Flatmates von SummoningIsis ================================================================================ Kapitel 2: Cleaning ------------------- CLEANING Eigentlich verhält sich Jannik nicht anders als sonst, als er sich mit seinen Fingern durch sein dunkles Haar fährt und etwas lauter ausatmet. Er blickt mich an und lächelt leicht. Dann kommt er auf mich zu und legt seine Hand unter mein Kinn, hebt es sachte an, sodass ich ihm direkt in sein Gesicht blicken kann. Er beugt sich leicht herunter zu mir, denn schließlich ist er ganze zehn Zentimeter größer als ich, obwohl ich drei Jahre älter bin, und drückt mir einen sanften Kuss auf meine Lippen. Es ist 16 Uhr und wir haben gerade erst zusammen auf dem Balkon gegessen, den stressigen Unitag hinter uns gelassen. Und nun wollen wir Möbel schleppen. Und das ist etwas, was definitiv anders ist als sonst. Was Jannik gerade sagt, bringt die gesamte Situation für mich zum eskalieren. „Du willst, dass wir unser gesamtes Schlafzimmer auseinandernehmen?!“, fahre ich ihn an. Er seufzt. „Roman, unsere Wohnung schreit einem das Wort „Pärchen“ regelrecht entgegen. Denkst du, zwei normale Mitbewohner hätten ein Doppelbett?! Und überhaupt ein gemeinsames Schlafzimmer?“, entgegnet er fast schon ein wenig müde. Ich hab ihm bereits gesagt, dass ich ein mulmiges, ein sehr schlechtes Gefühl bei der gesamten Sache habe. Und seine momentane Vorgehensweise ändert meine Meinung in keinem Punkt. „Hast du echt vor, unsere gesamte Wohnung zu verändern?“, frage ich schon etwas ruhiger und lasse meine Schultern dabei hängen. Er schaut mich mit diesen großen, dunklen Augen bittend an, verlagert sein Gewicht auf sein linkes Bein und legt seine Hand auf die nun etwas abstehende Hüfte. So sieht er aus wie ein Model. Ich seufze. „Das sind nur vier Wochen, Schatz“, redet er mit sanfter Stimme auf mich ein. Als ich nicht antworte, sondern stumm das dunkle Muster des Sofabezuges anstarre, legt er seinen Arm um meine Hüfte und zieht mich an sich heran. Das ist genau das, was ich mit meiner Stille bezwecken wollte. Ich muss leicht grinsen, als er anfängt meinen Hals entlang zu küssen. Ich weiß, wie ich ihn dazu kriege, bestimmte Sachen zu tun. Man könnte es fast schon Kontrolle nennen, auch wenn ich niemals einen „Befehl“ äußern würde. Ich kenne Jannik einfach. Und er kann meine Körpersprache perfekt lesen. „Was willst du denn jetzt alles verändern?“, fragte ich kapitulierend. Zu spät ist ja eh. Julia und Klara kommen bereits in zwei Tagen. Und ich war derjenige, der dieser dämlichen Idee zugestimmt hatte. Also, dieser Inszenierung. Gegen einen reinen Familienbesuch hätte ich ja nichts, ganz im Gegenteil. Ich finde es ätzend, dass Jannik und ich so eine gute Beziehung zu meinen Eltern haben und überhaupt gar keine zu seinen. Auch wenn mir der Gedanke, mit zwei Frauen unter einem Dach zu Hausen, im Allgemeinen mehr als gruselig erscheint. „Wir müssen es einfach wie eine WG aussehen lassen“, reißen mich Janniks Worte aus meinen Gedanken. Er betritt unser Schlafzimmer und ich folge ihm. „Wir fangen mit dem Bett an“, bestimmt er und beginnt zunächst die Decken und Kissen aus dem Weg zu räumen. Nach und nach begreife ich erst, was er mit seinem WG-Umbau meint. Die Möbel aus unserem Schlaf- und Arbeitszimmer verschwinden beinahe gänzlich, oder werden komplett verschoben. Im Grunde genommen kann man die beiden Zimmer nach zwei Stunden gar nicht mehr als Schlaf- oder Arbeitszimmer bezeichnen. Jannik besteht tatsächlich darauf, unsere beiden Schlafsofas aus dem Keller zu holen, wie auch andere alte Möbel, die wir damals in unseren vorigen Wohnungen stehen hatten, als wir noch auseinander wohnten. In meinem Fall war das eine tatsächliche WG. Und wenn ich unser eigentliches Arbeitszimmer momentan betrachte, muss ich benommen feststellen, dass es fast identisch mit meinem alten Zimmer ist, als ich noch mit Jens und Torben, zwei Kommilitonen von mir, zusammengewohnt habe. Dort unterm Fenster steht der Schreibtisch, und die Kommode mit dem kleinen Fernsehgerät ist gleich daneben. Das blaue Schlafsofa steht in der hinteren Ecke und daneben ein kleiner Nachttisch, der eigentlich ins nicht mehr existente Schlafzimmer gehört… Es ist so seltsam diesen Raum so verändert zu sehen. Die gesamte Situation fühlt sich wie ein regelrechter Bühnenaufbau an und wenn ich ehrlich sein muss, hasse ich Laientheater. An unser nächtliches, gemeinsames Reich erinnern plötzlich nur noch die blauen Gardinen und der dunkelbraune Parkettboden. Auch hier stehen einige meiner alten Möbel und Janniks, die er noch aus seinem Kinderzimmer mitgenommen hatte, als er ausgezogen war. Auch hier steht eine Schlafcouch, diesmal in einem braunen Ton. Sie ist viel kleiner als meine alte und ich erinnere mich, sie mal in Janniks kleinem Gästezimmer gesehen zu haben. An der gegenüberliegenden Wand liegt zudem noch eine frisch bezogene Matratze. „Du willst deine Schwestern in unserem alten Schlafzimmer unterbringen?“, frage ich spöttisch und auch ein wenig sauer, während ich dieses Nachtlager weiterhin betrachte. „Nein, will ich nicht“, entgegnet er. „Deine alte Schlafcouch im Arbeitszimmer ist groß genug für zwei Personen.“ „Wieso liegt denn dann hier diese Matratze?“, frage ich ihn und drehe mich zu ihm um. Er sieht mir direkt in die Augen. Sein Blick wirkt müde und schwer. „Weil sich ganz normale Freunde wohl kaum ein Bett für ganze vier Wochen teilen würden, oder?“ Dieser Satz macht Sinn, wäre da nicht dieses kleine Problemchen, dass momentan eigentlich gar nichts mehr Sinn ergibt und somit auch Janniks kalt ausgesprochenen Worte an Bedeutung verlieren und mich ratlos und zugleich wütend im Raum stehen lassen. „Du willst tatsächlich, dass wir in getrennten Betten schlafen?!“, platzt es aus mir heraus, nachdem ich einige Sekunden weiter darüber nachgedacht habe. Jannik sagt gar zunächst einmal gar nichts, mustert mich immer noch mit diesem müden Blick, als wolle er mir mit seinen dunklen Kristallen ein „es tut mir Leid“ signalisieren. Ich schnaube und möchte aus dem Zimmer stürmen, doch Jannik stellt sich zwischen mich und Tür und hält mich mit seinen gut ausgebildeten Armen auf. Ich versuche ihn nicht anzublicken, doch seine Hand wandert erneut unter mein Kinn und er zwingt mich regelrecht den Augenkontakt wieder herzustellen. „Das ist alles bloß eine Farce, Roman“, sagt er mit ruhiger Stimme und dennoch bestimmt. Jannik kann so was. Manchmal geht von ihm eine regelrechte Autorität aus, obwohl das alles wahrscheinlich auf einer unbewussten Schiene abläuft. „Ach, nee“, lautet meine Antwort, die wie aus einer Pistole geschossen kommt. Ich bin sauer, enttäuscht und irgendwie total nervös. Alles gleichzeitig. Diese sich verändernde Wohnung, welche eigentlich als mein persönlicher Rückzugsort fungiert, löst sich vor meinen eigenen Augen auf. Und das Schlimme daran ist, dass ich mit meinen eigenen Händen daran beteiligt bin. Ich seufze. Wie schon so oft während der heutigen Prozedur. Jannik hält mich mit beiden Armen fest. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter und für einige Minuten stehen wir einfach so da. „Wenn meine Schwestern schlafen, krabbel ich zu dir ins Bett, einverstanden?“, sagt er mild. Ich verdrehe die Augen. „Ist das hier irgendwie so eine Rückentwicklung?“, frage ich ihn und schaffe es mich aus seiner Umarmung zu befreien, auch wenn ich das sofort bereue. Ich liebe es von ihm gehalten zu werden. Ich brauche diesen Körperkontakt zu ihm, mehr noch, als ich Luft zum atmen benötige. Auch wenn ich weiß, dass das rein biologisch gar nicht möglich ist. „Rückentwicklung?“, fragt er mit leicht hochgezogener Augenbraue. „Ja, das hört sich alles nach Teenagern an, deren Eltern keine Beziehung erlauben und die sich hinter Turnhallen treffen, um ein wenig rumzuknutschen“, erkläre ich ihm. Er grinst leicht. „Na, dann betrachte das ganze doch einfach als ein kleines Rollenspiel.“ Wenn das so einfach wäre! Diesmal lässt er mich an ihm vorbeimarschieren und ich stapfe ins Wohnzimmer, welches sich noch nicht ganz verändert hat. Bis auf die Tatsache, dass Jannik sich nun daran macht, die zahlreichen Bilder von uns von den Regalen zu nehmen. Auch unser allererstes gemeinsames Foto, das wir kurz nachdem wir zusammengekommen sind in so einem billigen Fotoautomaten am Bahnhof aufgenommen haben. Ich lasse mich auf das Sofa sacken und schalte den Fernseher ein. Ich möchte ihm nicht dabei zusehen. „Hilfst du mir noch ein wenig?“, fragte Jannik mich mit sanfter Stimme, als er die Bilderrahmen in den kleinen Karton packt, den er später sicherlich hinab in den Keller tagen will, in dem nun auch die Reste unseres schönen Schlafzimmers ruhen. Fast kriegt er mich mit seiner betörenden Stimme dazu, aber das Stechen in meinem Brustkorb belehrt mich eines Besseren und ich schalte auf den „Sturmodus“ um. Ich murmele irgendetwas unter meine Nase, was so viel wie „nein“ bedeuten soll und starre den Bildschirm weiterhin an. Jannik hingegen macht mit seiner Arbeit einfach weiter und natürlich schaffe ich es nicht meinen Blick auf den Bildschirm aufrecht zu erhalten. Irgendwann wandern meine Augen automatisch zu ihm und betrachten seine Statur. Er geht jetzt alle Schubladen durch und holt Sachen heraus, die uns „verraten“ könnten. Wie zum Beispiel die paar Ausgaben des „Blu“, eines Szenemagazins für Schwule. Oder ein paar unserer DVDs. Nein, keine Pornos. Wunderschöne und zum Teil auch traurige Filme über Homosexualität. Wobei wir wieder beim Thema wären. Zum wievielten Mal verdrehe ich jetzt schon meine Augen? Jannik hatte mir schon relativ früh offenbart, dass seine Familie, sagen wir mal, nicht sehr erfreut wäre, wenn sie von den Neigungen ihres Sohnes erfahren würde. Seine Eltern kommen ursprünglich aus diesem kleinen bayrischen Dorf, dessen Namen ich bereits vergessen habe. Nicht, dass sie extrem religiös wären. Nach dem Umzug nach Niedersachen, ebenfalls in irgendein armseliges Kaff, sind sie laut Jannik auch gar nicht mehr so oft in die Kirche gegangen. Natürlich hatten er und seine Schwestern den ganzen Spaß in Form von Kommunion und Firmung mitmachen müssen, aber mein Freund hatte sich nicht beschwert. Er hatte mir sogar mal erzählt, dass er sehr nette Leute dadurch kennengelernt hatte. Mehr sagt er dazu aber auch nicht. Was hatte er noch über seine Eltern erzählt? Sein Vater war Landwirt. Und der alte Herr war ausgerastet, als Jannik mit seinem allerersten Piercing nach Hause kam, dem Stecker in der Augenbraue. Sein Vater hatte wohl einen ganzen Monat kein einziges Wort mit ihm gewechselt und seine Mutter hatte ihn andauernd gebeten es herauszunehmen, damit er wie „ein anständiger, junger Mann“, aussah. Was sie wohl zu dem Apadravya sagen würde? Bei diesem Gedankengang muss ich dämlich grinsen, vom Fernsehprogramm bekomme ich nun absolut nichts mehr mit. „Was grinst du denn so?“, schreckt mir Janniks Stimme auf, als er sich plötzlich direkt neben mich setzt und seine Hand auf meinen Oberschenkel platziert. Von dort aus breitet sich nun diese ganz besondere Wärme aus, die durch meinen gesamten Körper zu fließen scheint, und ich verfluche ihn innerlich dafür, dass er mich so leicht aus dem Konzept bringen kann. „Ich hab nur an was Schönes gedacht“, entgegne ich gelassen. Jedenfalls versuche ich es so klingen zu lassen. Jannik grinst. „Ist das so?“, hakt er nach und beugt sich zu mir, haucht mir einen sanften Kuss auf die Wange. Und als er dabei ist seine Hand unter mein T-Shirt gleiten zu lassen und mit der anderen leicht meinen Nacken umfasst, bin ich kurz davor alles, was er mit mir vorhat, zuzulassen. Bis mein leicht vernebelter Blick den nun leeren Platz auf dem Regal streift, wo vorher das besagte erste Foto von uns stand. Als das passiert, fühlen sich Janniks Hände plötzlich sehr kühl an und seine Lippen an meinem Hals scheinen deplaziert. „Jetzt nicht“, sage ich leise, aber schroff und stehe auf, gehe in die Küche und öffne sinnlos den Kühlschrank, nur um etwas zu machen. Ich kann die Fußtritte meines Freundes genau wahrnehmen, kann regelrecht hören, wie er sich gegen den Türrahmen lehnt und mich von dort aus betrachtet. Leicht nervös Janniks musternden Blick auf meinen Rücken zu spüren greife ich nach irgendeinem Joghurt und fange an ihn zu essen. Und am liebsten würde ich ihn sofort wieder ausspucken. Er schmeckt widerlich. „Ich dachte, du magst keinen Ananasjoghurt?“, fragt Jannik leicht belustigt, doch sein Blick ist alles andere als das. Ich zwinge mich dazu zu schlucken und stelle den Becher mit einem lauten Knall auf den Tisch. Natürlich befördere ich dabei ein Drittel des ekelhaften Inhaltes auf die Tischplatte. Verärgert seufze ich. Ohne ein Wort zu sagen geht Jannik durch die Küche, greift nach einem Küchentuch und wischt die Misere fort. Ich lasse mich lustlos auf einem der Stühle nieder. Meine Stimmung ist wirklich im Keller. Wie auch scheinbar unser halbes Leben. Und was bleibt, ist ein erlogenes Konstrukt. Und dabei hat die Vorstellung noch nicht einmal angefangen! „Mir gefällt das auch nicht, Roman“, setzt Jannik an und setzt sich direkt gegenüber von mir. „Aber ich kann meine Schwestern auch nicht abweisen, das ist meine Familie.“ „Das weiß ich doch“, sage ich jammernd. „Aber ich verstehe es einfach nicht, wieso du es nicht mal deinen Schwestern sagen kannst! Du bist 23, du bist erwachsen, du solltest keine Angst vor deinem Vater mehr haben.“ Jannik seufzt und streicht sich erneut durch die schwarzen Haare. Er ist einige Sekunden still. Dann blickt er mir erneut in die Augen. „Ich habe keine Angst vor meinem Vater, Roman. Ich will nur nicht meine Familie zerstören.“ Ich schnaube. „Familie zerstören“, wiederhole ich giftig. Noch bevor ich irgendetwas anderes sagen kann, fährt er mit ruhiger Stimme fort. „Ich habe dir das schon ein paar Male versucht zu erklären. Meine Eltern haben da eine total andere Einstellung als du, oder ich, oder deine Eltern. Mein Vater und auch meine Mutter würden das nicht verkraften. Und ich will meine Schwestern da nicht mit reinziehen“, sagt er und wendet seinen Blick noch immer nicht von meinem ab. Irgendwie ist mir ganz mulmig zumute. „Wenn Julia und Klara davon Bescheid wissen, dann steigt einfach das Risiko, dass meine Eltern es erfahren. Und ich will meinen Schwestern diese Bürde der Lüge nicht auferlegen. Es ist schlimm genug, dass ich das hier von dir verlange…“, erst jetzt blickt er zu Boden und seufzt lang. „Und glaube mir“, fährt er fort. „Ich habe ein verdammt schlechtes Gewissen deswegen.“ Und ich glaube ihm. Ich kann es sehen. Der Glanz seiner Augen ist wie verschwunden und überhaupt lässt er gerade die Schultern ein wenig hängen, seine Stimme scheint so anders, so verletzlich. Ich vergrabe die Hände in meinem Gesicht und weiß nicht, was ich tun soll. Ich höre, wie Jannik sich erhebt und um den Tisch herum geht. Und dann spüre ich schon seine knetenden Hände an meinem durchaus verspannten Rücken, die über meine Schultern und meinen Nacken wandern. Ich halte die Augen geschlossen und versuche, diese kleine und spontane Massage einfach ein wenig zu genießen. Aber mir jagen einfach zu viele Fragen durch den Kopf, als dass ich sie gänzlich ignorieren könnte. „Wenn deine Schwestern hier sind, darf ich dich gar nicht anfassen, oder?“ Jannik schweigt und massiert mich weiter. „Dann darf ich dich gar nicht küssen, oder streicheln, oder mich vor dem Fernseher an dich kuscheln, oder dir irgendeinen Blick zuwerfen, dich nicht „Schatz“ oder „Süßer“ nennen, nicht mit dir duschen oder auf dem Balkon dösen, und-“ „Roman, für mich wird das auch nicht leicht!“, fällt er mir etwas lauter ins Wort und seine Hände erstarren in ihrer Bewegung. Er atmet schwer und dann platziert er einen sanften Kuss auf meinem Haar. „Für mich wird das auch schwer“, sagt er, als hätte ich seine vorigen Worte gar nicht verstanden. „Bitte, nur dieses eine Mal…“, haucht er ganz sachte. Und seine so zerbrechlich wirkende Stimme, als würde sie gleich gänzlich versagen, jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich weiß nicht, ob es ein angenehme oder kalter Schauer ist, ich weiß nur eines: Dass ich das durchziehen werde, für Jannik, auch wenn mir die gesamte Sache gewaltig gegen den Strich geht. Ich fasse seine Hand an und streiche ganz leicht über seinen Handrücken. „Das schaffen wir schon“, sage ich, auch wenn ich mir dessen gar nicht so sicher bin, wenn ich ehrlich sein soll. „Danke, Schatz“, sagt er ganz leise und ich weiß, dass er lächelt, auch wenn ich ihn momentan nicht ansehe. Eine Stunde später ist Jannik einkaufen, einige Kleinigkeiten fürs Abendbrot. Den großen Einkauf erledigen wir morgen gemeinsam. Ich sitze wieder im Wohnzimmer und starre vor mich hin. Irgendwann wage ich mich in die beiden „neu möblierten“ Zimmer zu betreten. Es schaut wirklich so aus, als würden wir beide separat Hausen. Ein leichtes Stechen macht sich in meinem Herzen breit. Dieser Anblick vermittelt mir das Gefühl, als hätten wir uns getrennt und zunächst die Zimmer aufgeteilt, um Abstand voneinander zu gewinnen. Ja, genauso fühlt sich das an! Ich weiß, dass das Quatsch ist und meine Gedanken einfach mit mir durchgehen, wie auf einer rasanten Achterbahnfahrt, aber abschütteln kann ich sie nicht. Auch nicht, als ich unser gemeinsames Zimmer betrachte, in dem wir schließlich zusammen schlafen werden. Alles fühlt sich falsch an. Und es ist falsch. Schließlich werden wir Janniks Schwester vier Wochen lang belügen. Und Lügen ist falsch, sollte mein Freund als Katholik das eigentlich nicht besser wissen als ich alter Atheist? Ich lasse mich, mich selbst bemitleidend, auf das Schlafsofa fallen. Das ist nicht einmal halb gemütlich wie unser großes Bett, unsere kuschelige Spielwiese, auf der wir schon so einiges erprobt haben. Vier Wochen ohne Sex… Ich bin mir ziemlich sicher, dass Jannik mir meine Befriedigung verweigern wird. Selbst wenn uns zwei Türen und ein Flur von den beiden Mädchen trennen werden. Schließlich kann ich manchmal ganz schön laut sein… Und wenn ich ehrlich bin, möchte ich auch gar keinen Sex mit Jannik haben, wenn wir uns in dieser Situation befinden… Ich merke nicht, wann mein Freund nach Hause kommt und das Abendbrot vorbereitet. Irgendwie schaffe ich es tatsächlich einzuschlafen. Erst als sich das Gewicht auf meinen Körper legt und diese weichen Lippen auf die meinigen gepresst werden, öffne ich meine Augen und kehre in die Realität zurück. „Ich hab uns was zu Essen gemacht“, sagt Jannik und streicht mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Hmmm?“, brumme ich und schließe meine Augen erneut. Jannik fängt an mich zu kitzeln. „OK, OK, Essen!“, rufe ich lachend aus und mein Freund zieht mich hoch. Im selben Moment klingelt sein Handy und er hastet ins Wohnzimmer, um ran zu gehen. Während ich bereits eine Brotscheibe mit Käse belege, telefoniert er in der Küche einige Minuten. Und dann kommt er den Tisch und lächelt mir leicht zu. „Das war Klara, sie wollte nur noch mal Bescheid geben, wann sie übermorgen da sind“, erklärt er, obwohl ich nicht einmal gefragt habe. „Wann kommen sie denn?“, hake ich nach. „Gegen 17 Uhr.“ „Oh, da bin ich noch in der Vorlesung.“ „Macht ja nichts“, sagt er und nimmt einen Schluck Tee. „Sie sagte, sie freuen sich schon auf die Zeit mit uns.“ „Ah ja…“ Freuen wir uns auch auf die Zeit mit ihnen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)