Dienen von Foe (Glaube, Liebe, Tod) ================================================================================ Kapitel 13: Drachenfestival --------------------------- Es war nun vierzehn Tage her, dass ich mit Ashikaga diese höchst verdächtige Unterhaltung gehabt hatte. Sobald ich nichts mehr zu tun gehabt hatte, hatte ich wieder daran gedacht. Vielleicht hatte ich schon einen Fehler damit begangen, dass ich die Ringe angenommen hatte? Ich hatte nicht direkt darauf reagiert, was er gesagt hatte. Damit konnte man mir zumindest nicht vorwerfen, dass ich auf dieses Bündnis eingegangen war. Ich konnte jederzeit behaupten, Ashikagas Worte in dieser Weise nicht verstanden zu haben. Was mir wirklich Kopfschmerzen bereitet hatte, war die Tatsache, dass er von Natsuko wusste. Offenbar hatte er mir nachspioniert. Egal, ob er nun von Nowaki manipuliert wurde oder nicht, es war nichtsdestotrotz beunruhigend. Zum Glück oder zu meinem Unglück, das wusste ich noch nicht so recht, hatte ich nicht viel Zeit um darüber nachzudenken. Die Tage vergingen plötzlich wie im Flug und auf einmal war dann der Tag des Drachenfestivals da. Tamaki hatte Einladungen an Verwandte und Freunde versendet. Er wollte mit ihnen in seinem Garten ein Festmahl veranstalten. Ich hatte Natsuko versprochen, dass wir, nachdem meine Arbeit getan war und ich frei hatte, gemeinsam in die Innenstadt gehen würden. Das Versprechen konnte ich tatsächlich halten und so traf ich mich dann vor Tamakis Anwesen mit dem Kind. Freudestrahlend tänzelte sie hin und her. Es war schön zu sehen, dass sie sich auf das Fest freute. Ich hatte natürlich selbst kein Geld, um ihr und mir irgendwelche Souvenirs kaufen zu können. Aber Natsuko schien meine Anwesenheit schon zu reichen. Sie umklammerte meinen Unterarm und ließ erst los, als wir im Zentrum des Spektakels angekommen waren. Auf dem Marktplatz gab es einen Feuerspucker, der nicht nur Feuer spie, sondern auch andere Tricks damit anstellen konnte. Alle Häuser, die den Platz umgaben, waren mit Fackeln dekoriert und an ihren Wänden war mit violetter Farbe verschiedene Abschnitte des Körpers eines schlangenartigen Drachen gemalt worden. Dort, wo der Zirkel aus Häusern endete und man den Marktplatz wieder verlassen konnte, trafen Kopf und Schwanzspitze aufeinander. Natsuko und ich waren beeindruckt. Es gab verschiedene Musiker und Akrobaten. Unter den Akrobaten befanden sich dann auch mehrere Schlangenmenschen, die waghalsig ihre Körper verbiegen und verdrehen konnten. Ich hatte von solchen Akrobaten schon gehört, aber nie welche mit eigenen Augen gesehen. Zwei der Schlangenmenschen waren sogar Kinder. Neben den Künstlern hatten sich allerdings auch Kaufleute auf dem Platz eingefunden, die verschiedene Dinge verkauften, die mit dem Drachen in Verbindung standen. Ketten und Spielzeug vor allem Dingen. Aber auch Krüge, Teller und Becher. Am Rande des Marktplatzes entdeckten Natsuko und ich dann einen Redner. Natsuko hielt sich an meinem Arm fest, als ich uns einen Weg durch die Massen bahnte. Ich wollte wissen, wovon er da erzählte. Als wir seine kleine Bühne erreichten, erzählte er gerade, welche Bedeutung der Drachen für die Eisenhütte hatte und welchen Ursprung die Eisenhütte hatte. »Wir sind das von den Drachen erwählte Volk. Unsere Vorfahren, die heiligen Drachen, gaben uns diesen Ort, damit wir uns hier versammeln und von hier aus eines Tages die Welt reagieren können. Egal, ob schwach oder stark. Jedes Drachenkind muss hier sein und sich seinem Schicksal beugen…« »Ist das gut, wenn er so derartig laut den Plan herausposaunt, dass sie nach der ultimativen Weltherrschaft streben?«, fragte ich ohne wirklich mich dafür interessieren. »Während des Drachenfestivals sind Fremde hier unerwünscht und man verriegelt die Tore. Selbst wenn sich Fremde innerhalb der Stadtmauer verstecken, um am Drachenfestival teilnehmen oder es ausspionieren zu können, werden sie in Lichtgeschwindigkeit aufgespürt. Dem Überwachungssystem der Eisenhütte entgeht nichts. Gleichzeitig ist das auch der Grund, weshalb sie so penibel darauf achten, dass niemand die Stadt mehr verlässt. Nur wenige Auserwählte haben dieses Privileg. Dein Herr gehört dieser Sorte auch an, großer Bruder«, Natsukos Blick war hasserfüllt geworden. Sie hatte darauf verzichtet kindlich zu sprechen. Es war für mich keine neue Erkenntnis, dass Natsuko nicht mehr von ganzen Herzen Kind war. Manchmal wirkte ihr kindliches Verhalten sogar sehr aufgesetzt. Als sei es ein verzweifelter Versuch ihre Kindheit am Leben zu erhalten, die jedoch längst verloren war. Wenn ich mir dessen bewusst wurde, dann dachte auch ich zurück an meine Kindheit. Ich hatte natürlich andere Probleme gehabt. Damals hatte ich nicht begriffen, warum man sich von mir fernhielt oder mich behandelte, als sei alles Übel der Welt mein Fehler gewesen. Keine Eltern, keine Freunde. Gott, war ich einsam. Das alles hatte sich dann relativ plötzlich geändert, als ich die Ausbildung zum Shinobi begonnen hatte. Natürlich hatte es noch Probleme gegeben, aber im Großen und Ganzen hatten die kurzen Jahre alles wieder mehr oder weniger gut gemacht, obwohl ich nicht vergessen würde, was in meiner Kindheit war. Das würde ich nie. Doch Natsukos Situation unterschied sich deutlich von meiner. Sie war einsam und ihrer Freiheit beraubt. Man hatte sie dem Ort entrissen, wo sie meinem Wissen nach glücklich gewesen war. Sie hatte Eltern, Geschwister und Freunde verloren. Sie hatte nichts verbrochen, um das hier zu verdienen. Ich sah sie kurz nachdenklich an, dann kniete ich mich hin und schloss das kleine Mädchen, das offensichtlich nie mehr sein würde als Haut und Knochen, in meine Arme. Sie sah mich überrascht an, doch rasch kuschelte sie sich an mich. Ich wollte ihr so gerne zuflüstern, dass ich uns beide befreien würde. Vermutlich konnte ich sie nicht nach Hause bringen, da es dort für sie ihr Leben lang gefährlich sein würde. Man würde dort zu allererst nach ihr suchen, wenn man uns nicht vorher schon aufspürte. »Ich hab dich lieb, großer Bruder. Du bist der einzige hier, den ich liebhabe. Egal, wohin du gehen willst, nimm mich bitte mit. Nein, selbst wenn du nicht willst, dass ich mitkomme, ich würde dir trotzdem überallhin folgen. Das schwöre ich dir«, flüsterte sie mir dann stattdessen ins Ohr und fing an zu schluchzen. »Sogar in den Tod, denn schließlich gäbe es dann hier nichts mehr, was das Leben lebenswert machen würde«. Ich tätschelte ihren Hintergrund und war gerührt, aber gleichzeitig ein bisschen schockiert. Das war ein unheimlich heftiger Schwur für ein so kleines Mädchen. Aber damit wusste ich endgültig, welche Verantwortung ich hatte. Natsuko und ich würden frei sein, selbst wenn ich dafür jeden Menschen, der sich uns in den Weg stellte, töten musste. Schließlich war ich ihr großer Bruder. Wir beide lösten uns aus der Umarmung und schenkten unsere Aufmerksamkeit wieder dem Redner, auch wenn er das eigentlich verdient hatte. Doch ich hatte beschlossen, dass ich jede Information, selbst wenn sie noch so wertlos erschien, aufzusaugen wie ein Schwamm. Denn ich war mir sicher, dass alles irgendwann genutzt werden konnte. »In der Tiefe unseres Berges lodert eine Flamme und die Drachen machten uns das Eisen und die anderen verborgenen Bodenschätze zum Geschenk. Das Geschlecht der Drachen ist das edelste. Wir werden das widerwärtige Fußvolk auf die Knie zwingen!«, brüllte er nun vollkommen ekstatisch und breitete die Arme aus. Ich hatte das Bedürfnis mich zu übergeben und fragte mich ernst, ob das alle Menschen hier so sahen. Glaubten sie alle fest daran, dass sie eines Tages die Herrscher über die ganze Welt sein würden? Ich wünschte, ich könnte seine Worte ernster nehmen, aber dieser Kerl schien einfach vollkommen durchgedreht zu sein. Letzten Endes ergriff ich Natsukos Hand und zog sie weiter, als ob zu fürchten wäre, dass wir uns mit seiner Verrücktheit anstecken könnten. Tatsächlich schienen die Leute, die sich um ihn versammelt hatten, von der einen Minute zu anderen zu verändern. Ihre Augen fingen förmlich anzubrennen und hefteten ihre Blicke eisern auf den Redner mit Begeisterung. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Verwendete er irgendeinen Trick um die Meute zu seinen Gunsten zu manipulieren oder war das allein seinem Talent zum Reden, das ich wohl nicht erkennen konnte, zu verdanken? Ich blieb nicht lang genug, um es an mir selbst zu testen. »Bald müsste die Parade durch die Hauptstraße ziehen«, meinte Natsuko jetzt wieder ganz Kind. Ich fragte mich, wie sie sich an dem ganzen Spektakel noch erfreuen konnte, wenn ihr doch offensichtlich klar war, dass dieses Fest den Drachen huldigte, die angeblich eine kleine Bevölkerungsschicht hier dazu erwählt hatte die restliche Menschheit zu unterjochen. Andererseits wusste sie das schon seit langer Zeit, denn immerhin hauste sie schon viele Jahre in der Eisenhütte und wenn das Drachenfestival alljährlich stattfand, dann war sie mit diesen Spinnereien vielleicht schon vertraut und ignorierte sie einfach. Wir verließen den Marktplatz und wenige Meter später umgab uns eine unangenehme Stille. Das Viertel mit den Kneipen war bestimmt nicht so verlassen, aber da konnte ich unmöglich mit Natsuko hingehen, auch wenn sie auch dieses Gesicht des Festes wahrscheinlich kannte. Aber solange ich das zu verhindern wusste, würde ich mit ihr nicht in das Kneipenviertel gehen, selbst wenn mir die Stille unangenehm war. Ich seufzte und zog Natsuko dann weiter. Es war nicht mehr weit bis zur Hauptstraße, als wir einen schrillen Schrei vernahmen. Natsuko zerrte mich sofort in die Richtung aus er gekommen war. In der kleinen Gasse sahen wir dann Asami, die von einem betrunkenen Mann belästigt wurde. Sie beschimpfte ihn wütend und ballte die Fäuste, als sei sie bereit um ihr Leben zu kämpfen. Obwohl ich das Gefühl hatte, als könnte Asami mit der Situation eigenhändig fertig werden, drängte mich Natsuko zum Eingreifen. »Großer Bruder, sie ist eine Frau in Nöten. Du musst sie retten!«, sagte sie mit entschlossenen Blick. Ich konnte ihr kaum erklären, dass Asami und ich uns verabscheuten und wahrscheinlich beide lieber den Angreifer unterstützt hätten, als einander zu helfen. Also musste ich Natsuko den Gefallen tun, selbst wenn Asami das nicht ertragen könnte. Als er Asami überraschend geschickt zu fassen bekam ohne von ihren Fäusten getroffen zu werden, schritt ich widerwillig ein. Ich bat ihn nicht einmal erst darum sie loszulassen, denn das hätte alles nur hinausgezögert und möglicherweise hätte ich dann auch noch lang und breit mit ihm unterhalten müssen. Lieber weniger zimperlich mit ihm umspringen, damit er sofort verstand, dass er sich verziehen sollte. Ich schlug mit beiden Händen und voller Kraft auf seine Flossen, die er schreiend zurückzog. Es folgten ein Faustschlag auf seine Schläfe und ein grimmiger Blick meinerseits. Er schaute mich für einen kurzen Moment irritiert an, dann machte er kehrt und verschwand torkelnd nach irgendwo. Natsuko verharrte vorerst an dem Standpunkt, an dem ich sie zurückgelassen hatte und strahlte mich nur zufrieden und stolz an. Asami, die auf ihrem Hinterteil gelandet war, sobald der Mann gezwungen war sie freizugeben, wartete nicht darauf, dass ich ihr zur Krönung aufhalf und erhob sich stattdessen selbst. Sie klopfte sich den Staub von der Kleidung und brummte: »Wieso zum Teufel muss ich mit so etwas herumschlagen? Das war stets der einzige Grund gewesen, weshalb ich nie mein vernarbtes Gesicht vollkommen verdammt habe. Er konnte die Narben wohl in der Dunkelheit nicht sehen; seine Trunkenheit schließe ich als mögliche Erklärung auch nicht aus«. »Ja, das muss es gewesen sein«, kommentierte ich kühl. Ich erwartete, dass sie mich zur Schnecke machte, aber überraschender Weise schien sie von meinem Kommentar nicht verletzt zu sein. Jedenfalls gönnte sie mir diesen Triumph nicht oder glaubte, ich könne mich an ihrem Leid ergötzen. An Stelle eines Wutausbruches sah sie zu mir auf und bedankte sich. Wollte sie nur, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam oder glaubte wirklich, dass es daran gelegen hatte? Sie wandte sich um und starrte Natsuko an. »Wieso bist du nicht mit Mio unterwegs? «, fragte sie zunächst ehrlich verwundert, dann sah sie mich grinsend an. »Oh, du armes Kerlchen. Natürlich bevorzugt sie die Gesellschaft von ihrem reichen Herrn«. Ich verdrehte die Augen. »Ich habe kein Verhältnis mit Mio-sama«, erwiderte ich und knirschte entnervt mit den Zähnen. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht recht, was ich von dieser Frau halten sollte seit sie Tamaki und dann Ashikaga angelogen hatte. Ich war im Augenblick der Meinung, dass ich ihr aus dem Weg gehen sollte, weil man sich nie sicher sein konnte, ob sie einem im nächsten Moment nicht verriet. »Da ja jetzt alles im Lot ist, können Natsuko und ich ja unsere Abendplanung fortsetzen, ja? Oder benötigst du seelischen Beistand?«, fragte ich sie entnervt. »Ich bezweifle, dass du derartig mit Mio umgesprungen bist«, meinte sie nur, aber ließ schon durchblicken, dass sie gar nicht darauf scharf war getröstet zu werden. »Na ja, ich bin schließlich nicht aus Porzellan«. Sie ging und ich ließ sie mehr als bereitwillig ziehen. »Lass uns weitergehen«, sagte ich zu Natsuko und wir setzten unseren Weg zur Hauptstraße fort. Dort angekommen, hatte die Parade gerade angefangen. Die ersten Wagen waren schon an dem Ort vorbeigezogen, an dem wir uns hingestellt hatten. Tausende von Menschen hatten sich auf beiden Seiten der Straße eingefunden, manche standen sogar auf den Dächern und jubelten den Leuten auf den Wagen euphorisch zu. Zu meinem Unbehagen entdeckte ich auf einem besonders hervorstechend bunten Wagen Ren Ashikaga und seine Mio. Äußerst exzentrisch gekleidet zelebrieren die beiden sich unter tausend Augenpaaren. Man kann den beiden deutlich ansehen wie sehr sie einander lieben, doch noch mehr wurde einem beim Zusehen allmählich klar, wie beide sich selbst vergötterten. Ich war fasziniert, aber auch verwirrt. Zugegeben, auch wenn beide sich mir gegenüber eigenartig verhalten hatten, so konnte ich nicht verhindern, dass ich zu grinsen anfing. Diese beiden da unten waren ein idiotisches Pärchen, die tatsächlich wie für einander geschaffen schienen. Weit nach Mitternacht brachte ich Natsuko zurück zur Schreinerei. Auf unserem Weg dorthin hörte ich auf einmal ein helles Lachen. Es klang wundervoll und ich merkte, wie das Herz in meiner Brust heftig zu schlagen begann. Ich ließ meinen Blick über die Straße schweifen und entdeckte dann eine Gruppe, die aus sechs Mädchen bestand und von der zu meinem Erschrecken Asami ein Teil von war. Das war von kurzer Dauer gewesen und sobald ich die Mädchen erblickt hatte, war all das Gelächter verstummt. Ich konnte allein Asami als Ursprung ausschließen, denn sie lachte wie eine hysterische Ente. Ich riss mich von der Mädchengruppe los und setzte meinen Weg fort. _____________________________________________________ Vielen Dank für die Kommentare! :D Ich hätte nicht gedacht, dass ich mein Versprechen halten könnte, aber hier nun das dreizehnte Kapitel. Ich hoffe, dass euch gefallen hat! Liebe Grüße, Foe Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)