Wolfswege von Scarla ================================================================================ Kapitel 15: Im Haus des Zauberers --------------------------------- »Das ist das Haus?« Nea blieb zweifelnd stehen, als sie die kleine Hütte sah. »Dort soll er wohnen?« Tariq lachte, als er ihren so überdeutlichen Zweifel sah. »Ja, in der Tat, dort lebt er«, antwortete er und zog sie augenzwinkernd mit sich. Lugh Akhtar sprang ihnen freudig voraus. Er stieß die Tür auf, als hätte er seinen Lebtag nichts anderes getan und lief Rute wedelnd hinein. Die beiden Anderen folgten ihm. Im Innern blieb Nea wieder stehen. Sie hatte sich nichts Konkretes vorgestellt, und doch war alles so anders, als sie erwartet hatte. Es sah genau so aus, wie man sich eine kleine Hütte inmitten einer Schneelandschaft vorstellte. Die Möbel waren aus grobem Holz, an den Wänden der Kochecke hingen Metalltöpfe und Pfannen. Eine Wand wurde von einem großen, steinernen, offenen Kamin beherrscht und in der gegenüberliegenden Ecke stand ein großes Bett. »Kaum zu glauben, dass hier ein Zauberer leben soll«, bemerkte sie zweifelnd und machte ein paar Schritte in den Raum. Lugh Akhtar war indes schon aufs Bett gesprungen und beobachtete von dort aus das Mädchen, während Tariq an den Kamin trat und Feuer machte. »Ihr fühlt euch hier ganz heimisch, kann das sein?«, bemerkte sie bissig und setzte sich zögernd auf das Sofa. »Warum auch nicht? Es ist ja niemand hier«, antwortete der Wolf und sprang vom Bett aus mit einem riesigen Satz durch das Zimmer aufs Sofa. »Aber wenn er kommt, dann...«, begann Nea, wurde jedoch von dem Wolf lachend unterbrochen. »Hast du Angst vor ihm?«, fragte er. »Ich... Nein!«, rief Nea. Lugh Akhtar schaute sie bloß an, und sogleich bekannte sie leise: »Doch.« Der Wolf lächelte sie wölfisch an und warf sich dann in ihren Schoß. »Keine Angst, ich bin bei dir. Ich beiß ihn da hin, wo es richtig weh tut, wenn er dir etwas tun will«, lachte er übermütig, sodass Nea ebenfalls lächeln musste. »Meint ihr, er kommt wieder zurück?«, fragte sie nachdenklich. »Er gehört auch zu den Verschollenen, also glaube ich es nicht. Zumindest nicht in den nächsten Wochen oder Monaten«, antwortete der Wolf. »Wer sind eigentlich die Verschollenen?«, fragte Tariq und setzte sich auf die andere Seite von Nea. »Ich weiß es nicht genau. Ich weiß, dass Prinz Fjodor dazu gehört, und auch der Zauberer. Auch ein paar andere, deren Namen ich nicht kenne«, erklärte Nea. »Und die sind einfach weg, ja?« »Genau. Keiner weiß, wohin oder warum, es gibt auch keine Anzeichen für einen Kampf oder dergleichen. Sie sind einfach weg.« Der Wolf krabbelte noch weiter auf Neas Schoß und kam mit seiner Schnauze dem Jungen ganz nah. »Verschwinde, mein Wolf, du bist schwer«, beschwerte sich die sogleich und drückte ihn hinunter. »Entschuldige«, antwortete er und kletterte wieder neben Nea aufs Sofa. »Was tun wir, wenn er nicht kommt? Wenn er wirklich weg ist«, fragte sie. »Er kann dem Wolf sowieso nicht helfen, sonst hätte er es schon getan. Wir sollten vielleicht die anderen Orte aufsuchen, wo jemand verschwunden ist. Vielleicht finden wir ja Hinweise«, überlegte Tariq. »Gute Idee, aber dann sollten wir uns auch hier ein bisschen genauer umschauen«, fand Nea und stand auf. Sie trat an das Bücherregal, während sich Tariq seufzend der Kochecke zu wandte und der Wolf wahllos einfach alles abzuschnüffeln begann. »Ich glaube, ich bin schon einmal hier gewesen«, bemerkte er nach einer Weile. »Wie kommst du darauf?«, fragte Nea, während sie unter das Bett blickte. »Es riecht hier überall nach mir, aber es sind alte Spuren. Und nach Tariq auch«, antwortete er. Sie setzte sich aufs Bett und schaute ihn nachdenklich an. »Ich finde, dass es langsam Zeit wird, dass du uns ein wenig was erzählst«, fand sie und schaute zu Tariq. »Wäre möglich«, antwortete er, machte aber keinerlei Anstalten, mehr zu sagen. »Und weiter?«, meinte Nea dann auch. »Nichts weiter. Ich will nicht darüber reden, ich weiß nämlich ganz genau, was dann passiert«, antwortete er Schulter zuckend. »Dann eben nicht«, fauchte sie böse und widmete sich wieder ihrer Suche. Plötzlich stutzte sie. Da lag ein Blatt Papier zwischen den Kissen. Sie zog es hervor und runzelte die Stirn, während sie las, was dort stand. Dann schaute sie den Wolf und den Jungen nachdenklich an. »Kommt her, ihr Zwei«, gebot sie ihnen. Verwundert kamen sie zu ihr und setzten sich aufs Bett. »Was ist das?«, fragte der Wolf, doch Nea schaute nicht zu ihm. Stattdessen schaute sie Tariq durchdringend an. »Ein Brief. An den Zauberer. Von Prinz Fjodor von Lanta«, erklärte sie und war so damit beschäftigt, Tariq zu beobachten, dass ihr Lugh Akhtars Reaktion gar nicht auffiel. Der schüttelte den Kopf und duckte sich, von seltsamen Gefühlen überflutet. »Was steht drin?«, fragte Tariq, der ebenso wenig auf den Wolf achtete, doch er wirkte ein wenig ertappt. »Er schreibt, dass er aus dem Schloss verschwinden will, dass er herkommen wird«, fasste sie zusammen, schüttelte dann aber den Kopf, »aber ich denke, das weißt du.« »Nea, ich will wirklich nicht darüber sprechen. Ich will meine Freiheit genießen, ich will nicht wieder in mein Leben zurück. Zumindest jetzt noch nicht. Lass mir noch ein wenig meine Freiheit und frag nicht mehr nach«, bat er eindringlich, doch sie schüttelte böse den Kopf. »Aber es geht nicht um dich, Tariq, sondern darum, Lugh Akhtar sein altes Leben wiederzugeben«, antwortete sie und deutete auf den Wolf. Tariq schaute ihn nicht an, sondern blickte zur Seite. »Lass ihn, Nea. Lass ihm seine Freiheit, solange, wie er sie braucht«, flüsterte der Wolf und schmiegte sich eng an sie. »Was ist mir dir?«, fragte Nea verwundert, denn sie merkte, dass etwas nicht stimmte. »Ich… kann mich erinnern. Ich kenne meinen Namen wieder«, antwortete er leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)