Strange World von MissBloodyEnd ================================================================================ Kapitel 17: Ein Hin und Her --------------------------- Nachdem unser kleines Gespräch von Sora Abschied unterbrochen worden war, hatte Sayachi kein weiteres Wort gesprochen.Sie hatte mich zwar umarmt, aber nichts gesagt. Das sollte jetzt kein Vorwurf an Sora sein! Stumm waren wir beide nachhause gefahren. Der Zug raste auf den Schienen, und schauckelte seine Insassen mächtig durch. Immer wieder prallten unsere Schultern aneinander. Ein flüchtiger Blick, und wir wendeten uns wieder ab. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte ihr versucht klarzumachen, dass mir nichts mehr an Mimi lag, hatte sogar gesagt, dass ich sie liebe. Trotzdem sprach sie nicht. Seufzend lehnte ich mich in meinen Sitz zurück. Warum ging eigentlich alles, was gerade so schön begonnen hatte in so kurzer Zeit den Bach runter? Lag das an mir? Hatte ich kein Glück verdient? „Nächster Halt: Stadtmitte. Ausstieg rechts.“ Um uns herum saßen gefühlte dreitausend Pärchen, die sich mit merkwürdigen Kosenamen bewarfen und versuchten ihre Gesichter in den Hals des anderen zu drücken. Mir wurde schon beim hinsehen flau im Magen. Saya und ich saßen zwar niemals so nebeneinander, aber unterhielten uns zumindest. Einmal hatte ich ihr dabei aus Versehen mal die Hand so durchgeknetet, dass sie vor Schmerzen aufschrie. Zu mehr waren wir beide in der Öffentlichkeit auch nicht bereit. Ich war generelle ein eher distanzierter Mensch, und auch Sayachi mochte es überhaupt nicht, wenn man an ihr klebte. Aber diese Situation war sogar für mich, einem total schüchternem Menschen, nicht tragbar. Wie gern hätte ich wenigstens einmal ihr Lächeln gesehen, nur um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist, dass ich mir keine Sorgen machen musste, das irgendwas nicht stimmen sollte.... Aber sie wand ja eiskalt ihren Blick von mir ab. Der Zug fuhr in die Stadtion ein und kam zum stehen. Viele Pärchen standen lächelnd auf und verließen den Wagon. „Izzy?“ Schnell drehte ich mich zu Sayachi. Sie hatte mich doch tatsächlich angesprochen. Ich sah sie durchdringend an. Rede mit mir, dachte ich und knetete meine Hände. „J- Ja?“ Sie wies auf die noch offene Tür und sah mich nervös an. „Du... Du musst doch raus, oder nicht?“, fragte sie und schaute wieder auf den Boden. Ich schluckte. Stadtmitte?... Scheiße, stimmte! Ich stürzte stolpernd aus der sich in wenigen Sekunden schließende Tür und fiel auf den kalten, schmutzigen Boden der Haltestelle. „Bitte treten sie zurück. Der Zug fährt ab“ Ich schnellte auf die Beine und drehte mich hastig um. Sayachi saß noch immer regungslos auf ihren Platz und sah mich mit einem glasigen Blick an. „Sayachi...“, murmelte ich und sah dem abfahrenden Zug hinterher. Mein Geist leerte sich, mein Körper stand noch eine ganze Weile an der selben Stelle. Warum waren denn jetzt schon ein so verkorkstes Paar? Warum konnten wir nicht, wie ganz normale Menschen, miteinander reden? „Wir sind nicht normal. Wir sind, wie die anderen es immer so schön ausdrücken, Freaks“ Das hatte Sayachi mal gesagt, als wir mal wieder draußen in der Sonne saßen, und einfach nichts taten, außer reden. Ja, reden konnten wir beide echt gut. Doch anscheinend war uns diese Fähigkeit binnen Sekunden entwischt. Bestimmt war es einem Freak wie mir einfach nicht vergönnt glücklich zu sein. Es sollte nicht sein. Als ich wieder zu mir kam wandte ich mich zum gehen. Es herrschte ein wildes Gedrängel auf den Gängen zum Zug. Haufenweise Geschäftleute, die sich auf den Weg zur Arbeit, oder zu Terminen machten. Ich ließ mich hin und her schubsen, ich war wie gelähmt. Ich war einfach viel zu sensibel, war viel zu verletzlich. Wahrscheinlich war ich auch viel zu naiv gewesen. Wie konnte ich auch glauben, dass mal was in meinem verdammten Leben klappte? Ich rannte sowieso von einer in die nächste Scheiße. „Platz da!“ „Aus dem Weg Kurzer!“ Seufzend ließ ich mich auf den Ausgang hin tragen. Ich hasste solche Momente. Ich war zu wenig Mann, um mich umzudrehen, zu ihr fahren und die Sache zu klären. Ich vergrub mich viel lieber in meinem Zimmer, setzte mich an meinem PC und wartete bis Gras über die Sache gewachsen war. Und ich wusste, genau das, würde ich jetzt auch machen. Aber hey, dieses Mal war ich doch eigentlich nicht der Schuldige oder? Ich meine sie hatte mich ja gefragt, ob ich noch an Mimi interessiert war. Schade, selbst diese Feststellung half mir nicht, mich besser zu fühlen. „Izzy!!!“ Meine Ohren vernahmen meinen Namen. Meine Füße gingen weiter. Ich hießen bestimmt noch andere Leute Izzy.... Okay, eher nicht. „Warte! I-Izzy!“ Sayachi... Sie war deutlich kleiner als ich. Ob man sie vielleicht nicht sogar niedertrampelte... Oh mein Gott, Sayachi! Ich drehte mich rasendschnell um und rettete sie gerade noch vor dem Umfallen. Ich packte sie am Arm und zog sie aus der Menge zu mir. „A-Alles Okay?“, fragte ich und begutachtete sie von allen Seiten. Sie nickte „Schon gut. Das hat man nun davon wenn man nur 1, 55 m groß ist...“, lachte sie und schob sich mit mir aus dem Gebäude, raus aus dem Gewühl aufgebrachter Menschen. „Warum bist du denn zurück gekommen?“ murmelte ich als wir draußen angekommen waren und löste mich von ihr. Betretendes Schweigen war eingetreten. „Ich möchte nicht, dass wir so anfangen. Ich wollte mich entschuldigen, dass ich dich gefragt habe, ob du noch was von Mimi willst. Das war dumm. Schließlich sind wir jetzt zusammen. Und – na ja...“ Ich drehte mich zu ihr um, und sah wie sie sich um Kopf und Kragen redete. Irgendwie ganz angenehm, mal jemand anderen schwitzen zu sehen. Sonst war ich ja immer derjenige, der mit den Worten rang. Sie strich sie eine Haarsträhne zurück und faltete ihre Hände. „Koushiro... Ich bin eine riesen Idiotin, und ich hab dich viel zu gern, um dich wieder gehen zu lassen. Vergiss einfach alles, was ich gesagt habe.“ Sie hampelte nervös herum und schlug einige Leute halb nieder. In Stresssituationen neigte Sayachi immer dazu den Kopf zu verlieren. Immerhin war sie Frau genug, um sich der Sache zu stellen. Im Gegensatz zu mir. Ich stand vor ihr wie ein feiges Huhn. Entschlossen, etwas dagegen zu tun, packte ihre in die Höhe geschossene Hand und zog sie in meine Arme. So hielt ich sie für bestimmt fünf Minuten. „Das ist gut oder?“, fragte sie verwirrt und tätschelte meine Schulter. „Frag mich das nie wieder klar!?“, forderte ich und schaute ihr ins halb wütend ins Gesicht. Sie nickte überrascht. „Du kannst ja voll den Herren raushängen lassen... Ich bin beeindruckt..“, meinte sie und klimperte mich angeregt an. Sofort verlor ich meinen Mut wieder und stand stammelnd vor ihr. Sie lachte mich prompt aus. Es war zwar schön, sie wieder fröhlich zu sehen, aber es schien mir, als hätte sie das ganze nicht wirklich ernst genommen. War das immer so? Man entschuldigte sich und dann war alles wieder schön? In meinem Magen breitete sich ein merkwürdiges Gefühl aus. Ich fühlte mich fast schon verarscht. Sie lächelte einfach weiter. Als wäre nie etwas gewesen. „Für dich scheint jetzt wieder die Sonne, was?“, fragte ich trocken und schaute ihr in die blauen Augen. Fragend legte sie den Kopf zur Seite und erwiderte meinen Blick. „W-Was meinst du?“ „Na ich mein, du lachst ja wieder. Ich hab dir verziehen. Alles wieder gut, stimmst?“ Ich kniff die Augen zusammen. Sayachi hob eine Augenbraue. „Was soll das denn?“, fragte sie und verschränkte die Arme. Ich war vielleicht kein Mensch von großen Reden, aber dennoch fand ich die Situation alles andere als geklärt. Ich konnte nach solch Sache nicht einfach weitermachen. Sie hatte mich gefragt, ob ich noch auf meine Ex stand! Das ging bei mir momentan gar nicht. Und es wegblasen ging auch nicht. Entweder sie hatte das nur gefragt, um mich zu testen, und es interessierte sie wirklich nicht, oder sie beschäftigte das wirklich und sie verbarg es einfach super gut hinter einem strahlenden Lächeln. Ich war sauer und verwirrt, wenn das überhaupt gleichzeitig ging. „Könntest du mir vielleicht mal erklären, was das ganze sollte? Weshalb fragst du mich den Schrott? Und warum nimmst du das jetzt alles so locker?“, zischte ich und wich einen Schritt zurück. Sie sah mich weiter an und und seufzte. „Das hatte ich dir bereits erklärt. Weil du dich so komisch verhalten hast, und ich manchmal das Gefühl hatte, du denkst noch an sie. Und was denkst du denn, soll ich jetzt machen? Mich sorgenvoll vor dich stellen und dich dreimal fragen ob du mir verzeihst? Macht für mich, irgendwie, keinen Sinn.“, sagte sie schnippisch und stemmte ihre Hände in die Hüften. „Du sollst es nicht immer für so selbstverständlich halten, dass man dir verzeiht. Außerdem muss ja schon irgendwas dahinter stecken, wenn du mich fragst!“, maulte ich zurück und sah sie böse an. Sie wich erschrocken zurück. Ich hatte sie anscheinend enttarnt. „Ich halte es absolut nicht für selbstverständlich, dass du meine Entschuldigung angenommen hast, zumal ich dir eine ziemlich gemeine Frage gestellt habe. Und natürlich hatte ich einen Hintergedanken. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich doch meine Klappe gehalten oder nicht?“ Sie brüllte schon beinahe und die Passanten um uns herum starrten uns nieder. Mir war es in dem Moment egal. „Doch das tust du! Du hast noch nicht mal etwas gesagt, als ich dir quasi verziehen habe. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit Danke?! Selbst Mimi konnte das!“, rief ich zurück und stockte. Hatte ich gerade ernsthaft Mimis Namen benutzt? Nein, das.. das hatte ich mir nur eingebildet oder? Sayachi sah mich erschrocken an und ließ die Kinnlage runterklappen. Ich klatschte mir auf den Mund und wich weitere Schritte zurück. Das war nicht wahr.. Ich hatte Mimi mit Sayachi bei einer ganz banalen Sache verglichen. Ich fühlte mich wie der schrecklichste Mensch auf der Welt. Vorsichtig lugte ich zu ihr herüber. In Sayas Augen hatten sich Tränen gebildet und sie zitterte. „So.. Mimi konnte das also auch, ja..? Na dann entschuldige. Tut mir Leid, dass ich nicht wie Mimi bin. Das ich nicht so groß bin wie Mimi, dass ich nicht solche großen Brüste habe wie Mimi, dass ich mich so schäbig benehme wie Mimi, dass ich mich nicht so schön bedanke wie Mimi. Tut mir Leid. Aber eines tut mir am meisten Leid. Das ich meine Zeit damit verschwendet habe, daran zu glauben, du würdest mich wirklich lieben.“ Sie hob den Kopf, holte tief Luft und schluckte sie herunter. Ihr liefen die Tränen über die Wangen. Ich stand stocksteif da, und begriff noch immer nicht, dass ich das dümmste in meinem ganzen Leben gemacht hatte. Ich hatte meine Freundin, mit meiner Ex verglichen. Das war die Todesstrafe. Würdevoll, wie Sayachi war, drehte sie sich erhobenen Hauptes um und schlich Richtung Bahn zurück. Ich riss den Arm hoch um sie aufzuhalten, wollte sie zurückrufen, aber aus meinem Mund kam kein Wort heraus. Selbst wenn etwas heraus gekommen wäre, wäre sie dann überhaupt stehen geblieben? Mir wurde schlecht und ich ließ den Arm wieder sinken. Ich hatte verloren. Ich hatte ihr das Herz gebrochen, ohne es zu wollen. Dabei wollte ich einmal hören, dass sie sich freute, dass ich ihr verzieh, dass sie sich freute, dass ihre Frage unbegründet war. Aber nun stand das Gegenteil im Raum. Wahrscheinlich hatte sie sich deswegen nicht anders benommen, weil sie mir mein „Nein“ nicht geglaubt hatte. Weil sie tief in ihrem Herzen wusste, dass ich eventuell wirklich noch nicht mit Mimi abgeschlossen hatte. Vielleicht hatte sie sogar recht. Wir hatten hier quasi eine Bestätigung. Ich hatte sie als besser dargestellt. Besser als meine Sayachi. War das ein Zeichen? Ich soll wohl wirklich nicht glücklich sein, dachte ich und ließ mich auf eine kleine Mauer hinter mir, um kurz einen klaren Gedanken fassen zu können. Die Umgebung spiegelte meine Laune exakt wieder. Umgekippte Mülleimer, besprühter Eingangsbereich, selbst die Pflanzen blieben nicht verschohnt, und waren von rebellischen Jugendlichen sorgfältig zerstört. Überall lag Erde und zerrissene Zeitung herum. Ein komplettes Chaos. Genauso wie mein Leben es nun wieder war. Sayachi war mittlerweile in der Menschenmenge verschwunden. Ob ich sie jemals wieder sprechen, küssen oder umarmen konnte, stand in den Sternen, die ich nicht lesen konnte. Seufzend ließ ich mein Gesicht in meine Hände fallen. Ich war am Boden, fertig. Ich hatte alles noch kaputter gemacht, als es sowieso schon war. Sie würde mich bestimmt hassen. Indirekt hatte Mimi ihr Ziel erreicht, ohne wirklich etwas dafür getan zu haben. Sayachi und ich waren nicht mehr zusammen. Genau das hatte sie uns geschworen. „Ich werde dafür sorgen das ihr nicht glücklich werdet. Ich werde euch auseinander bringen, dass schwöre ich euch!“ Wieder hallten mir ihre Worte im Ohr. Ich biss mir auf die Lippe und überlegte mir meine Vorgehensweise. Eins stand fest: Ich wollte Sayachi zurück! Zunächst sollte ich sie allerdings in Ruhe lassen, dachte ich und stand langsam auf. Wenn sie etwas für sich war, ließ sie sich sicher noch mal auf ein Gespräch ein. Ja. Dann würde ich sie anrufen, und alles mit ihr besprechen! Ja. Das würde werden. Sie liebte mich, ich liebte sie. Wir mussten einfach wieder zusammen kommen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)