Schwan und Wolf von --Tina-- ================================================================================ Kapitel 5: Leben oder Tod? -------------------------- Es roch nach Wölfen oder besser gesagt Werwölfen! Unwillkürlich knurrte ich auf. Diesen Geruch kannte ich und meine Hand wanderte zu der erst vor ein paar Stunden verheilten Narbe an meiner Seite. Jack und sein Rudel! Verdammt noch mal, was machten die hier? Die Angst vor dem Rudel und dem was mir noch vor zwei Tagen passiert war, kam wieder hoch und mir gelang es nur sehr schwer, die Panik einzudämmen. Waren sie auf der Suche nach mir oder hatten sie von einem Haus voller Vampire gehört und wollten Unruhe und Tod bringen? Die Typen verstanden etwas vom Kämpfen und egal wieso sie dort bei dem Anwesen waren, sie würden Sina nicht unbeschadet lassen und die Kleine hatte alleine keine Chance gegen fünf ausgewachsene Werwölfe. Sie würde ihnen bestimmt sogar noch ein Glas Wasser anbieten, dieses naive, kleine Geschöpf. Ich schüttelte den Kopf. Was ging mich das an? Doch nur der Gedanke daran, dass Jack an sein Lederband ein Andenken an dem Mord an Sina knüpfen konnte, brachte mich schier um den Verstand. Wenn ich der Grund war, wieso das Rudel auf das Anwesen stoßen konnte, so war es auch meine Pflicht dem Vampirmädchen zu helfen. Ich hatte mich schon längst entschieden, also weswegen zögerte ich noch? Was machte ich mir eigentlich Gedanken? Ich hätte schon vor zwei Tagen sterben sollen und dieser Aufschub war mehr, als ich hätte erwarten dürfen. Und wenn Jack mit seinem Rudel meine Witterung aufnahm, dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass sie mich verfolgen würden. Welcher Wolf ließ sich schon eine gute Jagd entgehen? Ich könnte wegrennen, mich verstecken und falsche Fährten legen, doch wer sagte mir, dass mich das Rudel nicht doch finden würde? Dieser Jack würde nicht aufhören nach mir zu suchen. Ich kannte diese Art von Männern, wenn sie sich in etwas verbissen hatte, konnte sie nichts aufhalten. Jetzt hätte ich den Vorteil der Überraschung auf meiner Seite. Wer außer mir war schon verrückt genug, einem Kampf mit potentiell tödlichem Ausgang entgegen zu laufen? Und die kleine Vampirin war sicherlich auch nicht so wehrlos, wie sie aussah. Vielleicht hatten wir zu zweit sogar so etwas wie eine Chance. Ich ließ den Rucksack von meinen Schultern gleiten und machte mich wieder auf den Weg – diesmal schneller und mit einem klaren Ziel vor Augen. Ich mochte sie. Ich mochte das kleine, nervige Vampirmädchen, was mir mit ihren andauernden Stimmungsschwankungen auf den Zwirn ging und beharrlich versuchte mir irgendwelche Informationen zu entlocken. Nicht dass ich irgendwelche romantischen Ambitionen auf die Vampirin hatte, auch wenn sie eine recht hübsche Figur vorweisen konnte, dafür waren wir einfach viel zu unterschiedlich. Aber trotzdem wollte ich nicht, dass ihr etwas passierte. Diese Erkenntnis traf mich so unerwartet, dass ich beinahe über meine eigenen Füße gestolpert wäre. Doch schnell fing ich mich wieder und beschleunigte meine Schritte sogar noch. Diesen Jack würde ich in der Luft zerreißen! Ein dunkles Grollen erklang aus meiner Kehle und ich rannte so schnell mich meine Füße trugen. Erst am Waldrand wurde ich langsamer und hielt schließlich an. Für die Strecke hatte ich vielleicht eine Minute gebraucht und nun stand ich mit erhobener Nase da und versuchte meine Feinde zu orten. Sie waren ganz in der Nähe. Leise bewegte ich mich am Waldrand entlang, nutzte den Halbschatten der Bäume, auch wenn ich nicht gerade geübte im Anpirschen war, ging ich doch sonst direkt an solche Sachen heran. Tatsächlich sah ich die Haustür speerangelweit offen stehen und ich bezweifelte, dass Sina die Tür unverschlossen gelassen hatte, da sie die Haustür sogar ins Schloss zog, als wir nur kurz in den Garten gegangen waren. Einen Moment zögerte ich. Wollte ich mein Leben wirklich für einen Vampir gefährden? Ich hatte immer noch die kleine Chance, dass Jack mich nicht weiter verfolgen würde oder ich ihn und sein Rudel in der nächsten Stadt abhängen konnte. Doch was machte ich mir vor? Ich würde hier nicht weggehen, ich konnte einfach nicht. Sina hatte mir ein zweites Leben geschenkt und ich stand damit in ihrer Schuld. Ich versuchte die kleine Stimme in meinem Kopf zu verdrängen, die mir aufdringlich versuchte zu sagen, dass ich dem kleinen Vampirmädchen auch so beigestanden hätte. Ich mochte die Kleine und in einem anderen Leben, unter anderen Umständen, wären wir vielleicht Freunde geworden. Einmal tief durchatmend straffte ich meine Schultern und ging leise und vorsichtig auf die offene Haustür zu. Ich versuchte auf jedes kleine Geräusch zu hören und es zu riechen, wenn jemand in meiner Nähe war, doch zumindest meine Nase wurde so von Reizen überflutet, dass sie mir im Moment nicht wirklich helfen konnte. Mein Gehör hingegen half mir schon eher. Ich hörte mehrer Personen in dem Wohnzimmer atmen und herumlaufen. Das drohende Knurren von den Werwölfen und das ängstliche Fauchen von Sina ließen eine Gänsehaut auf meinen Unterarmen entstehen. Ich schlich weiter durch den Flur und spähte durch die halboffen stehende Tür zum Wohnzimmer. Das Vampirmädchen stand ängstlich an die Wand gepresst und ich sah ihren zierlichen Körper zittern, doch immerhin schien sie noch unverletzt. Sie musste wissen, dass sie gegen fünf Werwölfe keine Aussicht auf einen Sieg hatte. Unsere Rasse war schwer zu besiegen, denn selbst mit Verletzungen kämpften wir weiter, wenn das Adrenalin durch unsere Blutbahnen pulsierte. Jacks Rudel stand im Halbkreis um Sina herum und machten dasselbe Spiel mit ihr, wie sie auch vorgestern Nacht mit mir gespielt hatten. Gerade als ich die Tür zum Wohnzimmer erreicht hatte, ließ einer der Werwölfe, ein großer Kerl mit ungepflegtem Aussehen, Sina etwas Platz. Doch als sie durch die Lücke zwischen der Wand und dem Mann durchrennen wollte, trat er ihr wieder in den Weg und schubste sie brutal gegen die Wand. Ich meinte zu hören, wie das Vampirmädchen schmerzhaft die Luft aus der Lunge gedrückt wurde, doch eigentlich konnte ich das gar nicht über das hämische Gelächter der fünf Werwölfe hören. Mein ganzer Körper zitterte vor Wut und nur mit äußerster Kraft gelang es mir, ein Knurren zu unterdrücken. Diese verdammten Arschlöcher, wie konnte man bei so etwas nur Freude empfinden? Eine Rauferei, irgendwelche Machospielchen oder meinetwegen auch in der Wolfsform Hasen und Rehe hetzen, das gehörte fast zu unserer Rasse dazu. Doch so etwas? Das war einfach nur krank! Noch hatten sie mich nicht entdeckt. Sie waren zu sicher, hatten bestimmt das Haus auf andere Personen untersucht und fühlten sich in der Überzahl und dem Vampirmädchen völlig überlegen. Doch vor allem waren sie zu sehr auf Sina, ihr Opfer, fixiert. Sie hätten es noch nicht einmal mitbekommen, wenn eine ganze Footballmannschaft auf dem Couchtisch Hula getanzt hätte. Sie waren abgelenkt und genau das würde ich nutzen. Ich hatte mich auch schon ein Opfer ausgesucht für meinen ersten Angriff. Er stand mit dem Rücken genau zu mir und würde somit eher von den anderen gewarnt werden, als mich selbst zu bemerken. Die Statur oder Körperkraft war in diesem Fall kein Auswahlkriterium, da das ganze Rudel anscheinend aus einem zusammen gewürfelten Haufen aus Schlägern bestand und was meinen Hass auf die Männer anging – ich würde jeden einzelnen gerne in die Hölle schicken. Diese Beobachtungen und Gedanken gingen mir innerhalb weniger Augenblicke durch den Kopf. Wirklich erstaunlich, wie schnell das Gehirn in Stresssituationen arbeitet. Vorsichtig öffnete ich die Tür, die ganz leise quietschte. Doch zum Glück ging das Geräusch in dem immer noch gehässigen Gelächter unter und ich schlich auf mein Opfer zu, versuchte dabei aber alle Gegner im Auge zu behalten. Ich hatte den Mann fast erreicht, da sah mich der ihm gegenüber stehende Werwolf. Ich ließ ihm keine Chance mein Opfer auf mich aufmerksam zu machen, sondern sprang schnell nach vorne. Was jetzt kam tat ich nicht gerne, aber es war notwendig. Sie wollten mich töten, ich wehrte mich – ganz einfach. Bevor der Werwolf vor mir reagieren konnte, umfasste ich seine Schultern von hinten mit dem einen Arm, während ich die andere Hand an seinen Kopf legte. Mit einem schnellen Ruck zog ich die eine Hand zurück und ein Ekel erregendes Knacken ertönte. Ich musste ein Würgen unterdrücken, als ich den Werwolf losließ und er mit gebrochenem Genick zu Boden sank. Doch um die Toten konnte ich mir später Gedanken machen, jetzt war erstmal wichtig, selbst am Leben zu bleiben. Nur mit einem beherzten Sprung nach hinten gelang es mir, einem Schlag des Werwolfs zu entgehen, der neben meinem Opfer gestanden hatte. Schnell brachte ich noch ein paar Schritte zwischen mich und Jacks Rudel, noch einmal würde ich mich nicht von allen Seiten umkreisen lassen. Ich lernte aus meinen Fehlern. Ich wagte einen kurzen Blick in Richtung Sina. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, doch ihre Augen schienen förmlich zu leuchten. Es lag soviel Erleichterung darin, soviel Dankbarkeit, dass ich mir sicher war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben – egal wie dieser Kampf auch ausging. Wieso hatte diese kleine Vampirin so viel Vertrauen in mich? Doch schnell wurde ich in die Wirklichkeit zurückgeholt, jetzt war nicht die Zeit sich über so etwas Gedanken zu machen. Vielleicht hatte ich dazu noch später Zeit. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so versessen aufs Sterben bist.“, meinte Jack mit einem leicht irren Lachen. Ihm schien es nichts auszumachen, dass ich gerade einen Wolf seines Rudels getötet hatte, denn er stand zwar wachsam, aber immer noch ziemlich entspannt mitten im Raum. Ein wenig beneidete ich ihn um seine Ruhe, denn mein Herz schlug mir bis zum Hals. Zwei gegen vier war immer noch nicht gerade ausgewogen und ich wusste noch nicht einmal, ob oder wie gut Sina sich verteidigen konnte. Ich machte mir erst gar nicht die Mühe auf diese Worte zu reagieren, sondern stellte mich leicht breitbeinig in eine Art Verteidigungsstellung und fixierte meine Gegner. Wenn ich hier heile aus der Angelegenheit herauskam, sollte ich mir vielleicht jemanden suchen, der mir einen richtigen Kampfstil beibrachte. Für Kneipenschlägereien reichte mein Wissen aus, vor allem wenn ich es nur mit Menschen zu tun hatte, doch jetzt könnte ich ein paar Kniffe und Tricks gebrauchen. „Noch habt ihr Zeit abzuhauen.“, grollte ich düster und bewegte mich von der Tür weg, hin zu den Fenstern. Nicht nur, dass so die anderen Werwölfe genau zwischen Sina und mir standen, Jack und sein Rudel mussten auch noch ins Gegenlicht schauen, wenn sie zu mir herüber sahen. Ich erinnerte mich noch daran, dass ich von dem Vampirmädchen nur die Silhouette hatte erkennen können, als sie aus dem Fenster gesehen hatte. War das wirklich erst eine knappe Stunde her? Doch auch mein überhebliches Auftreten würde Jack und seine drei übrigen Männer nicht darüber hinweg täuschen, dass ich innerlich tausend Tode starb. Die Erinnerung an vorletzte Nacht war noch viel zu frisch und selbst ich roch meine eigene Angst. In diesem Moment hoffte ich nichts mehr, als dass Jack und seine Bande das Angebot zur Flucht annahmen und für immer aus meinem Leben verschwanden. Natürlich taten mir die Werwölfe nicht den Gefallen. Das wäre auch zu leicht und seit wann war mein Leben je einfach gewesen? Stattdessen grinste Jack nur und die Werwölfe teilten sich auf. Zwei der Männer zogen den Halbkreis um Sina enger und Jack kam mit dem Wolf näher zu mir, dem ich vorletzte Nacht die Nase gebrochen hatte. Man sah nichts mehr, was mir doch etwas Leid tat. Ich sah kurz zu Sina hinüber, die zwar immer noch ängstlich, aber auch entschlossen wirkte, sich nicht kampflos zu ergeben. Den kurzen Blick hatten Jack und sein Partner genutzt, um die Meter bis zu mir zu überbrücken. Nur mit Mühe konnte ich einem rechten Haken von Jack entgehen, indem ich mich zur Seite beugte. Dafür traf mich ein Schlag des anderen Werwolfs an der Schulter und ich taumelte leicht zurück, so dass ich die Fensterbank an meinem Rücken fühlte. Keine Ausweichmöglichkeit mehr nach hinten? Ganz schlecht. Also ging ich ebenfalls zum Angriff über. Ich versuchte nach Jack zu schlagen, ihn im Gesicht zu treffen und so zumindest kurzfristig außer Gefecht zu setzen. Doch Jack war eindeutig gut in Form, denn er wich ohne Probleme aus, aber dadurch öffnete er mir einen Weg fort von dem Fenster. Durch eine schnelle Körperdrehung und einem Sprung nach vorne eroberte ich mir wieder etwas Platz zum ausweichen, dass ich dadurch jetzt fast zwischen den vier Werwölfen stand, war jedoch weniger gut. Halb hinter mir hörte ich Sina und die beiden anderen Männer sich bewegen, nahe aber doch weit genug weg, um mir nicht gefährlich zu werden. Ich hatte keine Gelegenheit mich umzusehen, hoffte aber, dass Sina durch ihre etwas höhere Schnelligkeit gegenüber meiner Rasse den Angriffen der Werwölfe ausweichen konnte. Ich musste mich darauf konzentrieren, selbst unverletzt zu bleiben. Meine Augen suchten den Raum nach etwas ab, das ich als Waffe verwenden konnte, doch ich fand nicht wirklich was. Ich konnte die anderen Werwölfe schlecht mit einem Sofa schlagen und sie würden garantiert nicht still halten, bis ich sie mit einem Kissen erstickt hatte. Einem Tritt von dem Werwolf dessen Namen ich nicht wusste, traf mich an der Hüfte. Doch es gelang mir einen weiteren Schlag von Jack abzuwehren, ihn sogar durch eine geschickte Schulterdrehung ins Stolpern zu bringen. Aus der gleichen Bewegung heraus trat ich dem anderen Werwolf den Fuß weg und er stürzte auf den Rücken, kam jedoch mit einer fließenden Bewegung fast sofort wieder auf die Beine. Ich hielt mich gerade ganz gut, doch wie lange konnte ich das aufrechterhalten? Während Jack und die anderen Werwölfe noch völlig unbeeindruckt wirkten, waren bei mir Atem und Puls schon in besorgniserregende Höhen geklettert. Mein Körper hatte sich wohl noch nicht so ganz von der Kräfte zehrenden Heilung erholt und ich merkte schon jetzt, wie meine Muskeln langsam müde wurden. Hinter mir hörte ich einen der Männer gequält aufschreien. Das klang tatsächlich so, als hätte Sina einen guten Treffer gelandet, doch gleich danach hörte ich sie würgen. Automatisch drehte ich meinen Kopf etwas in ihre Richtung, hatte sie sich verletzt? Sinas gelbe Bluse war vorne voller Blut, auch ihre untere Gesichtshälfte war rot verschmiert. Einen Moment hatte ich tatsächlich Panik. Nicht so sehr, weil ich dann vier Gegnern alleine gegenüber stand, sondern weil ich mir Sorgen um Sina machte. Doch dann wischte sich die Vampirin mit einem angeekelten Ausdruck über den Mund und mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Sie hatte einen der Werwölfe gebissen! Tatsächlich stützte sich einer ihrer Angreifer den Hals haltend an der Wand ab, während Blut über seine Finger rann und die Luft mit einem metallischen Geruch verpestete. Aber was sollte Sina auch tun, waren ihre spitzen Eckzähne und ihre Schnelligkeit doch so ziemlich die einzigen Waffen in diesem ungleichen Kampf. Ich hätte mich wohl eher auf meine eigenen Gegner konzentrieren sollen, denn als ich mich wieder umdrehte, kam mir eine Faust entgegen. Mit voller Wucht traf mich der Schlag von Jack gegen die Schläfe. Ich taumelte zurück. In meinem Kopf drehte es sich innerhalb von einem Augenblick zum anderen, wie in einem Kettenkarussell und ich stolperte schließlich über meine eigenen Füße. Bevor ich mich aufrichten konnte, kniete Jack schon über mir und prügelte auf mich ein. Die Schläge prasselten regelrecht auf mich nieder und ich versuchte die Fäuste abzuwehren. Trotzdem trafen mich die Schläge an Oberkörper und Kopf, da ich noch etwas benommen und nicht so reaktionsschnell war, wie ich es hätte sein müssen. Jack grinste dabei so irre, dass es mir kalt den Rücken runter lief. Dieses Monster genoss es regelrecht zu quälen und zu töten! Ich hatte Angst und mein Überlebensinstinkt schrie mir geradezu zu, dass ich doch endlich etwas tun sollte. Verdammt, ich wollte nicht sterben! Auch wenn mein Leben nicht gerade erste Sahne war, gab es noch genügend Gründe zum Leben. Ich lag hier hilflos auf dem Rücken, hatte nicht die Gelegenheit oder Kraft Jack abzuwerfen und mittlerweile fühlte sich mein Oberkörper und mein Gesicht an, wie ein Punchingball. Langsam fiel es mir immer schwerer, die Schläge abzuwehren und schon tanzten die ersten schwarzen Punkte vor meinem Gesichtsfeld. Ich war wohl noch nicht wieder ganz so fit, wie ich eben noch gedacht hätte und die Treffer am Kopf, machten es mir nicht gerade einfacher mich zu konzentrieren. Doch da kam Hilfe aus unerwarteter Richtung, die kleine Vampirin sprang Jack von hinten auf den Rücken. Ich sah sie die Zähne fletschen und sich zu dem Hals des Werwolfs vorbeugen. Ich machte mich innerlich auf eine Riesensauerei gefasst, wenn die Vampirin ihre Zähne in der Halsschlagader von Jack versenken würde. Doch dazu kam es nicht. Ein anderer Werwolf packte Sina von hinten und schleuderte die zierliche Vampirin regelrecht neben das Fenster gegen die Wand. Ich hörte Knochen knacken und sah, wie die sie regungslos liegen blieb. Alles in mir zog sich zusammen. Ich war nicht zurückgekommen, um Sina beim Sterben zuzusehen und mit der Kraft der Verzweifelung gelang es mir tatsächlich Jack von mir herunter zu stoßen. Doch wahrscheinlicher schaffte ich es nur, weil er noch von Sinas Angriff überrascht und so einen Moment unaufmerksam war. Mir gelang es wie durch ein Wunder aufzustehen, ohne dass mich einer der drei noch kampffähigen Werwölfe zu fassen bekam und baute mich mit dem Rücken zu Sina auf. Mein Atem ging schnell und vor Anstrengung keuchend, mein Körper, aber vor allem mein Kopf tat mir weh und leichter Schwindel machte es mir nicht gerade einfacher aufrecht stehen zu bleiben. Leises Stöhnen und Rascheln von Stoff hinter mir zeigte, dass Sina wohl wieder zu Bewusstseinsein kam. Ein Teil der Last wurde mir von meinen Schultern genommen, denn wenn sie so schnell wieder wach wurde, konnte sie doch nicht ernsthaft verletzt sein, oder? Ein paar Sekunden standen die drei Werwölfe und ich uns regungslos gegenüber und versuchten die andere Partei einzuschätzen und einzuschüchtern. Was ich sah, war nicht gerade aufbauend. Alle drei Gegner waren noch unverletzt und schienen nicht im Geringsten angestrengt, während ich kurz vor dem Zusammenbrechen war. Auch Sina, die sich hinter mir hoch gequält hatte und nun neben mich trat, sah nicht mehr so aus, als würde sie lange durchhalten. Sie hatte das Gesicht zu einer Grimasse aus Schmerz verzogen, den linken Arm hielt sie in einem unnatürlichen Winkel an den Körper gepresst. Ihr Herzschlag war schnell für einen Vampir, das hörte ich, als sie nur wenige Zentimeter neben mir stand. Und noch etwas fiel mir auf. Ich hätte nur den Arm ausstrecken müssen, um sie zu berühren und trotzdem ängstigte mich ihre Nähe nicht mehr. Anscheinend stimmte dieses alte Sprichwort: ein gemeinsamer Feind verband eben doch. Zu dem Ergebnis, das sie uns haushoch überlegen waren, schienen wohl auch Jack und seine Rudelmitglieder gekommen zu sein, denn sie griffen wie auf ein heimliches Zeichen an. Wir versuchten uns so gut wie möglich zu wehren, doch schon sehr bald hatten sie mir die Füße unter dem Körper weggetreten und ich lag keuchend auf dem Rücken. Sina wurde von einem Werwolf an die Wand gepresst, die Hand fest um ihren zierlichen Hals gelegt. „Darf ich mir wohl noch ein Andenken von dir nehmen? Oder wäre das gemogelt?“, fragte Jack mich und beugte sich zu mir herunter. Sein heißer Atem strich mir über das schweißnasse Gesicht und angewidert versuchte ich den Kopf zu drehen. Wieder spielte Jack mit dem Lederband, in der anderen Hand hielt er sein Messer. Noch einmal hatte ich nicht die Kraft dazu, Jack von mir zu stoßen, mein Körper hatte eindeutig sämtliche Kraftreserven für meine Heilung gestern verbraucht. Ich merkte, wie mich der Mut verließ, jetzt würde ich wohl sterben. Doch das Schlimmste war, dass ich Sinas Tod verschuldet hatte, wäre Jacks Rudel bestimmt nicht ohne mein Zutun hier aufgetaucht. Ich hörte Sina leise wimmern und nach Luft ringen und schloss kurz die Augen. Das arme kleine Vampirmädchen wurde für ihre gute Tat an mir bestraft. Das war nicht gerecht, doch seit wann war die Welt das schon? Entmutigt stellte ich meine Gegenwehr ein, ich gab auf. Auch mein Überlebensinstinkt schien erloschen, denn ich fühlte ihn nicht mehr. Sollte mich Jack doch umbringen, dann hätte ich es endlich hinter mir. Der Werwolf sah mir wohl meine Resignation an, denn er wirkte irgendwie enttäuscht. Hatte ich ihm mit meinem fehlenden Überlebenskampf etwa den Spaß an der Sache genommen? Wenn ja, dann freute mich das ungemein. Wo wohl so dunkle Kreaturen, wie ich, nach dem Tod hinkamen? Kam `danach` überhaupt etwas? Ganz leicht schüttelte ich den Kopf über diese Gedanken, was einem so alles durch den Kopf ging, wenn man dem Tod ins Auge sah. Jack legte mir sein Messer mit der Spitze gegen den Brustkorb und ich fühlte wie sich das Metall ganz leicht durch den Stoff von Pullover und T-Shirt in meine Haut bohrte. Ich tat nichts zur Gegenwehr, hatte mit dem Leben abgeschlossen. Nur meine Atmung wurde automatisch flacher, doch war das eher ein Instinkt als bewusste Handlung. Mein letzter Gedanke galt dem kleinen Vampirmädchen, das es innerhalb von zwei Tagen geschafft hatte, fast sämtliche meiner Schutzmauern zu durchbrechen. Ich hatte sie hier mit rein gezogen und es tat mir leid. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)