Wolfswege von Scarla ================================================================================ Kapitel 16: Vom Suchen und Finden --------------------------------- »Es ist, wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen«, bemerkte Nea, während sie sich suchend umschaute. »Oh nein, es ist viel einfacher«, antwortete Lugh Akhtar lachend und schlüpfte vor ihr zwischen zwei Frauen hindurch. »Wieso das? Ich finde es eigentlich schon ziemlich schwer, zwischen so vielen Menschen eine bestimmte Person ausfindig zu machen«, erwiderte sie und drückte sich, Entschuldigungen murmelnd, ebenfalls an den Damen vorbei. »Schon, aber er ist ja kein Mensch, er wird auch hier auffallen. Wir müssen nur die richtigen Leute fragen.« Der Wolf blieb stehen und blickte zu dem Mädchen zurück. Dabei schien er zu lächeln, auf seine ganz eigene, wölfische Art. »Was praktisch unmöglich ist, solange hier der Markt stattfindet. Es sind tausende von Menschen hier, die bloß einmal im Jahr in die Stadt kommen, die werden sich hier nicht auskennen«, warf sie praktisch denkend ein. »Ich weiß.« Wieder grinste er sie an. »Und selbst die, die hier leben kennen ihn nicht. Also erklär mir bitte, wie du den Einen finden willst, der uns weiterhelfen kann?«, erkundigte sie sich. »Och, ich weiß nicht. Wir können ja warten, bis der Markt vorbei ist, in diesem Gedränge so eine Person zu finden ist nicht einfach«, erklärte er. »Womit wir wieder beim Thema wären: Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen«, seufzte sie. »Und selbst wenn, sei nicht so pessimistisch«, lachte er übermütig und blieb stehen, um ein Kind tröstend anzustupsen, das hingefallen war und sich das Knie aufgeschürft hatte. »Ich bin nicht pessimistisch, ich bin realistisch«, erklärte sie und kniete sich ebenfalls neben dem kleinen Mädchen nieder. Aus dem Nichts zog sie eine Zuckerstange hervor und gab sie lächelnd der Kleinen, während sie weiter sprach. »Es ist nun einmal so. Es wäre einfacher, wenn du dich an seinen Geruch erinnern könntest, oder ich richtige Magie verwenden könnte. Aber beide Wege sind uns verschlossen, also müssen wir ihn auf herkömmliche Art und Weise suchen, was noch einmal viel schwerer ist, weil wir nicht einmal seinen Namen kennen«, erklärte sie. »In diesem Gedränge könnte ich meine Nase sowieso nicht benutzen, die Option würde von vorn herein scheitern. Und was seinen Namen anbelangt, den müssen wir nicht kennen. Wir haben eine viel bessere Information«, erklärte der Wolf, während sie weitergingen. »Und die wäre?« Neugierig schaute sie ihn an. »Er lebt definitiv in dieser Stadt. Das heißt, wenn der Markt in einer Woche vorbei ist, brauchen wir eigentlich bloß von Tür zu Tür pilgern und nach einem Zauberer fragen. Davon dürfte es nicht allzu viele geben. Stell dir mal vor, diesen einen Mann in Altena ausfindig zu machen! Das wäre dann wirklich die Nadel im Heuhaufen. Oder wenn wir einen Menschen suchten«, erwiderte er. »Von Tür zu Tür laufen? Lugh Akhtar weißt du eigentlich, wie groß diese Stadt ist? Wir sind hier nicht in so einem kleinen Dorf, Wynda ist riesig! Sie ist noch größer als Lanta! Und überhaupt, ist dir nie der Gedanke gekommen, dass Tariq uns belogen haben könnte?« Sie deutete auf einen Brunnen, den sie im Gedränge entdeckt hatte. »Lass uns dahin gehen, ich habe Durst.« Der Wolf nickte und lief wieder voran, während er antwortete: »Ich weiß immer noch nicht, wer genau Tariq ist, und ich weiß, dass er uns nur Bruchstücke hinwirft, obwohl er alles weiß. Ist nicht gerade Vertrauen erweckend, aber ich würde ihm mein Leben anvertrauen. Ich weiß nicht, wieso, aber es ist so. Ich denke nicht, dass er uns belogen hat.« »Du bist viel zu vertrauensselig für jemanden, der nichts weiß, außer seinem Namen«, bemerkte sie. »Kann sein. Lass uns ein schattiges Plätzchen suchen und uns ausruhen«, bat er. Nea nickte und gemeinsam liefen sie weiter. Irgendwann gelangten sie zu einer Art Park, wo sie es sich im Schatten eines großen Baumes gemütlich machten. »Langsam glaube ich nicht mehr daran, dass wir ihn finden. Zumindest nicht, bevor der Markt vorbei ist«, seufzte sie und legte sich ins Gras. »Wir haben ja Zeit. Und die eine Woche ist sowieso egal«, antwortete er und legte den weißen Kopf auf ihren Bauch. »Wenn du meinst...« Sie gähnte und schloss die Augen. Eine ganze Weile lagen sie so still da und genossen die Wärme und die Ruhe. Irgendwann, als Nea schon eingeschlafen war, schrak Lugh Akhtar plötzlich auf. Ein Mann stand dort und beobachtete sie mit gerunzelter Stirn. Der Wolf schaute ihn abwartend an, doch der Fremde rührte sich nicht, also stupste er Nea in die Seite. »Wir haben Besuch, wach auf«, erklärte er, während sie sich verschlafen die Augen rieb. Sie schaute erst den Wolf verwundert an, dann blickte sie in die Richtung, in die Lugh Akhtar deutete und war mit einem Satz aufgesprungen und lief auf den Mann zu. »Vater!« Sie stürzte in seine Arme, während er, offensichtlich in seiner stillen Idee bestätigt, sie lachend an sich drückte. »Nea, mein Kind!«, rief er erfreut. Es folgte eine innige Begrüßungsszene, die Lugh Akhtar geduldig abwartete bevor er langsam näher trat. Er fühlte sich mit einem Mal seltsam überflüssig und er mochte das Gefühl nicht. Er trat näher zu ihr um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, doch sie lachte bloß, legte ihre Hand zwischen seine Ohren und stellte ihn ihrem Vater vor. Der blickte den Wolf nachdenklich und verschlossen an, nickte dann aber und lächelte wieder. »Ich denke, wir haben noch mehr zu erzählen, das sollten wir aber nicht hier tun. Lasst uns zu mir nach Hause gehen«, bot er an und seine Tochter nickte begeistert, während Lugh Akhtar, von einer dunklen Ahnung erfüllt, zögernd nickte und nur langsam folgte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)