Dienen von Foe (Glaube, Liebe, Tod) ================================================================================ Kapitel 16: Wandel ------------------ Die Stadt veränderte sich nach dem Drachenfestival nicht. Die Banner wurden nicht abgehangen, die Drachen auf den Hauswänden wurden nicht entfernt. Das einzige, das sich veränderte waren die Redner. Aus Rednern, das merkte ich gleich am Anfang, wurden Prediger. Trotzdem schenkte ich dem Wandel zuerst keine große Aufmerksamkeit. Es war schließlich mein erstes Drachenfestival und ich dachte, es sei normal. Ich verstand erst, dass das nicht zum Fest gehörte, als ich Hibiki und Asami beim Flüstern erwischte. »Ich schätze, dass sie dieses Jahr mit der Zeremonie beginnen«, Hibiki schien im Gegensatz zu Asami gelassen. »Sie scheinen alle wichtigen Figuren nun beisammen zu haben. Ich hatte gehofft, es nicht mehr erleben zu müssen«. »Pech gehabt, alter Mann. Du hattest immerhin die Chance fast ein ganzes Jahrhundert alt zu werden, während ich lange vor meiner Zeit das Zeitliche segnen darf«, knurrte Asami. »Wir armen Sklaven werden wahrscheinlich als erstes aufgeopfert. Außerdem bin ich noch keine achtzig Jahre alt!«. Bloß ein Seufzen. Hibiki hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden. Ich rührte mich nicht, wollte sie nicht stören. Selbst wenn es mich auch betraf, so hätte Asami aus Boshaftigkeit augenblicklich geschwiegen, würde sie wissen, dass ich lauschte. Sie lachte verbittert auf. »Natürlich werden wir das, alter Mann. Es ist egal, ob sie uns stets für minderwertig gehalten haben. Obwohl ihnen diese Zeremonie so heilig ist, werden sie sicherlich kein hochwertiges Blut vergießen«, ich hörte deutlich wie sie spuckte. Wenn nicht allein ihre Worte bereits ausgedrückt hätten, wie sehr sie diese Angelegenheit anwiderte, hätte spätestens diese Tat alle Zweifel in Luft aufgelöst. Asami achtete für gewöhnlich nahezu krankhaft darauf, dass alles vor Sauberkeit strahlte. Aber was genau widerte sie an, dass sie sich dermaßen vergaß? Blutvergießen klang gar nicht gut. Auch nicht, dass sie von wir und nicht von ich sprach, bereitete mir auf der Stelle Bauchschmerzen. Allerdings wurde ihre kleine Unterredung unterbrochen, als Tamaki aus seinem Salon herauskam. Beide verneigten sich artig und ich entschied nun endlich nach unten zu gehen. Ich tat es ihnen gleich, als ich neben ihnen zum Stehen kam. Gemeinsam wünschten wir ihm dann einen guten Morgen. »Guten Morgen, Naruto«, Tamaki hatte schlechte Laune. Ich merkte es an seiner Stimme, er sah wie der Tod selbst aus. Plötzlich über Nacht gealtert. Er war offenbar an diesem Morgen ohne Hilfe eines Dieners aufgestanden. Er blickte Hibiki und Asami gar nicht an, als er zu ihnen sprach. »Ich will zuerst ein Bad nehmen, dann auf der Terrasse frühstücken. Ein Gast wird sich mir anschließen«. Die beiden verneigten sich erneut, dann machte sich Hibiki auf in die Küche und Asami lief zum Badehaus. Tsukino und eine andere Dienerin schlossen sich ihr ganz automatisch auf dem Weg dorthin an, als hätten sie bloß darauf gewartet. Ich blieb allein mit Tamaki zurück und wartete auf Anordnungen. »Ich hab Neuigkeiten für dich. Mir wurde gerade mitgeteilt, dass Ashikaga angegriffen worden ist. Der Übeltäter ist deine kleine Freundin Natsuko. Leider hatte sie keinen Erfolg. Auf niemand ist Verlass, aber sie ist ja bloß eine Göre. Weißt du etwas darüber?« »Nein, Wawashi-sama«. »Warum wirst du dann bleich?«, fragte er mich und lachte auf einmal auf. Es war ein freudloses Lachen. »Mach dir nicht ins Hemd, ich bin von deiner Unschuld überzeugt«. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Die einzigen Fragen, die mich plagten, drehten sich um Natsukos Wohlergehen und den Grund für ihre Tat. Ein solcher Frevel musste eine angemessene Strafe nach sich ziehen, selbst wenn sie ein Kind war. Meine einzige Hoffnung war, Ashikaga möge sie meinetwegen verschonen. Noch hatte er allen Grund mir einen Gefallen zu tun, noch hatte ich ihn nicht betrogen. »Weiß der Geier warum das Kind glaubte gegen seine Hunde, die sich Menschen schimpfen, ankommen zu können«, da Tamaki Ashikaga bekanntlicher Weise hasste, schien ihn die Angelegenheit sehr zu amüsieren. Natsukos Schicksal scherte ihn selbstverständlich nicht. Er kratzte sich unbekümmert über seinen Stoppelbart. »Das ist auch egal. Ashikaga schickt nach dir. Keine Ahnung, warum er neuerdings meint über mein Eigentum verfügen zu können. Hat bestimmt etwas mit der Zeremonie zu tun. Seine große Stunde, der Scheißkerl«. Tamaki benahm sich an diesem Morgen wie ein Fremder. Allein seine Wortwahl war so gar nicht seine Art. Auch das er ganz allein heute morgen aufgewacht war und darauf verzichtet hatte wie ein Gott bedient zu werden, war merkwürdig. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glatt glauben heute sei sein letzter Tag auf Erden und die Erkenntnis hatte ihn ganz aus seiner Rolle geworfen. Ja, vielleicht in der Nacht aus dem Bett getrieben. Angesichts seines nahenden Endes wollte er sich nicht länger verstellen. Natürlich großer Unsinn, denn Tamaki würde das nächste Jahrzehnt zumindest leben. Außerdem konnte niemand wissen, wann er starb. »Keinen blassen Schimmer, warum er gerade dich sehen will. Vielleicht hat das Mädchen ihn darum gebeten? Oder hat er einen Narren an dir gefressen? Weshalb auch immer er dich mag – gute Arbeit. Mache ruhig so weiter, gewinne sein Vertrauen und verrate mir, was auch immer er dir erzählt. Hörst du, Naruto? Oder bist du seinem Charme bereits erlegen«, ein dreckiges Grinsen zierte sein Gesicht. »Ich hatte mich auf dich verlassen, weißt du? Ich bin enttäuscht«. Ich sog scharf die Luft ein. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen bis es in ihm den Argwohn weckte, dass neuerdings ausschließlich ich Botengänge tätigte, wenn es nur im entferntesten mit Ashikaga zu tun hatte. Ich hatte Ashikaga gesagt, dass es zu riskant war, dass selbst der Gnom eventuell Verdacht schöpfen würde. Möglicherweise hätte ich mich gegen die Anschuldigen wehren sollen, aber ich hielt den Mund. Tamaki war ganz offensichtlich nicht er selbst in diesem Moment. Seine Aussage schien mehr ein böser Scherz oder eine Provokation zu sein. Er verpasste mir einen Klaps auf den Hintern und wandte sich dann zum Gehen um. Ich blickte ihm nach, als er einem Dienstmädchen schroff auftrug Asami zu ihm ins Schlafzimmer zu schicken. Da Tamaki nichts weiter gesagt hatte, nahm ich an, dass es mir freistand zu Ashikaga zu gehen, also verließ ich so bald wie möglich das Anwesen. Kaum war ich durch das Tor geschritten, hatte ich Tamaki vergessen und meine Gedanken widmeten sich wichtigeren Befürchtungen. Mio hatte mir, wenngleich sie es von Liebe geblendet auf die leichte Schulter nahm, Ashikagas wahren Charakter offenbart. Ich hätte schreien können. Deshalb hatte ich mich mit niemand einlassen wollen. Erst Natsuko, jetzt Mio. Wer würde ihnen noch folgen? Der Stadt und ihren Bewohnern schienen unangenehme Zeiten bevorzustehen, wenn ich entschied den Wortwechsel zwischen Asami und Hibiki ernst zu nehmen. Wieso ausgerechnet jetzt, wo ich hier war? Hätten sie nicht warten können bis ich verduftet war? Ich blickte die Banner voller Hass an. Sollte das ein Wink des Schicksals sein? Gar eine Aufforderung? Es scherte mich nicht! Ich – darum sollte ich mich scheren. Danke Schicksal, ich lehne ab. Natsuko und Mio waren meine Freunde, weil ich ihnen Schutz bot. Aber wir kannten uns nicht lange, nicht lange genug. Alte Freunde hatten sich vor wenigen Monaten von mir abgewandt. Es machte keinen Unterschied, ob sie es gewollt hatten oder nicht. Wahre Freunde kämpften um einander, oder nicht? Ich hatte stets meinen Freunden geholfen, nie das Vertrauen in sie verloren. Früher hätte mich das vielleicht weniger getroffen, da war ich noch Einsamkeit gewohnt gewesen. Sie hatten mich wieder verletzlich gemacht. Natsuko und Mio würden sich mit noch größerer Leichtigkeit von mir trennen, wenn ich ihnen mein Inneres präsentierte. »Naruto«, Ashikaga war über einen kleinen Tisch gebeugt, als ich in das Zimmer mit den Wasserlilien an der Wand trat. »Schön, dass du gekommen bist«. Mir lag auf der Zunge, dass man nicht behaupten könnte, ich sei freiwillig hierher gekommen. Aber ich hütete meine Zunge, denn solange Natsuko in seinen Händen war, konnte ich es nicht wagen ihn, wenngleich nur ein bisschen, zu provozieren. »Guten Morgen, Ashikaga-sama. Was kann ich für Euch tun?«, fragte ich stattdessen, worauf Ashikaga sich aufrichtete. Ein Schal, den er sich um den Hals gelegt hatte, verrutschte und offenbarte ein Würgemal. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Das konnte nicht von Natsukos Händen stammen, oder? »Gib mir einen Moment und sei nicht so förmlich«, er meinte vermutlich meine Tonlage. Das du hatte er mir nie angeboten und das würde er auch niemals. Zuallererst waren wir keine Freunde. Zweitens war ich in seinen Augen vielleicht kein Sklave, aber ein Diener nichtsdestotrotz. Ashikaga war bereits ein Prinz gewesen als er das Licht der Welt erblickt hatte. Es war für ihn ganz natürlich, dass andere ihm dienten, egal wie hoch ihr Rang im Vergleich zu dem eines Sklaven sein mochte. Ich warf einen Blick auf die Schriftrolle, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Es war eine persönliche Nachricht an ihn, wie ich feststellte. Wahrscheinlich ein Gruß aus der fernen Heimat. Mein Blick wanderte an der Schriftrolle herunter und blieb an der Unterschrift des Absenders hängen. Choko. Ich versuchte seine Miene zu deuten und fand darin, wie erwartet, dutzende unterschiedliche Gefühle. »Deine kleine Freundin Natsuko ist bei mir. Ich bringe dich zu ihr, also folge mir bitte«, damit wandte er dem Tisch den Rücken zu und trat hinaus auf den Flur. Ich schöpfte nach Atem und eilte ihm dann nach. In welchem Zustand würde ich Natsuko vorfinden? Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Selbst wenn Ashikaga kein Verlangen hatte ihr ein Leid zu zufügen, so hatten zwischen ihm und ihr seine Leibwächter gestanden, die ich nicht kannte und dadurch auch nicht einschätzen konnte. Schlimmstenfalls hatten sie gedankenlos auf sie eingeschlagen und eingetreten, bevor Ashikaga sie hatte aufhalten können. Ich machte mich auf eine böse Überraschung gefasst, aber als Natsuko mir um den Hals fiel, schien sie mit dem Schrecken davon gekommen zu sein. Ich konnte aufatmen und drückte sie sogleich fest an mich. »Was hast du dir bloß dabei gedacht?«, ich mochte wütend klingen, aber Natsuko würde verstehen, wie es gemeint war. Sie schluchzte und murmelte immer wieder meinen Namen. Natsuko wusste besser als ich, wie es in der Eisenhütte zuging und wie glücklich sie sich schätzen durfte, verschont worden zu sein. »Sie hat es mir nicht verraten wollen, was ich ihr nicht verübeln will. Aber ich versichere dir, Natsuko, was auch immer du als Grund genug erachtet hast mir nach dem Leben zu trachten, muss ein Missverständnis sein«. Ich sah zu ihm auf und suchte nach einem Hinweis in seinem Gesicht, der ihn als Lügner und Heuchler entlarvte, aber ich wurde nicht fündig. Sein Gesichtsausdruck war sanft, nicht eine Sorgenfalte. Ohne Natsuko loszulassen, entschuldigte und bedankte ich mich in ihrem Namen. »Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich sie nun nach Hause bringen. Ihr Herr wird sich schon wundern, wo sie bleibt und ich möchte Euch die Mühe ersparen an einen solch einfachen Ort einen Eurer eigenen Diener zu schicken«. »Ich danke dir. Ach ja, kein Wort darüber, was passiert ist«. Kaum hatten wir vier Straßen durchschritten, blieb ich wie angewurzelt stehen und kniete mich zu Natsuko herunter. »Warum hast du so eine Dummheit begangen?« Das Mädchen vermied meinen Blick, schien aus irgendeinem Grund verlegen zu sein. Natsuko trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich habe dich mit der hübschen Dame gesehen«, sie flüsterte, hielt ihre Hand schützend über den Mund, als wolle sie verhindern, dass jemand von ihren Lippen las. »Ich habe gehört, worüber ihr gesprochen habt. Nicht mit Absicht. Jedenfalls steht dieser Herr Euch im Weg, oder nicht? Er hat der hübschen Frau solch schlimme Dinge angetan«. »Natsuko, du weißt doch, wie man hier mit Sklaven umspringt. Es ist nicht gut, aber im Augenblick haben wir keine andere Wahl, als es hinzunehmen«, ich ließ die Tatsache auf sich beruhen, dass Natsuko mich offensichtlich ausspioniert hatte. Das war ein Gespräch für einen anderen Tag. »Aber du magst sie, nicht? Und ich möchte, dass du glücklich bist, großer Bruder. Ich wollte es ihm heimzahlen«. »Du musst dich nicht um mein Glück kümmern. Außerdem liegst du falsch, ihr Gesicht kann niemals schön genug sein, um deinen Tod zu rechtfertigen. Bitte tu so etwas nie wieder. Hat er dir wehgetan?«. Natsuko blickte mich mit dem Anflug eines Lächelns an. »Nein, hat er nicht. Er hat mir bloß Gebäck angeboten, das ich aber nicht angerührt habe. Es hätte ja Gift darin sein können«. »Du musst mir versprechen, dass du dich von ihm fernhältst. Versprich es mir«, setzte ich nach. »Ich verspreche es«, sagte Natsuko. Ich betrachtete ihr Gesicht und strich ihr dann über das Haar. Ihre Tränen waren versiegt und alles schien vergessen. Kurz überlegte ich, ob ich sie fragen sollte, was es mit dieser Zeremonie auf sich hatte. Obwohl ich wusste, dass Natsuko keineswegs naiv war und sicherlich mir eine Antwort hätte geben können, wagte ich es am Ende nicht. Ich wollte nicht hören, wie ein Kind von seinem baldigen Tod sprach. So oft wie sie in den Straßen herumlungerte, hatte sie diese Redner bestimmt schon oft gehört. Ich war zu feige der Realität ins Gesicht zu sehen. Ein Räuspern hinter uns ließ uns gleichsam zusammenzucken. Langsam sah ich mich um und erblickte Ashikaga mit zwei seiner Leibwächter. »Bitte weise mir den Weg, Naruto«. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)