Wolfswege von Scarla ================================================================================ Kapitel 13: In Forea -------------------- Schaudernd blickte Nea sich um. Sie war als Einzige zum ersten Mal in dieser nahezu menschenleeren Stadt, denn Tariq und Lugh Akhtar kannten sich hier aus, wie ihre sicheren Schritte deutlich machten. »Irgendwie... leer«, überlegte sie laut und schaute sich unwillig um. »Die Stadt ist groß, aber es gibt nicht viele Bewohner, deswegen wirkt sie leerer, als sie ist«, erklärte Tariq und schaute sich mit blitzenden Augen um. Er mochte die Stadt, gerade weil sie so leer wirkte. »Früher ist es anders gewesen, da gab es hier viel mehr Menschen. Aber seitdem es in der Gegend immer kälter wird, ziehen die meisten weg. Hier können sie nicht mehr überleben«, fügte Lugh Akhtar erklärend hinzu und sprang übermütig zu ihnen zurück. Seitdem sie Altena verlassen hatten, war er immer lebendiger geworden, es wirkte so, als hätte Nikolai eine riesige Last von ihm genommen. »Schade, dass man den Menschen hier nicht helfen kann«, überlegte Nea, während sie schaudernd ihren Umhang enger um sich zog. »Natürlich kann man«, warf Lugh Akhtar ein und lief nun neben ihr her. Sie schaute ihn stirnrunzelnd an und meinte dann: »Nein, kann man nicht. Es gibt keinen Zauber, der so massiv in die Natur eingreift, dass er das Klima in diesem Gebiet mildern könnte.« »Oh, so direkt darauf bezogen hast du recht, aber man kann den Feuerzauber verändern«, erwiderte der Wolf und schien sie anzulächeln. »Welchen Feuerzauber meinst du?«, fragte sie verwundert. »Den, mit dem man Felder abflammt. Man kann ihn verändern, indem man ihn mit dem Regenzauber zusammenfügt. Wenn man dann noch ein wenig am Drumherum feilt, dann könnte man hier das Klima verändern, stimmt's, Tariq?« Er schaute den Jungen freudig aufgedreht an. Der runzelte nachdenklich die Stirn und nickte dann zögernd. »Da hast du sogar recht«, sagte er langsam und auch Nea schaute verblüfft, denn sie war nicht einmal auf die Idee gekommen, die der Wolf hatte. Und wieder fragte sie sich, wer er und auch Tariq eigentlich waren. Nachdem Nikolai zum Abschied dem Jungen die Fähigkeit gegeben hatte, ebenso mit dem Wolf zu kommunizieren, waren die Beiden einander schnell näher gekommen und schienen nun ein gemeinsames Geheimnis zu haben. Das allein machte Nea nichts aus, sie war Geheimnisse um sich herum gewohnt, doch es störte sie dennoch, dass der weiße Wolf dem Jungen näher war, als ihr. Immerhin hatte sie ihm als Erstes geholfen. Doch sie sagte nichts sondern lächelte tapfer und fragte: »Da ihr zwei euch hier ja auskennt, wohin müssen wir denn nun gehen?« »Das kommt ganz darauf an, ob wir jetzt erst einmal etwas essen wollen, oder ob wir gleich zu ihm gehen«, antwortete Lugh Akhtar und blieb an einer Kreuzung stehen. »Meinst du nicht, dass wir bei dem Zauberer bleiben könnten?«, fragte Tariq. »Bestimmt, wenn er da ist. Und wenn nicht, er aber auch keinen Zauber gelegt hat, dann können wir trotzdem dort bleiben, dann hat er ja offensichtlich nichts gegen Besuch«, lachte der Wolf und sprang in die Richtung los. Tariq folgte ihm, doch Nea blieb stehen. »Ich bin dafür, dass wir in ein Gasthaus ziehen. Wer weiß, wenn er doch etwas gegen Besuch hat und uns dort auffindet ohne Erlaubnis...«, erklärte sie, doch während Tariq glaubte, dass dies der Grund war, spürte der Wolf, dass mehr hinter ihren Worten steckte, doch wie so oft fragte er nicht nach. Stattdessen gingen sie in ein Gasthaus. Es war zwar groß, aber gewiss nicht, weil der Wirt oft viele Gäste zu bewirten hatte, sondern eher, weil einfach alles in dieser Stadt groß war. Die Menschen hatten eben viel Platz zur Verfügung. Der Wirt und seine Frau waren kleine, misstrauische Menschen. Es kamen nicht oft Fremde zu ihnen und so wurde eben jeder misstrauisch beäugt. Als sie jedoch Nea als Zauberin erkannten, legte sich das Misstrauen ein wenig, stattdessen fragte die Wirtsfrau sogar, ob sie die Nachfolge des Zauberers antreten würde. »Nein, tut mir Leid. Wir sind nur hier, um ihn um etwas zu bitten«, antwortete sie. »Das ist gut, denn wir wollen hier keinen neuen Zauberer haben, musst du wissen. Er ist ein so lieber junger Mann«, erklärte sie. Nea wusste, dass sie nicht böse meinte, was sie sagte, doch runzelte sie unwillig die Stirn. »Ich finde eigentlich, dass er gar nicht lieb ist«, bemerkte sie. »Nein? Kennst du ihn etwa?«, fragte die Frau. Sie war nicht böse über die Worte, denn in diesem Ort durfte jeder seine Meinung vertreten, ohne dass ihm deswegen einer böse war. »Wenn er wirklich so gut wäre, dann würde er hier ein anständiges Klima schaffen, er hat die Macht dazu. Wenn nicht er, wer dann?«, fragte sie. »Ja, die Jugend mal wieder. Immer will sie Veränderungen für Dinge, die gut und richtig sind, wie sie gerade eben sind«, lachte die Frau, stand auf und ging wieder ihrer Arbeit nach, während Nea ihr böse hinterher schaute. »Lass deine schlechte Laune doch nicht an Leuten aus, die nichts dafür können, Nea«, bat plötzlich Lugh Akhtar und legte den weißen Kopf in ihren Schoß. »Wie kommst du darauf, dass ich meine schlechte Laune an jemandem auslasse?«, fragte sie bissig und schob ihn weg. Der weiße Wolf schaute sie nachdenklich an, stand dann auf und bat sie, mit ihm zu kommen. Sie zögerte einen Moment, dann jedoch rang sie sich durch und folgte dem Wolf nach draußen. »Ich habe keine Ahnung, was mit dir los ist, aber ich weiß, dass die Wirtin nichts dafür kann«, erklärte er, nachdem die Beiden ein Stück gegangen waren. »Mit mir ist gar nichts los, ich finde bloß, dass er etwas für die Menschen dieser Gegend tun kann, wenn er schon so mächtig ist«, schnappte sie. »Um damit der Natur ins Handwerk zu pfuschen? Stell dir doch einmal vor, was hier geschehen würde, wenn es hier wärmer wäre«, bat er. »Die Menschen hätten ein viel einfacheres Leben«, antwortete sie. »Und die Tiere? Diese Gegend ist die einzige, in der es die weißen Wölfe gibt, Nea. Nur hier gibt es die Schneehasen und die Eisvögel. Es gibt Tiere, die die Kälte brauchen um zu leben, ebenso wie viele Pflanzen. Es gibt hier Blumen, die nirgendwo sonst blühen können, weil sie diesen langen Winter unbedingt brauchen. Sie alle könnten hier nicht leben, wenn es wärmer würde. Die Menschen können umziehen, aber die Tiere und Pflanzen nicht, denn es gibt keinen anderen Ort auf der Welt, zu dem sie gehen könnten«, erklärte er und schaute zu ihr hoch. Nea blieb betroffen stehen. »Entschuldige, daran habe ich nicht gedacht«, antwortete sie und schaute betreten zu Boden. »Ich weiß«, antwortete der Wolf, schüttelte aber den Kopf. »Aber das ist es nicht, was dich traurig macht. Erzähl es mir.« Nea schaute ihn nachdenklich an und seufzte dann tief. »Ich glaube, es wird Zeit, dir meine Geschichte zu erzählen.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)