Gnade Oder Fluch? von Kimie_Yashi (Eine zweite Chance? [ContestShipping - OsterSpecial 2oo9]) ================================================================================ Kapitel 1: Karfreitag – Todestag -------------------------------- „Meine Güte! So sehr ich Tante Rina auch mag, ihre überbesorgte Art ist dennoch ganz schön anstrengend… bin ich Froh, dass morgen Karfreitag und damit der letzte Tag der Woche ist. Nach der Schule heißt es erst einmal drei Tage frei!“ In Boxershorts bekleidet und mit einem Handtuch auf dem nassen Kopf, setzte sich der junge Mann völlig erledigt auf sein Bett. Im Moment sehnte er sich nach nichts mehr als Ruhe und Schlaf… und natürlich den bevorstehenden freien Tagen! Ohne Ankündigung stand besagte Frau am Nachmittag, als er aus der Schule kam, plötzlich in der riesigen Küche der Villa und ließ sich nicht davon abhalten für ihren Neffen selbst das Essen auf den Tisch zu zaubern. Sie war eine Meisterköchin, das musste er ihr lassen, allerdings übertrieb es die Gute gerne und so wurde es ein acht Personenmahl, das er unmöglich auf einmal aufbekommen konnte. Und das Ganze ging dann über Stunden, bis er es gegen 21 Uhr endlich geschafft hatte sie davon zu überzeugen, dass es ihm gut ginge, er mehr als satt war und nichts weiter bräuchte. Zu seinem Leitwesen war er durch ihren Besuch allerdings nicht dazu gekommen seine Hausaufgaben für den nächsten Tag anzufertigen, was er dann zu dieser fortgeschrittenen Stunde noch erledigen musste. Und um zumindest noch etwas entspannt den vergangenen Tag abschließen zu können, stieg er noch schnell unter die Dusche. Gerade hatte sich der Oberstufenschüler in sein Bett gelegt, da störte auch schon ein lautes Geräusch seine Ruhe, weshalb er sich genervt wieder erhob und zu der Quelle des Lärms ging, dem Fenster. „Ist ein bisschen Ruhe schon zu viel verlangt?“, kam es ziemlich wütend über seine Lippen, als er das Fenster öffnete und sofort von einem Vogel umkreist wurde. „Hey, was soll das?“, fragte er laut und versuchte das Tier davon abzuhalten so dichte Kreise um seinen Kopf zu ziehen. Nachdem das um sich Schlagen mit seinen Armen nichts nutzte, trat er einfach einige Schritte zurück und strecke den Arm aus, in der Hoffnung der Piepmatz würde sich beruhigen und darauf niederlassen. Und tatsächlich saß kurz darauf der Vogel auf seinem Arm und schaute ihn erwartungsvoll an. Erst jetzt erkannte der Junge, dass es sich um eine weiße Taube handelte. „Guten Abend, mein Kleiner! So spät noch unterwegs? Müsstest du nicht eigentlich schon längst in deinem Nest sein und schlafen?“ Lächelnd streichelte er ihr über den weißen Kopf, während das Tier vor sich hin gurrte. „Und? Was hältst du von ihm? Ich bin mir sicher, dass es dieses Mal der Richtige ist!“ – „Das hast du die letzten 88 mal auch gesagt… aber er scheint zumindest freundlich und tierlieb zu sein, auch wenn er mich am Anfang ganz schön erschreckt hat. … Na gut, versuchen wir es!“ „Na nu? Was trägst du denn da um den Hals?“, fragte er das Wesen auf seinem Arm und betrachtete den Gegenstand etwas genauer. Es war eine Kette, aber keine Gewöhnliche, denn ihr Anhänger zeigte eine wunderschöne Rose, die von geschwungenen Ranken umgeben war, und unterhalb dieser hing ein saphirfarbener Kristall in Form eines Tropfens. Solch ein Schmuckstück hatte der Oberschüler noch niemals gesehen. Der Hersteller muss sich wirklich sehr große Mühe damit gegeben haben. Zu seiner Verwunderung schien die Taube zu wollen, dass er die Kette an sich nahm, denn noch bevor er sie mit seinen Fingern der freien Hand berühren konnte, nahm sie den oberen Teil des Anhängers in den Schnabel und streckte ihn ihm entgegen. „Soll ich sie nehmen?“, fragte er noch einmal nach, als ihm auf einmal klar wurde, dass er sich mit einem Tier unterhielt. Verständnislos schüttelte er den Kopf über sein Verhalten und nahm das Schmuckstück an sich. Fasziniert von seiner Schönheit blickte er es noch eine Weile lang an. Doch auf einmal fiel ihm wieder ein, weswegen er überhaupt das Bett noch einmal verlassen hatte und dass er morgen Früh aufstehen musste. „Verdammt, ich wollte doch schlafen… heute läuft auch irgendwie alles anders als geplant…“, fluchte der 17-Jährige und verschreckte durch sein plötzliches Zucken die Taube. Doch anstatt davonzufliegen setzte sie sich einfach auf den Fenstersims und betrachtete das weitere Geschehen. „Tut mir Leid, mein Kleiner, aber ich muss jetzt wirklich schlafen gehen und du solltest auch zurück zu deinem Nest fliegen!“, forderte er den Vogel damit indirekt auf sein Zimmer zu verlassen. Und als ob das Tier ihn verstehen könnte, flog es tatsächlich davon… zumindest konnte der junge Mann es nicht mehr sehen. Anschließend schloss er das Fenster bis auf eine Handbreite, da es doch ein ziemlich heißer Tag gewesen und auch die Nachtluft nicht zu kühl war, bevor er sich zurück zu seinem Bett begab. Die Kette noch schnell auf das Nachttischen neben ihm legend löschte er das Licht uns versuchte einzuschlafen. „Pst… ist er eingeschlafen?“ – „Ja, ist er. Und nun komm bitte endlich, es ist schon fast Mitternacht!“ – „Ist ja gut, ist ja gut, ich komme ja schon.“ Die Taube war zurückgekehrt und versuchte nun, möglichst geräuschlos, sich durch den kleinen Spalt in das Zimmer zu drängen. „Was machst du denn die ganze Zeit? Jetzt sag mir bitte nicht, dass du nicht durch das Fenster passt. Ich habe dir vor langer Zeit schon einmal gesagt, dass du eine Diät machen sollst!“ Doch diesen Kommentar überhörte der Vogel einfach und versuchte weiterhin ins Gebäude zu kommen. Die Flügel waren immerhin schon einmal drinnen, nur mit dem Körper gab es noch einige Schwierigkeiten. Also stemmte er die Schwingen rechts und links von sich auf den Rahmen und versuchte durch Drücken hindurch zu kommen, was nach etwas Kraftaufwand auch gelang. „So, ich bin drinnen… und wo bist du?“ – „Auf dem Nachttisch. Beeil dich doch bitte, wir haben nur noch ganz wenig Zeit!“ Dies sah auch der Tauberich ein, weswegen er schnell auf den kleinen Tisch flog, das Schmuckstück mit seinem Schnabel aufhob und es dem Schlafenden in die rechte Hand legte. Und dies keine Sekunde zu früh, denn genau in diesem Augenblick sprangen die Ziffern des Digitalweckers von ‚23:59’ auf ‚00:00’ Uhr um, woraufhin der kleine Saphir leicht bläulich zu leuchten begann… Am nächsten Morgen wurde der Oberschüler noch vor dem Weckerklingeln von den warmen Sonnenstrahlen geweckt, die sich ihre Wege durch den Spalt des geöffneten Fensters gesucht hatten. Doch nach dem gestrigen Tage dachte er nicht daran sich jetzt schon zu erheben. Ausnahmsweise wollte er mal liegen bleiben bis der schrille Ton seiner Uhr ihn dazu zwang aufzustehen und sich fertig zu machen. Jedoch sollte es, wie am Tag zuvor, wieder einmal nichts so kommen wie geplant, denn auf einmal legte sich ein Schatten über sein Gesicht, das zuvor noch vom Licht angestrahlt worden war. Verschlafen öffnete er etwas die Augen um nachzuschauen, was sich zwischen ihm und der Helligkeit befand. Und nachdem er die Ursache herausgefunden hatte, ließ er die Lider wieder hinab gleiten und drehte sich herum. „Was zum…“ Plötzlich war der junge Mann hellwach und wandte sich wieder zu dem Schatten herum, der ihn freudig anlächelte: „Guten Morgen!“ „Könntest du mir mal verraten was du hier machst? Und wie bist du überhaupt hier hereingekommen?“, wütend kamen die Worte aus seinem Mund und mit entsprechendem Gesichtsausdruck sah er auch seinen Gegenüber an. Diese erwiderte seinen Blick, wusste sich jedoch sehr wohl zu verteidigen: „Entschuldigung, aber du selbst hast mich gestern Abend hereingelassen!“ „Wieso hätte ich das bitte tun…“, wollte er fragen, doch als sein Blick auf die Uhr fiel, brauch er plötzlich ab. Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, dass er die erste Stunde bereits zur Hälfte verpasst hatte. „Verdammt!“, stöhnte er und erhob sich schnell aus dem Bett, um sich seine Schuluniform zu schnappen und daraufhin im Badezimmer zu verschwinden. Dieses verließ der Schüler nach wenigen Minuten direkt wieder, schulterte noch schnell seine Tasche und wollte eigentlich das Zimmer schon wieder verlassen. Doch zuvor wandte er sich noch einmal an seinen ungebetenen Gast zu: „Wie auch immer du hier hineingekommen sein magst, verschwinde auf gleichem Wege einfach wieder, andernfalls muss ich das Wachpersonal damit beauftragen!“ Und mit diesen Worten war er auch schon verschwunden und ließ das Mädchen allein in seinem Zimmer zurück. Im Augenblick hatte er wirklich keine Zeit sich auch noch um sie zu kümmern. Das sollte lieber sein Butler übernehmen, dem er auf dem Weg zur Schule bescheid gab. Die erste Stunde wurde gerade beendet und der Oberschüler schaffte es dementsprechend auch noch rechtzeitig zur Zweiten in der Klasse zu sein und das bevor die Lehrerin dort eintraf. Sofort spürte er die verwunderten und fragenden Blicke seiner Klassenkameraden auf sich, kümmerte sich jedoch nicht weiter darum und setzte sich auf seinen Platz. „Hey, Shuu! Wo warst du denn in der ersten Stunde? Wir dachten schon, du wärst krank.“ Auch als einige seiner Fangirls auf ihn zukamen und sich um ihn ‚sorgten’, ignorierte er sie einfach, denn im Augenblick waren diese Gören das Letzte mit dem er sich beschäftigen wollte. Dieser Morgen war alles andere als normal abgelaufen und auf sein Frühstück hatte er auch verzichten müssen. Obwohl, so schlimm war es auch nicht, schließlich war sein Magen noch immer von den gestrigen Speisen seiner Tante gefüllt. Die ganze Unterrichtsstunde über bekam Shuu nicht sonderlich viel von dem mit, was die Lehrerin vorne erzählte. Und immer wieder erwischte er sich dabei wie seine Gedanken zu diesem seltsamen Mädchen wanderten, das vorhin plötzlich vor seinem Bett gestanden und doch glatt behauptet hatte, dass er sie hineingelassen hätte. ‚Eigenartig… sie schien kein Fangirl zu sein, die hätten sich in dieser Situation ganz anders benommen, auch wenn sie wissen, dass ich eine Freundin habe…’, ging es dem Grünäugigen durch den Kopf, ‚Und ihre Kleidung erst, haben wir schon wieder Fasching? Sie scheint nicht aus der Gegend zu kommen. Ihre Aufmachung erinnert mich eher an eine Bauchtänzerin… oder einen Dschini.’ Als ihm dieser Gedanke kam, konnte der junge Mann nicht anders, als etwas aufzulachen: ‚Flaschengeister? Wie komme ich bloß auf solch einen Unsinn? Das kommt bestimmt von Tante Rinas Essen, das mir noch immer schwer im Magen liegt… scheint mir wohl nicht so gut zu bekommen. … Also, zurück zum Unterricht…’ Doch ehe er sich wieder vollkommen auf den Stoff der Stunde konzentrieren konnte, war diese auch schon vorbei. So erging es dem armen Jungen auch noch in den nächsten Stunden, weswegen er sehr dankbar dafür war, als endlich die Mittagspause begann. In dieser wollte er versuchen eine Lösung für sein Konzentrationsproblem zu finden, während seine Freunde um ihn herum mit anderen Gesprächen beschäftigt waren. Doch er fand nicht wirklich eine vernünftige Antwort, als ihm auf einmal etwas ins Auge sprang. ‚Ist das nicht Ayame? Mit wem spricht sie denn da?’, fragt sich der Grünäugigen, als er seine Freundin zusammen mit einer ihm Unbekannten sah. Kurzerhand entschloss er sich dem nachzugehen, schon allein, weil sie sonst immer zusammen zu Mittag aßen und sie ihm heute noch keines einzigen Blickes gewürdigt hatte. „Wow, deine Kette ist wirklich wunderschön. Hast du sie von deinem Freund bekommen?“, fragte Ayame das Mädchen vor sich. Mit einem traurigem Lächeln ergriff sie den Anhänger, als sie antwortete: „Sie bedeutet mir wirklich sehr viel, sie ist mein Ein und Alles. Ich habe sie von…“ Doch weiter kam sie nicht, denn Shuu hatte sie plötzlich am Handgelenk ergriffen und zog sie mit den Worten: „Sind gleich wieder da.“, mit sich. Ayame war verwirrt über das Verhalten ihres Freundes, unternahm allerdings auch nichts dagegen und begab sich stattdessen an den Tisch ihrer Freunde, um mit ihnen zusammen zu Mittag zu essen. „Was machst du denn hier?“, wollte Shuu etwas zornig von ihr erfahren, doch ehe das Mädchen ihm antworten konnte, fuhr er selbst fort, „Sag mal verfolgst du mich? Und was hattest du überhaupt in meinem Zimmer zu suchen?“ „Ich bin hier, weil…“, doch erneut unterbrach er sie, als ihm auffiel, was sie um den Hals trug und dies machte ihn noch wütender. „Was fällt dir eigentlich ein einfach die Kette anzuziehen, immerhin gehört sie dir doch gar nicht. Los, gib sie sofort her!“, forderte er von ihr, doch sie weigerte sich. „Würdest du mich vielleicht auch einmal zu Wort kommen lassen, dann könnte ich dir auch alles erklären. Und außerdem gehört die Kette mir, ich werde sie dir bestimmt nicht geben!“, schrie sie ihn nun ebenfalls wütend an, da er ihr keine Möglichkeit ließ sich zu erklären. Doch er wollte sie auch weiterhin nicht anhören: „Ich habe gesagt: Her damit!“ Mit einer schnellen Handbewegung und ohne Rücksicht auf die Fremde, hatte er das Schmuckstück vom Hals gerissen und befand sich nun auf dem Rückweg in die Cafeteria. Mit weit aufgerissenen Augen stand sie nun da und schaute ihm geschockt nach. Sie löste sich auch erst wieder aus ihrer Starre, als sich eine kleine weiße Taube auf ihre Schulter setzte. „Pero… er hat mir meine Kette abnehmen können… wie ist das nur möglich?“, kam es murmelnd aus ihrem Mund und allmählich traten ihr salzige Tränen in die Augen. Auch ihr kleiner Freund war über diese Tatsache ziemlichen überrascht, denn zuvor war es noch niemandem gelungen das Schmuckstück von ihr zu trennen. Es war sonst immer so, als ob es an ihrem Hals festgewachsen, ein Teil ihres Körper wäre, was auch in gewisser Maßen zutraf. Doch ehe sich Pero darüber Sorgen machen konnte, musste er erst einmal seinen Schützling beruhigen: „Mach dir keine Sorgen, ja? Lass uns zurückgehen und ihm nachher alles in Ruhe erklären. Dann wird er dir auch sicherlich deine Kette zurückgeben, vertrau mir!“ „Ja, du hast Recht. Es ist nur… ich habe sie noch nie abgenommen und jetzt… ich fühle mich irgendwie ganz anders. Es ist, als ob mich ein Teil von mir verlassen hätte…“ „Hey Shuu. Ayame hat uns gerade von der Neuen erzählt und das du mit ihr hinausgegangen bist. Wo hast du sie denn gelassen?“, begrüßte einer seiner Freunde ihn, als er sich zurück zu ihnen an den Tisch setzte. „Vergiss sie!“, kam es nur über seine Lippen, als er sich neben seiner Freundin niederließ und einem Arm um sie legte, um sie etwas zu sich zu ziehen. Dies passte Ayame allerdings überhaupt nicht, weswegen sie seinen Arm auch mit einem Ruck von der Stuhllehne entfernte. Doch da bemerkte sie, dass Shuu etwas in seiner rechten Hand hielt. Mit neugieriger Stimme fragte sie ihn, was er dort hätte. Als sie jedoch mit ihren Händen Seine öffnete, erblickte sie nichts anderes, als die Kette, die sie wenige Minuten zuvor noch am Hals der neuen Schülerin gesehen hatte. „Shuu, warum hast du diese Kette? Sag mir bitte nicht, dass du sie eben Haruka weggenommen hast!“, verlangte sie mit wütender Stimme von ihm zu erfahren. Der Angesprochene umklammerte das Kollier wieder, als er antwortete: „Doch habe ist, denn es gehört ni…“ Doch er brach ab, als das Mädchen ihm eine schallende Ohrfeige verpasste: „Sag mal hast du noch alle Tassen im Schrank? Du kannst ihr doch nicht einfach die Kette abnehmen. Gib sie ihr sofort zurück, sie bedeutet ihr sehr viel!“ Nun ebenfalls wieder aufgebracht, erhob sich der Oberschüler von seinem Platz und verließ den Saal und wollte an einen Ort gehen, an dem er seine Ruhe haben würde. Doch da läutete es auch schon zur nächsten Stunden und so machte er sich stattdessen auf zum entsprechenden Klassenraum. ‚Wie kann sie nur behaupten, dass diese Kette ihr gehören würde? Immerhin hat mir diese Taube sie gestern Nacht gebracht.’ Shuu versuchte auf dem Nachhauseweg einen logischen Zusammenhang zwischen den Geschehnissen des heutigen Tages zu finden. Er hatte dem Mädchen die Kette nicht zurückgegeben. Zum Einen, weil er noch immer nicht wusste, was er davon halten sollte, dass sie behauptete, es sei ihre und zum Anderen, weil er sie in der Schule nicht mehr finden konnte. Eigentlich hatte er vorgehabt sie in aller Ruhe anzuhören und ihr dann das Schmuckstück zurückzugeben, wenn er sich sicher war, dass sie auch wirklich die Wahrheit sprach. Jetzt würde er allerdings bis Dienstag warten müssen, um alles klären zu können. Inzwischen war es schon früher Abend geworden, denn er hatte noch schnell einen Trip in die Innenstadt unternommen und nun wollte er nichts mehr, als endlich zu Hause anzukommen. Genervt betrat er die Villa und schleuderte seine Tasche in die nächste beste Ecke seines Zimmers, als er sich anschließend auf sein Bett fallen ließ und für einen Moment die Augen schloss. „Gib mir bitte meine Kette zurück!“, hörte er auf einmal ihre Stimme sagen, woraufhin er aufschreckte und dieses Mädchen erneut vor sich stehen sah. „Wie bist du hier hereingekommen und das so schnell und leise?“, kam es etwas geschockt über seine Lippen, allerdings fing er sich schnell wieder und versuchte seine Überraschtheit durch die aufkommenden Wut zu überspielen: „Wer hat dich hereingebeten? So etwas nennt man Hausfriedensbruch, weißt du das?“ „Ich werde dir alles erklären, aber bitte gib mir erst meine Kette zurück.“ ‚Dieses Mädchen bringt mich noch um den Verstand… okay Shuu, ganz ruhig, du wolltest sie es sowieso erklären lassen. Also, hier ist deine Chance!’, dachte er sich und atmete einige Male tief ein und aus, um sich selbst zu beruhigen. „Okay, fang an zu erklären und danach gebe ich sie dir vielleicht zurück“, verlangte er. Sie konnte an seinen Augen ablesen, dass er es nur in dieser Reihenfolge machen würde. Also blieb ihr auch nichts anderes übrig, als zu beginnen. Doch zuvor wollte sie von ihm noch die Gewissheit haben, dass sie ihr Eigentum zurückerhalten und er sie in ihrer Erklärung nicht unterbrechen würde. Diese Forderung bestätigte der Grünäugige schließlich mit einem Kopfnicken, denn er wollte nun endlich wissen, wer sie war und was sie hier zu suchen hatte. „Erst einmal, mein Name ist Haruka und das hier ist mein treuer Freund Pero.“, stellte sie sich selbst und den Tauberich vor, der durchs Fenster geflogen kam und sich auf ihrer Schulter niederließ, „Er war es, der mich hierher gebracht hat, indem er dir meine Kette gegeben hat. Und… das mag jetzt vielleicht etwas seltsam für dich klingen, aber… ich bin ein Geist und werde dir von heute bis Sonntag jeden Tag einen Wunsch erfüllen!“ Shuu konnte ihre eben gesagten Worte einfach nicht glauben und wollte es auch nicht. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses seltsame Mädchen magische Kräfte besitzen sollte. Solche Dinge gab es nur in Filmen und allein schon die Vorstellung daran brachte ihn zum Lachen: „Du bist wirklich verrückt. Aus welcher Psychiatrie bist du denn entlaufen? Soll ich für dich bei ihnen anrufen? Kein Problem!“ „Möchtest du noch immer wissen, wie ich in dieses Zimmer gekommen bin?“, hört er ihre ernste Stimme. Grinsend legt er den Telefonhörer wieder auf den Tisch, dreht sich wieder zu ihr herum und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht: „Alles klar. Los, beweis mir, dass du tatsächlich zaubern kannst!“ „Wie du willst. Jetzt bin ich hier! Und gleich bin ich unten vor deinem Fenster!“, teilte sie ihm mit und schnippte einmal mit den Fingern, woraufhin ihr Körper zu Rauch wurde und aus dem Fenster schwebte. Als der Grünäugige einige Augenblicke später an sein Fenster trat, konnte er sie tatsächlich dort unten stehen sehen. Und kurz darauf befand sie sich wieder neben ihm. „So, glaubst du mir nun? Darf ich jetzt bitte meine Kette wiederhaben?!“, forderte sie mit ausgestreckter Hand ihr Eigentum zurück. Ihr neuer Meister schien allerdings noch immer nicht vollkommen überzeugt zu sein. „Okay, war ja ein ganz netter Tick, aber das beweist noch gar nichts! Ich glaube dir erst, wenn du eine Aufgabe erfüllst, die ich dir jetzt aus dem Stehgreif stelle.“ Seufzend bejahte die Blauäugige seine Forderung und wartete auf ihre Aufgabe. „Alles klar. Ich möchte, dass du ein schönes Bouquet für meine Tante erstellst und es direkt zu ihr zauberst. Ich gebe dir zwei Minuten, dann rufe ich sie an und frage sie, ob sie die Blumen erhalten hat. Ich hoffe, dass ist nicht zu schwer für dich“, kam es grinsend von dem Oberschüler, da er sich sicher war, dass sie diese Aufgabe nicht bewältigen könnte. Haruka jedoch antwortete nur gelangweilt: „Mit oder ohne Kärtchen?“ Über ihre Selbstsicherheit konnte Shuu nur staunen, zeigte dies allerdings nicht nach außen hin und antwortete locker, sich erneut durchs Haar fahrend: „Mit Karte, in der ich mich für den gestrigen Besuch bedanke!“ Gelangweilt verdrehte der Geist die Augen und schnipste erneut mit ihren Fingern. Erwartungsvoll schaute Shuu sie an. Sein Gegenüber zählte jedoch nach kurzer Zeit einfach nur gelangweilt von fünf abwärts: „…drei… zwei… eins…“ Plötzlich begann das Telefon in den Händen des Grünäugigen zu klingeln und als er das Gespräch annahm, war sein Tante am anderen Ende der Leitung um sich für die Blumen zu bedanken. „Ich habe also jeden Tag einen Wunsch frei, richtig?“, wollte der 17-Jährige noch einmal ganz klar von ihr wissen. „Genau! Drei Tage, drei Wünsche, drei Einschränkungen, ein Meister!“, gab sie daraufhin seufzend zurück: ‚Wie ich das alles hasse.’ „Und die Einschränkungen wären?“, hackte er noch einmal nach und zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. „Erstens: Ich kann nicht länger als diese drei Ostertage bleiben! Zweitens: Das wünschen weiterer Wünsche ist nicht wünschenswert! Und drittens: Ich kann nicht in die Gefühlswelt der Menschen eingreifen… auch wenn ich dazu schon gezwungen wurde…“, erläuterte sie ihm, wobei die letzten Worte nur murmelnd über ihre Lippen kamen und Shuu nur erahnen ließen, was sie gesagt hatte. „Alles klar… aber wenn du wirklich ein Dschini bist, wo ist dann deine Lampe?“, wollte er nun wieder grinsend von ihr erfahren. Und seine Provokation ging voll auf, als er das Wort ‚Dschini’ erwähnte, denn es brauchte Haruka ziemlich auf die Palme: „Ich bin KEIN Dschini, du Idiot! Ich bin ein Ostergeist. Dschinis waren keine Menschen und für sie gelten auch ganz andere Regeln, was die Meister angeht!“ „Wie auch immer…“, erwiderte der junge Mann gleichgültig und verließ den Raum mit den Worten: „Warte hier, ich bin bald mit deiner Kette zurück!“ „Hey, wo willst du denn hin?“, wurde Shuu plötzlich auf seinem Weg durch den Park von einer männlichen Stimme gefragt. Verwundert blieb der Angesprochene stehen und blickte sich nach dem Besitzer der Stimme um. Jedoch konnte er niemanden in seiner näheren Umgebung ausfindig machen. Er wollte seinen Weg schon fortsetzten, da er glaubte es sich nur eingebildet zu haben, als sie erneut zu hören war: „Hier oben bin ich!“ „Du kannst sprechen?“, fragte er verwundert, als er Harukas Tauberich über sich flattern sah. Dieser erwiderte darauf nur: „Natürlich kann ich sprechen. Sag schon, wohin gehst du? Du wolltest ihr doch ihre Kette zurückgeben!“ „Ich weiß… ich habe sie nach der Schule zum Juwelier gebracht, damit er sie repariert. Ich hatte sie ihr ja vom Hals gerissen und dabei ist das Band kaputt gegangen. Du kannst ruhig wieder zurückfliegen, ich hole sie nur ab und dann bekommt sie sie wieder, versprochen!“ Zustimmend flatterte der Vogel wieder zurück zum Kataya Anwesen, während Shuu seinen Weg in die Innenstadt fortsetzte. Doch seine Schritte verlangsamten sich und er kam schließlich ganz zum Stehen, als er am Springbrunnen ankam und etwas sah, das er nie im Leben für möglich gehalten hätte… „So langsam machen ich mir doch etwas Sorgen um ihn. Es wird schon langsam dunkel und er ist schon seit zwei Stunden unterwegs…“, kam es besorgt von dem Mädchen, das die ganze Zeit über im Wohnzimmer stand und aus dem Fenster blickte, in der Hoffnung, dass ihr neuer Meister endlich zurückkommen würde, „Bist du sicher, dass er nur kurz in die Innenstadt zum Einkaufen gehen wollte?“ „Mach dir keine Sorgen, er kommt sicherlich bald zurück. Bestimmt ist ihm noch irgendetwas Wichtiges eingefallen und das dauert halt seine Zeit.“, versuchte Pero sie zu beruhigen. „Du hast sicherlich Recht, aber… aber ich habe irgendwie Angst noch länger ohne meine Kette zu sein… es ist ein total seltsames Gefühl.“ Plötzlich konnten die beiden hören wie die Tür ins Schloss fiel und kurz darauf betrat auch Shuu das Wohnzimmer. Schlecht gelaunt ließ er sich auf das Sofa fallen und schaltete den Fernseher ein, dass Haruka und Pero ebenfalls mit im Raum waren, kümmerte ihn überhaupt nicht und er schenkte ihnen auch keinerlei Beachtung. „Shuu?“, fragte die Brünette nach einiger Zeit vorsichtig nach, „Ist alles in Ordnung?“ „Hör auf mich zu nerven und lass mich in Ruhe“, kam es nur zornig zurück, als er zum fünften Mal das Programm umschaltete. ‚Was hat er denn? Habe ich ihn etwa verärgert?’, ging es dem Mädchen durch den Kopf. Sie wusste allerdings, dass sie nur eine Antwort erhalten würde, wenn er mit ihr sprach. Nach einigen weitern Versuchen ihn zum Reden zu bringen, die alle scheiterten, erhob sie sich schließlich von ihrem Platz auf der Couch und ging zum Fernseher. Kurzerhand zog sie an diesem einfach das Stromkabel heraus, in der Hoffnung, er würde ihr endlich zuhören. „Was fällt dir eigentlich ein? Los, steck das Kabel wieder in die Steckdose und verschwinde aus dem Bild“, brüllte er sie mit zornig dreinschauenden Augen an. Noch einmal holte die Angesprochene tief Luft, um nicht auch noch zu schreien: „Nein, das werde ich nicht! Was ist denn los mit dir? Bevor du gegangen bist, warst du doch noch so gut gelaunt und jetzt… was ist passiert, als du weg warst?“ „Das geht dich überhaupt nichts an, du nervige Göre!“ Allmählich verlor auch das Mädchen die Geduld. Denn auch wenn er schlecht gelaunt war und nicht darüber sprechen wollte, so hatte er noch lange nicht das Recht dazu seine Wut an ihr auszulassen und sie so anzubrüllen. ‚Warum frage ich auch überhaupt nach? Es kann mir doch eigentlich vollkommen egal sein, ich möchte nur endlich meine Kette wiederhaben!’ „Wie Ihr wünscht, Meister! Gebt mir einfach meine Kette zurück und ich werde Euch in Ruhe lassen.“, antwortete sie ihm gefügig und verlangte ihr Schmuckstück zurück. „Verdammt noch mal, kannst du eigentlich auch noch an etwas anderes denken, als an deine dämliche Kette? Die ganze Zeit über höre ich nichts anderes: ‚Wo ist meine Kette?’ – ‚Gib mir meine Kette zurück!’ Gibt es in deiner jämmerlichen Existenz nichts anderes?“, keifte er sie wutentbrannt an, sprang von seinem Platz auf und packte sie mit festem Druck an ihren Oberarmen, „Willst du wirklich wissen, was passiert ist? Willst du das? Ich habe gerade eben Ayame mit Kiro erwischt, wie sie sich für den Osterball am Sonntag verabredet haben. Meine Freundin hat vor wenigen Minuten mit mir Schluss gemacht und das auf die tollste Art, die man sich nur vorstellen kann. Aber was erzähle ich ausgerechnet dir das? Du bist doch bloß ein dämlicher Geist, der vom wahren Leben keine Ahnung hat. Du musst doch nur mit deinem Finger zu schnipsen und schon ist jedes Problem Vergangenheit. Du weißt nicht wie es sich anfühlt hintergangen zu werden,… das Gefühl kennst nicht!“ „Ja,… da hast du Recht!“, stimmte Haruka ihm nach einigen Sekunden zu und versuchte mit allen Mitteln ihn nicht anzuschauen, während sie mit ihren Tränen kämpfte, „Ich kenne das Gefühl einen wichtigen Menschen zu verlieren nicht. … Aber du, du kannst dir dafür nicht im Entferntesten vorstellen wie es ist ein Geist zu sein. Jedes Jahr nur drei Tage in dieser Welt verbringen zu dürfen. Jedes Jahr immer wieder einem neuen selbstsüchtigen Jungen seine drei dämlichen Wünsche erfüllen zu müssen. Zu hoffen, dass man nach diesen drei Tagen nicht wieder in eine Kette eingesperrt wird und auf das nächste Jahr zu warten, in dem dann alles von vorne losgeht,… sondern endlich das Glück zu haben wiedergeboren zu werden… wieder ein gewöhnlicher Mensch sein zu dürfen … zu leben und zu lieben!“ Haruka bemerkte nun wie sie schwach wurde und ihr die Tränen nun doch allmählich in die Augen stiegen. Auf einmal kam eine zuvor erfolgreich verdrängte Trauer und unbändige Wut in ihr auf. Ihre angespannten Fäuste begannen unter dem Druck sogar schon zu zittern, als sie ihre Stimme erneut erhob: „Warum? Warum musste ich auch das Pech haben noch eine zweite Chance zu erhalten?… Ich wünschte ich wäre an jenem Tag vollkommen gestorben!“ Den Tränen nun keinen Widerstand mehr entgegenbringend riss sich die junge Frau von ihrem Meister los und lief hinaus aus dem Haus, wo sie erst im Garten zwischen den ganzen Rosensträuchern zum Stoppen kam. Mit schon leicht geröteten Augen setzte sie sich zwischen den einzelnen Büschen nieder und ließ sich von dem wohltuenden Duft beruhigen. Diese Blumen hatten schon immer eine ganz besondere Bedeutung für sie gehabt. Sie konnte sich zwar nicht mehr daran erinnern weshalb, aber das spielte für sie auch keine Rolle. Im Augenblick wollte sie einfach nur dasitzen, ihre Lieblingsblumen betrachten und sich von ihnen trösten lassen. Erschrocken über ihre Worte starrte Shuu noch immer auf die Stelle, an der sie zuvor noch gestanden hatte, denn das eben gehörte musste er erst einmal verdauen. „Und? Bist du jetzt zufrieden? So traurig und wütend habe ich sie die letzten 64 Jahre nicht mehr erlebt. Du hast wirklich ganze Arbeit geleistet, gratuliere!“, kam es ironisch von Pero, bevor er seine Flügel ausbreitete und seinem Schützling hinterher flog. Mit leicht gesenktem Haupt und traurigem Blick schaute der Oberschüler zu Boden. Er bereute sein Verhalten Haruka gegenüber und wünschte sich nun, dass er diese Worte niemals ausgesprochen hätte. Immerhin konnte sie nichts für das, was zwischen ihm und Ayame geschehen war. Und ihm war klar, dass der Schmerz den er im Augenblick in sich fühlte bald vergehen würde und nichts im Vergleich zu Ihrem war. Irgendwo hatte er es auch schon lange vorher geahnt und nur noch darauf gewartet, dass sie sich endlich von ihm trennte. Wenn er jetzt so in aller Ruhe darüber nachdachte, war er eigentlich überhaupt nicht traurig über diesen Verlust, im Gegenteil er fühlte sich irgendwie befreit. Er konnte nicht einmal mehr sagen, warum die beiden überhaupt zusammen waren. Ja, sie waren ein Paar gewesen, aber er hatte nie das Gefühl gehabt sie wirklich von ganzem Herzen zu lieben. Warum waren sie also vor einem Jahr zusammengekommen? Shuu wusste keine Antwort darauf, es ärgerte ihn jetzt nur einwenig, dass er ihr hat die Ehre zuteil kommen lassen ihre ohnehin schon lange zerbrochene Beziehung zu beenden. Aber an dieses Gefühl des Triumphes konnte er nun auch nicht mehr gelangen… oder vielleicht doch? „Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?“, fragte der weiße Vogel vorsichtig nach, als er sich vor dem Mädchen auf den Boden setzte. „Ja… es geht…“, war nach einiger Zeit ihre flüsternde Stimme zu vernehmen, „…ich habe es nur so satt! Warum hat Gott mir eine zweite Chance gegeben, wenn ich im Endeffekt doch nur dazu verdammt bin ewig als Geist die selbstsüchtigen Wünsche der Menschen zu erfüllen? Oder ist dies nun meine Strafe dafür, dass ich ihm immer die kalte Schulter gezeigt und ihm nicht schon früher gesagt gehabe, was ich für ihn empfand?“ „Kleines, hör mal!“, begann der Tauberich, hüpfte auf die angewinkelten Knie seines Schützlings und zwang sie mit einem seiner Flügel ihn anzublicken, „Egal ob es für dich nun die Gnade Gottes oder ein Fluch sein mag… gib die Hoffnung auf ein glückliches Ende nicht auf! Ich glaube an dich und bin felsenfest davon überzeugt, dass du eines Tages als normaler Mensch wieder ein gewöhnliches Leben führen wirst. Aber du selbst musst auch fest daran glauben und die Hoffnung nicht aufgeben, okay?“ Ein leichtes Lächeln zierte Harukas Gesicht, als ihr klar wurde, dass ihr Freund Recht hatte und sie jetzt ohnehin nichts an ihrer Situation ändern konnte. Alles war ihr geblieben war, war ihr Glaube daran, dass Gott schon wusste, was er tat und dass es für sie bald vorbei sein würde. „Haruka! Komm wieder ins Haus, es ist kalt draußen“, konnten die beiden Shuus Stimme vom Inneren des Anwesens eine ganze Weile später rufen hören. Doch die Gerufene weigerte sich ihm einfach so zu vergeben und so zu tun, als sein überhaupt nichts geschehen. Dies teilte sie ihm auch gleich mit: „Ich denke gar nicht daran.“ „Aber ich möchte meinen Wunsch jetzt erfüllt bekommen, also kommen endlich“, konnte sie ihn erneut hören. Seine Worte brachten ihr Blut erneut zum Kochen. Hatte sie ihm nicht eben noch gesagt wie sie sich dabei fühlte von allen immer nur als Dschini benutzt zu werden? Aber offensichtlich hatte er ihr nicht zugehört und wenn doch schien es ihn kein bisschen zu interessieren. – Er war genauso wie all die anderen vor ihm auch! „Ist mir egal, ich werde nicht kommen! Und falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, ich kann dich bis hierher hören. Also sag, was du willst!“, brüllte sie mitten in der Nacht zum Terrasseneingang hinüber. „Ich wünsche aber, dass du zuerst hineinkommst!“ Genervt erhob sich das Mädchen von ihrem Platz zwischen den Rosen und marschierte zurück zur Veranda und hinein zu ihrem ‚Meister’. „Was willst du?“, fragte sie mit einem Blick, der ihm mitteilte, dass sie ihn am Liebsten auf der Stelle auf den Grund des Meeres zaubern würde. Doch das übersah der Grünäugige gekonnt und antwortete mit einem Grinsen: „Nichts, du bist doch schon da!“ Diese Worte verwirrten das Mädchen nun doch etwas. Hatte er nicht gesagt, dass er sich etwas wünschen wollte und sie zuerst ins Wohnzimmer zurückkommen sollte? „Ich wünsche aber, dass du zuerst hineinkommst!“ ‚Was? Kann das wirklich sein? Hat er wirklich seinen Wunsch dazu benutzt, dass ich wieder hineinkomme?’, fragte sich der Geist verwundert in Gedanken, ‚Es muss so sein, denn er hat gesagt, dass er es sich wünscht… und jetzt will er nichts mehr…’ „Also ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber ich verabschiede mich jetzt. Ich habe Kojiro angewiesen dir ein Zimmer fertig zu machen. Also dann, gute Nacht!“ Mit diesen Worten machte der junge Mann auf dem Absatz kehrt und wollte das Wohnzimmer verlassen, als Harukas Stimme ihn noch einmal aufhielt: „Warte, Shuu! … Vielen Dank!“ Lächelnd drehte sich der Angesprochene wieder herum, hob noch einmal die Hand zum Abschied und verschwand in der Richtung seines Zimmers. Er freute sich, dass sie ihm nicht mehr böse war. Nun konnte er ohne Bedenken zu Bett gehen und sich von den Strapazen des Tages erholen, von denen es nicht zu wenige gegeben hatte. Als er so in seinem Bett lag, fragte er sich was wohl am morgigen Tag alles passieren würde. Aber eines war ihm allerdings jetzt schon klar, langweilig würde es mit ihr auf alle Fälle nicht werde! Kapitel 2: Karsamstag - Grabesruhe ---------------------------------- Der nächste Morgen verlief für Shuu um einiges ruhiger, als der Vorherige. Dieses Mal stand niemand unerwartet vor seinem Bett und wartete darauf, dass er aufwachte. Dennoch war er schon um acht Uhr fitt, was bei einem Frühaufsteher nicht ungewöhnlich war. Nach seinem morgendlichen Ritual, das aus duschen, waschen und anziehen bestand, verließ er sein Zimmer und schlich hinüber zum Gästezimmer, in dem er hoffte Haruka vorzufinden. Leise öffnete er die Tür und spähte hinein. Tatsächlich fand er das Mädchen schlafend vor. Gerade als er das Zimmer wieder verlassen wollte, erregte ein Funkeln seine Aufmerksamkeit und bei genauerem betrachten, erkannte er auch war es war. Besorgt schritt er zum Bett, in dem sich die Schlafende befand, doch ehe er irgendetwas tun konnte, flatterte Pero zu ihm hinüber und ließ sich auf seiner Schulter nieder. Dem Blick des Vogels konnte er entnehmen, dass dieser ihm riet den Raum auf leisen Sohlen wieder zu verlassen, was er nach einigen Momenten des Zögerns auch tat. „Morgen Pero! Was ist denn los? Warum hat sie denn geweint, ist sie noch immer wütend auf mich wegen gestern?“, erkundigte sich der 17-Jährige sich besorgt bei seinem neuen Freund. Dieser sprang von seiner Schulter auf den Küchentisch, an dem Shuu gerade eine wohltuende Tasse Kaffee genoss. Ernst blickte der Tauberich den jungen Mann vor sich an und fragte stattdessen: „Shuu, wo hast du ihre Kette? Du wolltest sie ihr doch schon gestern zurückgeben!“ „Ich weiß…“, seufzte der Angesprochene und stellte seine Tasse auf der Fläche vor ihm an, „…aber als ich gestern durch den Park ging, habe ich meine Exfreundin und meinen ehemals besten Freund gesehen und… na ja, danach war ich so aufgebracht, dass ich vergessen habe sie abzuholen. Aber mach dir keine Sorgen, ich gehe gleich los, dann bekommt sie sie beim Frühstück zurück… wann steht sie denn normalerweise immer auf?“ „Du musst sie ihr auf jeden Fall so schnell wie möglich zurückgeben!“, erwiderte der Vogel darauf einfach nur und erntete von seinem Gegenüber dafür nur einen fragenden Blick, warum er es denn so eilig hatte, „Ich weiß, für dich als Mensch mag es schwer vorstellbar sein, aber diese Kette ist ein Teil ihres Herzens. In ihrem gesamten Dasein als Geist war Haruka noch nie ohne sie, denn normalerweise können Menschen wie du sie nicht einmal berühren, wenn sie um ihren Hals hängt. Es ist schon sehr eigenartig und erstaunlich, dass du in der Lage warst sie ihr abzunehmen. Und der Grund weshalb sie geweint hat, ist dass sie von ihrem Herzen getrennt wurde. Sie wird schwächer, Shuu! Allmählich verlassen sie ihre magischen Kräfte und auch die Energie, die sie noch am Leben erhält. Wenn…“ „Ich gehe sofort zum Juwelier; bin spätestens in einer halben Stunde zurück!“ Alarmiert sprang der Grünäugige von seinem Stuhl auf, ließ seinen Kaffee und Pero in der Küche zurück und wies seinen Chauffeur an den Wagen vorzufahren. Ich wünschte ich wäre an jenem Tag vollkommen gestorben! Auf dem Weg zu seinem Ziel kamen ihm erneut Harukas Worte von vorheriger Nacht in den Sinn und ließen ihn nicht mehr los. Gestern hatte er die Gedanken daran einfach beiseite gelegt, als er ins Bett wollte, aber nun… All ihre Worte und Aussagen hatten nur noch mehr Fragen in seinem Kopf hervorgerufen. Er verstand sie einfach nicht, konnte die Umstände und ihre Gefühle auch gar nicht verstehen. Und dennoch tat es ihm Leid und er wünschte sich nichts sehnlicher, als ihr beizustehen und helfen zu können. ‚Seltsam… nicht einmal an Ayame habe ich solch ein Interesse gezeigt und dabei war sie meine Freundin…’ „Pero? Pero, wo bist du?“, rief die Blauäugige nach ihrem gefiederten Freund, als sie sich am Treppengeländer abstützte, um nicht umzufallen. Schnell kam der Tauberich angeflogen, als er ihre Worte vernommen hatte und fragte besorgt nach, was passiert sei. Doch Haruka hielt sich weiterhin mit einer Hand krampfhaft am Geländer fest und mit der Anderen fasse sie sich an den Kopf, als sie antwortete: „Ich weiß auch nicht… ich fühle mich total seltsam, mir ist irgendwie so schwindlig. Wie kann das nur sein? Ich bin nicht mehr krank gewesen, seit ich zum Geist geworden bin. Ich…“ „Haruka? HARUKA!“ ‚Wir haben jetzt halb zehn, ob sie schon aufgestanden ist?’, fragte sich Shuu, als er die Eingangstür hinter sich schloss und sich seine Weg ins Wohnzimmer bahnte, in dem er sich auf das Sofa setzte. Nachdenklich betrachtete er das Schmuckstück in seinen Händen, als Pero plötzlich ganz aufgebracht in den Raum geflattert kam: „Shuu, komm schnell!“ Wie von der Tarantel gestochen sprang der junge Mann wieder auf und folgte dem Tauber bis zur großen Treppe. Dort lag sie. Sie war bewusstlos und ihre Position verriet ihm, dass sie die letzten Stufen hinuntergestürzt sein musste. „Haruka? Haruka, was ist mir dir?“ So schnell er konnte eilte er zu ihr und nahm sie in seine Arme. Ihr Gesicht war zwar schmerzverzerrt und dennoch bekam sie nichts um sich herum mit. Erschrocken musste Shuu feststellen, dass sie allmählich begann durchsichtig zu werden. ‚Verdammt, was soll ich tun? Was kann ich tun?’, fragte er sich panisch in Gedanken, als er Peros aufgebrachte Stimme brüllen hörte: „Leb ihr schnell die Kette um, bevor es zu spät ist!“ Dieser Anweisung folgend öffnete der Oberschüler schnell den Verschluss, legte ihr das Schmuckstück um den Hals und verschloss ihn wieder. Einige Zeit verging und es tat sich nichts. Niemand sprach ein Wort und Haruka regte sich noch immer nicht. Doch dann bemerkten die beiden, dass sie allmählich wieder sichtbarer wurde und der quälende Ausdruck in ihrem Gesicht verschwand. „Das war wirklich knapp! Aber ich frage mich, warum das so plötzlich kam. Normalerweise hätte sie bis morgen Abend nicht beginnen dürfen sich aufzulösen…“, kam es Gedankenversunken von dem gefiederten Wesen. Shuu hingegen hörte ihm gar nicht zu, er war nur froh, dass es Haruka besser zu gehen scheint und mehr zählte für ihn im Augenblick nicht. Vorsichtig hob er das Mädchen auf seine Arme und brachte sie in sein Zimmer, in dem er sie auf sein Bett legte, um auf sie aufpassen zu können. Es vergingen einige Stunden bis Haruka schließlich wieder zu sich kam und allmählich ihre Augen aufschlug. Das Erste, das sie erblickte, war Shuus besorgtes Gesicht, dessen Gesichtszüge sich etwas lockerten, als er sah, dass es ihr besser zu gehen schien. „Was ist geschehen?“, fragte sie verwirrt nach und blickte sich im Raum um. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, was dass sie ihr Zimmer verlassen und nach Shuu gesucht hatte. Was jedoch danach geschehen und wie sie in dieses Zimmer gekommen war, vermochte sie nicht mehr zu sagen. Allerdings fiel ihr sofort auf, dass es sich nicht um das Gästezimmer handelte, in dem sie sich befand. „Wo bin ich?“, kam es erneut über ihre Lippen und ihre zuvor noch recht verschwommene Sicht klärte sich allmählich. „In meinem Zimmer. Als ich wiederkam lagst du bewusstlos auf der Treppe und…“, doch weiter kam der junge Mann nicht, denn er wurde von ihrer aufgebrachten Stimme unterbrochen: „Ich war bewusstlos? Wie konnte das passieren? Ich bin ein Geist, ich kann nicht krank werde, was…“ „Jetzt beruhig dich und ruh dich noch etwas aus!“, wies er sie an und drückte das aufgeschrockene Mädchen sanft zurück in die Kissen, „Dir scheint es wieder besser zu gehen und deine Kette hast du nun auch wieder, alles ist in Ordnung, okay? Tu mir einfach einen Gefallen, sei einfach ruhig und bleib liegen.“ Gehorsam verweilte die Blauäugige in ihrer Position und schaute den Grünschopf fragend an. Dies blieb Shuu natürlich nicht verborgen, weswegen er nach einiger Zeit auch mit einem Grinsen nachfragte: „Was ist? Ich weiß, dass ich unwiderstehlich aussehe, aber ist das Grund genug für dich mich die ganze Zeit über so anzustarren?“ „Was… ich… ähm… ich starre doch gar nicht. Und so toll siehst du auch wieder nicht aus!“, stotterte sie mit geröteten Wangen. Nach dieser Aussage verbreiterte sich sein Grinsen allerdings noch mehr: „Aber ich sehe immer noch gut genug aus, dass du mich anstarrst, habe ich nicht Recht?“ „Du bist wirklich ein eingebildeter Idiot“, versuchte sie zu kontern, doch ihr Widersacher setzte noch einen drauf: „Und du ein ziemlich temperamentvoller Dschini!“ „Ich bin kein…“, wollte der Geist erwidern, als ihr Meister ihr auch einmal eine wunderschöne Rose entgegenhielt. Haruka erkannte diese Rose, es musste eine von denen aus den Büschen im Garten sein, denn sie besaß ebenfalls ganz besonders rote Blütenblätter. Sie hatte über die Jahre schon die verschiedensten Farben und Nuancen gesehen, aber die Blumen in Shuus Garten übertrafen alles Gesehene bei weitem. Der Streit war vergessen, als die Brünette die wunderschöne Pflanze sah und mit einem glücklichen Lächeln nahm sie sie entgegen. „Sag mal… warum magst du Rosen so sehr?“, wollte Shuu nach einigen Augenblicken von ihr erfahren. Es freute ihn sehr, dass sie solch eine Kleinigkeit so sehr erfreute, ganz anders als alle anderen Mädchen, die er bisher getroffen hatte und Ayame war da keine Ausnahme. Nun legte sich ein kleines trauriges Lächeln auf Harukas Lippen: „Wenn ich ehrlich bin, ich weiß es nicht… ich weiß nicht, warum ich diese Blumen von allem mit Abstand am Meisten liebe oder warum sie solch eine beruhigende Wirkung auf mich haben. Vielleicht hat es ja mit etwas aus der Zeit zu tun, als ich noch am Leben war. Ich erinnere mich nicht mehr daran. Aber wann immer ich traurig bin, schaue ich mir Rosen an und nach wenigen Augenblicken geht es mir immer wieder besser.“ „Dürfte ich dich noch etwas fragen?“, bat der junge Mann sie um Erlaubnis, die er auch in Form eines leichten Kopfnickens erhielt, „Gestern hast du gesagt, dass du ein Geist und kein Dschini seiest, ihr würdet unterschiedlich entstehen. Und als ich dich abends angeschrieen habe, da hast du auch einiges gesagt, aus dem ich nicht schlau werde. Aber was mich am Meisten erschrocken hat, war die Tatsache, dass du lieber ‚vollkommen’ gestorben wärest. Ich frage mich was…“ „Dschinis… werden als Dschinis geschaffen, sie existierten nie anders. Geister hingegen…“, sie biss sich auf die Unterlippen und Shuu konnte ihr anmerken, dass es ihr schwer fiel weiter zu sprechen, „…Geister hingegen waren einmal Menschen, die gestorben sind!“ - „Das heißt doch aber dann, dass du schon tot bist. Wie kannst du da von einem ‚vollkommenem Tod’ sprechen?“ - „Nein, ich bin noch nicht tot! Ich bin an jenem Tag zwar gestorben, aber meine Seele ist noch nicht im Reich der Toten. Manche Menschen erhalten von Gott eine zweite Chance. Er gibt ihnen etwas von seiner Kraft ab, damit sie es eines Tages schaffen können wiedergeboren zu werden. Ich weiß nicht, warum ich einer von ihnen bin. Vielleicht liegt es daran, dass ich ihm nicht mehr sagen konnte, was ich für ihn empfinde oder weil ich an einem Karfreitag gestorben bin… ich habe keine Ahnung. Ich erinnere mich nur noch daran, dass alles um mich herum weiß war und eine Stimme zu mir sagte, dass ich jedes Jahr von Karfreitag bis Ostersonntag einem Jungen einen Wunsch pro Tag erfüllen soll. Und sollten es die richtigen Wünsche sein, dass ich dann wiedergeboren werden würde! Seitdem hoffe ich jedes Jahr darauf, das es ein Ende haben würde und das nun schon seit fast 100 Jahren.“ „Und was sind die ‚richtigen’ Wünsche? So wie du es sagst, könnte man meinen, dass du es auch nicht wüsstest oder darfst du es mir nicht sagen?“, neugierig stellte er diese Fragen, denn er wollte ihr, wenn er konnte, helfen aus diesem endlosen Zirkel auszubrechen. Doch das Mädchen blickte nur traurig auf ihre Hände, die das Bettlaken fest umschlossen hielten: „Du hast Recht, ich weiß es nicht… wie denn auch? Und wenn ich es wüsste, hätte ich doch schon längst jemanden gebeten mich zu befreien… ich habe an so vieles keine Erinnerungen mehr. Wenn ich ehrlich bin, steigt mit jedem Jahr, das vergeht, die Angst in mir immer mehr zu vergessen.“ Nun wurde der junge Mann hellhörig: „Du kannst dich noch an Dinge aus deinem Leben erinnern?“ Ein leichtes Nicken war die Antwort, doch noch immer wagte sie es nicht aufzuschauen: „Ja,… aber nicht mehr an vieles… ich erinnere mich nur noch daran, dass ich auf dem Weg nach Hause war. Es hat geregnet, ein richtiges Mistwetter, und dennoch war ich total fröhlich. Ich hielt eine Einkaufstüte in meiner Hand, weil ich mir gerade ein Kleid gekauft hatte, und freute mich schon auf den Tag, an dem ich es tragen würde… und… und…“ „Und? Und was?“, harkte er neugierig nach, bereute es allerdings sofort, als Haruka ihren Blick anhob und ihm direkt in die Augen schaute: „Plötzlich war da so ein grelles Licht. Ich erinnere mich nur noch an das laute Hupen und dass jemanden verzweifelt meinen Namen schrie, immer und immer wieder… das Nächste an das ich mich erinnern kann, ist diese Stimme im Licht.“, sie machte eine kurze Pause und atmete einmal tief durch, um die aufgekommenen Erinnerungen noch einmal verarbeiten zu können, „Aber was erzähle ich dir das denn alles? Immerhin hast du mit dem, was damals passiert ist, nichts zu tun und morgen bin ich ohnehin wieder verschwunden, also vergiss einfach, dass ich überhaupt etwas gesagt habe!“ Der Grünäugige war über diesen plötzlichen Stimmungswechsel etwas erstaunt, ließ sich allerdings nichts anmerken und fragte sie deswegen einfach, ob etwas essen wolle, woraufhin das Mädchen freudig aufsprang und auf seine Anweisung hin schon einmal hinunter in die Küche ging. ‚Was ist denn nur los mit mir? Seltsam, sonst interessiert es mich kein bisschen, wenn irgendjemand Probleme hat oder sich schlecht fühlt, aber bei ihr… warum verspüre ich nur den Drang dazu ihr zu helfen und sie am liebsten in den Arm zu nehmen, wenn es ihr schlecht geht? Verrückt! Und dabei kenne ich sie doch erst seit gestern…’ Über sein untypisches Verhalten und ihre Worte nachdenkend starrte Shuu aus dem Fenster hinaus und versuchte irgendeinen Zusammenhang zwischen dem was geschehen und nun ihre Aufgabe war zu finden, in der Hoffnung, dass es ihm gelingen würde sie von ihrem Fluch zu befreien… oder der Gnade Gottes. „Hey Haruka, hättest du nicht Lust nachher mit mir in die Stadt zu fahren? Du brauchst dringen neue Klamotten!“, stellte der 17-Jährge fest, als er die Blauäugige betrachtete, die die ganze Zeit über in ihrem rosanen bauch- und schulterfreiem Top und dem dazu passenden Rock herumlief. „Wieso? Passt dir etwas an meinen Sachen nicht?“, wollte diese daraufhin von etwas angesäuert von ihm wissen. Doch sie erntete nur ein verschmitztes Grinsen, als er antwortete: „Überhaupt nicht, mir gefällt der Ausblick sehr gut. Ich möchte ihn nur mit niemand anderem teilen müssen, das ist alles!“ Eine hochrote Farbe nahmen nun Harukas Wangen an, als sie verzweifelt versuchte ihren nackten Bauch mit ihren Armen zu bedecken. Doch Shuu grinste sie nur weiterhin amüsiert an, was das Mädchen dazu veranlasste so schnell wie möglich aus seinem Blickfeld zu verschwinden. „Was fällt dir ein? Ihr Männer seid doch wirklich alle gleich!“, brüllte sie ihm entgegen, als sie sich im Wohnzimmer die dort liegende Kuscheldecke krallte und sich über die Schultern legte, um ihren gesamten Körper bis zu den Knien zu verdecken. Als sie wieder zurück in die Küche trat, saß der Hausherr noch immer unverändert vor seinem Teller und schaute sie weiterhin amüsiert an. Noch immer mit etwas rötlichem Gesicht setzte sich der Geist zurück auf seinen Platz und begann damit weiterhin die Nudeln zu genießen. Nach einigen Minuten jedoch wandte sie sich wieder ihrem Meister zu, dessen Blick die ganze Zeit über auf ihr ruhte. „Was ist? Warum starrst du mich die ganze Zeit so an?“ „Ich starre doch überhaupt nicht“, gab Shuu unschuldig von sich, brach jedoch keinesfalls den Blickkontakt ab. Dies wiederum machte Haruka nur noch nervöser, denn sie konnte es überhaupt nicht leiden, wenn ihr jemand so aufdringlich beim Essen zusah. Genervt legte sie die Gabel beiseite, als sie sich wieder ihrem Gegenüber zuwandte: „Natürlich starrst du. Hör auf damit, das stört mich total!“ „Mich stört es überhaupt nicht und außerdem kann ich gar nicht aufhören, selbst wenn ich es wollte!“, kam es freiweg von ihm. Seufzend gab es das Mädchen auf weiter essen zu wollen, es hatte ohnehin keinen Sinn, er würde sie sowieso nicht in Ruhe lassen. Also stellte sie ihm die Frage, von der sie wusste, dass er darauf wartete: „Und warum kannst du es nicht lassen?“ „Weil du zu niedlich aussiehst, wenn dein Gesicht rot wie eine Tomate anläuft, egal ob vor Peinlichkeit oder Wut.“, erwiderte Grünäugige, erhob sich schnell von seinem Platz und schnellst möglich suchte das Weite, denn wie er es bereits vermutet hatte, explodierte das Mädchen einige Sekunden später, nachdem sie realisiert hatte, was genau er da gesagt hatte. Nachdem sich die Blauäugige wieder beruhigt und ihr Mittagessen verzehrt hatte, gab Shuu ihr noch eines seiner Shirts, damit sie ihren nackten Bauch verdecken konnte, bevor sie sich schließlich auf den Weg zum Einkaufszentrum in der Innenstadt machten. Haruka hatte zwar versucht ihn umzustimmen, da es ihrer Meinung nach ziemlich sinnfrei war für diese wenigen verbleibenden Stunden noch Kleidung für sie zu kaufen, doch Shuu bestand darauf und wenn er unnötigerweise Geld für sie ausgeben wollte, so sei es drum. „So, da wären wir. Such dir irgendetwas aus, mit dem du gleich weiterhin herumlaufen möchtest.“, wies er sie an sich umzusehen, was das Mädchen kurz darauf auch tat. Mit Shuu dicht auf den Fersen lief sie durch das riesige Kleidungsgeschäft und suchte nach Alltagsstücken, in denen sie sich wohl fühlen würde. Doch irgendwie wollte ihr nichts so wirklich gefallen, denn in dieser Abteilung schien alles nur für ‚Barbiepuppen’ zu sein und auf ein Top in Bikinistile und einem Minirock, der viel mehr einem überbreitem Gürtel glich, hatte sie überhaupt keine Lust. Also wurde dieser Bereich des Geschäftes so schnell wie möglich wieder verlassen und der Nächste aufgesucht, in dem es auch Stücke gab, die ihren Geschmack trafen. Nach dem Richtigen suchend lief sie jeden einzelnen Gang ab, was dem Grünäugigen irgendwann allerdings zu nervig wurde, weswegen er es sich auf einem Sessel nahe der Umkleide bequem machte und dort dann darauf wartete, dass seine Begleitung zur Anprobe kommen würde. ‚Soll ich sie wirklich fragen? Immerhin weiß ich ja noch nicht einmal, ob meine Vermutung stimmt. Aber selbst wenn nicht, sie hätte sicherlich viel Spaß und ich habe auch nichts Besseres zu tun, also warum nicht? Trotzdem wüsste ich es gerne…’ „Wow, dieser Teil des Ladens gefällt mir wirklich gut, die Sachen hier sind richtig cool!“, wurde er plötzlich aus seinem Gedankengang gerissen, als Haruka zusammen mit einigen Kleidungsstücken in den Armen vor ihm stand. Mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen verschwand sie dann allerdings in eine der Kabinen, aus der der junge Mann sie eine fröhliche Melodie summen hören konnte. Nach wenigen Minuten erhob sich der Grünschopf mit einem Grinsen von seinem Platz und schritt auf den Vorhang, hinter dem sie sich befand, zu. „Bist du fertig? Lass doch mal sehen!“, und mit einer kurzen Handbewegung hatte er auch schon den Vorhang ein Stück zur Seite gezogen und seinen Kopf durch den Spalt gesteckt. Erschrocken fuhr die Brünette herum und blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen an: „Sag mal spinnst du? Was fällt dir ein einfach hineinzuschauen? Du kannst froh sein, dass ich gerade fertig war, sonst hätte ich dich wirklich mit einem Fingerschnippen auf den Grund des Ozeans befördert!“ Von Glück konnte da keine Rede sein. Natürlich war er sich sicher gewesen, dass das Mädchen angekleidet war. Denn der Oberschüler hatte zuvor kein Rascheln von Kleidungsstücken mehr vernommen, weswegen er daraus geschlossen hatte, dass sie in den ersten Sachen nun stecken musste. Und außerdem hatte sie das hängende Stück Stoff nur bis auf einen dünnen Spalt zugezogen gehabt und als er sich ihrer Kabine genähert hatte, konnte er sie für eine Bruchteil einer Sekunde sehen wie sie vor dem dortigen Spiegel stand und sich betrachtete. Ihre Drohung überhörte Shuu einfach mal gekonnt und sagte stattdessen: „Nicht schlecht. Jetzt siehst du zumindest aus wie ein ‚normaler’ Mensch, auch wenn das sicherlich nicht wärst…“ „Es gefällt dir?“, kam es überrascht von ihr, seine gemeine Anspielung bekam sie dabei überhaupt nicht mir. Denn wenn sie ehrlich war, hatte sie eine andere Antwort und einen schnippischen Kommentar wegen des Motivs auf ihrem Top von ihm erwartet. Doch anhand seiner Augen konnte sie ablesen, dass er es ernst meinte. Lächelnd drehte sie sich wieder herum und betrachtete sich noch einmal im Spiegel. Doch je länger sie sich betrachtete, desto mehr verschwand allmählich ihr Lächeln, bis ihr Spiegelbild sie nur noch mit einem traurigen Ausdruck in den Augen anblickte. Shuu bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Jedoch wusste er nicht so Recht, ob er sie fragen oder es lieber unkommentiert dabei belassen sollte. Schließlich entschied er sich für Letzteres und versuchte sie von ihrem trüben Gedanken abzulenken. Dazu kam ihm auch sofort die passende Idee: „Also ich würde sagen, du gibst mir kurz die Sachen, ich gehe zahlen und du ziehst sie wieder an. Und anschließend gehen mir am anderen Ende des Gebäudes in den Laden mit den Kleider und du suchst dir etwas Hübsches heraus, okay?“ Mit mahnendem Blick schaute sie ihn an, der ihm mitteilen sollte, dass er gefälligst aus der Kabine verschwinden und sie nicht beim Umziehen bespannen sollte. Dieser unausgesprochenen Aufforderung kam er natürlich umgehend nach und zog den Vorhang dieses Mal richtig zu. Recht schnell wurde besagter Plan auch in die Tat umgesetzt und Kassiererin wurde darüber noch in Kenntnis gesetzt, damit sie sich auch nicht wunderte, dass Haruka auf einmal mit den Kleidungsstücken des Ladens diesen verließ. „Vielen Dank für die Sachen, Shuu, aber das ist wirklich nicht nötig!“, versuchte die Brünette noch einmal ihn davon zu überzeugen, dass sein Vorhaben reine Geldverschwendung war. Doch was dieses Thema anging, so stieß sie bei ihm auf taube Ohren. „Dort drüben ist es. Ich sage dir, die haben nur die schönsten Kleider. Ich bin sicher, dass auch etwas für dich dabei ist!“, erwiderte er daraufhin nur und legte einen Schritt zu. Plötzlich bemerkte er allerdings wie Haruka abrupt stehen blieb und erschrocken an ihm vorbei schaute. „Was hast du denn auf einmal?“, wollte er von ihr erfahren. Als er sich jedoch herumdrehte, erblickte er niemand anderen als Toshi, der zusammen mit einigen Mädchen vor den Schaufenstern stand und den Gänsen mal wieder sonst etwas erzählte, damit sie ihn bewunderten. Doch das interessierte ihn kein bisschen, viel mehr wollte er wissen, weswegen Haruka wegen ihm so schockiert dreinblickte: „Kennst du den Typen dort hinten?“ Mit diesen Worten holte er sie wieder zurück aus ihrer Trance und als sie bemerkte, was gerade vor sich ging, schüttelte sie nur energisch den Kopf und zog Shuu weiter bis ihrem Ziel. Und der Oberschüler behielt mal wieder vollkommen Recht, dieses Geschäft war einfach umwerfend und es gab wirklich eine sehr breit gefächerte Auswahl an Abendkleidern. Weswegen er ihr unbedingt ein kaufen wollte, wusste sie zwar nicht, aber wenn er meinte… Als kleine Strafe dafür, dass er, aus ihrer Sicht, so verschwenderisch mit dem Geld umging, weigerte sie sich am Ende sogar ihm das ausgewählte Kleid zu zeigen. Dies passte dem jungen Mann überhaupt nicht, wo er doch so neugierig war und sie unbedingt hatte sehen wollen, aber umstimmen ließ sie sich nicht. Sie drohte ihm sogar den Stoff in Staun zu verwandeln, sollte er auch nur daran denken einfach so in die Einkauftüte zu schauen. „Und wohin nun?“, erkundigte sich das Mädchen und schaute sich in der großen überdachten Halle außerhalb des Ladens um. Als Haruka sich allerdings zu ihrem Begleiter herumdrehte, musste sie feststellen, dass dieser seinen Blick starr in eine Richtig gerichtete hatte und sie überhaupt nicht mitzubekommen schien. „Was hast du denn? Warum bleibst du stehen und starrst so in die Gegend?“, fragte sie ihn verwundert, als sich nach einem möglichen Grund umschaute. Doch ehe er auch nur ein Wort über seine Lippen bringen konnte, wurde ihre Aufmerksamkeit auf eine weibliche Stimme in der Menge vor ihnen gelenkt, die den jungen Mann neben ihr rief. „Hi Shuu! Wie ich sehe hast du Haruka ihre Kette zurückgegeben. Was macht ihr beiden hier? Gemeinsam shoppen? Das ist so was von untypisch für dich“, meinte das Mädchen, das Haruka als Shuus Exfreundin ausmachen konnte, lachend. Mit leicht besorgtem Blick schielte die Brünette zu dem jungen Mann hinüber. Einmal um seine Reaktion auf ihr Erscheinen zu begutachten und einmal, weil sie selbst auf diese Fragen wirklich nicht antworten wollte und hoffte, dass dies der Grünäugige übernehmen würde. „Das hier ist das Einkaufszentrum, was werden wir hier wohl machen? Und der Grund, weshalb ich mit dir nicht einkaufen gegangen bin, könnte vielleicht damit zusammen hängen, dass und immer Stunden brauchst und am Ende nur Klamotten kaufst, die aussehen, als hätten die Motten den Stoff fast vollständig aufgefressen“, gab er zynisch als Antwort zurück und blickte sie mit einem überlegenen Gesichtsausdruck an. Diese Worte verletzten Ayame doch sehr, dies konnte Haruka ihr ansehen, weswegen sie auch tadelnd ihren Begleiter anblickte. Diesen interessierte es allerdings herzlich wenige, ob er ihre Gefühle verletzte hatte oder nicht, er hatte nur die Wahrheit gesagt. Und erneut fragte er sich, warum er überhaupt mit ihr zusammen gekommen war, wenn er noch nicht einmal ihren Kleidungsstil mochte. Sie war ein nettes Mädchen, keine Frage, und hatte sich auch nie wie seine Fangirls aufgeführt, dennoch begriff er seine damalige Entscheidung immer weniger. Was hatte ihn, verdammt noch mal, dazu bewogen ausgerechnet sie zu seiner Freundin zu machen? Der Blick des 17-Jährigen verfinsterte sich, als er seinen ehemaligen besten Freund auf sich und die beiden Damen zukommen sah. „Hallo Leute!“, begrüßte der Blauhaarige die Runde und stellte sich gleich Haruka vor, da die beiden sich noch nicht kannten, „Du musst Haruka sein, nicht? Ayame hatte dich gestern schon erwähnt, aber wir sind uns ja leider nicht mehr in der Schule begegnet. Hi, ich bin Kiro!“ „Freut mich…“, lächelnd wollte sie seine dargebotene Hand ergreifen, doch ehe sie diese erreichen konnte, hatte Shuu ihre Hand ergriffen und zerrte sie mit den Worten: „Wir müssen gehen, komm!“, von den anderen beiden weg. Die beiden Schüler konnten sich schon denken, dass es daran lag, dass der Grünäugige zur Zeit nicht gut auf sie beide zu sprechen war und beließen es deswegen dabei. Und so machten sie sich auf den Weg durch die einzelnen Läden, um sich die passende Tracht für den morgigen Ball auszusuchen. Shuu hatte unterdessen mit Haruka im Schlepptau das Gebäude verlassen. Er war wütend, das bemerkte das Mädchen schon allein an seinem Griff um ihr Handgelenk. Es war nicht schmerzvoll, dennoch konnte sie anhand dessen feststellen, dass er ziemlich aufgebracht war, auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Ihrer Meinung nach brachte es allerdings überhaupt nichts, wenn er alles in sich hineinfraß. Lieber sollte er mit ihr darüber reden, denn sie wusste aus Erfahrung, dass man sich danach, egal wie, immer befreit fühlte. „Shuu? Möchtest du darüber reden? Ich..“ „Nein! Reden bringt doch überhaupt nichts. Aber ich möchte, dass du mir meinen zweiten Wunsch erfüllst!“, sagte er mit zorniger Stimme und blickte sie an. Sie konnte es sich nicht erklären, aber irgendwie machte er ihr mit seinem Gesichtsausdruck Angst. Sie hatte es im Gefühl, dass nun etwas, für sie, weniger erfreuliches folgen würde… und sie sollte Recht behalten! „Ich wünsche mir, dass Ayame sich wieder in mich verliebt!“ „Was?“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Ungläubig weiteten sich ihre Augen vor und sie hoffte inständig, dass sie sich verhört hatte. Doch dies hatte sie keineswegs. „Ich will ihr eine Lehre erteilen und ihr Herz brechen, deswegen muss sie sich wieder in mich verlieben“, erläuterte er mit einem fiesen Grinsen seinen Plan. In Haruka machte sich dadurch allerdings nur noch mehr Panik breit und sie spürte wie ihre Augen zu brennen begannen. „Nein…“, kam es heiser über ihre Lippen, während sie mit Tränen in den Augen panisch ihren Kopf schüttelte, „nein, Shuu, bitte! Bitte wünsch dir das nicht. Bitte zwing mich nicht dazu schon wieder gegen die Regeln zu verstoßen, nimm mir nicht noch eine weitere Erinnerung, bitte!“ Flehend ging sie sogar vor ihm auf die Knie und faltete bittend ihre Hände. Es tat ihm tief in der Seele weh sie so zu sehen, auch wenn er sich nicht wirklich erklären konnte, warum. Aber es war ihr richtig unangenehm, dass sie vor ihm sogar schon auf die Knie ging und diese Angst in ihren Augen… allein dieser Ausdruck veranlasste ihn schon dazu seinen Wunsch zurückzunehmen. Er hatte vollkommen vergessen, dass es gewisse Regeln bei den Wünschen gab und diese wollte er auf keinen Fall übertreten. Ihren Worten zufolge hatten dies aber schon einige vor ihm oft genug getan gehabt. Dieser Gedanke brachte Shuus Blut wieder zum Kochen und er frage sich, wie Mensch wirklich so egoistisch sein konnte und seine eigenen Bedürfnisse über die eines Anderes stellen konnte. Auch wenn sie nun ein Geist war, so war sie dennoch einmal ein Mensch gewesen und auch wenn sie nun magische Kräfte besaß, so war sie noch immer ein Mädchen und durfte ebenfalls nicht ungestraft gegen Regeln verstoßen. „Komm, lass uns dort in Café gehen, ja!“ Mit einem Lächeln zog er sie wieder auf ihre Beine und führte sie über die Straße in besagten Laden, dass die umherstehenden Passanten ihn mit zornigen und Haruka mit besorgten Blicken musterten, kümmerte ihn nicht. Der Wunsch wurde nicht erfüllt und damit vergessen, doch nun wollte er genauer von ihr erfahren, was es mit ihrem Worten auf sich hatte, auch wenn er es eigentlich schon wusste. Nachdem sie beide ihre Bestellung aufgegeben und erhalten hatten, versuchte Shuu sie irgendwie zum Reden zu bewegen. Doch wie sollte er dies am Besten anstellen? „Du möchtest jetzt sicherlich wissen, weshalb ich so ausgeflippt bin, nicht? Weißt du… es ist nicht Ayames Schuld, dass ihr beiden zusammengekommen seid… es ist Meine!“, begann sie und wagte es nicht den Blick von ihrem Glas anzuheben. ‚Ihre Schuld? Was meint sie damit? Sie ist doch weder mir, noch Ayame jemals vorher begegnet, oder?’ „Kennst du einen Jungen namens Toshi Oriyata?“, fragte sie ihn schließlich nach einigen Momenten der Stille. Diesen Namen würde Shuu wohl niemals vergessen: „Oh ja… Toshi ist im selben Jahrgang wie ich und versucht immer mit allen Mitteln besser zu sein als ich. Sei es Notentechnisch, im Sport oder bei den Mädchen. Es interessiert mich zwar nicht, ob ich besser bin als er oder nicht, aber er scheint sich einen Narren dran gefressen zu haben, mir in allem Überlegen sein zu wollen…“ „Vor einem Jahr war er mein Meister und… und als er mitbekam, dass dich die Mädchen mal wieder belagerten, weil sie von dir zum Osterball eingeladen werden wollten, wurde er tierisch eifersüchtig. Er verlangte von mir, dass ich dafür sorge, dass du dich in Ayame verliebst, damit du aus dem Weg geräumt wärst und sich die ganzen Mädchen um ihn scharen.“, offenbarte sie ihm ihr vergangenes Handeln und bekam etwas Furcht davor ihn anzuschauen, „Ich konnte ihn nicht davon abhalten und musste somit gegen die Regeln verstoßen. Die dritte Regel ist auch die Einzige, die man missachten kann, bei den anderen beiden ist das nicht möglich. Doch wenn ich dazu gezwungen werde es zu tun, dann trage ich ganz allein die Strafe dafür. Mit jeder Regelwidrigkeit büße ich einen Teil davon ein, das mir als Einziges noch von meiner Zeit als Mensch geblieben ist, Erinnerungen! Mit jedem Verstoß vergesse ich mehr und mehr aus meinem Leben. Inzwischen kann ich mich nicht einmal mehr daran erinnern, warum ich bei meinem Tod eine Einkaufstüte in den Händen hielt. Ich weiß nicht mehr wer der Junge war, der mir damals diese Kette geschenkt hat. Aber meinem Gefühl nach zu urteilen, war er etwas ganz besonderes und wichtiges für mich. Das würde auch erklären, warum ich so an ihr hänge… sie ist das Einzige, das mir niemand nehmen kann. Na ja, das dachte ich zumindest, denn offensichtlich kannst du es, wo du gestern doch in der Lage warst sie von mir zu trennen.“ Shuu hatte ihr die ganze Zeit über aufmerksam zugehört und begriff nun auch was alles hinter seiner Beziehung mit Ayame steckte und weswegen es ihm eigentlich nichts ausmachte, dass sie nun getrennte Wege gingen. Die Wut, die er auf seine Exfreundin und seinen ehemals besten Freund… nein, seinen noch besten Freund, empfunden hatte, war wie vom Winde verweht. Auch dem Geist gegenüber empfand er keinen Zorn. Er konnte ihre damalige Situation nachvollziehen und wusste, dass sie zum einen keine andere Wahl gehabt, zum anderen ihre Strafe schon erhalten hatte, auch wenn er diese ziemlich hart fand. Von Hass erfüllt war er eigentlich nur auf einen und dies war Toshi! Hätte er vorhin schon gewusst, was er Haruka angetan hatte, hätte er ihn eigenhändig dafür büßen lassen. Aber es gab immer noch ein nächstes Mal… Noch immer hatte die Blauäugige ihren Blick gesenkt und wartete auf seine aufbrausende Reaktion auf das eben erzählte, das war ihm klar. Und vermutlich würde sie davor auch nicht aufsehen. Ruhig nahm Shuu einen Schluck seines Getränks zu sich, bevor er sie mit einfühlsamer Stimme fragte: „Fürchtest du dich jetzt mich anzuschauen? Erwartest du, dass ich dich nun anschreie und für alles verantwortlich mache? Oder bangst du um eine weitere Erinnerung, weil glaubst, dass es mir egal sei, ob du leidest oder nicht?“ Sie wusste nicht, was sie glauben oder fürchten sollte. Zu oft hatte sie solch eine Situation schon durchleben müssen. Aber bei Shuu war es irgendwie anders! Als sie es schließlich doch wagte ihm in die Augen zu schauen, konnte sie darin sein bedauern über die vorherigen Meister und die Gewissheit lesen, dass er weder wütend auf sie war, noch seinen Wunsch erfüllt haben wollte. „Glotz keine Löcher in die Luft, beeil dich lieber mal mit deinem Getränk. Immerhin müssen wir noch zum Juwelier und in einen Schuhladen. Nur im Kleid begleitest du mich sicherlich nicht auf den Osterball“, meinte er, sich grinsend eine Strähne aus dem Gesicht schnippend, lenkte er das Thema plötzlich vollkommen von dem Vorherigen ab. „Du willst mit mir auf den Ball gehen?“, fragte sie fassungslos noch einmal nach, ob dies auch wirklich eine Einladung gewesen sein sollte. „Siehst du hier noch jemanden?“, kam die Gegenfrage leicht lachend, was Haruka mit einem Kopfschütteln verneinen musste. „Warum? Gestern noch hast du mich angebrüllt und hättest dir sicherlich gewünscht mir niemals begegnet zu sein. Und jetzt? Warum bist du auf einmal so nett zu mir, Shuu?“ – „Weil ich mir wünsche, dass du wieder glücklich bist und von Herzen lachen kannst,… denn ich mag dein strahlendes Lachen!“ Kapitel 3: Ostersonntag - Auferstehung -------------------------------------- Der nächste Morgen verlief um einiges sorgen- und stressfreier als die vorherigen. Eigentlich war er vollkommen ruhig, geradezu langweilig. Die drei saßen gerade in der Küche und genossen in aller Gemütlichkeit ihr Frühstück… oder besser das Mittagessen, denn am gestrigen Abend ist es doch etwas sehr spät geworden und so hatten sie alle etwas länger in ihren Betten gelegen. „Wow, bin beeindruckt, dass du so gut kochen kannst, Shuu“, lobte sie den jungen Mann, der sich daraufhin, mit der Pfanne in der Hand, zu ihr herumdrehte: „Tja, ich bin eben ein Multitalent. Außerdem habe ich dem Personal heute frei gegeben, ergo, bleibt mir auch nichts anderes übrig, als selbst den Kochlöffel zu schwingen.“ „Ich hätte doch genauso gut kochen können. Ich bin eine Meisterköchin… okay, ich hatte auch einhundert Jahre Zeit es zu lernen“, erwiderte das Mädchen lachend, als sie einen weiteren Bissen ihres köstlichen Omeletts zu sich nahm. Dieser Kommentar wischte Shuu jedoch förmlich das Grinsen aus seinem Gesicht. Damit sie es jedoch nicht sah, widmete er sich schnell wieder seinem eigenen Eiergericht und manövrierte es aus der Pfanne auf seinen Teller, bevor er den Herd abschaltete und sich zu ihr an den Tisch gesellte. Vollkommen in Gedanken versunken begann er in seinem Frühstück herumzustochern. Irgendwie war ihm der rechte Appetit darauf vergangen. ‚Ich habe vollkommen vergessen gehabt, dass Haruka nur für drei Tage hier ist und heute schon der letzte Tag mit ihr ist… Es ist irgendwie eigenartig. Obwohl ich sie erst so kurze Zeit kenne, habe ich mich schon so sehr an sie gewöhnt. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich nicht, dass sie mich für immer verlässt…’ „Ist alles in Ordnung? Du isst ja überhaupt nicht und… was machst du da eigentlich?“, erkundigte sich der Geist besorgt bei seinem Meister. Auch Pero, der dazu seinen Schnabel jedoch nicht öffnete, schaute Grünschopf perplex an. Ihre Worte holten Shuu allerdings sofort zurück in die Realität und als er auf seinen Teller blickte, bemerkte er, dass er sein Omelett inzwischen zu Rührei verarbeitet hatte. „Ähm…“, kam es von dem 17-Jährigen, „…ich habe doch eher Lust auf Rührei und deswegen habe ich mein Omelett kurzerhand umfunktioniert!“ Erwiderte Shuu gelassen nach Außen hin und fuhr sich, wie immer, durch seine grüne Haarpracht. Skeptisch blickte sein Gegenüber ihn an, doch Haruka beließ es dabei, da sie daraus nicht noch ein wohl mögliches Streitgespräch provozieren wollte. Dennoch wollte sie eine erneut aufkommende Stille vermeiden und so suchte sie verzweifelt nach einem Gesprächsthema. Doch so recht wollte ihr keins einfallen, als sie sich auf einmal wieder an die Geschehnisse vom gestrigen Tag erinnerte, der ihr prompt einen guten Gesprächsstoff lieferte. „Sag mal, wo findet der Ball eigentlich statt und wann beginnt er? Immerhin brauche ich Zeit um mich noch rechtzeitig fertig zu machen!“ „Sag mir nicht, dass du auch wie alle anderen Frauen Stunden im Bad brauchst? Warum schnipst du nicht einfach mit den Fingern, dürfte für dich doch keine Problem sein, oder?“, erwiderte er stattdessen darauf, genervt bei dem Gedanken, dass das Bad mal wieder eine Ewigkeit blockiert werden würde. „Tut mir ja schrecklich Leid, aber ich bin nun einmal eine Frau und brauche eben meine Zeit. Im Gegensatz zur Männerwelt interessiert es uns eben wie wir aussehen. Und falls es dir noch nicht aufgefallen sein mag, ich habe meine magischen Kräfte noch kein einziges Mal für solch einen Unsinn benutzt! Ich mag es nun einmal alles wie ein gewöhnlicher Mensch zu tun, dann habe ich nämlich das Gefühl, als ob ich noch einer wäre“, zickte sie ihn an und drehte sich nach ihrer Standpauke beleidigt von ihm weg. Doch Shuu war ja keinesfalls auf den Mund gefallen: „Wenn du wirklich Stunden brauchst, um dich fertig zu machen, dann bist du in der Tat eine Frau! Und falls es dir entgangen sein sollte, egal ob du deine Kräfte einsetzt oder nicht, du bist so oder so noch ein Mensch, weil du noch nicht vollkommen gestorben bist.“ „Musst du mich ständig daran erinnern?“ „Du hast doch damit angefangen, nicht?“ „Ich habe nur danach gefragt, wann der Ball beginnt, mehr nicht! Du hast doch begonnen von meinen Kräften zu sprechen.“ „Ja, weil du gesagt hast, dass du ne Ewigkeit brauchen wirst, um dich zurecht zu machen.“ „Du gibst es also zu?“ „Ich gebe gar nichts zu!“ Während des gesamten Streitgesprächs, das Haruka ursprünglich mal vermeiden wollte, waren sich ihre Gesichter immer näher gekommen. Nun trennten sie nur noch wenige Zentimeter voneinander, doch keiner der beiden wollte ihr wütendes Anfunkelduell durch einen Lidschlag verlieren. „Ähm… die Frage wann und wo das Ganze stattfinden wird, ist aber noch immer unklar.“, versuchte der Tauberich die Aufmerksamkeit der beiden auf sich zu lenken und damit die Anspannung etwas zu lockern. Sein Plan ging auch zum Teil auf. Zumindest entfernten sich ihre Köpfe wieder voneinander und sie setzten sich zurück auf ihre Stühle. Mit verschränkten Armen und noch immer wütender Stimme meinte die Brünette daraufhin: „Wenn Shuu, statt einfach zu antworten, einen Streit anfängt…“ „Ach ja, jetzt bin ich es wieder. 20 Uhr, Sporthalle meiner Schule! Bist du jetzt zufrieden?“, meckerte Shuu zurück und hoffte, dass nun alles wieder in Ordnung sei… tja, da hatte er nur leider falsch gedacht! Wütend donnerte das Mädchen ihre Handflächen auf den Tisch, stemmte sich durch diese auf und schrie: „Nein, bin ich nicht!“, bevor sie die Küche verließ und hinaus in den Garten ging. Zurück blieben nur die beiden Jungs, die ihr verdattert nachschauten. Als Shuu dann den Vogel fragen ansah, nach dem Motto: ‚Was hat die denn jetzt schon wieder?’, konnte der Tauberich nur unwissend mit den Flügeln zucken. „Man… hätte Mutter nicht den Gärtner anrufen können, damit er am Dienstag oder so den Garten macht? Immer muss ich mich um ihre dämlichen Blumen kümmern, dabei sind sie und Vater ohnehin so gut wie nie hier…“, grummelte der Grünäugige nicht sonderlich begeistert vor sich hin. Gerade hatte es sich der junge Mann auf dem Sessel im Wohnzimmer gemütlich gemacht, nachdem er und Pero ihr Frühstuck verspeist und das Geschirr abgespült hatte. Er wollte sich mal wieder seine Lieblingsfilmreihe anschauen, die aus drei Filmen bestand. Zwar herrschte draußen das schönste Wetter, aber das war ihm gleich. Als er jedoch gerade mitten im ersten Teil war, begann das Telefon zu klingeln und anhand des Tones hatte er auch schon sofort gewusst um wen es sich handelte. Aus diesem Grund hatte er den Hörer auch nicht abgenommen sondern den Anrufer auf Band sprechen lassen. Dies war, wie nicht anders von ihm erwartete, seine Mutter, die ihm ein frohes Fest und viel Spaß auf der Feier wünschte, sich dafür entschuldigte, dass sie und sein Vater über die Feiertage nicht zu ihm kommen konnten und ihn anwies sich doch bitte um die Blumen im Garten zu kümmern. Mit anderen Worten, er sollte die Aufgabe des Gärtners übernehmen, den Tag über im auf der Grünfläche schuften und am Abend vollkommen übermüdet zur Party gehen… typisch seine Eltern und das musste dann auch immer alles sofort erledigt werden… Was blieb Shuu also anderes übrig, als sich in seinem Zimmer entsprechende Kleidung anzuziehen und sich an die Arbeit zu begeben. Mies gelaunt ging er erst einmal in den Gartenschuppen, der sich direkt neben dem Haus befand und bewaffnete sich mit allem was er so brauchte. Spaten, Harke, Insektenschutzmittel, Heckenschere, Gieskanne… ‚Moment, wo ist denn die Gieskanne hin? Die hing doch normalerweise immer dort an der Wand… egal, suche ich die eben nachher, habe ohnehin noch genug zu tun.’ Als der Oberschüler jedoch, beladen mit den ganzen Gerätschaften, auf die grüne Wiese trat, erblickte er zu seiner Verwunderung Haruka, die gerade mit einer ihrer Hände die Blüte einer ziemlich ausgetrockneten Rose anhob. Zwar berührten ihre zarten Finger die Blütenblätter nicht, doch je höher sie ihre Hand anhob, desto mehr richtete sich die Pflanze auf und erhielt Stück für Stück ihre ursprüngliche blutrote Farbe zurück. Grinsend ging der Packesel auf das Mädchen zu und ließ die ganzen Utensilien hinter ihr auf den Rasen fallen. „Ich dachte du benutzt deine Kräfte nicht, um dich wie ein normales Mädchen zu fühlen“, sprach er sie mit einem überlegenen Grinsen auf den Lippen an. Die Blauäugige hatte allerdings wenig Lust erneut mit diesem Thema zu beginnen und zu streiten, weswegen sie einfach mit ruhiger Stimme antwortete: „Bei Rosen mache ich eine Ausnahme! Wenn ich durch meine Kräfte das Leben dieser Blumen verlängern kann, dann setze ich sie auch dazu ein. Generell könntest du die Rosen mal öfters gießen, sie wirkten heute doch ziemlich durstig, deswegen habe ich mir auch die Gießkanne geschnappt und ihnen etwas Wasser gegeben.“ „Ach so, und ich habe mich schon gefragt wo das Ding abgeblieben ist… aber warum kümmerst du dich eigentlich nur um Rosen? Ich meine, ich möchte jetzt nicht, dass du mir bei der Gartenarbeit hilfst, das kann ich schon allein, aber irgendwie scheint alles, was du tust und du magst mit ihnen zu tun zu haben“, erläuterte Shuu seine Frage. Lächelnd wandte sich die Gefragte wieder der Pflanze zu, der sie kurz zuvor neues Leben eingehaucht hatte, als sie ihm antwortete: „So genau kann ich es dir eigentlich auch nicht erklären. Aber so weit ich zurückdenken kann, liebe ich diese Blumen. Immer wenn ich traurig bin oder mich einsam fühle, muntern sie mich wieder auf. Sie sind etwas, das sich zum Glück über die Jahre hin nicht verändert. Egal wo ich wieder auf die Erde komme, es gibt überall Rosen und so lange ich sie und Pero habe, kann ich mich mit meinem Schicksal etwas abfinden und es verkraften.“ Nun blickte sie doch Shuu mit einem strahlenden Lächeln direkt an. „Ich bin über die Jahre an so vielen Orten gewesen, habe so viele Rosen gesehen, aber wenn ich ehrlich sein soll, keine einzige Rose war so schön wie die, die du hier in deinem Garten stehen hast. Du scheinst doch normalerweise sehr gut um sie zu kümmern, auch wenn sie die einzigen Pflanzen sind, wie ich sehe…“, lachte sie, weil die übrigen Blumensträucher und Beete im Gegensatz zu den Rosen doch ziemlich verkümmert aussahen. „Könnte vielleicht daran liegen, dass Rosen die einzigen Blumen sind, die ich mag… ich kümmere mich nämlich gerne um sie, aber um den Rest… sagen wir es mal so, ich könnte meine Mutter jedes Mal erwürgen, wenn sie von mir verlangt den Garten auf Vordermann zu bringen!“, antwortete der Grünäugige seufzend, als ihm plötzlich etwas einfiel, „Moment mal… Ayame sagte, dass dir diese Kette sehr viel bedeutet, was ich natürlich auch schon mitbekommen habe. Aber du hast nie gesagt, warum?“ „Ich glaube, dass ich diese Kette von demjenigen habe, den ich in meinem Leben über alles geliebt habe, aber… inzwischen erinnere ich mich ja leider nicht mehr an sein Gesicht… oder ob diese Kette wirklich von ihm ist. Als du sie mir weggenommen hattest, habe ich nur bemerkt, dass ich mich ohne sie irgendwie leer fühle, so als ob ein Teil von mir fehlen würde… Eine alte Legende besagt, dass Gott die Menschen als Paare geschaffen hat und das wir so lange dazu verdammt sind auf Erden zu weilen, bis wir zusammen in Liebe sterben… Vielleicht ist das ja wahr und ich kann mich deswegen nicht von ihr trennen und bin mit ihr verbunden. Ich glaube nämlich, dass er mein anderes Ich war, die zweite Hälfte von mir. Und irgendwie glaube ich, dass ich, bis ich ihn nicht wiedergefunden habe, nicht wiedergeboren werden kann.“ „Du glaubst also an diese Legende und meinst, dass der Junge von damals wiedergeboren wurde und nur darauf wartet von dir gefunden zu werden? Wie stellst du dir das vor, zumal du ihn nicht einmal mehr erkennen würdest. Du solltest lieber aus deiner Traumwelt erwachen und selbst nach einer Möglichkeit suchen wieder ein Mensch zu werden! Denn so wie es aussieht wird Gott dir auch nicht wirklich dabei helfen, wenn du noch nicht einmal weißt was das für Wünsche sind, die dich befreien sollen…“, äußerte Shuu mit ernstem Gesichtsausdruck seine Meinung dazu. Der Angesprochenen war natürlich klar, dass er damit Recht hatte, dennoch: „Ich weiß… aber es gibt mir Hoffnung, mehr als alles andere…“ Eine unangenehme Stille trat zwischen den beiden ein. Keiner wagte es zu diesem Thema noch etwas zu sagen. Shuu wollte ihre Hoffnungen nicht noch weiter zerstören, schließlich hatte er sich noch nie in solch einer Lage befunden und konnte sich dementsprechend auch nicht wirklich in ihre Gefühlswelt hineindenken. Er hatte lediglich seine Gedanken ausgesprochen und wie er handeln würde, aber ob das so richtig war? Haruka hingegen war es unangenehm, dass Shuu sie so belehrte. Sie wusste dass er mit seiner Meinung vollkommen Recht hatte, sie wusste, dass sie irgendwo eine Träumerin war, aber inzwischen wusste sie auch nicht mehr was sie tun sollte. Schon zu oft schon hatte sie versucht die Dinge zu ihrem Vorteil zu lenken und was war hatte sie davon? Es endete jedes Mal damit, dass ihr Erinnerungsvermögen darunter erheblich zu leiden hatte. Inzwischen waren es schon so viele, dass sie bei jedem weiteren Mal eine wichtigere Erinnerung verlor ging. Die letzten Beiden waren wohl ihr bisher schlimmster Verlust gewesen, denn seltsamerweise wusste sie genau, was sie vergessen hatte. Das Gesicht des Jungen, den sie geliebt hatte und gemeinsame Zeit mit ihm, weswegen sie auch nicht wusste, ob der Anhänger ein Geschenk von ihm gewesen war oder nicht. Und nun hatte sie Angst! Angst wohlmöglich alles zu vergessen, sogar, dass sie einmal ein Mensch gewesen war. Nein, das wollte sie nicht riskieren, immerhin waren dies die letzten Erinnerungen, die ihr noch geblieben waren, etwas dass sie überhaupt noch besaß… „Ähm… ich geh mal aus dem Schuppen den Rasenmäher holen, das geht am Schnellsten und ist auch am Wenigsten anstrengend…“, durchbrach der 17-Jährige irgendwann die Stille und wollte sich gerade zurück zum Holzhäuschen begeben, als das Mädchen ihn mit ihren Worten aufhielt: „Du hast doch noch einen Wunsch frei… wenn du es so sehr hasst, warum wünschst du dir dann nicht, dass der Garten komplett gemacht ist?“ „Für so einen Unsinn verschwende ich den Wunsch doch nicht, das kann ich auch selbst machen!“, erwiderte ihr Meister daraufhin und setzte seinen Weg fort. Lächelnd schaute das Mädchen ihm nach und sag dabei zu wie er im Inneren der Hütte verschwand. Erst als sie sich vollkommen sicher war, dass er nichts mitbekommen würde, drehte sie sich zu der weitern Grünfläche herum. Erst betrachtete sie ihre Umgebung ganz genau, damit sie sich ein Bild davon machen konnte, was noch alles getan werden musste, bevor sie schließlich einmal laut mit den Fingern schnipste und sich anschließend wieder den Rosen widmete. Endlich hatte Shuu das monströse Gerät zum Laufen gebracht und war gerade dabei auf diesem aus dem Schuppen zu fahren, als ihm kurz darauf auffiel, dass plötzlich der Rasen gemäht, die Hecke geschnitten und die Pflanzen begossen waren. „Jetzt sag mir bitte nicht, dass du mit den Fingern geschnipst hast! Ich hatte dir doch gesagt, dass ich das selbst machen wollte“, kam es etwas zornig von dem jungen Mann, der nun befürchtete, dass sein dritter Wunsch damit erfüllt wäre und sie ihn nun verlassen müsste. Doch dem schien, bei ihrem Lächeln, nicht so zu sein. „Ich weiß und du hast es dir ja auch nicht gewünscht. Aber ich wollte das machen, also beschwer doch nicht! Es ist so ein schöner Tag, sei doch Froh, dass du ihn jetzt mit etwas anderem verbringen kannst!“, versuchte sie ihn davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung sei und er mit ihrem Handeln nichts zu tun hatte. Seufzend gab sich der Oberschüler also geschlagen und fuhr den Rasenmäher wieder zurück in seinen Unterstellplatz. ‚Na ja, kann ich zumindest den Film in aller Ruhe weiterschauen…’, versuchte auch er das Positive darin zu sehen und begab sich, nachdem er Haruka bescheid gegeben hatte, zurück ins Haus. Die Zeit verging wie im Flug. Inzwischen war er mitten im zweiten Teil, als das Mädchen und ihr kleiner Freund sich schließlich zu ihm gesellten und diesen mit ihm zu Ende schauten. „Möchtest du den dritten Teil noch mit mir schauen oder lieber etwas anderes machen?“, erkundigte er sich bei ihr, als er die DVD aus dem Spieler herausholte und zurück in die Hülle legte. „Mir ist es egal, ist deine Entscheidung!“, erwiderte sie schulterzuckend darauf. Schnell warf Shuu einen Blick auf die Uhr, der ihm verriet, dass es inzwischen kurz vor vier war. Also hatten sie insgesamt noch etwa vier Stunden Zeit, bevor die Feier begann. „Sollen wir dann noch den 3. Teil gucken und noch etwas essen? Oder möchtest du erst essen? Ich weiß ja nicht wie lange du brauchst um dich fertig zu machen…“ Den Streit vom Mittag wegen dieses Themas hatte er noch immer nicht vergessen, weswegen er seinen Satz auch vorsichtig formulierte, um sie nicht erneut in Rage zu versetzten. Bevor Haruka jedoch in der Lage war ihm zu antworten, übernahm dies ihr Magen, der ihnen mitteilte, dass er für die zweite Variante war. Dem Mädchen war es äußerst peinlich, allerdings konnte ihr das niemand verübeln, immerhin hatte sie ziemlich viel Energie verbraucht, als sie den Garten in seinen perfekten Zustand gebracht hatte. „Nach dem ganzen zaubern bin ich doch etwas hungrig geworden…“ „’Etwas’? Wohl etwas mehr.“, erwiderte der Grünäugige lachend, als er sich von seinem Sessel erhob und in Richtung Küche schritt, „Was hättest du den gerne? Sag einfach was du möchtest und ich zaubere es dir, aber auf meine Art.“ „Irgendetwas mit Nudeln wäre super“, kam es begeistert und voller Vorfreude von ihr. ‚Wenn es um ihre Lieblingsspeise geht, dann benimmt sie sich noch immer wie ein kleines Kind. Aber es ist schön diese kindliche und sorgenfreie Seite an ihr mal wieder zu sehen… es ist schon so lange her, dass sie mal wieder alles vergessen konnte.’, ging es dem Tauberich durch den Kopf, als er das Geschehen zwischen den beiden mit einem Lächeln beobachtete. Und so zauberte Shuu, ganz auf seine eigene Weise, seinem Gast ein atemberaubendes Gericht, das das Mädchen mit Genuss verschlang. Auch Pero schmeckte es vorzüglich. Warum Pero allerdings Menschennahrung zu sich nahm, wagte Shuu schon gar nicht mehr zu fragen, immerhin war es auch nicht gerade typisch, dass eine Taube sprechen konnte… „Das war wirklich köstlich, du bist auch wirklich ein Meisterkoch, Shuu!“ „Dem kann ich nur zustimmen!“, bestätigte der Vogel ihre Aussage mit einem kräftigen Nicken. „Das freut mich. Ist mal etwas anderes für andere Leute zu kochen, statt immer nur für sich selbst. Aber ich glaube du solltest dich mal so langsam fertig machen, nicht? Immerhin hast du ‚nur noch’ zwei Stunden bis wir losgehen!“, neckte er sie erneut etwas, dieses Mal jedoch ging das Mädchen nicht auf die Provokation ein, sondern bestätigte ihn nur in seiner Aussage: „Du hast Recht! Ich versuche auch mich zu beeilen.“ „So lange wir noch rechtzeitig zur Feier kommen, kannst du dir Zeit lassen wie du willst“, erwiderte er darauf mit einem sanften Lächeln und fragte sich wie wohl ihr Kleid aussehen mochte, von dem sie ihm verboten hatte es sich vor diesem Abend anzuschauen. „Danke!“, murmelte die Blauäugige daraufhin und begab sich auf den Weg hinauf ins Gästezimmer, doch da fiel ihr noch etwas ein, das sie zuvor noch von ihm erfahren wollte, „Sag mal… hast du dir schon Gedanken über deinen letzten Wunsch gemacht? Ich mein…“ „Kannst du eigentlich auch an etwas anderes denken?“, unterbrach er sie mit zorniger Stimme und blickte sie mit wütendem Gesicht an, „Musst du jedes Mal danach fragen? Warum begreifst du nicht, dass ich mir jetzt einfach nichts wüschen will. Wenn ich etwas habe, dann werde ich es dir schon sagen, also hör auf zu fragen!“ Entgeistert blickten sie sich an, da sie beide über die Worte des Jungens ziemlich erstaunt waren. Beschämt wandte Shuu allerdings kurz darauf seine Augen dem Boden zu, als er seinen Gegenüber mit flüsternder Stimme noch einmal aufforderte: „Du solltest dich fertig machen…“ Nickend bestätigte sie seine Aufforderung und kam dieser auch gleich nach. Nachdem sie gegangen war, ließ ich Shuu seufzend zurück in seinen Stuhl fallen. „Warum machst du es euch beiden nur so schwer? Nur weil du deinen Wunsch aufschiebst, wird sie dennoch nicht länger bleiben können und das weißt du auch!“, richtete sich Pero, der bei ihm geblieben war, an ihn. Erneut war ein Seufzen von Seiten des jungen Mannes zu vernehmen, als er sich schließlich mit seinen Ellbogen auf der Tischplatte abstütze: „Du hast gut Reden, Pero, immerhin siehst du sie nächstes Jahr wieder… aber im Gegensatz zu dir sind mir nur diese drei Tage mit ihr vergönnt. Mir wäre es am Liebsten, wenn sie für immer bleiben würde. Es ist total ungewohnt für mich, jemanden hier zu haben, der mich versteht, sich in meine Gedankenwelt hineinversetzen kann. Obwohl wir uns erst vorgestern begegnet sind, scheint sie mich fast besser zu kennen als ich mich selbst. Sie hat so viel in dieser kurzen Zeit für mich getan und ich? Ich kann im Prinzip nichts für sie tun, als zu hoffen, dass mir irgendetwas einfällt wie ich ihr vielleicht helfen kann. Aber ich kann ja noch nicht einmal nachempfinden wie sie sich fühlt oder was sie alles erleben musste… ich würde sie so gerne verstehen, wie sie mich versteht…“ „Möchtest du wirklich wissen, was damals geschehen ist, wie Haruka gestorben ist? Willst du wirklich alles wissen?“, fragte Pero ihn auf einmal mit sehr ernster Stimme. Verwundert blickte Shuu sein Gegenüber an, da er nicht verstand wie eine kleine Taube ihm das sagen konnte. Dennoch brachte er ein Nicken zustande, woraufhin der Vogel fortfuhr: „Haruka und Shiro,… sie kannten sich seit der Mittelschule. Und der Grund weshalb Haruka Rosen so sehr liebt, ist, weil er ihr bei ihrer allerersten Begegnung eine geschenkt hatte! Sie saß an einem See und das Gesicht wurde vollkommen von ihren Tränen benetzt, denn die Arme hatte gerade ihre Eltern verloren. Als Shiro gerade dabei war einen Strauß Rosen für das Geschäft seines Vaters auszuliefern, sah er sie dort sitzen. Die beiden wurden sehr schnell unzertrennlich und er half ihr dabei, so gut er konnte, sie immer wieder von ihrem Kummer abzulenken, er wollte sie glücklich sehen. Es dauerte auch nicht lange, da waren sie beiden unsterblich ineinander verliebt, aber Haruka zog es vor ihn etwas zappeln zu lassen und wies ihn deswegen immer wieder zurück, doch das hielt Shiro nicht davon ab es weiterhin zu versuchen, denn er dachte sich, dass sie einfach nur Angst hätte am Ende wieder jemanden zu verlieren… Zu ihrem 16. Geburtstag schenkte er ihr dann diese Kette und lud sie auf den Osterball ein, der wenige Wochen danach stattfand und sie sagte zu. Doch als sie vom Einkaufen zurückkam, geschah etwas Unvorhersehbares! Diebe waren in die Bank eingebrochen, doch die Polizei war ihnen dicht auf den Fersen. Ihre Kutsche erwischte Haruka, als sie gerade die Straße überqueren wollte und das leider so schlimm, dass sie an den Folgen verstorben ist. Das Licht, von dem sie dir erzählt hat und die gehörte Stimme, stammten von der Laterne der Kutsche und Shiro… der Arme musste mir ansehen wie seine Liebe in seinen Armen verstarb und konnte nichts dagegen tun… Im Gegensatz zu ihm konnte mit meinen Augen sehen, wie ich ihre Seele vom Körper löste, jedoch nicht ins Totenreich einkehrte. Stattdessen gab Gott ihr etwas von seiner Kraft und hält sie seit dem am Leben. Damit wurde ich zu Harukas Schutzengel und damit beauftragt ihr dabei zu helfen wiedergeboren zu werden.“ „Aber wenn du ihre ganze Geschichte kennst, warum erzählst du sie ihr dann nicht? Ich bin mir sicher, dass sie sich danach wesentlich besser fühlen würde…“, wollte Shuu von ihm erfahren, auch wenn er noch immer erst einmal das eben gehörte verkraften musste. „Ich kann nicht! Es ist mir strengstens untersagt mich in ihre Erinnerungen einzumischen und auch du wirst es ihr nicht erzählen können, selbst wenn du es möchtest, sie würde deine Worte nicht hören. Somit ist das Einzige, das ich wirklich für sie tun kann, den richtigen Jungen zu, der ihr mit seiner Kraft hilft aufzuerstehen und ihr Mut zusprechen, wenn sie dabei ist sich aufzugeben…“, erläuterte Pero seine Möglichkeiten, als er seinen Blick schließlich auf die Uhr fallen ließ, „Du solltest dich auch langsam fertig machen! Und versuch nicht ihr irgendetwas zu erzählen, es hat ohnehin keinen Sinn. Genieße lieber die verbleibenden Stunden mit ihr und bete weiterhin, dass du ihr am Ende des Tages irgendwie geholfen hast.“ Mit diesen Worten flog das gefiederte Wesen hinauf in Harukas Zimmer, die er schließlich im Bad anfand. Wortlos flatterte er in den Raum und ließ sich auf dem Handtuschschrank hinter ihr nieder. Einige Zeit lang kämpfte er mit sich selbst, ob er wirklich etwas sagen oder lieber doch den Schnabel halten sollte. „Haruka? Darf ich dich etwas fragen?“, begann Pero vorsichtig, als er dem Mädchen dabei zuschaute wie es sich die Haare hochsteckte. „Na klar, frag doch!“, forderte sie ihn auf während sie mit kleinen Klammern versuchte die Frisur zum Halten zu bringen. Sie hatte ihn sofort bemerkt, als er ins Bad geflattert kam, was allerdings zu sehr auf ihr Haar konzentriert, um etwas zu sagen. „Du magst ihn, habe ich Recht?“, kam es direkt aus seinem Schnabel, denn dem Tauberich war das Knistern in der Luft, wenn sie die beiden gegenüberstanden keineswegs entgangen. Erstaunt über seine Worte drehte sich die Gefrage zu ihm herum und schaute ihn mit weit geöffneten Augen an. Doch einige Momente später drehte sie sich wieder zu ihrem Spiegel herum. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht und leicht verlegen betrachtete sie ihr Spiegelbild, bevor sie schließlich antwortete: „Er ist so anders, als die anderen, denen ich in dem letzten Jahrhundert begegnet bin. … Was er für mich getan hat, dass…“ „Du weißt aber noch,… dass du nicht für immer bei ihm bleiben kannst?“, erinnerte sie ihr bester Freund an die Regeln. Seufzend schaute sie den Vogel durch den Spiegel an. „Ich weiß…“, antwortete sie betrübt, „Das erste Mal in meinem Dasein als Geist… spüre ich ein solches Gefühl. Ein Gefühl der Zuneigung, der Liebe… und wenn ich an Shuu denke, dann frage ich mich wie er wohl gewesen sein mag. Was war das für ein Mensch, dem ich damals vielleicht sogar mein Herz geschenkt hatte? War er genauso wie Shuu? Oder war er das genaue Gegenteil? Wie haben wir uns kennen gelernt und wie hat er wohl ausgesehen?… All diese Fragen, die ich mich immer geweigert habe zu stellen, daran zu denken, kommen mir nun in den Sinn. Doch es ist aussichtslos, denn ich werde es ohnehin niemals mehr wissen.“ „Haruka, ich…“, doch Pero brach ab. Er durfte und konnte es ihr nicht sagen, so sehr er es sich auch wünschte, er durfte es einfach nicht. „Es tut mir Leid!“, sprach er schließlich traurig sein Beileid aus und senkte das Köpfchen. Mit einem traurigen Lächeln ging der Geist auf ihn zu und nahm ihn behutsam auf seine Hände: „Das muss es nicht, Pero! Es war ja von Anfang an klar, dass ich nicht bleiben kann. Heute Abend ist alles vorbei! Sobald die Uhr zur Mitternachtsstunde schlägt, verschwinde ich wieder von dieser Welt und kann auch nie wieder zu ihm zurück… und trotzdem möchte ich diese kurze Zeit des Glücks, die ich im Augenblick verspüre, so lange wie möglich festhalten und genießen. Denn wer weiß, wann ich es noch einmal zu spüren bekommen werde…“ „Willst du mir das Kleid etwa noch immer nicht zeigen?“, kam es lachend von dem jungen Mann. Er wartete bereits fertig gekleidet im Eingangsbereich, als Haruka die Treppenstufen hinunter stieg. Sie sah wunderschön aus, wie er fand, auch wenn das Kleid von ihrem langen Mantel verdeckt wurde. „Das hast du richtig erfasst, du wirst wohl bis zum Ball warten müssen, wie ich es dir gesagt hatte!“, erwiderte sie darauf ebenfalls lachend. Grinsend schüttelte der 17-Jährige seinen Kopf, als er ihr schließlich seinen Arm darbot, in den sie sich mit vergnügen einharkte. „Ich denke wir werden spätestens gegen elf Uhr zurück sein, nur damit du bescheid weißt“, informierte der Grünäugige Pero, bevor sich die beiden anschließend auf den Weg zum Schulgebäude machten. „Hallo Shuu, heute ohne Begleitung?“, begrüßte ihn einer der Securityleute, den er schon von den letzten Jahren her kannte. Lachend verneinte der Gefragte und sah sich nach seiner Begleiterin um, die sich noch bei den Garderoben befand, in der sie den Mantel abgeben wollte. „Ah, da ist… sie…“, kam es nur noch brüchig über seine Lippen, als das Mädchen in ihrer vollen Schönheit erblickte und auch sein Gesprächspartner blickte sie fasziniert an, was er Shuu fragte, um ganz sicher zu gehen: „Das ist deine Begleitung? Sie sieht eher aus wie ein Engel!“ Doch der Oberschüler bekam seine Worte schon gar nicht mehr mit. Er konnte nichts anderes tun, als sie mit begeisterten Augen anzuschauen. Shuu fand sie ja vorhin schon umwerfend, dieses Kleid setzte jedoch noch einen drauf. Wie für sie maßgeschneidert legte sich der schwarze Stoff um ihren Körper, wobei die dunkle Farbe die große rote Rosenblüte im unteren Rockteil sehr zur Geltung brachte. Und aufrecht gehalten wurde das Gewand lediglich über zwei Enden, die hinter ihrem Hals zusammengeführt waren. Auch ihre besondere Halskette und etwas längeren Ohrringe, sowie das dezente Make-up unterstrichen ihre Schönheit. Und wie von selbst trugen Shuus Füße ihn ihr entgegen, wobei er nicht fähig war den Blick von ihr zu nehmen. Dies entging Haruka natürlich keinesfalls, weswegen sie etwas verlegen zu Boden schaute, bevor sie ihn fragte, ob es ihm gefallen würde. Der Gefragte antwortete allerdings lediglich mit einem zufriedenen Grinsen und führte in die umfunktionierte Sporthalle, die schon recht gut gefüllt war. Als erstes organisierte Shuu für sie beide einen Becher köstlichen Punsch. Doch die traute Zweisamkeit wurde schnell von den Freunden und Klassenkameraden des Jungen beendet, da sie sich zu den beiden gesellten und sie in Gespräche verwickelten. Immerhin wollten doch alle die ‚Neue’ kennen lernen und wissen wie es dazu kam, dass die beiden heute Abend gemeinsam hierher gekommen waren. Da sie ihnen wohl schlecht die Wahrheit erzählen konnten, also dass Haruka eigentlich ein Ostergeist und kein richtiger Mensch mehr war, erfanden die beiden auf die Schnelle gemeinsam eine Geschichte. Dadurch, dass allerdings immer wieder irgendjemand etwas Neues über sie wissen wollte und wie auch immer weiter nachfragten, weiß Gott warum, kamen die beiden leider nie zum Tanzen. Auch wenn es den Anschein machte, dass sich Haruka auch so ziemlich gut amüsierte, so wollte Shuu viel lieber diese wenigen Stunden mit ihr allein verbringen, weswegen er sich einen Plan ausdachte, um sich von den anderen abzuseilen. Doch ehe er diesen in die Tat umsetzten konnte, fiel sein Blick zufällig auf jemand ganz bestimmten, der sich auf der Tanzfläche befand und beim Anblick diesen begann sein Blut zu kochen. Wutentbrannt donnerte er sein Glas auf den Stehtisch und ging auf die Tanzfläche, auf sein Ziel zu. Mit einer schnellen Handbewegung entzweite er das dort tanzende Paar und ehe sich der junge Mann versah, hatte Shuu ihm auch schon seine Faust ins Gesicht geschlagen, wodurch er zu Boden ging. „Sag mal, spinnst du? Was fällt dir ein? Hast du noch alle Tassen im Schrank?“, fragte der Geschlagene, sich seinen Kiefer haltend. Der Grünäugige ging allerdings nur neben ihm auf die Knie und ergriff ihn wütend am Kragen: „Du selbstsüchtiger Dreckssack hast nichts anderes verdient! Warte nur, bis ich mit dir fertig bin, danach wirst du dich im Krankenhaus wieder finden und dein ach so makelloses Gesicht wird vollkommen entstellt sein.“ Erneut wollte der 17-Jährige auf sein Opfer einschlagen, doch seine vorherige Tat blieb natürlich nicht unbemerkt und so wurde von Kiro aufgehalten, der ihn zurückhielt, bevor es die Securityleute tun konnten: „Alter, beruhig dich doch. Er ist es nicht wert!“ „Was habe ich dir denn getan?“, wollte Toshi unschuldig von ihm wissen, als er sich wieder aufrecht hinstellte. Diese Worte seinerseits versetzten Shuu allerdings noch mehr in Rage. Auch Haruka war inzwischen zu ihnen getreten und versuchte ihren Meister ebenfalls daran zu hindern auf seinen Gegenüber weiterhin einschlagen zu wollen. „Das wagst du noch zu fragen? Wo di ihr letztes Jahr so viel Leid zugefügt hast?“, erwiderte er daraufhin und deutete auf die Brünette, die nun erschrocken dreinblickte. Toshi hingegen schien wirklich keine Ahnung zu haben, wovon Shuu gerade sprach, was er ihm auch sofort mitteilte: „Wovon redest du eigentlich? Ich habe dieses Mädchen noch nie in meinem Leben gesehen!“ - „Lügner! Letztes Jahr um diese Zeit, da hast du…“ Weiter kam der junge Mann jedoch nicht, da das Mädchen neben ihm eine schallende Ohrfeige verpasst hatte, um ihn am Weitersprechen zu hindern. Alle umherstehenden hielten inne, selbst Kiro war so erstaunt, dass er seinen besten Freund losließ und stattdessen die Neue anblickte. Auch Shuu selbst war nicht weniger erschrocken und wollte ihn ihren Augen einen triftigen Grund für ihr Handeln erfahren. Jedoch blickte diese nur betrübt zu Boden und murmelte, so dass es nur Shuu und die Personen in nächster Nähe mitbekamen: „Du hast ihn doch gehört, er kennt mich, Shuu… hör auf und lass uns bitte gehen!“ Widerwillig nickte der Oberschüler zur Bestätigung und begann ihr hinaus zu folgen, allerdings nicht ohne Toshi noch einmal einen gehörigen Schlag zu verpassen, der ihn erneut zu Boden beförderte. Schweigend liefen die beiden mit langsamen Schritten nebeneinander durch die verlassenen Straßen. Shuu sagte kein Wort, weil er noch immer stark mit der aufgekommenen Wut zu kämpfen hatte und nicht verstand, weswegen Haruka ihn und nicht Toshi eine verpasst hatte. Dem Mädchen hingegen tat die Ohrfeige sehr leid, doch sie hatte in diesem Moment keine andere Möglichkeit gesehen, es war mehr eine Art Reflex gewesen… Sie wusste jedoch, dass sie ihm eine Erklärung schuldig war: „Tut mir Leid wegen der Ohrfeige, das wollte ich nicht… aber du hättest in deiner blinden Wut fast mein Geheimnis verraten und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hätte dir schon vorher sagen müssen, dass sich Toshi nicht mehr an mich erinnert, er hat die Wahrheit gesagt. … Meine Meister vergessen mich alle, wenn ich sie verlasse und all die Wünsche, die ich erfüllt habe, fließen in ihren Alltag der drei Tage ein, ihr Gedächtnis wird dementsprechend verändert.“ „Das heißt, dass ich dich auch vergessen werde, wenn du mich heute Nacht gehst?…“ „Ja! Es tut mir leid… aber es wird dir wie ein ganz normales Osterfest vorkommen und auch alle anderen, die mich heute gesehen haben, werde mich vergessen.“ Erneute Stille trat ein, die dieses Mal allerdings nicht lang anhielt, da der aufgekommen Frühlingsschauer Laute mit sich brachte. Haruka genoss sichtlich das Nass auf ihrer Haut, als sie Regentropfen auf sie beide niederprasselten. Shuu hingegen betrachtete sie einfach nur mit traurigem Blick. Er wollte sie unter keinen Umständen vergessen, denn für ihn war die Begegnung mit ihr sehr wichtig, dennoch wusste er, dass er nichts dagegen tun konnte. Ihm tat es nur Leid, dass sie mal wieder die Einzige war, die darunter zu leiden hatte. „Schade, dass der Abend schon vorbei ist, es war wirklich sehr lustig, aber ich hätte sehr gerne wenigstens einmal mit dir getanzt…“, erklang auf einmal ihre zarte Stimme zwischen den Lauten der Wassertropfen. Sie hatte Recht mit ihren Worten, denn auch er hatte unbedingt mir ihr tanzen wollen. Doch der Abend war ja noch keineswegs vorbei. Der Ball vielleicht schon, aber auf keinen Fall der Abend, denn es blieb ihnen noch immer etwas Zeit… Grinsend schnippte sich Shuu eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht, als er daraufhin sanft mit seiner rechten Hand ihr linkes Handgelenk umschloss. Verwirrte blickte sein Gegenüber ihn an, doch ehe sie sich versah, hatte er sie auch schon mit einem leichten Ruck zu sich gezogen und war an Tanzhaltung übergegangen. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“, flüsterte er ihr ins Ohr und begann damit sie sicher zu führen. Musik brauchten sie dazu nicht, denn sie fanden sofort ihren eigenen Rhythmus und achteten ohnehin nur auf den jeweils anderen, während sie elegant im Regen auf der menschenleeren Straße tanzten. Gekonnt ließ Shuu sie eine Umdrehung von sich weg vollziehen und ebenso stilvoll holte er sie wieder an sich heran. Dieses Mal hatte Haruka dabei aber zu viel Schwung und so kam sie erst ganz dicht vor ihm zum Stehen. Tief schauten sich die beiden in die Augen, als sie so dicht beieinander weiterhin kleine Schritte vollzogen. Und ohne es zu bemerken wurden sie immer langsamer dabei, bis sie schließlich gänzlich zum Stillstand kamen. Lächelnd schaute Shuu sie an, seinen Blick nie von ihren Augen entfernend, als er langsam seinen Kopf senkte und die wenigen Zentimeter, die ihre Lippen noch voneinander trennten, überbrückte. In den Kuss hineinlächelnd erwiderte Haruka ihn und genoss dieses Gefühl in vollen Zügen. Auch Shuu wünschte sich innerlich, dass es niemals enden würde, doch viel zu schnell fuhren die beiden wieder auseinander, als ein heller Blitz und lautes Donnern durch den Himmel über ihnen zogen. Lachend schauten die beiden sich an, als Shuu ihr vorschlug: „Lass uns lieber schnell zurückgehen!“ Vollkommen durchnässt, aber glücklichen, kamen sie nach wenigen Minuten auch schon in der Villa an. Kaum hatten sie das Gebäude betreten, zog der junge Mann sie wieder zu sich, um mit ihr einen weiteren leidenschaftlichen Kuss zu teilen. „Ich liebe dich!“, flüsterte er ihr irgendwann zu, als sie sich gegenseitig in den Armen lagen. Haruka machten diese Worte unendlich glücklich, denn auch sie empfand dieses Gefühl für ihn. Doch sie wusste genau, dass daraus nichts werden konnte. Dennoch lag ihr sehr viel daran diese Worte endlich einmal auszusprechen: „Ich…“ „Hier! Das möchte ich dir noch schenken, bevor du gehen musst…“, unterbrach er sie allerdings und holte aus seiner Jackentasche eine kleine Schatulle hervor. Mit einer kurzen Handbewegung öffnete er diese und zum Vorschein kam ein wunderschöner, silberfarbener Rosenring. „Dieser Ring hat einmal meiner Großmutter gehört. Sie hat ihn mir gegeben und gesagt, dass ich ihn dem Mädchen schenken soll, das ich von ganzen Herzen liebe!“, erzählte er und steckte ihr den Ring an, als auf einmal die große Wohnzimmeruhr begann das Ende des Tages einzuläuten, „In einer Minute wirst du gehen, ich werde meiner Erinnerungen an dich verlieren und wir werden uns nie wieder sehen… dennoch möchte ich, dass du ihn bekommst. Er soll dir Hoffnung auf deine Wiedergeburt geben. Vielleicht begegnen wir uns ja in deinem neuen Leben einmal und wenn es soweit ist, dann möchte ich, dass du für immer bei mir bleibst!“ Kaum hatten diese Worte seine Lippen verlassen, vereinten sich ihre Lippen erneut. Er hatte gesagt, was er sagen wollte und musste und nun wollte er die letzten verbleibenden Sekunden einfach nur genießen. „Ich liebe dich … ich liebe dich!“, flüsterte er immer wieder zwischen den einzelnen Küssen, während ihm unaufhaltsam Tränen die Wangen hinunter liefen, ebenso wie ihr. „Ich wünschte du könntest für immer bei mir bleiben…“, waren seine letzten Worte, als die Uhr zwölf Schlug und er bemerke wie sich das Mädchen in seinem Armen allmählich auflöste und nach wenigen Sekunden vollkommen verschwunden war. Am Dienstag hieß es wieder: Schule! Die freien Tage waren vorüber und nun mussten sich die Schüler wieder auf den Alltag einstellen, so auch Shuu, obwohl diesem das überhaupt nicht passte. Den ganzen gestrigen Tag hatte er in seinem Bett verbracht und nichts anderes getan, als sich traurig hin und her zu wälzen oder einfach die Decke anzustarren. Seine ganzer Tag, seine ganze Gedankenwelt war erfüllt von: Ihr! Ja, er konnte sich noch an sie erinnern, sein Gedächtnis wurde seltsamerweise nicht verändert. Dennoch änderte dies nichts an der Tatsache, dass er sie schrecklich vermisste und sich immer wieder fragte, ob er sie eines Tages wieder sehen würde. Es war gerade Mittagspause und die gesamte Schülerschaft hatte sich in der Cafeteria zum Essen eingefunden. Zwar saß Shuu wie üblich bei seiner Gruppe, aber er bekam nichts von seinem Umfeld mit… als er plötzlich ein ihm vertrautes Lachen hörte. Erstaunt schaute er sich in Saal um und versuchte verzweifelt den Ursprung zu finden, doch vergeblich, er fand die Besitzerin einfach nicht. Da erklang er erneut und dieses Mal bekam er es wesentlich deutlicher mit, da er seine volle Aufmerksamkeit darauf gelenkt hatte. Dort! Dort sah er etwas! Dort stand eine Gruppe von Mädchen, die sich fröhlich unterhielt und unter diesen ganzen Stimmen, konnte er diese Eine ebenfalls ausfindig machen. Entschlossen herauszufinden wer die Besitzerin war, erhob er sich von seinem Platz und ging auf die Gruppe zu, in der sich auch Ayame befand, die ihn sofort bemerkte. „Hallo, Shuu! Kennst du schon unsere neue Mitschülerin? Ihre Familie ist über Ostern hierher gezogen und heute ist ihr erster Tag an unserer Schule!“, informierte sie ihn. Mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht drehte sich besagtes Mädchen zu ihm herum und streckte ihm ihre Hand entgegen. An dieser fiel ihm sofort ein silberner Ring auf und als er sie direkt anschaute, die Kette, die sie um ihren Hals trug. „Hallo, Shuu! Mein Name ist Haruka Safáia, freut mich dich kennen zu lernen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)