Lächel' doch mal! von CuteAngel ================================================================================ Kapitel 6: Meine Mauer muss halten! ----------------------------------- Die restlichen Tage der Woche vergingen flugs und ohne irgendwelche Zwischenfälle. Ich wurde nicht aus dem Bett geklingelt und durfte an meinem Bürotisch bleiben. »Heute Abend?«, hakte Natasha pausenlos nach; ich nickte. Der Feierabend war schneller da - als gedacht - und so stand ich vor meinem Kleiderschrank, auf der Suche nach etwas bequemen und dennoch sexy. Schwere Entscheidung. Bruno - den ich manches Mal fragte, was er fand - antwortete bloß mit einem Kopfzucken und verschwand schließlich in seinem Körbchen. Nicht gerade eine tolle Hilfe. Am Ende entschied ich mich für eine dunkelblaue Jeans und einem Hüftgürtel, der genau die richtigen Stellen betonte, und dazu ein passendes Top mit einem Ausschnitt, der verboten gehörte. Heute würde ich Feiern! Eine Stunde später saß ich mit Natasha und ihrem Journalisten – sehr charmant – in der Bar. »Sagte ich nicht, perfekt!«, rief sie mir zu, denn die Musik war manches Mal zu laut. Eigentlich dauerhaft; der Club war eigentlich purer Käse, dennoch nickte ich. Meine Augen suchten den Raum ab, während ich gedankenverloren am Glas nippte. Ohne es zu wollen, suchten meine Augen nach einem gewissen Mann, den ich eigentlich nicht hier finden sollte – alles andere wäre verkorkst. Es wäre verrückt! ‚Emilia du bist verrückt!’ Dennoch tat ich es, trank für diesen Gedanken das Glas leer und bestellte mir gleich noch einen Cocktail. Ich musste vergessen. Wenn ich es selber nicht schaffte, die Bilder in meinem Hirn so tief es ging zu verbergen, musste Alkohol her. Natasha verschwand mit ihrem Freund – wofür ich sie beneidete – auf der Tanzfläche. Eine Weile beobachtete ich die beiden und musste einsehen, so viel Glück würde ich nie haben. »Hi!«, weckte mich eine männliche Stimme. Überrascht schaute ich hinter mir. Ein Mann lächelte mich an; ich lächelte perfekt gekünstelt zurück. »Alleine?« Ich schüttelte meinen Kopf und deutete mit dem Kopf auf die Tanzfläche. Er nickte und setzte sich auf den freien Stuhl neben mir. Irgendwas gefiel mir nicht. Mein Magen zog sich unweigerlich zusammen und mein Alarmsystem ging los. Ich schaute mich nach dem Kellner um - der dieses Mal Ewigkeiten für einen einfachen Cocktail brauchte – und rollte mit den Augen. »Ein Drink, ich lad’ dich ein.« Zu meiner Überraschung standen bereits zwei Gläser vor mir. Aus einem nippte er mit einem sonderbaren Lächeln. Skeptisch betrachtete ich das Glas. Ganz böse Erfahrung von Fremden etwas anzunehmen, hingegen war es unhöflich; also nahm ich das Glas erst einmal an. »Danke.« Ich musste schließlich nicht trinken. »Ich sehe dich zum ersten Mal hier.« Ich nickte abermals. Er kam also öfters her; kein gutes Zeichen - Ein Schürzenjäger! »Kein Durst?« »Ach...«, mir fiel keine Ausrede ein – verdammt, »Ich genieße.« Die Augen des Mannes flammten auf. Mist! – Am Ton vergriffen. Ich biss mir auf die Lippen; zu meinem Bedauern machte ihn das auch noch an. Er rückte näher; ich rutschte weiter von ihm. Ein Blick auf seine Hose bedeutete nichts Gutes. Ich konnte gar nicht so viel Essen, wie ich wieder auskotzen wollte. »Genießen ist gut«, hauchte er. Gott! Der wollte mich tatsächlich abschleppen; stand auf meinem Kopf ‚Frei Wild’? Ich grinste; er tat es mir gleich. »Das finde ich auch«, antwortete ich und fügte in meinen Gedanken hinzu, ‚Nur nicht mit dir.’ Geistesabwesend nippte ich am Glas; zu spät fiel es mir ein, dieses zu unterlassen. Ich stellte es vor mir auf den Tisch. Wenigstens hatte ich nun getrunken und er könnte mich nicht zwingen, alles zu trinken. Urplötzlich drehte sich mein Magen. Komisch, dabei hatte ich erst zwei Drinks. Meine Augen suchten nach Natasha und ihrem Freund. Sie waren irgendwo unter diesen – unendlich vielen - Menschen. »Ich muss mal!«, sprang ich auf und lallte fast. Der Boden bewegte sich. Ich drängte mich durch die – beschissene – Menge; eine unheimliche Hitze strömte aus mich heraus. Mein Top - sowie meine Jeans - klebte an meiner Haut. Eben noch konnte ich den Zusammensturz mit einem Paar verhindern. Die Tür zur Damentoilette kam immer näher; meine Sicherheit! Aus heiterem Himmel packte mich jemand am Handgelenk. Entsetzt drehte ich mich um. Dieser Mann war mir gefolgt. »Wohin des Weges?«, seine Stimme hatte eine bedrohlichen Unterton. Ich versuchte mich loszureißen; alle Kraft war aus meinem Körper gewichen. Mein Magen schlug Loopings. Der Gedanke zu schreien, blieb in meiner Kehle stecken. Bevor ich etwas machen konnte, zog er mich aus dem Club. Keiner drehte sich nach mir um. Meine Augen suchten nach Natasha. Ich startete einen weiteren Versuch mich zu befreien; ich würde den Türsteher auf mich aufmerksam machen. Zu meinem Entsetzten lief er nicht Richtung Ausgang, sondern verschwand hinter einer Tür mit der Aufschrift: ‚Zutritt verboten.’ Ich zerrte an meinem Handgelenk. Sein Griff wurde fester; ich stöhnte auf. »Hoffentlich stöhnst du gleich genauso, Kätzchen!« Schlagartig brach die Panik aus. Mein Blick wurde nebelig; pausenlos musste ich blinzeln. Der Schleier legte sich nicht. Mein Mund fühlte sich trocken an; etwas blockierte meine Stimme. Ich schaffte es nicht zu schreien. Was war los mit mir? Ich kniff die Augen zusammen. Ein Knall durchschnitt die Luft; der Griff um mein Handgelenk löste sich. Kräftigte Arme schlangen sich um mich und zogen mich an eine starke Brust. Ich drückte meine Hände gegen diese stahlharte Brust. Blinzelnd versuchte ich den Mann zu erkennen. Blonde Haare blitzten auf, in dem sich manches Mal das Licht verfing. Fluchend stand der Andere auf und stürmte auf meinen Beschützer zu. Dieser parierte den Angriff – trotz mir in seinen Armen; er wollte mich per tu nicht frei gebe - und schlug zwischen die Schultern des Mannes. Stöhnend krachte er zu Boden und rührte sich nicht. Der Lärm lockte das Personal an. »Was ist passiert?!«, brüllte der Türsteher. Verdattert setzte ich mehrmals an, was zu sagen; aber mir blieben die Worte stecken. »Da dachte sich ein Arsch, er könnte sich durch K.-o.-Tropfen ein Nummerchen verschaffen!« Diese Stimme kannte ich doch! Steif wie ein Brett, drehte ich mich zu meinem Beschützer um, der mich weiterhin in seinen Armen – starken Armen - hielt. Smaragdaugen betrachteten mich. Mit einer lockeren Handbewegung ging sich Alessandro durch die Haare. »Alles in Ordnung?« Ich nickte. Der Türsteher packte sich den Mann; keuchend ließ er sich von dem bulligen Türsteher aus das Lokal befördern. »Verfolgen sie mich?«, rutschte es mir raus; panisch es laut gesagt zu haben, knallte ich meine Hände auf den Mund. Das Erste – was ich endlich sagte – war so ein Mist. Er lachte und hielt mir seinen Arm zum Einhaken hin. Wäre mein Zustand nicht so verschwommen gewesen, ich hätte abgelehnt; so war ich jedoch mehr als dankbar. Dennoch würde ich es ihm nicht zeigen; besser war das. »Ein wenig«, gestand er mir; wir betraten den Club. Das Neonlicht blendete mich, die Hitze erschlug mich und die Musik dröhnte mit voller Wucht auf mich ein. Alessandro lotste mich durch die Menschenmenge und ich atmete – erleichtert – auf. Die frische Nachtluft war um längen besser, als das stickige Etwas. »Dann haben sie keinen besucht, letztes Mal?« »Das war nicht gelogen«, korrigierte er mich, »Ich kam gerade von dem Besuch.« »Aha.« Wir schlenderten in einem Park. Langsam kroch die Kälte durch meine Sachen. Voll geschwitzt nahmen sie den Wind bestens auf. Alessandro zog seine Lederjacke aus und legte sie über meine Schultern. Überall klebte sein Duft; ich wurde regelrecht gezwungen ihn ein zu atmen und er roch einfach köstlich. »Danke, dass sie mich gerettet haben«, erinnerte ich mich viel zu spät, mich noch nicht dafür bedankt zu haben. »Gern geschehen.« Wir setzten uns auf eine Bank im Central Park. Am anderen Ende ragten über die Baumkronen die riesigen Skyscraper. »Warten sie«, bat er mich und verschwand in der Nacht. In meinem Kopf ließ ich das Geschehende Revue passieren; zischend massierte ich mir den Nasenrücken. Mein Kopf spielte Technoparty. In wenigen Minuten kam er mit zwei Bechern zurück. Einen reichte er mir. Der Duft von Kaffee kroch mir in die Nase; begierig nahm ich diesen in mir auf. Ein beruhigendes Gefühl. »Finden sie es nicht merkwürdig mit ihrer Sekretärin Freitagabends in einem Park zu sitzen?« ‚Was rede ich für einen Scheiß?!’ Ich presste meine Lippen - für die Dummheit meiner Worte - aufeinander. Zu meiner Verwunderung lachte er. »Sollte es merkwürdig sein?« »Vielleicht.« Ich nippte am Becher. Die bräunliche Flüssigkeit wärmte mich von Innen heraus. Ich zog die Jacke enger an mich. Sein Duft war herrlich. Wie konnte ich den Schweißgeruch eines Mannes – nichts anders war es doch – so faszinierend finden? »Ich werde mich das nächste Mal daran erinnern, wenn es noch einmal dazu kommt.« Ein Schmunzeln huschte über meine Lippen, was ich im Bechern untergehen ließ. ‚’Nächstes Mal’, als ob es das gäbe...’ »Sie sollten häufiger so Lächeln.« Blinzelnd starrte ich ihn an. Zu meinem Glück erhellte nur eine Laterne diese Bank und er konnte meine Überraschung nicht klar vom Gesicht lesen. »Das sagten sie schon einmal«, antwortete ich nüchtern. ‚Ganz ruhig, Lia.’ »Vielleicht tun sie es dann auch, wenn ich es noch öfters sage.« »Vielleicht.« Ich nippte an meinem Kaffee. Meine Gedanken ließen den Abend stetig Revue passieren; mehrmals fragte ich mich, wie es zu der momentanen – absurden - Situation kam. Woher sollte mein Chef wissen, dass mein Lächeln nicht echt war? Er kannte mich nicht! Und dennoch wusste er es. Ich kontrollierte meine Mauer; bis auf meinen verletzten Stolz, nichts. »Sind sie wieder in sich gekehrt?« Ein Arm legte sich um meine Schultern; ohne darüber nachzudenken lehnte ich meinen Kopf gegen seine Brust und lauschte seinem Herzschlag. Der gleichmäßige kräftige Ton ließ mich Müde werden. Ich blickte zu den Skyscrapern und schloss meine Lieder... Für nur eine Minute... Wirklich nur eine Minute... Wirklich... Benommen weckte mich die Sonne auf dem Gesicht. Muffelig zog ich mein Kissen über das Gesicht. Ich hasste den Morgen! Es roch anders. Es roch nicht nach mir; es roch nach... nach... – nach Mann! Entsetzt sprang ich auf. Ich lag alleine in einem riesigen Bett mit herrlichem Ausblick auf die New Yorker City. Die Wände bestanden aus einer Fensterwand. Zwischen den Häusern war die Sonne längst aufgegangen. Ich war nicht in meiner Wohnung! Panisch sprang ich aus dem Bett. Statt meiner Sachen trug ich ein Männerhemd. Ordentlich lagen meine Klamotten auf einem Stuhl. Durch die Zimmertür hörte ich Geräusche. Auf Zehnspitzen schlich ich hinaus. Ich lief einen schmalen Flur entlang und stieg die Stufen hinab. Zwischen den Stufen erkannte ich eine Küchennische. Alessandro schlürfte aus seiner Tasse; die Ellenbogen auf der Theke und lächelte mir zu. Diese Wohnung war so offen, dass sie ein Anschleichen – oder Verstecken - nicht zuließ. Ich stand direkt im Wohnzimmer, musste nur um die Treppe gehen und war bereits in der Küche. »Kaffee?«, fragte er lächelnd – bezaubernd; Mist, was dachte ich da? - und schüttete schon längst das bräunliche Zeug in eine Tasse. Dankend nahm ich an. Zu meiner Verwunderung hatte er ihn sogar gesüßt, da ich das Zeug bitter hasste. »Ihre Wohnung?« Meine Augen suchten jeden Winkel ab. Ich schlenderte ins Wohnzimmer; an der Zimmerwand hing ein riesiger Flachbildschirm – kein Vergleich zu meinem Kleinen. Selbst hier waren mehr Fenster, als Wände, und zeigten die Stadt von ihrer besten Seite. Ich wollte gar nicht wissen, wie teuer das Teil war. Bis ich mir das leisten konnte, müsste ich das Geld scheffeln. Ich kniete mich auf den Sessel und legte meine Arme auf die Lehne, um besser die Stadt zu beobachten. »Frühstück?« Ich nickte; viel zu fasziniert war ich von dieser Aussicht. Schließlich löste ich mich von dem hinreißenden Anblick und wurde direkt darauf mit einem besseren belohnt. Alessandro mit nichts bekleidet außer einer Pyjamahose, die passend zu meinem Oberteil wirkte. Mein Verstand brauchte zwei Sekunden, um eins und eins zusammen zu zählen. Automatisch schoss mir die Röte ins Gesicht. Flugs nippte ich an der Tasse. Ich setzte mich auf einen der metallischen Stühle, die – trotz ihres Aussehens – bequem waren und betrachtete den gedeckten Tisch. Alessandro machte sich nicht die Mühe, sich ein Hemd überzuziehen und da er – verdammt noch mal – gegenüber saß, hatte ich einen perfekten Blick auf seine – gut durchtrainierte - Brust. Gestern Nacht durften meine Hände es bereits spüren, was meinen Augen nun erlaubt war zu sehen. ‚Konzentrier dich auf das Essen!’, ermahnte ich mich und griff nach dem Toast. Eine befremdende Vorstellung mit seinem Chef am Frühstücktisch zu sitzen. Keiner wagte was zu sagen, worüber ich froh war. Jedes falsche Wort würde mein Herz zum sprengen bringen. Mein Magen zog sich mit jedem Bissen zusammen und ich musste ihn anbetteln, es nicht hinaus zu befördern. »Ich sollte mich langsam anziehen und nach Hause gehen«, zwang ich mich zu sagen, obwohl ich eigentlich etwas anders wollte. Allerdings redete ich mir ein, Bruno wartete auf mich, und das war noch nicht einmal gelogen. »Wenn sie das müssen, dann müssen sie«, fiel seine Antwort aus. Für einen Moment glaubte ich - vermutlich redete ich mir das auch nur penetrant ein – er wollte, dass ich bliebe. »Sie können sich im Schlafzimmer umziehen.« Er wippte mit dem Kopf in die Richtung; ich nickte und erhob mich vom Stuhl. Leise schlich ich die Stufen hinauf und betrachtete jedes noch so kleine Detail. Bis jetzt hatte ich kein Foto von der Freundin gefunden; vielleicht hatte er keine. Mein Herz machte einen Sprung. ‚Was denke ich da, Lia!’, verärgert biss ich mir auf die Lippen. Flink zog ich mich an und stand wenige Minuten später, angezogen vor ihm. »Der Bus hält direkt vor der Tür«, erklärte er und stellte seine Tasse ab. Er begleitete mich zur Haustür. Wir verharrten viel zu lange - seine Hand umklammerte die Klinke - dann öffnete er die Tür. »Wir sehen uns im Büro.« Ich nickte und schulterte meine Tasche. Ich ging zwei Schritte – Gott, ich musste verrückt sein – ruckartig drehte ich mich um, stellte mich auf Zehnspitzen und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. ‚Eigentlich nichts besonders, oder?’ Ich gehörte eh in die Klapse! Bevor ich das Ausmaß meiner Tat begriff, wollte ich aus dem Apartmentblock verschwunden sein. Ich war gerade Mal zwei Schritte gegangen, da packte er mich am Handgelenk und zog mich zurück. Stolpernd landete ich in seine Arme. Meine Tasche rutschte von der Schulter, was mir in diesem Moment egal war. Seine Hände schnellten hervor und hielten mein Gesicht fest. Ehe ich ein Wort von mir geben konnte, lagen samt weiche Lippen auf meinen. Berauschend beschrieb es nicht dermaßen, wie es sich anfühlte. In meinem Magen tobten mindestens dreißig tausend Schmetterlinge; wenn nicht noch mehr. Als er sich löste – zu meinem Bedauern - hielt ich die Augen geschlossen, um den Moment zu genießen. Ich musste ihn festhalten, bis die reale Welt abermals zuschlug. Seine Stirn stieß leicht gegen meine. »Kann ich sie heute Abend wieder sehen?«, hauchte er tonlos; gleichwohl jagte es mir eine Gänsehaut durch meinen Körper. Eine harmlose Frage – für mich von unschätzbarem Wert – ich nickte einmal. Meine Stimme würde versagen, sollte ich sie benutzen. Er küsste mich auf die Stirn, dann torkelte ich den Flur zur Bushaltestelle entlang. Selbst mit Bruno herumziehen, brachte keine Linderung. Die Risse in meiner Mauer waren zu groß; das würde Tage dauern bis sie repariert waren, jedoch wollte ich das? Gedankenverloren schlenderte ich durch die Straßen. Zu meiner Überraschung tänzelte ich und genoss das Leben in vollen Zügen. Mrs. Dewes begegnete mir auf dem Weg und lächelte mir zu: »Sie sehen glücklich aus, Miss Walter.« Ich antwortete mit einem Lächeln – zu meiner Verwunderung war es ehrlich. »Genießen sie endlich das Leben.« »Mehr oder weniger«, murmelte ich; gelogen war es nicht, denn je länger ich über die Sache nachdachte - die passiert war - desto mehr überkam mich ein schrecklicher Gedanke. Sich mit seinem Chef einlassen, waren einige Dinge im Leben, die man nie tun sollte. Er war immerhin mein Chef. Was würde mit mir passieren, wenn es nicht klappt? Er hatte mich in der Hand? »Geht es ihnen nicht gut?«, weckte mich die alte Frau. Ich schüttelte meinen Kopf. »Nein, mir ist nur gerade was eingefallen.« Auch wenn der kurze Moment schön war; es würde nicht lebenslang andauern. Also musste ich meine Mauer – mein Schutzschild – wiederum aufbauen. Auf dem Heimweg begann ich die Risse zu reparieren. Leise schloss ich meine Haustür; wie üblich schlürfte Bruno am Wasserdampf und verzog sich in sein Körbchen. Ich suchte im Kühlschrank nach einigen Resten. Pausenlos spielte sich in meinem Kopf die morgige Situation ab. Den Gedanken - er wollte sich mit mir treffen - verband ich in die Tiefen meines Verstandes. Das Klingeln meines Telefons riss mich aus meiner Gedankenwelt. Benommen hob ich ab und meldete mich wie immer. »Emilia?«, hörte ich Alessandros Stimme; unweigerlich musste ich schlucken. »Ja?« »Soll ich sie heute Abend um zwanzig Uhr abholen?« Ich kniff die Augen zusammen. Ich hatte nur einmal im Leben solch eine Chance, einen hinreisenden Mann zu finden, anderseits war er verboten. Mit geschlossenen Augen und ruhiger Stimme sprach ich aus, was mein Herz zusammen zog: »Es... Es passt doch nicht. Bruno scheint es nicht gut zu gehen und ich möchte ihn dann nicht alleine lassen; ich lasse ihn so oft alleine. Vielleicht ein anders Mal.« Ich biss mir auf die Unterlippe; wie leicht es mir doch fiel zu lügen. Eigentlich sollte ich mich schuldig fühlen; aber meine Mauer leistete hervorragende Arbeit. Auf der anderen Seite blieb es stumm. ‚Wieso sagt er nichts?’ Minuten – eine halbe Ewigkeit – verging, da nahm ich seine Stimme war: »Dann sollten sie wirklich zu Hause bleiben. Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich dem Kleinen sein Frauchen nicht gönne.« Auch, wenn er einen Scherz versuchte, seine Stimme klang verbittert. ‚Nichts anmerken lassen!’, redete ich mir ein. Wir verabschiedeten uns; das Besetztzeichen schallte mir entgegen. Ich drückte es mit dem Kopf weg. Fluchend ging ich mir durch die Haare und schlang die Arme um mich. Tief atmete ich durch. Dummheit beschrieb sich hervorragend mit einem Namen – meinem Namen: Emilia. Seufzend schmiss ich mich auf die Couch, zog die Füße an und vegetierte vor mich hin, indem das Fernsehprogramm lief. Das eben getane, musste ich verdrängen – tief verdrängen - bis in den schwärzesten Winkel meines Hirns. _____________________________________________________ Dieses Material wird von Jessica Monse urheberrechtlich geschützt. Jede Widerabschrift oder Vervielfältigung sind verboten und illegal. © Jessica Monse 2009 http://www.jessicamonse.de/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)