Volle Kraft voraus von cooking_butty (Drei Götter in Weiß) ================================================================================ Kapitel 13: Zuhause ist es doch am schönsten -------------------------------------------- Nachdenklich betrachtete Jan das silberne Schmuckstück, das noch immer an seinem rechten Ringfinger steckte. Weder Dirk noch Rod hatten je von ihm verlangt, den Ring abzulegen. Und um ehrlich zu sein, hatte er auch nie daran gedacht, das zu tun. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er war es schon so gewohnt, diesen Ring zu tragen, dass er ihn gar nicht mehr bemerkte. Seine beiden Freunde wussten, wie viel ihm Elizabeth bedeutet hatte. Sie wussten aber auch, dass der Rettungsarzt es nie zulassen würde, dass sie das Gefühl hatten, in ihrem Schatten zu leben. Sie war einfach nur über zwanzig Jahre lang an seiner Seite, achtzehn Jahre lang seine Ehefrau gewesen. Vorsichtig schob der Blonde das Schmuckstück von seinem Finger. Fast hätte er erwartet, dass er irgendetwas Besonderes dabei fühlen würde. Etwas, wie Verrat oder Verlust oder… ach, er wusste nicht einmal, was er hätte spüren können. Aber nichts geschah. Warum sollte es auch? Elizabeth war schon lange tot, er hatte genug um sie getrauert. Es war nun an der Zeit, einen Neuanfang zu wagen. Vorsichtig, um seinen Kreislauf zu schonen, stand Jan von seinem Krankenbett auf, nahm den Infusionsständer als Stütze und ging zu dem schmalen Wandschrank, in dem seine Sachen untergebracht waren. Behutsam und mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen legte er den Ring in das Münzfach seiner Geldbörse. Gerade als der Rettungsarzt wieder zurück unter die Bettdecke geschlüpft war, kamen auch schon Rodrigo und Dirk durch die Tür. „Na du?“, begrüßten ihn die beiden und setzten sich zu ihm auf’s Bett. „Wie geht’s dir? Hat Tobias schon gesagt, wann du entlassen wirst?“, hakte der Chilene nach, nachdem er seinem Freund einen sanften Kuss aufgedrückt hatte. Wie groß dieses Krankenhaus auch sein mochte, unter dem Personal kannte hier jeder jeden. So war auch Doktor Tobias Grüne, Jans behandelnder Arzt, kein Unbekannter für die beiden Schwarzhaarigen. „Wenn keine Komplikationen mehr auftreten, dann in drei Tagen.“ Dem Größeren war die Freude über diese Nachricht wirklich anzusehen. Kein Wunder, er war ja nun schon acht Tage im Krankenhaus, wo er das doch überhaupt nicht mochte. „Und, hast du schon irgendwas geplant, wenn du wieder zu Hause bist?“, wollte dann Dirk wissen und nahm Jans rechte Hand in seine. „Ich werd mich auf alle Fälle mal entspannen.“ Während der Größere geantwortet hatte, war dem Schwarzhaarigen etwas aufgefallen. Wie üblich hatte er über den Handrücken seines Freundes gestreichelt, doch seine Finger konnten den kühlen Ring nicht mehr ertasten. „Sach mal…“ Der Ältere ließ die Frage unausgesprochen. Der Rettungsarzt wusste auch so, wovon er sprach. Nur Rodrigo musste sich mit einem Blick erkundigen, was denn nun so besonders an Jans rechter Hand war. „Hey, wo ist denn…?“, stieß er dann verwundert aus. Die beiden Schwarzhaarigen wussten, dass der Dritte in ihrem Bunde dieses Schmuckstück noch nie abgelegt hatte. „Nun, ich dachte…es war an der Zeit, ihn abzulegen“, erwiderte Jan verlegen und zog seine Beine an sich, sodass er nun im Schneidersitz auf dem Bett saß. Er konnte nicht verhindern, dass seine Wangen einen rötlichen Schimmer bekamen. „Du weißt aber schon, dass er uns nie gestört hat, oder? Also zumindest mich nicht“, meinte Dirk und drückte seinen Freund einen überschwänglichen Kuss auf die Schläfe. „Mich selbstverständlich auch nicht“, fügte Rodrigo hinzu und umarmte den blonden Patienten. „Danke, aber wie gesagt, ich dachte einfach, es wär an der Zeit. Ich hab lange genug getrauert, hatte genügend Zeit, Lizzys Tod zu verarbeiten und nun habe ich sogar zwei Menschen gefunden, die mich hoffentlich bis ans Ende meiner Tage lieben“, erwiderte dieser grinsend. „Wo wir grad bei Veränderungen sind, ähm…also…“ So euphorisch wie er auch begonnen hatte, so verunsichert brach Jan seinen Satz ab. Waren sie überhaupt schon soweit? Durch die Worte neugierig gemacht, ließen ihn die jedoch nicht so einfach davon kommen. „Was ist los? Spuck’s aus!“ – „Was wolltest du denn sagen?“ fragten sie auch schon nach. „Nun ja, also…ich hab mir letztens gedacht…also…um ehrlich zu sein, in der Nacht, in der Mario mich gefesselt und geknebelt hat und mir gesagt hat, dass ich das Ganze nicht überleben werde, da hab ich mir gedacht, was ich, nein, was wir alles noch nicht gemacht haben und was ich alles nicht mehr erleben könnte, wenn ich da jetzt wirklich sterben würde. Jedenfalls denke ich, das Leben ist zu kurz, um es unnötig zu verschwenden und da mein Haus ja sowieso groß genug ist…lange Rede, kurzer Sinn: wollt ihr bei mir einziehen?“ Schüchtern blickte der Hüne seine beiden Freunde an, die dieser Vorschlag sprachlos gemacht hatte. Und sie schienen ihre Sprache auch nicht so schnell wiederzufinden. „Okay, ich geb’s zu, es war eine dumme Idee, schließlich kennen wir uns ja dann doch nicht so lange und wer weiß, ob wir uns überhaupt –“, doch weiter kam der Blondhaarige nicht, denn er wurde in eine stürmische Umarmung verwickelt, die ihn vor sämtlichen Schmerzen aufkeuchen ließ. „Aber natürlich wollen wir bei dir einziehen!“ – „Das ist die beste Idee, die ich je gehört habe!“ – „Aber nur, wenn wir ein größeres Bett besorgen.“ – „Was sagt denn Karin dazu?“ – „Oh, scheiße, haben wir dir weh getan?“ – „Tut’s sehr weh?“ sprachen die beiden in einem wilden Durcheinander. „Geht schon, geht schon“, keuchte Jan, als er sich vorsichtig in die Kissen zurücksinken ließ. „Also…das Bett dürfte wohl das geringste Problem sein und Karin hat gesagt, dass es ihr erstens nichts ausmacht, da ich ja auch das Recht dazu hab, glücklich zu sein und ich ja sowieso machen kann, was ich will und sie zweitens ja ihre Wohnung in Hamburg hat und sowieso nur noch zu allen heiligen Zeiten mal vorbeischaut. Was bei ihr soviel heißt wie: jedes zweite bis dritte Wochenende.“ „Dann haben wir das ja mal geklärt, oder?“, fragte der Älteste euphorisch. „Also…seid ihr ehrlich damit einverstanden?“ „Ja selbstverständlich“, erwiderte der Chirurg lachend. „Hast du dir denn sonst noch was überlegt?“ „Oooch, da wär eine Fußmassage, ein Frühstück im Bett, diverse andere Sachen, die man im Bett so anstellen kann, …“ „Na, das könnte man noch einrichten“, meinte Dirk mit seiner tiefen Stimme, die dem Rettungsarzt eine angenehme Gänsehaut bescherte. „Wie lange dauern noch mal drei Tage?“, wollte Jan dann grinsend wissen. Sie dauerten nicht mehr allzu lange und ehe er sich’s versah, wurde der große Blonde auch schon aus dem Krankenhaus entlassen. Auf seinen älteren Freund, der ihn wie ein rohes Ei behandelte, gestützt, betrat der Hüne sein Haus. Da Karin auf der Uni war und die beiden Schwarzhaarigen sich zur Feier des Tages frei genommen hatten, stand den dreien ein gemütlicher Tag in ihrem Heim zur Verfügung. „Willst du was zu Trinken? Wir haben extra für Nachschub gesorgt. Orangensaft – sogar frisch gepresst – Apfelsaft, Johannisbeersaft, Mineralwasser, Leitungswasser, Tee, Milch. Oder was zu essen? Wir haben Kekse, Brötchen und –“ „Ein Tee und ein paar Kekse bitte“, unterbrach Jan Rodrigos Aufzählungen lachend. Die zwei schienen es sich scheinbar zu ihrer neuen Lebensaufgabe gemacht zu haben, ihn von hinten und vorne zu bedienen. Ihm sollte es nur Recht sein! „Wie machen wir das eigentlich? Hat jeder dann ein eigenes Zimmer als Rückzugsort?“, fragte Dirk, als die drei es sich bei Kaffee oder Tee und Keksen im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatten. „Mir ist das ganz egal, ich richte mich da nach euch. Und da ich sowieso noch ein paar Zimmer ohne konkreten Verwendungszweck habe, könnt ihr euch ganz nach Belieben austoben“, erwiderte der Hausherr. „Sag mal…hast du eigentlich auch einen fensterlosen Raum? Eventuell auch etwas größer?“, wollte der Chilene wissen. „Du meinst ne Dunkelkammer? Hatten wir im Keller mal eine eingerichtet, aber das Zeug hab ich mittlerweile schon weggeschmissen. Aber ja, wenn wir abstauben und den ganzen Dreck wegputzen, kannst dich sicher dort einrichten. Ich wusste gar nicht, dass du das so professionell machst.“ Dass der Neurochirurg einen kleinen Hang zur analogen Fotografie hatte, hatten die anderen zwei bereits herausgefunden. „Naja, ich hab mir vor ner Zeit mal gedacht, dass ne Dunkelkammer eigentlich auch nicht schlecht wär. In den Filmen sieht das immer so toll aus, wenn die die Fotos selber entwickeln und da hab ich mir gedacht, dass ich das auch mal ausprobieren könnte, da ich mich ja vom Studium her noch etwas mit der Chemie auskennen sollte. Aber in der Wohnung hatte ich nie die Möglichkeit dazu, deshalb…hatte ich gehofft, du könntest mir da weiter helfen.“ „Zu schade, dass ich das Zeug weggeschmissen hab, aber das war Lizzy’s Hobby, von daher…hab ich es irgendwann nicht mehr sehn können“, warf Jan entschuldigend ein. „Ach was, is doch nicht schlimm. So eine Ausrüstung kostet nicht die Welt. Das kann ich mir sogar mit meinem äußerst bescheidenen Arztgehalt leisten“, beschwichtigte Rodrigo lachend. „Ich hab gestern übrigens mit meinem Vermieter geredet und der hat gemeint, ich kann mit Ende nächsten Monats ausziehen“, erklärte Dirk und begann, die Füße des Blonden, die auf seinem Schoß lagen, zu massieren. „Sehr gut.“ Wohlig seufzte der Größere. „Is bei mir genauso. Auch wenn meine Vermieterin etwas angepisst war, weil ich’s ihr ja sooo kurzfristig gesagt hab, aber es geht in Ordnung“, meinte nun auch Rodrigo. „Dann können wir ja schön langsam mal anfangen zu überlegen, was ihr mitnehmen wollt, was wir nicht brauchen. Wie ihr euch einrichten wollt und vor allem, was wir noch besorgen müssen.“ „Also ich hab eine sehr gute Espressomaschine, auf die kann ich nicht mehr verzichten“, warf der Ältere ein. „Gut, gegen die sieht meine schon etwas in die Jahre gekommene Filterkaffemaschine aus wie ein Mazda neben einem Ferrari. Schon allein, um ihr die Minderwertigkeitskomplexe zu ersparen, werd ich sie weggeben“, erwiderte der Chilene, was allgemeines Gelächter auslöste. Noch lange diskutierten sie, wer was mitnehmen sollte und nachdem sie sich auch noch einen Film angesehen hatten, waren sie so müde, dass sie beschlossen, ins Bett zu gehen. „Aber Jan? Bitte lass uns einen Fernseher mit Anschluss besorgen, weil ich möchte mir schon das ein oder andere Fußballspiel ansehen. Oder die Simpsons“, bat der Chef der Notaufnahme, als sie die Treppe hinaufstiegen. „Ich glaub, das wird sich einrichten lassen.“ Während die beiden Schwarzhaarigen schon vorliefen, um sich wie immer zu streiten, wer als Erster unter die Dusche durfte, kam der Rettungsarzt nicht umhin, vor diesem einen bestimmten Gästezimmer, dessen Tür speerangelweit offen stand, stehen zu bleiben. Hier hatte er vor etwas mehr als einer Woche gesessen und gedacht, er würde nicht mehr lange zu leben haben. Doch am Ende hatte sich das Blatt dann doch noch zu seinen Gunsten gewendet. Er konnte ohne Furcht in die Zukunft sehen und der Verbrecher würde seine gerechte Strafe verbüßen müssen. Und doch… Vorsichtig ging er in das Zimmer hinein. Hier und da konnte er sogar noch kleine Blutstropfen auf dem Boden erkennen. Vor seinem inneren Auge spiegelten sich die Szenen wider, die sich vor elf Tagen hier abgespielt hatten. Er sah sich selbst am Boden kauern und auch wenn er es nie zugeben würde, er spürte noch immer die Scheißangst, die er in diesen verdammten Stunden gehabt hatte. Er sah Mario friedlich auf dem Bett schlummern. Man würde ihm nicht ankennen, dass er in dem Moment ein skrupelloser Geiselnehmer und verhinderter Mörder war. Was wäre wenn…? Was wäre, wenn er das Ganze nicht überlebt hätte? Was wäre aus Karin geworden? Wie hätte sie den Tod ihres Vaters verkraftet, nur vier Jahre nachdem sie schon ihre Mutter verloren hatte? Wie hätten Dirk und Rod es verkraftet? Hätten die drei sich gegenseitig unterstützt? Oder hätte sich Karin von ihnen abgewendet, weil die Beiden sie nur an ihn erinnert hätten? Wie hätten seine Arbeitskollegen wohl reagiert? Wer hätte ihn wohl ersetzt? „Es ist vorbei, hörst du?“ Unbemerkt hatte sich Rodrigo zu seinem Freund geschlichen und umarmte ihn nun von hinten. Scheinbar hatte Dirk den diesmaligen Duschkampf für sich entscheiden können. „Ich weiß“, hauchte Jan. „Es ist nur…“ Der Jüngere verstand sofort, worauf der Andere hinaus wollte. „Wir könnten das Zimmer ja umgestalten. Oder gar die Wand einreißen und somit den Raum vergrößern. Nebenan ist doch eh deine persönliche Bibliothek, der würde es sicher nicht schaden, ausgebaut zu werden“, schlug er daher vor. „Das klingt nach ‘nem guten Plan.“ Der Größere drehte sich zu ihm und drückte ihm einen sanften Kuss auf den Mund. Nachdem die anderen beiden schon geduscht hatten, war nun auch Jan an der Reihe. Lange brauchte er nicht, er wollte seine beiden Freunde schließlich nicht allzu lange warten lassen. Während er sich beim Zähneputzen in den Spiegel sah, glitt sein Blick auf den dünnen rötlichen Strich auf seinem Hals. Rodrigo hatte ihm auch erklärt, dass der plastische Chirurg, der ein guter Freund des Chilenen war, das Vernähen der Wunde übernommen hatte, damit keine hässliche und vor allem keine allzu offensichtliche Narbe bleiben würde. Man hatte ihm noch vor der Entlassung die Fäden gezogen. Jetzt klebte nur noch ein kleines Pflaster darüber. Kaum zu glauben, dass eine so harmlos aussehende Verletzung ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Ob die ganze Sache wohl anders verlaufen wäre, wenn er Dirk und Rod von Anfang an davon erzählt hätte? Bestimmt. Und trotzdem hatte er es nicht gewagt, es zu tun. Er wollte sich nicht ausmalen, was Mario sonst getan hätte. „Mensch Jan, wo bleibst du denn so lange?“, drang die ungeduldige Stimme des Älteren an sein Ohr. Er spuckte den Schaum der Zahnpasta aus, bevor er mit einem leicht genervten „Ich komm ja schon“ antwortete. Schnell klatschte er sich noch etwas Wasser ins Gesicht, trocknete sich ab und ging dann ins Schlafzimmer, wo die beiden Schwarzhaarigen schon im Bett auf ihn warteten. Lächelnd schmiegte er sich an Dirk und nachdem sie sich einvernehmlich eine gute Nacht gewünscht hatten, schalteten sie das Licht aus und schliefen auch schon bald ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)