Dark Life von Dite (War es meine Schuld?) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Ich weine. Ich schreie. Dein Körper in meinem Arm haltend. Ich bin verzweifelt. Weiß einfach nicht, was ich tun soll. Meine gesamte Kleidung ist Blutverschmiert. Die Blutlache in der wir uns befinden wird immer größer. Es ist dein Blut. Dein Blut, das aus unzähligen Platzwunden aus deinem Körper strömt. Deine Knochen, die gebrochen wurden. Es ist dein Leben, das ausgelöscht wurde. Und das alles nur wegen mir. Ich gebe nicht auf. Ich weiß, dass du nie wieder lachen wirst. Ich weiß, dass du nie wieder weinen wirst, dass du mich nie wieder anschreien wirst, dass du dir nie wieder meine Sachen nehmen wirst, ohne mich zu fragen. Aber ich will das alles nicht wahrhaben. Du darfst nicht sterben! Du bist doch ein Teil von mir! NEIN! Du bist nicht tot! Ich will nicht! Warum!? Ich hasse mich dafür!! Du wärst noch am Leben, wenn ich nicht gewesen wäre! Du wärst noch da! Du hättest mit mir gelacht, mit mir geweint. Warum?! Warum hat es dich getroffen? Wieso nicht mich? Ich bin doch diejenige, die es verdient hätte! Nicht du! Das ist unfair! Du kannst mich doch nicht einfach allein lassen! Du kannst doch nicht einfach gehen! Du kannst doch nicht einfach sterben! Nicht wegen mir! Nicht wegen diesem dummen Streit!! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So~ nächstes Chap. kommt nächste Woche^^" *einfach hoff das eure Neugier geweckt wurde xD* Kapitel 1: Drei Worte... Und alles ändert sich... ------------------------------------------------- Es war hell, angenehm Mild und kein Wölkchen verunstaltete den wunderbaren, azurblauen Himmel. Gut gelaunt schlenderte ich durch die Straßen. Ich war auf dem Weg zur Schule, da ich meine Zwillingsschwester Riley vom Volleyballtraining abholen wollte. Als ich an der Sporthalle ankam, rannte ich sofort zur Umkleide, doch sie war nicht da. Ein anderes Mädchen aus dem Team meinte, dass sie schon gegangen sei. Ich nickte und ging wieder nach draußen. Wieso hatte ich sie nicht auf dem Weg getroffen? Sie nahm doch sonst immer diesen Weg. War ihr etwas passiert? Ich wollte gerade wieder nachhause gehen, als ich etwas hörte. Eine Stimme. Zu leise, als das ich verstehen könnte, was sie sagte, aber ich erkannte, dass es Rileys war. Ich war mir ganz sicher. Ihre Stimme würde ich wirklich überall und unter Tausenden erkennen. Besorgt rannte ich in die Richtung, aus der die Stimme kommen musste. Sie war wohl hinter der Sporthalle oder aber auf dem Angrenzenden Parkplatz. Ich lief um die Ecke und blieb erstarrt stehen, als ich die Szene realisierte, die sich hier vor mir abspielte… Riley stand mit dem Rücken zu mir gewandt und flüsterte leise den Namen, des Jungen, an dem sie geschmiegt war. Chris. DER Chris! MEIN Chris!! Wut loderte in mir auf. Riley war der Liebling unserer Eltern. Das war sie schon immer gewesen. Sie konnte immer, alles besser als ich und ich beneidete sie dafür. Sie war mein Vorbild. So wollte ich auch irgendwann mal sein, aber das… DAS ging zu weit! Normalerweise ließ ich ihr immer, alles durchgehen. Schließlich war sie meine Schwester und ich liebte sie, egal wie sehr sie bevorzugt wurde. Aber dass sie es allen Ernstes wagte mir meinen Freund auszuspannen…!! DAS war zu viel!! Vor Wut zitternd, stapfte ich auf die zwei zu und riss Riley von ihm los. Ich zog sie dabei so fest am Arm, dass rücklings hinfiel. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie mich an. „Miley…“ Ein heiseres Flüstern, nichts weiter. Schnell rappelte sie sich auf und kam auf mich zu. „Miley, es… es ist nicht so, wie… d-du… du verstehst das falsch! Bitte! I-ich…“ „Du machst hinter der Sporthalle mit meinem Freund rum und ich soll das FALSCH verstehen?!?!“, schrie ich sie an. Die Bombe patzte. Ich platzte. Meine Wut gewann endgültig die Überhand über meinen Verstand. Ich konnte sie nicht länger zurückhalten. „Miley…“, ertönte eine Stimme hinter mir. Ich wandte mich stocksauer zu Chris um. „Was?“, zischte ich. „Bitte… verzeih mir… ich… Riley, sie…“ Ich hatte schon genug gehört. Noch wütender als ohnehin schon drehte ich mich wieder zu meiner Zwillingsschwester. Chris hinter mir grinste gehässig, doch ich bemerkte es nicht. Wollte es nicht bemerken oder ich registrierte es in meiner Wut einfach nicht. Hasserfüllt starrte Riley zu Chris. Dann zu mir. Den Blick voller Trauer. „Miley! Du wirst ihm doch nicht glauben?!“ „WIE soll ich ihm bitte nicht glauben?! WAS soll ich bitte jetzt deiner Meinung nach tun!? RILEY!! Du warst die einzige, der ich vertraut habe!! DU warst die Einzige, die alle meine Geheimnisse, Wünsche und Sorgen kannte!! Wie kannst du mir das nur antun!?! Du weißt genau, wie sehr ich ihn liebe!!“ Ich war außer mir. „Ja, aber… Miley!“ Ich wusste nicht, wieso sie es nicht fertigbrachte einen vernünftigen Satz auszusprechen. Schuld? Angst? Irgendwas anderes? Egal! Zornesröte stieg mir ins Gesicht. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass sie mir so etwas antat! „Miley…“, begann sie noch einmal. „Bitte! Er hat doch…“ „NEIN!!“, ich schluchzte und vergrub meine Hände in meinen Haaren. Ich schüttelte den Kopf so heftig, dass er anfing zu schmerzen. „Ich… ich hasse dich! ICH HASSE DICH!!“, ich schrie aus Leibeskräften und sank auf die Knie. „Ich hasse dich… ich… ich… hasse… ich…“ Mein Geschrei wurde immer leiser, bis es zu einem leisen Murmeln und schließlich zu einem kaum hörbaren Flüstern wurde. Plötzlich geschahen mehrere Dinge Gleichzeitig. Der Wind wehte, ein Auto hupte und Riley fing an zu kreischen. Ruckartig hob ich meinen Kopf. Mein Zorn war auf der Stelle verraucht. Ich wusste es noch ehe sie auf dem Boden aufkam. Noch ehe das Auto sie voller Wucht traf. Ich erlebte diese paar Sekunden in Zeitlupe. Das Auto raste auf Riley zu. Sie versuchte auszuweichen, konnte es aber nicht. Dann geschah es. Das Auto überführ sie komplett und war genauso schnell verschwunden, wie es gekommen war. Ich konnte es nicht glauben. Sekunden, Minuten, Stunden –so kam es mir jedenfalls vor- saß ich noch da und starrte auf den Reglosen Körper meiner Schwester. Dann, endlich konnte ich mich bewegen. Ich fühlte meinen eigenen Körper nicht mehr, während ich so schnell wie möglich aufsprang und zu Riley hinüber sprintete. Um sie herum hatte sich bereits eine Blutlache gebildet. Es war mir Egal. Ich stürzte zu ihr uns kniete mich mitten in ihr Blut, nur um ich über sie zu beugen. Ich konnte oder wollte einfach nicht verstehen, was gerade passiert war. „R-Riley…?“, eine heißeres Flüstern. „Riley!!“ Lauter. „RILEY!!“, ich schrie schon wieder. Diesmal aber nicht vor Wut, sondern vor Entsetzen. Wie hatte ich das nur tun können?! Tränen kullerten mir die Wangen hinab. So unglaublich viele Tränen. Ich machte mir nicht die Mühe sie zurückzuhalten. Aber ich wollte auch nicht verstehen, dass meine Schwester nie wieder zurückkehren würde. Ich sah sie durch einen Schleier aus Tränen an. Ihre Miene noch Geschockt, ihre Augen vor Angst weit aufgerissen. Ich konnte es nicht ertragen diesen Anblick zu sehen. Sanft schloss ich ihre Augen, setzte mich endgültig hin und drückte ihren starren Körper an mich. Das konnte doch nicht wahr sein!! Das DURFTE NICHT wahr sein!! Wieso? Warum nur? Ich heulte und drückte mein Gesicht an ihrer Schulter. Inzwischen war ich über und über mit Blut verschmiert. Die Blutlache wurde immer größer. Es war dein Blut. Dein Blut, das aus den unzähligen Platzwunden strömte. Dein Blut, das meine Kleider, Haare und meine Haut befleckte. Deine Knochen, die sicher gebrochen wurden. Dein Leben, das so brutal beendet wurde. Sicher war es schnell gegangen. Sehr schnell sogar. Es änderte aber nichts. Nichts, an der Tatsache, dass ich mir niemals verzeihen würde, was ich getan hatte. „Chris! Hol…“, ich schaute mich um. Er war nicht mehr da. Er hatte sich einfach aus dem Staub gemacht! Feigling!! Egal, dafür hatte ich keine Zeit. Mir war als würde ich selbst in die Tiefe stürzen. Dunkelheit umfing mich. Ich klammerte mich an das, was von meiner Schwester übrig war. Ich hatte Angst. So unglaublich große Angst, dass mir fast schlecht davon wurde. Ich konnte nicht mehr. „Riley…“ ich flüsterte. „Es tut mir so leid… so unglaublich leid… ich… ich hasse dich doch nicht wirklich… es… es war… ich… ich liebe dich doch… Riley! Du bist doch… mein…meine Schwester… meine zweite… Hälfte…“ Meine Worte gingen in meinem Schluchzen unter. Ich konnte nicht mehr. Ich war nicht fähig zu reden, mich zu bewegen oder sonstiges zu tun. Das einzige, wozu ich momentan in der Lage war, war einfach ihren Körper zu umklammern, ihn ganz fest an mich zu drücken und zu weinen. Ich wusste nicht, wie lange ich so dasaß, aber irgendwann hörte ich ein spitzes Kreischen und anschließend Schritte, die immer näher kamen. Ich schaute nicht auf. Ich blieb heulend in meiner Starre. Meine Tränen wollten einfach nicht versiegen. „Miley! Was? Was ist… passiert?!“ Ich antwortete nicht. „Miley?“ Immer noch keine Reaktion. Ich hörte, wie die Person etwas aus ihrer Tasche kramte. Anschließend ein paar Piep Laute. Ein Handy. Ich verstand die gedämpften Worte der Person nicht mehr, aber kaum 15 Minuten später waren Sirenen zu hören. Polizei? Krankenwagen? Was nützte das alles noch? Sie war TOT verdammt!! Und das auch noch meinetwegen!! Ich hörte aufgeregte Stimmen. Wie viele es waren, wusste ich nicht. Ein Mann legte mir die Hand auf die Schulte. „Kleine… lass sie los…“, sagte er in einem sanften Ton. Ich schüttelte heftig den Kopf. „Niemals…“, brüchig. „Wir können ihr vielleicht helfen…“ Wieder schüttelte ich den Kopf. „Ihr könnt nicht helfen…“ Nur ein erbärmliches Wispern. „Sie ist… sie ist…“ Meine Stimme Brach. Ich schluchzte erneut und klammerte mich noch fester an Riley… Drei Worte und alles änderte sich… Drei Worte und meine Welt brach… Drei Worte und mein Herz zersprang… Drei Worte. Meine Seele zerbarst… Drei Worte, die alles zerstörten… Drei Worte… und du warst weg… Kapitel 2: Stimmen und Beerdigung --------------------------------- Für die meisten Menschen war es ein perfekter Tag. Die Sonne lachte, es war warm und die Vögel zwitscherten vergnügt. Für mich galt das alles nicht. Für mich war der Tag dunkel und grau. Die Wärme der Sonne spürte ich nicht, die Lieder der Vögel klangen für mich wie Trauermärsche. Ich konnte nichts Schönes an diesem Tag entdecken. Wie denn auch? An genau so einem Tag vor zwei Wochen starb meine über Alles geliebte Schwester. Ich hatte schon immer gewusst, dass sie mir sehr viel bedeutete, doch erst als sie weg war erkannte ich WIE viel, nämlich alles. Noch immer konnte ich es nicht fassen. Ich saß auf meinem Bett, in dem Zimmer, das wir uns bis vor kurzem noch geteilt hatten. Ihre Hälfte war genauso, wie sie sie verlassen hatte. Ihr Bett war gemacht. Kuscheltiere waren darauf verteilt. Auf ihrem Nachttisch lagen zwei Zeitschriften und unter dem Bett konnte ich ansatzweise die Kiste erkennen, in der sie die restlichen lagerte. Ein paar Kleidungsstücke lagen achtlos in einer Ecke und auf ihrem Schreibtisch herrschte ein Chaos an Büchern. Es kam mir so vor, als wäre sie noch immer hier. Ihre Präsenz war hier drinnen noch deutlich zu spüren. Ich wünschte mir so sehr, dass das alles nur ein Alptraum war und sie gleich fröhlich durch die Tür stürmte, doch es geschah nicht. Es würde nie wieder geschehen. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht. Ich wollte weinen, aber ich konnte nicht. Meine Tränen waren mit ihr gegangen, als sie in dem Leichenwagen davon gebracht wurde. Morgen würde die Beerdigung stattfinden. War ich stark genug? Würde ich es verkraften das zu sehen? Ich würde es auf jeden Fall versuchen. Für sie. Für meine zweite Hälfte. Seit ihrem tot hatte sich eine Menge verändert. Unser Haus quoll fas über vor Kasserollen, Gebäck und andere Gerichte in Aluminiumbehälter. Als ob das viele Essen irgendetwas bringen würde! Ich wurde für zwei Wochen von der Schule befreit. Das war mir nur Recht. Ich hatte keine Lust auf die vielen bedauernden Blicke. Es war merkwürdig Still im Haus. Jeder Trauerte auf seine Weise. Meine Eltern redeten nicht miteinander. Früher hatten sie viel geredet. Sie waren fröhlich und unbeschwert gewesen. Sie hatten gemeinsam schlechte Sitcoms angeguckt und über die Schauspieler gelacht. Jetzt nicht mehr. Sie sahen kein Fernsehen mehr, sie redeten nicht mehr und von Lachen war erst recht nicht die Rede. Mama war schwanger. Trotzdem aß sie kaum noch etwas und putzte den ganzen Tag, selbst wenn das Haus gar nicht unordentlich war. Nur mein Zimmer ließ sie aus. Sie konnte es nicht ertragen das zu sehen, was ich den ganzen Tag sah. Sie konnte es nicht ertragen in Rileys Hälfte des Zimmers zu sehen und festzustellen, dass nie wieder jemand dort laute Musik hören würde. Wie mein Vater trauerte wusste ich nicht. Er war den ganzen Tag bei der Arbeit und wenn er mal endlich zuhause war verkroch er sich in seinem Arbeitszimmer. Was er da drin machte, wusste ich nicht und es interessierte mich auch nicht. Mich interessierte sehr vieles nicht, seit Riley nicht mehr war. Ich hatte mich wirklich von Grund auf verändert. Früher war ich ein sehr fröhliches Mädchen gewesen. Ich hatte immer knallige, auffällige Farben angehabt und fast immer ein Lächeln im Gesicht. Nun bestand meine Kleidung nur aus Schwarz und dem Silber meiner Accessoires. Ich redete nur, wenn man mich direkt ansprach und selbst mein Musikgeschmack hatte sich verändert. Statt den coolen Liedern von früher, in denen es um alles Mögliche gehen konnte, hörte ich nur noch traurige oder wütende Lieder. Die Bands waren mir eh egal. Mein Lächeln war mir Riley gestorben. Ich war mit Riley gestorben. Ich sah zu meinem Kleiderschrank, an dessen eine Hälfte der Tür ein Spiegel hing. Leere, Ausdruckslose, braunrote Augen starrten zurück. Das Gesicht, des Mädchens das ich sah, war durchaus hübsch, aber es wirkte Emotionslos. Es war blass und leer. Fast wie eine Porzellanpuppe. Es sah einfach so… unnatürlich aus! Ich seufzte, wandte den Blick von meinem Spiegelbild ab und stand auf. Ich wollte unbedingt, dass Riley etwas ganz besonderes mit in ihr Grad nahm. Mit langsamen Schritten lief ich auf die andere Hälfte des Zimmers zu. Mein Herz raste. Ich hatte es bisher kaum fertig gebracht, diese Seite anzusehen. Ein dicker Kloß fand seinen Platz in meinem Hals und meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Mir war, als wäre sie noch hier. Genau vor mir! Ihre Präsenz, ihre Aura! Alles war noch da! Ich schluckte, zwang mich dazu zu Atmen und meine Beine zu bewegen. Ich kam an ihrem Bett an, kniete mich hin und öffnete die Schublade ihres Nachttischchens. Ich musste ein paar Minuten herumwühlen, ehe ich fand, wonach ich suchte. Das meine Hände zitterten, als wenn ich in eine Steckdose fassen würde, trug natürlich auch ihren Teil dazu bei. Schnellen Schrittes wollte ich wieder auf meine Seite, doch irgendetwas ließ mich inne halten. Ich blieb stehen und sah mich um. Hatte mich wer gerufen? Poe… bum… Was war das? Eine Stimme? …Album… Da! Schon wieder! Aber wer? Was? Mein Unterbewusstsein? Vielleicht. Aber was sollte er mir sagen? Das… Album… Album? Welches Album?! Verwirrt schaute ich um mich. Ja, war ich denn verrückt geworden?! Möglich wäre es jedenfalls. Wer oder was war diese Stimme? Nimm es… Album… Ich sollte es nehmen? Ich sollte das Album nehmen? Aber welches Album, denn?!?!?! Mit runzelnder Stirn sah ich mich um. Wo war hier ein Album? Wieso hörte ich Stimmen? Und was wollte mir mein Unterbewusstsein –falls es denn dafür verantwortlich war- damit sagen? Poesie… Was? Album… Poesie? Album? Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Ich schlug mir die Hand gegen die Stirn. Fassungslos von meiner eigenen Dummheit. Sofort eilte ich zurück zum Bett und hob die Matratze an, doch da war nichts!? Ich sah unter dem Kopfkissen nach. Auch nichts. Unter dem Bett? Nichts. Wo zum Teufel, war es denn?! Schrank… Der Schrank? Ich kletterte auf das Bett und öffnete den Teil des Schrankes, der sich genau darüber befand. Auch nichts… Langsam glaubte ich wirklich, dass das hier keinen Sinn hatte und es einfach nur Spinnereien von mir waren. Rechts… Ich sah auf der rechten Seite nach und… TATSÄCHLICH!! Da war es!! Also doch keine Spinnereien!! Obwohl, eigentlich… Egal! Schnell nahm ich das Album heraus und schloss den Schrank wieder. Ein paar Sekunden später saß ich auf meinem Bett und musterte es. Es war blau. Ein halbes Gesicht war darauf zu sehen und eine in die Tiefe fallende Träne. Ich hatte mich immer gefragt, was Riley an einem solch traurigen Bild faszinieren konnte. Jetzt wusste ich es. Erkannte die Schönheit des Bildes. Ehrfürchtig öffnete ich das Album und las das erste Gedicht, das Riley hineingeschrieben hatte. Meine Seele ist dein Deine ist mein Warum denn auch allein? Wenn man zusammen kann sein? Wenn eine von uns am Boden liegt Hilft die Andere ihr auf Sodass sie, sie sanft in den Armen wiegt Bis sie wieder aufnehmen kann ihren Lauf Die Zeit für uns wird nie vergehen Doch kein anderer kann es sehen Nicht so wie wir Denn du hilfst mir Du schaust in mich hinein Und ich in dein Sein Wir sind zwei Hälften eines Ganzen Die harmonisch miteinander Tanzen Miley Und Riley Du und ich gegen den Rest der Welt… Ich seufzte. In meiner Brust verkrampfte etwas, das früher wohl mein Herz gewesen war. Ich wusste, dass ich es irgendwann wieder würde schlagen hören können, doch im Moment fühlte es sich an, als hätte man es mir aus der Brust gerissen und zertrampelt. Keiner hatte sich die Mühe gemacht die zurückgebliebene Leere zu füllen. Meine Schuldgefühle fraßen mich in dem Moment noch mehr auf, als ohnehin schon. Das erste Gedicht, das sie in ihrem wertvollen Album geschrieben hatte, handelte von mir. Von uns... Tränen hätten mir über die Wangen laufen sollen. Ich hätte Schluchzen und weinen sollen, aber ich tat es nicht. Ich konnte es einfach nicht. Ich konnte nur diese entsetzliche Leere in mir fühlen, von der ich glaubte, dass sie niemals weggehen würde. Verdient hätte ich es jedenfalls. Am nächsten Tag stand ich bereits früh am Morgen fertig angezogen in der Küche und bereitete gelangweilt Kaffee zu. Ich war für die Beerdigung extra Shoppen. Natürlich hatte ich keine große Lust überhaupt irgendwas zu tun, aber die Beerdigung war die einzige Möglichkeit Riley noch irgendwie zu zeigen, wie sehr ich sie mochte. Ich hatte ein schwarzes, langes Oberteil an, dazu eine ebenfalls schwarze Röhrenjeans und natürlich die dazu passenden Schuhe. Außerdem trug ich meinen Nietengürtel, von dem ich wusste, dass Riley es mochte. Sie hatte ihn sich ständig ausgeliehen. Eine schöne, aus braunem Leder bestehende Kette, mit einem aus Holz angefertigtem Ying-Yang-Zeichen zierte meinen Hals. Verborgen in meiner Hosentasche befand sich genau die gleiche Kette noch einmal. Mein Blick wanderte zur Uhr, während ich mir mein inzwischen fertiger Kaffee in eine Tasse goss. Es war eigentlich noch immer viel zu früh. 06:00 Uhr Morgens und die Beerdigung begann um 09:00 Uhr. Es war schon alles vorbereitet. Das Einzige, was wir noch zu tun hatten, war dahin zu gehen. Ich seufzte, wie so oft in den letzten Tagen. Langsam trank ich meine Tasse leer und versank in meine Gedanken. Als ich endlich wieder etwas von meiner Umgebung wahrnahm, waren meine Eltern ebenfalls schon fertig vorbereitet, saßen an den jeweiligen Kopfenden des Tisches und tranken stumm ihren Kaffee. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir nur noch eine Stunde bis zur Beerdigung hatten. Ich räusperte mich. „Wir müssen los…“ Meine Stimme war teilnahmslos. Man könnte glatt meinen, dass das Alles gar nicht mir passierte, aber –so sehr ich mir auch wünschte, dass es doch nur ein Traum war- es geschah tatsächlich. Erschrocken starrten mich meine Eltern an. Was denn?! Was hatte ich denn nun verbockt?! Beobachtend wie meine Mutter nickte und die beiden Erwachsenen gleichzeitig aufstanden, saß ich da. Was war DAS denn jetzt?!, fragte ich mich, schob diese Frage aber schnell wieder weg. Stumm erhob ich mich und lief meinen Eltern hinterher. Ich hörte, wie sie miteinander flüsterten, allerdings verstand ich nicht, was sie besprachen. Irgendwie hatte ich jedoch das dumpfe Gefühl, dass es dabei um mich ging. Den Kopf schüttelnd stieg ich ins Auto und starrte während der gesamten Fahrt stur aus dem Fenster. Die Häuser und Bäume, die an mir vorbeizogen sah ich aber nicht wirklich. Das Auto hielt an und ich stieg sofort aus. Wir standen vor der Kirche, in der Rileys Beerdigungsgottesdienst stattfinden und in dessen Friedhof sie begraben werden sollte. Sie war riesengroß und weiß. Die Mosaikfenster gingen fast hoch bis zur Decke und liefen am Ende spitz zu. Ich musterte alles, während meine Eltern noch einmal überprüften, ob auch alles so war, wie es sein sollte und dann entdeckte ich es. Auf dem Podest liegend und noch halb geöffnet befand sich der Sarg. Neugierig trat ich näher. War sie schon drin? Ich sah mich um. Keiner war in der Nähe. Der Pfarrer zeigte meinen Eltern gerade irgendwas im Nebenraum. Langsam linste ich in den Sarg. Sie lag in einem weisen Gewand gehüllt und mit auf dem Bauch verschränkten Händen da. Ihr Gesicht war so friedlich, dass es aussah, als würde sie schlafen. Nur ihre Blässe und die Tatsache, dass sie eben in einem Sarg lag, zeugten davon, dass sie eine Leiche war. Ich hatte keine Ahnung wie die Ärzte, Pathologen, oder wer auch immer, es geschafft hatte ihren Körper wieder in Ordnung zu bringen, aber ich war auf jeden Fall froh darüber. Meine Hand fuhr in meine Hosentasche und holte die Kette heraus. Sofort stellte ich mich auf die Zehnspitzen und legte meiner Schwester selbige Kette um. Es war ein sichtbares Zeichen des Bandes, das uns miteinander verband. Wir waren schon immer zusammen gewesen. Nur selten waren wir ohne die Andere unterwegs gewesen, doch das war jetzt leider vorbei. Es war seltsam. Ein bisschen so, als würde ich in meine Zukunft sehen… Irgendwann würde ich genauso enden. In einem weisen Totenkleid, in einem Sarg. Ich würde wahrscheinlich älter sein und würde mein Leben gelebt haben, aber was hatte es für einen Sinn, wenn ein Stück fehlte? Ich wandte meinen Blick ab. Ich konnte sie einfach nicht weiter ansehen. Ihren Anblick und die unweigerlich aufsteigenden Erinnerungen und Gedanken nicht ertragen. Langsam trudelten die Ersten Trauergäste ein. Sofort lagen alle Blicke auf mir. Wie ich dieses verdammte Mitleid hasste! Ich gab mir einen Ruck, strich noch einmal über Rileys Wange und setzte mich dann auf meinen Platz. Der Tag lief wie in Trance an mir vorbei. Die Worte des Pfarrers bekam ich nur am Rande mit. Meine Augen lagen die gesamte Zeit auf dem Sarg. Ich hatte das Gefühl, nicht ein Mal geblinzelt zu haben. Schließlich fragte mich der Pfarrer, ob ich irgendetwas sagen wolle. Ich schüttelte den Kopf. „Jeder soll sie so in Erinnerung behalten, wie derjenige sie erlebt hat…“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Der Pfarrer nickte und lächelte mir aufmunternd zu. Auch in seinem Blick lag dieser widerliche Mitleid, der nicht einmal ernst gemeint war. Was danach geschah bekam ich gar nicht mit. Plötzlich stand ich vor dem fertigen Grab meiner Zwillingsschwester. Aus einem Foto, das im Grabstein eingearbeitet war, strahlte das gleiche Gesicht, das auch ich einmal gehabt hatte. Die Augen freundlich, leuchtend und aufgeweckt, den Mund zu einem verschmitzten und verschwörerischem Lächeln verzogen. Es gab nur einen Unterschied. Sie hatte smaragdgrüne Augen. Ich wusste nicht wie lange ich noch so dastand, aber plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich sah hoch und direkt in das Gesicht meines Vaters. „Wir sollten langsam gehen…“, sagte er leise. Ich schüttelte den Kopf. „Geht ruhig vor… ich komme später nach…“, krächzte ich. Ich konnte nicht mal mehr richtig reden. Ich sah, dass meine Mutter protestieren wollte, doch mein Vater schüttelt nur wieder den Kopf und führte sie zum Auto. Er wollte mich trauern lassen und dafür war ich ihm dankbar. Ich sah ihnen nach, bis ich das Auto nicht mehr sehen konnte, ehe mein Blick erneut zum Grab und somit zum Foto wanderte. Als ich in Rileys Augen sah, zwinkerte sie mir zu. WTF!? Aber wie…? Ehe ich mir meine Frage stellen konnte, fing es an zu regnen. Ich sah gen Himmel. Er sah so aus, wie ich mich fühlte. Mich überkam das Gefühl, dass er für mich weinen wollte, denn ich war nicht mehr in der Lage dazu. „Riley… ich werde deinen Traum erfüllen…“, es war nur ein Hauchen, aber der Wind trug meine Worte bis ganz nach oben. Danke… Kapitel 3: Von Scheidung und Psychologen ---------------------------------------- Gelangweilt stapfte ich durch die Straßen. Mein Schulranzen noch immer geschultert und die MP3-Kopfhöhrer in den Ohren. Die Musik war so laut, dass ich kaum andere Geräusche wahrnahm und darüber war ich froh. Sechs Monate war es inzwischen her. Genau ein Halbes Jahr. Nächste Woche war die Schule vorbei und ich würde meinen Abschluss bekommen. Die letzte Prüfung hatte ich am Morgen geschrieben. Sie war eigentlich ziemlich einfach gewesen. Wenn ich die Schule hinter mir hatte, konnte ich anfangen. Dann konnte ich endlich anfangen Rileys Traum zu verwirklichen. Das war ich ihr auf alle Fälle Schuldig. Missmutig schaute ich hoch, als ich die Hand auf meiner Schulter spürte. Es war ein Junge aus meinem Jahrgang. Ich war mir sicher irgendwann mal seinen Namen gekannt zu haben, aber jetzt wollte er mir einfach nicht einfallen. Er hatte blonde Haare und blaue Augen und gehörte eindeutig zu den wenigen, denen diese Kombi gut stand. „Miley?“, fragte er leise. Ich konnte ihn durch die Musik nicht hören, aber ich hatte seine Lippen gelesen. Eigentlich konnte ich das gar nicht. Nur wenn jemand meinen Namen sagte. Ich schaltete schnell den MP3-Player aus, ehe ich antwortete. „Ja?“ „Du bist… so… in dich gekehrt seit… du weißt schon… hättest du nicht Lust, mal wieder unter Leuten zu gehen?“ „Bin doch schon genug unter Leute…“, murmelte ich. „Miley. Du warst früher der Party-Tiger Nr. 1. Ohne dich war eine Party gar keine richtige Party! Ich erkenne dich kaum wieder! Meinst du nicht, dass es langsam an der Zeit ist loszulassen?“ „Ich… ich kann nicht… noch nicht…“ „Warum?“ „Ich muss… etwas erledigen… vorher… danach… kann ich wieder weiterleben…“ „Was meinst du?“ „Wir sehen uns.“ Fluchtartig rannte ich an ihm vorbei. Ich spürte seinen Blick, der sich noch lange in meinem Rücken bohrte und rannte noch schneller. Verflucht! Warum war ich auch so unsportlich? Meine Kondition war ja miserabel! Keuchend jagte ich um eine Ecke, hielt an und lehnte mich an die wunderbar kalte Mauer. Das tat wirklich unheimlich gut. Ich verharrte in dieser Position, bis mein Atem wieder regelmäßig ging und ich es endlich wagte mich wieder zu bewegen. Schnelle Schrittes, eilte ich nachhause, wo ich schon vor der Tür den Streit meiner Eltern mit anhören durfte. Ich seufzte, öffnete die Tür und huschte die Treppen hoch in mein Zimmer. In letzter Zeit stritten die zwei sich wirklich oft. Das war ja schon fast Krank! Auf meinem Bett liegend versuchte ich zu verstehen, worüber sie sich eigentlich stritten. Ich hörte, dass mein Vater, meiner Mutter irgendwelche Vorwürfe machte, verstand aber nicht, was genau sie sagten. Irgendwann wurde es mir zu blöd und ich holte mir ein Buch, schmiss mich wieder aufs Bett, schaltete die Musik an und fing an zu lesen. Irgendwas musste ich ja machen, bis ich müde genug war um zu schlafen… „Miley! Komm mal runter!“, rief meine Mutter von unten, sodass ich aus meinem wunderbar Traumlosen Schlaf erwachte. „Ein neuer Tag, ein neues Unglück…“, murrte ich verschlafen, während ich mir den Schlaf aus den Augen rieb. Ich blieb noch liegen, bis meine Mutter erneut anfing zu schreien. Seufzend erhob ich mich und warf einen Blick auf meinen Wecker. Es war 12:00 Uhr. Mittags. Naja, egal, es war ohnehin Wochenende. Müde stapfte ich nach unten und sah auch meine Eltern, die ungeduldig warteten. Uh! Wenn Blicke töten könnten…! „Miley, wir müssen dir etwas sagen“ Mein Vater. Er kam immer sofort zur Sache, während meine Mutter normalerweise immer ewig um den heißen Brei herumredete. Ich nickte. „Wir… werden uns scheiden lassen…“, murmelte meine Mutter, jedoch mit fester und überzeugter Stimme. „WAS?!“ Etwas in mir brach. Es war nicht ganz so schmerzvoll, wie bei Rileys Tod und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich gewusst hatte, dass dieser Schmerz irgendwann kommen würde. Es war das letzte bisschen meiner Welt. Das letzte, noch heile Stück meines Lebens war soeben gestorben. „Aber… das… das könnt ihr doch nicht einfach so machen!!“ „Doch, können wir! Und es wird auch höchste Zeit!“ Wieder mein Vater. „Aber…“ „Es ist besser! Für mich, für dich und für deine Mutter“ „Aber vor allem für dich, nicht wahr?! Du hältst es in schweren Zeiten einfach nicht aus, wie?! Du haus einfach ab!!“, schrie ich. KLATSCH! Eine Ohrfeige. Das hatte gesessen. Geschockt hielt ich mir die schmerzende Wange, doch der Seelische Schmerz war hier eindeutig größer. „Ich…“ Stopp! Nein! DAS werde ich auf keinen Fall sagen!! Ich hielt inne, sah ihn an. Dann meine Mutter, die noch immer nix sagte. So schnell ich konnte rannte ich hoch in mein Zimmer, schnappte mir meinen MP3-Player und meine Tasche und rannte nach draußen. Ich wollte weg. Einfach nur weg. So schnell es nur möglich war… … Ich blinzelte. Helles Licht blendete mich. Was war passiert? Langsam richtete ich mich auf. Etwas piepste. Ich sah mich um. Ein Krankenhauszimmer?! Wie denn? Was denn? Wo denn? Und die wahrscheinlich wichtigste Frage: WARUM?! Automatisch sah ich an mir herab. Was zum Teufel hatte ich denn dieses Mal angestellt? Ich erblickte einen Verband um meinen Unterarm. Ansonsten schien ich heil zu sein. Ich stieg aus dem Bett, Alles drehte sich furchtbar und ehe ich mich versah lag ich schon wieder auf der Matratze. Mein Kopf dröhnte, der Arm unter meinem Verband schmerzte. Ich fasste mir mit der gesunden Hand an die Stirn. „Au…“ Erneut versuchte ich es. Diesmal langsamer und es klappte sogar. Gerade als ich stand, wurde die Tür aufgemacht und meine Mutter kam mit einem Becher Kaffee in der Hand in den Raum. Erstarrt blieb sie stehen, als sie mich sah, rannte aber im nächsten Moment auf mich zu und umarmte mich. Den Kaffee, hatte sie natürlich fallen lassen. „Miley! Oh Gott ich dachte schon ich hätte dich auch noch verloren!“ Sie weinte. Sie weinte? Sie… WEINTE?! Wegen… mir?! Was hatte ich denn jetzt schon wieder verpasst?! „Äh… Mom… was… ist passiert?“, fragte ich vorsichtig. Wollte ich das eigentlich wirklich wissen? „Weißt du das denn nicht mehr?“, fragte sie verwirrt. „Du… du hast versucht… dich umzubringen…“ Sie schluchzte wieder auf. Nein. Ich wollte es definitiv NICHT wissen. „Was?! Wie denn?“ Was eine Ironie. Nicht Mal ich selbst hörte auf mich… Meine Mutter zeigte auf den Verband. „Du hast versucht dir die Pulsadern aufzuschlitzen…“, sagte sie schließlich. Ich sah ebenfalls auf den Verband. Das war ja alles schön und gut, aber es erklärte nicht, wieso ich mich an nichts erinnern konnte! „Wann darf ich hier wieder raus?“, fragte ich jedoch stattdessen. „Ich weiß nicht… warte, ich frage den Arzt, wann du raus darfst…“ Und schon war sie weg. Ich hörte wie sich ihre Schritte im offenbar leeren Gang verloren. Ich wusste ebenfalls, dass sie ziemlich fertig sein musste. Immerhin war sie nun im siebten Monat schwanger, ihr Mann wollte sich von ihr scheiden lassen und ihre Tochter hatte einen Selbstmordversuch unternommen. Warum eigentlich? Nicht mal daran konnte ich mich erinnern!! Ich seufzte, setzte mich und wartete geduldig bis meine Mutter mit dem Arzt wiederkam. Mein Vater war gar nicht erst gekommen. Das war ja klar. Wie immer drückte er sich, wenn es schwierig wurde. Nach ein paar Minuten kam meine Mutter wieder ins Zimmer und teilte mir mit, das ich mich einem Psychologischen Test unterziehen sollte, um sicher zu gehen, dass ich so etwas nicht noch einmal machen würde. Anschließend dürfte ich gehen. Was ein Schwachsinn…, dachte ich, machte den Test aber widerstandslos… Kapitel 4: Neue "Heimat", neue Freunde -------------------------------------- Verdammte Scheiße, warum immer ICH???, dachte ich wütend, während ich am Auto gelehnt auf meine Mutter wartete. Vor einer Woche waren die Ergebnisse des „Selbstmord-Gefährdungs-Tests“ eingetroffen. Laut dem Ding bzw. der Psychotante, die ihn mit mir gemacht hatte, war ich „höchst gefährdet“ und sollte dringend in eine Nervenheilanstalt gehen! Oder anders: Sie schickten mich in eine Klapse, damit die Psychologin ihr Geld und meine Mutter ihre Ruhe bekam!! Verdammt, ich könnte platzen vor Wut!! Als meine Mutter endlich raus kam und das Auto aufschloss, setzte ich mich auf die Rückbank und knallte die Türe zu. „Seit wann sitzt du gerne hinten?“, fragte sie mich, nachdem sie die Koffer in den Kofferraum verstaut und hinter dem Steuer Platz genommen hatte. „Willst ja nicht, dass deine Klapsen reife Tochter dich angreift, weil sie nen plötzlichen Zusammenbruch hat…“, murrte ich und schaltete mein MP3-Player an, um mich ein wenig zu beruhigen. Die zwei-stündige Autofahrt kam mir vor wie lediglich fünf Minuten. Ich war so vertieft in meine Lieder gewesen, dass ich die Zeit völlig vergessen hatte. Noch ehe das Auto gänzlich zum Stehen gekommen war, öffnete ich die Tür und sprang aus dem Wagen. Meine Mutter war für mich inzwischen eine Verräterin. Wenn ich eine Tochter gehabt hätte, hätte ich sie niemals in eine Anstalt geschickt!! Zum Glück hatte ich meinen Abschluss schon gemacht, sodass ich –sobald ich hier wieder weg war- in eine Uni konnte. Hoffentlich nahmen die mich überhaupt auf… Noch immer wütend hievte ich die Koffer aus dem Kofferraum, den meine Mutter inzwischen geöffnet hatte. Besorgt sah sie mich an. „Miley, mein Schatz… ich verstehe, dass du wütend bist, aber es ist doch nur zu deinem Besten…“, versuchte sie irgendwie mit mir zu reden. Ich strafte sie mit Nichtachtung. Lieber nutzte ich meine wenigen, verbliebenden Sekunden in Freiheit dazu, mir die Landschaft einzuprägen. Ich wollte nicht vergessen wie es war, wenn nicht dauernd irgendwelche Ärzte um einen herumschwirrten. Als ich mich jedoch zu dem Gebäude drehte, dass mein neues Zuhause werden sollte, fällte ich augenblicklich eine Entscheidung. HIER würde ich definitiv NICHT bleiben!! Das eigentliche Gebäude und das Gelände wurden von einer langen, ekelhaft perfekten, weißen Mauer umzäunt. Das vergitterte Tor war ebenfalls weiß. Dahinter konnte ich ein Stück rasen entdecken. Weiß und grün… so sah meine Zukunft also aus… Wow… genau das, was ich mir immer gewünscht hatte!!, der Sarkasmus in meinen Gedanken war nicht zu überhören. Ich hatte eigentlich immer von einer Zukunft im Rampenlicht geträumt. Ich wollte als Star-Reporterin oder Modedesignerin um die Welt reisen. Ich wollte möglichst viel Geld verdienen, damit ich in Afrika, Spanien, Mexiko oder sonst wo arme Menschen unterstützen konnte. Ich wollte frei sein und machen können, was immer ich wollte. Stattdessen landete ich in einer Anstalt, mitten in der Pampa in der alles weiß war!! Na danke auch!! Schnaubend stapfte ich durch das Tor. Mein Hirn arbeitete bereits auf Hochtouren. Irgendeine Möglichkeit auszubrechen musste es ja wohl geben!! Nichts und Niemand war perfekt!! Wenn nötig, werde auch irgendwie die Mauer einreisen, aber ich hau ab, das steht auf jeden Fall fest!! Eine Frau in einem langen, weisen Kittel, streng zu einem Knoten gebundenes, braunes Haar und dicker Brille kam auf uns zu. Ihre Haut war mehr grau als Hautfarben und ihre knallroten Fingernägel waren der einzige Farbtupfer an ihr. Iiiiih! Alien!! Ich will WEG!! Es war zum Heulen. Ich war seit höchstens zwei Minuten durch das Tor gelaufen und wollte am liebsten gleich wieder ganz schnell, ganz weit weg!! Und dann diese… wer oder was war sie eigentlich? „Guten Tag… ich bin Dr. Shiratzu… und das ist dann wohl Miley?“, fragte sie auf mich zeigend. Ich bemühte mich keine Miene zu verziehen, während meine Mutter freundlich nickte. „Und sie sind dann Dr. Marc Shiratzu?“, fragte sie. Stopp!! ES war MÄNNLICH?!? Sie, er… ES nickte und grinste meine Mutter an. „Keine Sorge Mrs. Cabell… Miley wird es gut bei uns haben…“ Dr. Shiratzu warf mir dabei einen so Ekelhaften Blick zu, dass mir ganz schlecht davon wurde. Ich spürte förmlich, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Hilfe?, fiepte ein kleiner, schwacher Teil meines Verstandes, welcher nicht wie der Rest davon und meinem Körper erstarrt war. Was sonst noch gesprochen wurde bekam ich nicht mit. Ein einziger Gedanke prangte groß, fett und in warnenden, leuchtendroten Buchstaben vor meinem inneren Auge: WEG und zwar SCHNELL!!! Ich spürte zwei Arme, die sich um mich legten und zuckte augenblicklich zusammen. Meine Mutter umarmte mich zum Abschied. „Pass auf dich auf…“, flüsterte sie mir ins Ohr und löste sich. Wenigstens war ich wieder in der schrecklichen Wirklichkeit angekommen. Moment! War das wirklich gut?! Ich bezweifelte. Verzweifelt beobachtete ich, wie meine Mutter sich immer weiter von mir weg und auf das Tor zubewegte. Schließlich ging sie hindurch und stieg ins Auto. Mom!!! Nimm mich mit!! Ich will nicht!!, doch ich war unfähig irgendetwas zu sagen. Kein Laut verließ meine Lippen, während ich dem Auto nachstarrte, das schon längst nicht mehr zu sehen war. „Nun Miley… komm mit, ich zeige dir dein Zimmer“, meinte Dr. Shiratzu freundlich. Ich sah sie äh… ihn an. Wusste nicht was ich tun sollte. Schließlich entschied ich mich ihm zu folgen. Ich hatte ohnehin keine andere Wahl. Seufzend und meine Koffer hinter herziehend dackelte ich hinter ihm her. Da ich noch immer nicht sicher war, ob Dr. Shiratzu weiblich oder männlich war, entschied ich mich einfach ihn als Sache zu bezeichnen. Natürlich würde ich das nie in der Nähe eines Arztes oder so machen. Vorsichtig sah ich mich um. Der Rasen sah viel zu perfekt aus, als das er hätte echt sein können. Es gab keinerlei Bäume und alles war weis! Ich gab es zwar nur ungern zu, aber dieser Ort machte mir Angst. Ich hasste es jetzt schon. Mein Blick begegnete denen, einiger Patienten. Sie sahen mich bedauernd an. Warum schauten sie so? Das war ja fast wie in der Schule! Aber hier wussten doch nur die Ärzte, weshalb ich hier war. Irgendetwas stimmte nicht. Eindeutig nicht. Dr. Shiratzu führte mich in das –natürlich weise- Gebäude. „In der ersten und zweiten Etage sind die Schlafzimmer unserer Patienten. Im Erdgeschoss befinden sich wiederrum die Mensa, verschiedene Aufenthaltsräume und eine kleine Bücherei. In deinem Zimmer wirst du ein Fernseher, eine Anlage und ein angrenzendes Badezimmer finden. Bett, Schrank und Schreibtisch sind natürlich auch drin. Um 23:00 Uhr sind Anlage und/oder Fernseher aus. Der Krankenflügel ist das Gebäude, das sich rechts von diesem hier befindet, während das Gebäude links das Schwimmbad ist. Wir Ärzte beziehen unsere Zimmer in einem Gebäude, welches sich am anderen Ende des Geländes befindet, aber keine Sorge. Es ist immer jemand hier im Haus oder dem Krankenflügel. Ähnlich wie in der Schule, werde ich dir Morgen einen Stundenplan geben, auf dem steht, wann du zu welchen Therapiestunden gehen musst. Ansonsten kannst du deine zeit nutzen, wie immer es dir beliebt. Du darfst das Gelände dabei natürlich nicht verlassen, es sei denn du hast Freigang. Du musst dich dann aber bei einem Arzt abmelden und ums spätestens 19:00 Uhr wieder zurück sein. Jegliche scharfe Gegenstände, wie Rasierklingen, Scheren ect. Werden dir abgenommen werden, damit du dich nicht absichtlich verletzt. Da du deinen Abschluss schon hinter dir hast, bist du nicht verpflichtet an den Schulstunden teilzunehmen, die nach dem Frühstück in der Mensa stattfinden, kannst aber jederzeit dahin, wenn es dir beliebt. Alles verstanden?“ Ich nickte verwundert. Hat es auch nur einmal Luft geholt, während dieser Rede?!, fragte ich mich. Es redete ja ohne Punkt und Komma! Der Dr. nickte mir nur kurz zu und öffnete die Tür, zu der wir inzwischen angelangt waren. Ich hatte meine Koffer diese endlos langen Treppen hochschleppen müssen! „Das ist dein Zimmer. Keine Sorge, deine Zimmernachbarin ist Ungefährlich. Denke ich…“, meinte der Doc und verschwand wieder. Ich sah ihm nach. Denke ich?! Na das fängt ja toll an…, schon wieder ließ sich mein Sarkasmus blicken. Ich hatte schon ernsthaft gedacht, er wäre mir vor einem halben Jahr abhanden gekommen. Wie man sich doch täuschte… Vorsichtig lugte ich in das Zimmer. Ich sah, dass irgendwer auf dem Bett lag. Meine Zimmergenossin, vermutete ich. Langsam schob ich mich und mein Gepäck in das Zimmer und schloss die Tür hinter mir, das Mädchen musternd. Sie musste ungefähr in meinem Alter sein. Als die Türe ins Schloss fiel, hob sie ihren Kopf. Sie hatte dunkelbraune Haare und Honigbraune, vor Lebensfreude strotzende Augen. Sie war ziemlich groß und sportlich gebaut und ein breites Grinsen zierte ihr Gesicht, als sie mich entdeckte. Sie sprang auf und musterte mich ihrerseits. „Du bist die Neue, hm?“, es war eine Feststellung, keine Frage. Ich nickte. Ihr Grinsen wurde breiter. Sie stürmte auf mich zu und umarmte mich so fest, dass ich drohte zu ersticken. „Willkommen in der Hölle!!“, trällerte sie. Ich hörte den Ernst in ihrer Stimme und verstand deshalb nicht, wieso sie dann so überschwänglich war, doch ich hatte im Moment keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Meine Lungen schrien nach Sauerstoff!! Ich röchelte: „Keine…Luft…“ Augenblicklich ließ sie mich los und kicherte. „Entschuldige! Es ist nur viel zu lange her, seit ich das letzte Mal einen normalen Menschen getroffen habe!“ „Ähm…“ Freak? Sie kicherte wieder. „Komm! Pack erst Mal dein Zeug aus. Ich helf dir!“ „Okay…?“ Hilfsbereiter Freak! Gesagt, getan. Wir schnappten uns meine Koffer und räumten meine Sachen in den Schränken ein. Als wir fertig waren, schmissen wir uns auf unsere Betten. Eine Weile lang blieb es Still, doch dann durchbrach sie wieder die Stille. „Warum bist du hier gelandet?“, fragte sie. „Keine Ahnung…“, murmelte ich. „Laut meiner Mutter, habe ich versucht mich umzubringen, aber ich kann mich an nichts erinnern…“ „Echt? Ist ja blöd…“ „Und was ist mit dir?“ „Ich habe jemandem das Leben gerettet…“ „Aber dafür kommt man doch nicht inne Klapse!“ „Naja, weißt du… ich höre Stimmen… und ich kann Tote sehen und mit ihnen reden… ich habe diese Fähigkeit genutzt um jemandem das Leben zu retten, aber als ich erzählt habe, wie ich es gemacht habe, haben sie mich hier her geschickt…“ Jep… das ist ein Grund…„Wie lange bist du denn schon hier?“ Sie überlegte kurz. „Eineinhalb Jahre… glaube ich. Vielleicht länger, vielleicht weniger. Irgendwann hört man hier auf mitzuzählen…“ „Wie alt bist du?“ „17 und du?“ „16…“ „Wann hast du Geburtstag?“ „Am 24. Dezember… und du?“ Sie fing an zu lachen. Ich sah sie verwirrt an. „Was ist so lustig?“, fragte ich. „Ich hab am 1. April Geburtstag! Beide an einem Fest!“ Ich schmunzelte. Sowas konnte ich noch? „Hast Recht. Das ist ein lustiger Zufall…“ „Aber du lachst ja gar nicht.“ „Ich habe schon seit einem halben Jahr nicht mehr gelacht…“ „Warum denn das? Lachen ist gesund!“ „Kann sein… aber meine Schwester hat mein Lachen mitgenommen, als sie starb…“ „Oh… das tut mir leid… wie alt war sie?“ „16… wir waren Zwillinge…“ „Mein Gott, du arme… was ist passiert?“ Ich schwieg. Biss mir auf die Unterlippe. „Schon gut…“, sagte sie schnell. „Musst es mir nicht sagen, aber wenn du reden willst… ich bin da“ „Danke… sag Mal… wie heißt du eigentlich?“ „Alexis, aber nenn mich Alex“, sie kicherte nun wieder. „Ich bin Miley…“ „Smiley!“ „Was…?“ „Darf ich dich so nennen? Bitte? Smiley! Dann lacht wenigstens dein Name!“ Sie sah mich mit einem Dackelblick an, dem ich einfach nicht widerstehen konnte, also nickte ich. „Von mir aus“ Smiley… unpassender Spitzname für mich, aber wenn es sie glücklich macht… „Dankeeee!“ Wir redeten noch, während sie mich den ganzen Tag lang begleitete und ein paar Mal brachte sie mich sogar erneut zum Schmunzeln. In ihrer Nähe fühlte ich mich irgendwie von meinem Schmerz befreit. Sie war nett und im Gegensatz zu den anderen hier keine lebende Leiche. Am Abend fiel ich schon recht früh ins Bett, verschränkte die Arme hinter meinem Kopf und starrte an die Decke. Alex war gerade bei ihrer Therapiestunde. Eindeutig ein Freak! Aber ich mag sie… Kapitel 5: Träume, Labor und bunte Punkte ----------------------------------------- Ich laufe. Schreie verzweifelt nach dir. Ich renne um die Wette, mit dem Auto, das bald erscheinen wird. Ich weiß genau, dass ich es unmöglich schaffen kann. Du bist zu weit weg. Doch ich renne weiter. Ich hoffe weiter. Ich will nicht einsehen, dass ich keine Chance habe. Und du? Du stehst da. Siehst mir zu. Ein Lächeln umspielt deine Lippen. Ich schrei dich an, dass du gefälligst da weggehen sollst, doch du tust es nicht. Du bleibst weiter an Ort und Stelle stehen und lächelst mir zu. Geduldig wartest du, bis ich endlich bei dir bin. Und dann geschieht es. Das Auto rast an. Es hupt. Du drehst dein Kopf Richtung Auto. Dann wieder zu mir. Deine Augen sind leer. Deine Lippen formen nur ein Wort: Warum? Und noch bevor das Auto dich erreicht… „Kyaaaaaaah!!“ Schreiend wachte ich auf. Schon wieder dieser Traum. Schrecklicher und deutlicher als je zuvor. Mein Atem ging viel zu schnell, mein Herz raste und ich war schweißnass. Meine Haare klebten mir am Gesicht. Unfähig irgendetwas zu tun, zu sagen oder zu denken, starrte ich die Decke an. Die Augen noch immer vor Schreck geweitet. Es war dieser Traum, der mich immer wieder daran erinnerte, wessen Schuld das gewesen war. Auch nach so langer Zeit plagte er mich noch. Ich war mir ziemlich sicher, dass er mich für immer verfolgen würde. Die Frage war nun: Wie lange würde ich es aushalten? Wie lange würde es dauern, bis ich von diesem Traum geleitet zusammenbrach? Oder etwas tat, was ich mein Leben lang bereuen würde? Ich spürte, wie jemand an meiner Schulter rüttelte. „Miley? Alles okay? Was ist denn los?“, flüsterte Alex, meine inzwischen wohl beste und einzige Freundin. Mühevoll sah ich zu ihr. Ich hatte sie durch mein Geschrei geweckt. Schon wieder. Ich wusste doch genau, wann ich aufwachen würde. An welcher Stelle ich es einfach nicht mehr aushielt und unbedingt wach werden wollte. Wieso schrie ich da noch? Plötzlich bemerkte ich, dass sie ja noch eine Antwort erwartete und erinnerte mich wieder daran, wie man sprach. „Ja. Alles OK. Es… war nur ein Alptraum. Tut mir leid…“, flüsterte ich leise. Meine Stimme zitterte. Besorgt sah sie mich an und setzte sich auf meine Bettkannte. „Süße. Du hast schon seit du hier angekommen bist ständig Alpträume. Willst du nicht Mal darüber reden?“, fragte sie und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seufzend richtete ich mich auf und nickte schwach. Ich sah sie erst an, doch als ich meine Erzählung begann, senkte ich meinen Blick und starrte starr auf die Bettdecke. „Es… ist immer derselbe… Ich stehe auf dem Parkplatz hinter der Sporthalle meiner alten Schule… und… dann sehe ich sie. Riley. Sie… sie lächelt mir zu u-und deutet mir an, dass ich zu ihr kommen soll… In dem Moment überkommt mich immer ein… merkwürdiges Gefühl u-und dann weiß ich… was passieren wird… Ich fange an zu rennen… schreie ihr zu, dass sie gefälligst verschwinden soll, a-aber… sie… geht nicht… sie… scheint mich nicht zu hören… sie lächelt einfach u-und wartet… auf mich… Und… dann… kommt d-das Auto… Es hupt u-und Riley schaut mich erschrocken an, so… also ob sie wüsste, dass… dass es meine Schuld war… sie fragt mich… warum ich das getan habe… warum das passieren musste und… kurz… bevor sie das Auto erreicht… halte ich es nicht aus u-und wache schreiend auf… i-ich…“ Meine letzten Worte gingen in ein Schluchzen unter, das sich anhörte, als gehöre er jemandem anders, doch ich wusste, dass es meiner war. Ich weinte. Schon wieder. Ich traute mich nicht meinen Blick zu heben, als blieb ich einfach nur zitternd und weinend sitzen. Erschrocken riss ich die Augen auf, als Alex mich plötzlich umarmte und an sich drückte. Sanft strich sie mir durch meine Haare und ich kuschelte mich weinend an sie. Eine Weile lang, sagte niemand etwas, doch schließlich unterbrach Alex die Stille. „Smiley… das war doch nicht deine Schuld. Es war ein Unfall. Es konnte niemand etwas dafür. Es ist passiert. So schrecklich, das auch war, aber gib dir nicht die Schuld daran. Deine Schwester hätte bestimmt nicht gewollt, dass du dir ihretwegen solche Vorwürfe machst. Sie hätte gewollt, dass du weiter machst und ein möglichst schönes Leben führst. Sie hätte gewollt, dass du glücklich bist. Oder nicht?“ „Vielleicht… aber… es war doch…“ „Pscht! Keine Widerworte! Es war ein Unfall. Du bist NICHT Schuld! Verstanden?“ Ich nickte schwach. Ich wollte so gerne an ihre Worte glauben. Ich wünschte es mir so sehr! Aber… es ging nicht. Egal wie sehr ich es auch versuchte. Ich konnte ihr nicht glauben. Die Fakten sprachen nun Mal für sich. Und diese sagten, dass ich die Schuldige war… Als ich schließlich das nächste Mal aufwachte, schien mir die Sonne direkt ins Gesicht. Ich lag noch immer in Alex‘ Armen. Langsam sah ich zu ihr hoch. Sie grinste mich an und fragte gut gelaunt, ob ich denn gut geschlafen hätte. Ich nickte nur. „Danke…“, murmelte ich, nach dem ich mich von ihr gelöst und mich ordentlich gestreckt hatte. „Für alles…“, fügte ich noch hinzu. Sie lächelte und verwuschelte mir meine ohnehin zerzausten Haare. „Dafür sind Freunde doch da, Smiley!“, meinte sie nur und sprang auf. „Jetzt aber Beeilung, sonst kriegen wir nichts mehr vom Frühstück ab“ „Wieso hast du mich nicht geweckt?“, fragte ich sie, während ich mich aus meinem Bett schälte. „Du hast so Ruhig geschlafen, da wollte ich dich nicht stören…“, meinte sie grinsend. Dazu sagte ich nichts. Seufzend schlurfte ich zu meinem Kleiderschrank und klaubte mir ein paar Kleidungsstücke zusammen. Alex hüpfte inzwischen durch unser Zimmer und trällerte Mal wieder irgendeine spontane Melodie. Seit fast fünf Monaten war ich nun hier und noch immer hatte ich nicht herausgefunden, wie Alex es schaffte so fröhlich zu bleiben. Hier war fast alles weiß und der Alltag war so Eintönig, wie er nur sein konnte. Nachdem ich es endlich geschafft hatte mich umzuziehen, liefen wir gemeinsam zur Mensa und holte unser Frühstück ab. Wir wollten uns gerade an einen der –natürlich- weißen Tische setzen, als Dr. Shiratzu zu uns kam. Misstrauisch sah ich ihn an. In der Nähe dieses Wesens –ich weigerte mich noch immer zu glauben, dass es Menschlich sein sollte- fühlte ich mich inzwischen sogar noch schlimmer, als am ersten Tag. Irgendetwas stimmt mit diesem Doktor nicht, soviel stand fest. Zu meine Pech hatte ich aber nie die Gelegenheit gehabt Nachforschungen anzustellen. Zum Teil auch, weil Alex mich auf Schritt und Tritt begleitete, obwohl mir das natürlich nichts ausmachte. „Guten Morgen, Miley!“, begrüßte es mich mit einer übertrieben freundlichen Stimme. „Morgen, Doc.“ „Kann ich… kurz mit dir reden?“ Noch immer diese ekelhaft freundliche Stimme. Ich nickte. Schließlich hatte ich ja keine andere Wahl. Es bedeutete mir ihm zu folgen, was ich nach einem kurzen Zögern auch tat. Ich wandte mich noch einmal kurz zu Alex, die mich fragend ansah. Ich zuckte nur mit den Schultern und wendete meine Aufmerksamkeit schließlich widerwillig dem Doc. „Was wollen Sie?“, fragte ich. Es fühlte sich anscheinend nicht dazu verpflichtet mir zu antworten, denn es schwieg einfach nur und führte mich zu einer Treppe, die ich noch nie zuvor bemerkt hatte. Stand die schon immer hier?, fragte ich mich und stieg, dem Doc noch immer folgend, die Treppe hinab. Ich wusste gar nicht, dass es hier unten noch ein Stockwerk gab. Neugierig sah ich mich um. Klar. Alles weiß. Es dauerte nicht lange, bis wir an einer Tür ankamen, vor der wir stehen blieben und der Doc eine Zahlenkombi eingeben musste um sie zu öffnen. Mich beschlich das seltsame Gefühl, dass, was auch immer sich hinter der Tür befand, gefährlich war. Meine innere Stimme schrie mich an, ich solle gefälligst wieder kehrt machen und von hier abhauen, doch was konnte sich schon schlimmes hier verbergen? Als die Tür endlich geöffnet war, traten wir ein und befanden uns in einem riesigen Laboratorium. Staunend sah ich mich um. Moment! Was macht ein solches Labor in einer einfachen Anstalt??, doch dieser Gedanke kam zu spät. Die Tür war bereits verriegelt. Ich war gefangen. Das konnte doch wohl nicht wahr sein!! Reichte es denn nicht, dass man mich gegen meinen Willen in diese Anstalt geschleppt hatte? Musste man mich dann auch noch in einem Labor einsperren?? Ich kam mir vor wie ein Versuchskaninchen. Eine Laborratte, die schon etliche Male versucht hatte zu fliehen, jedoch immer und immer wieder eingefangen wurde. „Setz dich…“, ertönte plötzlich die belustigte Stimme des Doktors. Er zeigte auf einen Stuhl, welcher in der Mitte des Raumes stand. „Was soll das werden?“, fragte ich misstrauisch. „Nur ein paar Tests…“, meinte es leichthin. „Ich muss dein Gesundheitszustand checken. Dazu werde ich dir Blut abnehmen und wenn nötig Beruhigungsmittel spritzen“ Ich zog eine Augenbraue hoch. Noch immer misstrauisch setzte ich mich auf den Stuhl. Es gefiel mir gar nicht mit ihm allein zu sein. Schon gar nicht, wenn wir in einem Raum eingesperrt waren! Geduldig ertrug ich die Untersuchungen des Doktors und ließ es sogar zu, dass er mir Blut abnahm. Anschließend spritzte es mir irgendein Medikament, sagte ich solle auf ihn warten und verließ den Raum. Zunächst war alles noch ganz normal, doch je mehr Zeit verging, desto Kraftloser fühlte ich mich. Irgendwann sah ich lauter bunter Punkte vor meinen Augen tanzen. Sie waren so frei. Immer und immer wieder änderten sie die Farbe der Punkte. Irgendwann wuchsen den Punkten Flügel und sie begannen um meinen Kopf herum zu fliegen. Sie führten mich zu einem goldenen Tor. Als ich ungefähr drei Meter von diesem entfernt war, öffnete es sich. Ich fühlte mich so leicht, wie noch nie zuvor. Mein Herz flatterte vor Glück und ich hatte das Gefühl, die ganze Welt umarmen zu wollen. Das Tor schloss sich wieder hinter mir und ich sah mich um. Ich stand auf einer wunderbaren, jadegrünen Wiese. In der Nähe hörte ich einen Wasserfall rauschen. Es war warm und friedlich. Einfach perfekt! Es schien mir, als wäre ich im Himmel. Die lustigen, kleinen, beflügelten Punkte tanzten weiter munter um mich herum und es dauerte auch nicht lange, bis ich mich mitreisen ließ und ebenfalls anfing zu tanzen. Es fühlte sich wahrlich so an, als würde ich fliegen! Einfach wundervoll! Dann, ganz plötzlich wurde es stockdunkel. Schwärze umhüllte mich. Eine unheilvolle Stille begleitete sie. Ich kannte diese Stille. Es war der nicht vorhandene Klang der Einsamkeit. Nach Rileys Tod hatte ich mich die ganze Zeit so gefühlt. Allein. Einsam. Schwach. Seit ich Alex kannte war dieses Gefühl schwächer geworden. Er war nicht ganz weg, aber doch soweit abgeklungen, dass er sich leicht ignorieren und verdrängen ließ. „…ley…“ Hm? Wer war denn das? Schon wieder Stimmen? „Mi… ley!“ Wer war das? Hier war doch niemand! „Miley! Wach auf!“ Aufwachen? Aber ich schlief doch gar nicht. Oder? „Miley!!“ Etwas rüttelte an meiner Schulter. Es schüttelte die Schwärze ab, die mich nicht mehr hatte loslassen wollen. Als ich die Augen aufschlug, wurde ich von grellem Licht geblendet. Schützend hielt ich mir die Hand vor die Augen. Sie fühlte sich ziemlich Taub und schwach an. Was war passiert? Irgendjemand beugte sich über mich, doch ich konnte durch das grelle Licht nicht sehen, wer es war. Erst, als sich meine Augen einigermaßen an das Licht gewöhnt hatten, bemerkte ich, dass es Alex war, die mich besorgt ansah und mich offenbar in die Wirklichkeit zurückgeholt hatte. „Was… ist passiert?“, wollte ich leise flüsternd wissen. „Sag du es mir…“, antwortete sie und sah sich um. Warum war sie so nervös? „Wo… sind wir?“, fragte ich weiter. „In einem Labor… unterhalb der Klinik. Komm! Wir müssen hier weg, bevor der Doc zurückkommt!“ Ihre Stimme war total nervös. Ganz anders, als ich es von der aufgeweckten Alex gewohnt war. So gut und so schnell es eben ging, richtete ich mich auf und wankte mich an Alex stützend aus dem Raum. Ich war noch zu benommen um wirklich zu realisieren was geschah, also ließ ich mich einfach von Alex führen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)