Kono Sekai Wo Koete von Sunrisepainter (Tomodachi) ================================================================================ Kapitel 2: KAPITEL 2: Stolz vs. Überlebenswille ----------------------------------------------- Wir machten uns also wieder auf den Weg ins Innere der Stadt. Vorbei an unzähligen Häuserblöcken und befremdlichen Läden. »Bist du sicher, dass es wirklich keine günstige Unterkunft hier gibt?«, fragte ich Sakura jetzt bestimmt schon zum zehnten Mal in Folge. Sie verdrehte bloß die Augen. »Ist ja schon gut. Alle Wohnungen und Gaststätten sind zurzeit belegt«, äffte ich sie resigniert nach. Das hatte sie mir jetzt schon neun Mal erklärt (nicht das ich mitzählen würde). »Naruto, hast du wenigsten bei dir ein bisschen aufgeräumt?«, wandte sie sich an ihren Teamkameraden. »Nö, wieso?«, mit großen Augen blickte er sie an. Die Falte auf Sakuras Stirn begann schon wieder zu zucken, doch sie versuchte sich anscheinend zu beherrschen. »Weil Mädchen nun mal auf Ordnung achten?« »Warum sollte ich aufräumen? Bei mir wohnt kein Mädchen.« »Ich hätte es mir ja denken können «, Pinky fiel es schwer nicht die Fassung zu verlieren. »Vollpfosten!«, wisperte ich und es war das erste Mal, dass sie mir keinen schiefen Blick zukommen ließ. »Es nützt nichts, Leute. Ihr müsst die nächsten Tage miteinander auskommen, ob ihr es wollt oder nicht. Ihr braucht ja nicht gleich Freunde werden, aber es würden schon genügen, wenn ihr euch nicht bei jeder Gelegenheit die Köpf einschlagt«, erklärte Sakura streng. »Warum soll ich überhaupt hierbleiben?«, ich senkte meine Stimme, damit die anderen Leute auf der Straße es nicht mithören konnten, »es würde mir echt helfen, wenn irgendwer wüsste, wie man in verschiedene Welten reist. Habt ihr nicht so etwas wie einen Zauberer oder Magier?« Sie lachte laut: »Nein, so etwas gibt es doch nur im Märchen! Aber ich bin sicher, dass wir irgendwann einen Weg finden werden dich dahin zurück zu schicken, wo auch immer du herkommen sein magst.« »Heißt das ihr helft mir?« Wenn ich mich nicht irrte, lag in meiner Stimme etwas wie Hoffnung. Doch dann blickte ich in Narutos teilnahmslose Augen und der kurze Hoffnungsschimmer erlosch wieder. Die beiden würden mir nie helfen können, es sei denn es geschah ein Wunder. Ich war nicht gläubig. »Aber natürlich doch«, Sakura legte ihren Kopf schief, »ich möchte doch gerne wissen, woher du kommst. Außerdem klingt das nach einem neuen Abenteuer. Oder was meinst du, Naruto?« Sie drehte sich um, doch hinter uns war niemand mehr. »Naruto?«, fragte sie und sah sich nach allen Seiten um. »Das darf doch nicht wahr sein? Was macht der denn jetzt schon wieder?«, sie fuhr sich durch das Haar und ballte ihre Hände zu einer Faust. »Dann hat er halt selber schuld. Ich zeig dir trotzdem, wo er wohnt. Auch wenn wir in seine Wohnung einbrechen müssen«, meinte sie schnippisch, griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich durch die Gassen. Ich hatte noch nicht mal genug Zeit mir die ganzen fremden Häuser und Menschen anzuschauen. Konohagakure machte auf mich den Eindruck einer mittelalterlichen Stadt, obwohl ich sagen muss, dass ich mich am Anfang etwas geirrt habe. Es gab bereits Telefone und auch elektrisches Licht, sowie fortschrittliche Grills in den Imbissbuden. Pinky zerrte mich um eine Ecke und wir stoppten vor einem Hauseingang. Das Gebäude vor dem wir standen war leicht rosa und sah schon etwas heruntergekommen aus. Die Balkone machten den Eindruck als würden sie jeden Moment vor unseren Füßen landen und an der Fassade des Hauses befanden sich seltsame Zeichen. Auf dem Dach thronten eiserne Schornsteine, die das Haus wie einen Ozeandampfer aussehen ließen. Ich musste in diesem Moment an mein Haus in Tokio denken. Es sah zwar ganz anders aus, aber war genauso abgewrackt. Vielleicht waren manche Häuser in meiner Heimat noch schäbiger. »Geh schon«, Sakura stieß mir sanft in den Rücken, sodass ich einige Schritte vorwärts taumelte. Nervensäge! Wir waren vor einer Eisentreppe stehen geblieben. Sie führte zu den verschiedenen Hauseingängen. »Treppe hoch und dritte Tür links«, wisperte Sakura hinter mir als wolle sie keine Aufmerksamkeit erregen. Automatisch bewegten sich meine Beine die Treppe hinauf. Als würde ich von einer unsichtbaren Schnur gezogen werden. Als wir oben angekommen waren, blieb ich stehen. »Was ist denn los?«, fragte Pinky ungeduldig. Ich drehte mich zu ihr um, sodass sich fast unsere Nasenspitzen berührten, was bei dem engen Gang kein Wunder war. »Wieso gehst du nicht vor? Du kennst dich hier immerhin besser aus.« Sie öffnete den Mund, um etwas einzuwenden. Doch als ihr kein Grund einfiel, schloss sie ihn wieder. Wenn ihr mich fragt, sah das ziemlich dämlich aus. Wie ein Fisch ohne Wasser. »Also gut, ich geh ja schon vor!«, damit schob sie mich beiseite und drängte sich an mir vorbei. Zielstrebig steuerte sie auf eine bestimmte Tür zu und riss sie auf. Gab es hier nicht so etwas wie Schlösser? »Ha, der Idiot hat mal wieder vergessen abzuschließen!« Anscheinend doch. Ich folgte Sakura mit etwas Sicherheitsabstand in die Wohnung. Beinahe wäre ich mit ihrem Rücken kollidiert, denn sie blieb mitten im Türrahmen stehen. Ich lugte über ihre Schulter und konnte endlich den Grund für ihr Stehenbleiben erkennen. »Was machst du bitte hier?«, fragte Pinky spitz. Bis eben war Vollpfosten noch im Zimmer auf und ab gelaufen und hatte blitzschnell Sachen aufgehoben. Jetzt, wo er Pinky bemerkte, blieb er stehen und ließ die Dinge, die er noch in den Händen hielt, achtlos auf den Boden fallen. Er grinste verschmitzt und rieb sich den Hinterkopf: »Äh, ich dachte ich mach noch etwas Ordnung bevor ihr kommt.« »Das darf doch nicht wahr sein«, brummte Pinky und rieb sich die Stirn. Der blonde Ninja blickte immer noch ziemlich dämlich aus der Wäsche: »Habe ich schon wieder was falsch gemacht?« Anstatt zu antworten begann Pinky zu lachen. Wenn ihr mich fragt, klang es schon ziemlich hysterisch, aber Vollpfosten kapierte das Mal wieder nicht und fiel in ihr Lachen mit ein. Bis sie ihm mal wieder ihre Faust in sein Gesicht wandern ließ. Er wurde mindestens zwei Meter nach hinten geschleudert und landete auf einem Sofa. »Du hättest uns wenigstens Bescheid sagen können, dass du schon mal vorgehst«, meinte Pinky als sei gerade nichts gewesen. Ein weiteres Mal fragte ich mich, wo ich hier gelandet war. Umgeben von Irren und Gewalttätigen. »'tschuldigung!«, murrte Vollpfosten nur und sammelte dann wieder die Sachen auf, die er fallen gelassen hatte. »Von mir aus brauchst du nicht extra aufzuräumen. Ich werde sowieso nicht lange bleiben «, erklärte ich. Erstaunt blickten die beiden mich an. »Ich werde so schnell wie möglich versuchen nach Hause zu kommen und wenn ein Zimmer in einem Gasthaus frei wird, werde ich sofort umziehen.« »Und wie willst du das bezahlen?« Mist! Sie hatte Recht. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Selbst wenn ich Geld dabeigehabt hätte, wäre es hier wahrscheinlich wertlos gewesen »Wenn du möchtest können wir uns ein wenig umhören. Vielleicht sucht jemand eine Aushilfe, dann könntest du deinen kurzen Aufenthalt alleine finanzieren«, schlug Pinky vor und ich konnte die Betonung, die sie dem Wörtchen „kurz“ zumaß deutlich hören. »Ja das wäre nett «, meinte ich und versuchte so cool wie möglich zu klingen. Ich war ihr aber furchtbar dankbar für ihre Bemühungen. »Also, ich muss dann wieder «, sie lächelte, »ihr kommt doch ab jetzt auch sicher alleine klar, oder?« Vollpfosten warf ihr einen Blick zu, der ihr sagte, sie solle ihn bloß nicht mit mir alleine lassen und ich konnte ihm das nachempfinden. Doch Pinky zeigte kein Erbarmen. Ohne auch nur eine unserer flehenden Blicke zu beachten, verließ sie schleunigst die Wohnung. Dann war es still im Raum. Vollpfosten starrte immer noch auf den Fleck, auf dem eben noch sein Schwarm gestanden hatte und ich tastete mit meinen Augen schnell die Wohnung ab. Ich war noch nie gut darin gewesen, Leute einzuschätzen. Weder darin, sie nach ihrem Aussehen, oder nach ihrem Verhalten zu beurteilen, doch in diesem Fall war es unübersehbar, dass Vollpfosten total auf Pinky abfuhr. Mir fiel auch auf, dass er seine Zeit lieber draußen zu verbringen schien, denn es gab kaum Möbelstücke oder Dekoration. Lediglich ein Ramen – Poster über dem schlichten Bett. Dazu kamen die leeren Schachteln, die mir sagten, dass er viel Fastfood aß. Das Chaos störte mich nicht weiter, aber was meine Aufmerksamkeit erregte, war das einzige Foto, dass auf seinem Nachttisch stand. Es zeigte eine wesentliche jüngere Ausgabe von Pinky und Vollpfosten. Während sie breit lächelte, schielte er wütend zu einem Jungen, der ungefähr in ihrem Alter war und ziemlich düster und desinteressiert dreinblickte. Hinter den Dreien stand ein grinsender Mann mit weißem Haar und einer Maske, die sein halbes Gesicht bedeckte. »Wer sind die beiden?«, fragte ich und war selbst überrascht, dass ich mich dafür interessierte. Vollpfosten löste sich aus seiner Starre und blickte mich irritiert an. Ich deutete auf das Foto und plötzlich veränderte sich seine Miene. Sie war weder dämlich noch fröhlich. Etwas Trauriges und Verbissenes lag in seinem Gesichtsausdruck. »Ach nur ein Erinnerungsfoto«, meinte er bloß, aber ich konnte hören, dass es eben dies nicht war, sondern mehr dahintersteckte. »Sind sie auch Ninja?« Wieso sollte ich nicht weiter stochern, wenn ich schon mal angefangen hatte? »Japp, das links ist Sasuke und dahinter unser Sensei Kakashi, den lernst du bestimmt auch noch kennen.« »Und diesen Sasuke nicht?« Upps! Anscheinend die falsche Frage! Sein Gesichtsausdruck wurde auf einmal ganz verschlossen. Ich merkte, dass etwas nicht stimmte und wechselte stattdessen schnell das Thema. »Wie wird man denn ein Ninja?« Seine Miene hellte sich auf und plötzlich erschien wieder sein altes Grinsen. »Also zuerst geht man auf die Akademie für Ninja und lernt dort alle Kampftechniken kennen und nach der ersten Prüfung wird man zum Genin. Das ist der unterste Rang und da wird man in Dreiergruppen plus Sensei eingeteilt. Wir waren damals Team Sieben. Hat man einige Missionen hinter sich, dann kann man irgendwann zum Jonin aufsteigen und immer weiter.« »Und welchen Rang haben Sakura und du?« Er wurde auf einmal ganz verlegen und druckste etwas herum: »Na ja...also...Sakura...ähm...Sakura ist bereits ein Chunin und ich ich...« »Bist du etwa noch ein Anwärter?«, ich grinste süffisant. »Natürlich nicht«, meinte er aufgebracht und guckte mich bitterböse an, »ich in ein Genin!« Logisch denken konnte ich auch! Eben hatte er doch schon erwähnt, dass er mindestens ein Genin war, aber es machte einfach Spaß ihn zu ärgern. Ich konnte mir das Lachen gerade verkneifen. »Man es muss ja ganz schön hart sein, wenn die Teamkameraden schon weiter sind...« Das schien ihn wirklich zu treffen, denn er versuchte auszuweichen: »Ich hatte eben noch nicht die Gelegenheit meine Chunin- Prüfung zu machen. Außerdem bin ich genauso stark wie Sakura oder Sa- ähm die anderen Chunin.« Ich wollte ihn nicht weiter ärgern. »Und wo soll ich heute Nacht schlafen, du superstarker Ninja?« »Na, ich dachte dort«, meinte er langsam und deutete auf ein Sofa. Das war doch etwa nicht sein ernst, oder? Auf dem harten, unbequemen Ding? »Äh, okay. Kein Problem!« Manchmal bist du auch ein Vollpfosten, Chinatsu! Der Abend kam schnell und wir wechselten kein weiteres Wort mehr miteinander. Vollpfosten tat so als wolle er noch ein wenig aufräumen, dabei schaufelte er den Müll nur von einer Ecke in die andere. Pinky war nochmal kurz da gewesen und hatte mir schnell etwas zum Anziehen gebracht. Immerhin konnte ich nicht den ganzen Tag in meinen Schlafsachen herumlaufen. Doch sie war so schnell wieder verschwunden, dass ich kein weiteres Wort mit ihr wechseln konnte. Und auch Vollpfosten schien darüber sehr enttäuscht zu sein. Die schmachtenden Blicke, die er ihr zu warf, sprachen Bände. Eigentlich hatte ich mir Konoha noch ein wenig genauer anschauen wollen, doch alleine hatte ich Angst mich zu verlaufen und ich war viel zu stolz Vollpfosten zu fragen, ob er mich begleitet. »Möchtest du auch?« Er hielt mir eine Schüssel mit dampfender Nudelsuppe unter die Nase. Mein leerer Magen bereitete mir schon seit einer ganzen Weile Probleme und das Knurren hatte sicher auch er gehört. »Nein danke, ich habe keinen Hunger. Und wenn, dann würde ich mir selber etwas zu essen besorgen!« »Wie du meinst «, er zuckte mit den Schultern und kippte dann die ganze Suppe auf einmal in seinen Mund. Dumme Chinatsu! Dumme, dumme Chinatsu! Nur weil mein Stolz wieder mal zu groß gewesen war, bekam ich in meiner ersten Nacht in Konoha vor Hunger kein Auge zu. Na ja, vielleicht lag es auch ein bisschen an Vollpfostens nerviges Schnarchen. Ich brauchte einen Job und zwar dringend! »Und du möchtest wirklich nichts?«, fragte mich Vollpfosten auch nochmal am nächsten Morgen beim Frühstück. »Nein«, zischte ich und wandte meinen Kopf ab. Ich hielt ja kaum den Geruch aus, aber der Anblick des Brotes in Vollpfostens Hand ließ meinen Magen regelrecht aus meinem Körper springen. Der Hunger war bereits so groß, dass ich kaum noch klar denken konnte und die Schmerzen wurden immer schlimmer. In meinem Kopf war bereits ein hartnäckiger Kampf ausgebrochen: Stolz vs. Überlebenswille. Bis jetzt lag der Stolz eindeutig vorne, aber lange würde er das nicht mehr mitmachen. Nein, länger wollte mein Magen das nicht mehr mitmachen. Ich beschloss ein Kompromiss zu schließen. Ich würgte und spuckte und plötzlich kamen mir die ätzenden Worte zuckersüß über die Lippen: »Könntest du mir nachher vielleicht mal euer tolles Konoha zeigen?« Überrascht blickte er mich an, doch dann begann er zu grinsen, sodass wieder der Vollpfosten in ihm durchkam. Er zeigt mit dem Daumen nach oben: »Aber klar, kein Problem. Unser Dorf ist klasse! Vielleicht kann ich dir auch gleich einige von meinen Freunden vorstellen.« Ich hätte mal meine Klappe halten sollen! Jetzt durfte ich noch mehr von diesen Trotteln kennen lernen. Vielen Dank, liebe menschliche Bedürfnisse! Und so kam es ... Stopp! Klingt viel zu märchenhaft! Und das hier war sicher kein Märchen, sondern wurde immer mehr zum Alptraum. Denn jetzt war ich auch noch dazu gezwungen mir vom diesem blonden Volltrottel, der angeblich ein Ninja sein sollte, dieses Dorf im Nirgendwo zeigen zu lassen. Dabei redete er ununterbrochen und ich betete, dass es doch schnell vorbei war. Doch da das Ende noch nicht in Sicht schien, versuchte ich mich stattdessen auf die Menschen und die Gebäude zu konzentrieren. Eigentlich sah alles zu normal aus, als dass man die Einwohner für verrückt hätte halten können. »Und das ist die Bibliothek. Ich bin noch nie drin gewesen (Welche Überraschung!), aber Sai aus unserem Team verbringt dort die meiste Zeit. Komm, ich stelle ihn dir vor.« Bevor ich protestieren konnte, war er schon davongelaufen. Ich brummte und folgte ihm widerwillig. Na ja, zugegeben, dass Wort „Bücher“ löste bei mir schon innerliche Begeisterung aus, aber nicht, dass ihr jetzt glaubt ich wolle unbedingt seinen Freund kennen lernen, obwohl er sicherlich schlauer war als Vollpfosten, wenn er seine Zeit in einer Bibliothek verbrachte. Ich wurde nicht enttäuscht. So viele Wälzer hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Und hätte der blonde Trottel nicht an meiner Seite gestanden, ich hätte gedacht, ich wäre im Paradies gelandet. Doch ich konnte mir nichts weiter angucken, weil Vollpfosten mich wieder weiter zerrte. Dafür würde ich mich noch rächen! Das bekam er doppelt und dreifach zurück. Aber erst später, denn jetzt musterte ich erstmal erstaunt den seltsamen Typen, der dort an einem breiten Eichentisch hockte. Seine Miene wirkte ausdruckslos, aber nicht abweisend oder unfreundlich. Viel mehr starr, als hätte er keine Gesichtsmuskeln, die er bewegen konnte. »Hi Sai!«, Vollpfosten grinste ihn breit an. Der fremde Junge erwiderte nur ein schwaches Lächeln und man sah, dass es nicht echt war. Ich hielt mich lieber etwas zurück. »Was machst du?« »Ach, ich lese nur.« »Also wie immer«, Vollpfosten grinste und zog mich dann neben sich, »dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich dir Chinatsu vorstelle, oder?« Ich schnaubte, weil er bei meinem Namen alle Förmlichkeitsformen wegließ. Sai lächelte mich freundlich an (welch eine Überraschung!) und stand dann auf, um sich vor mir zu verbeugen. Ich musste mir die Hand vor den Mund pressen, um nicht zu lachen. Mein Gott, konnte der Typ sich keine Oberteile leisten, die ihm über den Bauchnabel gingen? Für einen Kerl war es schon echt seltsam so viel Haut zu zeigen! Aber wenn ich ehrlich war, dann hatte er schon etwas Feminines... »Hey«, ich lächelte zurück. Immerhin hatte ich keine Vorurteile. Nein... »Pass auf, gleich gibt er dir einen Spitznamen«, kicherte mir Vollpfosten ins Ohr. »Huh?« Jetzt war er wohl völlig übergeschnappt! Ich überlegte ehrlich, ob es eine gute Idee gewesen war bei einem geistig verwirrten zu übernachten. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, meldete sich Alien wieder zu Wort. Wieso ich Sai Alien nannte? Wenn ihr ihn sehen könntet, würdet ihr mir zustimmen, dass er nicht von diesem Planeten sein konnte. Er war noch seltsamer als die Leute, die ich hier schon getroffen hatte. Ich war verwundert, wie das bloß möglich sein konnte. Ob ich ihn mal nach seinem Heimatplaneten fragen sollte? Hihi... »Dein Name ist also Chinatsu- san?«, sein Dauerlächeln war immer noch da, wie festgetackert. Ich nickte bloß. »Dein Spitzname ist dann...« Ich sah das fiese Grinsen auf Vollpfostens Gesicht und fragte mich, ob Alien genauso originelle Spitznamen erfand wie ich. Dann hätten wir wenigstens etwas gemeinsam. »Chi-chan.« »Was?«, Vollpfosten klappte der Unterkiefer hinunter und er blickte Sai an, als wäre er krank oder so. »Meinst du das ernst?« »Natürlich. Warum denn nicht? Laut meiner Bücher ist es am besten Leuten Spitznamen passend zu ihrem Taufnamen zu geben.« »Danke, dass ist der schönste Spitzname, den ich je bekommen habe«, das meinte ich vollkommen ernst, genauso wie das dazugehörige Lächeln. Vollpfosten war immer noch fassungslos darüber, dass Alien es anscheinend nicht für nötig gehalten hatte, mir einen gemeinen Spitznamen zu geben. Schadenfreudig grinste ich. »Was guckst du so blöd, Vollpfosten?« Erst da schien er wieder aus seiner Starre zu erwachen und blickte mich bitterböse an, wobei er irgendetwas unverständliches murmelte. Sai lachte leise. Selbst das klang unecht, aber trotzdem musste auch ich grinsen. Vollpfostens Gesichtsausdruck war zu köstlich. »Wenn du noch länger bei mir wohnen willst, dann solltest du aufhören mich immer zu beleidigen«, knurrte er. »Wenn sie bei dir wohnt, meinst du damit ihr führt eine Liebesbeziehung?« »Wie bitte?«, fragten Vollpfosten und ich gleichzeitig und blickten ihn schockiert an. Sai blätterte wild in einem Buch: »Hier stand irgendwo, dass menschliche Zuneigung zwischen Männern und Frauen meistens zu einer Beziehung führt und die Betroffenen sich nach ihrer Hochzeit meistens eine gemeinsame Unterkunft suchen. Heißt das ihr seid verheiratet?« Der Kerl schien wirklich irgendetwas locker zu haben. Vollpfosten und ich liefen jedenfalls knallrot an und riefen im Chor: »Ich mit der/dem? Nie im Leben! Uäh!« Wir schüttelten uns beide bei der Vorstellung und Alien sah das erste Mal völlig verdutzt aus. »Seltsam. Vielleicht sollte ich das Kapitel nochmal genauer lesen.« Damit verschwand er wieder zwischen den hohen Bücherregalen, den ich einen sehnsüchtigen Blick zu warf. Vollpfosten schien immer noch völlig überrumpelt von Sais Worten zu sein, sodass er erst nicht merkte wie ich mich heimlich davonschlich und vor einem Regal mit mächtig alten Büchern stehen blieb. Langsam fuhren meine Fingerspitzen über die Buchrücken und sie nahmen dabei eine dicke Schicht Staub mit. Gerade war ich dabei eines der Wälzer mit altertümlichen Schriftzeichen aus dem Regal zu ziehen als eine Hand nach mir schnappte. Erschrocken zog ich sie zurück und wirbelte herum. »Naruto!«, schnarrte ich und funkelte ihn wütend an, »du hast mich erschreckt, du Idiot!« »Hmpf! Mir doch egal, aber ich habe keine Lust den ganzen Tag hier herum zu hängen. Also entweder kommst du jetzt mit oder du kannst alleine nach Hause finden.« Am liebsten hätte ich jetzt das dickste Buch genommen und ihn mit voller Wucht auf den Kopf gezimmert. Doch es gab zwei Dinge, die dagegensprachen: Erstmal hätte ich es aus eigener Kraft gar nicht heben können, und zweitens hätte er mir ohnmächtig nicht mehr viel genutzt. Also jedenfalls nicht als Stadtführer und ohne das ich wusste, wo sich was in Konoha befand, war ich völlig aufgeschmissen, wenn ich endlich wieder alleine klarkommen wollte. »Also gut!«, knurrte ich und ging diesmal vor. Kaum hatten wir das Gebäude verlassen, hörten wir wie jemand unsere Namen rief. Sakura kam auf sie zu gerannt und winkte ihnen (Ich hatte mir vorgenommen sie nur noch mit ihrem richtigen Namen anzusprechen, weil sie im Grunde doch ganz nett zu sein schien). Aus irgendeinem Grund schien sie aufgeregt zu sein. »Hallo Sakura- chan!«, brüllte Vollpfosten ihr entgegen und fing fast schon wieder an zu sabbern. So ein Hornochse! Als Sakura seinen Blick bemerkte stoppte sie und sah so aus als wäre sie gerne wieder umgedreht, aber dazu war sie erstens zu stolz und zweitens wollte sie uns wirklich etwas Wichtiges erzählen. Deshalb murmelte sie nur ein kurzes: »Hey Naruto!« und wandte sich dann mit einem strahlenden Lächeln an mich: »Ich habe tolle Neuigkeiten, Chinatsu!« »Echt?«, ich zog eine Augenbraue hoch. Hatte endlich jemand einen Weg aus meiner Misere gefunden? Es wäre zu schön um wahr zu sein. »Ja, ich habe dir doch versprochen mich nach einer Arbeit für dich umzuhören und heute Morgen habe ich etwas gefunden. Vielleicht hast du Glück und wirst genommen, weil der Job nicht für jeden geeignet ist«, erklärte sie heiter. Ich musterte sie misstrauisch: »Aber für mich?« Sie zuckte die Schultern: »Vielleicht. Wenn du es aushältst in einen Bücherladen zu arbeiten.« »In einem Bücherladen?«, wiederholte ich ungläubig. »Na ja«, meinte sie entschuldigend, »der Besitzer ist zwar alt, aber wirklich nett. Und er hat ein riesiges Schild im Schaufenster hängen. Sicher lässt er wegen des Lohns mit sich handeln und...« »Stopp, stopp, stopp«, lachte ich und hob beschwichtigend meine Hände, »du brauchst gar nicht versuchen mich davon zu überzeugen. Ich werde es auf jeden Fall machen!« »Ach echt?«, sie schien noch nicht ganz überzeugt davon zu sein. Aber ich umso mehr. Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können. Ich hatte nicht damit gerechnet gleich am ersten Tag einen Job zu finden und dann noch einen, der etwas mit meinem Hobby zu tun hatte. »Noch hast du ihn ja nicht«, korrigierte ich mich in Gedanken. Aber ich wollte es auf jeden Fall versuchen. »Am besten gehen wir gleich hin und du stellst dich vor«, meinte Sakura. »Nicht schon wieder Bücher«, maulte Vollpfosten, aber wurde mal wieder ignoriert. Sensei Suzuwa (wie ich ihn später nennen werde) war drei Dinge: Ziemlich alt, ziemlich nett und vor allem ziemlich klein. Ich war ja schon nicht gerade die größte, aber er ging mir gerade mal bis zum Kinn. Trotzdem mochte ich ihn von Anfang an. Er hatte silberne Haare und einen passenden Kinnbart. Wenn er lachte (was er sehr oft zu tun schien), begannen seine braunen Augen immer zu strahlen und die Falten um seine Augen und seine Mundwinkel zu tanzen. Ich hatte gerade mal gefragt, ob er immer noch eine Aushilfe suche, da erklärte mich der Kerl auch schon mit euphorischen Händeklatschen für eingestellt. Ich fiel aus allen Wolken. Seit wann ging so etwas denn so schnell? Da musste irgendein Haken an der Sache sein. »Aber Suzuwa- san«, merkte ich an, »wollen Sie nicht so etwas wie ein Bewerbungsgespräch mit mir durchführen? Oder wenigstens einige Fragen stellen, um zu wissen, ob ich für den Job geeignet bin.« Sakura stieß mich leicht an und schüttelte den Kopf. »Wenn er das nicht im Sinne hat, dann sei doch froh, dass alles so schnell ging«, zischte sie. Der alte Mann lachte: »Deine Freundin hat vollkommen Recht. Aber ich brauche gar dich gar nicht erst fragen. Das, was ich gesehen habe, reicht.« »Und was haben Sie gesehen?«, wollte ich wissen und war wirklich gespannt auf seine Antwort. »In dir, Chinatsu- chan?« Ich nickte. »Wahrscheinlich eine nervige, sarkastische und vollkommen sture Brillenschlange«, brummte Vollpfosten, der hinter uns im Türrahmen lehnte. Ich streckte ihm die Zunge heraus und wandte mich dann wieder meinen zukünftigen Arbeitgeber zu, der über Vollpfostens Kommentar hinter vorgehaltener Hand kicherte. Dann wurde er jedoch wieder ernst. »Ich habe den Blick gesehen, mit dem du meine Bücher gemustert haben. Er war liebevoll, leidenschaftlich, abenteuerlustig. Du liest gerne, habe ich Recht?« »Ja.« Er nickte: »Ich weiß, dass meine Stücke bei dir in guten Händen sind. Zuerst bestehen deine Aufgaben nur darin, die Bücher von Staub zu befreien, gelegentlich Kunden zu bedienen oder neue Lieferungen ein zu sortieren. Glaubst du, dass schaffst du für den Anfang?« »Sie können sich auf mich verlassen, Suzuwa- san«, meinte ich zuversichtlich und machte eine kleine Verbeugung. »Das weiß ich, Chinatsu- chan. Das weiß ich«, lächelte er. In diesem Moment fragte ich mich, ob er vielleicht mehr wusste als ich. Also, ich meine über mich. Später würde ich erfahren, dass ich in meiner Annahme richtiglag. Aber jetzt konnte ich mein Glück erstmal kaum fassen. »Wann soll ich denn Anfang?«, die Frage brannte mir schon von Anfang an auf der Zunge. »Sofort natürlich«, meinte er, als wäre es völlig offensichtlich. »Na dann werden wir uns gleich mal verabschieden. Wir wollen dich ja nicht gleich an deinem ersten Tag vom Arbeiten abhalten«, Sakura zwinkerte mir zu. Als Vollpfosten nicht reagierte, verdrehte sie die Augen und schleifte ihn am Arm durch die Tür. »Was soll denn das, Sakura-chan?«, maulte der Ninja, »ich wollte doch sehen, wie Brillenschlange sich anstellt!« Ich knurrte leise. Als die beiden den Laden verlassen hatte, hörte ich den alten Mann hinter mir leise lachen: »Der Blondschopf ist doch wirklich zu köstlich. Man könnte meinen er wäre nicht der Hellste.« Ich musste mir kräftig auf die Zunge beißen, um nicht eine sarkastische Bemerkung machen zu müssen. Das hatte er furchtbar schnell herausgefunden. Aber er war ab heute mein Vorgesetzter. Da wollte ich nicht gleich am ersten Tag frech werden. »Ja, seine Eltern haben ihn auf den Kopf fallen gelassen als er klein war«, grinste ich bloß. »Sei nicht so gemein zu ihm«, meinte Suzuwa- san ernst, » Uzumaki Naruto hatte es noch nie leicht gehabt. Sicher weißt du, dass seine Eltern früh gestorben sind?« Ich schüttelte meinen Kopf und schämte mich ein wenig. Das hatte ich ja nicht gewusst. Ich dachte er würde alleine wohnen, weil er schon von zu Hause ausgezogen war. »Eigentlich ist er ein fröhlicher Junge. Ich habe gehört er hat das Talent schnell Freunde zu finden. Außerdem ist er sehr gerecht, loyal und mutig. Eigentlich ein feiner Kerl, manchmal eben nur ein wenig langsam im Kopf.« Der Mann schien wirklich viel von ihm zu halten und das stimmte mich ein wenig nachdenklich. Wenn Naruto wirklich seine Eltern verloren hatte, müsste ich ihn ja eigentlich am besten verstehen können. Vielleicht mit der kleinen Ausnahme, dass irgendwo noch mein Vater zu existieren schien. Auch wenn er für mich schon so gut wie tot war. Wem sollte ich etwas vormachen? Ich würde ihn nie kennen lernen und ehrlich gesagt, wollte ich das auch gar nicht. »Stimmt etwas nicht, Chinatsu- chan?«, fragte mich Suzuwa- san besorgt, »du wirkst auf einmal so nachdenklich.« Ich schüttelte langsam meinen Kopf: »Nein, nein, mir geht es gut.« Ich war noch nie ein guter Lügner gewesen, zudem schien mich der alte Mann wirklich mehr durchschauen zu können als jeder andere zuvor. Trotzdem sagte er nichts, sondern zeigte mir nur, welche Bücher ich abstauben sollte. Wortlos ging ich an meine Arbeit. Sie machte Spaß, auch wenn es anfangs nur ums Saubermachen ging. Vielleicht würde sich doch noch alles zum Guten wenden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)