Wolfswege von Scarla ================================================================================ Kapitel 24: Wiedersehen ----------------------- Ein stürmischer Wind fegte über das Land und das Meer. Er peitschte das Wasser auf, bis es den Himmel zu fluten schien und die weiße Gischt anstelle der Wolken über den Himmel zog. Er ließ das graugrüne Gras zusammenkauern und sich ducken und fegte auch noch die letzten, spärliche Blätter von den kleinen, kahlen, knorrigen Bäumen. Er trieb die schwarzen Sturmwolken so tief über das Land, dass man meinte, man müsse nur die Hand ausstrecken, um sie zu berühren. Ein Blitz erhellte die Umgebung und ein Regenschauer ging vom Himmel nieder, sodass es für eine Weile nicht möglich war, weiter zu schauen, als ein paar Meter. Irgendwann, nach Stunden wie es schien, hörte der Regen auf, doch der Sturm war noch nicht vorbei. Einzig die Blitze, die weiter dahin tobten, erhellten das Land, denn der Himmel war immer noch Wolkenverhangen. Inmitten diesen Tobens der Elemente, rannte ein junger Mann über die Wiese auf eine Klippe zu. Normalerweise würde auch er nicht auf die Idee kommen, bei diesem Wetter das Haus zu verlassen, doch er hatte seine Gründe, sich dem Gewaltakt der Elemente auszusetzen. »Nea, komm rein, hier holst du dir noch den Tod!«, rief er über das Brausen hinweg, als er neben dem jungen Mädchen angekommen war, das direkt über den felsigen Klüften die aus dem Wasser ragten, auf der Klippe stand und unverwandt und ohne auch nur zu blinzeln schon seit Stunden auf das Meer hinaus starrte. Erst jetzt wandte sie, in einer steifen, mechanischen Art und Weise, ihren Kopf und schaute Tariq an, ohne ihn jedoch wirklich zu sehen. »Komm rein!«, rief er noch einmal und sah dabei, wie das Leben in ihre Augen zurück kehrte. »Nein. Ich möchte hier bleiben«, antwortete sie ihm und schaute wieder auf das tobende Wasser. »Aber Nea, es bringt nichts, jetzt hier zu bleiben, wenn du dafür die nächsten Wochen im Bett verbringen musst«, versuchte er, sie doch zu überzeugen, doch sie schüttelte wortlos den Kopf. Er seufzte, überlegte einen Moment, ob er wieder zurückgehen sollte, ins warme, behagliche Haus, das abseits des Dorfes nahe an den Klippen lockte, doch er entschied sich dagegen. Er musste einfach bei seiner Freundin bleiben, denn er spürte, dass sie ihn brauchte. Eine Weile standen sie still schweigend beieinander und Tariq fror erbärmlich, war mittlerweile auch bis auf die Haut durchnässt, da seufzte sie plötzlich tief und schaute traurig zu den Wolken hoch. »Meinst du, er kommt irgendwann wieder?«, fragte sie leise. »Wenn ich ehrlich bin nicht. Er ist schon so lange fort und keiner hat ihn seit damals wieder gesehen. Wer weiß, vielleicht hat er irgendwo sein Glück gefunden, vielleicht auch den Tod«, antwortete er ebenso leise. »Aber er hat es mir doch versprochen. Er sagte, er lässt mich nicht allein«, antwortete sie und erschrocken stellte Tariq fest, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. »Vielleicht... hat er sich verlaufen? Vielleicht kommt er bald«, versuchte er nun zu trösten, doch Nea verneinte traurig. Wieder schaute sie zum Wasser hin, schüttelte noch einmal den Kopf und fragte dann: »Willst du nicht wieder ins Haus?« »Nein. Ich bleibe bei dir, wenn Lugh Akhtar es schon nicht tut«, antwortete er nachdenklich. Nea nickte, war in Gedanken aber schon wieder weit weg, schaute nachdenklich und voller Sehnsucht weiter aufs Wasser hinaus. »Ich glaube, der Sturm wird viel Verwüstung anrichten, so ein Unwetter habe ich nie zuvor erlebt«, überlegte Tariq. Nea deutete eine Geste an und mit einem Mal legte sich der Wind. Der junge Mann starrte sie ungläubig an. Er hatte gewusst, dass sie eine riesige magische Kraft entwickelt hatte, aber dass sie in der Lage war, einen solchen Sturm heraufzubeschwören, und mit einer Handbewegung wieder zu entlassen, das hätte er nicht erwartet. Er sagte nichts, doch er spürte etwas, das an Angst grenzte, wenn er daran dachte, was sie sonst noch so alles tun konnte. Ein Gefühl, das vollkommen unbegründet war, und dennoch spürte er es. Es machte ihm mit einem Mal klar, wieso sie so sehr darauf hoffte, dass Lugh Akhtar wiederkommen würde, denn er war wohl der Einzige, der ihrer Macht vollkommen ohne Angst begegnen konnte, weil seine eigene ihrer ebenbürtig war. Er überlegte schon, ob er sie nicht doch besser alleine lassen sollte, bevor sie ihm die Gefühle ansah, doch da stutzte sie und lenkte ihn von seinen Gedanken ab. »Liegt das an mir, oder siehst du das auch?«, fragte sie verwirrt. Tariq runzelte die Stirn und schaute dann dorthin, wo ihr Arm hindeutete. Er runzelte verwundert die Stirn und schüttelte dann ganz langsam den Kopf. »Wenn du das Boot meinst, dann sehe ich es auch«, antwortete er, »aber wer ist nur so dumm, bei so einem Wetter aufs Wasser zu fahren?« In diesem Moment stoben die Wolken auseinander und die Sonne brach durch und schien genau auf das kleine Boot. Sofort schien auch die Sonne wieder in Neas Gesicht, das erste Mal seit einer langen Zeit. Ohne auf Tariq zu achten, der sie verwundert ansah, lief sie über einen schmalen Pfad hinab zum kleinen, felsigen Hafen und schaute voller Sehnsucht dem Boot entgegen. Tariq folgte ihr. So standen sie dort und sahen schon bald, dass in diesem Boot wirklich jener junge Mann saß, auf den sie schon so lange gewartet hatten. Es dauerte nicht mehr lange, da legte es an und er sprang raus, wurde sogleich stürmisch von Nea umarmt und von Tariq begrüßt. Er hatte nicht einmal die Zeit, ein Wort zu sagen, da zogen sie Beide ihn auch schon plappernd mit sich und er folgte lachend. Sie zogen ihn ins Haus hinauf und feierten sein wieder Auftauchen, ohne das er auch nur ein Wort sagen konnte. Das erste Mal, dass er einen Laut von sich gab war, als langsam Ruhe im Haus einkehrte. Er stand auf und fragte Nea leise, ob sie vielleicht mit ihm kommen wollte. Sie nickte und unbemerkt verließen sie das Haus. »Ich bin so froh, dass du wieder hier bist«, erklärte Nea, während sie im Mondlicht auf der Klippe entlang spazierten. »Ich habe es dir doch versprochen. Ich wäre schon viel früher hier gewesen, aber ich hatte wirklich viel zu tun. Nachdem ich Jahrelang nichts tat, obwohl ich so viel Gutes hätte tun können, musste ich es nachholen. Jetzt kann ich ruhigen Gewissens mein Glück genießen.« Er lächelte zufrieden und Nea stellte fest, dass die Trauer, die sie in seinen Augen sah, als sie das erste Mal den Schatten seiner Selbst wahrnahm, verschwunden war und einer tiefen Zufriedenheit Platz gemacht hatte. »Wirst du jetzt bei mir bleiben?«, fragte sie neugierig und schaute ihn fragend an. »Natürlich«, nickte er. Sie lächelte glücklich und beobachtete, wie seine Nordlichtaugen im Mondlicht leuchteten und sein eigentlich weißes Haar silbern schimmerte. »Lass uns fortgehen. Ich kenne einen Ort, an dem es dir gewiss gefallen wird. Und Fjodor wird uns nicht vermissen«, erklärte er. »Ja. Lass uns fortgehen. Ich will dir überallhin folgen«, antwortete sie und gemeinsam verließen sie im Mondschein diesen Ort, an dem sie auf ihn gewartet hatte. Als Tariq am nächsten Morgen erwachte wusste er, dass sie fort waren, aber auch, dass sie sich wieder sehen würden. Zufrieden machte er sich auf den Weg nach Hause, es wurde Zeit, dass er sein Schicksal an nahm und wieder zu Prinz Fjodor wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)