Inner conflicts von ChiaraAyumi ================================================================================ Kapitel 18: Silence ------------------- Montag, Januar 01, 1945 5:22 P.M. Die erste Eule kam am späten Nachmittag am nächsten Tag. Hermine blickte verwirrt hoch als sie das leise Klopfen am Fenster hörte. Erst konnte sie es nicht zuordnen, dann erkannte sie den Waldkauz, der auf dem Fenstersims hockte. Riddle war noch nicht wieder aufgetaucht, aber sie hatte lauten Krach aus dem Gemeinschaftsraum gehört, was sie darauf schließen ließ, dass irgendein Möbelstück seinem Wutausbruch zum Opfer gefallen war und wenn er sich noch nicht beruhigt hatte, hatte sie auch keine wirkliche Lust mit ihm zu reden. Sie stand auf und öffnete das Fenster. Falls das Post für Riddle war konnte die Eule sich gefälligst verziehen. Doch der Brief, den die Eule im Schnabel trug, war an sie adressiert. Sie nahm den Brief und verscheuchte den Waldkauz mit einer Handbewegung, damit sie das Fenster wieder schließen konnte und sich wieder in ihre Festung aus Decken und Kissen verziehen konnte. Erst als sie sich dort wieder eingekuschelt hatte, untersuchte sie den Brief. Es war kein Absender auf dem Brief also musste sie den Brief notgedrungen öffnen. Schon als sie die ersten Worten gelesen hatte ließ sie angewidert den Brief fallen. Er war von Blaise, der nun auf anderem Weg versuchte Kontakt mit ihr aufzunehmen. Hermine wollte seine Geschichte nicht hören. Wütend darüber das Blaise nicht aufgab rollte sie sich wieder auf Riddles Bett ein. Sie lauschte auf ihre Atemzüge, denn sonst war es völlig still im Zimmer. Sie versuchte ihre Gedanken an irgendetwas zu heften, doch sie glitten immer wieder zurück zu den Geschehnissen in der gestrigen Nacht. Zephir und Avery, Blaises Verzweiflung, Riddles Wut. Doch Hermine war es so leid sich Gedanken darüber zu machen und aus all dem ein Sinn zu gewinnen. Es schien ihr immer unmöglicher die Vergangenheit zu ändern und wenn sie die Vergangenheit nicht verändern konnte, welchen Zweck hatte das alles hier noch? Wer sagte, dass ihre Mission von Anfang an überhaupt funktioniert hätte? Sie war nicht Harry. Sie war nicht auserwählt. Über sie hatte nie irgendjemand eine Prophezeiung angefertigt. Hermine seufzte und rollte sich tiefer in die Bettdecke ein. Sie vergrub ihr Gesicht in Riddles Kissen, das nach ihm roch. Seinen Duft saugte sie in sich auf. Es wäre soviel einfacher, wenn sie nichts über die Vergangenheit wüsste. Wenn sie wirklich aus Frankreich kam und sich hier in den Schulsprecher verliebt hatte. Wenn alles zuviel wurde konnte sie einfach zu ihrer Familie nach Frankreich zurückkehren und alles hinter sich lassen. Sie würde nicht das Gefühl haben, dass sie völlig versagt hatte und alles aussichtslos geworden war. An der Scheibe klopfte es wieder leise. Hermine hatte nicht mal Lust sich umzudrehen. Sie wusste auch so, dass es eine weitere Eule war. Blaise würde nicht so schnell aufgeben. Aber was konnte er schon sagen? Er hatte Ron ermordet. Mehr gab es zu dieser Geschichte nicht zu sagen. Sie wollte nichts darüber hören. Aber irgendwie war sie auch ein wenig dankbar, denn sie war dabei gewesen ihr Ziel aus den Augen zu verlieren. Sie war dabei gewesen ihre Freunde zu vergessen. Wäre die Wahrheit über Blaise nicht ans Licht gekommen, hätte sie einfach alles vergessen. Beinahe hatte sie sich an ihr Leben hier in der Vergangenheit gewöhnt. Ihre Auseinandersetzungen mit Riddle, die gemeinsamen Stunden mit Blaise im Raum der Wünsche, die Spontanbesuche von Sophie. All das war zu ihrem Alltag geworden und sie hatte es wirklich nicht schlecht gefunden, wenn es dabei geblieben wäre. Hermine seufzte und rollte sich auf die andere Seite. Sie gehörte nicht hierher. Dieser Gedanke versetzte ihr einen gewaltigen Stich, denn sie musste sich eingestehen, dass alles in ihr bleiben wollte. Sie wollte nicht in ihre Gegenwart zurückkehren, wo ein Krieg herrschte und Menschen, die ihr etwas bedeuteten, einfach getötet wurden. Sie wollte nicht zurückkehren in eine Welt ohne Ron, denn sie glaubte nicht daran, dass sie noch die Kraft besaß etwas an seinem Schicksal zu verändern. Das Klopfen an der Scheibe wurde immer lauter. Hermine wünschte sich, dass sie ihren Zauberstab dabei gehabt hätte, dann hätte sie einen Schalldämpferzauber ausgeführt und hätte ihre Ruhe dadurch gehabt. So zog sie die Decke über den Kopf und versuchte die ganze Welt auszublenden. Draußen war es schon längst wieder dunkel und als der Regen einsetzte und rhythmisch gegen die Scheibe prasselte, wurden Hermines Augen immer schwerer bis sie schließlich zufielen. Der Regen hatte den Vorteil, dass die Eulen ihre nervige Mission ihr Blaises Briefe zuzustellen erst einmal unterbrochen und sich ins Trockene geflüchtet hatten. Ihr wäre es am liebsten, wenn sich die Briefe im Regen auflösen würden, aber da es Pergament war, würde das nicht so schnell passieren. So hoffte sie, dass der Regenschauer für immer anhielt und sie ihre Ruhe haben konnte. Ihr Magen grummelte ein wenig, denn das letzte, was sie gegessen hatte, waren die Sandwichs gewesen, die Sophie ihr mitgebracht hatte bevor sie gegangen waren, um sich das Feuerwerk anzusehen. Das war bereits fast einen ganzen Tag her und langsam überschattete das Hungergefühl alle anderen Gefühle. Hermine fragte sich, ob Riddle sie völlig vergessen hatte und sie hier verhungern lassen würde. Sie hatte seit Stunden nichts mehr von unten gehört. Entweder er verhielt sich vollkommen still im Gemeinschaftsraum oder er war im Schloss unterwegs. Während sie darüber nachdachte, was Riddle wohl treiben würde, übermannte sie der Schlaf endgültig und zog sie zurück in eine bekannte Traumwelt. Schon beim Anblick des brennenden Hogwarts fragte Hermine sich wie oft sie diesen Traum schon geträumt hatte. Er fing immer gleich an, doch er hatte sich den Monaten immer weiter verändert. In ihrem letzten Traum hatte sie sich geopfert, um Riddle vor Zephir zu beschützen. Wie würde der Traum dieses Mal enden? Sie drehte sich zu Riddle um, der den Zauberstab auf sie gerichtet hatte und auf sie zuschritt. Sie zog ihren eigenen Zauberstab. Nicht um ihn gegen Riddle zu richten, aber um bereit für Zephirs Angriff zu sein. Wieder nahmen Riddles Augen und die darin liegende Wärme sie völlig ein. Er ließ seinen Zauberstab sinken und sie stürzte in seine Arme, in denen sie sich geborgen fühlte. Doch ließ sie ihren Zauberstab dieses Mal nicht fallen. Als Riddle sie küssen wollte, sah sie wieder Zephirs Spiegelbild, der sich von hinten angeschlichen hatte. Sie entzog sich Riddles Umarmung und drehte sich zu Zephir um, damit sie ihn stoppen konnte bevor er den Todesfluch sprechen konnte. Doch als Hermine sich umdrehte veränderte sich die Szenerie ihres Traumes. Sie befand sich nicht mehr auf dem Hügel vor dem brennenden Hogwarts, sondern jetzt war sie auf dem Astronomieturm. Eiserne Ketten hielten sie gefangen und schnitten ihr in die Haut. Zephir stand lachend vor ihr, trat dann einen Schritt auf sie zu und beugte sich soweit vor, dass er in ihr Ohr flüstern konnte. Sie war angewidert von ihm und wollte weg, doch ihre Fesseln erlaubten ihr keine Bewegungsfreiheit und so musste sie seine Nähe ertragen. „Wen liebst du mehr?“, flüsterte Zephir ihr ins Ohr. Seine Stimme klang sanft und freundlich, doch das diabolische Grinsen in seinem Gesicht strafte ihn Lügen. „Du kannst nur einen retten!“ Hermine war verwirrt. Was meinte er damit? Zephir lachte und wies nach rechts und links. Sie folgte seiner Handbewegung mit den Augen und entdeckte auf der einen Seite Riddle, der von Avery bedroht wurde und auf der anderen Seite Ron, der von Blaise in Schach gehalten wurde. „Du kannst nur einen retten“, wiederholte Zephir seine Worte. „Also wähle!“ Ihre Augen wanderten von Riddle und Ron hin und her. Sie rief sich in den Kopf, dass alles nur ein Traum war. Doch ihr Herz war schwer und sie wusste nicht, ob sie im Wachleben diese Entscheidung hätte treffen können. Ron oder Riddle? „Ich kann auch beide vom Turm werfen lassen“, sagte Zephir mit einem Schulterzucken. „Ich zähle bis drei und wenn du bis dahin keinen Namen nennst werden beide dran glauben.“ Hermine warf einen schnellen Blick zwischen den beiden hin und her. „Eins!“ Sie wollte nicht mit ansehen, wie beide in den Abgrund stürzten. Sie wollte sich aber auch nicht entscheiden. Sie liebte beide. Nur wen liebte sie mehr? „Zwei!“ Ihr Herz traf dann eine Entscheidung für sie. Sie konnte es nicht ertragen Ron wieder sterben zu sehen. „Drei!“, sagte Zephir, während Hermine zeitgleich den Namen des Weasley brüllte. „Ging doch“, meinte der Ravenclaw nur und gab mit einer Handbewegung Blaise den Befehl Ron von der Brüstung zu stürzen. Wieder musste Hermine mit ansehen, wie ihr Freund starb. Sie schrie auf und wehrte sich gegen ihre Fesseln. Zephir lachte laut und finster auf. „Ups das war wohl der Falsche.“ Hermine wachte schweißgebadet und schwer atmend wieder auf. Ihr Gesicht und auch das Kopfkissen waren nass. Sie zitterte am ganzen Körper und musste die Arme um sich selbst schlingen. „Beruhig dich“, flüsterte sie sich zu. „Beruhig dich. Es war nur ein Traum.“ Doch das Zittern wollte nicht aufhören und sie begann wieder zu weinen. Ihr Herz schien wieder zu zersplittern und in all seine Einzelteile zu zerbrechen. Der seelische Schmerz raubte ihr den Atem und drückte sie nieder. Warum musste sie Ron immer und immer wieder verlieren? Sie ertrug das nicht mehr. Sie wollte, dass es aufhörte. Dass der Schmerz ein Ende fand. Hermine zwang sich tief ein- und auszuatmen. Es half ein wenig. Das Zittern wurde schwächer und ihre Tränen versiegten langsam. Ein grausamer Traum. Da hatte sie für eine Sekunde gedacht, dass sie den Traum unter ihrer Kontrolle hatte und dass sie bestimmen konnte wie er ausging und dann hatte sich alles verändert. Sie hatte den Boden unter den Füßen verloren. Sie war diejenige gewesen, die in Wahrheit den Astronomieturm heruntergestürzt war. Alles war schief gelaufen. Und plötzlich wurde ihr klar, was ihr Unterbewusstsein ihr versucht hatte mitzuteilen. Etwas, das sie schon längst gewusst hatte, aber in letzter Zeit immer weiter nach hinten verdrängt hatte. Ließ sie Riddle leben, würde Ron in der Zukunft sterben. Und tötete sie Riddle, würde Ron überleben. Es gab keinen Weg um beide zu retten. Sie musste eine Entscheidung treffen. Sie konnte sich nicht in einem Kissenberg verstecken und versuchen die Welt auszublenden. Das würde nichts am Ausgang der Geschichte ändern. Hermine musste wieder zu ihrer alten Stärke zurückfinden. Da drang der Geruch von Essen an ihre Nase und ihr Magen knurrte laut. Erschrocken schlug Hermine mit der Hand auf ihren Bauch, um das Knurren zu unterdrücken, doch es war eh niemand hier im Raum, der es gehört haben könnte. Trotzdem war es ihr so laut vorgekommen, dass sie fast sicher war, dass es Riddle unten im Gemeinschaftsraum gehört hatte. Scheinbar war er zumindest im Zimmer gewesen als sie geschlafen hatte, denn auf dem Nachttisch stand ein ganzes Tablett voll Köstlichkeiten. Da waren nicht nur ein Haufen belegte Brötchen, sondern auch eine Schüssel Kürbissuppe, ein kleiner Salat, ein Pudding und eine Tafel Schokolade. Sie konnte gleich über ihren Traum nachdenken. Hungrig schlang Hermine hastig ein Brötchen herunter bevor sie sich verschluckte und husten musste. Sie war so ausgehungert gewesen. Sie durfte es jetzt nicht übertreiben. Langsamer aß sie das zweite Brötchen und löffelte dann die Suppe. Ihre ganze Konzentration legte sie aufs Kauen und Herunterschlucken, denn sie wollte gar nicht weiter über ihren Traum grübeln. Aber sie würde es tun müssen, denn ihr Traum hatte ihr die bittere Wahrheit gezeigt. Sie konnte nicht weiter in der Vergangenheit leben und darauf hoffen, dass sich alles von selbst zum Guten wenden würde. Sie konnte aber auch nicht in die Zukunft zurückkehren ohne etwas verändert zu haben. Hermine musste eine klare Entscheidung treffen und sie wusste bereits wie sie aussehen würde. Ihr Traum hatte ihr gezeigt, was ihr wichtiger war oder anders was ihr Herz nicht mehr ertragen konnte. Sie konnte dem Schmerz von Rons Verlust nur auf eine Art und Weise ein Ende bereiten und das bestand – so wie es schon von Beginn an gewesen war – nur darin Riddle zu töten. Hermine hatte keine andere Wahl. Ihre Gefühle für Riddle könnten ihn vielleicht ändern und möglicherweise würde das ausreichen, um die Zukunft zu ändern, aber sie musste sich zu hundert Prozent sicher sein, dass Ron überleben würde. Also musste sie Riddle töten. Nachdem Hermine ihre Entscheidung gefällt hatte, fühlte sie sich unendlich traurig. Sie hatte wirklich geglaubt, dass es ihr ausreichen würde daran zu glauben, dass ihre Gefühle für Riddle genug waren. Aber es reichte ihr nicht aus. Ihr Glaube war nicht genug. Sie musste sich absolut sicher sein, dass es Ron gut gehen würde. Sie wollte den Schmerz seines Verlustes nicht weiter ertragen. Es fühlte sich wie ein Rückschlag an. Dabei war es bloß die Rückkehr zu ihrem alten Plan. Sie hatte sich nur etwas vorgemacht. Es würde jetzt nur viel härter werden nachdem sie sich schon eingestanden hatte, dass sie Riddle liebte. Doch da war in ihrem Herzen immer noch die Liebe und Hingabe zu Ron und diese war stärker. Ron war nicht nur die Liebe ihres Lebens gewesen, sondern er war auch ihr bester Freund neben Harry. Sie hatte soviel zusammen durch gestanden. Ihre Beziehung zu Ron war einfach auf einem ganz anderen Level als es die zu Riddle jemals sein würde. Das konnte sie nicht opfern nur weil sie einer Hoffnung nach hing, die sich ebenso schnell als Irrglaube erweisen konnte. Hermine blieb dabei. Riddle musste sterben. Anders würde es nicht gehen. Sie musste sich wieder aufraffen und ihrem alten Plan nachgehen. Das Problem war sie war immer noch eingesperrt. Sie versuchte die Tür zu öffnen, doch Riddle hatte nicht vergessen die Tür wieder zu verschließen. Also musste sie einen anderen Weg finden, um an der Umsetzung ihres Plans zu arbeiten. Sie musste etwas tun. Sie sah sich um und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das hier war Riddles Zimmer. Sie hatte es schon mal durchsucht auf der Suche nach seinem Tagebuch, doch sie hatte dabei auf nichts anderes geachtet. Aber irgendwo hier würde sich nichtsdestoweniger ein Hinweis finden lassen, der ihr die ganze Geschichte zwischen Riddle und Zephir erklären würde. Oder ein Hinweis auf Riddles Pläne. Irgendetwas würde sie hier finden, dass ihr eine ihrer vielen Fragen beantworten könnte. Während die Sonne ihre ersten Strahlen durch das Zimmer schickte und den neuen Tag anbrechen ließ, begann Hermine alles aus den Regalen und Schubläden zu reißen. Nur Minuten später herrschte um sie herum das komplette Chaos. Falls Riddle beschloss genau in diesem Augenblick nach ihr zu sehen würde er einen Tobsuchtsfall bekommen. Doch Hermine war das gleichgültig. Sollte Riddle doch kommen. Er würde sie nicht töten. Sie war längst sein Schwachpunkt geworden. Diesen Teil ihres Planes hatte sie schon verwirklicht. Sobald sie hier raus kam würde sie sich um die Horkruxe kümmern. Dann war Riddle verwundbar und es fehlte nur noch der letzte Teil ihres Planes. Sie schluckte schwer, wenn sie daran dachte, dass sie ihn töten musste. Das würde alles von ihr abverlangen und würde sie wahrscheinlich völlig zerstören. Aber es musste geschehen. Nicht nur Ron wegen sondern auch für all ihre anderen Freunde. Hermine konzentrierte sich wieder daran den Stapel Pergament durchzusuchen, der verstreut auf dem Fußboden lag. Sie nahm sich die Zeit und las alles genau durch. Vieles davon waren bloß alte Hausaufgaben, die ihr erneut zeigten wie wortgewandt und klug Riddle war. Er war aber auch sehr vorsichtig und zeigte sein wahres Gesicht nicht. Kein Wunder, dass niemand ihn in Verdacht hatte. Riddle schien wirklich übervorsichtig zu sein. Hermine hatte nicht erwartet, dass er eine Art Todessertagebuch führte, indem er all seine Gedanken niederschrieb, aber sie war enttäuscht, dass sie auf den ersten Blick nichts finden konnte. Wieder einmal ärgerte sie sich, dass sie vergessen hatte ihren Zauberstab mitzunehmen. Sie konnte den Raum so nicht auf magische Verstecke untersuchen. Aber so schnell würde Hermine nicht aufgeben. Das Zimmer war groß genug und sie würde jeden Zentimeter doppelt und dreifach untersuchen. Hermine war so vertieft in ihre Arbeit, dass sie zuerst gar nicht die Rückkehr der Eulen bemerkte. Erst nach einiger Zeit hörte sie das Klopfen gegen die Fensterscheibe und die vereinzelten Rufe der Eulen, die sich alle auf dem Fenstersims niedergelassen hatte. Jede wollte ihren Brief loswerden und so stritten sie untereinander, während sie immer wieder versuchten sich bemerkbar zu machen. Hermine seufzte als sie die Schar Eulen entdeckte. Ihr Problem mit Blaise hatte sie wieder verdrängt gehabt, doch selbst in ihrem Traum war er als der Mörder von Ron in Erscheinung getreten. Sie ignorierte die Rufe der Eulen und wand sich wieder dem Chaos auf dem Fußboden zu. Sie hatte bereits den größten Teil der Notizen durchgesehen. Alles was sie als unwichtig erkannt hatte, räumte sie zurück in die Schubläden, um mehr Ordnung zu schaffen. Sie beschloss als nächstes seine Bücher durchzuschauen. Möglicherweise befand sich darin ein Notizzettel oder er hatte sich etwas an den Rand notiert. Jede Kleinigkeit könnte ihr helfen alles zu verstehen, denn auch wenn sie sich entschieden hatte Riddle zu töten, so wollte ein Teil von ihr immer noch begreifen, warum Riddle war wie er nun mal war. Sein Büchergeschmack ging immer knapp vorbei an schwarzer Magie, aber er hatte trotzdem einige interessante Bücher mit brisanten Themen in seinem Zimmer. Da waren viele fortgeschrittene Lehrbücher zu Zaubertränken aber auch zu Angriffszaubern. Ein Buch war darunter, dass sich ausführlich mit Folterflüchen aus dem Mittelalter beschäftigt bei dem Hermine würgen musste, weil die Illustrationen zu anschaulich waren. Sie zwang sich trotzdem es komplett zu lesen, aber nirgendwo hinterließ Riddle eine Notiz. Und dann war da sein Okklumentikbuch. Riddle trug es häufig bei sich oder las darin. Wenn sie irgendwo fündig werden sollte, dann müsste es in diesem Buch sein. Hermine wollte es gerade aufschlagen als plötzlich etwas in das Zimmer schoss. Die Eulen hatten ihre Streitereien untereinander inzwischen aufgegeben und hatten angefangen den Riegel des Fensters von außen zu bearbeiten, den sie langsam zurückschoben. Kaum war der Fensterspalt breit genug schossen die ersten Briefe in das Zimmer hinein und im nächsten Augenblick sprang das Fenster endgültig auf, womit die Eulen in den Raum hinein flogen. Alles was Hermine noch auf dem Boden liegen hatte flog durcheinander und sie fluchte laut, während die Eulen endlich ihre Briefe zustellten. Sie scheuchte die Eulen hinaus, die sich bereitwillig vertrieben ließen. Ihren Job hatten sie schließlich jetzt erledigt. Danach schob Hermine die Briefe beiseite und versuchte wieder Ordnung zu schaffen. Gerade griff sie wieder nach dem Okklumentikbuch als ihr etwas Rotes ins Auge fiel. Ein weiteres Mal fluchte sie leise, denn sie wusste genau was das war. Blaise hatte ihr einen Heuler geschickt. Ohne Zauberstab würde sie dieser Sorte Brief nicht entkommen können. Der Umschlag begann bereits zu kokeln und Hermine konnte sich denken, dass Riddle definitiv nicht darüber erfreut sein würde, wenn sie eine Explosion in seinem Zimmer verursachen würde. Also atmete sie tief durch und versuchte sich gegen das zu wappnen, was auch immer in diesem Brief stehen würde bevor sie ihn vorsichtig öffnete. Im nächsten Augenblick verwandelte sich der Brief in eine Art Mund und erfüllte den Raum mit Blaise Stimme. „Hermine, ich weiß du willst mich nicht sehen und auch nicht hören was ich sagen zu habe. Und wer könnte es dir verdenken? Du hast keinen Grund mir jemals wieder zu vertrauen. Dafür hast du jeden Grund mich für den Rest deines Lebens zu hassen und zu verachten. Daran werde ich nichts ändern können, aber ich bitte dich trotzdem dir meine Geschichte anzuhören. Es tut mir unendlich leid, dass ich dich auf diese Weise zwingen muss dir alles anzuhören, aber ich muss wissen, dass du zumindest einmal meine Sicht der Dinge gehört hast. Danach kannst du mich soviel hassen wie du willst und du musst auch nie wieder mit mir sprechen. Ich werde dich in Ruhe lassen. Das verspreche ich dir. Ich habe lange überlegt, wo ich mit meiner Geschichte anfangen soll. Ich entschied mich dazu mit meiner Mutter zu beginnen. Du kennst wahrscheinlich wie viele andere auch die Gerüchte, dass die sieben Ehemänner meiner Mutter – darunter auch mein Vater – alle auf mysteriöse Weise umgekommen sind. Ich kann nicht leugnen, dass meine Mutter etwas damit zu tun hatte. Aber sie ist per se kein schlechter Mensch. Sie interessiert sich einfach nur für ihre Schönheit und ihren Reichtum. So war sie seit ich denken konnte, aber sie war trotz allem immer für mich da, wenn ich sie wirklich gebraucht habe. Du fragst dich sicher bereits was meine Mutter mit der ganzen Sache zu tun hat. Du musst wissen einer ihrer Ehemänner war ein Todesser. Meine Mutter selbst war nie eine Anhängerin der Todesser. Der Reinblutstatus war für sie wichtig, aber dafür in den Krieg ziehen und zu riskieren, dass sie eine Narbe davon trägt war nichts für sie. Aber in der Zeit des ersten Krieges gegen den dunklen Lord hatte sie einen seiner loyalsten Todesser geheiratet und so sichergestellt auf der Seite der Sieger zu stehen, aber kaum war der dunkle Lord verschwunden war sie seiner überdrüssig geworden und er starb auf ebenso mysteriöse Weise wie all die anderen. Als der dunkle Lord zurückkehrte, fürchtete sie seinen Zorn und zog sich zurück. Erst passierte nichts. Wir hofften längst, dass er sich nicht darum kümmern würde, dass es ihm gleichgültig war. Schließlich waren viele Todesser in seiner Abwesenheit verstorben oder getötet worden. Doch in meinem siebten Schuljahr in den Weihnachtsferien standen sie eines Tages vor der Tür unseres Anwesens und verlangten Einlass. Meine Mutter öffnete ihnen, obwohl sie sich fürchtete, doch sie hoffte, dass sie mit ihrer Schönheit und ihren Charme alle bezirzen konnte, sodass man sie wieder in Ruhe ließ. Aber die Todesser kamen nicht um den Tod von einem von ihnen zu rächen, sondern sie kamen wegen des Vermögens meiner Mutter. Ein Krieg muss finanziert werden und auch wenn viele der Todesser aus reichen und alten Familien kamen und sie dazu bereit waren ihr Vermögen dem dunklen Lord zur Verfügung zu stellen, gibt es genug, die nicht bereit sind ihr ganzes Vermögen aufzugeben. Daher kam ihnen meine Mutter in den Sinn, die ein immenses Vermögen besitzt und die man leicht mit dem Tod ihres Ehemanns erpressen konnte. Meine Mutter gab ihnen nicht besonders bereitwillig ihr Geld und so entschied man mich als Geisel zu nehmen, um zu gewährleisten, dass meine Mutter weiter zahlte. Ihr drohte man an mich zu töten und mir sagte man, dass meine Mutter ihren achten Ehemann nicht überleben würde. Ich weiß nicht welcher Todesser sie geheiratet hat, aber man wollte sichergehen, dass man weiterhin über ihr Geld verfügen werden könnte. Ich wurde nicht als Geisel behandelt sondern als Gast, denn mein Status als Reinblütler schützte mich vor Folter oder Gefängnis. Ich konnte mich recht frei bewegen und durfte nach kurzer Zeit auch wieder nach Hogwarts zurückkehren. Doch dann kam die Nacht der Schlacht in Hogwarts. Ich hatte das Pech in Amycus Carrow zu laufen, der sich noch genau daran erinnern konnte, dass ich eine Geisel war. Er wollte, dass ich blieb und kämpfte aber ich weigerte mich. Also setzte er den Imperiusfluch gegen mich ein und befahl mir jeden zu töten, der sich dem Schulleiterbüro nähern würde. Wahrscheinlich hatte er zu dem Zeitpunkt erfahren, dass Harry Potter im Schloss war und der dunkle Lord mit seinen Todesser auf dem Weg war. Was so wichtiges im Schulleiterbüro war, hatte er mir nicht gesagt. Ich versuchte mich gegen den Fluch zu wehren, da ich nicht die Absicht hatte für die Todesser gegen meine Schulkameraden zu kämpfen. Aber meine Sorge um meine Mutter lähmte mich weit genug, sodass ich nicht den nötigen Willen hatte, um mich endgültig dem Fluch widersetzen zu können. Als in der Nähe etwas explodierte und ich von Trümmern getroffen, war ich froh, dass ich ohnmächtig wurde. Es war viel Pech und ein dummer Zufall, dass ich in dem Augenblick wieder zu mir gekommen bin, als du und Weasley den Gang entlangkamst. Ich wollte euch warnen, aber stattdessen kam der Todesfluch über meine Lippen. Ich kann nicht einmal in Worte fassen wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe. Ich war schockiert über das was passiert war. Der Schock und das Entsetzen reichten aus um die Kontrolle über mich selbst zurückzuerlangen und ich rannte blind drauf los. Einfach weg von diesem Grauen. Ich konnte nicht glauben, dass ich zu so etwas fähig gewesen war. Dass ich einen Menschen getötet hatte. Aber ich hatte es getan. Ich hörte wie du mir nachgesetzt bist und ich habe mich versteckt. Dann sah plötzlich die Umgebung ganz anders aus. Und vor mir baute sich eine Lehrerin auf, die ich noch nie gesehen hatte, die mich zu einem Schulleiter brachte, den ich ebenfalls noch nie gesehen hatte. Du erkanntest mich nicht als den Todesser, der Weasley getötet hatte und ich konnte mir schnell zusammenreimen, dass wir in der Vergangenheit gelandet waren. Ich stand immer noch unter Schock und ich konnte zu Beginn nicht anders als mich in alte Verhaltensmuster zurückzuflüchten und viel Alkohol zu konsumieren, um alles vergessen zu können und schlafen zu können. Doch es ging nicht. Ich hatte es immer wieder vor Augen, konnte nicht vergessen, dass ich in der Zukunft einen Menschen töten würde. Konnte es nicht ertragen dir in die Augen zu schauen und darin deinen Kummer widergespiegelt zu sehen. Es war unerträglich. Und dann eröffnest du mir, dass es einen Weg gibt alles zu verändern, indem wir Riddle töten. Am Anfang hielt ich es für eine Schnapsidee, aber nach nur kurzer Zeit erkannte ich, dass du Recht hattest und ich auf diese Weise rückgängig machen konnte, was geschehen war. Das war auch der Grund warum ich es dir nie erzählt habe. Ich hatte immer gehofft, dass wir Erfolg haben würden und wir in die Zukunft zurückkehren würden und alles gut sein würde, denn ich hab dich immer weiter lieb gewonnen und wollte irgendwann nicht mehr nur die Zukunft für mich selbst verändern, sondern dir auch deinen Kummer nehmen. Natürlich wusste ich, dass ich es selbst nie vergessen würde und es mich mein ganzes Leben lang verfolgen würde. Das würde meine Buße sein. Doch die Wahrheit kommt immer heraus und nun weißt du alles. Ich kann nur hoffen und beten, dass du mich verstehen wirst, aber ich kann die Tatsache nicht verändern, dass ich Weasley getötet habe. Ich wünschte ich könnte es. Ich wünschte ich hätte mehr Willenskraft gehabt. Ich wünschte ich wäre nicht Carrow begegnet. Aber es sind alles leere Wünsche. Es gibt nur einen Weg alles ungeschehen zu machen. Und ich hoffe du verstehst warum ich unseren Plan nicht aufgeben kann. Es tut mir alles so unendlich leid, aber ich kann jetzt nicht umkehren. Ich kann nicht zurück in diese Zukunft. Ich flehe dich an. Bitte versteh mich ein wenig und vielleicht kannst du mir eines Tages all meine Sünden vergeben. Dein dich liebender (angeblicher) Bruder Blaise Zabini PS. Ich weiß, dass der Imperiusfluch sich nach einer typischen 08/15 Todesser-Ausrede anhört. Inwieweit du mir glaubst oder nicht, überlass ich ganz dir. Aber denk an unsere gemeinsame Zeit und ob du dir wirklich sicher bist, dass ich dazu in der Lage bin jemanden zu töten.“ Hermine hatte gar nicht realisiert, wann sie angefangen hatte zu weinen. Sie hatte Blaises Geschichte nicht hören wollen. Ein Teil von ihr hatte gewusst, dass er eine vernünftige Erklärung für das Geschehen hatte. Und deswegen hatte sie es nicht hören wollen. Es war soviel einfacher ihn zu hassen für den Mord an Ron, als Verständnis für ihn zu haben. Jetzt konnte sie Blaise nicht mehr hassen. Sie wusste genau, dass er ihr die Wahrheit gesagt hatte. Sie hatte es in seiner Stimme gehört, welche Überwindung es ihn gekostet hatte ihr diese Geschichte zu erzählen und er hatte Recht. Sie musste nur an ihre gemeinsame Zeit denken und schon fiel es ihr immer schwerer in ihm nur den Mörder Rons zu sehen. Er hatte sie belogen und die Wahrheit vor ihr verborgen und sie nahm ihm das weiterhin übel, aber sie konnte ihn nicht hassen. Verzeihen würde sie ihm trotzdem nicht so schnell. Mit der Wahrheit war jetzt alles viel schwerer für Hermine. Die Wahrheit war eine Bürde. Blaise hatte ihr schon einmal gesagt, dass er jemanden im Krieg verloren hatte und sie verstand jetzt, dass er sich selbst damit gemeint hatte. Sie schluchzte laut auf, während der Brief sich in seine Einzelteile zerlegte und in tausend Stückchen auf den Fußboden regnete. Hermine hielt immer noch das Okklumentikbuch in der Hand und sie schlug es auf, um sich abzulenken, um nicht weiter über Blaise nachdenken zu müssen und was seine Worte bedeuteten. Schon auf der ersten Seite wurde sie überraschenderweise fündig. Jemand hatte eine Widmung für Riddle in das Buch geschrieben. „Damit du das Dunkle und Abscheuliche im Menschen besser erkennen und dich davor schützen kannst.“ Darunter war mit den Initialen Z. C. unterzeichnet worden. Zephir hatte Riddle dieses Buch geschenkt, aber was hatte er mit seinen Worten gemeint. Das half ihr nicht eine ihrer Fragen zu beantworten, sondern warf im Gegenteil eine neue auf. Bevor Hermine weiter darüber grübeln konnte, hörte sie Schritte, die sich der Tür näherten. Auf Riddle war sie in diesem Augenblick überhaupt nicht vorbereitet. Ihr Gesicht war immer noch tränenverschmiert und sie saß mitten in all seinem Hab und Gut, während um sie herum verstreut Briefe und Briefreste lagen. Dazu war sie physisch völlig durcheinander durch ihre Entscheidung Riddle töten zu wollen und Blaises Brief. Definitiv kein guter Moment für den Slytherin um aufzutauchen. Doch sie konnte ihn nicht davon aufhalten und so öffnete sich wenige Sekunden später die Tür. Er hatte wieder ein Tablett voll Essen dabei, aber er stoppte sofort, als er das Chaos in seinem Zimmer erblickte. Er wollte ansetzen, um ihr die Leviten zu lesen, doch plötzlich schwankte er und ließ das Tablett fallen. Hermine sprang auf und wollte zu ihm eilen, um zu sehen, was mit ihm los war, doch sie erstarrte in der Bewegung. Sie verstand was Blaise gemeint hatte, als er gesagt hatte, er musste an ihrem Plan festhalten, da er nicht mehr umkehren konnte. Hermine trat erschrocken einen Schritt zurück und sah zu wie Riddle in sich zusammensank, während er sich mit schmerzerfülltem Gesicht an die Brust griff. Er litt furchtbare Schmerzen, doch sie würde ihm nicht zur Hilfe kommen. Dann schaute er auf und sah ihr direkt in die Augen. Erstaunen, Erkenntnis und Zorn spiegelte sich in einer raschen Abfolge in seinen Augen wieder. Er hatte erkannt, dass sie wusste, was mit ihm geschah. Dass sie alles wusste. Hatte sie jemals eine Chance gehabt ihn zu verändern und ihn zu Gefühlen zu befähigen, so hatte sie diese nun für immer verspielt. Es gab nur noch einen Weg um alles zu beenden. Hermine nahm Reißaus bevor Riddle wieder aufstehen und seinen Zauberstab ziehen konnte. Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück. So wie Blaise es gesagt hatte. Sie konnten nicht mehr umkehren. Es ging nur noch weiter vorwärts auf ihr Ziel zu. Sie musste Riddle töten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)