Er kotzt gleich Regenbögen von Hekate4444 ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Er kotzt gleich Regenbögen Die Geschichte selbst mag nicht so lustig sein, wie der Titel aber es macht schon Sinn. Alles Gift und Unglück aus sich herauszuwürgen ist doch wohl so als kotze man bunte Farben, oder? Ich bin zur Zeit krank und habe deswegen Zeit mal ein wenig zu schreiben und deshalb sind schon einige Kapitel fertig, am Anfang kann ich also viel hochladen. In der Geschichte wird es wohl noch mal zu Lemon kommen, aber es ist kein PWP. Wer also keine Lust auf eine Entwicklung hat ist schlecht dran. Ich fürchte der Prolog ist länger als die Kapitel. Wer das hier zu MSten gedenkt soll einfach bescheid sagen, damit ich auch drüber lachen kann. Also viel Spaß. Prolog Kato lag ausgestreckt mit geschlossenen Augen auf dem Bett. Von unten stieg die Wärme der Matratze auf, trotzdem war ihm kalt. Die Decke lag zusammengeknäult am Fußende. Er müsste sich aufsetzen, um sie zu holen. In seinem Kopf waberte alles, er konnte kaum einen Gedanken klar fassen. Kaum griff er im Geiste danach war es, als würde das, was in seinem Kopf gewesen war direkt wieder verschwinden. Fast hätte er gekichert. Das einzige was in seinem Kopf schwand waren seine Gehirnzellen. Kato kugelte sich zusammen und dreht sich auf die Seite, in der Hoffnung, dass ihm so wärmer würde. „Nimm dir doch einfach die Decke.“, kam es nüchtern aus einer Ecke des Raumes. Mühsam öffnete Kato die schweren Lieder und blickte die Gestalt an dem ordentlichen Schreibtisch dröge an. Kira machte sich nicht die Mühe den Kopf zu drehen und ihn anzusehen. Kato hatte das auch gar nicht erwartet. „Geht schon...“, murmelte er heiser und schloss die Augen wieder. Gleich würde Kira ihn wieder anherrschen. Aber nicht auf die Art, wie es sein Vater tat, schreiend und mit Fäusten, nein. Kiras Art jemanden anzuherrschen war kalt und bar jeglicher Emotion. Es war als schaue er von oben auf ihn herab und wisse selbst nicht woher dieser Anflug von Mitleid kam, der sich ihn um Kato kümmern ließ. Jedes Mal kam der Blonde sich so klein vor. Er wollte die Vorwürfe und rationalen Erklärungen Kiras nicht hören. Der Schwarzhaarige sprach immer die Wahrheit und immer formulierte er sie so hart, dass es Kato lieber wäre er würde ihn schlagen. Er vernahm ein genervtes Einatmen aus Richtung Schreibtisch. Gleich würde es losgehen. Kato war dankbar für die Übelkeit, die plötzlich seinen ganzen Körper ergriff, der Schwindel der damit einherging und ihn in einen seligen, widerlichen Schlaf voller Alpträume fallen ließ. Aber das alles war besser, als sich dem stellen zu müssen, was Kira ihm jeden Tag vor Augen führte: Sein Leben. Als er aufwachte wusste er nicht, wie lange er geschlafen hatte. Es könnten Stunden gewesen sein, oder nur ein paar Minuten. Er fühlte sich wie ausgekotzt. Alles dröhnte und schmerzte, aber das wabernde Gefühl in seinem Kopf war verschwunden. Kira würde dies wohl als positiv bezeichnen, aber für Kato bedeutete es, dass es jetzt umso schwerer sein würde zu verdrängen, was ihn belastete. Er empfand es als angenehm keinen Gedanken länger festhalten zu können, weil sein Gehirn sich wie eine wabbelige, vergammelte Grütze anfühlte. Langsam richtete er sich auf. Er zitterte. Ihm war schlecht. Sein Kopf schien zu platzen. Turkey. (1) Vorsichtig stützte er seinen Kopf in die Hände. Wo war Kira? So weit er sich erinnern konnte, war er hier ins einem Loft und Kira hatte ihn nie alleine hier gelassen. Ein leichter Anflug von Angst schoss durch seinen Körper. Kira würde sicher wiederkommen, vielleicht war er nur schnell Zigaretten holen. Kato lachte auf. Hatte er nicht bevor er eingeschlafen war noch den Wunsch gehabt seinem Freund zu entkommen? Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, war Kiras Unbarmherzigkeit das einzige, was ihn noch am Leben erhielt. Plötzlich hörte aus dem Badezimmer das typische Wasserplätschern, wenn jemand die Dusche anstellt. Erleichtert atmete der Blonde auf. „Wie lächerlich.“, flüsterte er. Ein neuerlicher Schmerz zuckte durch seien Körper und er spürte, wie der Schüttelfrost aufkam. Er hatte noch etwas da. In seiner Tasche. Zitternd stieg er vom Bett, konnte sich kaum auf den Beinen halten. Wo war denn das verdammte Ding. Wenn er zu lange wartete würden seine Hände zu stark zittern. Kira war doch so ordentlich, wo hatte er die Tasche hingetan? Die Garderobe! Ja, da stand sie. Wie ein Verdurstender, der eine Oase entdeckt hatte stürzte Kato vor seiner ramponierten Tasche auf die Knie und durchwühlte sie hastig. Löffel, Feuerzeug, Spritze und zu guter letzt die kleine Tüte fielen auf den Boden. Kato spürte, wie er langsam ruhiger wurde. Sein Herz raste trotzdem als er das Heroin auf den Löffel gab, das Feuerzeug darunter hielt und beobachtete wie sein Tod sich verflüssigte. Schnell den Inhalt in die Spritze gezogen band er sich den Arm ab. „Es tut mir Leid.“, murmelte er in Richtung Badezimmertür. Aber in diesem Moment war es nicht ehrlich gemeint. Nichts tat ihm Leid in diesem Moment, in dem er die Spritze in seine Ader jagte. Rein gar nichts. Erst hinterher würde er wieder unter Tränen einschlafen. Als die Dusche verstummte saß Kato ruhig in Kira’s Küche. Er hatte sich ein Toast gemacht und erfreute sich der Leichtigkeit in Kopf und Körper. Dennoch spürte er ein schleichendes Gefühl in seiner Brust, ein dunkles Flüstern, das ihn daran erinnerte, dass es zwischen ihm und Kira ein Abkommen gegeben hatte: Keine Drogen in seiner Wohnung. Deswegen hatte er überlegt einfach abzuhauen, damit der größere es nicht merken würde. Kato hörte, wie die Badezimmertür fest geschlossen wurde. Er schmunzelte. Auf jeder Party konnte er den Schwarzhaarigen daran erkennen, wie er eine Tür schloss oder wie seine Schritte im Treppenhaus klangen. Kira donnerte die Türen nicht aggressiv zu, wie Joji, die anderen und auch er selbst. Aber dennoch gab es ein gut hörbares Geräusch. Aber es hörte sich eher an, als würde er selbstbewusst die Tür ins Schloss fallen lassen, gerade so, dass es nicht zu laut war. Genauso wie sein Gang. Joji, die anderen und auch er selbst bewegten sich entweder schlurfend oder trampelnd im Treppenhaus. Kiras Schritte waren fest und betont, schnell, aber nicht hastig, sondern ruhig. „Scheinbar geht es dir wieder besser...“ Kato drehte sich nicht zum Türrahmen. Allein der frostige Ton reichte um es ihm eiskalt den Rücken runterlaufen zu lassen. Er hörte Kira einen der Küchenschränke öffnen, etwas herausholen – vermutlich eine Kaffeetasse- und ihn zuschlagen. Diesmal war es aggressiv. Kato atmete tief ein. „Lass ihn nicht spüren, wie sehr er dich berührt.“, dachte er. „Was geht’s dich an?!“, sagte er trotzig, drehte sich immer noch nicht um. Kira goss sich Kaffee ein, das hörte er . Schweigen. „Wir hatten eine Abmachung.“ Feste Stimme, dunkel, überlegen. „Fick dich.“ Trotziger Unterton, kraftlos, resigniert. „Du bist so erbärmlich.“ Schweigen. „Was denn? Willst du nicht wieder ausrasten? Den coolen markieren, mir beweisen wie gut du ohne mich klarkommst, ohne meine Belehrungen? Nur um dann wieder vor meiner Tür zu stehen? Hast du dir mal überlegt, was sein wird, wenn ich diese Tür nicht aufmache?“ „Du machst sie auf.“ „Und ich weiß nicht warum. Und möglicherweise wird genau das irgendwann der Grund sein, warum sie geschlossen bleiben wird.“ „Was soll das heißen?“ „Dreh dich wenigstens um, du feiger Hund.“ Kato hatte Angst vor dem was kommen würde. Aber er drehte sich um. Kira lehnte an seiner Küchenzeile, die Kaffeetasse in der Hand. Er hatte sich noch nicht rasiert, stellte Kato fest. Er mochte diesen „3-Tage-Bart“ aber Kira fand er sehe schlampig aus. Er hatte sich auch nicht angezogen, es sei denn man wollte ein Handtuch als den neuesten Modeschrei bezeichnen. Und wieder stach Kato ihre Unterschiedlichkeit ins Auge. Kira war kraftvoll gebaut, gesund, die Mädchen bezeichneten es als stattlich. Sehnige Muskeln, gesunde Haut, die schwarzen Haare glänzten und diese Augen... Und er? Viel zu dünn, mager, stumpfe, dünne Haare, blaue Flecken. Stumpfe Augen. Dröge, wie Kira meinte. „Das sollte heißen, dass du anfangen solltest mir zu beweisen, dass du wirklich stark sein kannst. Ich muss dich nur einmal ansehen, um zu begreifen, dass du dir eine Spritze gesetzt hast. Wenn es schon soweit ist...kann ich dir wahrscheinlich nur dadurch helfen, dir nicht mehr zu helfen.“ Kato schnürte es die Kehle zu. „Du wirst jetzt verschwinden. Und ich lasse dich erst dann wieder in diese vier Wände...“ Kira kam näher, stellte die Tasse ab und stütze sich auf den Tisch. Er war Kato so nahe, dass er sein Shampoo riechen konnte. Irgendein herber Duft, wie ihn erfolgreiche Geschäftsmänner trugen. Kato traute sich nicht ihn wirklich anzusehen. Fast hätte er die Hand ausgestreckt um Kiras Haare anzufassen. Sie waren so lange befreundet, aber hatten sich eigentlich nie berührt. Wie fühlten sich diese Haare an? „...wenn du hier einen Entzug machen willst.“ Und mit einem Ruck entriss er Kato seine Nähe wieder. Der Junkie starrte ihn an. „Weißt du, was du da verlangst?“ „Ja. Ich verlange von dir wieder zu leben. Du bist nichts, als eine Leiche, die sich noch bewegt. Als du noch ‚nur’ gekifft hast war ja alles ok, gesoffen habe ich auch, schön und gut, LSD war grenzwertig...aber Heroin ist nicht mehr tolerierbar.“ Kato zuckte zusammen angesichts dieser nüchternen Zusammenfassung seines Lebens. „Ich will das nicht sehen und ich will mir nicht die Vorwürfe machen müssen, dich unterstützt zu haben, weil ich dich immer aufgenommen habe. Du hast zwei Möglichkeiten: Auf dem Jungenstrich landen und krepieren, sei es AIDS, seien es die Drogen, oder wieder hier auflaufen um damit Schluss zu machen.“ Kato brauste auf. Oder besser, der Kato, den die Drogen erschaffen hatten, brauste auf. „Hast du sie noch alle, Mann? Wie soll mir das bitte helfen, wenn du dich auch noch verpisst?! Als hätte ich nicht schon genug Probleme! Und einfach mit den Drogen aufhören ist nicht! Im Gegensatz zu dir kann ich mich auf die wenigstens verlassen!“ Kira lächelte. Er lächelte? Er lächelte?! „Auf einmal solche harten Worte, Yue? Ich dachte, ich sei so wichtig, hm? Dann stütz dich lieber auf deine Drogen, ich bin sicher die kommen immer gerne zu dir und stören sich nicht an deiner Nichtigkeit. Und du hast ja auch noch Joji...und die anderen, denen die Drogen so gute Freunde sind. Ich werde jetzt weiter mein Leben in die Hand nehmen und etwas sinnvolles tun. Verpiss dich.“ Die letzten zwei Worte hatte er mit derartigem Nachdruck gesprochen, dass Kato nicht einmal auf die Provokation eingehen konnte, dass Kira ihn mit „Yue“ angesprochen konnte. Das erste Mal war er von etwas betäubt, dass nicht auf Chemie oder Pflanzen zurückging. Wie ein Zombie nahm er seine Sachen und verließ die Wohnung. Das schwache Klicken des Türschlosses erschien ihm unendlich laut und entgültig. Wenn er vorher geglaubt hatte es würde in seinem Leben bergab gehen, hatte er sich geirrt. So das war's für's erste. Hoffe es hat gefallen. (1) Turkey: Bezeichnung für Entzugserscheinungen. Kapitel 2: 1 ------------ 1 So, das nächste Kapitel... Enjoy „Er hat die Tür bisher jedes Mal wieder aufgemacht. Er meinte das gar nicht ernst, er wollte dir nur Angst machen, alles kein Ding. Du klopfst einfach an, bringst ein Sixpack mit und ihr seit wieder die besten Freunde.“, dachte Kato und blickte zu einem der Fenster ganz oben. Kiras Küchenfenster. Er war high. Andernfalls hätte er nicht den Mut aufbringen können hier zu erscheinen. Der Streit mit Kira war nun etwa zwei Wochen her. Sicher hatte sich das Gemüt des Schwarzhaarigen wieder beruhigt. Bestimmt war es ihm wieder egal. Kato klingelte. Und wartete. Und klingelte wieder. Die Tür blieb zu. „Bestimmt ist er gar nicht da.“ Er könnte ja noch eine rauchen. Vielleicht war Kira ja einkaufen und kam gleich wieder. Als er sich auf die Mauer des Vorhofes lümmelte kam Kato sich schon ein wenig wie ein Stalker vor. Aber es war nicht verboten auf den besten Freund zu warten, oder? Die letzten zwei Wochen waren der Horror gewesen. Er musste Kira wiedersehen. Ob Kira ihn vermisst hatte? Die ersten drei Tage waren okay gewesen. Kato hatte so viele Pillen genommen, er hatte nicht an seinen Freund gedacht. Mit Joji und den anderen hatte er eine Nacht, nach der anderen durchzecht. Joji und er hatten sich neue Blutsbruderschaft geschworen. Wer brauchte schon Mr. Kira? Kato im Suff brauchte ihn nicht. Er hatte ja jetzt seinen Drogenfreund. Dann war das Geld knapp geworden. Er und Joji hatten sich gestritten, wer als erster spritzen durfte. Es war Blut geflossen. Kato betastete sein noch leicht geschwollenes Auge. Joji hatte sich mit dem Dope verpisst und Kato konnte sehen, wo er blieb. So war der Anfang und das Ende seiner Blutsbruderschaft mit Joji. Ganze drei Tage hatte sie gehalten. Und danach war Kato alleine gewesen. Normalerweise wäre er sofort zu Kira und hätte Aufstand geschoben, sich beruhigen lassen, sie hätten ein Bierchen getrunken, gut Kira hätte ein Bierchen getrunken, er einen ganzen Kasten. Dann wäre er zufrieden auf Kiras Couch eingeschlafen. Am nächsten Tag hätte es Toast gegeben, ein gutes Katerfrühstück. Kira wäre zur Schule gegangen und hätte Kato gerügt, dass er wieder schwänzte. Stattdessen war Kato alleine betrunken gewesen, ging nicht zur Schule, aber das ohne Ärger. Und er wusste, was Einsamkeit war. Dann hatte er ein Mädchen kennen gelernt, im Junkiepark. Sie war noch ganz frisch in der Szene. Ein niedliches Ding. Schöne Haare. Schwarz. Und ihre braunen Augen waren noch nicht ganz stumpf geworden. Obwohl sie Kira in keinster Weis ähnlich gewesen war hatten ihre Haare und Augen voll ausgereicht um Kato zu verunsichern. Dabei hatten nahezu alle japanischen Mädchen dieses Aussehen. Das hatte ihn nie gestört. Als er sie hatte küssen wollen und ihr Haar berührt hatte, hatte er sich gefragt, ob Kiras Haar weicher war als ihres oder doch ganz anders. Und dann hatte er sie, von seinen eigenen Gedanken erschreckt, weggestoßen. Dann war er wieder besoffen gewesen. Und high. Und hatte kein Geld mehr gehabt. Mit Schnorren am Bahnhof war auch nicht mehr viel, so wie er mittlerweile aussah war allen klar, was er mit dem Geld machen würde. Und wieder hatte er an Kira gedacht. Wie er ihm prophezeit hatte er würde seinen Körper irgendwann verkaufen. Kato hatte das Geld gestohlen. Und am Abend hatte ihn diese Sehnsucht nach Kira so sehr überrollt, dass er sich für sich’s selber geschämt hatte. Er würde am nächsten Tag alle Tränen leugnen. Auch wenn keiner sie gesehen hatte. Denn er war ja alleine. Kato wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er sah wie sich die Haustür öffnete. War das nicht dieser Mudo? Dann war Kira doch zu Hause? „Aye, Mudo!“, rief Kato. Der Braunhaarige sah Kato an. „Was willst du denn?“ „Sei nicht so frech, Rotzgöre! ... Ist er da?“ „Bist du clean?“ Belustigtes Grunzen. „Ja, er ist da. Aber nicht für dich.“ Kato blitzte ihn an. „Aber für eine kleine Schwuchtel wie dich ist er das?!“ „Ich nehme keine Drogen.“ „Ich will immerhin nicht meine Schwester ficken!“ Und beide gleichzeitig stürzten sie aufeinander los. Kato war so drauf, dass er Schmerzen kaum spürte, aber dennoch merkte er, dass Mudo stärker war. Plötzlich hörten die Schläge auf und Kato spürte einen Ruck an seinem Kragen. Und er ahnte böses. Tatsächlich. Kiras rechter Arm hielt sein Hemd, während sein linker gegen Mudo’s sich heftig bewegende Brust gestemmt war. „Schluss. Alle beide.“ „Er hat angefangen.“, brüllten sie beide. „Das ist mir scheißegal.“ Kato wollte etwas sagen, aber er wusste nicht was. „Setsuna, du gehst jetzt nach Hause und du, Kato...“ „Mit nach oben?“, hoffte er. „...dahin, wo du dich die letzten Tage hin verkrochen hast.“ Ein Schlag in die Magengegend hätte nicht halb so wehgetan. Kira ließ beide los. "Noch einmal komme ich nicht extra runter um euch vor euch selbst zu retten." „Ey, Kira! Du kannst doch nicht einfach...“ „Doch, Kato. Das vor zwei Wochen war Klartext.“ Und die Tür schloss sich wieder. „Alter, du hast es ja so verbockt!“, sagte Mudo und es klang fast als hätte er Mitleid. Natürlich, für ihn war Kira auch seine rettende Insel. Er musste wissen, wie es sich für ihn anfühlen würde, wenn er nicht mehr da wäre. Und gleichzeitig wurde Kato so zornig, dass dieses kleine Blag jetzt alles von Kira hatte. „Sei still!“, sagte er nur. Wozu sich wieder schlagen? Damit Kira vollkommen Mudo’s Partei ergreifen würde? Nein. Außerdem hatte der kleine Recht. Er hatte es total verbockt. Geschlagen ging Kato seines Weges. Mudo blickte ihm verwirrt nach. So angeschlagen hatte er den Junkie noch nie gesehen. Das war's für heute^^ Kapitel 3: 2+3 -------------- Soooo, weiter gehts! Danke fuer den lieben Kommentar! EIgentlich wollte ich nur 'nen One.shot schreiben, aber dann wurde doch mehr daraud. Allerdings hat das dazu geführt, dass Kato-san doch recht schnell zur Vernunft kommt ^^ Ich hoffe, dass es dir auch weiter gefällt. Da das zweite Kapitel sehr kurz ist, habe ich das dritte noch mit dazu gepakt. Viel Spaß damit! 2 „Ihm geht’s echt dreckig.“, sagte Setsuna. Er beobachtete wie Kiras Bewegungen kurz innehielten, bevor er weiter die Gurke zerschnitt. „Gut.“ „Er vermisst dich.“ „Scheinbar nicht genug.“ „Das wurmt dich, oder?“ „...“ „Vermisst du ihn?“ „Ich vermisse niemand.“ „Du lügst.“ „Ich vermisse keinesfalls, dass ein besoffener, zugedröhnter, stickender Vollidiot sich in meiner Wohnung breit macht.“, erwiderte der Schwarzhaarige mit Nachdruck. Setsuna grinste. Wenn Kira nachdrücklich wurde hatte man einen wunden Punkt getroffen. „Aber du vermisst mit deinem Kumpel, der gelegentlich mal einen durchzieht auf Partys zu gehen und ihn am nächsten Tag in die Schule zu schleifen. Ein bisschen mit ihm zu streiten, ein bisschen scheiße zu bauen. Mit ihm deinen Vater zu provozieren und die Sau rauszulassen, oder?“ „Das ist Kato nicht mehr.“ „Aber du hättest gerne, dass es so wäre.“ „Und wenn schon. Das liegt nicht mehr bei mir. Und jetzt sei still.“ Kira warf die Gurkenstücke in die Pfanne und öffnete das Küchenfenster um eine zu rauchen. „Wieso hab ihr euch geschlagen, vorgestern?“ „Ich hab ihn wegen seiner Drogen beschimpft und er meinte, dass er wenigstens kein Schwesternficker wäre.“ „Also wie immer.“ „Glaubst du, er macht den Entzug.“ Kira zuckte die Schultern. „Kato ist nicht sehr entscheidungsfreudig. Am liebsten hätte er alles auf einmal. Ich schätze, es könnte sein, dass er sogar ein halbes Jahr braucht, um sich zu entscheiden.“ „So lange?“ „Ja. Das wäre allerdings schlecht. Denn so viel Zeit habe ich vielleicht nicht, um mein Versprechen zu halten.“, murmelte Kira, aber Setsuna verstand es trotzdem. „Wieso?“ Kira sah ihn überrascht an. „Nichts.“, sagte er dann schnell. „Ich muss ja aber auch an meine Zukunft denken. Ich weiß ja nicht, was nach dem Abschluss sein wird.“ „Klar.“ Kato erbrach sich bereits seit einer halben Stunde. Krampfend lag er auf dem Boden und war nicht mehr in der Lage in die Keramikschüssel zu brechen. Das war alles zu viel gewesen viel zu viel. Und er hatte schon wieder kein Geld. Die Miete war fällig. Drogen waren fällig. Essen war fällig. Ein weiterer Schwall Magensäure ergoss sich stinkend über den Boden. Kato selber war überall mit Magensaft besudelt. Das alles musste aufhören. Wenn er diesen Abend überlebte, dann würde er zu Kira gehen! Allem ein Ende machen. Leben. Leben? Er würde erst herausfinden müssen, ob er es wert war zu leben. Er kramte den letzten Rest Heroin hervor. Theoretisch müsste es für den goldenen Schuss reichen. Kaum hatte er abgedrückt wurde alles schwarz. 3 Als Kato aufwachte war das erste, was ihm auffiel der bestialische Gestank um ihn herum. Stimmt ja, er hatte sich übergeben. Und dann? Dann hatte er all sein Dope verballert. Weil er keine Kohle und kein Leben mehr hatte. Aber er atmete wieder. Jetzt musste er zu ihm gehen. Seine letzte Chance. Wenn er es nichts schaffen würde, dann konnte er wenigstens mit Würde zu einem kompletten Haufen Dreck werden und sich zu Tode spritzen. Dann hätte er sich von Kira abgenabelt. Dann würde er nicht mehr zwischen den Welten hin und her springen. Zwischen Drogenelend und dem echten Leben, das Kira führte. Es dauert noch eine Stunde bis er aufstehen konnte. Aber dann duschte er sogar und wechselte die Kleidung. Die ersten Entzugserscheinungen kündigten sich bereits an. Er musste sich beeilen. In der U-Bahn saß er alleine, alle mieden ihn, sahen ihn an wie einen Terroristen, falls sie ihn überhaupt ansahen. Er fühlte sie wie Dreck. Er war es ja auch. Er war die unterste Stufe. Es machte ihn so wütend, so unbeschreiblich wütend. Er fing an zu pöbeln. Eine einfache, alte Dame, die ihn ängstlich angesehen hatte war sein erstes Opfer. „Was gucken Sie so blöd, Sie alte Schachtel? Hmm? Angst, dass ich ihnen ihre beschissene Tasche wegklaue um den nächsten Schuss zu bezahlen?! Sie sind ne dreckige Spießerin!“ Ein junger Mann stand auf.Groß. Viel stärker als Kato. „Sag mal tickst du noch ganz sauber? Die Frau hat dir nichts getan!“ „Wenn die alte sich an meiner Existenz stört, kann mich ja auch ihre ankotzen oder?“, giftete Kato zurück und wollte einen Kommentar nachhängen, dass der Kerl selber ja auch nur eine bürgerliche Matschbirne war. „Diese Frau macht wenigstens was mit ihrem Leben!“, rief der junge Mann. „Fick dich doch du Hurensohn!“ Kato hatte es satt, dass man ihm immer wieder vorhielt, dass er ein Versager war. Er wusste es doch selber. Bevor die Situation komplett eskalieren konnte stieg er an der nächsten Haltestelle aus uns ging zu Fuß weiter. Es waren ja nur vier Blocks. Da konnte er sich abkühlen. Ob dieser Schritt nicht doch zu groß für ihn war? Was sollte er denn machen, wenn er sein Leben nicht mehr mit Drogen und Nichtstun verbrachte? Er hatte in der Schule durch eigenes Verschulden nichts mitbekommen. Sollte er alles wiederholen? Wer würde das bezahlen? Würde er bei seiner Vorgeschichte überhaupt eine Arbeit finden? Plötzlich begriff er, dass es immer diese Ängste gewesen waren, die ihn davon abgehalten hatten etwas zu unternehmen, die ihn immer weiter reingeritten hatten. Und auch jetzt fürchtete der Blonde, dass sie ihn wieder übermannen würden. Hatte er wirklich die Kraft diesen Schritt zu gehen? Seine Schritte wurden schwerer. Und deswegen zog Kira ihn so sehr an. Weil ihm alles so leicht fiel. Vielleicht würde Kira ihm helfen. Es wäre immerhin seine Schuld, wenn Kato jetzt doch älter als fünfundzwanzig werden müsste und deswegen Ausbildung und Job brauchte. Und wie er so an den Schwarzhaarigen dachte beschleunigten sich seine Schritte und plötzlich stand er auch schon vor Kiras Tür. Er klingelte. Nichts. Woher wollte Kira denn wissen, dass er sich ändern wollte, wenn er denn gar nicht erst aufmachte?! „Wo geht’s denn hin?“ Kato drehte sich um. Zigarette lässig im Mundwinkel, Einkaufstüte unterm Arm, Schlüssel in der Hand. Kira. „Zurück ins Leben?“, fragte er zaghaft. „Poesie steht dir nicht.“ Kira ging an ihm vorbei. Wieder dieser Duft. Er öffnete die Tür, betrat das Treppenhaus. Kato blieb unschlüssig stehen. „Worauf wartest du?“, fragte Kira. „Du lässt mich rein?“ „Du weißt ja, dass du da erst wieder rauskommst, wenn du clean bist?“ „Du wirst die Tür abschließen müssen.“ „Valium und Wein sind oben.“ (1) Langsam ging er hinter Kira her. Seine Schritte waren schwach. Im Gegensatz zu Kiras. Wie viel der ganze Kram in der Tüte wohl wog? „Hast du den ganzen Laden leer gekauft?“ „Ich hab mir gedacht ich kaufe auf Vorrat, damit ich nicht so schnell wieder losmuss. Ich hasse Supermärkte.“ Kira verlagerte das Gewicht der Tüte um die Tür aufschleißen zu können. „Allerdings lernt man da gut Frauen kennen. Gerade auch.“ „Hmm. Wenigstens etwas.“ Kira stand mit dem Rücken zu ihm, er musste sich also kein gönnerhaftes Grinsen auf das Gesicht kleben. Typisch Kira. Er und seine Weiber. „Aber keine Sorge...“, sie betraten die Wohnung und er schritt schnurstracks auf die Küche zu, um die Sachen auszuräumen „...solange du da bist, bleibt das hier ’ne Two-men-wohnung.“ Kato lehnte sich an den Türrahmen der Küche und beobachtete Kira beim einräumen. Seine Schulterblätter und Rückenmuskulatur bewegten sich fließend, das konnte er noch unter dem Hemd erkennen. Kein Wunder, dass er all diese Frauen abschleppte. „Kira?“ „Hm?“ „Wieso hast du immer die Kurve bekommen? Du hast auch mal mit mir einen durchgezogen, warst stockbesoffen, hast randaliert, Autos zerstört...warum bist du nicht unten gelandet wie der Rest von uns?“ Kira stütze sich auf der Küchenzeile auf und schien nachzudenken. Kato starrte auf die Stelle wo sich die Schulterblätter hervorhoben. „Vermutlich, weil ich es nie ernst genommen habe. Mir war immer klar, dass es irgendwann anders sein würde. Es war nur eine Laune. Einmal Urlaub von sich selbst nehmen.“ Er drehte sich zu Kato um. „Wenn ich es recht bedenke war es bei mir genau andersherum, als bei dir, Kato. Du warst mit mir zusammen um etwas vom geordneten Leben zu schmecken und ich war bei dir um etwas vom Chaos zu erleben.“ Kato passte diese Erklärung nicht. Für ihn hörte es sich an, als seien er und Kira nur zusammen gewesen um mal ein Abenteuer in einem anderem Metier zu erleben. Aber war das wirklich alles? War das alles, was er für den Schwarzhaarigen darstellte? Ein bisschen Chaos? Ein bisschen Abwechslung? „War das alles?“, fragte er. „Wie meinst du das?“ „War das der Grund, warum wir befreundet waren? Hättest du dir auch jemand anderen suchen können und es wäre das gleiche gewesen?“ Er hasste sich selber dafür diese Frage gestellt zu haben, denn Kira würde sie gnadenlos ehrlich beantworten. „Ja. Zumindest am Anfang.“ „Dann kann ich eigentlich wieder gehen.“ Tatsächlich drehte er sich um. Er wollte weg. Wollte nicht, dass Kira sah, wie sehr ihn das getroffen hatte. „Yue! Ich sagte anfangs. Hast du jemals mitbekommen, dass ich Joji angeboten hätte bei mir zu entziehen? Habe ich den Kerl jemals gefragt, ob er sich bewusst ist, was für eine Scheiße er treibt?“ „Nein, hast du nicht.“ „Siehst du. Und jetzt pflanz deinen Arsch in mein Bett. Ich werde es schon noch mit dir aushalten wenn du clean bist. Denn chaotisch wirst du sowieso immer bleiben.“ „Klar. Sakuya.“ „Das mit den Vornamen sollten wir trotzdem lassen.“ „Finde ich auch.“ Kato drehte sich nicht wieder um, als er fragte: „Und wo schläfst du?“ „Couch, nehme ich an. Weck mich, wenn die Entzugserscheinungen anfangen.“ „Klar.“ „Viel Glück.“ Sicher, dass der sarkastische Ton nicht fehlen durfte. „Kira?“ „Was denn noch?“ „Danke.“ Ganz leise. „...“ „Sag was.“ Bittend. „Wurde auch Zeit, du Penner.“ Kato lächelte. „Arsch.“ Aber er spürte einen kleinen Funken Zufriedenheit in sich. (1) Valium und Wein werden beim Drogenentzug dazu genutzt die Beschwerden zu dämmen Sooo, das war's auch schon wieder. Kapitel 4: 4+5 -------------- Sooo, nun geht's auch schon wieder weiter :D @"Kitty" Dass es dich an Christiane F. erinnert kommt daher, dass die Imformationen auch genau daher kommen ;) Freut mich, dass er dir wieder gefallen hat. Hier ist der nächste Streich (wieder im Doppelpack) 4 Die folgenden Tagen waren die schlimmsten Tage seines Lebens. Oder zumindest die elendsten, was seine körperliche Verfassung anbelangte. Egal, was für Kater er schon gehabt hatte oder was für kurzzeitige Entziehungserscheinungen, das hier übertraf alles, jede Grippe. Jede Krankheit. Er schlief kaum und wenn dann war es eher so als schwebe sein Bewusstsein knapp unter der Wasseroberfläche eines tiefen Sees, dessen Grund ihm Ruhe bringen würde. Aber auftauchen konnte er auch nicht. Er bekam alles mit, aber nur am Rande und verschleiert. Er krampfte, er kotze, er schwitze und stank. Es war als hätte man ihn direkt in die Hölle geworfen. Kira musste die Tür nicht abschließen, denn Kato hätte nicht aufstehen können. Er bekam Valium und Wein zur Beruhigung und wollte sich nicht ausmalen wie schlimm es ihm gehen würde, würde Kira sich nicht um ihn kümmern. Die Nähe des Schwarzhaarigen war das Einzige was ihm sein Elend erträglich machen konnte. Wenn Kato sich fühlte als Läge er in einem See aus Schweiß und Erbrochenen war Kira’s frischer Duft, was ihn hoffen ließ nicht ersticken zu müssen. Wenn er dachte das Entzugsfieber würde ihn verbrennen, dann war Kira’s kühle Hand, die ihm Umschläge auf die Stirn legte eine kurze Erlösung. Wenn er dabei war unter all seinen Schmerzen zu bereuen zu was er sich entschieden hatte war Kira’s dunkle Stimme das, was dieses Gefühl wieder in seine Schranken wies. Es würde bestimmt vorbeigehen, dachte er dann. Schlimm waren die Momente in denen Kira nicht da war. Nach wie vor hatte er Schule, auch wenn er in den Freistunden immer vorbeikam um nach ihm zu sehen fühlte Kato sich furchtbar. Als läge er in einem stockfinsteren Raum und irgendein Arschloch hätte ihm seine Taschenlampe gestohlen. In diesem Momenten fragte er sich wie Kira ihn nur alleine lassen konnte, während er am krepieren war. Er war wütend und verletzt. Er brauchte doch Gesellschaft. Meistens hatte ihm der Schwarzhaarige vorher Beruhigungstabletten gegeben, so dass Kato vor sich hin dämmerte und ihm die Stunden wenigstens etwas kürzer erschienen und er nicht zu sehr krampfte. Es war weniger die Dauer, die in belastete, sondern das Alleinsein überhaupt. Auch wenn es nur 10 Minuten gewesen wären. Erleichtert war Kato als die Momente kamen, in denen er bemerkte, wie das Gift aus seinem Körper wich. Er fühlte sich immer noch mehr als nur kodderich, und wechselte nach wie vor zwischen fieberndem Dämmern und klaren Momenten, zwischen heiß und kalt, aber er merkte, wie es ihm besser ging. Eine Schattenseite gab es an der neuen Bewusststeinstärke jedoch auch: Wenn Kira ihn vorher gepflegt hatte, hatte er es nur am Rande wahrgenommen. Es war seine erlösende Nähe gewesen, die der gespürt hatte, aber er hatte ihn nicht wirklich als Menschen wahrgenommen. Eher als eine dunkle Art Schatten, der wider Erwarten Gnade ihm gegenüber bewies. Jetzt wo der Kira als das registrierte was er war, wurde ihm die ganze Sache unangenehm. Er musste stinken wie ein Gülleloch und auch mindestens genauso beschissen aussehen. Er wusste von sich selbst wie sehr er sich vor vollgekotzen Pennern in der Gosse ekelte, vor dem Geruch von Unrat. Aber Kira zuckte nicht einmal mit der Wimper. Kato schuldete ihm so viel. Wie sollte er das je wieder gut machen können, wie die Rechnung begleichen? Und trotzdem war es schön jede einzelne Berührung von ihm richtig wahrzunehmen. Kato sprach in der Zeit nicht. Es war ihm lieber, wenn Kira nicht merkte, dass er wieder klar denken konnte und dass er alles wahrnahm, was geschah. Eines Tages wachte er morgens auf und hatte das Gefühl aufstehen zu können. Langsam setzte er sich auf. Es ging. Er blickte sich um. Es war noch dunkel. Entweder war es mitten in der Nacht oder sehr früh am morgen. Das Fenster war offen und Kato genoss die frische Brise. Langsam schwang er die Beine aus dem Bett. Der Mond warf etwas Licht in das Zimmer und er konnte die Silhouette von Kira auf dem Sofa erkennen. Langsam senkte und hob sich seine Brust. Er wirkte ganz ruhig und entspannt und trotzdem ging etwas von ihm aus, dass einen daran hinderte ihn wecken zu wollen. Wie eine schlafende Raubkatze, die man besser schlafen lässt. Kein Wunder dass Joji und die anderen den Schwarzhaarigen nie so weit provoziert hatten, dass er wirklich ausgerastet war. Kato wollte sich nicht vorstellen war Kira’s starke Arme so mit einem schwachen Drogenkörper anstellen konnten. Kato schlich leise zu Kira’s Kleiderschrank und nahm sich ein Hemd und Shorts heraus. Das war sicher okay, hatte er ja früher öfter gemacht. Dann ging er ins Badezimmer. Nur langsam konnte er sich ausziehen, so schwach war er. In der ganzen letzten Zeit hatte er nichts gegessen, kein Wunder also, dass er so schwach war. Aber sein Magen fühlte sich immer noch so seltsam an, dass er entschied auch heute vorerst nichts zu sich zu nehmen. Die darauf folgende Dusche war die beste seines Lebens. Das warme Wasser war wie die letzte Reinigung, die ihn von all dem Schmutz befreite mit dem er sich besudelt hatte. Der ganze Schweiß und wer wusste schon was noch verschwand auf ewig im Abfluss, in der Kanalisation, der Gosse, wo auch immer hin. Weg von ihm. Und er hoffte, dass er stark genug war, dafür zu sorgen, dass es so bleiben würde. Als ihm bedingt durch die Hitze langsam schwindelig wurde drehte er das Wasser ab. Und atmete tief durch. Es fühlte sich so komisch an. Er fror. Und spürte es. Spürte es richtig. Ohne diesen Dämmerzustand war alles ganz anders. Auf einer Seite stumpfer, denn Heroin hatte alles hervorstechen lassen, andererseits intensiver, denn es war die wirkliche Welt. Als er Kira’s Hemd hoch hob, war es wieder sein Duft, der ihm entgegen schlug. Und auch der war anders, als er ihn sonst war nahm. „Scheiße, du Schwuchtel. Kannst doch nicht einfach wie ein verliebtes Schulmädchen an der Kleidung deines besten Freundes riechen.“, schalt er sich selbst. Schnell zog er es über. So, wenn er es jetzt roch konnte er ja nichts dafür. Schließlich brauchte er was zum anziehen! Schnell zog er auch die Shorts über und warf seine eigenen Sachen in den Wäschekorb. Und jetzt? Trotz seiner Angeschlagenheit fühlte er sich seltsam aktiv. „ Erst mal raus aus dem Bad...“ „Ich sehe du bist wach.“ Kato fuhr erschrocken zusammen und wirbelte herum. Jetzt hatte er ihn wohl doch geweckt. Kira stand im Türrahmen. Angeschienen vom Mondlicht. Es war das kitschigste, lächerlichste und gleichzeitig atemberaubenste was Kato jemals so bewusst erlebt hatte. Kira’s Haare waren zerstrubbelt und gaben ihm etwas gefährliches, verwegenes, eben nicht so geordnet wie sonst. Seine Augen waren im Dunkel fast schwarz, unheimlich, viel zu tief. Erschreckend. Anziehend. Er war sich nicht sicher, es war etwas von allem. Die Haut so hell... und wie immer wenn Kira noch nicht im Bad gewesen war, der obligatorische Drei-Tage-Bart. Wieso war ihm eigentlich nie aufgefallen, dass Kira im Gegensatz zu ihm so viel stattlicher geworden war? Weil er zu sehr mit seinen Drogen befasst gewesen war. „Du starrst.“ Im Dunkeln hörte sich Kira immer so verdammt bedrohlich an, clean umso mehr. „Was?“ „Du starrst.“, wiederholte er und Kato war froh, dass es so dunkel war dass Kira nicht sehen konnte wie er rot anlief. „Ich...ähm...ist komisch alles so...klar...zu sehen...ich, äh, hab mir Sachen von dir geliehen...“ Nervös fuhr er sich den Nacken entlang. „Sehe ich. Das Hemd ist dir zu groß.“ „Ja...“ „Du musst heute was essen Kato.“ „Wenn’s hell is...“ Kira griff nach einer Kippenpackung auf seiner Kommode. Zigaretten hatte der Kerl überall. „Ich Schätze Raucher zu bleiben ist in Ordnung...“, sagte er und hielt Kato die Packung hin nachdem er sich selber ein Glimmstäbchen genehmigt hatte. „Nicht zu viel auf einmal...“, erwiderte Kato und nahm sich eine. Das Feuer hatte Kira. Er zog Kato näher um seine Zigarette an Kato’s zu halten. Die in seinem Mund war. Fast hätte er sie fallen gelassen. Einen kurzen Moment verharrte Kira in dieser Position bevor er Kato plötzlich umarmte. Der Blonde war komplett überfordert. Es schoss zu viel auf einmal durch seinen Kopf. Kira’s Körper war kühl und sehr hart, aber trotzdem fühlte er sich schön an. Seine Haare kitzelten Kato’s Wange. Sie waren weich. Jetzt wusste er es. „Ich bin stolz auf dich.“, raunte er und plötzlich war seine Nähe wieder verschwunden. Kato schluckte. „Würde bewahren, Würde bewahren!“, dachte er verzweifelt und war froh für den Geistesblitz der ihm kam: „Wurde aber auch Zeit du Penner.“ Kira grinste. „Arsch.“ 5 „Alter, es stinkt!“ Als Kato das Zimmer nach seiner kurzen Abwesenheit wieder betrat drehte es ihm den Magen um. „Kein Wunder. Drogenentzug ist eine stinkende Angelegenheit. Aber kein Ding. Das Drogenleben an sich stinkt viel mehr.“, sagte Kira trocken. „Ich hab mich dran gewöhnt. Das Bett müsste aber mal bezogen werden. Weiß nicht, ob du dich da wieder reinlegen willst.“ Kato schüttelte schon den Kopf bevor er das Bett näher in Augenschein genommen hatte. „Penn auf dem Sofa bis es hell ist.“ „Und du?“ „Ich bin wach. Und außerdem ist Montag. Ich müsste sowieso in zwei Stunden raus.“ „Dann bleibe ich noch wach. Kann dann ja schlafen.“ „Wenn du meinst...willst du was trinken?“ Kato nickte und folgte Kira in die Küche. „Eigentlich könnte er mal mit Hemd schlafen...“, dachte Kato „oder sich zumindest eins anziehen, wenn er aufsteht." Bisher hatte er angenommen, dass seine Verlegenheit gegenüber Kira daraus resultierte, dass er ihm um seine Entwicklung beneidete, um seine Gesundheit. Aber langsam beschlich ihn der Gedanke, dass es woanders herrührte. Und wenn es so wäre, das wurde ihm klar, wäre das seine persönliche Katastrophe. Wie konnte er hoffen, dass Kira etwas erwidern könnte? Kira, der eine Frau nach der nächsten flachlegte. Er hatte keine von den Weibern je gemocht.... Nein, gar nicht wahr! Ab einem bestimmten Punkt hatte er sie nicht mehr gemocht. Etwa seit einem Jahr. Und ihm begann zu dämmern warum. Wo war noch mal das Dope? Aber nein! Deswegen wieder anzufangen wäre Schwachsinn. Dann würde er ihn ja gar nicht wiedersehen. Nie. „Kato?“ „Hä?“ „Was du trinken willst.“ „Oh. Ja. Wasser.“ Verwirrt. „Wasser?“ Erstaunt. „Wasser.“ Trocken. „Wasser...“ Perplex. „Mit meinem Magen trink ich sicher kein Bier...oder irgendwas anderes, das Geschmack hat.“ „Vernünftig.“ Für sich selbst setzte er Kaffee auf. Wer war hier der Junkie? „Du bist Kaffeeabhängig. Du solltest Entzug machen.“ „Du mich auch, mein Lieber.“, antwortete Kira und stellte ihm das Glas vor die Nase. „Ich mach Musik an. Hält dein Kopf das aus?“ „Wieso machst du eine feststehende Behauptung und fragst dann, ob ich das ab kann?“ „Seit wann achtest du auf rhetorische Feinheiten?“ „Mein Gehirn ist nicht mehr auf Standby. Ich brauche Beschäftigung.“ Ein diabolisches Grinsen zog sich über Kira’s Gesicht. „Was?“, fragte Kato verunsichert. „Ich weiß, wer nächste Woche mit mir in die Schule geht.“ „Wir wollen doch nicht übertreiben...“ „Kato! Du könntest einfach wiederholen. Dann fängst du nächstes Jahr an. Und hast dann einen Abschluss. Noch kannst du’s reißen...“ „Können wir das später besprechen? Ist alles ein bisschen viel.“ „Klar. Aber ich komm drauf zurück.“ „Ich weiß. Ich kenn dich. Mach endlich mal was an.“ Kato nippte an seinem Wasser. Es tat gut. Kira machte Musik an. Und was für welche. Wieso hatte er so ein Händchen dafür Musik zu finden, die einfach....passte? Sie war so...na ja, die könnte auch in einem Puff laufen. Was nicht heißen sollte sie sei niveaulos, aber sie war verführerisch, so sanft und irgendwie schmeichelnd. Mit leichten Elektroeinflüssen. „Was ist das?“ „Die Band einer Freundin.“ Falsche Antwort. „Einer Freundin“ bedeutete „einer Bettgeschichte“. „Du hörst dir die Band einer Verflossenen an?“ „Sie ist nicht direkt eine Verflossene.“ Kato spürte, wie er sich verkrampfte. „Du hast was verpasst in den anderthalb Monaten die wir nicht miteinander geredet haben. Sie heißt Eve, ist eigentlich Engländerin und macht hier ihr Musikstudium an der Todai. Schlaues Mädchen. Hübsch. Begabt. Mann kann sich nicht beschweren.“ Kato schluckte. Nein. Das konnte nun wirklich nicht sein. Kira führte keine festen Beziehungen. Das war ihm zu stressig. Er mochte das nicht. Er wollte Abwechslung. Das ging einfach nicht. Nein. „Und...es ist was festes?“ Er nahm einen großen Schluck. Kira zuckte mit den Schultern. „Ich hab mehr als ein Mal mit ihr geschlafen. Du weißt ja...einmal ist keinmal aber aus zweimal wird schnell dreimal...und nach dreimal hat man dann ein Problem am Hals. Aber es hat mich nicht gestört sie wieder zu sehen. Aber keiner von uns hat etwas von Beziehung gesagt...schätze, es ist eher eine Bekanntschaft mit Extras.“ Kato räusperte sich. „So so. Wie lange studiert sie denn noch?“ Vielleicht war er diese Hexe ja bald los. „2 Jahre.“ Bald war etwas anderes. 2 Monate war bald. „Hmm.“ „Aber eigentlich hätte ich nicht gegen ne Beziehung mit ihr.“ „WAS?“ Kira sah ihn ernst an. Dann verzogen sich seine Mundwinkel und er lachte los. „Alter, dein Gesicht! Eve existiert nicht. Die Sängerin dieser Band ist potthässlich, die CD habe ich nur um der Musik willen. Beziehung! Ich bitte dich...“ Kato’s Sturzflug aus allen Wolken wurde radikal gebremst. „Du Pisser!“, schimpfte er, konnte sich aber ein erleichtertes Lachen nicht verkneifen. „Hattest du schon Angst ich gehe unter die Pantoffelhelden?“ „Nein, ich hatte Angst, dass sie dich mir wegnimmt.“, dachte Kato. „So ähnlich. Frauen stören doch jede Männerfreundschaft.“ „Ach was will ich mit einem zickenden Weib, wenn ich nen zickenden Ex-Junkie zu hause habe, hm?“ „Danke, ich bin also dein Hausdrachen?“, witzelte Kato und spürte wie sehr er sich genau das wünschte. Aber es war aussichtslos. Er war selbst überrascht, dass ihn diese Erkenntnis nicht total umwarf. Wahrscheinlich weil er es in sich immer gewusst hatte. Nur jetzt wurde es ihm bewusst. Mit voller Wucht. „Vorher warst du eher mein Hausschwein. Aber wer weiß, vielleicht machst du ja eine Metamorphose durch?“ Kato zeigte ihm den Mittelfinger. „Hast du ’nen Clown gefressen?“ „Nein.“ „Was hast du heute eigentlich vor?“, fragte Kato um auf ein anderes Thema zu kommen. Das hier ging ihm zu nah. „Setsuna braucht Mathe- Nachhilfe. Da es dir jetzt besser geht könnte ich das wahrnehmen. Ich nehme an es ist besser, wenn ich ihn besuche statt ihn herzubringen?“ „Ist doch deine Bude...“ Kato merkte direkt, wie er zickig wurde. Setsuna war immer große Konkurrenz gewesen, wenn es um Kira’s Zuneigung ging. Scheiß Blag. Mistvieh. Arsch. Trottel. „Ja und ich würde es sehr hoch schätzen, wenn das Mobiliar heile bleibt...“ „Ich kann mich benehmen...“ „Sicher?“ „Ja, verdammte Scheiße. Bring die Nervensäge her.“ Wenn er jetzt noch schmollte war diese lächerliche Eifersuchtsperformance perfekt. Kira zog eine Augenbraue hoch. „Wir werden sehen...“ Er stand auf um sich seinen Kaffee einzugießen und streckte sich. Kato erhaschte einen Satz des Songtextes: His body is a little gallery. Er vermutete dass das Lied selber damit auf Tattoowierungen anspielte. Aber die brauchte Kira gar nicht... Eigentlich könnte er mit dem Rücken gut Schwimmer werden. Breites Kreuz, schmale Hüften. „Konzentrier dich auf etwas anderes!“, herrschte er sich in Gedanken selber an. Eine Weile standen beziehungsweise saßen sie schweigend da. Nicht unangenehm, denn sie hatten sich schon häufig so gegenüber gesessen. Aber trotzdem war es Kato nun lieber Kira sprechen zu hören. „Wie lange kennen wir uns jetzt eigentlich?“, fragte Kato. „Grundschule...das ist über zehn Jahre her.“ „ Ziemlich genau zehn. Wie kommst du da drauf?“ „Nur so...ich hab nur gedacht, dass man dich gar nicht wiedererkennen würde, wenn man Photos von dir während der Grund- oder Mittelschule sehen würde...“ „Man wird älter...“ „Ja...“ „Kato, das ist eine ganz komische Laune, die du da hast. So nostalgisch, melancholisch...“ „Nos-, mela- was?“ „Vergiss es.“, sagte er lächelnd und setzte sich wieder mit seiner Tasse, die Beine auf dem Tisch. „Theoretisch könnten wir uns noch diesen total beschissenen Film reinziehen, den wir mit vierzehn immer geschaut haben...“ „Den hast du noch?“ „Ja.“ Kato war überrascht. Kira war nicht der Typ der Dinge aufbewahrte, die ihn nicht mehr interessierten. Und dieser alte Schinken interessierte ihn sicher nicht mehr. Schlechte Action, schlechter Humor. Aber gute Frauen. Das war damals wohl der Punkt gewesen. „Warum nicht. Ich hol mir noch schnell eine Decke, es ist kalt.“ Zusammen saßen sie auf dem Sofa, mit Wasser und Kaffee und schauten diesen Film. Früher immer bei Kira’s Vater, wenn er nicht da war. Und dann hatten sie sich unglaublich cool gefühlt, wenn sie dabei ein Bier tranken. Hatte Kato da schon gekifft? Er glaubte schon. „Was eine Scheiße...“ Kira lächelte belustigt. „Und die Frau fanden wir damals scharf...“, fügte Kato hinzu. „Das lässt sich wirklich nur durch pubertären Leichtsinn entschuldigen.“ „Ich komm mir komisch vor hier in einer Decke eingemurmelt zu sitzen, während du hier rumhängst wie im Hochsommer...“ „Du fällst unter den Status krank. Mir ist eh selten kalt...wie kommst du da überhaupt drauf?“ „War nur so ein Gedanke.“ Kira langte nach vorne um seine Zigaretten zu holen. „Wo wir schon von ‚gerade so einen Gedanken gehabt’ sprechen- ich will Sex. Du lagst ne Woche flach, ich war nicht draußen. Du schuldest wir was, Alter.“ Das war ein ganz typischer Spruch für ihn. Keine Andeutung. Kato wusste das. Kira war schon untervögelt, wenn er drei Tage lang keinen Sex hatte. Aber trotzdem hoffte er, dass sein Freund das Rot seiner Wangen übersah. Hätte er Brüste hätte er darauf geantwortet, dass er ihn dafür jetzt mit Naturalien entschädigen könnte und sie würden die ganze Nacht vögeln. Aber so war es nicht. Erstaunlich wie schnell er sich mit dem Gedanken akklimatisiert hatte, was Kira wirklich für ihn war. Er musste es schon vorher gewusst haben, irgendwo in sich. Das war bestimmt so ein Trick des Unterbewusstseins. Oder der Drogen. Oder der Abwesenheit der Drogen. Irgendetwas. „Ich geb dir den nächsten Drink für den nächsten Aufriss aus.“, versuchte er eine lockere Bemerkung zu machen. „Wenn’s dir morgen besser geht könnten wir ins Fusion gehen...und nur nebenbei deine Sachen abholen.“ „Hö?“ „Wenn du weiter in der Kifferhöhle wohnst kommst du nur wieder drauf, du bleibst erst mal hier.“ „Ernsthaft?“ „Ja.“ „...“ Er wolle doch etwas sagen. Aber was? Er öffnete den Mund- „Halt einfach die Klappe, Kato. Es ist alles so wie’s sein sollte.“ Wieder atmete er Kira’s Duft ein. So nah sie sich auch wahren, eine gewisse Distanz war immer da. „Fast Kira.“, dachte Kato. „Fast“. So. Wieder Schluss. Kapitel 5: 6 ------------ So, next one. Hoffe, es gefällt! Ab jetzt kann es aber ei bisschen dauern, weil die vorgeschriebenen Kaitel aufgebraucht sind. Hoffe es gefällt. ...................................6...................................... Gegen drei war Kira mit dem kleinen Mist Balg aus der Schule wieder da. Kato überschlug sich fast vor Freude... Nüchtern begrüßten er und Setsuna sich, bevor Kato sich in Kira’s mittlerweile nicht mehr stinkendes Zimmer verzog. Die beiden waren im Wohnzimmer. Lange. Kato’s Stärke war das Warten nicht gerade...kurz war er versucht eines von Kira’s Büchern zu lesen, dachte sich dann aber doch, dass das zu viel wäre. Fernsehen viel flach, das Wohnzimmer war ja besetzt. Musik hörte er bereits. Nach fast zwei Stunden wäre es doch bestimmt okay mal ein bisschen zu nerven... Unglaublich wie schwer es war seine Zeit rumzubringen, wenn man nicht high war und Zeit dadurch ihre Bedeutung verlor. Kaum setzte er die Kopfhörer ab hörte er Setsuna einen Witz über eine Aufgabe reißen und Kira darüber lachen. Das nervte ihn am meisten. Dass Kira immer lachte, wenn er mit der braunen Seuche zusammen war. Ätzend, diese Harmonie. „Kiraaaaaaaaaaaaaaaaa...“, maulte er als er ins Wohnzimmer kam. „Ja?“ „Langweilig...“ „Hier sind schöne Matheaufgaben, die dir bestimmt auch nicht schaden könnten...“ „...“ „Lies was.“ „...“ „Wie hast du deine Tage alleine rumgerbacht?“ „Rumliegen...glotzen.“ „Oh Mann. Du könntest allerdings mal Pizza bestellen. Ich hab Hunger.“ Kira. Unverbesserlicher Pizza-Freak. Dass er das nicht ansetzte... „Uh ja. Für mich auch! Meine Konzentration ist eh weg. Kann ich nicht einfach übermorgen noch vorbeikommen?“, warf Setsuna ein und hatte seine Bücher schon so gut wie zugeklappt. „Meinetwegen. Ich merk schon, dass du nichts mehr wirklich aufnimmst...Also dann, Pizza.“ Er griff nach dem Telefon und Kato funkelte Setsuna an. Auch noch mitessen wollen... Konnte das Nervenbündel nicht abziehen? „Oh Mann. Mathe macht mich fertig...“, grunzte der Kleine und stütze sich ganz natürlich an Kira ab. „Ich weiß. Du lässt dich nicht genug drauf ein.“ Er wuschelte dem Kleinen durch die Haare und Kato fühlte sich übergangen. „Soll ich euch die Wohnung für ein kleines Schäferstündchen überlassen?“ „Eifersüchtig?“, stichelte Setsuna und grinste ihn an. Kato versuchte ihn so nüchtern wie möglich anzusehen. „Klar.“ Ironie stand ihm ganz gut, fand er. Es war eine wunderbare Art die Wahrheit auszusprechen ohne dafür belangt zu werden. Das war doch alles so erbärmlich und lächerlich. Kaum flüchtete er sich nicht mehr in diesen ganzen Drogen- Dreck, da registrierte er, dass Kira ihm mehr bedeutete, als er je angenommen hätte und war wegen so einer Kleinigkeit gleich eifersüchtig. Das durfte doch nicht wahr sein. Vielleicht sollte er sich doch etwas Gras besorgen und ein paar Pillchen... „Kato?“ „Hmm?“ „Lass das.“ „Was?“ Konnte er Gedanken lesen?! „Ich sehe, dass dein Gehirn irgendeinen Scheiß ausbrütet.“ Er kannte ihn einfach zu gut. Kato war innerlich zwiegespalten. Einerseits war da der alte Trotz, der einfach aus Prinzip nicht alles tun wollte, was Kira ihm sagte, das Bedürfnis wieder ein bisschen das Arschloch raushängen zu lassen und sich was auf der Straße zu besorgen. Die geistige Abhängigkeit zu besiegen würde ihn soviel mehr Leid und Arbeit kosten als der körperliche Entzug, das war ihm klargeworden. Und daher rührte auch seine zweite Empfindung, dieses sich zu ihm hingezogen fühlen, bei ihm bleiben und für sich haben wollen. Einerseits schämte er sich seiner Gefühle, andererseits hatte er das Gefühl etwas gefunden zu haben an das er sich klammern konnte. Auf der einen Seite fand er es schön, dass der Schwarzhaarige ihn so gut kannte, andererseits hatte er Angst er könne Kato seine Gefühle ansehen. Sein Kopf begann zu schmerzen. Es war alles viel zu viel. Er sehnte sich nach Ruhe in seinem Kopf, einem Schuss. Kira’s Blick lag eindringlich auf Kato und er kam langsam in die Wirklichkeit zurück. „Bestell mir eine Hawaii...“, sagte er. „verträgst du das schon?“ „Wird sich zeigen.“ Kira sah ihn noch einen Augenblick undefinierbar an bevor er der Bestellung noch eine Pizza Hawaii hinzufügte. „Eine dreiviertel Stunde werden wir uns wohl noch beschäftigen müssen stellte er fest, als er aufgelegt hatte. Kato stöhnte auf. Eine dreiviertel Stunde mit Mudo? Der Braunhaarige schien ähnlich zu denken, denn er blickte ihn unglücklich an. „Ich sollte euch zwei zusammen in einen Raum stecken und gehen. Mal sehen wer da am Ende übrig bleiben würde...“ Kira lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss kurz die Augen. Setsuna und Kato schwiegen. Was sonst sollten sie tun? Beiden war die Situation unangenehm. Es wäre vermutlich bis zum Eintreffen des Pizzaboten so gewesen hätte Setsuna nicht das Kartenspiel auf Kira’s Fernsehtisch entdeckt. „Wie wär’s damit?“, fragte er und deutete auf denn Stapel. „Als wenn du ein gescheites Kartenspiel beherrschen würdest...“, stichelte Kato. „Wetten ich zieh dich beim pokern ab?“ „Von wegen.“ „Na dann wäre das ja geklärt.“, sagte Kira. „Ich-“, er nahm sich eines seiner zahlreichen Bücher „werde jetzt dieses Buch weiterlesen und ihr erleichtert euren Geldbeutel oder was auch immer.“ Und schwupps. Mit einem Grinsen hatte der Herr sich aus der Affäre gezogen und die beiden alleine gelassen. „Das war mies.“, sagte Setsuna. „Bestimmt hat er das Kartenspiel extra dahingelegt.“ „Ja...zuzutrauen wäre es ihm. Spielen wir?“ „Du wirst so verlieren!“ Er würde dem kleinen schon zeigen wessen Revier das hier war! Kato würde es nie offen zugeben, aber Mudo war ein würdiger Gegner. Es gab außer ihm selbst nur eine Person die besser bluffte, auch besser als er. Diese Person las gerade ein Buch, dessen Inhalt Kato wahrscheinlich nicht einmal mit Lektürenschlüssel verstehen würde. Was Kato ebenfalls nie zugeben würde war, dass Mudo nett sein konnte. Nicht, dass sie besonders freundlich zueinander waren, aber keiner von ihnen erwähnten die wunden Punkte Drogen oder Sarah. Zumindest nicht negativ. Als Mudo gerade eine Runde verloren hatte sah er ihn an. Ganz ernst aus großen braunen Augen. „Du, Kato. Ich finde echt krass, dass du es geschafft hast...“ Ohne ein weiteres Wort von beiden mischte er die Karten weiter. Sollte er doch seine Schwester vögeln...Hauptsache er ließ „seinen Sempai“ in Ruhe. Aber Mudo’s Kompliment erweckte auch Angst in Kato. Es war noch lange nicht vorbei. Was würde passieren, wenn er diese Wohnung verließ, wenn er wieder draußen war, auf sich gestellt, wenn Kira nicht da war um auf ihn aufzupassen. Er wusste, wäre er jetzt alleine, er würde sich wieder betäuben. Vielleicht würde er mir Kleinigkeiten anfangen, aber am Ende würde er wieder beim Heroin landen. Hier in dieser Wohnung hatte er eine Festung, aber was war da draußen? Und früher oder später würde ihm die Decke auf den Kopf fallen und Kira konnte nicht immer bei ihm sein. Sie spielten noch eine ganze Weile ohne dass viel geredet wurde- abgesehen von den obligatorischen Flüchen und Beleidigungen bei einer Niederlage und dem Spott und Hohn dem anderen gegenüber bei einem Sieg- bis es endlich an der Tür klingelte. Unisono jubelten die beiden, sprangen auf und hechteten Richtung Tür, erreichten sie sogar noch vor Kira. „Jungs. Ich habe das Geld.“, sagte Kira trocken und schob die beiden Fressmonster von der Tür weg. Er drückte den Summer- etwas das Kato glatt vergessen hätte. Wenn er Pizza bestellt hatte war der Pizzabote immer direkt nach oben gekommen, weil die Haustür kaputt war. Irgendjemand hatte das Schloss so demoliert, dass sie sich nicht mehr schließen ließ. Etwas außer Atem kann der übergewichtige Pizzabote die Treppe heraufgewatschelt. Kato konnte sich vorstellen, dass Kira süffisant grinste. Er hatte Kato auch immer ausgelacht, wenn dieser schlapp gemacht hatte. Was häufig passiert war, denn die Drogenkondition war nicht die beste. Der Pizzabote schnaufte und verfluchte den Architekten des Hauses wahrscheinlich für seine Idee den Aufzug wegzulassen. Kato konnte das nachfühlen. Allerdings beängstigte ihn der Pizzabote auch. Ob der wohl zu viel von seiner eigenen Ware aß? Setsuna schienen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen, denn er blickte den Mann ebenso abschätzig an. Und Kira, der glänzte natürlich wieder im Vergleich zu dem grobschlächtigen, übergewichtigen Mann. Wieder ein Ego-Punkt für ihn. Er bezahlte die Pizzen und schloss die Tür wieder. Kato und Setsuna blickten ihn mit großen Augen an. Seufzend hielt er ihnen ihre Kartons hin und beobachtete amüsiert, wie die beiden sich unverzüglich in die Küche begaben. „Können ja doch miteinander...“, murmelte er. Kira setzte sich gemütlich hin und aß seine Pizza gesittet. Natürlich. Setsuna und Kato futterten als hätten sie seit Ewigkeiten nicht gegessen. Was auf Kato ja auch passte. Und es war ein wunderbares Gefühl wieder etwas zwischen die Zähne zu bekommen. „Sooooo.“ Setsuna strich sich über den gut gefüllten Bauch. „Ich muss dann jetzt auch los... Sarah wartet...“ Blick zu Kira. „Ich bring dich zur Tür.“ Uh, Kato verstand. Zuhörer nicht erwünscht. Gut, wenn die beiden meinte. Er verschränkte die Arme und tat als hätte er nicht gemerkt, dass er übergangen wurde. Bemerkte er ja normalerweise auch nicht. „Steiger dich da nicht zu sehr rein, Kleiner.“, sagte Kira und legte seinem kleinen Freund die Hand auf die Schulter. „Ich fürchte dafür ist es zu spät. Es tut jedes Mal so weh sie zu sehen...aber ohne sie ist es noch schlimmer.“ „Du weißt, ich stehe hinter dir.“ „Dafür bin ich dir so dankbar. Ohne dich wüsste ich nicht, was ich machen soll.“ Kira lächelte warm. „Sempai?“ „Hm?“ „Vielleicht solltest du Kato auch mal so anlächeln. Er mag dich sehr...“ Und schwups war der Junge mit einem Augenzwinkern durch die Tür verschwunden. Was war das denn? Kira schüttelte den Kopf über die Allüren des Kleinen und begab sich zurück in die Küche. „Und jetzt?“, fragte Kato. „Ich muss Hausaufgaben machen...“ „Och nöööö.“ „Och doch. Schau fern. Dann holen wir deine Sachen. Und heute Abend gehen wir raus.“ Kira verschwand in sein Zimmer und Kato vor den Fernseher. Wollte er denn wirklich mit Kira auf die Piste gehen? Natürlich würde es Spaß machen, wäre da nicht die Gewissheit, dass es Frauen geben würde. Kato musste über sich selbst lachen. Als er noch Heroin genommen hatte, war er jedem Rock hinterher gerannt. Aber wie hieß es so schön? Wenn Alle Stricke reißen ist es auch zu spät sich zu erhängen. Er würde es schon packen. Hauptsache er dachte nicht dauernd an das Heroin. Denn das teilte sich mit Kira sein Gehirn. Und beides machte ihn wahnsinnig. Es war der erste Abend für Kato an dem Kira richtig besoffen war und er nahezu nüchtern. Seines Magens wegen hatte er nur zwei Bierchen getrunken. Erstaunlich war aber, dass man Kira nicht ansah wenn er betrunken war außer man kannte ihn, kannte ihn gut. Er redete ohne zu lallen, aber sein Wortschatz wurde grober. Er ging geradeaus ohne Schlangenlinien, aber das Feste in seinen Schritten fehlte. Er war schlagfertig, aber die Antworten kamen nicht wie aus der Pistole geschossen. Er besaß nach wie vor seinen Charme, aber er war weniger dunkel und gefährlich als viel mehr dreist und verwegen. Siebzig Prozent seiner Prügeleien hatte Kira betrunken gestartet. Die anderen dreißig hatte Kato gestartet und Kira hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes raushauen müssen. Und was besonders wichtig war: Wenn Kira betrunken war flirtete er ohne Unterlass. Wenn Kato betrunken war störte es ihn nicht. Aber er war quälend nüchtern, quälend clean. Und die Versuchung in ihm wuchs sich abzuschießen, vollzudröhnen und zu krepieren. Fünf Damen hatten sich zu ihnen gesellt, oder besser zu Kira. Ihn, Kato, beachteten sie kaum. Auch das war okay. Das Problem war schließlich nicht, dass die Frauen ihn nicht beachteten, sondern, dass sie Kira generell zu viel Aufmerksamkeit schenkten. Kato wusste auch direkt welche die Ehre haben würde am Ende von Kira flachgelegt zu werden: Die ausländische Dame ganz links, Europäerin. Gut gebaut. Blond. Blauäugig. Und das Schlimmste war, dass Kato sich nicht in seine Bude zurückziehen konnte. Sie hatten seine Sachen heute rübergebracht und beschlossenen, dass sie die ausziehbare Couch aus Kira’s Zimmer mit der im Wohnzimmer vertauschen würden, damit jeder etwas Privatsphäre hatte. Aber allzu dick waren die Wände nicht... Natürlich könnte Kato auch auf Beutezug gehen, aber er verspürte nicht die geringste Lust dazu. Kira schien zu merken, dass etwas mit ihm nicht stimmte und sah ihn etwas verschleiert an. „Alles klar bei dir?“ „Ich...fühl mich nicht besonders. War vielleicht doch keine so gute Idee. Ich könnte einfach schon mal vorgehen. Du kommst dann einfach nach, wie wär’s?“ „Sicher, dass der Weg alleine geht?“ „Sehe ich aus als würde ich gleich umfallen?“ „Nein, aber als seiest du sehr schlecht drauf. Gehe nicht über den Bahnhof und ziehe keine neue Ladung rein...“ „Ich ruf dich von deinem Telephon aus an.“ „Ist gut.“ „Bis später.“ Die kalte Luft tat gut. Kato hoffte, dass sie ihm den Kopf klären würde. Damit er nicht an Kira in seinem schwarzen Hemd dachte, an sein schwarzes Lächeln mit dem er die Frauen umgarnte. Aber es half nichts. Insgeheim hatte er gehofft, dass Kira ihn nicht gehen lassen würde, beziehungsweise, dass er mit ihm ging. Seufzend zündete Kato eine Zigarette an und zog seine Jacke enger. Nacht war es immer so verflucht kalt. Er wollte noch nicht in die Wohnung zurück, auch wenn er es Kira versprochen hatte. Wieso sollte er sich so einschränken lassen? Mr. Handsome machte schließlich gerade Aufrisse, da konnte Kato doch auch noch einen kleinen Spaziergang machen. Nicht dass er Anfing sich seiner Gefühle wegen unterbuttern zu lassen. Überhaupt, was waren schon Gefühle? Es würde vorbei gehen. In seinem trotz achtete Kato nicht darauf wohin seine Füße ihn trugen und war natürlich wieder an den alten Tatorten gelandet. Hier ganz in der Nähe war Bobby immer unterwegs. Er könnte ihn einfach mal besuchen, sagen dass er clean geworden war. Und wenn er gelegentlich mal einen Joint rauchte war das doch sicher okay. Man konnte ja nicht gleich alles von ihm verlangen. Nur ein bisschen seine Sehnsucht betäuben. Das war alles. Mehr nicht. „Wo willst du hin, Yue?“ Kato erstarrte. Er war ihm also doch nach. Einerseits war er froh darüber, andererseits erschrocken. Was musste Kira jetzt nur von ihm denken. „Nirgendwo. Ein bisschen laufen. Nur so.“ „Sicher. Irgendwohin. Der Mensch ist eben doch ein Gewohnheitstier.“ „Bist du schon fertig?“, fragte Kato aus Trotz. Er wollte nicht über sich reden. „Ich hab mir die Nummer aufgeschrieben...mir war nicht wohl dabei dich alleine zu lassen...“ „Mit Recht.“, dachte Kato. Kira hatte also seinen Abendfick vernachlässigt. Irgendwie machte ihn das stolz. Er wusste, dass der Schwarzhaarige jetzt angesäuert war, aber er genoss es trotzdem, dass er heute Abend nicht über diese Blondine rüberrutschen würde. „War vielleicht auch mein Fehler so früh mit dir rauszugehen...“ Kato stutzte. Hatte Kira gerade einen Fehler gestanden? „Ich schätze es ist nicht so einfach seine Angewohnheiten zu kontrollieren.“ „Deswegen musst du ja auch immer eine Frau ficken, wenn du raus gehst.“ Kato biss sich auf die Zunge. Verdammt. Kira zog eine Augenbraue hoch. „Du benimmst dich komisch Kato.“ „Hast du ein Problem damit?! Es ist nicht so einfach sich wieder einzufinden. Alles ist so verfickt anders.“ „Und das macht dir Angst? Tja. Du wirst dich dem stellen müssen. Das Leben nimmt keine Rücksicht.“ Warum war er denn nur immer so kalt? So grausam? „Und deswegen lässt du mich ins kalte Wasser springen.“ „Wollte ich, ja. Aber ich hab dann doch den Rettungsring raus geholt.“ „Wie gnädig von dir!“, spie Kato aus. Er fühlte sich so wertlos. Als würde Kira nur auf ihn herabschauen, ihn als Experiment benutzen. Was war so schwer daran zu ihm genauso sanft zu sein, wie zu Mudo? Den konnte er doch auch anlächeln und umarmen, ihm mut zu sprechen. „Mach endlich Nägel mit Köpfen Kato. Entscheide dich einfach.“ „Einfach? Einfach! Nicht jeder ist so ein kaltes, arrogantes Arschloch wie du, nicht jeder-“ „Meinst du mir ist alles leicht gefallen?! Aber ich hab mich aufgerafft.“ „Ohhh jaaaa. Der große Kira-sama. Er kann sich immer kontrollieren. Nicht jeder ist so beschissen perfekt, das solltest du auch mal kapieren.“ „Du machst es einem leicht auf dich runterzuschauen, Kato.“ Kato spürte einen tiefen Schmerz durch seinen ganzen Körper fahren als hätte man ihn gerade hinterrücks erdolcht. „Und du...“ Er wollte Kira sagen, dass er es einem leicht machte ihn zu hassen. Aber er konnte es nicht. Verdammt er hasste diesen Mann nicht. Diesen Penner, der so arrogant über ihm thronte, ihn beleidigte, auf ihn herabsah und trotzdem aus irgendeinem Grund noch bei ihm war. Er hasste Kira nicht. Und er wollte nicht lügen, auch wenn er ihn verletzen wollte in diesem Moment in dem er selber diesen unglaublichen Schmerz fühlte. „Ich?“ „Vergiss es Kira. Du hast ja doch nichts anderes zu tun als dich gut zu fühlen, wenn du siehst wie viel schlechter ich es mache.“ „Vielleicht sollte ich doch woanders unterkommen. Ich hab ja noch nicht gekündigt.“ „Du willst also einfach aufgeben.“ „Kira! Verdammte scheiße. Ich habe keine Lust mich von dir wie einen Haufen Dreck behandeln zu lassen! Du findest es vielleicht geil, wenn man dir in den Arsch tritt, aber ich nicht! Machst du das mit Mudo auch so, du Penner?“ „Nein. Mudo versteht es auch ohne dass man ihn anmacht. Aber dich kann man nicht mit Samthandschuhen anfassen.“ „Ach und warum nicht?“ „Weil du einen dann für Schwäche verachtest. Darum.“ Kato erinnerte sich. An Sozialarbeiter, die er für ihre „weiche Art“ verlacht hatte, an die „weichherzigen Loser“ in seiner Stufe, die „ach so pädagogischen Lehrer die ja doch nur Schlappschwänze sind“. Er erinnerte sich daran, dass man ihm beigebracht hatte stark zu sein. Er erinnerte sich daran, dass er sich bei jeder Beleidigung, jeder Prügelei nichts mehr gewünscht hatte als jemanden, der ihn geborgen hielt. „Nein. Das stimmt nicht. Ich habe es nur nicht anders gelernt.“ Kira legte den Kopf leicht schief. Er lächelte wieder. Bedeutete Lächeln bei ihm etwas anderes als bei normalen Menschen? „Langsam scheinst du dich selber zu verstehen. Wir sind uns gar nicht so unähnlich.“ Er bemerkte Kato’s Frösteln und hielt ihm wortlos seine Jacke hin. Zögernd nahm Kato sie an. „Wie meinst du das?“ „Irgendwann Kato. Irgendwann.“ Kato zog seine Jacke über, während er sich über diesen Mann wunderte. „Lass uns gehen.“, sagte Kira und ging an ihm vorbei. Das war es also. Keine Klärung der Auseinandersetzung, denn der Herr hatte keine Lust mehr. Aber Kato fehlte die Kraft seinem Trotz nachzugeben und stehen zu bleiben, so dass er Kira einfach hinterherlief, sich fest in seine Jacke einmurmelnd. Diese Wärme tat gut. Oder war es vielleicht doch eher die Wärme der Geste, die ihm gut tat? Er wurde aus Kira nicht schlau. Aber er hatte ja noch Zeit. Irgendwann... Sooo, das war's dann auch wieder. Kapitel 6: 7 ------------ Hallöe. Es ist sehr kurz, dieses Stück, aber ich fand es sollte irgendwie alleine stehen. Danke an Emo-Kitten, dass du so gerne diese Geschichte liest. Ich hoffe das hier gefällt dir. ...................................7............................................ Kurz nachdem sie bei Kira angekommen waren – Kato ertappte sich dabei, wie er dachte ZUHAUSE angekommen zu sein- hatte es begonnen in Strömen zu regnen. Gebannt starrte der Blonde auf den bindfadenartigen Regen, der den Asphalt benetzte und alles hinfort zu spülen schien. „Schön, oder?“, raunte Kira hinter ihm, eine Tasse Kaffe zwischen den langen Fingern haltend. „Ja“ „Katharsis...“ „...?“ „Reinigung.“ Er schmunzelte. Kato war es manchmal doch etwas peinlich wie wenig er und wie viel Kira wusste. Allein ihr Vokabular unterschied sich um Längen. Kira hatte Klassik aufgelegt. Normalerweise wäre dies für Kato ein Grund eine Spruch zu reißen, etwas „richtiges“ zu fordern. Er unterließ es. Nicht nur weil er Angst hatte Kira zu verärgern sondern auch weil er es schön fand. Nachdenklich starrte er in den Regen und versuchte die Lichter Tokios zu entziffern, die hinter den nassen Bindfäden zu verschwimmen schienen, so dass ihre Form kaum zu fassen war. Die Musik war tröpfelnd und schwoll in regelmäßigen Abständen an, als wolle sie die Böen imitieren, die hin und wieder den Regen mit voller Wucht gegen die Glasscheibe hämmerten. Kato wandte seinen blick verstohlen auf Kira, der bewegungslos neben ihm harrte und auf den Asphalt blickte. Seine Augen erschienen Kato dunkler denn je, so undeutbar, dass er nicht das Gefühl hatte einen Menschen anzusehen. Die entspannte Haltung seines Körpers wirkte nicht harmlos, seine Schultern waren immer noch gerade und stolz, Kira schien nie in sich zusammenzufallen. Kato fragte sich, ob jeder ihn so sah, oder ob das was er ihn Kira zu sehen vermeinte nur das wiederspiegelte was er für ihn empfand? Plötzlich erfüllte ein Donnern ganz Tokio und schien es in seinen Grundfesten erschüttern zu wollen. Kato zuckte unwillkürlich zusammen. Er liebte solchen Regen, aber er fürchtete Gewitter. Sie erinnerten ihn an Szenen aus seiner Vergangenheit an die er sich nicht erinnern wollte. „Manchmal bist du wie ein Kind Kato.“, brach Kira das Schweigen. Kato spürte wie ihm die Röte ins Gesicht steigen wollte. Aus Wut und Scham gleichermaßen. „Aber das ist nicht schlecht.“ Er nahm einen leichten Schluck seines Kaffees und sprach weiter: „Es gibt nur zwei Dinge, die natürlich sind. Das kindliche und das animalische, das aus dem Instinkt entsteht. Wenn du wie ein Kind bist Kato, dann bist du vielleicht ausnahmsweise mal nicht damit beschäftigt deine Fassade zu waren.“ „Sagtest du nicht, ich hätte eine komische Laune?“, versuchte Karo sich an einem Witz. Er lachte nervös. „Genau das meine ich, Kato.“, antwortete Kira, stellte die Musik ab und verließ den Raum, ließ Kato allein mit dem strömenden Regen und dem Donner, der ihm durch Mark und Bein zog. Das animalische? Er würde Kira nicht als Tier bezeichnen. Hieß das, dass auch er etwas spielte? Dass hinter diesen dunklen Spiegeln, die Kira’s Pupillen waren, hinter seiner stolzen Haltung noch etwas steckte? Etwas das ihm, Kato, vielleicht das Wesen dieses Mannes erklären konnte? Ein weiterer Donnerschlag zeriss brutal seine Gedanken und ließ ihn zusammenfahren. Blitze erleuchteten den Himmel, tauchten den Regen und ganz Tokio in nahezu blendendes Licht. Wann war das letzte Mal ein Gewitter so stark gewesen? Kato schämte sich für seine Angst. Er schämte sich dafür nicht alleine sein zu wollen. Aber er konnte doch kaum zu Kira gehen. Nein. Diese Blöße konnte er sich nicht geben. Kato ließ sich auf dem Sofa nieder und versuchte sich nicht an sein Elternhaus zu erinnern, an seinen Vater, an Sae. An niemanden aus diesem Leben. Nicht an seine Mutter, nicht an diesen blonden Mann auf dem Photo. Nicht an das, was ihn dorthin gebracht hatte, wo er nun war. Oder gewesen war. Denn er war dabei den Versuch zu starten komplettes Neuland zu betreten. Er wollte leben. War dieses Gewitter ein Abschluss? Begonnen und beendet mit demselben Sturm? Kato musste lachen, als er sich die Decke bis ans Kinn zog. Das war so lächerlich. Hatte er nicht noch vor etwa einer Stunde neues Dope kaufen wollen? Er war noch lange nicht drüber weg und die Angst die an seinem Körper bei jeder akustischen Erschütterung zerrte erinnerte ihn daran mit einer Deutlichkeit die ihn schwindeln ließ. Diese Aufgabe erschien ihm viel zu groß als dass er sie meistern könnte. Plötzlich fühlte er etwas auf seinem Bauch fallen, es war warm. Verdutzt starrte er auf die Wärmflasche auf seinem Bauch und ebenso verwirrt auf den warmen Kakao der ihm in die Hand gedrückt wurde. Er roch Sahne und einen Schuss Rum. „Zukunft ist ein großes Wort Kato. Aber es kann für sich kaum schlimmer kommen. Und jetzt schlaf.“ Ihn gruselte Kira’s Fähigkeit zu wissen, was er dachte. „Trinken darf ich noch?“ „Ausnahmsweise.“ Schweigend klammerte Kato seine ausgezerrten Hände um die warme Tasse und wunderte sich über die ganze Wendung, die sein Leben genommen hatte. Er stellte die Tasse auf den Nachttisch und rollte sich mit der Wärmflasche zusammen. Er spürte Kira neben sich und schloss die Augen. Das Gewitter tobte. Kato’s Angst verflog keines Wegs, aber sie war zu ertragen. Vielleicht war es wie der Entzugsschmerz etwas durch das man gehen musste, wenn man sein Ziel erreichen wollte. Wenn er nur wüsste, was dieses Ziel war. Er spürte Kira neben sich. Er war noch da und es sah nicht danach auch als würde er gehen. Der Donner ebbte ab, der Regen prasselte ruhig in angenehmen Rhythmus gegen die Scheibe. „Dieses Lied, das du angemacht hast, wie hieß es?“ „Secret Garden.“ Kato lächelte und schlief ein. Kapitel 7: 8 ------------ Hey ho. Zu est einmal, danke an euch zwei Kommischreiber, es freut mich von euch zu lesen. Hoffentlich gefällt euch das neue Kapitel. Enjoy. .......................................8........................................ Am nächsten morgen war der Platz neben ihm kalt. Natürlich. Kira würde wohl kaum die ganze Nacht neben einem feigen Ex-Junkie verbringen als sei er dessen Amme. Dennoch fühlte Kato sich ruhig und überraschend ausgeglichen. Der warme Kakao und die Wärmflasche hatten wahre Wunder bewirkt. Wie hieß noch mal dieses Wort mit K? Kathalasa, nein, katatata, ach es war doch auch egal. Den Job als wandelndes Wörterbuch würde er weiterhin dem Schwarzhaarigen überlassen. Kato sah auf die Uhr. Kira war in der Schule. Super. „Erst mal essen. Dann duschen.“, dachte sich Kato. Und dann? Er konnte doch nicht Tag ein, Tag aus so weiter machen. Darauf warten, dass Kira wiederkam um ihm eine Aufgabe zu geben. Außerdem musste er doch irgendwie zu dieser Wohngemeinschaft beitragen. Zumindest konnte er sich denken, dass Kira dies früher oder später verlangen würde. Vermutlich eher früher als später. Aber er wollte die Wohnung nicht verlassen. „Ich sollte nicht soviel denken, dass tut mir nicht gut.“ Er suchte sich Kleidung aus seiner Reisetasche (diese auszupacken wäre vielleicht ein guter Anfang) und verschwand im Badezimmer. Das prasselnde Geräusch der Dusche erinnerte ihn wieder an den stürzenden Regen von gestern. Was für eine seltsame Nacht das doch gewesen war. Kira erschien ihm in der letzten Zeit immer rätselhafter. Mal war er das übliche Arschloch, so wie Kato ihn kannte und dann hatte er diese seltsamen verklärten nachdenklichen Momente in denen er fast nett war. Irgendwas schien in seinem Kopf zur Zeit nicht richtig zu laufen. Aber spielten sie nicht irgendwie alle verrückt? Er machte einen Entzug, vertrug sich ein wenig besser mit Mudo, er dachte seit neuestem nach und nicht zu vergessen war natürlich sein neues Verhältnis zu Kira. Vielleicht bekam dem der Sexentzug und die neue permanente männliche Gesellschaft nicht gut. Kato spürte einen Stich. Wie lange würde das in dieser Gemeinschaft noch so gut laufen? Er konnte nicht ewig hier bleiben. Kira würde warten bis er stabil war und ihn dann rausschmeißen. Zum ersten Mal musste Kato sich wirklich Gedanken um seine Zukunft machen. Er stellte das Wasser ab und begann sich abzutrocknen. Und was war mit Kira’s Zukunft? Der Schwarzhaarige machte bald seinen Abschluss mit Auszeichnung und wer garantierte, dass Kira in Tokio bleiben würde. Und selbst wenn, wer sagte, dass er, wenn er erst einmal in das Berufsleben eintrat, noch Zeit und Interesse für Kato übrig hatte? Das waren die Ängste, die ihn immer wieder in die Drogen getrieben hatten. Und die Drogen hatten geholfen, aber jetzt erkannte er dass die Drogen diese Ängste nur hatten anwachsen lassen und er deswegen immer mehr gebraucht hatte um sich zu betäuben. Wenn er jetzt nicht einbrach und nach und nach etwas änderte würde vielleicht mit jedem Schritt auch der Drang kleiner sich vollkommen zuzudröhnen. Er zog sich an. Duschen war abgehakt. Und jetzt? Richtig, frühstücken. Kato spürte jetzt schon Langeweile in sich aufsteigen. Danach fernsehen? Wieder die gleichen beschissenen Sendungen, die nüchtern nicht halb so amüsant waren? Und schon high waren sie nicht gerade niveauvoll gewesen... Kira’s DVD-Regal durchwühlen? Und Filme schauen die er entweder kannte oder nicht verstehen würde... „Verdammt...!“, murmelte er als er sich ein Toast beschmierte. Er konnte sich nicht mit Joji und den anderen treffen. Der Streit den sie gehabt hatten war mit Sicherheit bereits total vergessen, aber die anderen würden Stoff dabei haben. Und er würde wieder was nehmen. Wahrscheinlich war das alleine der Grund dafür, dass etwas in ihm die Idee zu Joji zu gehen total super fand. Aber er würde versuchen zu widerstehen. Jetzt, wo er gerade eine entschlossene Phase hatte, noch motiviert vom geglückten körperlichen Entzug konnte er sich wahrscheinlich dazu bringen in der Wohnung zu bleiben. Aber was wenn der erste Rückschlag kam, die erste Bewerbung für was auch immer fehlschlug? „Einen Schritt nach dem anderen.“, ermahnte er sich wieder selbst. Er musste wirklich in diesen vier Wänden bleiben. Wenn er nur zum Supermarkt ging würde er vielleicht den falschen Weg einschlagen. Aus Gewohnheit. Er hatte kaum registriert, dass er das Toast bereits gegessen hatte, weswegen er sich auf den Finger biss. Kato fluchte. Und lachte dann über sich selbst. Wie so oft in letzter Zeit. Er streunte durch Kira’s Wohnung und beschloss ein wenig zu schnüffeln. Nüchtern würde er es vielleicht so unauffällig hinbekommen, dass der andere es nicht merkte. In der Küche ließe sich sicher nichts interessantes finden. Am besten er fing im Schlafzimmer an, denn da konnte er am wenigsten eine Ausrede für seinen Aufenthalt finden, sollte Kira ihn erwischen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass das noch sehr unwahrscheinlich war. „Na dann mal los.“ Kira’s Zimmer war spartanisch eingerichtet. Ein großes, volles Bücherregal, sein Bett, ein Schreibtisch, sein Kleiderschrank und ein Sessel stellten die Einrichtung. Nicht zu vergessen diese Stauraumkisten. Auf die hatte es Kato abgesehen und auch auf den Kleiderschrank... und den Schreibtisch natürlich. Er fing damit an den Schreibtisch näher zu begutachten, fand aber nichts von Belang. Schulkram und ein paar Magazine, die Kira irgendwann gekauft hatte um das Motorrad auszuwählen, das unten vor dem Haus stand. Keine interessanten Briefe und Botschaften. Also weiter zum Kleiderschrank. Was würde sich dort finden? Tiefe Abgründe? Leopardentangas? Kato musste über seine Albernheit grinsen. Wahrscheinlich würde es genauso öde sein wie der Schreibtisch. Das einzig interessante an Kira war Kira selbst, nicht seine Wohnung. Tatsächlich. Der Kleiderschrank war genauso leblos. Dann eben die Kisten. Kato zog die erste hervor. Briefe. Aber uninteressant. Rechnungen und all so was. Die nächste war eine längliche Kiste, nicht besonders hoch, aber lang. Und was war dort drin? Er öffnete den Deckel und späte hinein. Ein Katana. Kira hatte ein verdammtes Schwert in seiner Wohnung. Kato konnte sich nicht erinnern, dass Kira das jemals erwähnt hätte. Machte er vielleicht Aikido? Bewundernd strich Kato über die schwarze Hülle. Das schien ein wirklich gutes Schwert zu sein. Warum hatte Kira das nie erwähnt? Behutsam ließ er es in die Kiste zurücksinken und beschloss irgendwann unauffällig das Thema Kampfsport mit Schwertern anzuschneiden. In der nächsten Kiste fand er Photos. Na das war doch mal was... Kira bewahrte also doch Erinnerungen auf! Da waren Bilder von ihm und Kira aus den alten Zeiten. Wehmütig sah Kato sie an. Kira und er wie sie mit schiefem Grinsen in die Kamera feixten, den Arm freundschaftlich über die Schulter des jeweils anderen gelegt. Wann war das gewesen? Es gab auch andere Photos von Schlafpartys bei Kira. Damals war er noch ziemlich schmächtig gewesen stellte Kato fest. Und irgendwie hatte er mehr gelacht, oder bildete er sich das ein? Was ihn überraschte war, dass es auch Photos von Kira’s Vater in dieser Kiste gab. Kira hasste diesen Mann...auch wenn Kato nie ganz verstanden hatte, wieso. Und hier war ein ganzer Stapel mit Photos von ihm...und von einer Frau, lange schwarze Haare, stechende Augen, klasse Figur. Wer war sie? Kato wusste, dass er sie nicht kannte. Wäre sie eine von Kira’s Bettgeschichten würde er sich wohl an sie erinnern...außerdem warum sollte Kira denn Photos einer Ex hier haben? Unwillkürlich dachte Kato wieder an die Eve-Lüge. War da vielleicht doch etwas gewesen? Mit einem Ziehen in der Magengegend stellte der die Photoschachtel zurück. Diese „Eve“ konnte es nicht sein, Kira war auf den Photos nicht älter als sechzehn, einige reichten sogar auf einen Zeitpunkt zurück den Kato in den letzten paar Monaten datieren würde. Warum hatte er überhaupt angefangen zu schnüffeln? Es war doch klar, dass er nur etwas finden konnte, das ihm missfiel. Er hatte keine Lust mehr und ließ sich am Ende doch deprimiert vor dem Fernseher nieder. Nicht wissend, dass er zwei Kisten weiter die Antwort gefunden hätte. Nachdem Kato beinahe aus Langeweile vor dem Fernseher eingeschlafen war kam Kira nach Hause. Kato blieb sitzen. Wie würde das denn aussehen wenn er aufsprang und vor Freude jauchzte immer wenn Kira nach Hause kam? Zumal er ihn ein paar Tage zuvor immer nur angepflaumt hatte. „Hey.“, kam es vom Türrahmen. Kato drehte sich auf dem Sofa so, dass er über die Schulter freien Blick auf ihn hatte. Lässig lehnte Kira am Rahmen, die Hände in den Hosentaschen. „Yo.“ Kira ließ seine Tasche in die Ecke fallen und warf einen Blick auf die flackernden Bilder. „Mittagsfernsehen...“ „War die einzige gescheite Beschäftigung.“, antwortete Kato etwas gereizt. Er war schlecht gelaunt durch Langeweile und diese Photos. Dazu kam, dass er sich in letzter Zeit immer so niveaulos vorkam, wenn der Schwarzhaarige etwas sagte. „Ich hab Bücher da.“ Kato stieß ein verächtliches Schnauben aus und ein amüsiertes Lächeln bildete sich auf Kira’s Gesicht. „Schön, dass man dich nach wie vor so unglaublich gut reizen kann...“ Es entstand eine kurze Pause. „Wir müssen eine Aufgabe für dich finden.“ Oh ja, Kato hatte es doch gewusst. „Ich kann nicht immer hier Kindermädchen spielen und du musst irgendwas tun um bald wieder eine Wohnung zu haben und nicht wieder direkt in den Junkiepark zu laufen.“ Er ließ sich auf den Sessel gegenüber des Sofas fallen und sah ihn an. „Ich habe mit der Schulleitung gesprochen-“ Kato wollte aufbegehren aber Kira brachte ihn mit einem strengen Blick sofort zum Schweigen. Niemand unterbrach Sakuya Kira, wenn dieser Blick aus seinen dunklen Augen schoss. „Ja, eigenmächtig habe ich das getan. Sie haben gesagt du könntest wiederholen wenn du dich dazu bereit erklärst und spätestens in den Ferien wegen der Formalitäten mit dem Direktor redest. Mir ist klar, dass du das jetzt noch nicht tun wirst.“ „Richtig.“ Kira hob kurz die Augenbrauen und schien etwas nachdrücklicher werden zu wollen, entschied sich aber augenscheinlich dagegen. „Du brauchst erst mal einen Job. So etwas wie Kellnern würde ja voll ausreichen, Hauptsache du hast etwas zu tun.“ „Und wie stellst du dir das vor?“ „Tja, erst mal müssen wir dich sicher auf die Straße kriegen, das bedeutet wohl dass wir zumindest die nächste Woche viel aufeinander hocken werden...und danach hoffe ich, kann man dir vertrauen.“ Kato sagte nichts. Er nahm an Kira war noch nicht fertig. „Und damit fangen wir gleich an, denn so wenig es mir passt es muss wieder eingekauft werden. Und dann mal sehen. Ich hab heute Nachmittag noch was vor.“ „Ein Date?“ „Nein. Leider.“ Kato hoffte mehr Informationen zu kriegen, aber Kira sprach nicht weiter und aus seinem Gesicht las Kato, dass es so bleiben würde. „Und was hast du dann vor? Nach dem Einkaufen?“ Kira zuckte die Schultern. „Spontan sein. Also beweg deinen dürren Arsch.“ Kato seufzte und schaltete den Fernseher aus. „Theoretisch könntest du die Bude aufräumen, wenn ich lernen bin.“, sagte Kira und warf exemplarisch einen von Kato’s herumliegenden Pullovern auf das Sofa. „Ich hab ja gehört, dass Männer-WG’s prinzipiell dreckig sind, aber es wäre mir lieb, würde dieses Vorurteil nicht auf meine zureffen.“ „Es wäre mir lieb wärest du weniger zickig und würdest kürzere Säcke benutzen.“, beschwerte sich Kato und versuchte beim letzten Satzteil seine Stimme besonders hochnäsig klingen zu lassen. „Vielleicht wäre ich nicht so zickig, wenn du – ach vergiss es.“ „Nein. Kotz dich aus.“ Kato wusste nicht warum, aber er war auf Konfrontation aus. Kira hob wieder eine Augenbraue. „Wenn du dich nützlich machen würdest. Dein Lotterleben ist vorbei. Es wird Zeit, dass du was tust. Du kannst hier nicht ewig rumgammeln. Oder war dir das wieder zu lang?“ „Oh, ich kann auch gerne verschwinden und wieder auf eigene Faust-“ „Wohl kaum.“ Kato stand der Mund offen angesichts der kalten Art mit der Kira deutlich machte, dass er ihm nichts zutraute. Dass er damit Recht hatte übersah Kato gekonnt. Er hätte es anders ausdrücken sollen. „Du hältst mich für ein kleines Kind, oder?“ „Eher für ein nicht stubenreines Haustier.“ „Was ist eigentlich los mir dir du Penner?!“, herrschte Kato ihn an. Er war sauer. „Du führst dich in letzter Zeit so beschissen auf, dass man meinen könnte du willst, dass jeder nur angekotzt ist von dir.“ „Ich dachte, dass wäre deine Strategie.“ „Hast du nicht gesagt wir seien uns ähnlich?! Ich verstehe nur nicht warum gerade du diese Strategie wählst.“ „Ich werde nach England gehen.“ Kato vergaß im Nu die anderen Dinge, die er dem Schwarzhaarigen an den Kopf werfen wollte. „In einem Jahr gibt es diese Wohnung nicht mehr, zumindest nicht für dich. Nach meinem Abschluss bin ich weg. Jetzt weißt du’s. In dem Sinne ist es vielleicht besser, wenn ich dir auf die Eier gehe.“ Kato schluckte. Durch seine Eingeweide schien sich eine Zentimeterdicke eiskalte Schicht zu ziehen die alles zusammenzog und ausdörrte. „Kira...“ „Sag einfach nichts dazu, du kannst es nicht ändern. Und jetzt komm.“ „Warum?“ „Essen kaufen.“ „ Du weißt, dass es nicht was war, was ich meinte.“ „Weil Japan mich ankotzt. In England stehen mir Welten offen. Das ist kein spontaner Entschluss Kato. Ich weiß es seit anderthalb Jahren, ich habe Verbindungen da. Ich bin an einer renommierten Universität eingeschrieben. Es ist alles geklärt.“ Seit anderthalb Jahren?! Eiskalt hatte er darüber geschwiegen und jetzt ballerte er es ihm ganz plötzlich an den Kopf? Einfach so? Zog ihm den Boden weg auf dem er eine neue Zukunft hatte aufbauen wollen? Kato wusste nicht mehr weiter. Er konnte sich nicht bewegen. Kira schien das nicht zu bemerken oder einfach ignorieren zu wollen, denn er griff sich eine andere Tasche und seine Geldbörse, zog seine Jacke über und war auf dem Weg zur Tür. Kato stand nicht der Sinn danach irgendetwas anderes zu tun als sich zu verkriechen, aber Kira sollte es nicht merken. Also folgte ihm der Blonde, wie ein Zombie. Als sie im Supermarkt ankamen verstand Kato warum Kira es hier hasste. Es war voll und er wurde angestarrt. Seien es bewundernde Blicke, abstoßende, anhimmelnde...es war alles dabei, als wolle jeder behaupten können einen Blick auf ihn geworfen zu haben. Mit einem genervten Seufzer griff Kira sich im Vorbeigehen einen Einkaufskorb. „Ätzend hier.“, bemerkte Kato um die Stille zu beenden, die sie seit Kira’s Wohnung umhüllte wie das tückische Netz einer Spinne. Mittlerweile glaubte er so tun zu können als sei nichts gewesen, aber er würde den anderen wieder darauf ansprechen das war klar. „Oh ja, durchaus.“, sagte Kira und wählte Obst aus. „das ist der Vorteil bei Eltern zu wohnen. Man muss nicht einkaufen.“ „Der Supermarkt bei mir ist weniger besucht.“ „Dein Supermarkt liegt in einer beschissenen Gegend.“ „Vielleicht solltest du den weiten Weg in Kauf nehmen? Die bösen Buben haust du dann einfach aus dem Weg.“ Kira grinste ihn schief an. „Ich denke drüber nach.“ Der Junge hatte Stimmungsschwankungen wie eine Frau, dachte Kato. Apropos Frauen. „Du würdest auch weniger angestarrt werden.“ „Die hübschen Frauen stören mich weniger. Aber das sind 10 Prozent. Meistens sind es Mütter, die mich ansehen als würde ich ihre Töchter verführen und unglücklich machen.“ „Womit sie ein ausgesprochen gutes Gespür für die Wahrheit besitzen. Wahrscheinlich sind sogar die Hälfte davon Mütter, deren Töchter du gevögelt hast.“ Kato war stolz auf seine neue Schlagfertigkeit und begutachtete eine Jogurtpackung so als wäre dies nur eine beiläufige Bemerkung über das Wetter gewesen. „Kato?“ „Ja?“ „Nimm wieder Drogen, ich hasse es wenn du mich auskonterst.“ „Hey, Mudo.“ „Kato?!“ Ungläubiger Ton. „Ja.“ „Warum rufst du mich an und woher hast du meine Nummer?!“ Immer noch irritiert. „Kira hat den Fehler gemacht sein Handy zu vergessen. Nach dem ich gefühlte zweihundert Frauennamen gelesen habe, habe ich deinen gefunden. Und das erst bei M. Wie viel da wohl noch kommt...“ „Das beantwortet nur die zweite meiner beiden Fragen.“ Genervt. „Wusstest du, was Kira nächstes Jahr macht?“ „Studieren.“ Wieder irritiert. „Wo?“ „Hier, nehme ich an.“ „Er hat’s dir also auch nicht erzählt der Penner.“ „Was erzählt?“ verwirrt und leicht neugierig. „Dass er sich nach England verpisst.“ Schweigen. ... ... „Mudo?“ „Ja...“ Verstört. „Wann... hat er das erzählt?“ „Heute, ist gerade irgendwo hingegangen und ich dachte, ich rufe dich an.“ „Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Ich meine, ob ich das wissen will.“ „Besser als plötzlich festzustellen, dass er Weg ist.“ „Hat er gesagt warum?“ „Er meint er hasse es hier und hätte drüben eine bessere Zukunft.“ „Quatsch.“ „Richtig.“ ... „Mudo.“ „Was?“ „Wir brauchen einen Plan!“ „Du kannst ihn nicht aufhalten.“ „Mag sein.“ „Und was soll das dann?“ „Ich will den wahren Grund. Ich will wissen von welchen Verbindungen er geredet hat.“ „Und wie willst du das erreichen?“ „Penner. Wenn ich in der Lage wäre mir alleine was schlaues auszudenken hätte ich dich Volltrottel im Leben nicht angerufen...“ „Wenn ich so ein Trottel bin werde ich dir kaum helfen können.“ Beleidigt. „Zwei Hirnhälften ergeben immerhin eine ganze. Meine eine ist verkokst deine andere von deiner Schwester besetzt. Wir können die Überlebenden zusammenschmeißen.“ „Bist du high?“ „Nein.“ „Dann bist du verrückt.“ „Mag sein.“ ... „Kommst du nun rüber, Mudo?“ „Wann ist Kira wieder da?“ „Weiß ich doch nicht.“ „Halbe Stunde dann bin ich da.“ „Bis gleich.“ That's it, my dear ladies. Kapitel 8: ----------- Sorry, dass es so lange gedauert hat. Aber die 13 ist echt zeitraubend -.- Danke an alle, die Kommentare geschrieben haben und das hier weiterlesen. Tatsächlich war Setsuna eine halbe Stunde später erschienen und man hatte den Kriegsrat einberufen. „Und nun?“, fragte der Braunhaarige. „Was willst du machen?“ „Na ja, ich dachte mir, der erste Punkt auf der Tagesordnung ist, eine Tagesordnung zu finden...“ Setsuna schnaubte. „Hey, Mann! Wir haben immerhin ein Thema.“ Er räusperte sich wichtigtuerisch. „Wie bringen wir Kira dazu in Japan zu bleiben und sich um uns zwei Idioten zu kümmern.“ „Wir flehen ihn an und überzeugen ihn mit unserer unverkennbaren Abhängigkeit?“ „Dann wäre er gar nicht auf die Idee gekommen zu fahren, Spatzenhirn.“ „Danke.“ ... ... „Sollten wir nicht erst einmal in Erfahrung bringen, warum er überhaupt wegwill? Theoretisch könnte er in Japan auch Karriere machen und meines Wissens nach ist er nicht unbedingt der große Fan von England. Da muss mehr hinter stecken.“, warf Setsuna in die Stille ein. Kato überlegte. „Okay. Änderung des Themas: Wie finden wir heraus, warum Kira uns verlassen will (um ihn dann davon abzuhalten.)“ „Es sollte wohl eher lauten: Wie kriegt man Informationen aus Kira heraus, die er nicht preisgeben will?“ Darüber hatte Kato noch nicht nachgedacht. Sein Verdrängungstalent war scheinbar noch voll funktionsfähig. Kira zum reden zu bringen, wenn er nicht wollte, war wie mit einem Blumenstrauß Darth Vader davon überzeugen zu wollen, seinen Todesstern doch bitte drei Galaxien um die Ecke zu parken. „Du weißt es auch nicht.“, stellte Setsuna resigniert fest. „Das letzte Mal als ich ihn zum reden bringen wollte, war er so genervt dass ich danach drei Tage Kopfschmerzen hatte.“ „Aua.“ „Du sagst es.“ Kato dachte nach und erinnerte sich an seine Schnüffelarbeit. „Wir müssen recherchieren. Wie Detektive. Er darf nicht merken, dass wir in seinem Leben wühlen... schau nicht so ungläubig! Das ist leichter, als ihn zum sprechen zu bringen. Ich hab das schon gemacht.“ „Und was hast du gefunden?“ Set schien eher aus Höflichkeit als Interesse zu fragen, denn nach wie vor wirkte er nicht sonderlich überzeugt. „Ein Schwert.“ „Möh?!“ „Richtig. Hat mich auch gewundert. Und Photos- von seinem Alten.“ „Mööh?!“ „Richtig. Hat mich auch gewundert. Und Photos von so einer Perle mit schwarzen Haaren, die er wohl schon kannte als er ganz jung war, die ich aber nicht kenne und du wohl auch nicht – wenn du noch einmal möh sagst setzt es was.“ „...Noch was?“ „Da waren noch mehr Kisten unter seinem Bett, aber ich hab die Lust verloren.“ „Also entweder muss er weg, weil er wen umgebracht hat oder es ist Liebe im Spiel...“, kombinierte Setsuna. Beide stierten nachdenklich an die Ecke, bis sie gleichzeitig zu sprechen begannen: „Wenn könnte Kira denn umgebracht haben?“ Die Vorstellung Sakuya Kira könne aus Liebe das Land verlassen erschien ihnen viel zu absurd, so dass sie sich direkt für die Mord-Theorie entschieden hatten. Aber hätte Kira dann nicht schon längst richtige Schwierigkeiten bekommen? „Wir könnten seinen PC durchsuchen.“, überlegte Setsuna. „Dazu müssen wir zuerst das Passwort knacken.“ „Recherchieren müssen wir ohnehin.“ „Richtig. Dann steht das also auf der Liste.“ „Wo hast du die Photos gefunden?“ „In Kisten unter seinem Bett.“ „Dann ist das unser nächster Anhaltspunkt. Und du musst zwischendurch unauffällig nachhaken.“ Kato stierte ihn an. „Sehe ich lebensmüde aus?“ „Ihr wohnt zusammen!“ „Du bist sein kleiner Liebling!“ Zwischen ihnen brutzelte die Luft im stummen Kampf darüber, wer sein Leben aufs Spiel setzte. „Wir machen 50/50.“, beschloss Kato. „Wer besser voran kommt muss es dann am Ende komplett übernehmen.“ „Gut.“ Weiter kamen sie nicht. Das Geräusch des Schlüssels, der im Schloss umgedreht wurde beendete jäh ihren Kriegsrat und ließ sie zusammenzucken. „Warum bin ich hier?“, fragte Mudo nervös. Irritiert sah Kato ihn an. „Weil ich dich-“ „Setsuna? Was machst du denn hier mit Kato?“, fragte Kira und Kato war überrascht so was wie Verwunderung in seinem Gesicht zu sehen. „Ich...ähm. Wollte eigentlich zu dir. Aber du warst nicht da.“ „Ist irgendwas passiert? Normalerweise rufst du doch immer an...“ Kato fiel auf, dass Kira erstaunlich verschwitzt war. Und er hatte den länglichen Kasten dabei. Das Schwert. „Ich hab mich einfach einsam gefühlt, schätze ich...die ganzen Pärchen bei dem gutem Wetter.“ Kira wirkte nicht überzeugt. Seine dunklen Augen schienen die Lüge, die Mudo ihm auftischte direkt auszuloten und aufzuspießen. Aber er sagte nichts. „Scheinbar zerfleischt ihr euch nicht...ich gehe duschen.“ Fasziniert beobachtete Kato den Verlauf von einzelnen Schweißtropfen die Kira’s Nacken herunterliefen. „Benehmt euch.“, sagte er nur und verließ die beiden. Kato stierte Setsuna bedeutungsschwanger an. Dieser wider rum schien davon mehr als irritiert und rückte ein Stück von dem Blonden ab. „Was?“ „Der Kasten.“ „Möh?“ „Der Kasten, den er eben dabei hatte. Das ist der mit dem Schwert.“ „Möh!“ „Lass das! Also, zwei Möglichkeiten: 1. Kira ist Auftragskiller, deswegen Schweiß, Schwert und England. 2. Kira macht Aikido und findet es unnütz uns das zu sagen und das Schwert ist ultra cool aber auch ultra unwichtig.“ „Ich denke deine erste Version ist ein bisschen weit hergeholt. Die zweite ist aber auch seltsam...warum sollte Kira nicht von einem Sportkurs erzählen?“ „Dann denk dir was besseres aus.“, schmollte Kato. „Die Frage ist ja auch, wie lange er das Schwert schon hat. Vielleicht hat er es erst seit kurzem...“ „Beim Aikido braucht man ziemlich lange bis man eins hat. Er dürfte das dann also schon ne ganze Ecke machen.“ „Aber warum sonst sollte er denn eins haben?“ „Kendo?“ „Idiot.“ „Du musst das rausfinden. In diesen Kisten.“, sagte Setsuna. Kato missfiel der Gedanke, dass der Junge ihn herumzukommandieren versuchte, aber er wusste, dass es erst einmal keine andere Möglichkeit gab, als den Vorschlag anzunehmen. Sie brauchten mehr Informationen. „Dann kannst du auch gleich schauen, ob du das Passwort findest.“ „Das könnte mein Ende sein.“ „Er wird dich nicht umbringen.“ „Besser er täte es...“, murmelte er Kato. Wenn er es recht bedachte war zu krepieren eigentlich das Beste, was er machen könnte. Sollte Kira ihn verstoßen, weil Kato in seinen Angelegenheiten herumschnüffelte, oder nach England gehen, wusste Kato nicht, was er machen oder wo er hin sollte. Mit Kira hinter ihm konnte er sich vorstellen wieder auf die Beine zu kommen und – was fast wichtiger war- auch stehen zu bleiben. Aber ohne ihn? Da konnte er gleich wieder fixen. „Du brauchst ihn mehr als ich.“, stellte Setsuna fest und fixierte Kato mit einem traurigen Blick. „Dass er mir nichts sagt ist eine Sache, eine die mich echt wütend macht, nebenbei bemerkt. Aber, dass er dir nichts davon sagt ist eigentlich viel schlimmer. Kira ist für mich Rückhalt, das ja, aber Sarah brauche ich mehr als ihn. Habe ich sie, könnte ich damit leben nur Briefkontakt mit ihm zu haben und ihn gelegentlich zu sehen, wenn er vielleicht mal hier ist. Aber du? Wer ist dir wichtiger als Kira?“ „...“ Niemand. Das war die einzig richtige Antwort. Aus dem Badezimmer drang das prasselnde Geräusch der Dusche und ließ Kato wieder an die Nacht denken, daran, dass Kira so behutsam mit ihm umgegangen war. „Liebst du ihn?“, fragte Setsuna. Kato funkelte ihn zornig an. „Hey, Kato. Ich bin echt der letzte, der was gegen unkonventionelle Liebe sagen darf...“ „Das geht dich nichts an.“ „Ich könnte dich verstehen. Wirklich.“ „Stellt sich nur die Frage, wer von uns Trotteln mit seiner Wahl schlimmer dran ist.“ „Also ist es wahr?“ Das Geständnis war doch deutlich genug gewesen, fand Kato. Er wusste selber nicht, was ihn zu der Offenheit Mudo gegenüber trieb. Wahrscheinlich war es der Drang mit jemanden reden zu können. Normalerweise war das Kira. Aber der viel hier aus naheliegenden Gründen weg. Er und Mudo, sie waren jetzt sowieso Bundesgenossen im Kampf um Kira. Dennoch antwortete Kato nicht auf Mudos Frage. Das schien diesem Antwort genug zu sein. „Es ist so. Seit wann?“ Kato zuckte die Schultern. „Bewusst wurde es mir nach dem Entzug...aber es muss schon vorher so gewesen sein.“ „Dann werden wir uns mal reinhängen müssen!“ Wie konnte der kleine Sonnenschein nur so lächeln? Das war ja pure Zuversicht. Fast schon eklig. „Also...chrm...das, was ich so über dich und Sarah gesagt habe...das nehme ich zurück...okay?“ „Schon vergessen, Mann. Wir sind jetzt Bundesgenossen!“ „Bundesgenossen?“ Kato und Setsuna fuhren um 90 Grad herum, beide unter einem Herzklabaster der höheren Kategorie leidend. „Das ist eine Überraschung.“, sagte Mudo. „Ich mag keine Überraschungen.“ „Sei nicht so brummig.“ Kira schüttelte den Kopf und fuhr sich durch das feuchte, chaotische Haar. Angezogen hatte er sich wenigstens. „Wo warst du gerade?“, fragte Setsuna. Genauso neugierig wie man ihn immer kannte. Dieser kleine Schauspieler! „Ist das wichtig?“ „Ich bin neugierig.“ „Sport.“ Also doch die harmlose Variante? Und das war so einfach? Warum sagte Kira ihm nicht, wo er hin wollte? „Du bist in einem Verein?“ „So was in der Art. Und jetzt sag mir, was genau du hier machst.“ Also steckte doch etwas mehr dahinter. „Wie gesagt...ich hab mich irgendwie einsam gefühlt.“ „Warum rufst du Sarah nicht einfach an?“ „Ich will sie vergessen, das habe ich dir doch schon gesagt.“ „Du kannst aber nicht.“ „Wenn ich mich bei ihr melde mache ich alles noch schlimmer.“ „Tust du nicht. Sarah braucht dich auch, also melde dich einfach bei ihr. Woher soll sie denn wissen, warum du dich nicht meldest?“ „Wenn sie deswegen sauer auf mich ist, ist es umso besser.“ „Das ist doch Mist, Set. Das weißt du. So seid ihr nur beide Unglücklich. Da kann keiner von höherem Gut reden.“ Kira griff nach seinem Telefon und drücke es Setsuna in die Hand. Setsuna schien sich nicht sicher zu sein, wie er reagieren sollte. Sein Gesicht verzog sich abwechselnd und spiegelte die verschiedensten Emotionen wieder. Kato war schockiert, wie schwer es ihm fiel diese zuzuordnen. Für jeden Menschen musste es ein leichtes sein, Emotionen zuordnen zu können. Er hingegen hatte seine über so lange Zeit verleugnet, dass er nicht einmal mehr die Gesichter anderer Leute deuten konnte. Kira nahm dem Jungen das Telefon aus der Hand und tippte seinerseits eine Nummer ein. „Was machst du da?“, fragte Mudo, bekam jedoch keine Antwort. „Hallo, Sarah. Ich bin’s, Kira. Hier ist jemand, der mit dir sprechen möchte, seinen Arsch aber nicht hochbekommt. Der Kleine nervt mich, es wäre mir eine Freude, wenn du ihn etwas beschäftigen könntest...“ Er hielt Setsuna das Telefon hin, der keine andere Wahl hatte als es anzunehmen. „Ja, Hallo... chrm...ich, äh, sitze hier bei Sempai rum...hmm. Ja sollte man...ob ich mitmöchte...ich weiß nicht...vielleicht ist es besser, wenn- ... ja, du hast Recht...Ich gehe dann schnell nach Hause und hole meine Sachen...ja, bis gleich.“ Er legte auf. „Wir gehen schwimmen.“, sagte er resigniert. „Eine ihrer komischen Freundinnen ist auch dabei. Ruby oder so was.“ „Freu dich.“ „Du hast mich gerade dazu gezwungen mit der Frau meiner Träume, die ich nie haben kann, schwimmen zu gehen. Ich sehe sie den ganzen Tag halbnackt. Danke, Kira.“ Der Schwarzhaarige lachte. „Trotzdem bist du glücklicher mit ihr, oder? Und wenn du Druck hast, lass ihn halt woanders ab, Herr Gott.“ „Ich bin nicht wie du und vögel mich wie wild durch die Gegend.“ Kato beobachtete fasziniert den aufkeimenden Streit zwischen den Beiden. Er hätte nicht gedacht, dass es in dem Paradies in denen die beiden lebten, so etwas wie Streit gab. „Vielleicht solltest du das, statt die ganze Zeit in Selbstmitleid zu schwimmen. Geholfen ist dir damit nämlich nicht.“ „Selbstmitleid?! Es täte dir gut, dich zu verlieben! In jemanden, den du nie haben kannst, eine Liebe die nie einer akzeptieren würde!“ Kira schnaubte verächtlich. „Set. Du begreifst nicht, worum es geht. Das Bild der perfekten Gesellschaft ist eine Utopie. Es ist einfach scheißegal, ob du eingegliedert bist, oder nicht. Es gibt keine ultimative Toleranz, Freundschaft oder Liebe. Das alles kann mit einem Wisch verschwunden sein. Dementsprechend kann es sein, dass du und Sarah euch irgendwann trennt, weil ihr es wollt. Das wäre das Beste, ist zurzeit aber unwahrscheinlich. Es kann sein, dass ihr euch trennt, ohne es zu wollen und beide leidet. Es kann sein, dass ihr euch findet und euch kaum einer respektieren wird. Es ist alleine deine Sache zu wählen. Du hast eine Wahl, und wenn es die zwischen Krebs und Aids ist... also hör auf so zu tun, als könntest du an deiner Situation nichts ändern. Immer heißt es Sarah, aber du versuchst nicht einmal von ihr weg zu kommen. Dann gehe ihr wenigstens entgegen.“ „Sie sieht mich nur als Bruder.“ „Darauf würde ich nicht wetten.“ Setsuna schien nicht wirklich etwas auf Kiras Predigt erwidern zu können. Er hockte nur auf dem Boden und kniff die Lippen zusammen. „Ich denke, du musst los. Wenn der heutige Tag eine Katastrophe wird, kannst du mich Abends gerne anrufen und dich beschweren.“ Wortlos stand der Braunhaarige auf und bewegte sich Richtung Tür. „Set!“ Er drehte sich zu Kira um. „Du weißt, dass ich dich immer akzeptieren werde.“ Setsuna rang sich zu einem Lächeln durch. „Ich weiß, solange du da bist, kann ich mich auf dich verlassen...auch wenn du ein echter Wichser sein kannst.“ Diesmal hörte Kato den Schmerz in seiner Stimme. Vielleicht, weil er genau wusste, was in dem Jungen vorging, vor was er sich fürchtete und was ihn so verletzte. Mit seiner England-Aktion hatte Kira sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Was brachte Mudo Kiras Akzeptanz, wenn er nicht da sein würde? Als Setsuna die Wohnung verließ, wandte Kato sich an Kira. „Heuchler. Wenn du weg bist, dann hat er niemanden mehr.“ „Sie könnten auch gehen. Tokio ist ohnehin ein Dreckloch... außerdem versteht ihr zwei euch ja augenscheinlich blendend.“ „jeder sollte also einfach abhauen und seine Freunde im Stich lassen?“ „Ich will darüber nicht sprechen.“ „Macht es dir vielleicht ein schlechtes Gewissen? Aber nein, du stehst da sicher drüber, mit deiner kühlen, erhaben Art. Sakuya Kira braucht schließlich niemanden, deswegen rührt es ihn auch nicht, wenn er andere verletzt.“ „Irgendwann, Kato, muss man sich um sein eigenes Leben kümmern. Und ich würde sagen, das gerade dir das Thema Egoismus nicht fremd ist.“ „Das ist etwas anderes.“, versuchte Kato sich zu verteidigen. Er fühlte sich ungerecht behandelt. Sicher hatte er Fehler begangen, zweifelsohne. Er hatte auch Leute im Stich gelassen, sie verletzt und behandelt wie Dreck. Der Unterschied war, dass er nie behauptet hatte, etwas anderes zu tun. Er hatte nie geschworen, jemanden eine Stütze zu sein. Bevor Kira antworten konnte, fragte Kato: „Warum?“ „Das habe ich dir schon erklärt.“ „Das kann doch nicht alles gewesen sein.“ „Es ist vorerst alles, was für dich wichtig sein könnte.“ „Also ist es nicht alles.“ „Es geht dich einfach nichts an.“ „Doch Kira, denn vielleicht könnte ich dich dann zum Bleiben überreden.“ „Wenn ich gehe wirst du vielleicht endlich mal selbstständig.“ Selbstständig? Ja, auf der Straße vielleicht, bis er mit 22 an einer Überdosis starb. „Du könntest an die Todai.“ „Ich kann es aber auch lassen.“ „Kira. Verdammt noch mal. Mudo und ich...wir brauchen dich doch hier.“ Kiras Gesichtsausdruck wurde ein klein wenig weicher, seine harte Maske schien sich etwas zu entspannen, wirkte nicht mehr durchgehend abweisend. Er kam Kato näher. „Ich tue das nicht, um euch zu verletzen.“ Er schloss Kato in eine Umarmung, die durch und durch freundschaftlich war, quälend freundschaftlich. Sein warmer Atem streifte Katos Wange, er spürte Kiras starke Amre und hätte sich so gerne an seine Brust gelehnt. Aber das wäre nicht freundschaftlich. Er sog Kiras herben Duft ein und hätte schreien können. „Und es heißt nicht, dass wir uns nie wieder sehen. Es gibt Semesterferien.“ „Ja, sicher... aber irgendwann verliert man sich doch immer aus den Augen.“ „Man hat immer die Wahl, Kato. Man hat immer die Wahl.“ Er löste sich von ihm und fuhr sich durch die Haare. „Und du hast deine getroffen.“, stellte er tonlos fest. „Ja. Und deine Wahl wird sein, ob du danach wieder in alte Gewohnheiten verfällst, oder ob du aus diesem Jahr lernst.“ Seine Wahl war zurzeit Kira zum bleiben zu bringen. Danach konnte er wählen, ob er ihm gestand wie die Dinge lagen, oder nicht. Und dann, erst dann, würde er sich um diese Entscheidung kümmern. Es gab nichts anderes, auf das er sich konzentrieren wollte. Kira ließ sich auf das Sofa fallen und legte die Beine hoch. „Ich würde sagen, wir gehen gleich raus und suchen dir einen Job.“ Hatte es überhaupt einen Sinn, das vorherige Thema weiter zu verfolgen? Kira war stur. So stur, das Kato vor dieser Mauer kapitulierte. „Wir können ja schauen, ob sich was findet.“ „Eine Bekannte von mir...“ Nicht schon wieder dieses Bedeutungsschwangere Wort, eine Bekannte. „... arbeitet in einem Café. Sie sagt, die suchen noch wen. Es ist hier ganz in der Nähe und hätte den Vorteil, dass ich weiß, wenn du da nicht erscheinst oder abhaust.“ „Du traust mir nicht ganz, oder?“ „Traust du dir?“ „Nein.“, gab Kato zu. Es hätte ja doch keinen Zweck zu lügen. „Dann schnapp dir deine Sachen, ich geb‘ später was zu essen aus.“ Kato wusste nicht, was er tun sollte. Zu viel strömte auf ihn ein. Viel zu viel. Er war nach wie vor wütend und verzweifelt, da Kira ihm einfach nicht richtig zuhörte, nicht auf ihn einging. Er war aufgeregt, wegen dem Vorschlag, der ihm gerade unterbreitet wurde. Er freute sich darauf einen ganz normalen Tag mit Kira zu verbringen. Mit anderen Worten: Er war total überfordert. „Klar...“, sagte er nur und machte sich daran Kiras Anweisungen mechanisch zu verfolgen. Hatte wirklich jeder eine Wahl? Kato hatte das Gefühl, dass ihm seine genommen wurde, sobald Kira da war. Er übernahm sein Leben komplett. Er sagte im, was er tun sollte, er sorgte für das, was Kato fühlte. Kira war seine Wahl. Aber der Schwarzhaarige würde das nie einsehen. Kapitel 9: 10+11 ---------------- Schande über mein Haupt. Ich weiß, es hat ewig gedauert, aber ich war ziemlich mit dem Abi beschäftigt, dann bin ich umgezogen und musste mich um die Uni kümmern - von der Wiege bis zur Bare siehst du nichts als Formulare. Ich habe allerdings ein gutes Stück weiter geschrieben, dass heißt dass in der nächsten Woche der nächste Teil kommt und in der Woche danach auch noch einer. Danke für die Geduld. An einer Stelle unterhalten sich Kira und Raphael auf Englisch. Für Leute, denen das Probleme bereitet ist unten eine Überzetzung. .........................................10................................. Die Hitze schlug ihnen unbarmherzig entgegen, als sie Kiras kühle Wohnung verließen. Unwillkürlich hielt Kato sich die Hand vor die Augen, zu hell war das Licht der in der Scheibe des Treppenhauses gebrochenen Sonne. „Schätze, du brauchst eine Sonnenbrille, mein Freund.“, amüsierte sich Kira. Kato öffnete die Augen einen Spalt breit, nur um festzustellen, dass der Mistkerl seinerseits bereits eine elegante, schwarze Brille trug. „Leck mich doch...“, murmelte Kato. „Vielleicht finden wir ja auf dem Weg was.“, überging Kira Katos Beleidigungen. „Wenn ich bis dahin nicht an einem Hitzschlag gestorben bin.“, grummelte Kato. „Du wirst es schon überleben.“ Kira zog ein Haarband aus seiner Hosentasche und zwang seine Haare in einen Zopf. „Ich spiele mit dem Gedanken die Matte abzuschneiden. Solltest du vielleicht auch tun.“ Kato antwortete nicht. Er lief kurz hinter Kira die Treppe hinunter und betrachtete die Linie seines Nackens, die sonst unter den Haaren verdeckt war. An der linken Seite zog sich eine starke Sehne entlang, die die maskuline Form seines Nackens betonte. Trotzdem war sein Hals nicht zu breit, er wirkte sogar fast grazil im Vergleich zum Rest seines Körpers. Aber eben nur fast, er war genau richtig. Passend. Kurze Haare würden ihm sicher stehen, befand Kato, auch wenn er Kiras lange Haare mochte. Da er diese aber ohnehin nie wirklich berühren würde können, war es auch egal wenn er sie abschnitt. Er ließ seinen Blick weiter an Kiras Kehrseite zu seinem Rücken gleiten. Sein T-Shirt machte aus den kräftigen Schultern keinen Hehl, ebenso wenig wie aus den Raubtierhaften Schulterblättern. Wie schaffte Kira es sich so regelmäßig zu bewegen? Kato stolperte regelmäßig, er polterte die Straßen entlang. Konnte man eigentlich zwei befreundete Menschen finden, die gegensätzlicher waren? „Worüber denkst du nach?“, fragte Kira als er zusammen mit Kato nach Draußen in den Hof trat. Es war noch heißer als im Hausflur. „Ich denke gar nicht, weißt du doch...“ Kira grinste ihn hämisch an. „Natürlich, Kato.“ Wieso sollte er ihn an seinen Gedanken teilhaben lassen? Er machte sich nicht einmal die Mühe Kira eine Lüge aufzutischen. Letztendlich konnte der Schwarzhaarige gerne das Gefühl haben, dass Kato nicht beabsichtigte mit ihm zu sprechen. Vielleicht brachte ihn das dazu Kato mehr Aufmerksamkeit und Ehrlichkeit entgegen zu bringen. Und sonst gab es immer noch die Option die Wohnung zu durchsuchen, wenn Kira in der Schule war. Er würde schon Antworten finden. Er hatte schließlich keine Wahl. „Wo ist denn dieses verdammte Café?“ „Ein Katzensprung...“ „Dein Katzensprung oder meiner?“ „Meiner.“ Der Ex-Junkie ließ den Kopf hängen. Nach den Maßstäben Kiras gerechnet konnte es sich um mehrere Kilometer handeln...3, vielleicht 4. Bei dieser Hitze! Kato hatte das Gefühl bei den Sonnenstrahlen handele es sich um fiese kleine Spitzen, die in seinen Kopf eindrangen und sein Gehirn zersetzten. „Da drüben gibt’s auch was zu trinken.“ Kira schien amüsiert zu sein. „Ist mir ja neu, dass man in einem Café was zu trinken bekommt. Ich dachte immer das wären öffentliche Umschlagsplätze für Drogen...“ „Welchen Clown hast du eigentlich verschluckt, Kato?“ Der Angesprochene war sich nicht sicher, ob Kira angepisst war oder ob er sich noch über Kato amüsierte. Er zuckte nur mit den Schultern. Ein paar Meter von ihnen entfernt kicherte schüchtern eine Gruppe Schulmädchen und deutete auf den Schwarzhaarigen. Pubertäre Gören. Kira selbst schien davon nichts zu bemerken. Warum auch? Für ihn war das normal. Und warum sollten die Mädchen ihn nicht anstarren? Eigentlich konnte er es ihnen kaum verübeln. „Ob Setsuna und Sarah wohl gerade ihren Spaß haben?“ Kira schien mehr mit sich selbst zu reden, als mit Kato. Wie zum Henker kam er denn jetzt darauf?! Jeder, den Kato hier sah, schien von der Hitze gedrückt zu sein, erschlafft, versuchte Schatten zu ergattern. Und Kira lief schnell voran und schien seine Gehirnaktivitäten ebenfalls nicht einstellen zu wollen. Bemerkenswert nervige Angewohnheit. Aber sie gehörte zu Kira dazu, diese Beharrlichkeit. Wenn Kato ehrlich zu sich selbst war, dann war dies einer der Charakterzüge, die er besonders an ihm schätze. Denn das war es, was Kira immer wieder dazu befähigt hatte, ihn, Kato, zu retten. Fast hätte er gelacht. Der goldene Ritter... lächerlich. „Sag mal, Kato... wie oft denkst du eigentlich noch daran?“ „Woran?“, fragte er hastig, fühlte sich irgendwie ertappt. Die Vorstellung, dass Kira Gedanken lesen konnte erschien ihm seit jeher genauso wahrscheinlich wie unheimlich. „Drogen, fixen zu gehen...“ „Ach so...“ Wenn es nur das war... in Anbetracht der Tatsache, dass er primär an Kira dachte, war es eigentlich nicht viel... wenn man allerdings davon ausging, dass das der einzige andere Gedankengang war, den er hegte, sah die Sache anders aus... „Oft, denke ich...vor allem wenn, na ja, ich überlege, was ich so machen soll...später. Chrm. Ich bin...hmm..wie soll ich das sagen? Wenn man vorher immer davon ausgegangen ist, dass man nichts erreichen muss, weil man eh schon verschissen hat und nicht lange leben wird...dann ist es leicht. Aber jetzt...“ „Musst du irgendwie einen Platz finden.“ „Das ist nicht das ganze Problem... ich muss etwas finden, womit ich leben kann...etwas, das wie ein Rausch ist.“ Mit dir zusammen zu sein, zum Beispiel. „Wenn ich das, was ich vielleicht mal habe, hasse...dann kann ich es auch gleich wieder mit einer guten Dosis Heroin beenden. Ich brauche etwas, das mein altes Leben ersetzen kann... Klar, du denkst jetzt, dass es leicht sein dürfte, Dreck und Kotze zu ersetzen. Sicher, ist es auch, ich war auf den Teil nie aus...aber... das davor...das Schweben...Sorglosigkeit...“ „Das kann das wahre Leben dir nicht geben.“ „Kann es mir Glück geben, in diesem Ausmaß?“ Kira schien zu grübeln, die Stirn hatte er leicht in Falten gezogen. „Ich weiß es nicht. Es sind zwei verschiedene Arten Glück. Das Drogenglück ist synthetisch...es manipuliert dein Gehirn, deswegen fällst du danach so tief. All deine Synapsen, deine Botenstoffe spielen verrückt. Das wirkliche Glück ist selten so stark, aber es ist echt, es ist selbst verdient.“ „Das klingt nicht gerade überzeugend.“ „Sagen wir es so: Man könnte einen Menschen in eine Nährlösung legen, ihn den ganzen Tag über mit Drogen versorgen... er würde nur Glück empfinden, aber er wäre nichts als eine Hülle in einem Tank. Jemand, der wirklich lebt, der empfindet viel mehr. Mehr Schmerz, weniger starkes Glück, aber er existiert immerhin.“ „Und wer sagt, dass es wichtig ist zu existieren?“ „Würdest du dich für den Tank entscheiden? Was würde dir das bringen, du würdest keinen Zweck verfolgen. Deine ganze Existenz wäre komplett sinnlos und unnötig.“ Kato wusste nicht, was er antworten sollte. Er war sich nicht sicher. Wollte er denn überhaupt einen Zweck erfüllen, war das wichtig? Ging es nicht eigentlich für jeden nur um sein Glück? Vielleicht war es für Kira „Glück“ wichtig zu sein und etwas zu bewirken... aber für ihn, Kato, der nie etwas bewirkt hatte schien dies unwichtig. Und wenn er sich zwischen dem Tank und Kira entscheiden sollte? Einen Zweck darzustellen für ihn, oder nur für sich? „Ich weiß es nicht.“ „Ich schätze, dass ist der Knackpunkt. Du müsstest erfahren, wie es ist, etwas zu bewirken.“ „Du hast ein Jahr, um es mir zu zeigen. Danach braucht es dich nicht mehr zu interessieren.“ „Ich werde hin und wieder in Japan sein, Kato. Ich werde sehen, was aus dir geworden ist.“ Hin und wieder? Na und? Vielleicht gab es ihn ja beim „hin“ schon nicht mehr... Vielleicht lebte er auch das Leben eines ewigen Kellners mit schlechter Wohnung, schlechtem Einkommen, einsam und glücklos? Der Tank war für ihn eigentlich die beste Option. „Wir werden sehen... ich möchte jetzt nicht darüber reden.“ „In Ordnung.“ Den Rest des Weges schwiegen sie. Jedoch war es kein Unangenehmes Schweigen, es war ein einvernehmliches Schweigen unter Freunden, die es im Moment nicht für nötig hielten Worte zu verschwenden. So war es früher häufig gewesen. Sie hatten auf einem Sofa gesessen, auf einem Stein oder sonst wo, schweigend, Kato völlig zugedröhnt und Kira einfach an seiner Seite. Dieser Moment war intensiver, nüchterner. Dafür könnte Kato auf den Tank verzichten, aber das war es dann auch schon. ...................................11......................................... Das Café von dem Kira gesprochen hatte war ungewöhnlich idyllisch. Es lag am Rande eines kleinen Parks und war selbst nicht groß. Die Fenster waren rund und schlicht. Überhaupt war der ganze Laden schlicht und einfach, sehr hell und freundlich, unaufdringlich, einfach ruhig. Nicht spartanisch oder prunkvoll, sondern ausgeglichen. Es gefiel Kato. Kira öffnete die antik wirkende Holztür und die beiden traten ein. Innen wirkte das Café eben so freundlich wie von außen. Kleine helle Holztische waren großzügig im Raum verteilt, umringt von jeweils drei Stühlen. Ein kleines Podest führte zu einer etwas dunkleren Ecke mit einem Sofa, Blumenvasen und einem Spiegel. Der Tresen befand sich an der anderen Ecke des Raumes. Als sie ankamen war der Raum leer. „Wieso ist keiner hier?“ „Weil sie während der Bullenhitze Mittagspause machen. Aber Arakune sagte, es sei gut, wenn wir in der Zeit kommen würden.“ „Ganz recht.“ Kato drehte sich in Richtung der seltsamen Stimme. Es war ein hoher Klang, recht angenehm... aber es schwang Irritierenderweise ein kleiner Bariton mit, der nicht zu dem sonstigen passte. Im Türrahmen durch den sie gerade getreten waren lehnte eine attraktive, recht groß gewachsene Frau mit langem, bräunlichen Haar. Sie war sehr schmal und schien nicht gebürtig aus Japan zu kommen. „Das ist er also?“ Sie sah Kato an und lächelte. „Wo ist Raphael?“, fragte Kira beiläufig. Arakune lächelte. „Ist auf dem Weg, Darling.“, antwortete die Frau und zwinkerte Kira zu. Kato sträubten sich die Nackenhaare. Darling. Kira überging Arakunes Spitznamen für ihn geflissentlich. Sie wandte sich nun Kato zu. „Ich hoffe, du bist einigermaßen ausdauernd.“ „Kommt drauf an, worum es geht.“, erwiderte er schnippisch. Darling. „Wir brauchen wen für die Theke. Du würdest dich um die Bestellungen der Getränke kümmern. Kellnern ist Raphaels Aufgabe. Ich koche hinten. Meine kleine Schwester hilft zwischendurch aus, aber sie ist noch Schülerin, deswegen kann sie den Job nicht dauerhaft übernehmen. Du müsstest aber nicht jeden Tag hier antraben. 4 von 7 reicht für den Anfang. Die Schichten können variieren... von Morgens bis Mittags, von Mittags bis Abends. Du hast noch nicht in der Gastronomie gearbeitet, oder?“ „Nein.“ „Dann müsste ich dich erst Probearbeiten lassen.“ Kato war erneut überfordert. Er mochte dieses Café, die Chefin jedoch war ihm zuwider. Aber er hatte das Gefühl Kira etwas beweisen zu müssen. „Wann?“, fragte er nur. „Morgen? 10 Uhr?“ „Gut.“ „Du brauchst ein Haarband, dunkle Kleidung und etwas mehr Freundlichkeit, als du sie gerade an den Tag legst.“ „Er braucht etwas um warm zu werden.“, unterbrach Kira Kato bevor dieser etwas dummes erwidern konnte. „Und einige werden es nie, was Kira? Du wärst mit Abstand die schlechteste Bedienung der Welt, wenn du nicht so gut schauspielern könntest.“ Noch jemand? Wahrscheinlich war das dieser Raphael. Kato taxierte die neue Person im Raum. Blond, groß, gutaussehend, Europäer- bäh. Kira lächelte Blondie entgegen, Kato musste ein Schnauben unterdrücken. „Wie gut, dass ich noch jede Menge anderer Qualitäten habe außer meiner Schauspielkunst...“ Beide Männer schienen ein Lachen unterdrücken zu müssen. Kato fand, dass die beiden viel zu vertraut wirkten. Wieso kannte er den Kerl nicht, wenn er Kira scheinbar nahe stand? Allerdings kannte er ja auch die geheimnisvolle Frau auf dem Foto nicht. „So, that’s your little pet?“ Wieso sprach der Kerl jetzt Englisch? Kato hatte soviel blau gemacht, dass er kein Wort verstand. Die Sprache allerdings alarmierte ihn sofort. England war der Feind. Der Typ war aus Europa- Engländer? Er hatte die Möglichkeit den Feind auszuspionieren. In diesem Moment viel die Entscheidung den Job anzunehmen. Jeder Grashalm zählte. „Pet... nice. He’s a friend, Raph.“ Der Großteil der japanischen Bevölkerung würde Kira darum beneiden akzentfrei sprechen zu können. „You spoke about him like one.“ Der Blonde Mann schien Kira foppen zu wollen. Es lag etwas neckendes in seiner Stimme. “Jealous?” “I wouldn’t like to be your little dog.” Jetzt hörte er sich etwas beleidigt an. „You would.“ Der Blonde schien kurzzeitig nicht zu wissen, was er erwiedern sollte. „Did you fu-“ Kira unterbrach den Blonden mit einer harschen Handbewegung, seine Stimme jedoch war freundlich. „No, he doesn’t even know. And I would appreciate it, if that would still be the case after.” “No problem. Me either... He likes you.” Kira zog eine Augenbraue hoch. Raphael lächelte...irgendwie unanständig. „When can I see you?“ Jetzt zuckte Kira nicht nur die Schulter, sondern auch mit den Mundwinkeln. Worüber zum Henker sprachen die? „Don’t know. I’ve to take care of him.“ “Holy shit, Kira. Lock him up…” “Maybe tomorrow… after school. I’ve some free lessons he does’nt know about.” “Like he’s your wife.” “He’s more a pet, indeed.” “As I said, before. Tomorrow?” “Tomorrow. I call you.” Kato interessierte brennend worüber die beiden sich unterhielten. „Du bist SO gut dran, Raphael.“, murrte Arakune und verschränkte die Arme. „Ich weiß.“ „Worum zum Henker geht es denn hier?“, fragte Kato verwirrt. „Nichts wichtiges... nur um meine Unfähigkeit freundlich zu sein...“, antwortete Kira. Kato glaubte ihm kein Wort. Aber was sollte er schon groß machen? „Wollt ihr noch was trinken? Das geht aufs Haus.“, bot Arakune an. „Gerne. Ich nehme Wasser.“ „Langweiler. Und für dich?“ Sie wandte sich an Kato. „Eine Coke...“ Arakune verschwand hinter der Theke und holte vier Gläser hervor. „Raphael?“ „Cola- und bitte ohne Gift.“ „Was machst du eigentlich so, wenn du nicht arbeitest?“, fragte Kato und versuchte beiläufig zu klingen. „Ich studiere Medizin.“ Intelligenzbolzen, da war es wohl kaum verwunderlich, dass er mit Kira befreundet war. „Von der Uni kenne ich ja auch Kira... eure Schule hatte da mal einen Informationstag.“ „Hatten wir?“ „Du lagst hackedicht vom vorherigen Abend in meinem Bett.“, kommentierte Kira trocken und zündete sich eine Zigarette an. Kato spürte widerwillig, wie sich Röte auf seinen Wangen breit zu machen versuchte. Einen Königreich für eine Spritze... nie zuvor hatte es sich so angefühlt wie jetzt, wenn man ihn auf sein Lotterleben ansprach. Er hatte einfach alle als Spießer abgetan. Waren sie ja auch... und er versuchte ernsthaft auch einer von denen zu werden? „Man muss eben Prioritäten setzten...“, stichelte Mr. Charming Doctor. „Ich glaube nicht, dass das Dinge sind, die dich zu interessieren haben!“, antwortete Kato gereizt. „Kriegt euch ein, meine Jungs.“ Arakune stellte ihnen ihre Gläser vor die Nase und seufzte, während sie selber an ihrem Saft nippte. „Zuviel Testosteron in einem Raum kann ja nichts werden und das bei der Hitze. Da kocht das Blut.“ „Pass nur auf, dass die beiden sich während der Arbeitszeiten nicht umbringen... ich sehe da Potential für gewisse Spannungen...“ Kato war erstaunt, dass Kiras warnender Blick nicht in seine Richtung, sondern in die von Raphael ging. Schadenfreude. „Ach, Kira. Ich habe da übrigens noch was für dich.“ Raphael sprang auf und beeilte sich in einen anliegenden Raum hinter der Theke zu kommen. Als er wiederkam hielt er etwas in der Hand, das nach einem Brief aussah. Kira drückte seine Zigarette aus und streckte fordernd die Hand aus. „Kein Danke?“ „Wie lange hast du den schon?“ „Eine Woche?“ „Dann frag mich lieber, warum keinen Tritt.“ Raphael schnaubte und drückte Kira den Umschlag in die Hand. Kato beobachtete wie Kira ungewohnt ungeduldig den Brief öffnete. Katos Nerven brannten vor Aufregung. Die durch das Fenster scheinende Sonne machte das weiße Papier transparent und ließ in die Schrift erkennen. Europäisch. Frauenschrift. Englisch. Aha. Der Feind. Alles hier war der Feind. Hatte Kira ihn absichtlich hier hergebracht? Wusste er, dass Kato nach Antworten suchen wollte und gab ihm etwas Starthilfe? Aber warum sollte er? „Nächste Woche fahre ich noch einmal rüber...besuche meine Eltern.“ Kira lächelte Raphael beunruhigend freundlich an. „Wie schön.“ „Und was habt ihr noch so vor?“, mischte sich Arakune ein. „Weiß nicht...“, antwortete Kato. „Schwimmen?“, warf Kira ein. Kira wollte mit ihm schwimmen gehen? Kato erinnerte sich an Setsuna, wie er sich darüber beklagt hatte, dass Kira ihn genötigt hatte einen Tag halbnackt mit Sarah zu verbringen. Rosige Aussicht. Vielleicht würden sie die beiden ja treffen? „Willst du schauen, wie es deinem kleinen Schützling geht?“ Irritiert blickte Kira ihn an. „Setsuna? Teufel, nein. Wenn ich da auftauche war die ganze Aktion umsonst. Dann wird er irgendwie versuchen sich aus der Sache rauszuziehen. Wir fahren zu einem See in der Nähe. Sarah ist pingelig, die geht nur in Freibäder.“ Also nur sie beide? Kato rang mit sich. Es war unsäglich heiß...und so ein bisschen Masochismus würde ihm schon nicht schaden. „Ok.“ „Dann hoffe ich, dass du morgen in aller Frische hier auftauschst.“ Arakune leerte ihr Glas und streckte sich. „Ay, Schwimmen... das wär’s jetzt.“, seufzte sie. „Tja, Liebes, du wirst zerfließen müssen.“, bemerkte Kira. „Dein Mitleid rührt mich.“ Kira und Arakune tauschten noch weitere Nettigkeiten aus, während Kato nachdenklich an seiner Cola nippte. Sein Kopf pochte. Lag das am ungewohnten Denken oder daran, dass es so verflucht heiß war? Blondie hatte sich neben ihm niedergelassen und musterte ihn. „Was?“, fragte Kato. „Ich frage mich nur, wie ihr zwei so dicke Freunde werden konntet. Kira ist intelligent, begabt, gutaussehend, selbstbewusst... und du machst nur Schwierigkeiten und bist der größte Chaot.“ Kira schien ja äußert freundlich über ihn gesprochen zu haben. Aber was gab es auch anderes über ihn zu sagen? „Tja, wo die Freundschaft hinfällt. Nebenbei bemerkt ist Kira kein Heiliger.“ Raphael grinste. „DAS würde ich auch niemals behaupten. Aber trotzdem... Drogen, Schule schwänzen...“ „Kira hat schon derbe viele Leute vermöbelt. Er hat Autos demoliert.“ „...jaaa. OK. Aber trotzdem.“ „Wir haben schon Dinge gemeinsam. Außerdem ziehen Gegensätze sich ja bekanntlich an.“ „Jedenfalls würde mich da wirklich interessieren, was er in dir sieht... wenn du hier anfängst finde ich es ja vielleicht heraus.“ Kato wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Was ging den Kerl das überhaupt an? „Wollen wir dann?“, fragte Kira, der während seines Schlagabtausches mit Arakune nichts von ihrem Gespräch mitbekommen hatte. „Zu gerne.“ Er verabschiedete sich höflich von Arakune- er mochte sie nicht, aber sie gab ihm eine Chance- und weniger nett von Raphael. Noch im Hinausgehen hatte er das Gefühl von dem Blonden beobachtet zu werden. „So im Nachhinein überlege ich meine Haare wieder zu entblonden.“, schnaubte er. Kira lachte. „Ich sehe eine wunderbare Freundschaft keimen.“ Kurze Zeit später saß Kato an Kira geklammert auf dessen Motorrad. Unter anderen Umständen hätte er sich über die Situation gefreut, aber Kiras Fahrstil behagte ihm nicht. Kato bevorzugte festen Boden unter seinen Füßen und Kira bevorzugte Geschwindigkeiten, die sich äußerst negativ auf Katos Magen auswirkten. Da brachte ihm all die Körpernähe nichts. Die Hitze nicht zu vergessen, die sich unter der Motorradkleidung aufstaute, wenn sie halten mussten. Dementsprechend erleichtert war er, als sie endlich ihr Ziel erreicht hatten. „Dein Fahrstil ist Krieg.“, keuchte er und zog sich den Helm vom Kopf. „Gibt schlimmere als mich.“ „Das wage ich zu bezweifeln.“ Er schälte sich aus der Lederjacke und wünschte sich auch endlich diese verfluchte Motorradhose ausziehen zu können. Wahrscheinlich hatte sich bereits eine zweite Hautschicht aus Schweiß gebildet, mal ganz davon abgesehen, dass diese Hose sein Zentralmassiv unangenehm einsperrte. „Wo ist das Wasser?“ „Folge mir.“ Kato tat wie ihm geheißen und lief hinter Kira einen Weg entlang, der sie durch ein kleines Waldstück führte. Die Bäume wurden immer lichter bis sie nach ca. 10 min bei einem See ankamen. Menschenleer. Oha. Kato sah sich um. Die Lichtung mit dem See war schön. Mehr konnte er mit seinem männlichen Verstand nicht feststellen. Frauen mit etwas Sinn für Romantik hätten sich möglicherweise über die Pflanzen und Blumen gefreut, hätten die Vögel bemerkt oder das Rauschen des Wassers. Kato konzentrierte sich derweil auf wichtigere Dinge: Kira, der sich auszog. Fasziniert beobachtete er wie die Lederjacke von Kiras Körper glitt, wie er das T-Shirt auszog und auf den Boden warf. „Ein schöner Rücken kann auch entzücken...“, dachte Kato. 1 „Das ist also dein kleines Haustier?“ 2 „Haustier...wie nett. Er ist ein Freund, Raph.“ 3 „Du hast über ihn wie eins gesprochen.“ 4 „Neidisch?“ 5 „Ich hätte keine Lust dein Hündchen zu sein.“ 6 „Du hättest.“ 7 „Hast du ihn ge-“ 8 „Er weiß es nicht einmal. Und ich würde es begrüßen, wenn das so bleiben würde.“ 9 „Kein Problem. Ist mir auch lieber. Er mag dich.“ 10 „Wann kann ich dich treffen?“ (Raphael) 11 „Ich weiß es nicht. Ich muss mich um ihn kümmern.“ 12 „Heilige Scheiße, Kira! Sperr ihn ein...“ 13 „Vielleicht morgen...nach der Schule. Ich habe ein paar Freistunden von denen er nichts weiß.“ 14 „Als ob er deine Frau wäre.“ 15 „Er ist mehr ein Haustier, stimmt.“ 16 „Wie ich vorher schon gesagt habe. Morgen?“ 17 „Morgen. Ich rufe dich an.“ So, das nächste Kapitel gibt es nächste Woche ^^ Kapitel 10: 12 -------------- And the next one. Das danach ist auch schon fertig. Ich hoffe, dass es so flüssig weitergeht. Die Geschichte hat sich irgendwie ganz von selbst weiterentwickelt und ist jetzt schon länger als geplant. Trotzdem gefällt es mir bisher ganz gut also werde ich zusehen, dass es zügig voranschreitet. Diesen Monat werde ich noch sehr gestresst sein weil noch eine kleine Katze einzieht, die Aufmerksamkeit fordert und ich muss die Mami sein. Nun aber genug geredet, viel Spaß beim lesen :D ....................................12.......................................... Kato fühlte Nervosität in sich aufsteigen. Was, wenn man ihm etwas anmerkte? Ein menschlicher Körper war verräterisch. Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch. „Alles klar?“, hörte er Kira fragen. „Ja, sicher. Ich muss nur diese verdammte Hitze verpacken. Normalerweise schließe ich mich einsam und alleine in einer dunklen, kühlen Wohnung ein.“ „Dann runter mit den Klamotten und ab ins Wasser.“ Kato überhörte die garstige Zweideutigkeit und unterdrückte den aufkeimenden Verdacht, dass der Lauf der Welt von einer gerissenen Schlampe geleitet wurde, die ihn bis aufs Blut verachtete und danach trachtete seine Existenz auszulöschen. Nun das hätte sie auch einfacher haben können, aber vielleicht wollte sie ihn langsam verenden sehen? Miststück! Kira stand ihm mittlerweile in Badehose gegenüber. Kato zwang sich nicht näher hinzusehen und zog sich stattdessen sein durchgeschwitztes T-Shirt vom Körper und begann sich aus dieser Lederhose zu pellen. Wenigstens hatte er seine Badehose direkt drunter gezogen, denn er fürchtete, dass es eine unangenehme Überraschung hätte geben können, hätte er sich jetzt noch ausziehen müssen. Kira breitete eine Decke auf dem Boden aus, kramte eine Flasche Wasser aus der Tasche, die sie mitgenommen hatten und setzte sich erst einmal. Wieder kam Kato sich im Vergleich zu seinem Freund dürr vor, dürr und ungesund. „Ich gehe dann mal Richtung Wasser“, krächzte er und begab sich zum See. Da gab es Dinge, die dringend abgekühlt werden wollten. Das war eindeutig eine total dämliche Idee gewesen. Kein Zweifel. Kato steckte einen Fuß ins Wasser und hätte fast aufgejault. Scheiße, war das kalt! Im Vergleich zu der unendlichen Hitze, in der er sein Dasein fristete war das die Antarktis. Vielleicht doch ein bisschen zu kalt. Aber jetzt gab es kein Zurück! Er hatte beschlossen einen Tag mit Schmerz und Leid zuzubringen, also würde er das auch richtig durchziehen. Langsam watete er ins kühle Nass, die Zähne fest zusammen gebissen. Er stand bis zu den Oberschenkeln im Wasser und hatte das Gefühl eingefroren zu sein. Ein wenig spielte er doch mit dem Gedanken wieder umzudrehen und sich trotzig auf die Decke zu setzen als er plötzlich ruckartig zwei Hände in seinem Rücken spürte und kurz darauf gänzlich im Wasser lag. Eisiger Schock durchfuhr seinen Körper. Er japste nach Luft und prustete Wasser. Das Lachen verriet ihm deutlich, dass Kira sich prächtig amüsierte. Der Kerl konnte was erleben! Mit einem für Katos körperliche Voraussetzungen beachtlichen Hechtsprung sprang er gegen Kiras Beine und riss diesen zu sich nach unten. Mit einem lauten Platschen landeten sie beide wieder im Wasser. Kato hatte sich mittlerweile an die Kälte gewöhnt, Kira schien jedoch wie ihm zuvor kurz die Luft wegzubleiben- ein Umstand den Kato dazu nutzte seinen Kopf kurz unter Wasser zu drücken. Prustend kam Kira wieder an der Oberfläche zum Vorschein. Kato watete vorsichtshalber ein paar Schritte zurück. Der Schwarzhaarige wischte sich das Wasser aus den Augen bevor er seinen Blick auf Kato richtete. Kato wich ein weiteres Stück zurück. Kiras Augen konnten so unglaublich kalt sein und sein Lächeln so bösartig. „Du hast es provoziert.“, merkte Kato an. „Mag sein… aber jetzt habe ich Blut geleckt.“ Und schon sprang er mit einem raubkatzenartigen Satz auf Kato zu, der Rücklings im Wasser landete. Er wusste nicht, wie lange sie sich im See rauften, am Schluss kapitulierte er, als Kira ihm von hinten die Arme umgelegt hatte und ihn festhielt. Ganz nah an seinen Körper gepresst konnte Kato Kiras Herzschlag deutlich spüren. Er spürte seine feste Muskulatur und seinen Atem an seinem Hals. Ihm wurde etwas schwindelig und er spürte wie sein Blut in eine Gegend wich, in die es definitiv nicht gehörte. „Ich gebe auf!“, keuchte er. „Kluge Entscheidung.“, raunte Kira und ließ Kato zu seiner großen Erleichterung und zeitgleich größtem Entsetzen los. Dieser ließ sich freiwillig erneut ins kalte Wasser sinken, das ihm gerade wie eine deutliche Erlösung erschien. Kira ließ sich neben ihm nieder. „Seltsam, dass keiner hier ist.“, sagte er. „Aber eigentlich ganz schön.“ „Wie hast du denn See überhaupt gefunden?“, fragte Kato um auf andere Gedanken zu kommen. Man konnte so allerhand tun an einsamen Seen... „Ich bin mal nach einem Streit mit meinem alten Herrn einfach ins Blaue gefahren und dann ein wenig hier rumgerannt bis ich durch Zufall darauf gestoßen bin.“ „Ich weiß bis heute nicht, was dein Problem mit ihm ist. Im Vergleich zu meinem ist deiner doch total in Ordnung.“ Kira seufzte. Normalerweise blockte er bei diesem Thema komplett ab. „Weißt du, seit diesem Unfall damals hat sich einfach viel geändert. Nicht nur, weil Mutter tot war.“ „Da konnte er doch nichts für…“ „Ich weiß. Darum geht es doch auch gar nicht. Es ist was anderes.“ „Das ist schon mehr, als du je erzählt hast… aber trotzdem… du kennst mein ganzes Leben, den ganzen Scheiß und mir vertraust du kaum etwas an.“ „Hätte es dich im Drogenrausch interessiert?“ Eine nicht ganz unberechtigte Frage. Er hatte Kira oft vorgeworfen, dass dieser es ja ach so gut hatte und dass er sich ja gar nicht vorstellen konnte, was er, Kato, durchmachte. Ja…wenn er es recht bedachte, war es immer nur um ihn gegangen. „Ich weiß nicht, aber jetzt bin ich clean.“ Er sah Kira an, der seinen Blick starr geradeaus gerichtet hatte. Er schien nachzudenken. „Kira, wenn du mich schon verlässt, dann sag mir doch wenigstens, was los ist.“, bat er und erschrak selbst davor, wie resigniert er klang. „Er ist nicht mein Vater.“ Diese Äußerung traf Kato völlig unvorbereitet. Er hatte mit sonst etwas gerechnet aber nicht damit. „Was an sich nicht unbedingt dramatisch wäre, denn er hat sich immer wie einer verhalten.“, fuhr Kira nach einer kurzen Pause fort. Kato beschloss ihn nicht zu unterbrechen, wo er nun doch endlich redete. „Es geht darum, dass ich belogen wurde, die ganze Zeit. Es hatte sich nach diesem Unfall herausgestellt. Er konnte mir kein Blut spenden. Die Blutgruppe, die ich habe, könnte ich mit ihm als Vater nicht haben… Damals habe ich das noch nicht begriffen, da war noch alles in Ordnung. Irgendwann ging mir dann aber ein Licht auf. Ich weiß nicht, ob er sich eingebildet hatte, ich würde das alles vergessen und deswegen nie dahinterkommen… jedenfalls hat er nicht gebeichtet, als er es hätte tun können ohne in Ungnade zu fallen. Als ich ihn darauf ansprach hatte er wohl das Bedürfnis gleich dazu zu beichten, dass ich eigentlich auch eine Schwester habe, die aber noch bei meinem Vater lebt. Als Mutter ihn verließ hatten sie sich darauf geeinigt uns aufzuteilen und uns nie davon zu erzählen. Das konnte ich ihm einfach nicht vergeben. Ich kann in dieser einen Sache einfach nicht über meinen Schatten springen.“ Kato wusste nicht, was er sagen sollte. Das hatte er von Kiras altem Herrn nun wirklich nicht erwartet. Er erinnerte sich, wie verraten er sich vorkam, als er herausgefunden hatte, dass er ein Bastard war. „Wow… kennst du sie denn mittlerweile? Deine Schwester.“ „Sie lebt in England. Deswegen will ich dahin. Ich will den anderen, den leiblichen Teil meiner Familie kennen lernen. Sie heißt Alexiel.“ Natürlich. Die schwarzhaarige Frau auf dem Foto, sie sah Kira ähnlich. Wie hätte er denn darauf kommen sollen?! „Das hättest du ruhig direkt sagen können. Ich habe mir sonst was ausgemalt, weswegen du gehst.“ „Ich will einfach nicht, dass es jeder weiß.“ „Bin ich jeder für dich?“ Diesmal sah Kira ihn direkt an. „Nein, Kato. Aber trotzdem. Diese Sache habe ich immer mit mir alleine ausgefochten.“ „Du scheinst damit aber nicht abgeschlossen zu haben.“ „Nein… eher nicht. Aber ich bin dabei.“ „Haust du nicht eigentlich ab? Du erzählst keinem, was Sache ist und versuchst dir drüben in England was ganz anderes aufzubauen ohne dass du es hier beendest.“ „Haben wir plötzlich die Rollen getauscht?“, fragte Kira bissig. „Jetzt weißt du mal wie unbequem die Wahrheit sein kann. Ehrlich Kira. Wärst du wirklich einfach ohne ein Wort abgehauen? Setsuna und ich wir dachten sonst etwas-“ Kato schlug sich die Hände vor den Mund. Verdammt. Kira blitzte ihn an und erhob sich. „Du hast es ihm erzählt?!“ „Er hatte ein Recht es zu erfahren!“ Nun stand auch Kato auf. „Ich brauchte einfach wen, der mich versteht. Er hängt auch an dir. Wir wollten einfach, dass du bleibst. Hättest du ihm das echt angetan, einfach plötzlich abzuhauen, ohne ein Wort? Du holst mich aus dem Dreck und lässt mich wieder fallen? Du bist ihm immer die einzige Stütze und willst ihn dann einfach im Stich lassen? Wegen dieser Sache?!“ Dieses Gespräch begann sich in eine äußerst unangenehme Richtung zu entwickeln. „Ihr müsst auch lernen ohne mich auszukommen.“ „Das hätte dich nicht von der Wahrheit abhalten sollen. Dass du belogen wurdest hat schließlich dazu geführt!“ Und zum ersten Mal in seinem Leben sah Kato Kira sprachlos. Sein Mund öffnete sich und schloss sich daraufhin wieder. Ohne ein Wort. Kato hielt Blickkontakt zu Kira, der plötzlich aussah, wie ein begossener Pudel. „Ich…“ „Ja?“ „Lass uns da später drüber reden.“ „Nein. Dann hast du deine Mauer wieder fein aufgebaut.“ „Es tut mir Leid, okay? Ich mag mein Leben besser unter Kontrolle haben, als manch anderer aber nicht genug, um perfekt zu sein. Und das kann ich wohl am wenigstens akzeptieren… dass mir das alles an die Nieren geht.“ „Wirst du auch mit Mudo darüber reden?“ „Ihr scheint da doch bestens in Kontakt zu stehen.“ „Ach komm schon! Du hast mich nicht um Geheimhaltung gebeten!“ „Ja, meinetwegen. Ich spreche mit ihm.“ Noch immer standen sie im kalten Wasser, Kato begann leicht zu frösteln. „Komm, wir gehen.“ Kira klang etwas tonlos. Offenbar musste er erst einmal verdauen, dass gerade er derjenige gewesen war, der von Kato zurechtgewiesen wurde. Verrückte Welt. Auch Kato war in seine eigenen Gedanken vertieft. Eine Schwester… und deswegen verließ er sie. Eine ganz neue Welt… aber war ihm das zu verübeln, wenn er dort Familie hatte? Dass er gelogen hatte war zweifellos daneben gewesen… aber was konnte er, Kato, schon gegen Familienbande ausrichten? Blut war dicker als Wasser, so sagte man. Für ihn galt das nicht, aber wie stand das mit Kira? „Bedeutet es dir wirklich so viel?“, fragte Kira mit seinem T-Shirt in der Hand. „Was?“ „Dass ich gehe.“ „Ja.“ Kira kam ihm gefährlich nahe und legte seine Stirn an Katos. „Ich bin nicht aus der Welt. Ich vergesse mein altes Leben nicht.“ „Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn du nicht da bist.“ „Wir haben noch ein Jahr um darauf eine Antwort zu finden.“ „Wenigstens weiß ich jetzt, warum.“ Kira löste sich von ihm. „Was hattet ihr denn für Theorien?“ Kira lächelte ihn nun verschmitzt an, aber Kato wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass dieses Lächeln verlogen war, dass es nur aufgesetzt wurde, um die Situation zu entspannen, ihn abzulenken und zu besänftigen. Er sah die Falle, aber er tappte bereitwillig hinein. Was brachte es denn jetzt weiter zu bohren? Manchmal musste man sich einfach im Sog eines schönen Lächelns treiben lassen. „Vielleicht eine Frau… oder Mord. Das erschien uns auch wahrscheinlicher.“ Kira lachte. Es klang immer noch falsch, zu hohl um echt zu sein. „Ihr spinnt wirklich, ihr zwei.“ Auch Kato zog sich langsam an. „Willst du noch etwas bleiben?“, fragte Kira. „Ja, warum nicht.“ Schweigend legten sie sich nebeneinander auf die Decke und trotz seiner Aufgewühltheit spürte Kato, wie ihm die Augen zufielen. Kato hatte es sich auf Kiras Sofa bequem gemacht und irgendeinen Film angeschaltet, der zufällig im Fernsehen lief und einigermaßen interessant aussah. Er vernahm ein Zischen aus Richtung Tür und drehte den Kopf. Kira stand dort, mit zwei frisch geöffneten Bierflaschen in der Hand. Er grinste Kato schief an und hielt ihm eine der Flasche entgegen. Beinahe schüchtern griff er nach dem kühlen Glas und betrachtete dabei Kiras sehnigen Unterarm. „Danke, Mann.“, sagte er und wandte sich wieder dem TV-Gerät zu. „Was läuft?“, fragte Kira und schwang sich behände neben Kato auf die Couch. Er roch frisch geduscht. „Weiß nicht. Irgendein Marshallarts… aber ganz lustig.“ „Die Dinger gibt es auch wie Sand am Meer.“ „Wir könnten uns auch einen Film aus der Videothek holen…“ „Nein. Seichte Unterhaltung ist prima…“ Aus den Augenwinkeln sah Kato wie Kira die Flasche an die Lippen setzte. Einmal im Leben eine Bierflasche sein… Auch er selbst nahm einen großzügigen Schluck zu sich. Sehr herb. Gut. Er besah sich das Etikett genauer und stellte überrascht fest, dass es sich um die Marke handelte, die er und Kira früher immer traditionsgemäß getrunken hatten, weil die Tankstelle an der sie als Minderjährige Bier bekommen konnten nur dieses in ihrer Preisklasse geführt hatte. Aber wahrscheinlich war es nur purer Zufall. „Sag mal…“, begann Kato langsam „Diesen Raphael… kennst du den aus England?“ „Ja und nein. Wir haben uns wirklich an der Uni getroffen, aber es hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass er meine Schwester kennt. Deswegen hatte er mich überhaupt angesprochen, weil er fand wir würden uns so ähnlich sehen. Er überliefert immer Briefe für mich.“ „Hast du ihn deswegen nie erwähnt?“ Kira sah ihn etwas irritiert an. „Kato, du hast dich nie für mein Leben interessiert insofern es nicht direkt mit dir zu tun hatte.“ Der Blonde stockte. Er wollte protestieren… aber er wusste, dass Kira vollkommen Recht hatte. Er hatte nie gefragt, was der Schwarzhaarige sonst so trieb, solange er fein mit ihm um die Häuser zog und ihn aus der Scheiße boxte. Kannte er Kira überhaupt richtig oder nur einen Teil von ihm? Wie viele Dinge gab es noch von denen er einfach nichts wusste? „Ich…“ „Kein Grund rot zu werden. Du hast eben – im wahrsten Sinne- in einer anderen Welt gelebt. Ich war immer nur ein kleiner Teil… deswegen verstehe ich auch nicht ganz, warum dich mein Verschwinden, wie du es nennst, so runterzieht.“ Wenn du wüsstest, dachte Kato. Aber… ja…was hätte er getan, wenn Kira während seiner Drogeneskapaden gegangen wäre? Ihm beschimpft und die nächste Spritze gesetzt. Drauf geschissen und sich belogen. Wie immer. „Manchmal erkennt man eben erst spät…was man an Freunden hat.“, antwortete er ausweichend. „Ich bin froh, dass du wenigstens versuchst weiter clean zu bleiben. Ich hätte dich nicht gern als Haufen Elend zurückgelassen.“ „Aber du hättest es getan.“ „Ja. Warum auch nicht? So ist es eigentlich schwerer.“ „Es hätte mich wohl auch nicht interessiert solange ich meine anderen synthetischen Freunde gehabt hätte.“ „Ja. Du bist jetzt ganz anders. Nicht wie ein neuer Mensch, auf keinen Fall. Aber man hat mehr von dir.“ „Ist das was Gutes?“ „Ich finde ja.“ Dann fand er es auch. Vorrübergehend zumindest. Kato dachte wieder über ihren Nachmittag am See nach. Kira hatte ihn eine ganze Weile schlafen lassen bis es langsam dunkel wurde und sie losfahren mussten. Er hatte viel gelöster gewirkt als zuvor und Kato bereute es eingeschlafen zu sein. Möglicherweise war es jetzt gar nicht mehr möglich noch einmal mit Kira zu sprechen. Für Kira jedenfalls schien das Thema endgültig beendet zu sein. Die ganze Rückfahrt über hatte Kato sich ungeniert an Kiras Rücken gelehnt und darüber nachgedacht wie es sein würde diesen Halt nicht mehr zu haben. Und darüber, ob es ihm als Fixer auch aufgefallen wäre. Andererseits… hatte er nicht wegen Kira mit der ganzen Scheiße aufgehört? Kiras Drohung ihn aus seinem Leben zu verbannen hatte ihn doch zu diesem Schritt getrieben. Was also hätte er gemacht, wenn Kira ihn einfach zurückgelassen hätte? Brachten ihn diese ganzen Wenns und Abers überhaupt irgendetwas? Was konnte er denn schon verändern? „Du wirkst schon wieder so abwesend.“, murmelte Kira neben ihm. „Bist es nicht gewohnt mich denken zu sehen, hm?“ „Vor allem nicht mit so einem trübseligen Ausdruck im Gesicht.“ „Du hast heute Mittag gesagt, dass du mir egal warst. Aber… ich habe doch eigentlich mit den Drogen aufgehört weil du mir dieses Ultimatum gestellt hast. Ich war egoistisch, das ja… trotzdem warst du mir immer wichtig.“ Er nuckelte an seiner Bierflasche und nahm dann einen herzhaften Schluck. „Aber scheinbar ist es meine Aufgabe alles und jeden vor den Kopf zu stoßen.“ „Vielleicht solltest du mal mit Sae reden.“ Kato hustete erschreckt und starrte Kira mit großen Augen an. „Wie kommst du denn jetzt auf den Trichter?!“ „Weil ich glaube, dass das für dich noch ein sehr wichtiger Schritt ist. Vor den Kopf stoßen. Das hast du doch bei ihr auch immer gemacht, obwohl sie dir eigentlich wichtig ist.“ „Ich will darüber nicht reden.“ „Das ist dein Problem.“ „Das sagt der Richtige. Wollen wir ein bisschen über deine Schwester reden?“ Eine Weile schwiegen sie beide bis Kira plötzlich herzhaft zu lachen anfing. Irritiert betrachtete Kato ihn und fragte sich, ob der Schwarzhaarige kurzfristig seinen Verstand verloren hatte. „Vielleicht hätten wir uns besser eher kennengelernt.“ „Was redest du da? Wir kennen uns schon ewig.“ „Nein, wir kennen uns erst seit ein paar Wochen.“ Und wieder lachte Kira und wieder verstand Kato nicht, worauf sein Freund hinauswollte. Er konnte ihn nur bedröppelt anstarren. „Bist du besoffen?“ Kira lachte nur noch lauter. „Alter, was geht bei dir. Krieg dich ein!“ „Entschuldige. Diese ganze Situation ist nur so absurd.“ Er schüttelte amüsiert den Kopf und nahm noch einen Schluck Bier. Dann stellte er die Flasche auf dem Tisch ab und streckte sich genüsslich. „Weißt du, neuer Kato. Ich schlage dir einen Deal vor: Ich rede mit meinem „Vater“ und du dafür mit deiner Schwester. Nicht heute nicht morgen. Es muss nur irgendwann in diesem Jahr sein.“ „Darüber muss ich nachdenken, komischer Kira.“ „Mach das.“ Kira lehnte sich zurück, so dass Kato und er sich sachte an den Schultern berührten und ließ seinen Kopf nach hinten sinken, ganz nah an Katos. Er fingerte seine Kippenpackung hervor und reichte Kato eine seiner Zigaretten. Dieser nahm sie etwas zittrig an. „Wir hätten uns wirklich eher kennenlernen sollen, Yue.“ „Ja…Sakuya.“ Und jetzt wusste er was Kira gemeint hatte. Mit trauriger Gewissheit wurde ihm klar, dass auch er sich wünschte, sie hätten schon vor Jahren so zusammen auf dem Sofa sitzen können, Schulter an Schulter, Kopf an Kopf, als schweigende Einheit. In diesen paar Wochen hatte er Kira kennengelernt, als hätten sie vorher höchstens eine flüchtige Bekanntschaft gepflegt. Er lehnte sich etwas mehr an Kira heran, der sich nicht dagegen wehrte. Und so verharrten sie. Daran hätte er sich wirklich gewöhnen können. Soooo, hier ist erst einmal Ende. Langsam nähern sich die beiden an... wurde auch Zeit, nicht? Kapitel 11: 13 -------------- Sooo mit dem nächsten wird es denke ich wieder so zwei bis drei wochen dauern weil viel los ist, aber möglicherweise schaffe ich es auch eher. Ich habe mich sehr über eure Theorien, Anmerkungen und Kritik gefreut. Danke dafür. In diesen Kapitel geht es endlich mal einen großen Schritt vorwärts. Enjoy. .....................................13.......................................... Es war acht Uhr morgens, als das bestialische Schrillen des Weckers Kato aus seinem herrlichen Schlummer herausriss. Erbost tastete er nach dem Störfaktor. Doch seltsamerweise konnte er ihn nirgendwo finden. So war er doch gezwungen die Augen einen kleinen Spalt zu öffnen. Der Wecker war weg, aber trotzdem hörte das nervtötende Piepen nicht auf. „Du wirst aufstehen müssen, um ihn auszuschalten.“ Kato, der bisher auf dem Bauch gelegen hatte rollte sich herum und stellte fest, dass Kira vor seinem Sofa stand. In Boxershorts. Relativ kurzen Boxershorts. In der linken Hand hielt er den teuflischen, kleinen Wecker. Piep, Piep. Piiiieeeeeeeep. „Kiraaaaaaa. Mach das aaaauuuuuuus.“ „Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, ist es doch ganz entspannend, findest du nicht?“ Piep.Piep.Pieeeeeep. „Nein, eigentlich nicht.“ Er versuchte den Wecker zu fixieren und nicht auf den wohldefinierten Torso etwas weiter rechts zu starren. Vielleicht konnte er den Wecker durch bloße Gedankenkraft ausschalten. Dann musste er nicht aufstehen. Piep.Piep.Pieeeep. Nein. Keine Chance. „Kato, um zehn geht’s zur Arbeit.“ Oh ja, das hatte er eigentlich erfolgreich verdrängt gehabt. Arbeit. Piep.Piep.Pieeeep. „Mach das Scheißding aus. Ich bin wach.“ „Du siehst noch sehr verschlafen aus, Kleiner. Wie wäre es mit Frühsport?“ „Kleiner?! Ich gebe dir Frühsport!“ Das langgezogene Piepen des elektronischen Wecker untermalte wenig stilvoll Katos missglückenden Versuch sich mit einem Satz vom Sofa zu stürzen. Die Bettdecke zwang ihn dazu auf halben Weg inne zu halten um seinen linken Fuß zu befreien. „Bald hast du’s geschafft. Ich bin stolz auf dich.“ Piep.Piep.Pieeeeep. „Ich hasse dich.“ Kato hüpfte vom Sofa und – hielt inne. Irgendetwas hielt ihn einfach davon ab Kira „anzugreifen“. Er hatte Angst ihn zu berühren. „Kato?“ Kira wedelte mit dem Wecker vor Katos Gesicht herum. „Bist du wach?“ Der Blonde schluckte und griff dann langsam nach dem Wecker. Kiras Hand war warm. Schön warm. Den Wecker hielt er nicht besonders fest, so dass Kato problemlos an den Ausschalter kam. Jetzt sollte er loslassen. Aber er hielt Kiras Hand weiter fest. Das, was ihn zuvor davon abgehalten hatte Kira zu berühren verbot ihm nun diese schöne warme Hand wieder loszulassen. Ob er wach war? Hellwach. Er roch Kiras Duft in jeder Nuance. Er nahm den Moment gestochen scharf wahr. Seine Hand kribbelte. Und trotzdem hatte er noch das Gefühl zu schlafen. Wie lange hielt er diese Hand schon fest? Der fehlende Lärm des Weckers machte die Situation umso unwirklicher. „Yue?“ Das Kira seinen Vornamen benutze riss Kato unmittelbar aus seiner Trance. Schnell zog er seine Hand zurück. „Entschuldige… ich bin noch etwas matschig in der Birne.“ Er sah Kira nicht direkt an, beobachtete aber aus den Augenwinkeln wie der andere ihn anlächelte. „Du bist ein Trottel. Geh duschen, ich mache Kaffee.“ Er stellte den Wecker wieder auf den Tisch und ging in die Küche. Kato schloss die Augen und atmete tief durch. Noch immer spürte er das Kribbeln in seiner Hand. Langsam ging er zu seiner provisorischen Kleidungsdeponie und sammelte seine Montur zusammen. Er war sich noch immer nicht sicher wie lange er Kiras Hand gehalten hatte. Warum hatte Kira sie ihm nicht entzogen? Genauso wie gestern Abend auf dem Sofa. Kato wusste einfach nicht, woran er war. Inwiefern ließ Kira körperliche Nähe zu Männern zu? Er wusste, dass er Mudo öfter mal in den Arm nahm, aber der kleine Scheißer war mit seiner verweichlichten Art kein Maßstab. Auch wenn er eigentlich ganz nett war… Das warme Wasser der Dusche half ihm nicht weiter. Noch immer kreisten seine Gedanken um den gestrigen Tag und diesen Morgen. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Und er wurde langsam verrückt. Total wahnsinnig. Jetzt konnte er Kira nicht einmal mehr anfassen ohne dass Körper und Kopf Amok liefen? Vielleicht sollte er einfach mal ein bisschen Druck ablassen. War doch normal oder? Bisher hatte er Kiras Wohnung dafür zu sehr geachtet, aber er ging ja heute auch Miete verdienen oder nicht? Er stellte das Wasser ein wenig wärmer, schloss die Augen und ließ seine Hand nach unten sinken. Tatsächlich fühlte er sich nach seiner Dusche ein wenig besser. Er trocknete sich ab und zog sich an. Jetzt ein ordentliches Frühstück mit Kaffee und dann würde er einen guten ersten Tag hinlegen. So hoffte er. Nach wie vor waren ihm die Leute in diesem Kaffee etwas suspekt, aber was blieb ihm schon anderes übrig? Kira hatte immer noch kein Oberteil an, als Kato die Küche betrat. Aber immerhin eine Jeans. „Willst du dir nicht was anziehen?“, fragte Kato. „Wieso? Ist doch warm oder stört dich das?“ Ja und nein. „Nein, ich dachte nur…“ „Ja?“ „Vergiss es.“ Kato setzte sich an den Tisch und spürte, wie er rot wurde. So etwas war ihm früher nie passiert. Aber er hatte ja auch nichts so richtig mitbekommen. Kira holte zwei Teller aus einem der Schränke. Selbst er musste sich dafür etwas strecken. Seine Schulterblätter zogen sich zusammen und Kato beobachtete fasziniert das Muskelspiel auf seinem Rücken. „Nervös?“, fragte Kira und Kato fühlte sich ertappt. Hatte er seine Blicke gespürt? „Hm?“ „Wegen deines Jobs, meine ich?“ Glück gehabt! Kira stellte die Teller auf den Tisch und setzte sich Kato gegenüber. „Ein bisschen.“ „Das wird schon. Arakune ist super nett. Vielleicht ist Kurai auch da. Die wirst du mögen. Ist ein ganz schön freches Ding. Raphi ist etwas zickig. Ignorier das einfach.“ Kato zog eine Augenbraue hoch. ‚Raphi‘? „Was? Du wirst dich schon zusammenreißen können.“ „Mal sehen. Der Kerl ist nur tierisch arrogant.“ „Das bin ich auch.“ „Schon. Aber anders.“ Kira grinste ihn schief an. „Würde mich mal interessieren, wo du da den Unterschied siehst.“ „Schwer zu erklären. Vielleicht habe ich mich einfach an dich gewöhnt.“ Kato griff nach seinem Kaffee und schüttete einen gefühlten halben Liter Milch dazu. Kira tendierte dazu seine atomare schwarze Säure bestehend aus reinem destilliertem Koffein Kaffee zu nennen und trank die Brühe sogar schwarz. Kato bevorzugte es Milch und ein halbes Pfund Zucker dazu zu kippen. „Vielleicht lernst du ja irgendwann mal Kaffee kochen.“, wechselte er das Thema. „Pff. Vielleicht bist du irgendwann nicht mehr so eine Pussy.“ „Pussy?“ „Ja.“ „Dann muss ich mich ja vor dir in Sicherheit bringen.“ „Wieso das?“ „Weil in deiner Wohnung eine ‚Pussy‘ keine 3 Sekunden überlebt.“ „Dann zieh dich schon mal aus und leg dich hin.“, erwiderte Kira staubtrocken und griff nach seiner morgendlichen Zeitung. Kato wusste selbst nicht, was ihn zu diesem Satz getrieben hatte. Und auch wenn er eine Antwort dieser Art erwartet hatte war er trotzdem etwas perplex. Vielleicht deswegen, weil sein Kopfkino schon wieder mit ihm losging. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn Kira ihn berühren, ihn küssen würde. Wenn er seine Lippen spüren würde, auf seinem Mund, seinem Hals. Wie wäre es, über Kiras Rücken zu streichen. Er räusperte sich und schüttelte die Gedanken ab, wobei er versuchte den schalen Nachgeschmack zu ignorieren, den seine Vorstellung bei ihm hinterließ. Er nagte an seinem Brot und beobachtete wie Kira vertieft seine Zeitung las. Er mochte es Kira zuzusehen, wenn er sich auf etwas konzentrierte. Wenn er so abwesend dasaß nahm er kaum etwas anderes wahr. Er wirkte wie ein anderer Mensch, entspannter, weil er an nichts anderes dachte, als das, was er vor sich hatte. Kato warf einen Seitenblick auf die Uhr. „Scheiße. Ich muss schon in zwanzig Minuten los.“ Kira sah von seiner Lektüre auf. „Ruhig Blut. Ich fahr dich. Du darfst auch ausnahmsweise eine Jeans anbehalten. Ist ja keine lange Strecke.“ „Danke.“ Eine Weile saßen sie noch schweigend am Tisch bis Kira die Tageszeitung zusammenfaltete und aufstand. „Ich ziehe mich eben um, dann können wir los.“ „Hm.“ Kira verschwand und Kato seufzte leise auf. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen. Irgendwie musste er diesen Tag durchstehen ohne wieder alles zu versauen. Er nahm sich ein Haarband aus seiner Hosentasche und zwang seine Haare in einen Zopf. An ein schwarzes Oberteil hatte er auch gedacht. „Das wird schon.“, flüsterte er sich selbst zu. Und trotzdem hätte er jetzt gerne ein paar Beruhigungspillen gehabt. „Los geht’s.“ Kira hatte sich in seine Motorradmontur geworfen und hielt Kato die zweite Lederjacke und einen Helm vor die Nase. Schnell zog er sich an und griff sich seine Tasche. „Kann losgehen.“ Kato lernte das Motorradfahren immer mehr lieben. Nicht zuletzt deswegen weil er sich so fest an Kira klammern konnte, wie es ihm passte. Umso deprimierter war er jedes Mal wenn ihre Touren endeten. Auch jetzt löste er sich eher wiederwillig von Kiras breitem Kreuz. „Also, mach’s gut, Kato.“, sagte er und zwinkerte ihm zu. Kato hätte gedacht er käme noch mit rein, aber scheinbar wollte der Schwarzhaarige direkt wieder aufbrechen. Mit quietschenden Reifen wendete er das Motorrad und brauste davon. Na dann eben auf eigene Faust. Er nahm den Helm ab und befreite sich aus der viel zu warmen Jacke bevor er sich auf das idyllische kleine Café zubewegte. Als er eintrat wurde er direkt freundlich von Arakune begrüßt. Die Plätze waren bereits gut besetzt und leises Geschnatter erfüllte das Café. „Das nenne ich mal pünktlich. Erster Pluspunkt. Deine Sachen kannst du hinten ablegen. Komm dann wieder nach vorne.“ Er nickte ihr nur zu und tat wie ihm geheißen. Von Raphael war noch nichts zu sehen. Der Raum den er betrat war klein. Der Großteil des Platzes wurde von kleinen verschließbaren Schränken eingenommen. Dazu gab es noch einen kleinen Tisch mit nicht dazu passenden Stühlen. Die gemütliche Atmosphäre die die Besucherzone hatte, war nicht bis in das kleine Kabuff vorgedrungen, so viel war sicher. Kato verschloss seine Sachen in einem der Spinde und ging wieder nach vorne und –juchey- das war auch wieder der Blonde Penner. „Tag.“, murmelte Kato und erntete von Raphael nur ein müdes Lächeln. Es brodelte jetzt schon in Katos Magengegend. Wie sollte er das ohne Ausraster überstehen? „Ich weise dich erst einmal hinter der Theke ein. Vielleicht kommt später noch der Service dazu.“ „Ich schaffe das auch ganz gut alleine.“, bemerkte Raphael. „Ist mir egal.“, erwiderte Arakune gleichgültig. „Und nebenbei: Wenn du es so gut alleine schaffst, dann kümmere dich um das Pärchen an Tisch 6. Die warten schon.“ Raphael blickte ziemlich säuerlich drein bevor er ein falsches und dennoch sehr charmantes Grinsen auflegte und sich nach hinten zu besagtem Tisch begab. „Der ist wie Kira. Man muss ihn gelegentlich mal daran erinnern, wer der Chef ist.“ „Ist dir das jemals gelungen?“ „Bei Kira? Zugegeben: nein.“ Sie lächelte ihn an und bedeutete ihm ihr zur Zapfmaschine zu folgen. „Auch wenn wir eigentlich Kaffee und Limonaden verkaufen haben wir hier auch Bier.“ „Damit kann ich umgehen.“, erwiderte Kato prompt. Zapfmaschinen waren sein spezielles Talent seit er begriffen hatte, dass man sich an vollen Abenden in fast jeder Kneipe hinter die Theke schleichen konnte um sich selbst ein Bierchen auf Lau zu zapfen. „Dann zeig mal.“ Ohne Probleme stellte Kato Arakune zwei perfekt gezapfte Weizen vor die Nase. „Prima. Haken wir das ab. Cocktails kannst du mixen?“ „In Punkto Alkohol macht mir keiner was vor.“ „Im Zweifelsfall gibt es noch eine Rezepturkarte da vorne an der Wand.“ Arakune deutete nach rechts. „Aber es geht schneller wenn man sich bereits auskennt.“ „Dann eben die Kaffeemaschine.“ Es fiel Kato ziemlich schwer Arakune bei ihrem ganzen Gerede zuzuhören. Die Frau redete wie ein Wasserfall. Trotzdem hoffte er das nötigste begriffen zu haben und war erleichtert als sie ihm mitteilte, dass sie ihm noch über die Schulter schauen würde. Gegen Mittag wurde es ziemlich voll und die Praxiserfahrung ließ nicht lange auf sich warten. Ein paar Mal machte er einige Fehler aber es lief wesentlich besser als erwartet. Arakune wurde ihm zunehmend doch sympathisch und von Raphael bekam er nicht viel mit. Zumindest bis zum Schluss. Zur Mittagspause des Cafés durfte Kato Feierabend machen. „Das lief schon einmal ziemlich gut.“, lobte ihn Arakune. „Am besten kommst du morgen direkt wieder, damit du Übung bekommst.“ „Der bleibt also?“ Raphael schien nicht unbedingt begeistert zu sein. „Ja. Sieht so aus.“ Kato konnte ein triumphierendes Grinsen nicht unterdrücken. „Kommt Kira dich abholen?“, fragte Raphael. „Weiß ich nicht. Ich denke nicht. Zumindest war das nicht abgesprochen.“ „Dann werde ich ihn eben anrufen müssen. Ich wollte ihn heute Abend auf eine Party von Freunden einladen.“ „Erzähl ihm das und nicht mir, du Vogel.“, erwiderte Kato schnippisch. Ihm war durchaus klar, dass Raphael ihm nur klarmachen wollte, dass er und Kira ganz dicke miteinander waren. Was für einen Komplex hatte der Typ? „So ist’s Recht, Kato. Wie hat’s dir denn heute gefallen?“, mischte sich Arakune in ihren aufkeimenden Disput ein. Kato wurde das Gefühl nicht los das zwischen Raphael und der Caféinhaberin die Stimmung etwas angespannt war. „Ganz gut. Anstrengend aber ich hatte schlimmeres erwartet.“ „Gut, dann bis morgen. Gleiche Zeit. Sonntags ist immer viel los.“ „Ok. Dann bis morgen.“ Er ging nach hinten um seine Sachen zu holen und stellte, als er sich umdrehte, fest dass Raphael hinter ihm stand. „Du wohnst jetzt bei ihm, oder?“ „Zurzeit schon. Mal sehen wie lange noch. Ich zahle jetzt erst einmal ein bisschen Miete mit. Also wohl noch ein Weilchen.“ „Meinst du nicht, dass er davon ein bisschen genervt ist?“ „Worauf willst du hinaus?“ „Na ja. Wir alle wissen, dass er kein Kind von Traurigkeit ist… ein Mitbewohner ist da etwas stressig.“ „Er ist viel weg. Ich denke, dass er durchaus zum Zug kommt. Er scheint mit mir kein Problem zu haben und wir wissen auch dass er ziemlich ehrlich und direkt ist“ „Denkst du?“ „Ich weiß von der Sache mit seiner Schwester.“ Mit großer Freude stellte Kato fest, dass Raphael eindeutig überrascht war. Er schien nicht zu wissen, was er antworten sollte. „Was willst du eigentlich Raphael? Hast du irgendwelche Besitzansprüche auf ihn?“ „Ich habe eher das Gefühl, dass du welche erhebst. So wie du ihn ansiehst…“ Katos Magen sackte gefühlte zwanzig Meter tief. Sah man es ihm etwa so sehr an? „Mach dich nicht lächerlich.“, versuchte er abzulenken. Ein breites Grinsen zog sich über Raphaels Gesicht. „Er macht keine Annäherungsversuche, hm? Soll ich dir mal was verraten? Ich habe schon die ein oder andere Nacht bei Kira verbracht. Man kann als Kerl durchaus bei ihm landen. Aber du solltest dir da keine Hoffnungen machen.“ Sein Magen lag bereits am Grund der Schlucht und in Windeseile beeilte sich sein Herz hinterher zu rutschen. Sollte er Raphael das glauben? Aber hatte er sich nicht selbst über die Vertrautheit zwischen den Beiden gewundert? Das würde auch erklären, warum Raphael sich derart eifersüchtig verhielt. „Kira hat viele Affären aber wenig echte Freundschaften.“, krächzte er hervor. „Das von dem Drogenjunkie, der ihm höchstens die Bude vollkotzt?“ „Das hat sich geändert! Ich wüsste auch nicht, was es dich angeht.“ „Ich habe also Recht.“ „Einen Scheiß hast du.“ „Er wollte es mir ja nicht glauben.“ „Wie bitte?!“ „Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass du mehr in ihm siehst. Er sagte, dass du meistens nicht mehr als dich selbst sehen würdest und dass ich mich irre. Gib es auf, Junge.“ Kato fühlte sich taub. Ihm war plötzlich kalt. Alles in ihm wand sich. „Was soll das? Bist du derart gefrustet, weil du weißt, dass auch du nie seine Nummer eins sein wirst? Wenn er dich ein, zwei Mal gepoppt hat, heißt das nicht dass dazwischen nicht zehn Frauen waren. Du bist genau so eine arme Sau wie ich. Nur dass du es noch nötig hast dein verletztes Ego durch kindische Votzeleien zu überspielen. Du tust mir Leid. Ich kann wenigstens normal mit ihm reden. Ich kann einfach bei ihm sein ohne dass Worte nötig sind. Er hat mich nie aufgegeben, ist immer bei mir geblieben, duldet mich immer in seiner Nähe. Glaubst du er würde noch mit dir reden, wenn du nicht den Boten spielen würdest?“ Kato nutzte Raphaels Sprachlosigkeit um sich schnell an ihm vorbei zu drängen. Noch einen weiteren Konter des Blonden würde er nicht ertragen können. Mit Not und Mühe hatte er seine letzte Rede hervor pressen können. Diese Worte waren die Frucht purer Verzweiflung, der letzte Versuch sich selbst davon zu überzeugen, dass alles nicht so schlimm war. Mühsam verabschiedete er sich schnell von Arakune und hechtete aus dem Café. Was er gerade gehört hatte hätte er lieber nie erfahren. Kira hatte eine Affäre mit Raphael? Er sollte sich vielleicht freuen, dass es als Mann durchaus möglich war den Weg in Kiras Bett zu finden. Umso schlimmer jedoch war die Erkenntnis dass er nach wie vor nur der Kumpel war. Er hatte sich einreden können, dass nur die körperliche Barriere schuld daran war. Aber nun war er in der Situation des Schulmädchens, das in ihren besten Freund verliebt war aber mit ansehen musste, wie er mit der Cheerleaderin ausging. Er fühlte sich miserabel. Er konnte jetzt noch nicht zurück in ihre Wohnung. Wie gerne würde er sich jetzt betäuben. Einfach vergessen. Wieder zurückkehren in das Meer aus Gleichgültigkeit. Es war so heiß und trotzdem fror er. Er starrte auf Jacke und Helm in seiner Hand und hätte sie am liebsten in Flammen aufgehen lassen. Er fing an zu rennen, ohne Ziel. Er versuchte einfach zu laufen um den Schrecken zu überholen und hinter sich zu lassen. Einfach vorwärts. Vorwärts. Weiter Richtung Nimmerland bis die Lunge brannte wie Feuer. Erschöpft hielt er inne und stellte fest, dass er im Park gelandet war. Hier hatte er so oft gefixt und war dann im Gras seinem Rausch erlegen. Auch jetzt ließ er sich einfach fallen. Doch die Halme spendeten ihm keinen Trost. Sie pieksten und kratzten. Die Sonne erschien ihn wie ein bestialischer Gruß der Eifersucht. All diese glücklichen Leute hier verursachten ihm Brechreiz, ihr fröhliches Lachen klang in seinen Ohren grausam und höhnisch. Er konnte nicht weinen, obwohl er sich innerlich komplett zerschlagen fühlte. Er hätte nie gedacht, dass er sich jemals so schlecht fühlen konnte. Bisher hatte er die Erfahrung mit brodelndem Zorn gemacht, mit maßloser Enttäuschung, auch mit tiefer Trauer. Aber nie mit verzehrender, enttäuschter Sehnsucht, mit Liebeskummer. Er hatte das Gefühl dass ihn davon auch keine Droge der Welt würde erlösen können. So lag er einfach nur da, er wusste nicht wie lange. „Yo, Kato.“ Kato blickte sich um und stellte fest, dass Bobby vor ihm stand. „Hab dich lang nich mehr gesehen. Willste wieder neuen Stoff?“ „Hab aufgehört…“ Er wusste selbst wie kraftlos und unüberzeugend er klang. „Cool Mann. Aber du weißt ja: Eine kleine Pille dann und wann schadet nicht.“ Hatte er vielleicht recht? Wenn es richtig stresste konnte es doch nicht schaden sich dann und wann abzulenken… So lange er nicht wieder Heroin drückte war doch alles im Lot oder? Kira wäre da sicher anderer Meinung. Aber Scheiße, wer interessierte sich denn für dieses Arschloch, für Mr. Perfect. „Was hast du denn da?“ Er konnte ja einfach mal Fragen. Das kostete ja nichts. „Upper, Downer. Morphium… Valium… LSD…Ecstasy…“ Kato dachte nach und Bobby ließ ihm die Zeit. Geld hetzte man schließlich nicht. „Hast du vielleicht-“ weiter kam er nicht denn eine Stimme hinter ihm unterbrach ihn. “Das einzige, was du gleich hast, Bobby, ist ein gebrochenes Nasenbein!” Das tiefe Grollen hinter Kato konnte nur einen Ursprung haben. Er wagte es nicht sich umzudrehen. Der Blick in Bobbys Gesicht reichte. Er schluckte und sah sich hektisch um. „Hey, ich mach nur meinen Job… Es ist seine Entscheidung.“ Kira trat plötzlich in sein Blickfeld und packte Bobby am Kragen. Ohne große Mühe presste er ihn an einen Baum und zog ihm am Kragen in die Höhe. Kato wusste aus eigener Erfahrung, dass Kiras Bärenkräfte nicht zu unterschätzen waren, wenn sein Temperament erst einmal mit ihm durchging. Bisher hatte er das nur ein einziges Mal erlebt. Und er wollte es eigentlich nie wieder. „Wenn es Penner wie dich nicht gäbe, Bobbylein, dann gäbe es einige Probleme auf der Welt weniger. Du bist ein Ermöglicher. Du versucht Menschen mit aller Macht zu diesem Mist zu überreden. Du bist nichts als lästiger Abschaum der Gesellschaft.“ Sein Bein schnellte so schnell in die Höhe dass Kato es erst richtig realisierte als Bobby stöhnend und hustend auf dem Boden lag. „Hör mir gut zu, Bobby: Wenn ich dich noch einmal in seiner Nähe sehe bist du dran. Wenn ich ihn einmal high erwische, mache ich dich stellvertretend dafür verantwortlich. Dann bist du auch dran. Haben wir uns da verstanden?“ Selbst Kato lief es eiskalt den Rücken runter. Kira sprach leise aber seine dunkle Stimme hatte einen derart bedrohlichen Ton angenommen, dass auch er es nicht wagte sich zu bewegen. „Habe verstanden.“ „Das hoffe ich. Und jetzt verzieh dich.“ Mit Mühe rappelte Bobby sich auf und humpelte davon. „Und jetzt zu dir.“ Kato setzte sich auf. Einerseits hatte er etwas Angst vor dem, was ihn erwartete. Andererseits war er auch stinksauer. „Bist du jetzt stolz?“, fragte Kira. „Nein, du? Hast mich mal wieder ganz toll gerettet, den schwarzen Ritter gespielt, den besseren Menschen. Toll. Hast wieder klar gemacht, wer der Chef ist, dass ich nichts alleine schaffe. Klasse. Was interessiert es dich eigentlich?! Wenn ich mich selbst umbringe, was juckt es dich?!“ Kira ließ sich neben ihm auf den Boden sinken. „Vielleicht weil ich mir Sorgen, um dich mache?“ Er sah Kato direkt in die Augen. Unterschwellig sah man noch die Wut, aber sie galt nicht ihm. Dominierend war ein fast freundlicher Ausdruck. Und Anteilnahme, wenn Kato sich nicht ganz täuschte. „Klar. Warum solltest du? Ich lieg dir ja nur auf der Tasche und interessiere mich nur für mich.“ Raphaels Worte lagen ihm wieder schwer im Magen. „Vielleicht habe ich mich einfach an dich gewöhnt? Du gehörst mittlerweile einfach zu meinem Leben dazu. Diese ganzen Bettgeschichten und Bekanntschaften, die sind austauschbar. Aber du und Setsuna, ihr seit ein fester und wichtiger Bestandteil meines Lebens.“ „Was machst du überhaupt hier?!“ „Arakune hat mich angerufen und meinte du wirktest irgendwie verstört als du gegangen bist. Dann habe ich mich mal kurz mit Raphael unterhalten… danach bin ich dich suchen gegangen.“ „Was hat er dir erzählt?“ Kira ließ sich auf den Rasen sinken und schloss die Augen. „Er meinte er hätte dir klarmachen wollen, dass du dir keine Hoffnungen machen sollst… Dabei kann Raphael wohl kaum wirkliche Aussagen über mich machen. Wäre da nicht Alexiel wäre er genauso austauschbar.“ Kato antwortete nicht. Kira schien auf ihn nicht wütend zu sein. „Eigentlich ist das ganze meine Schuld.“, fuhr er fort. „Ich habe gedacht, dass dir das alles nicht ganz ernst ist. Das das einfach deine Art ist damit klarzukommen, dass du jetzt clean bist… weil alles so neu ist. Ich wollte dir nicht zu nahe treten und hab es einfach laufen lassen. Ich dachte du änderst deine Meinung sowieso wieder. Aber du hast dich sehr verändert.“ „Und was heißt das jetzt?“ „Ich habe dir von meinem Lebensstil nie erzählt, weil ich dachte, dass du komplett ausrasten würdest.“ „Wäre ich wohl vor ein paar Wochen auch noch.“ „Genau das meine ich. Du bist viel zurechnungsfähiger geworden. Ich habe Raphael jedenfalls klargemacht, dass er sich nicht mehr einbilden soll, dass er in irgendeiner Weise über dir steht. Du nimmst einen wichtigeren Platz ein als er. Er solle die Schnauze halten und mal etwas Verantwortungsbewusstsein lernen. Was er getan hat war absolut daneben.“ „Du weichst aus.“ Kira drehte sich um so dass sie sich in die Augen sehen konnten. „Ich weiß nicht, was das heißt. Es heißt, dass ich will, dass du weiter bei mir bleibst. Ich will nicht, dass das zwischen uns steht.“ „Ich habe mich damit abgefunden gehabt, dass das nichts wird… zwei Männer und so… aber jetzt wo ich weiß dass es gehen würde… macht mich das irgendwie fertig.“ Kira lächelte ihn an. „Weißt du, Kato… ich glaube wir werden einfach sehen, was daraus wird. Tatsache ist, dass du meine Lieblingsblondine bist.“ „Du bist ein arrogantes Arschloch.“ „Ich weiß. Kommst du trotzdem mit?“ „Wohin auch immer du willst.“ „Gut.“ Noch eine Weile schwiegen sie sich an und starrten in den Himmel. Was sollte er sich denn dabei denken? Hieß das jetzt sie waren immer noch Freunde und nicht mehr? Hieß das er hatte eine minimale aber vorhandene Chance? Auf jeden Fall hieß es, dass Raphael mächtig verkackt hatte. Und er hatte dadurch quasi gewonnen. „Ich habe mit Arakune abgemacht, dass du morgen frei machen kannst, weil es so gut lief. Wenn du magst können wir was trinken gehen. Ohne Aufriss. Nur wir.“ „Gerne. Vielleicht könnten wir ja noch Mudo mitnehmen.“ „Ich frag ihn.“ Setsuna hatte sich höflich bedankt aber abgelehnt, da er scheinbar eine Art Date mit Sarah hatte. So waren sie letztendlich doch nur zu zweit losgezogen. Jetzt saßen sie in irgendeiner Kneipe und Kato grinste zufrieden vor sich hin. Eigentlich war es ganz nett, wie sie hier saßen bei alter Rockmusik mit Bier, ohne Frauen, ohne Stress. Ein wenig angeschickert. „Das war auf jeden Fall eine gute Idee.“, stellte Kato fest. Sie hatten sich über so viel unterhalten. Er hatte Dinge erfahren, die er vorher nicht gewusst hatte und die ihn auch eigentlich nie interessiert hatten. Zum Beispiel dass Kiras Lieblingsfarbe nicht schwarz war, sondern rot. Dass er keinen Fisch mochte aber Reispfannen umso lieber. Dass er Chatsprache verabscheute und eigentlich immer hatte Klavier spielen wollen. Und Kato hatte Geschichten von ihrer gemeinsamen Zeit wieder aufgewärmt, über seine Dummheiten gelacht, festgestellt dass Rot tatsächlich schöner war als schwarz jedoch mit grün nicht mithalten könne. Dass Fisch tatsächlich eklig sein konnte außer er war gut durchgebraten, Chatsprache aber eigentlich nichts so schlimm sei, Klavierspielen allerdings sehr schwul, was aber in Anbetracht der Umstände nicht so schlimm sei. Er hätte ja lieber E-Gitarregelernt. Auch über ernste Sachen hatten sie geredet. Darüber, dass Kato nicht bei der Beerdigung seines Vaters gewesen war, wie enttäuscht er gewesen war nie Anerkennung von ihm erfahren zu haben. Dass das viel schlimmer gewesen war als zu erfahren dass er einen anderen Vater hatte. Ihm wäre das ja egal gewesen, denn eigentlich sei der Stiefvater immer sein echter gewesen. Dass er Sae eigentlich vermisste. Er gestand wie schwer ihm das Leben ohne Drogen manchmal fiel, dass er aber trotzdem nicht mehr zurück wolle. Dass er ohne Kira oft nicht weiter gewusst hätte. Der Schwarzhaarige hörte zu, unterließ seine Moralpredigten. Kira erzählte, dass er bereits als sie sich kennenlernten keinen Bock auf Katos Kumpels gehabt hatte aber trotzdem gelblieben war, weil er ihn, Kato, zu interessant fand um wieder zu gehen. Er hätte das Gefühl gehabt die gleiche Wut in Kato zu sehen, die er auch spürte, die ihn dazu trieb Autos zu zerdeppern, all diese Frauen zu vögeln, Lehrer zu beleidigen. Dass er ihn einige Male nur zu gut hatte verstehen können. Das Gespräch war sehr persönlich aber Kato fühlte sich nicht mehr unwohl dabei. Seit ihrem Zusammentreffen im Park stand er ohnehin schon seelisch nackt vor Kira. „Lass uns gehen.“, sagte Kira irgendwann und stand etwas wackelig auf. Kato tat es ihm gleich und spürte ebenfalls, dass er vielleicht ein bis zwei Bierchen zu viel getrunken hatte. Er fühlte sich total benebelt. Kira zahlte und sie zogen ihre Jacken an. „Ich hätte nie gedacht, dass wir jemals so offen reden würden.“, gestand Kato draußen. „Ich auch nicht. Es kann sich eben viel ändern.“ „Ich glaube, dass wird noch ein sehr schönes Jahr.“, murmelte Kato. Kira legte ihm kumpelhaft einen Arm um die Schulter und zog ihn näher. Kato ließ es geschehen und sog Kiras Duft tief ein. Nie würde er den vergessen. „Ja, das wird es. Ich werde dich echt vermissen, Mann. Aber ich komme wieder.“ „Das will ich auch hoffen.“ „Du könntest ja auch mal vorbeikommen…“ „Bin ich reich oder was?“ „Wir finden schon eine Möglichkeit.“ „Träumer.“ „Das mal aus deinem Mund und nicht aus meinem.“, lachte Kira. „Scheiße, dass war echt ein bisschen viel Bier.“, murmelte er danach. „Wenigstens daran merkt man, dass du Japaner bist: Du verträgst keinen Alkohol.“ „Sonst merkt man es nicht?“ „Du bist viel zu groß und zu hellhäutig. Und zu unhöflich.“ „Na wenn es nach letztem Punkt geht, dann bist du aber auch keiner. Und was die Haare betrifft… Hautfarbe… vielleicht sind wir beide keine Japaner?“ „Aliens?“ „Manchmal kommt es mir so vor.“ „Dito.“ „Sag mal Kira. Wie ist es eigentlich einen Mann zu küssen?“, fragte Kato nach einer kurzen Pause. „Anders. Männer sind nicht so zaghaft wie Frauen…“ „Gab es bei dir schon viele?“ „Nee. Könnte ich an einer Hand abzählen.“ Irgendwie erleichterte das Kato. Scheinbar musste man als Mann schon das gewisse etwas haben. Bei Frauen war er da wesentlich wahlloser. „Ich komm da irgendwie immer noch nicht drauf klar… auf die ganze Situation, meine ich.“, gab Kato zu. „Ist am Anfang immer ungewohnt.“ „Ich glaube nicht, dass ich…“ Nein, diesen Satz würde er nicht beenden: Dass er je einen anderen Mann attraktiv finden würde, dass es nur an Kira lag. „Was?“ „Dass ich mich so schnell daran gewöhne…“ „Wirst schon sehen.“ Kato lehnte sich an Kiras Schulter. „Warum habe ich mich nicht früher hierfür entschieden?“ „Vielleicht warst du einfach noch nicht bereit?“ „So simpel?“ „Ist im Leben häufig so.“ Kira fingerte die Wohnungsschlüssel aus seiner Hosentasche und schloss die Tür auf. Um die Treppe gefahrlos zu erklimmen stützen sie sich gegenseitig und Kato genoss das Gefühl an Kiras festen Körper zu lehnen. Oben angekommen pfefferten sie ihre Sachen einfach in die Ecke. Im Suff war wohl die einzige Situation in der Kira mal unordentlich war. „Mitternachtssnack?“ „Bin dabei.“ „Ich hab Bock auf Cilly.“, stellte Kira fest. „Das dauert ewig.“ „Egal. Es gibt Cilly. Du kannst mir helfen.“ Und ehe Kato sich versah schnibbelte er Gemüse. Kira kümmerte sich derweil um den Rest und schon blubberte das Cilly im Kochtopf vor sich hin. „Jetzt müssen wir noch warten…“ Mit einer Flasche Wasser zur Katerverhütung setzten sie sich aufs Sofa und schauten sich irgendwelche nächtlichen Talkshows an. „Willst du es immer noch wissen?“ „Was?“ „Wie es ist einen Mann zu küssen.“ War das ein Angebot? Kira war betrunken, er war betrunken. Er konnte es gefahrlos annehmen und am nächsten morgen konnten sie beide so tun als sei nichts passiert. Aber würde das die Sache nicht verschlimmern? Andererseits würde sein Verlangen vielleicht abnehmen, wenn er es einmal probiert hatte… „Ich glaube schon.“, flüsterte er. Kira lächelte ihn an und ausnahmsweise wirkte es ehrlich und nicht gekünstelt oder kalt. Langsam lehnte er sich zu ihm herüber und legte ihm eine seiner starken Hände in den Nacken. Kato überzog eine angenehme Gänsehaut. Er spürte Kiras Atem an seinem Mund und schloss die Augen als die Lippen des Schwarzhaarigen seine berührten. Er lehnte sich Kira entgegen und erwiderte den Kuss. Es war als zöge sich ein Feuer von seinen Lippen aus bis in seinen Magen. Kira hatte Recht: Er küsste nicht so zaghaft wie die Mädchen, deren Küsse waren wie kleine Schmetterlinge. Er wusste genau, was er wollte und was er tat. Sein Kuss war forscher, intensiver. Kato dachte nicht daran ihn so schnell wieder gehen zu lassen und zog ihn seinerseits näher zu sich. Kiras Zunge teilte seine Lippen und ließ ihm noch schwindeliger werden. Kein Wunder, dass ihm keine Frau mehr widerstand, wenn er sie erst geküsst hatte. Kato fuhr durch Kiras weiches Haar, das einzige was an ihm weich war. Eigentlich hatte er einen unbequemen Körper, der das allerdings durch eine ganze Menge Ästhetik und Sexappeal wieder wett machen konnte. Kato spürte wie er nach hinten in die Kissen gedrückt wurde. Gegen Kiras rohe Kraft hätte er selbst wenn er gewollt hätte nichts ausrichten können. Dann unterbrach Kira den Kuss und leckte sich über die Lippen. „Ich schätze, das ist der Moment an dem ich aufhören sollte.“ Noch immer waren sich ihre Gesichter sehr nahe. „Willst du denn aufhören?“, fragte Kato. Er spürte Kiras Hand noch immer in seinem Nacken, mit der anderen stütze er sich ganz nah neben seinem Bauch ab. Seine Stimme war eine Nuance dunkler geworden. Seine Lippen verzogen sich zu einem anzüglichen Grinsen. „Du kennst mich… aber ich will dir nicht wehtun.“ Kato wusste, dass er Recht hatte. Es war noch nicht an der Zeit dafür. „Du hast Recht. Gib mir nur noch einen Kuss.“ Kira beugte sich wieder zu ihm hinunter. Diesmal war er viel zärtlicher und ließ sich etwas mehr Zeit. Kato berührte mit kribbelnden Fingerspitzen Kiras Rücken und genoss jeden Moment ihrer Nähe bevor der andere sich wieder zurückzog. „Danke.“ Kira antworte nicht, stattdessen rollte er sich von Kato hinunter. Allerdings ging er nicht, sondern legte sich neben ihn und nahm ihn von hinten in den Arm. „Ich frage mich wirklich was noch aus uns wird.“, meinte er. Kato legte seine Hand auf Kiras. „Meinst du es gibt vielleicht eine Zukunft?“ „Jedenfalls küsst du ziemlich gut. Nein, im Ernst… ich glaube wir sind mehr als einfache Freunde… aber ich weiß nicht, ob es für eine Beziehung reicht.“ „Das genügt vorerst.“ Und das war nicht gelogen. Es bedeutete, dass es einen kleinen Streifen Hoffnung gab. Er ließ Kira nicht kalt, sie lernten sich immer besser kennen. Er hatte eine Chance. Er würde eben das erste Mal in seinem Leben etwas investieren müssen. Und das erste Mal bereitete ihm das keine Angst. Er war bereit dafür. „Cilly ist fertig.“, unterbrach Kira seine Gedanken. „Gleich…“ Und so blieben sie noch fünf Minuten liegen während ihre Atemzüge und Herzschläge sich anglichen. So, einen schönen Tag noch ihr Lieben Kapitel 12: 14 -------------- So, ihr Lieben. Ich weiß, es hat wieder ewig gedauert. Schande über mein Haupt. Aber mit Schreibblockade komme ich einfach nicht weiter. Betrachtet dieses Kapitel als eine Art "interlude", da die Beziehung der Beiden nicht wirklich voran getrieben wird. Trotzdem hat es mir irgendwie Spaß gemacht. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal für die lieben Kommentare und auch bei den treuen Stilllesern bedanken. ..................................14............................................ Als Kato am nächsten Morgen erwachte fielen ihm zwei Dinge auf: Zum einen blieben die Kopfschmerzen aus, die er erwartet hatte und zum anderen lag er nicht alleine auf seinem Sofa. Ganz deutlich sah er Kira vor sich, immer noch schlafend in den zerknitterten Kleidern vom gestrigen Abend. Er erinnerte sich mit jäh aufkeimender Authentizität an alles, was gestern geschehen war. An ihre Gespräche, an das Cilly und zu guter letzt an ihren Kuss. War das tatsächlich passiert oder hatte er es sich nur eingebildet? Es war nur die Erinnerung aber trotzdem glaubte er das Gefühl von Kiras Lippen auf seinen erneut spüren zu können. Nein, das war keine Einbildung gewesen. Ein warmes Glücksgefühl strömte durch seinen Körper und bildete so einen angenehmen Gegensatz zu den Sorgen und Rückschlägen der letzten Tage. Es war wie ein guter Schuss. Nur besser. Auch wenn er einen leichten Druck auf seiner Blase verspürte wagte er es nicht zu rühren. Um keinen Preis wollte er auch nur eine Sekunde dieses Moments verpassen. Er hatte Kira noch nie wirklich beim schlafen zugesehen – warum sollte er auch? Wo er so darüber nachdachte kam er sich ein wenig wie irgendeine Stalker- Schwukke vor. Aber war das nicht eigentlich egal? Seinen Stolz hatte er vor Jahren an der nächsten Straßenecke für Pillen und Spritzen verkauft. Kiras Haare waren total zerzaust, sein Gesicht vom fehlenden Kissen ein wenig zerknautscht. Seine Kleidung war verrutscht und er sah ein wenig verrenkt aus. Es beruhigte Kato zu wissen, dass Kira wie jeder normale Mensch auch, nach einer durchzechten Nacht beim schlafen einfach scheiße aussah. Trotzdem wollte er nicht aufstehen. Noch einmal schloss er die Augen und genoss das Gefühl der Wärme, die der Körper neben ihm ausströmte. Diese Wärme hatte er auch gespürt als sie zusammen auf dem Sofa lagen. Beinahe war ihnen das verdammte Cilly angebrannt und hatte Kira dazu veranlasst aufzustehen. Wahrscheinlich hatte ihm das Zeug den Kater erspart… nichts desto trotz wäre es ihm lieber gewesen sie wären genau so verharrt. Der Zauber des Moments war zerstreut worden durch sinnlose Gespräche und aufkommende Müdigkeit die sich in Kombination mit Alkohol zunehmend zu Albernheit entwickelt hatte. Irgendwann war Kato eingenickt… Kira musste bei ihm liegen geblieben sein, denn er meinte sich zu erinnern, dass der Schwarzhaarige noch recht wach gewesen war als Kato langsam hinfort schlummerte. Letztendlich zwang seine Blase ihn doch aufzustehen und das Badezimmer heimzusuchen. Ein wenig flau war ihm nun doch aber ein gescheites Frühstück würde dem schon Abhilfe schaffen. Kato beschloss sich diesen Morgen darum zu kümmern. Fast jeden Tag hatte Kira etwas Essbares für ihn hinterlassen. Nun würde er sich mal darum kümmern. Guten Willen zeigen und so. Nachdem er sich frische Sachen angezogen hatte durchsuchte er die Küchenschränke solange bis er die Aufbackbrötchen gefunden hatte. Er schob sie in die Mikrowelle und dachte zu seiner eigenen Überraschung daran die Backofenfunktion einzuschalten. Anschließend öffnete er den kleinen Kühlschrank und kramte ein wenig Aufschnitt hervor. Eier kochen erschien ihm zu anspruchsvoll, also ließ er die Packung unangetastet. Schnell noch ein wenig Besteck klargemacht und Kato betrachtete zufrieden sein Werk. Nun galt es nur noch Kira wach zu bekommen. Wachküssen war ihm die liebste Idee, schien jedoch zu gefährlich. Wenn er ehrlich zu sich selbst war musste er sich eingestehen, dass seine größte Angst war, dass Kira sich nicht an den gestrigen Abend erinnerte. Oder dass er es als Bierlaune abtat. Zu seiner leichten Übelkeit gesellte sich ein unangenehmes Ziehen in seiner Magengegend. Etwas unschlüssig blieb er vor dem Sofa stehen. Was nun? Vielleicht doch schlafen lassen… „Feigling.“, flüsterte er sich selbst zu. Früher oder später würde er sich der Situation ohnehin stellen müssen. Er beschloss Kira ganz klassisch wachzurütteln. Dieser reagierte nur mit einem verärgerten Brummen und schien keine Anstalten zu machen sich auch nur ansatzweise zu Bewegen. „Hey, Kiraaaaaa, ich habe Frühstück gemacht.“ „Hä?“ Hatte er ihm überhaupt richtig gehört? Vielleicht sollte er sich etwas einfacher ausdrücken. „Ich. Gemacht. Habe. Frühstück.“ Ein großes Gähnen. „Ich war alleine in der Küche und der Ofen ist explodiert.“ „Was?!“ Mit einem Ruck war er wach und saß kerzengerade auf dem Sofa. Kato sah ihn mit einer Mischung aus Amüsement und Missbilligung an – Frühstück ließ ihn gähnen, aber die Zerstörung der Küche nahm er direkt für bare Münze! „Erschreck mich doch nicht so.“, maulte Kira und fuhr sich durch die Haare – mit dem Ergebnis, dass sie noch schlimmer aussahen als vorher. „Du siehst ganz schön kacke aus.“, grinste Kato. „Danke. Du nicht. Wieso zum Henker warst du vor mir wach? Ich habe noch nie so fest gepennt.“ Kira schien immer noch nicht ganz in dieser Welt angekommen zu sein. Kato hingegen fühlte sich ein wenig geschmeichelt. Noch nie so gut geschlafen, so so… „Vielleicht tue ich dir einfach gut?“, merkte er an. „Das bedarf weiterer Experimente um es zu bestätigen. Wenn du willst darfst du ins Bett einziehen. Und jetzt schaue ich mir die verfluchte Küche an.“ Mühsam bewegte sich Kira vom Sofa drehte allerdings auf halbem Weg zur Küche um, um zuerst das Bad zu betreten. War ja klar, dass er vorher duschen würde. Selbst wenn Kato einen atomaren Präventivschlag auf Kiras Küche verübt hätte würde er trotzdem zuerst auf seine Körperpflege achten. Kato schüttelte den Kopf und trottete in die Küche, um die Brötchen aus dem Ofen zu holen. Sein Werk würde nicht unbedingt Punkte in einem Ästhetikwettbewerb gewinnen aber man würde es essen können. Dafür, dass er sich eigentlich nie um so etwas gekümmert hatte war es ganz ordentlich. Vielleicht sollte er noch Kaffee kochen? Dann konnte man das Zeug vielleicht sogar genießen. Die Kaffemaschine war nicht sonderlich kompliziert so dass schon bald leises Brummen und Tröpfeln zu vernehmen war. Unterdessen lauschte er dem prasselnden Geräusch, das aus der Dusche tönte. Unweigerlich stellte er sich vor wie Kira sich darunter einseifte. War es wirklich eine gute Idee, wenn er, wie Kira es so schön ausgedrückt hatte, „ins Bett einzog“? Letztendlich wäre er aber kaum in der Lage abzulehnen. Nervös an seinem Fingernagel kauend stellte er sich ans Fenster und schaute nach draußen auf Tokyos hässliche Fassade. Alles war dicht gedrängt, nie war man wirklich allein. Die Menschen traten sich ja schon fast auf die Füße. Wusste er eigentlich noch wie richtige Luft roch? „Die Küche sieht ja wirklich bestens aus…“ Erschrocken wirbelte Kato herum. „Das ging aber fix…“, murmelte er. Kira zuckte die entblößten Schultern. Mittlerweile hatte Kato sich daran gewöhnt, dass der Schwarzhaarige nach dem Duschen selten mehr als Handtuch oder Jogginghose trug. „Mir wahr heute nicht nach einer Duschorgie.“ Er setzte sich während Kato einen Blick auf die Kaffeemaschine warf. Fertig. Er griff sich zwei Tassen und goss sie randvoll. Nach seiner Dusche sah Kira wieder aus wie aus dem Ei gepellt. Kato reichte ihm eine Tasse und setzte sich ebenfalls. Zwischen ihnen herrschte ein Schweigen, das Kato nicht wirklich deuten konnte. Sollte er auf den gestrigen Abend zurückkommen? Kira nippte an dem Kaffee und musste unwillkürlich lächeln. „Ganz schön weich.“ „Genießbar.“, korrigierte Kato. Kira nahm sich eines der Brötchen und schnitt es gemächlich in zwei Hälften. „Du bist ganz schön still…“, bemerkte Kato. „Ich rede morgens nie. Ich muss wach werden. Du pennst ja meistens noch.“, entgegnete Kira ruhig. „Ich muss auch mittags zum Training. Bin aber dann nach zwei Stunden wieder da.“ Kato horchte auf. „Training?“ „Aikido.“ „Daher das Schwert.“, murmelte Kato – und bereute es sofort. Ruckartig hob Kira den Kopf. Seine Augen hatten sich misstrauisch verengt. „Woher weißt du denn bitte davon?“ Kato beunruhigte wie das Messer in Kiras Hand hin und her wippte. „Ich…ähm…scheiße. Ich wollte dich aufhalten. Als du das mit England gesagt hast… da habe ich Mudo angerufen. Und dann dachten wir wenn wir deine Absicht herausfinden…und weil ich hier wohne, sollte ich…recherchieren.“ „Also hast du geschnüffelt.“ Kato blickte auf sein Brötchen und nickte. Er wollte Kira jetzt nicht ansehen. Allerdings wurde ihm ein Strich durch die Rechnung gemacht als Kira Katos Kopf anhob. „Mach das nie wieder.“ Das konnte doch noch nicht alles sein? „Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll. Auf der einen Seite pisst es mich tierisch an, dass du in meinen Sachen wühlst, wo ich dich doch freundlicherweise hier campieren lasse. Auf der anderen Seite bin ich irgendwie geschmeichelt, dass ihr zwei auf so einen bescheuerten Plan kommt, um mich aufzuhalten.“ „Ich weiß, dass das nicht richtig war.“, gab Kato zu. „Aber es war auch nicht richtig, dass du dich nicht erklären wolltest.“ „Wie weit hast du gewühlt?“ „Ich habe noch ein Photo deiner Schwester gefunden, hab mich drüber geärgert und den Mist weggepackt.“ „Das ist kein Mist. Also hast du nur die Rechnungen durchwühlt. Wenigstens das. Aber trotzdem enttäuscht es mich.“ „Es tut mir Leid.“ „Hat es euch denn weitergebracht?“ „Wir kamen erst zu der Theorie du könntest dich hoffnungslos verliebt haben. Aber dann erschien Mord uns wahrscheinlicher.“, antwortete Kato wahrheitsgemäß. Kira lachte etwas säuerlich auf. „Das ist der Grund, warum ihr davon nichts wusstet. Ihr Vollidioten hättet mit dem Ding nur Mist gemacht und das wäre dann im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gegangen – im besten Fall.“ Kato wollte protestieren musste aber zugeben, dass Kira nicht ganz unrecht hatte mit dem, was er da sagte. Kira belegte sein Brötchen und Kato war zutiefst beunruhigt. Irgendwie reagierte Kira zu ruhig. „Du machst mir Angst Kira. Ich hätte jetzt irgendwie einen Ausbruch erwartet.“ „Ich auch. Ein wenig wäre mir auch danach. Aber ganz ehrlich. Was bringt das jetzt noch? Ich bin enttäuscht, das ist alles. Und du wirst es nicht wieder machen.“ Enttäuscht… das war schlimmer als sauer. Kira schien noch etwas sagen zu wollen, aber in diesem Moment klingelte sein Handy im Wohnzimmer. Schnell stand er auf um den Anruf entgegenzunehmen. „Komm mal runter… was ist denn passiert?...Wie bitte?!...Wo zum Henker bist du denn gerade?...Ich hole dich ab… Ich fahre dich natürlich zu ihr…zum Bahnhof du Idiot…Fahrt erst einmal weg und dann sehen wir weiter…jetzt ist es schon am Arsch, also nimm die Beine in die Hand.“ Kato verstand nicht worum es ging aber es klang ernst. Er wurde in seiner Annahme bestätigt, als Kira in sein Zimmer eilte um sich scheinbar anzuziehen. Kato klopfte an die Tür. „Was ist denn los.“ „Setsuna war doch gestern bei Sarah. Die beiden haben sich geküsst.“ War die knappe Antwort als sie Tür auch schon wieder aufging und Kira ihm samt Motorradjacke und Helm entgegenkam. „Wollte er das nicht?“ „Die Mutter hat‘s gesehen.“ „Fuck.“ „Ja.“ Kira angelte nach seinem Schlüssel der irgendwo in ihrem Kleiderhaufen von gestern lag. „Jetzt will sie Sarah in ein Kloster verfrachten. Ich fahre Set jetzt zum Bahnhof. Er soll sie da abpassen und dann sehen wir weiter.“ „Ich will mit.“, sagte Kato. „Wie soll er dann hinter mir sitzen?“ „Dann… sag ihm wenigstens viel Glück.“ „Mach ich.“ Und weg war er. Kato tigerte ausnahmslos nervös in der Wohnung herum. Der Fernseher hatte ihn nicht ablenken können. Sogar die Küche hatte er aufgeräumt. Er war duschen gegangen. Und die ganze Zeit dachte er nur daran, wie die Sache für Mudo ausgehen würde – und ob Kira wegen dem Kleinen in Schwierigkeiten geraten würde. Denkbar wäre es bei dem Temperament, das er manchmal an den Tag legte. Als sein Handy klingelte war er so aufgerieben, dass er den Anruf fast nicht annehmen konnte, weil seine Hände so fahrig agierten. „Ich bin’s. Holst du mich vom Polizeipräsidium ab?“ „Wie bitte?“ „Ich habe ein bisschen Stunk gemacht… damit die beiden abhauen können. Keine Sorge, es gibt keine Anzeige. Aber ich muss mich noch irgendwie abreagieren. Wäre gut, wenn du kämest.“ „Wo muss ich hin?“ Kira nannte ihm die Adresse und Kato hastete aus dem Haus. Was zum Henker hatte Kira denn angestellt? Den Weg bis zum Präsidium legte er erstaunlich schnell zurück. Zu seiner Erleichterung wartete Kira in keiner Zelle sondern im Foyer. Zu seinem Erschrecken mit einem blauen Auge. „Was…?“ Kira stand auf, grinste in breit an und sagte: „ Du solltest mal den Bullen sehen.“ „Ich dachte du hast nichts getan, was eine Anzeig verdient.“ „Jap. Lass uns erst einmal rausgehen.“ Kira schien es verständlicherweise eilig zu haben denn er bugsierte Kato mit Nachdruck wieder hinaus. „Die Polente hat zuerst geschlagen. Ich habe denen mit einer Anzeige gedroht. Da hat man alles fallen lassen.“ „Was hast du denn gemacht, dass die dich angreifen?!“ Kira zündete sich eine Zigarette an und bot auch Kato eine an, die er dankend annahm. „Hab ein bisschen mit Knallfröschen rumgeballert und irgendeinen Dünnschiss von mir gegeben. Die dachten ich sei ein gefährlicher Irrer. Hab denen was von der nahenden Apokalypse erzählt weil ich fand dass es gut zum Rauch der Knallfrösche passt. Erst auf dem Präsidium hab ich das aufgeklärt.“ „Alter!“ „Aber wenigstens sitzen die beiden jetzt im Zug nach sonstwohin. Du hättest seine Mutter sehen sollen als ich vom Satan gepredigt habe. War gut. Meine Bestleistung.“ „Und mir sagen ich baue nur Mist…“ „Der Zweck heiligt die Mittel.“ „Bist du noch betrunken von gestern?“ „Dafür bin ich nicht japanisch genug, oder?“ „Und was jetzt?“ „Erst mal was essen.“ Sie hatten sich für eine einfache Imbissbude entschieden. Auf dem Rückweg bestand Kira darauf die ruhigeren Wege zu nehmen. Auf dem Weg kamen sie an einer kleinen Kirche vorbei. Kira ging erst langsamer und blieb dann ganz stehen. „Wie passend. Lass uns reingehen.“ „Heute noch nicht genug die Apokalypse gepredigt?“ „Komm schon.“ Kato schüttelte nur verwirrt den Kopf und folgte dem Größeren, der schon auf dem Weg zum hölzernen Eingang der Kirche war. „Das Gebäude ist schon schön…“, gab Kato zu. „Haben wahrscheinlich die Jesuiten um 1500 errichtet, als sie in Japan missionierten. Sonst sehen unsere Kirchen ja anders aus.“ Kato hinterfragte nicht woher Kira das schon wieder wusste. Er hatte noch nie eine Kirche von innen gesehen. Warum auch? Tatsächlich hatte er noch nie einen derartig prunkvollen Raum gesehen. All die Bilder und Statuen. Und doch fand er es irgendwie düster und bedrohlich. Die Wärme von denen Christen immer redeten konnte er hier nicht spüren. Er beobachtete Kira dabei, wie er sich fast schon ehrfürchtig und gleichzeitig abgeneigt in der Kirche umsah. Ein Priester schien nicht anwesend zu sein. Sie waren alleine. An einer der Wände waren mehrere Kerzen aufgestellt von denen einige brannten. Anscheinend konnte man selbst eine aufstellen. Aber warum? Noch mehr verwirrte ihn, dass Kira im Begriff war eine dieser Kerzen zu entzünden. „Warum tut man das?“, fragte Kato „Eigentlich ist es ein Licht für die Toten. Aber das hier gilt eher als Glücksbringer für Set und Sarah.“ Nach einer kurzen Pause fügte er erklärend hinzu: „Meine Schwester ist sehr gläubig. Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll.“ Er blieb vor einem Jesusbild stehen und runzelte die Stirn. „Ich meine auf der einen Seite ist da dieser Aspekt der Liebe. Jesus der sich für uns opfert. Sohn des liebenden Gottes, der alle s verzeiht so lange man reuig ist.“ „Klingt doch eigentlich ganz nett.“ Kira schnaubte. „Ja… aber ich finde die lassen sich alle entmündigen. Zumindest diese extrem Gläubigen. Die beschneiden ihre ganzen Rechte. Zorn, Eifersucht, Wollust, Neid, Habgier, Völlerei und wie sie nicht alle heißen… von der Kirche verteufelt aber normal für den Menschen. Oder nimm Luzifer… das bedeutet Lichtbringer…und ab ging es in die Hölle. So wie viele Sagengestalten der alten Religionen. Die Kirche ist ein Wolf im Schafspelz. Als wenn dieser Gott die Menschen so lieben würde!“ „Du klingst nahezu sauer.“ Tatsächlich umgab Kira eine Barriere aus Wut so dass Kato nicht wagte ihm zu nahe zu kommen. „Schon erstaunlich, was alles in seinem Namen geschaffen wurde. Und verbrochen. Vielleicht gibt es einen Gott aber an seine Stellvertreter glaube ich jedenfalls nicht!“ „Warum nochmal wolltest du hier rein?“ „Ich weiß nicht, aber irgendwas zieht mich immer wieder in Kirchen. Wenn du Alexiel beten siehst ist sie immer so in sich selbst versunken…ich will einfach verstehen was sie darin sieht.“ „Hoffnung?“ „Hm?“ „Vielleicht ist es für sie einfach egal, ob das glaubhaft ist oder was die Kirche für andere bedeutet. Für sie ist es vielleicht einfach nur Hoffnung. Etwas das ihr Frieden gibt.“ „So simpel?“ „Ist im Leben häufig so…“, widerholte Kato Kiras Worte vom Vorabend. „Du hast vielleicht Recht. Lass uns gehen.“ Kato war froh über diese Worte und erleichtert als sie die Kirche verließen. „Was ist eigentlich mit deinem Motorrad.“ „Noch am Bahnhof. Ich hole es morgen. Fällt dir übrigens früh ein.“ „Ich dachte dein Superbrain hat sich dabei schon was gedacht.“ „Warum fragst du dann jetzt?“ „In den letzten 2 Stunden bin ich zu dem Schluss gekommen, dass du doch etwas matschig in der Birne bist.“ „Kato?“ „Ja?“ „Halt die Klappe.“ Dann legte er ihm wie gestern den Arm um die Schulter und sie schlenderten nach Hause. Nach Hause? Ja, das traf es. So, das war es erst einmal wieder. Einen schönen Tag noch. Kapitel 13: 15 -------------- Dieses (recht kurze) Kapitel entstand unter viel zu viel Einfluss von Damien Rice und depressiv-romantischen Verstimmungen. Aber es hat mir Lust gemacht wieder weiter zu machen. Ich hoffe es gefällt euch. Ich werde mich bemühen jetzt weiter zu machen. Ich will selbst, dass es mit den Beiden mal weiter geht. Zum Guten oder zum Schlechten. ............................................................................... „Ich kann immer noch kaum fassen, dass die beiden durchgebrannt sind.“, sagte Kato nun bestimmt schon zum zehnten Mal. „Ich auch nicht. Ein komisches Gefühl… ich hatte mich an den kleinen Trottel gewöhnt.“ „Du verlässt es uns doch sowieso alle…“, murmelte Kato. „Ich habe aber nie behauptet hier keinen zu vermissen.“, erwiderte Kira und klang auf einmal harsch. Kato wusste, dass er es nicht mochte auf diese Art auf seine Auswanderungspläne angesprochen zu werden, aber das interessierte Kato wenig. Es war zwar nicht so, dass er zu Mudo eine Bindung gehabt hatte, aber es war trotzdem komisch, dass er jetzt weg war, wo er doch langsam angefangen hatte ihn zu mögen. Er wollte sich gar nicht ausmalen, wie es sein würde, wenn Kira ging. Alleine der Gedanke daran sorgte dafür, dass sich etwas in ihm derartig zusammenzog, dass er das Gefühl hatte nicht mehr atmen zu können. Als würde er auseinanderfallen in tausend kleine Glassplitter, die vergessen am Boden liegen. Als wäre da ein schwarzes Loch, das ihn verschlingen würde. Und wer würde ihn dann noch vermissen? Einen kleinen Schmarotzer. Junkie. Schulschwänzer. Aus den Augen, aus dem Sinn. Goodbye. Kira war das einzige Bindeglied, das ihn in dieser Welt hielt. Für ihn gab es keine Familie. Keine Freunde. Nur Heroin. Und das stellte nichts als eine abstrakte Größe da, die sich auch nicht um ihn scherte. Sie konnte ihn nur vergessen lassen. Vergessen lassen, dass alle anderen ihn vergessen hatten. Oder vergessen würden. Vielleicht würde Kira die ersten Wochen noch anrufen. Vielleicht sogar vorbeikommen. Dann würden die Besuche langsam ausbleiben. Die Anrufe würde weniger werden. Schließlich ganz verebben. Funkstille. Einsamkeit. Machte er sich wirklich die Mühe für ein paar poplige Monate clean zu werden? Er würde doch sowieso wieder an der Nadel hängen. Was sollte ihn auch davon abhalten? Wer? Er glaubte nicht, dass er so konsequent sein könnte, wenn er Kira nicht um sich hatte. Aus den Augen, aus dem Sinn. „Kato?“ Kira schien zu merken, dass etwas in ihm vorging. Besorgt schaute er ihn aus seinen schönen Augen an. Es tat so verdammt weh. Kato spürte einen unnatürlich dicken Kloß im Hals. Aber er schluckte ihn runter, verhärtete seine Miene. Baute die Mauer wieder auf. Versuchte stark zu bleiben. Durchzuhalten. „Schon okay…“ Er stand auf und ging in die Küche, um sich ein Bier zu holen. Um keinen Verdacht zu erwecken brachte er Kira eins mit. Ihre Fingerspitzen berührten sich kurz, als er dem Schwarzhaarigen sein Bier reichte. „Und das soll ich dir glauben? Ich kann mir schon denken, worum es geht…“ Es zischte als Kato die Dose öffnete, um mit dem Inhalt diesen schrecklichen, schleimigen Klumpen in seiner Kehle aufzulösen. Vielleicht würde sich genau da das schwarze Loch bilden, das ihn auseinanderreißen würde, sobald Kira in den Flieger stieg. „Meinst du?“ „Ich kann nicht hier bleiben.“ „Warum nicht?“ „Ich habe einfach das Gefühl hier unter zu gehen.“ „Du läufst vor irgendetwas weg. Ich wüsste nur gerne was das ist.“ „Ich laufe zum Leben hin.“ „Mit Sicherheit. Bin ich auch jedes Mal als ich mir die Nadel in den Arm gedrückt habe.“ „Das ist was anderes.“ „Nein. Ich will einfach nur, dass du zugibst, dass du genauso verloren bist wie ich.“ „…“ „Sprachlos?“ Er sah Kira fest in die Augen und bildete sich ein darin zu erkennen, dass er Recht hatte. Nein, er wusste, dass er Recht hatte. Vielleicht war es die Sache mit seinem Vater, vielleicht etwas ganz anderes. Nur eins war sicher: Irgendetwas verfolgte ihn. Kira brach den Blickkontakt ab und gab ihm somit den letzten Rest Bestätigung. „Mag sein, Kato. Aber ich gehe etwas produktiver damit um.“ „Weil du irgendwann Topmanager einer Firma wirst? Dann bist du genauso alleine wie ich.“ „Wer sagt dass es das ist, was ich will?“ „Das ist ganz bestimmt nicht das was du willst, Kira. Aber es ist das, was du werden wirst.“ „Hast du plötzlich die Weisheit mit Löffeln gefressen, jetzt wo du clean bist?!“ „Ich weiß gar nicht, warum ich mir das überhaupt angetan habe.“ „Was soll das denn jetzt?“ Kira sah ihn beinahe bestürzt an. „Mag sein, dass du mir diesen verfluchten Job besorgt hast. Mag sein, dass ich vielleicht wieder in die Schule gehen könnte. Aber wofür? Und jetzt sag nicht Sae!“ „Ich kann dich nicht dein einziger Lebensinhalt sein.“ „Es wäre ein Anfang.“ „…“ „Das ist dir zu viel Verantwortung, oder?“ „Warum reden wir da jetzt eigentlich drüber?“ „Weil es sein muss. Ich… als du heute gesagt hast, dass wir nach Hause gehen… da dachte ich zum ersten Mal in meinem Leben, dass das stimmt. Und das liegt nicht an dieser verschissenen Wohnung.“ „Meinst du nicht, dass du da etwas auf mich projizierst?“ „Nein. Das ist das Einzige in dem ich mir je sicher gewesen bin.“ Die Mauer brach. Sie bröckelte nicht Stück für Stück. Sie fiel einfach in sich zusammen. Puff. Weg. Der Kloß in seinem Hals löste sich seltsamerweise ebenfalls auf. Ob das schwarze Loch ihn aufgesogen hatte? Es war komisch plötzlich so nackt dazustehen. Er hatte sich immer mehr Mauern aufgebaut, so viele Schichten, dass er sich irgendwann nicht mehr hatte bewegen können. Aber dieser enge Raum war ihm trotzdem sicherer erschienen. Sicherer als diese Verwundbarkeit. Aber eigentlich war das, was ihn so verletzlich gemacht hatte der Mangel an Freiheit. Jetzt stand er hier, allein auf weiter Flur. Und fühlte sich besser als davor. Eins war ihm während seiner letzten Worte klargeworden: Das, was er für Kira empfand war keine leichte Verliebtheit oder irgendeine hormongesteuerte Verwirrtheit. Es war auch keine Obsession. Es war schlicht und ergreifend Liebe. Er würde sich für Kira vor einen fahrenden Panzer werfen, einfach weil es ohne ihn nichts mehr gab. Und das bedeutete eins: Egal, wie nackt und schutzlos er am Ende dastehen würde, es war nichts im Vergleich dazu in seinen Mauern zu ersticken. Alleine. Er würde alles tun, um ihn immer um sich zu haben. Zu wissen, dass er da war. Dass er nicht gehen würde. Er würde seine Seele dafür an den Teufel geben. Mit Schleife drum. Er würde sämtlichen Drogen, auch Bier und Alkohol auf Lebenszeit abschwören. Er wollte nur dass Kira blieb. Nicht, weil er nicht alleine bleiben konnte. Das konnte er gut. Verdammt gut. Es war Kira. Er könnte 1000 Freunde habe. Sie würden ihn nicht retten können. Leer. Das war das treffende Wort. Alles wäre leer. „Scheiße, Kato.“ Kira fuhr sich durch sein rabenschwarzes Haar und sah ihn wieder an. Er wirkte traurig. „Das hat mit Verantwortung nicht das Geringste zu tun. Wenn du nur… wenn du dich nur ein Jahr früher zu diesem Schritt entschieden hättest. Ich kann doch jetzt, wo alles geregelt ist, nicht alles sausen lassen. Ich habe immer versucht für dich da zu sein, auf dich aufzupassen. Ich war immer da. Und alles, was ich davon hatte war dir beim sterben zuzusehen. Ich weiß doch gar nicht, was jetzt alles in dir vorgeht. Was du als nächstes machen wirst. Als du noch der Alte warst, da… da hast du mir auch viel bedeutet…aber trotzdem hatte ich nicht das Gefühl irgendetwas zurückzulassen. Setsuna würde seinen Weg finden. Der Junge ist stärker als man glauben will. Das haben wir ja heute gesehen. Mein Vater… keine Ahnung. Vielleicht will ich wirklich nur weg von ihm. Und du… du warst für mich quasi schon tot. Und ich wollte nicht dabei sein, wenn es passiert. Hier gibt es nur Dinge, die kaputt geschlagen sind. Teilweise war ich selbst derjenige, der es kaputt gemacht hat. Ich und mein verdammter Stolz. Wer hätte denn ahnen können, dass du von den Toten auferstehst?“ „Aber es ändert nichts für dich…“ „Was hast du denn hier in Tokyo verloren, Kato?“ „Abgesehen von dir?“ „Ja.“ Seinen Vater? Nein. Seine Mutter? Nein. Sae. Vielleicht. Er sollte sie wirklich anrufen. „Nichts. Aber ich habe nirgendwo was verloren.“ „Dann bedeutet das aber auch, dass du überall sein könntest.“ „Was willst du damit sagen?“ „Du sagst mir die ganze Zeit, dass ich hier nicht weg gehen kann, weil du da bist. Aber warum musst du denn hier bleiben?“ Wollte er wirklich das andeuten, was Kato vermutete? Wollte er ernsthaft damit sagen, dass er, Kato, nach England gehen könnte? Einfach seine Sachen packen und in ein Land reisen, das ihm nichts sagte, das er nicht kannte, dessen Sprache ihm vollkommen fremd war? Auf der anderen Seite… er lebte in einem Land, das ihm nichts sagte, das er nur von einer Facette kannte, die nicht besonders angenehm war und dessen Sprache ihm zwar vertraut war, ihm aber dennoch keine Möglichkeit bot das auszudrücken, was er dachte. Die Heimat ist wo das Herz ist, oder wie war das? „Und wie soll das bitte gehen? Ich kann kein verdammtes Wort Englisch. Ich habe keinen Abschluss. Kein Geld.“ Angst kroch hoch in ihm. Sicher… wenn Kira gehen würde war es die einzige Möglichkeit mitzugehen. Oder zu verrecken. Aber auf was ließ er sich dann ein? Er hatte ziemlich beschissene Voraussetzungen. Nicht dass das in Tokyo anders wäre. Aber es war eben doch anders. Es fühlte sich anders an. Und die mussten ihn doch auch drüben haben wollen. Visum oder wie das hieß. Man ging nicht mal eben so nach England. Kira grinste ihn an. „Schule wäre natürlich nicht verkehrt. Zumindest ein Englischkurs. Ich habe ja auch keine Erlaubnis für immer in England zu bleiben. Bisher zumindest nicht. Auch wenn die Chancen wegen meiner Schwester gut stehen. Aber ich darf dort studieren. Und es spricht ja nichts dagegen, dass du es dir dort mal ansiehst… spar bei deinem Job. Mach längere Urlaube drüben. Hier die Schule zu Ende. Es wäre ein Ziel oder nicht? Ein Grund?“ „Tust du das, weil du nicht Schuld sein willst, wenn ich wieder in der Gosse lande?“ „Das hat damit nichts zu tun, Kato. Ich war bereit dich verrecken zu lassen. Ich war mir wirklich nicht sicher, ob du den Sprung schaffen würdest. Auch wenn es jetzt was anderes ist. Aber… es ist schön einen Freund zu haben. Alexiel und ich… wir haben ein gutes Verhältnis, aber es ist nicht das Gleiche.“ Was wollte er ihm jetzt damit sagen? Kira war nicht der Mensch, der Angst davor hatte alleine zu sein. Schließlich hatte er auch ganz alleine gehen wollen. War das jetzt so eine Affektgeschichte? Halbernst gemeint und im Eifer des Gefecht aufgekommen? Ging es ihm nur um seine Gesellschaft als Unterstützung… oder als mehr? Spielte das überhaupt eine Rolle? Hatte er nicht noch vor ein paar Sekunden beschlossen sich für den Anderen vor ein Auto zu werfen? Aber es war etwas anderes in den Freitod zu gehen als sein Leben einfach so in ein anderes Land zu verlagern. Welches Leben? „Und wenn ich ja sagen würde? Wenn ich mich dafür ins Zeug legen würde?“ „An mir liegt es nicht, Kato. Ich will einfach nur hier weg. Ich will Japan hinter mir lassen. Tokyo. Meinen Vater. Diesen Moloch. Aber nicht dich. Wenn du den Dreck, der an uns klebt, hier lässt… dann komm mit. Fang neu an.“ „Mit dir?“ „Mit mir.“ That's it. Für's erste. Ich hoffe morgen finde ich das Kapitel immer noch so gut :D Kapitel 14: Gespräche und Erkenntnisse -------------------------------------- Soo und weiter geht es. In diesem Kapitel gibt es einen kleinen Rückblick aus Kira's Sicht der Dinge und ich kann versprechen, dass die Geschichte im nächsten Kapitel mal einen großen Schritt nach vorne macht. Viel Spaß beim lesen. „Mit dir?“ „Mit mir.“ Die Worte hingen zwischen ihnen in der Luft. Kato wollte sie einsaugen, aufnehmen, für immer behalten, bevor Kira seine Deutung der Dinge vielleicht kaputt machen würde. Bevor er ihm sagen würde, dass das alles unter Männerfreundschaft lief. Oder das das ganze doch eine Schnapsidee sein würde. Er klammerte sich an seine Bierdose, nahm einen riesigen Schluck, litt. Bis Kira ihn anlächelte. Ihm zuprostete und ihn dann an der Hand zu sich nahm. Seiner warmen Hand. Er küsste ihn nicht, sondern legte sein Kinn auf Katos Kopf ab. Dieser versuchte so viel wie möglich von Kiras Körperwärme aufzunehmen und gleichzeitig sein wie wild pochendes Herz unter Kontrolle zu bekommen. „Ich verstehe uns nicht.“, sagte Kira. „Ich auch nicht. Ehrlich gesagt… ist mir das alles ziemlich peinlich.“ „Mir auch. Ein bisschen.“ „Kannst du dir vorstellen, wie wir in… England sind.“ Das auszusprechen fühlte sich sehr seltsam an. „Ich kann mir vorstellen, wie du versuchst dich mit Händen und Füßen zu verständigen und wie du ständig Ärger mit den Briten bekommst. Und ich muss dich dann raushauen.“ „Das könnte passieren.“ Eine Weile saßen sie so da. Schwiegen. Dachten nach. „Du Kira?“ „Ja?“ „Ich habe eine Scheißangst.“ „Berechtigt.“ „Danke.“ Er schnaubte. „Ich aber auch. Das ist ein großer Schritt. Aber ich will ihn machen. Ich habe mich dazu auch nicht von heute auf morgen entschieden.“ „Also steht es fest?“ „Wenn du nicht den Schwanz einziehst.“ „Ich weiß gar nicht wie das geht…“ „Klar. Weil du deine Eier erst vor ein paar Wochen entdeckt hast.“ „Du bist scheiße.“ „Dann bleib halt hier…“ „So scheiße dann auch wieder nicht… ich bin eh zu blond für einen Japaner.“ „Und ich trinke zu viel für einen Japaner.“ „Die Briten saufen viel, oder?“ „Oh ja.“ „Finde ich gut. Dann kann ich immer noch Alkoholiker werden. Das geht überall.“ „Deine Ambitionen hauen mich um“. Du haust mich um. Tatsächlich fühlte Kato sich als hätte ihn ein Zehntonner überfahren. Er war plötzlich unglaublich müde. Er fühlte sich gleichzeitig von seiner Entscheidung erddrückt, von all dem bedrängt, was das bedeutete, und gleichzeitig federleicht und in Watte gepackt. In gewisser Weise hatte er beschlossen den ganzen Müll aus seinem Leben zu verbannen. Das bedeutete aber auch, dass kaum etwas übrig bleiben würde. Er würde dann im Nichts schweben. Eine zweite Chance, die ihn entweder in noch schlimmere Tiefen schleudern würde oder die alles besser machte. Was war wahrscheinlicher? Er atmete tief durch. Das einzige was jetzt in diesem Moment zählte war Kira’s Nähe. Seine Arme um seinen Körper, sein warmer Atem an seinem Hals. Sein Geruch. Kato lehnte sich gegen Kira’s Brust und nahm einen weiteren Schluck Bier. Er spürte wie ihm langsam die Augenlieder nach unten sanken. Nur ein kleines bisschen Dösen. Nicht mehr. Das Café war brechend voll als Kato seine nächste Schicht bei Arakune antrat. Da er eine Weile nicht dagewesen war hatte sie schon fast geglaubt er würde nicht mehr auftauchen. Als er ihr jedoch eine glaubhafte Erklärung dafür aufgetischt hatte weshalb er so lange abwesend gewesen war, hatte sie entschieden einfach weiterzumachen als hätte es dir unangenehme Situation zwischen ihm und Raphael nicht gegeben. Dieser verhielt sich während der ganzen Schicht verdächtig still. Woran das wohl liegen mochte? Ob Arakune ihm den Kopf gewaschen hatte? Was auch immer es war, Kato war froh sich voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Nach seiner Schicht wollte er Arakune bitten Überstunden schieben zu dürfen. Er würde Geld für England brauchen, alleine der Flug war verflucht teuer. Und einen Englischkurs würde er auch bezahlen müssen. Das Schulenglisch würde mit Sicherheit nicht reichen. Wenn er es überhaupt schaffte einen Abschluss zu machen. Morgen würden die Ferien beginnen. In der Zeit brauchte er nicht beim Direktor auflaufen. Er hatte sich aber fest vorgenommen direkt nach den Ferien an seiner alten Schule vorbeizugehen. Kira hatte er allerdings noch nichts davon erzählt. Er würde ihn am Ende nur darauf festnageln. Kato wollte das selbst entscheiden. Er wollte es selbst schaffen. Er wollte Kira mit einer höchst selbst ausgefüllten Bescheinigung überraschen. Ihm zeigen, dass er auch etwas alleine schaffen konnte. Mochte sein, dass er schon motivierter und selbstständiger geworden war, aber es reichte noch nicht vollkommen aus. Er musste auch damit rechnen, dass es mit seinem Visum dauern würde. Im Internet hatte er gelesen, dass es ziemlich schwierig war eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Kira hatte seine Genehmigung zum Studium wegen seiner herausragenden Noten und seiner Verwandten bekommen. Kato hat nichts davon zu bieten. Also würde es mit aller Wahrscheinlichkeit ziemlich lange dauern, bis er länger als ein paar Wochen zu Besuch kommen könnte. Und die Flüge waren bei weitem zu teuer um in aller Regelmäßigkeit fliegen zu können. Er musste tief durchatmen und sich dazu zwingen, wieder über andere Dinge nachzudenken. Die Gedankenkreise, die ihn in letzter Zeit traktierten trieben ihn an den Rand des Wahnsinns. Er machte sich fast nur noch Sorgen, wie er das alles schaffen sollte. Er war noch so jung und hatte schon so viel verbockt. Der Berg an Hürden, die er zu überwinden hatte, erschien ihm viel zu groß um jemals bezwungen werden zu können. Er musste sich auf jeden Abschnitt einzeln konzentrieren, sonst würde er einfach von einer Steinlawine aus Ängsten überrollt werden. Diese Panik vor den Anforderungen des Lebens hatte ihn ja erst in diese Situation gebracht, in der er sich jetzt befand. Er durfte diese Fehler nicht wieder machen. Er hatte es nur mit Mühe geschafft einigermaßen auf die Füße zu kommen. Er zweifelte daran das noch einmal zu schaffen. In diesem Fall gab es kein Zurück sondern nur den Fall. Das war der Knackpunkt. Er hatte alle Türen zugeschlagen, bis auf eine. Aber immerhin: Eine gab es noch. Und die war quasi aus dem nichts erschienen. Abwechselnd in seine Gedanken und in die Arbeit vertieft bemerkte er Raphaels argwöhnischen Blick nicht mit dem er ihn in jeder freien Sekunde bedachte. Kira stellte sein Motorrad in der Nähe des Cafés ab und ging langsam auf den Eingang zu. Er hatte sich noch keine wirklichen Gedanken darüber gemacht, was er Raphael sagen würde. Anfangs war ihm danach gewesen ihm den Kopf vom Hals zu reißen und dann mit dem Blut sein Schlafzimmer neu zu streichen. Nachdem er sich jedoch einigermaßen beruhigt hatte erschien ihm das ein wenig drastisch. Abgesehen davon, dass er rote Wände nicht ausstehen konnte. Am besten wäre es wohl die Karten auf den Tisch zu legen. Er hatte vorgehabt sich den Blonden warm zu halten, nur für den Fall, dass er ihn nochmal für etwaige Botendienste oder exzessive Partynächte gebrauchen konnte. Jetzt musste er ihm aber wohl oder übel klar machen, dass Raphael in seinem Leben keinerlei Bedeutung hatte und vor allem eine praktische Funktion innehatte. Nur eben ein wenig netter formuliert. Vor allem aber sollte er aufhören Kato irgendeinen Mist zu erzählen. Er hatte wenig Lust ihn noch einmal im Junkie Park abholen zu müssen. Ihm graute vor dem Gedanken zu spät kommen zu können. Kato hatte sich seit seinem Entzug gut gemacht, aber er war noch lange nicht über den Berg. Alles was ihn aus der Bahn warf konnte zu einem Rückfall führen. Mit dem körperlichen Entzug war es noch lange nicht getan. Was dachte er sich eigentlich dabei sich um eine wandelnde Katastrophe wie Kato kümmern zu wollen? Er hätte ihn von vornerein in der Gosse sitzen lassen sollen. Er hatte gewusst, was er und seine Freunde für Leute waren. Bewusst hatte er sich dazu entschieden mit ihnen „abzuhängen“ um Pausen von seinem geregelten Alltag zu nehmen. Der Junge aus gutem Hause der Teilzeitgangster spielt. Aber Kato hatte ihn nicht losgelassen. Bis heute konnte er sich den Grund dafür nicht erklären. Seine Geschichte war nicht dramatischer als die der anderen. Es war auch nicht so als wäre sein Charakter dem der anderen so unähnlich gewesen. Alle hatten sie den gleichen Stoff eingeworfen und sich dementsprechend ähnlich verhalten. Vielleicht waren es die wenigen klaren Momente, die er mit Kato erlebt hatte, die sie zusammengeschweißt hatten. Vielleicht war es irgendetwas anderes. Fakt war, dass er jetzt mit ihm zusammenwohnte. Irgendwie waren sie verbunden. Vielleicht hatte er ihm deshalb nicht erzählen wollen, dass er vorhatte Japan zu verlassen. Er hatte Angst gehabt, wie er reagieren würde. Dass es ihm egal sein würde. Die Reaktion, die er nun tatsächlich gezeigt hatte, hätte nicht gegensätzlicher zu seinen Erwartungen sein können. Die Frage war, ob das besser war. Konnte er Kato einfach so alleine zurücklassen, wo er doch gerade ins Leben zurückfand? Auf der anderen Seite war es auch Schwachsinn alles für ihn aufzugeben. Er hatte hart dafür gearbeitet. Und wer sagte ihm dass Kato nicht trotzdem rückfällig werden würde? Das Leben stellte keine Garantiescheine aus. Das musste auch Kato lernen ohne jedes Mal sein Leben wegzuwerfen. Außerdem würde er ja nach dem Studium erst einmal wieder kommen. Er betrat das Café und nickte Raphael kurz zu, der gerade die letzten Gäste abrechnete. Dieser grinste ihn schelmisch an – eine Geste die Kira nicht erwiderte. Schnell verschwand das Grinsen aus Raphaels Gesicht. Vermutlich ahnte er etwas. Kira zog sich einen Stuhl heran und setzte sich, um zu warten bis der Blonde fertig war. In diesem Moment kam Arakune aus dem Hinterzimmer. „Kira!“, rief sie erfreut und kam zu ihm herüber. „Wenn du was trinken willst bist du ein bisschen spät dran.“ „Deswegen bin ich nicht da.“ Sie setzte sich zu ihm an den Tisch. „Ist es wegen Kato?“ „Ja. Ich habe da noch ein Hühnchen mit Raphael zu rupfen… Kann sein, dass es ein wenig dauert bis Kato wieder hier aufläuft.“ „Kriegen wir schon hin.“ Sie lächelte ihn an und Kira war froh eine Frau wie sie zu kennen. „Ich bin sowieso erstaunt, wie viel dir an dem Kleinen liegt. Normalerweise investierst du nicht so viel in andere Menschen.“ „Da gibt es wirklich nur zwei. Aber in dich, liebste Arakune, würde ich auch ein kleines bisschen investieren.“ „Ich fühle mich sehr geehrt. Aber lass Raphael bitte am Leben, sonst bekomme ich wirklich Probleme hier…“ „Keine Sorge. Über die Mord-Phase bin ich hinweg. Ich verstehe nur nicht, warum er sich aufführt wie die letzte Schlampe.“ Er wählte bewusst eine weibliche Beleidigung. Das Verhalten das Raphael an den Tag gelegt hatte erinnerte ihn an eine eifersüchtige Mittelschülerin und nicht an einen erwachsenen Mann. „Er versteht nicht, was das mit Kato soll. Es geht an sein Ego. Du musst zugeben, dass dein Mitbewohner was Äußerlichkeiten und Qualifikationen angeht total gegen Raphael abstinkt.“ Da konnte er tatsächlich nicht widersprechen. Kato sah durch sein Lotterleben ziemlich zerstört aus. Viel zu dünn mit stumpfem Haar. Zwar wurde es langsam besser, aber es war immer noch ersichtlich, dass er sich nicht viel um seine Gesundheit geschert hatte. Durch das ständige Schulschwänzen hatte er kaum Allgemeinbildung. Aber er war nicht dumm. Das hatte Kira in der letzten Zeit gelernt. Wenn Kato nicht komplett unter Drogen stand besaß er eine große (emotionale) Intelligenz, auch wenn er das selbst nicht wusste. Er konnte sich gut in Situationen einleben. Er witterte wenn Gefahr im Verzug war. Er war schlagfertig. Er hatte einfach nie sein Potential erkannt und es stattdessen verrosten lassen. Es musste nur wieder erweckt werden und in sein Bewusstsein vordringen. „Theoretisch hast du Recht. Ich kann es selbst nicht erklären. Aber Tatsache ist, dass er mir wesentlich wichtiger ist als Raphael. Und wenn ich mich mal einer Person annehme kann ich so ein Verhalten wie das von Raphael nicht dulden.“ Arakune lachte auf. „Oh Kira. Du bist ja so ein Macho.“ „Ich weiß. Aber ich lebe ganz gut damit.“ „Frauen mögen Arschlöcher, die sich für sie wie Beschützer aufspielen.“ „Ich ignoriere was du damit sagen willst.“ „Haarfarbe- und Länge passen doch super…“ Er beschloss nicht näher darauf einzugehen. Zwar wusste er jetzt mit Sicherheit, was Kato für ihn empfand und wusste auch dass sie mehr als nur Freunde waren, aber gleichzeitig hatte er nicht das Gefühl, dass Kato und er so etwas wie ein Paar waren oder dass er sich wie Kato’s Freund benahm. Eher wie sein Kindermädchen. Er wusste nicht, was das zwischen ihnen war und er wollte sich zurzeit keine Gedanken darüber machen. Er konnte es sich nicht leisten sich jetzt in etwas reinzusteigern. Gefühle waren Ballast, den er vermeiden wollte. Wenn es dafür nicht schon zu spät war… Raphael war mit seiner Arbeit fertig und steuerte auf das Hinterzimmer zu, um seine Einnahmen zu zählen und sich umzuziehen. „Soo, da muss ich nun auch hin. Ich denke du kannst dich auch gut ein paar Minuten selbst beschäftigen?“ „Klar.“ Kira lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Er atmete tief durch und zwang sich an absolut nichts zu denken. Absolute Leere. Eine mehr als willkommene Auszeit von seinen Gedanken, die unaufhörlich ratterten und rasten. Er hatte lange dafür gebraucht diese Technik zu perfektionieren und ohne den Kampfsport wäre es ihm wohl nie gelungen. Ohne den Sport hätte er vermutlich auch nie seine ganze Wut kontrollieren können, die ihn mit fünfzehn dazu gebracht hatte zusammen mit Kato und den anderen etwaige Autos zu verschrotten, Lehrer zu beleidigen und Schlägereinen anzuzetteln. Einfach mal abschalten und vergessen hatte zu dieser Zeit noch bedeutet etwas oder jemanden zu zerstören.Kaum zu glauben dass ein wenig Bewegung und ein paar läppische Antemübungen bei so etwas Abhilfe schaffen konnten. Zumindest meistens. Er suchte den Streit nicht mehr. Was nicht bedeutete dass der Streit nicht manchmal ihn suchte... Raphael’s Schritte drängten sich in sein Bewusstsein und er öffnete langsam die Augen. Schade, noch ein paar Minuten mehr wären schön gewesen. Er streckte sich genüsslich während Raphael sich ihm gegenüber setzte. „Geht es um den Junkie?“, fragte er gerade heraus. „Um Kato, ja. Was zum Henker hast du dir dabei gedacht Raphael?“ Der Blonde verschränkte die Arme von der Brust und sah Kira mit einer Mischung aus Trotz und Verärgerung an. „Er wird ja wohl ein bisschen was vertragen können. Vor allem dann, wenn es die Wahrheit ist.“ „Erstens hast du keine Ahnung was für ein fragiles Gefüge Kato’s angebliche Stabilität ist und zweitens war vielleicht die Hälfte davon wahr und der Rest davon nichts als deine Einbildung!“ „Zum Beispiel?“ „Du wirst nie seine Stelle in meinem Leben einnehmen, Raphael. Mit Kato habe ich so viel erlebt, auch wenn er selten er selbst war. Er ist eine absolute Katastrophe, aber er gehört zu mir seit ich zwölf bin. Glaubst du das ändert sich nur weil du mir ein paar Briefe überbringst und wir ein paar Mal gefickt haben? Mehr als das war es nicht, Raphael. Das weißt du genauso gut wie ich. Nur weil deine kleine Affäre drüben mit Michael heftig daneben gegangen ist, bedeutet das nicht, dass du überall ungestraft dein Gift versprühen kannst.“ Raphael presste seine Kiefer aufeinander und starrte ihn nun mit unverhohlener Wut an. „Lass Michael daraus. Er hat mit der ganzen Nummer nicht das Geringste zu tun.“ „Sicher.“ „Kira, was soll das, hm?! Meinst du nicht der Kleine sollte das selbst klären?“ „Dem geht’s auch so beschissen genug. Ich dachte, dass gerade du das verstehen solltest.“ „Ich weiß gar nicht, warum ich dir den ganzen Mist anvertraut habe.“ „Weil selbst du unterkühltes Miststück mal mit jemanden reden musst.“ „Was dir ja offensichtlich scheiß egal ist.“ „Nicht unbedingt. Es ist ja nicht so, als hätten wir eine Scheiß Zeit gehabt. Es war nur einfach sau dumm von dir dich mit einer der zwei in Tokyo lebenden Personen anzulegen, die mir wirklich etwas bedeuten.“ „Das ist lächerlich.“ „Während dein Verhalten von unglaublicher Reife gezeugt hat.“ Genervt stieß der Blonde einen Schwall Luft zischend durch die Zähne aus. „Vielleicht war das ein Fehler. Aber ich verstehe es einfach nicht, Mann! Ich meine, vor ein paar Jahren noch, da war ich der Frauenheld schlechthin. Ich habe nicht ansatzweise darüber nachgedacht mal was mit einem Mann anzufangen. Dann kommt dieser verdammte Zwerg daher und dreht alles auf den Kopf. Ich komme hier her um einfach mal auf andere Gedanken zu kommen und treffe da jemanden, dem es ganz ähnlich zu gehen scheint. Ich liebe dich nicht, Kira. Nicht ansatzweise. Wahrscheinlich benutze ich dich genauso wie du mich. Aber das hat gut funktioniert. Und dann kommt so jemand daher und macht das alles wieder kaputt. Das pisst mich einfach tierisch an.“ „Kann ich verstehen. Das ändert aber nichts an der ganzen Sache. Hättest du dich von Anfang an deinen Dämonen gestellt hättest du das Problem jetzt nicht.“ Raphael lachte höhnisch auf und beugte sich ihm über die Tischplatte hinweg entgegen. „Ich bin hier an diesem Tisch nicht der Einzige, der sich mal ein paar Dämonen stellen müsste. Tu doch nicht so! Du bist genauso abgefuckt! Der einzige Grund, warum du rüber gehst ist weil du es hier nicht mehr aushältst. Du haust ab. Und deinen geliebten Blondschopf, den lässt du genauso zurück wie alles andere. Das hat nicht einmal was mit Alexiel zu tun. Die würdest du genauso ans Messer liefern.“ Kira’s Hände ballten sich unter der Tischplatte zu Fäusten. Er wusste dass Raphael Recht hatte. Zumindest, was die Ausgangssituation anging. Er hatte vorgehabt einfach abzuhauen. An Setsuna und Kato mochte er ein paar Gedanken verschwendet haben, aber nicht viele. Von ersterem hatte er geglaubt er würde schon klarkommen von letzterem, dass er ohnehin nicht mehr lange unter den Lebenden weilen würde. Jetzt war alles anders. Viel komplizierter. Er hatte sich das ganz anders vorgestellt. „Das mag am Anfang so gewesen sein. Aber… die Situation hat sich geändert.“ „Aber du wirst bei deinem Plan bleiben. Also solltest du dich nicht beschweren, wenn ich den Kleinen etwas aufrüttele. Denn du, mein Lieber, wirst derjenige sein, der ihn zerbricht.“ „Nicht, wenn ich es irgendwie verhindern kann. Ich erwartete trotzdem von dir, dass du ihn in Zukunft in Ruhe lässt. Ist das klar? Ich diskutiere auch nicht mir dir darüber, ob meine Motive gerechtfertigt oder ehrenhaft sind. Mag sein, dass ich genauso krank bin wie du. Was ich aber mit Sicherheit sagen kann ist folgendes: Wenn du noch einmal so einen Mist vom Stapel lässt, bist du dran. Ich putz mit deinem Gesicht meinen Fußboden.“ Raphael sah plötzlich verunsichert aus. Kira und er waren in etwa gleich groß und ähnlich kräftig. Nur war Raphael behütete aufgewachsen und hatte keinerlei Kampferfahrung. Kira erinnerte sich, dass Raphael einmal mitbekommen hatte wie er im Suff irgendeinen Spinner zusammengetreten hatte, der etwas gegen seine und Raphaels "Beziehung" gehabt hatte. Warum er den nicht einfach ignoriert hatte wusste er selbst nicht mehr. Die Erinnerung schien bei Raphael jedenfalls um einiges lebhafter zu sein, denn er lenkte ein. „Ich wusste nicht, dass es dir derart wichtig ist. Meinetwegen. Ich halte die Klappe, wenn er das nächste Mal hier auftaucht.“ „Mehr erwarte ich auch nicht.“ „Und jetzt?“ „Was mich angeht hat es diesen Vorfall nie gegeben. Das Gespräch auch nicht.“ „Ist mir Recht.“ „Gut. Ich muss jetzt auch wieder los.“ „Wir sehen uns.“ „Grüß Arakune von mir, was auch immer sie dahinten noch treibt.“ „Mach ich. Bis irgendwann.“ Als er das Café verließ und in den Sonnenschein trat fühlten seine Beine sich an als hätte man die Kniegelenke durch Pudding ersetzt. Er hoffte inständig, dass Raphael nicht bemerkt hatte wie sehr einige seiner Bemerkungen getroffen hatten. Er war sich immer bewusst gewesen, dass er emotional ein wenig unterkühlt war. Aber hatte er wirklich in Kauf nehmen wollen seinen besten Freund komplett zu zerstören? Setsuna war stark. Er brauchte ihn nicht so, wie Kato das tat. Alleine die Tatsache, dass der Junkie sich nur für ihn entschieden hatte mit den Drogen aufzuhören bewies doch, dass er auch zugedröhnt mehr für ihm empfand, als… ja, als was? Als was hatte Kira ihre Beziehung überhaupt gedeutet? Hatte er wirklich immer angenommen, dass er mehr investierte als Kato? Erst jetzt fing er an zu begreifen, erinnerte sich. Erinnerte sich an Kato, der von seinem Vater geschlagen, verzweifelt und oft durchnässt immer wieder an seiner Tür gestanden hatte. „Kira, hilf mir.“, hatte er gesagt, immer wieder und wieder. Wie hatte er darauf reagieren sollen? Meistens hatte er es als drogeninduziertes Gebrabbel abgetan und den Blonden ins Bett gesteckt. Am nächsten Tag hatte der Blonde immer vorgeben sich an nichts zu erinnern, hatte ihn zurückgewiesen, seine Mauer wieder aufgebaut und war verschwunden, um sich den nächsten Schuss zu besorgen. Was, wenn er sich an all das erinnert hatte und einfach davon ausgegangen war, dass es ihm, Kira, egal war? Es gab so viel, das er Kato in diesen Momenten hatte sagen wollen, aber nie gesagt hatte, weil er überzeugt war mit einer Droge zu sprechen. Wie oft hätte er Kato schon retten können, wenn nur nicht so auf sich selbst konzentriert gewesen wäre? Er würde das wieder gut machen. Auch wenn nicht mehr viel Zeit dazu blieb. Eines stand für ihn fest: England war sein nächstes Ziel, aber er würde Kato auf keinen Fall im Stich lassen. Wie er das eine mit dem anderen vereinbaren sollte wusste er selbst noch nicht, aber irgendwie würde er es schaffen. Was auch immer es war, was er für Kato empfand, es war stark genug um durch seinen Panzer aus Emotionslosigkeit zu brechen. Wie lange war es her, dass er das letzte Mal das Bedürfnis gehabt hatte jemandem zu helfen? Wie lange war es her, dass er jemanden so nah an sich heran gelassen hatte, dass er ihn nicht verlieren wollte? Lange hatte er solche Emotionen als behindernde Schwäche betrachtet. Aber jetzt wollte er sie nicht mehr aufgeben. Was sonst sollte ihn zum Menschen machen? Unglaublich dass es für diese Erkenntnis erst einen hoffnungslosen Junkie und eine eifersüchtige Blondine gebraucht hatte. Kira schüttelte über sich selbst den Kopf und zündete sich eine Zigarette an. Es wurde Zeit nach Hause zu fahren. Und tatsächlich hatte seine lächerliche kleine Wohnung seit Jahren das erste Mal etwas heimatliches, weil er wusste, dass dort jemand auf ihn warten würde. Soo, das war es erst mal wieder. Ich hoffe, es hat gefallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)