?“, sagte sie genussvoll und ein entblößte ihre silbernen Zähne mit einem breiten Grinsen. Der Magier dagegen rollte genervt mit den Augen. „Unter allen Geschöpfen der Nacht bist du mit Abstand das gerissenste“, murrte er. „Komplimente bringen dich nicht weiter, kleiner Zauberer“, lachte sie als sie sich ihm wieder zuwandte und ihn erneut wie ein Raubtier musterte. „Was willst du?“ „Wie wäre es mit einem Kuss?“ „Soll Nathaniel davon erfahren?“ Die Nachtgiger fauchte erneut und verzog missmutig das Gesicht. „Du bist ein Stein, Sanders. Ein Stein, hörst du?“ „Na also. Steine küsst man nicht“, stellte der Magier daraufhin amüsiert fest. Nevi gab ein gereiztes Seufzen von sich, schüttelte den Kopf und blickte Sanders ernst an. „Er möchte, dass du dich in Hallándar aufhältst und ihn als auch Waktu vertrittst. Die beiden können sich nicht allzu bald bei ihren Gilden melden, es wäre also besser, wenn wenigstens einer von euch am Hofe bleibt, um nicht zuviel Verdacht zu erregen“, erklärte sie ihm. „Also doch! Er führt etwas im Schilde. Nathaniel hat mich noch nicht einmal unterrichtet was er vorhat“, stellte Sanders fest und wandte sich der Klippe zu. „Ich denke, es musste alles sehr schnell gehen, mehr kann ich dir aber auch nicht sagen“, gab die Nachtgiger zu und blickte ihm hinterher. „Ich hoffe er weiß, was er da macht. Das Land erkrankt, Nevi. Es richtet sich selbst. Es ist etwas Schweres in der Luft, etwas Krankes. Irgendetwas wird passieren. Bald“, flüsterte der Magier und schüttelte den Kopf zerknirscht. Das dunkle Mädchen schwieg einen Moment und starrte in den Abgrund vor ihnen. „Ich weiß was du meinst. Der Narrenkönig deutete so etwas an. Auch wir Nachtgiger spüren es. Es fühlt sich... so alt an.“ Der Magier nickte. „Hör zu, besser ich mach mich sofort auf den Weg. Je eher desto besser. So wie ich Nathaniel kenne, ist er ohnehin schon auf eigene Faust losgegangen“, beschloss er dann hastig und wirbelte eilig herum. Von dem plötzlichen Tatendrang überrascht, spannte die Nachtgiger ihre Flügel und flatterte einige Meter in die Höhe. „In Ordnung. Ich werde zurückfliegen und auf ihn Acht geben. Aber passe auch auf dich auf, Sanders“, flüsterte sie leise. „Du kennst mich. So schnell passiert Sanders dem Flammenleser nichts“, lachte Sanders und schenkte dem Mädchen ein selbstsicheres Lächeln. Diese musste auch leise lachen und schüttelte amüsiert den Kopf. „Bleib wie du bist, kleiner Magier. Ich will dich immerhin am Stück wiedersehen“, flüsterte sie leise und hob sich etwas höher in die Lüfte. Der Magier dagegen winkte ihr mit einer kurzen Handbewegung und wandte sich um. „Bevor ich es vergesse, Sanders... Fang!“, hörte er plötzlich ihre Stimme und konnte sich gerade noch rechtzeitig umdrehen, um einen kleinen Gegenstand zu fangen, der ihm beinahe ins Gesicht geflogen wäre. Verwundert blickte er auf seine Hände und musterte sein Geschenk überrascht. Zwischen seinen Fingern hielt er einen kleinen, blauen Stein in der Größe von vielleicht zwei Walnüssen und geformt wie ein Hühnerei. Das Licht, das ihn traf, spiegelte sich wie ein Fächer wieder und ließ das rotbraune Leder seiner Handschuhe bläulich schimmern wie ein kleines Farbenspiel aus allen erdenklichen Tönen des Ozeans. „Der Lazawardkern“, stellte Sanders fest und blickte die Nachtgiger aus großen Augen an. „Du musst doch deinen Auftrag hier erledigen, nicht wahr? Sagen wir, ich hab was bei dir gut“, kicherte Nevi und schwang in der Luft einen kleinen Bogen, ehe sie wieder elegant vor ihm auf den Füßen landete. Doch der Magier runzelte nur die Stirn wie ein alter ungläubiger Mann. „Woher wusstest du überhaupt, dass ich...“, fing er an, doch das dunkle Mädchen unterbrach ihn rasch, indem sie ihm einen Finger auf die Lippen legte. Ihre Haut war kalt wie Eisen und ließ dem Magier unwillkürlich einen Schauer über den Rücken jagen. „Frag nicht soviel. Du weißt doch: Wir Nachtgiger sind euch Menschlein immer zwei Schritte voraus“, schnurrte sie dann geheimnisvoll und zwinkerte ihm zu. Damit näherte sie sich ihm noch ein Stück und küsste Sanders kurz auf die Lippen. Der Magier ließ sie sogar gewähren und betrachtete sie danach einen Moment lang mit einem leichten Lächeln. „Dann sind wir wohl quitt“, stellte er sodann sachlich fest. „Bitte? Quitt? Du kleines, mieses Menschlein. Tu nicht so, als hättest du mir einen Gefallen getan“, fauchte sie sofort. Der Feuermagier lachte jedoch laut und wandte sich zum Gehen um. „Pass auf dich auf, Nevi. Möge die Mitternacht über dir leuchten. Wir werden uns wieder sehen, das verspreche ich“, sagte er leise und blickte sie traurig über die Schulter an. Zwar hatte die Nachtgiger zum Zeichen ihrer Wut die Arme verschränkt, doch angesichts der stillen Worte, schmolz ihr Zorn so weich dahin wie Eis auf ihrer Haut. Sie schluckte tief und seufzte. „Blut liegt in der Luft, Sanders. Vergieße dein eigenes nicht sinnlos.“ „Mein Leben wird nicht zählen, wenn die Zeit gekommen ist. Ich werde alles tun, um den Tod dieser Welt zu verhindern. Egal, was es mich kostet“, sagte der Magier tonlos. Mit stiller Trauer blickte Nevi zum Abgrund. „Auf Wiedersehen, Sanders“, flüsterte sie. Doch ob er sie noch hörte, wusste sie nicht. Der Magier hatte sich bereits auf den Weg gemacht und ging langsam durch das Unterholz des Bitteren Waldes. Das Mädchen selbst starrte noch eine Weile auf die Sonne, bis die Nacht die letzten Lichtstrahlen unter ihre schwarzen Decke schloss. Die Nacht hatte gerade erst angefangen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)