Katz und Maus von Lyessa ================================================================================ Kapitel 5: Wie man sich bettet, so liegt man -------------------------------------------- Langsam zog Varis sich die Tunika über den Kopf und ließ sie über seinem Umhang auf den Stuhl fallen, der mit einem weiteren an einem mitgenommen wirkenden Tisch stand. Eine einsame Kerze darauf sorgte für schwache Beleuchtung und ließ neben Tisch und Stühlen noch ein altes, aber frisch bezogenes Bett und einen kleinen Schrank erkennen. Der ganze Raum war nicht besonders groß, aber Varis fühlte sich hier wesentlich wohler als in dem großen Zimmer, das ihm Alanas Vater zuvor andrehen wollte. Er hatte sich sehr fürsorglich gegeben, Varis ein riesiges Mahl aufgetischt und ihm einen Met nach dem anderen einschenken wollen. Das meiste hatte Varis noch ablehnen können – er war es nicht gewohnt, abends so viel zu essen und von diesem Kerl abfüllen lassen wollte er sich erst recht nicht. Mit einem leisen Seufzen trat Varis an das Fenster heran, schloss die Augen und lehnte seinen Kopf gegen die kühle Scheibe. Er musste sich allerdings eingestehen, dass er wohl doch einen oder zwei Becher zu viel getrunken hatte. Aber dieser Mann war so aufdringlich gewesen, dass Varis ihn einfach nur noch schnellstmöglich hatte loswerden wollen. Er war froh, wenn er sich am nächsten Morgen etwas anderes zum Übernachten suchen konnte. Ein Klopfen ließ ihn herumfahren, die Hand bereits automatisch an der – leider immer noch leeren – Messerscheide an seinem Gürtel. Fluchend fuhr er sich mit allen zehn Fingern durch die Haare und ging dann zur Tür. Er musste sich besser unter Kontrolle halten. Verdammter Alkohol. Zum Glück stand für heute Nacht kein Auftrag an. Etwas schwungvoller als nötig öffnete er die Tür und blickte überrascht und misstrauisch Alana an, die mit einer Kerze und einem kleinen Stoffbündel in der Hand im Gang stand. „Was ist?“ „Ich...“, sie zögerte und sah sich um. „Kann ich kurz reinkommen?“ Einen Augenblick starrte er sie unschlüssig an und konnte nicht verhindern, dass sein Blick tiefer wanderte und über ihr gewagt knappes Nachthemd glitt. Schließlich trat er einen Schritt beiseite und schluckte unwillkürlich, als sie an ihm vorbeirauschte. Verdammt. Nicht hier, nicht jetzt. Es gab schließlich bald einen Auftrag für ihn in diesem Dorf. Einfach zusammenreißen. Er verharrte noch kurz, wartete, bis sie weit genug ins Zimmer gegangen war um einen erträglichen Abstand zu ihm zu haben und schloss dann die Tür. „Was willst du?“, fragte er, während er sich umdrehte. Alana stellte gerade die Kerze auf den Tisch neben die andere, das Bündel schon neben das Bett auf den Boden gelegt, und lächelte ihn dann über die Schulter hinweg an. „Ich habe doch schon gesagt, dass ich nicht glaube, dass du dich nicht einsam fühlst.“ Ihre Stimme war leise, lockend. „Jeder Mann hat seine Bedürfnisse. Du etwa nicht? Und ich habe mich noch gar nicht richtig bei dir bedankt.“ Varis schluckte abermals, als sie sich schwungvoll umdrehte und ihn nun ganz offen anlächelte. Nicht fröhlich, nicht übertrieben heiter wie den ganzen Nachmittag. Dieses Lächeln war anders. Sanfter, subtiler. Einladend. Anziehend. Verdammt! Warum fiel es ihm so schwer, sich richtig zu konzentrieren? War das der Met? So viel hatte er doch gar nicht getrunken. Mühsam kratzte er die letzten Reste eisernen Willens zusammen und verschränkte die Arme. „Was willst du?“, wiederholte er seine Frage. Er konnte sich die Antwort denken und musste sich eingestehen, dass er gerade alles andere als abgeneigt wäre. Aber er wollte dem nicht nachgeben. Er durfte nicht. Alana setzte sich in Bewegung, ging langsam auf ihn zu. Er hatte schließlich seine Prinzipien. Mit jedem Schritt lächelte sie verlockender. Keine Frauen, wenn ein Auftrag anstand. Knapp vor ihm blieb sie stehen, fuhr mit ihren Händen ihren Hals hinab. Kein Alkohol, bevor er zu einem Auftrag loszog. Ihre Finger strichen über ihre Schultern, streiften die Träger zur Seite ab. Kein... Mit einer einzigen, fließenden Bewegung glitt das Nachthemd zu Boden. Ach, verdammt! Zum Teufel mit den Prinzipien! Ein Schritt und er war bei ihr, packte sie um die Taille und zog sie an sich. Einen Moment verharrte er so, erwiderte ihren nach wie vor einladenden Blick. Sie hatte es geschafft. Viel Widerstand hatte er nicht aufbringen können, spürte er doch deutlich das Verlangen, wie es mehr und mehr von ihm Besitz ergriff. Erst hatte sein Verstand die weiße Fahne gezückt und sich gefügt, nun folgte der Rest. Von ganz alleine schien er sich vorzubeugen, zu einem Kuss anzusetzen, in den er all das Begehren legte, das in ihm wogte, ihn mit sich riss. Schritt für Schritt näherten sie sich dem Bett, entledigten sich der letzten Kleidung. Die Arme um seinen Nacken geschlungen zog Alana ihn mit sich auf die frische Strohmatratze, ließ sich in die Kissen sinken. Aus reiner Angewohnheit lauschten Varis' Ohren den Geräuschen des Hauses, dem sanften Rauschen, das vom Garten hereinklang, dem kaum wahrnehmbaren Klappern von Geschirr aus der Küche unten, das ganz leise zu vernehmende Stimmengewirr aus dem vollen Schankraum, dem kurzen Getrappel auf der Treppe, als ein anderer Gast zu seiner Kammer hinaufstieg. Und dann war da das sachte Rascheln der Bettdecke, das leise Knistern der Strohhalme, das Knarren des Bettgestells bei jeder noch so kleinen Bewegung. Varis' Fokus glitt immer mehr von der Umgebung ab, ließ alles verschwimmen, ihn nur noch den Körper unter sich wahrnehmen. Er fühlte ihren Atem sacht an seinem Hals, spürte das leichte Heben und Senken ihres Brustkorbes, als seine Hände über ihre Haut glitten, rastlos und ein wenig ungeduldig. Warum fiel ihm eigentlich erst jetzt auf, welch herrliche Kurven sie hatte? Mit einem leichten Lächeln, dem ersten seit Tagen, richtete er sich ein wenig auf und wie durch einen dünnen Nebelschleier betrachtete er sie. Die ganze Anspannung, die ihn seit seinem letzten Auftrag nicht mehr losgelassen hatte, war abgefallen. All die Gedanken und Sorgen, die seine ständigen Begleiter waren, all die Ungeduld und Angst, am Ende seines Weges anzukommen, all das schien einfach nicht mehr vorhanden zu sein, als er sich vorbeugte und mit einem weiteren, verlangenden Kuss in sie eindrang. Einen Augenblick lang schien die Welt aufzuhören sich zu drehen, schien sich einen neuen Mittelpunkt zu suchen, während Varis nichts anderes als die feuchte Enge spürte, die Alana ihm bot. Dann drehte sie sich wieder, ruckend und stockend, mit jeder Bewegung, jedem Stoß ein Stückchen weiter. Wie betäubt von seinen restlichen Sinnen fühlte Varis einfach nur. Fühlte, wie sich Alana an ihn klammerte, fühlte, wie sich ihre Fingernägel in seine Schulterblätter krallten, fühlte, wie ihr Becken sich im Gleichklang zu seinen Stößen bewegte. Nur ganz allmählich drangen kurze Geräuschfetzen zurück in Varis' Bewusstsein – Knarzen, Rascheln, Stöhnen. Dann waren sie wieder verflogen, als Nichtigkeiten in den Hintergrund gedrängt. Erst als Alana versuchte, ihn auf den Rücken zu drehen, kehrte die Umgebung wieder leicht zurück, blieb aber nur eine Ansammlung an Schemen und Schatten. Unfähig, etwas anderes zu tun, als ihrem Wunsch zu entsprechen, packte Varis sie um die Hüfte und rollte mit ihr herum. Nur am Rande nahm er wahr, dass er der Bettkante bei diesem Manöver näher gekommen war, als ihm lieb sein konnte. Doch schon einen Augenblick später gab es für ihn kein Zimmer, keine drohende Kante, kein Bett mehr. Alana hatte sich aufgerichtet, hielt Varis' Blick mit den Augen und einem verschmitzten Lächeln gefangen. Sekunden verstrichen, in denen sie einander einfach nur ansahen, während der anhaltende Nebelschleier in seinem Blickfeld sich weiter verdichtete. Sie blickte auf ihn herab, weiterhin lächelnd, mit einem leicht triumphierenden Ausdruck. Dann fing sie an, sich zu bewegen. Langsam, gleichmäßig. Ganz neue Schleier legten sich über ihn, ließen für nichts mehr Platz in seiner Wahrnehmung, als für diese sanften, ruhigen Bewegungen. Erst als Varis, von seiner steigenden Erregung getrieben, voller Ungeduld und Verlangen ihre Hüfte packte und, von unten gegenstoßend, ein neues Tempo vorgab, war ihre scheinbare Belustigung über ihre Überlegenheit wie weggewischt. Halt suchend stützte sie sich auf Varis' Brust ab und warf den Kopf in den Nacken, die Augen nun geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Ihr Becken drängte sich gegen ihn, schien jede einzelne Bewegung aufzunehmen und weiterzureichen. Ihr ganzer Körper passte sich an, übernahm Varis' Rhythmus. Doch je heftiger ihre Bewegungen wurden, desto unsicherer wurde ihre Haltung und als sie schließlich mit dem Gleichgewicht kämpfte, hielt Varis inne. Schwungvoll richtete er sich auf, packte Alana und drückte sie kurzerhand zurück in die Kissen. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, dann ließ Varis sich wieder von seiner Lust mitreißen und davontragen. Flüchtige Eindrücke zogen an ihm vorbei – Alanas Fingernägel, die sich abermals in seinen Rücken krallten, das Keuchen und Stöhnen, das beinahe das Knarren des Bettgestells übertönte, das rhythmische Klatschen ihrer schweißnassen Körper. Ein leichter Schwindel erfasste ihn, ließ ihn kurz aus dem Takt kommen. Dann hatte er sich wieder gefangen, stieß ganz automatisch weiter, wieder und wieder, nicht imstande, überhaupt noch aufzuhören. All die Eindrücke, die Varis' Bewusstsein streiften, wechselten immer schneller, vermischten sich, intensivierten sich und rissen Varis in einem wirbelnden Sog mit sich. In ihrem Zentrum drehte sich alles um die Arme, die sich immer fester an Varis klammerten, die Hüfte, die immer unkontrollierter seinen Stößen entgegenkam, den Körper unter ihm, der von plötzlichen Zuckungen durchzogen wurde. Und dann gab es nur noch Varis selbst, dessen gesamte Wahrnehmung sich ganz auf die letzten, kraftvollen Stöße reduzierte, bis all die aufgestauten Empfindungen den Damm sprengten, der sie hielt. In einem neuen Wirbel erfassten sie Varis, fuhren mit seinen Sinnen Achterbahn und ließen ihn dann schwindelnd und erschöpft zurück. Es brauchte ein wenig, bis Varis wieder genug von seiner Umgebung wahrnahm, um sich von Alana herunter zu rollen und es brauchte noch länger, bis er seinen Atem wieder unter Kontrolle hatte. Dennoch blieb dieser Nebelschleier um ihn herum, der seine Sinne einlullte und es ihm erschwerte, sich auf etwas zu konzentrieren. Doch wozu sich konzentrieren? Mit einem kurzen Blick durch die halbgeöffneten Lider auf Alana schloss er die Augen, brummte leise und zufrieden. Eine angenehme Müdigkeit durchflutete ihn und Varis entspannte sich, machte sich nicht einmal mehr die Mühe, eine kitzelnde Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Als käme es aus weiter Ferne nahm er das Knarzen des Bettgestells und das Rascheln der Kissen wahr, als Alana sich bewegte. Wie die Matratze sich neigte, schien sie sich aufgesetzt zu haben. Varis runzelte nur kurz die Stirn und zuckte dann die mentalen Schultern, ließ seine Aufmerksamkeit, die ihm durch die immer noch vernebelten Sinne ohnehin nur ungenügende Informationen einbringen konnte, ganz langsam fallen. Das erneute Rascheln erklang deshalb noch weiter entfernt, mutete eher nach feinstem Stoff an, als der Decke. Zog sie sich wieder an? Nur äußerst widerwillig mühte Varis sich, den Kopf zu drehen und die Augen ein wenig zu öffnen. Er war müde, erschöpft und hatte den Eindruck, keinerlei Kraft mehr zu besitzen. Dennoch suchte sein Blick die zarte Gestalt Alanas, die auf der Bettkante saß und sich nach unten gebeugt hatte, dort nach etwas kramte. Sie machte nicht den Eindruck, als wolle sie schon gehen, also schloss Varis die Augen wieder. Nur mühselig schaffte es ein Gedanke durch sein Bewusstsein in den Vordergrund zu dringen. Nach was kramte sie dort? Ein genervtes Stöhnen unterdrückend wehrte Varis sich gegen seine instinktive Vorsicht, seine misstrauische Neugier. Er wollte schlafen und sich nicht aus reiner Angewohnheit unsinnige, antrainierte Gedanken machen. Sie kramte – na und? Wohl in dem Bündel, das sie dabei hatte. Was dieses Bündel war, interessierte Varis eigentlich nicht und mit einiger Erleichterung nahm er wahr, dass seine matte Erschöpfung den Nebelschleiern schließlich genug Nahrung gab, diese nervenden Gedanken zu verhüllen. Trotzdem öffnete Varis noch einmal kurz die Augen einen Spalt, beobachtete Alana, deren Konturen sich im Licht der beiden Kerzen deutlich abzeichneten, dabei, wie sie sich wieder aufrichtete und zu ihm drehte, ein sanftes Lächeln im Gesicht. Dann ergriff der Nebel mehr und mehr von ihm Besitz, ließ ihn die Augen wieder schließen. Doch das letzte Bild, das er durch die bereits fast geschlossenen Lider wahrnahm, weckte seltsame Assoziationen, die er nicht sofort zuordnen konnte. Ohne sich weiter darum zu kümmern, ließ Varis seinen Geist sinken, hieß den heraufziehenden Schlaf willkommen. Und mit ihm kam ganz von selbst die Erkenntnis, dass der letzte Eindruck, den seine Augen aufgenommen hatten, das reflektierte Licht der Kerzen auf blankem Metall gewesen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)