Dienen von Foe (Glaube, Liebe, Tod) ================================================================================ Kapitel 4: Regenstimmung ------------------------ Die Illusion, mit welcher ich gestern Nacht noch geblendet war, dass das Leben in der Eisenhütte vielleicht gar nicht so schlecht war, wurde von der knallharten Realität fortgetragen. Schon am nächsten Morgen wurde ich mit einer Kutsche abgeholt, die mich und andere ins Gebirge fuhr. Den ganzen Tag schon regnete es in Strömen und dieses Regenwetter schien kein Ende zu nehmen. Dort erwartete mich eine riesige Gruppe junge Männer, die sich auf Kämpfe vorbereiten. Wir erhielten leichte Rüstungen. Nie zuvor hatte ich eine Rüstung getragen. Als ich einer Division zugeteilt wurde, fragte ich sofort meine Mitstreiter aus. Wie sich herausstellte, waren sie ebenso wie ich Shinobi von verschiedenen Dörfern gewesen und somit war auch für sie die Rüstung ein völliger Fremdkörper. Ich hätte mich gerne länger mit ihnen unterhalten, aber das Training sollte rasch beginnen und ich hatte keine Zeit für ein kleines Gespräch nebenher. Nach sechs Stunden intensiven Trainings wurden wir nach Hause geschickt. Ich war wieder von meinem Plan besessen mich bei Nacht und Nebel davon zu machen. Zum Glück hatte ich nicht die Klappe zu weit aufgerissen oder war tollpatschig. Wer etwas tat, was dem Aufseher nicht gefiel, durfte mit einem Peitschenhieb rechnen oder man wurde gleich vor aller Augen windelweich geprügelt. Das alles hatte ich an diesem einen Tag gesehen und ich verfluchte mich für meine erneuten furchtbar naiven Hoffnungen. Wie konnte ich so töricht sein, es mit Konoha zu vergleichen? Dieser Ort konnte dreimal, achtmal so schrecklich sein wie viele Minuten in Konoha, falls ich mich nicht artig all diesen Demütigungen und Torturen beugte. Ich war überrascht über mich selbst, dass ich mich damit abgefunden hatte und ich nicht sofort voreilig irgendetwas angestellt hatte. Meine Freunde wären stolz auf mich, wenn ich noch welche hätte. Es war unmöglich, dass irgendjemand noch zu mir hielt. Ich konnte es mir nicht gestatten zu glauben, dass ich in meinem Leben noch einmal so viel Glückseligkeit erfahren würde wie in den letzten Jahren bei diesen ganzen Menschen, die mir etwas bedeutet hatten. Mir immer noch etwas bedeuteten. Eigentlich wünschte ich mir nichts mehr als noch einmal von vorne anfangen zu können. Doch diesmal überkamen mich ungeahnte Depressionen und die felsenfeste Überzeugung, dass all meine Bemühungen letztlich für alle Ewigkeiten zum Scheitern verdammt waren. Offensichtlich war es mir nicht vergönnt ein Leben lang auf der sonnigen Seite der Welt zu verweilen. Was hielten meine Mutter und mein Vater von mir? Konnten sie immer noch behaupten auf mich stolz zu sein? Ich konnte mir nichts vormachen, denn ich hasste mich am meisten für meinen Fehler. Keiner verspürte mehr Hass und mehr Verachtung mir gegenüber als ich selbst. Ich war wahrlich eine Bestie, wenn ich auf ein Monster gehört hatte. Während ich von all meinen abscheulichen Gefühlen verschlungen wurde und drohte in ihnen verloren zu gehen, riss mich ein junger Mann zu meiner rechten aus meinen Gedanken. „He, du musst hier raus“, drängte er. Ich hielt wohl alle auf heim zu kehren. Ich nickte, entschuldigte mich und kletterte dann heraus. Am Eingang erwartete mich bereits Tamaki und verkündete mir, dass das Mittagessen schon auf dem Tisch stünde. Ich begrüßte ihn mit einer leichten Verbeugung und ging mit ihm ins Haus. Das Essen glich wie gestern Abend schon einem Festmahl, sofern ich überhaupt richtig sagen konnte wie ein Festmahl zu schmecken hatte. Mir persönlich hätte ja schon eine Schüssel Ramen gereicht, doch es gab keinen Grund zum Klagen. Ich aß alles auf. „Hat es dir geschmeckt, Naruto?“, fragte er erneut. Er bemühte sich mehr und mehr um Konversationen mit mir. Ich war mir noch nicht sicher, ob ich dasselbe tun sollte. „Es war in Ordnung, ich bin satt geworden“, antwortete ich stur. Natürlich war es nicht nett, dass in Anwesenheit der Köchin zu sagen, vor allem, weil sie keinerlei Schuld trug. Niemand außer mir war schuldig an meiner Situation. Dennoch brachte ich eine aufrichtige Meinung über ihre Speisen nicht über die Lippen, selbst wenn es sie fürchterlich kränkte. Ich fragte mich, ob sie es verweigern würde mich am Essen teilhaben zu lassen, wenn ich so weiter machte. In meiner jetzigen Gefühlslage schreckte mich ein Hungertod kein bisschen ab. Ich wollte für immer verschwinden und niemanden mehr ansehen müssen. Vielleicht würden sie mir sogar nachweinen, wenn ich starb. Dann würde ihnen ein weiteres Mal die Tatsache offenbart, dass ich kein böser Mensch war. Doch was redete ich da? Ich fing an mir selbst zu widersprechen und meine Taten gut zu heißen. Du solltest damit aufhören; sprach ich düster zu mir selbst. Mir selbst konnte ich nichts vorgaukeln. Ich war im Unrecht gewesen und das hatte mir Tsunade wunderbar bewiesen, als sie mich verbannte und dazu verdonnerte hier in der Ferne mir den Buckel krumm zu arbeiten. Heimweh. Ich litt an Sehnsucht. Ich wollte zu Rāmen Ichiraku und eine schöne Nudelsuppe essen, ich wollte mit Sensei Iruka sprechen. Oh Gott, ich wollte mit allen sprechen und ihnen bei meiner Seele schwören, dass ich es nie wieder tun würde. Aber würde ich diesen Schwur nicht eines Tages brechen? Dieser Dämon saß in mir und auch nach Jahren, in welchen ich versucht hatte mich mit ihm zu Recht zu finden, hatte ich am Ende versagt. Tatsächlich hatte ich geglaubt, dass ich den Bijuu mit achtzehn Jahren endlich fest unter Kontrolle hatte. Ein fataler Irrtum. Kyuubi hielt die Zügel fest in der Hand. Ich wollte dieses Biest los sein, obwohl es mir so viel Macht garantierte. Doch nützt jemanden Macht, wenn man sie nicht einmal kontrollieren kann? Das war genauso wie verdammt schwach zu sein und unterworfen zu werden. Im Augenblick stellte ich wohl für den verfluchten Dämon ein lustiges Spielzeug dar. Oder meinte er es ernst damit, dass wir zusammen halten mussten? Nein, sicherlich nicht. Anders als andere Jinchuuriki und Bijuu war unser Standpunkt, dass wir einander nicht ausstehen konnten. Kyuubi wollte unbedingt frei sein- genauso wie ich. „Naruto?“, erklang auf einmal eine Stimme hinter mir. Ich fuhr kurz zusammen und hätte mich dafür ohrfeigen können. Den kleinen Angsthasen in mir, der wegen allem zusammenschrak hatte ich noch nie ausstehen können. Ganz ruhig, Naruto. Fang nicht wieder damit an. Du warst nur überrascht und im Grunde kannst du dankbar sein, dass der Zwerg dich aus deinen dunklen Gedanken gerissen hat. So kann das doch nicht weitergehen. Hehe. Wieso? Ich fand, dass es gerade richtig gut wurde… Oh, sei bloß still verdammtes Monster! Ich wandte mich um und blickte Tamaki an. „Ja?“ „Ich habe eine kleine Aufgabe für dich, wenn du dich von dem harten Training erholt hast“, sagte er und lächelte mich gütig an. Wieso lächelte er nur so? Ich fühlte mich eigentlich nur noch miserabler, wenn man mich so anstrahlte. Tat das die Sonne nicht schon zu genüge? Bald schon würde ich hier weglaufen und dann würde ich mich auch noch damit herumplagen müssen, was der Alte dann von denken mochte. Wann hatte ich bitte um ein solch beschissenes Leben gebeten? „Natürlich, Tamaki-sama“, antwortete ich höflich und distanziert. „Was kann ich für euch tun?“ „Nun ja. Ich habe da eine kleine Einkaufsliste- ich erwarte nicht von dir, dass du Brot und Milch einkaufen gehst. Das können meine Mägde auch. Nein, ich hatte einem Schreiner einen Schrank zur Reparatur gegeben und der müsste heute abgeholt werden. Du bist ein starker junger Mann, das dürfte kein Problem für dich sein, oder? Der Schrank ist auch nicht groß“, erklärte Tamaki. Mich beschlich der Verdacht, dass es ihm trotzdem unangenehm war mich um etwas zu bitten. Vermutlich befürchtete er, ich würde ihn dafür blitzeblau schlagen. So unmenschlich war ich nun wirklich nicht und da ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte, war ich für diese Aufgabe dankbar. Außerdem ergab sich dadurch für mich die Gelegenheit mir die Ecken der Eisenhütte anzusehen, die ich bei meiner Ankunft und am Morgen noch nicht gesehen hatte. „Kein Problem“, meinte ich noch und ehe ich mich versah, hatte er mich schon mit einem Stadtplan zu diesem Schreiner gesandt. Ich hatte keine Schwierigkeiten damit die Karte zu lesen, trotzdem verspätete ich mich, weil ich, solange ich den Schrank noch nicht trug, etwas durch die verwinkelten Gassen schlendern wollte. Gegen vier Uhr am Nachmittag stand ich dann vor der Schreinerei. Genauso wie alle anderen Häuser sah auch dieses nicht besonders einladend aus. Innen schien gestritten zu werden. Trotz allem, dass man das Gebrüll klar hören konnte, reagierte niemand darauf. Es machte den Anschein als seien sie allesamt darauf getrimmt derartiges zu ignorieren. Blieb für mich nur die Frage, ob ich dennoch hereingehen sollte oder lieber verschwand, ehe ich in etwas hineingezogen wurde. Doch letztlich musste ich wohl oder übel dadurch. Ich konnte unmöglich ohne den Schrank zurückkehren. Obwohl… Bestand nicht die Möglichkeit Tamaki einfach anzulügen? Genau. Ich konnte ihm einfach sagen, dass der Schrank doch nicht fertig sei oder dass niemand da gewesen sei. „Hey du, was lungerst du hier so blöd vor dem Geschäft herum? Wenn du nichts brauchst, dann verpiss dich!“, fuhr mich eine Frau wütend an. Sie hatte ihren Kopf aus der Tür herausgesteckt und starrte mich an. „Ähm…Ich wurde von Wawashi-sama geschickt, ich soll seinen Schrank abholen“, erklärte ich noch immer etwas überrumpelt von ihren Worten. Eine hinreißende Stadt mit wundervollen Einwohner… Ihr Gesicht hellte sich jedenfalls auf und schon war der Kunde wieder Gott. „Ach so. Wieso hast du das nicht gleich gesagt?“, stotterte sie. Offensichtlich bereute sie es unhöflich zu mir gewesen zu sein. Und was meinte sie bitte damit, dass ich das gleich hätte sagen sollen? Dazu hatte es ja keine Gelegenheit gegeben. Ich schwieg und folgte ihr dann ins Geschäft. Dort angekommen, verstummte selbst durch meine Anwesenheit niemand. Es wurde immer noch wild geschimpft. Als ich an Stühlen, Tischen, Kommoden und anderem Kram vorbeiging, konnte ich durch eine offenstehende Tür die zwei Streithähne sehen. Es waren ein Mann und ein kleines Mädchen. Der Mann hielt das Mädchen an ihren kurzen schwarzen Haaren fest und zog sie in die Höhe. Er schrie ihr aus voller Kehle allerhand Ausdrücke ins Gesicht, als gäbe es keinen Morgen. Die Kleine hingegen heulte und trat energisch nach ihm- was zwecklos war. Was hatte sie wohl getan, dass er sie so sehr zur Schnecke machte? Hatte sie überhaupt etwas getan? Ich wusste doch sehr gut aus eigener Erfahrung, dass man auch häufig für Dinge verantwortlich gemacht wurde, die man nicht getan hatte. Sie schien noch nicht erkannt zu haben, dass sie sagen konnte was sie wollte, letztlich glaubte ihr keiner ein Wort. Und was sollte ich jetzt tun? Sollte ich mich einmischen und das Mädchen vor schlimmeren bewahren? Ich war unschlüssig, obwohl ich früher garantiert dazwischen gegangen wäre. Ohne zu wissen, was vorgefallen war, hätte ich mich mutig vor sie gestellt und den Mann eine reingehauen. Manchmal war ich ein kleiner kopfloser Idiot gewesen, das wusste ich mittlerweile. Aber war es nicht egal, was geschehen war? Niemand hatte das Recht mit einem Kind in dieser Art umzugehen. Also, wofür würde ich mich entscheiden? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)