Home Sweet Home von S_ACD ("Familie" wieder Willen...) ================================================================================ Prolog: Bodenperspektive ------------------------ % Der Tag, an dem sie die alte Bulldogge Marko einschläfern lassen müssen, ist der Tag, an dem er wie aus dem Nichts plötzlich einen Mitbewohner hat. Er hockt neben der Parkbank im Schneidersitz auf dem Boden und vermutlich ist das der Grund, warum er ihm überhaupt erst ins Auge sticht. Die Bank ist leer und er hätte sich genauso gut auf ihr niederlassen können, anstatt sich daneben auf den Kiesweg zu setzen. Zwischen den Fingern der rechten Hand dreht er eine Zigarette hin und her, die er nachdenklich betrachtet. Ruffy weiß nicht wirklich, wieso er sich neben ihn fallen lässt. Vielleicht ist es Neugier. Vielleicht tut er es, weil er das Bedürfnis hat, festzustellen, ob der Mann wirklich so verrückt ist, wie er aussieht – die nachdenkliche Miene würde in diesem Fall nämlich nicht ins Bild passen. Vielleicht will er auch einfach nur mit jemandem reden. Wer weiß, vielleicht ist es Schicksal. Der Kies ist unbequem und kalt, was kein Wunder ist, weil es bereits kurz davor ist, dunkel zu werden, aber der Mann sieht auf, als er neben ihm auf dem Hosenboden landet und plötzlich ist sich Ruffy sicher, dass er keines Blickes gewürdigt worden wäre, wenn er sich einfach auf die Bank gesetzt hätte. „Hi.“ Der Mann, dem strähniges rotes Haar in die Stirn hängt, grinst und klopft mit der Zigarette sacht gegen sein Knie. „Du hast nicht zufällig Feuer, oder?“ Ruffy ist ob dieser banalen Enthüllung etwas enttäuscht. „Ach, deshalb rauchst du sie nicht?“ Das Grinsen seines Gegenübers wird breiter. „Genau. Aber der Plan steht felsenfest, das kann ich dir versichern.“ „Ah“, macht Ruffy. „Ich nehme an, das bedeutet, du hast kein Feuer?“ Ruffy schüttelt entschuldigend den Kopf. Die bedauernde Miene fällt ihm nicht schwer, schließlich hat er Markos deprimierendes Lebensende immer noch allzu lebhaft im Gedächtnis. „Soll ich dich in Ruhe lassen?“, fragt er dann. Wenn er keine Zigarette anzünden kann, ist er diesem Typen ja schließlich nicht besonders nützlich. Der Mann legt den Kopf in den Nacken und lacht so herzhaft, wie Ruffy noch nie einen Landstreicher lachen gehört hat. „Nah“, sagt er, „Lass mal. Wie heißt du, Kleiner?“ „Ruffy. Monkey D. Ruffy.“ Der Mann streckt ihm die Hand ohne Zigarette entgegen. Es ist die linke und das ist den gesellschaftlichen Höflichkeitsformen zufolge eigentlich verkehrt, aber es stört nicht. Sein Händedruck ist angenehm kräftig. „Shanks“, sagt er, „Sehr erfreut.“ Ruffy runzelt die Stirn. „Einfach nur Shanks?“, sagt er, „Mehr nicht? Shanks und fertig?“ „Und fertig“, wiederholt Shanks amüsiert, „Obwohl... wenn du ganz besonders großen Wert drauf legst, s’gibt ein paar Leute, die mich mal ‚Der Rote’ genannt haben. Aber das ist doch irgendwie arg melodramatisch.“ „Oh“, sagt Ruffy, „Verstehe.“ Eigentlich stimmt das gar nicht, aber was soll’s. Er verschränkt die Arme über seinen angezogenen Knien und seufzt leise. Der Ausblick von hier unten ist nett. Anders, aber nett. Das Gras sieht trotz einsetzender Dunkelheit um einiges grüner aus (auch der Hundehaufen auf der gegenüberliegenden Seite des Weges hat eine etwas kräftigere Farbe) und das kann eigentlich nur Einbildung sein. Sitzt der Kerl deswegen auf dem Boden herum? Ein Mann marschiert vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen – Aktenkoffer, nadelgestreifte Knie und teure Schuhe – und Shanks brüllt ihm hinterher. „Verzeihung?“ Kurz scheint es so, als würde der Angesprochen einfach weitergehen wollen. Als er schließlich doch stehenbleibt – ein paar Meter weiter weg als nötig – kann man den Widerwillen förmlich von seinem angespannten Rücken ablesen. Steif dreht er sich um. „Was?“ Shanks schiebt sich die Zigarette zwischen die Lippen und überhört den barschen Tonfall geflissentlich. „Haben Sie mal Feuer?“ Der Mann zögert einen Augenblick lang, bevor er ein schweres Benzinfeuerzeug aus der Hosentasche zieht. Er scheint nicht recht zu wissen, ob er zurückgehen und die Zigarette selbst anzünden oder Shanks das Feuerzeug einfach zuwerfen soll. Die erste Variante birgt die Gefahr, dieses verkommen Individuum berühren zu müssen, bei der zweiten besteht immerhin die Möglichkeit, dass Shanks aufspringen und mit seiner kostbaren Beute die Flucht ergreifen könnte. Schließlich siegt die Sorge um den hart erarbeiteten Besitz über den menschlichen Ekel. Die Schritte knirschen auf dem Kies und etwas widerwillig beugt er sich hinunter, weil Shanks keine Anstalten macht, sich von seinem Sitzplatz zu erheben. Es dauert ein, zwei Sekunden, dann glüht die Spitze der Zigarette auf wie das rot leuchtende Auge einer Schlange. Ohne ein weiteres Wort zu sagen richtet sich der Mann auf, wendet sich ab und geht mit großen Schritten davon. Ruffy sieht ihm hinterher. „Hey“, sagt er dann, ohne seinen Blick von den Nadelstreifen zu nehmen, die gerade um die nächste Biegung verschwinden, „Sind die zu dir immer so höflich?“ Aus den Augenwinkeln sieht er, wie Shanks mit den Schultern zuckt. „Na ja“, der Kerl grinst schon wieder, „Wenn ich ehrlich bin, ich kann’s ihnen nicht verdenken. Ich rieche nicht besonders gut.“ Ruffy seufzt erneut. Er kann es einfach nicht ändern. Als er den Kopf dreht, stellt er fest, dass Shanks ihn aufmerksam betrachtet. „Okay“, sagt er langsam, „Was ist mit dir los, Kleiner?“ „Was soll mit mir sein?“ „Ach, ich weiß nicht. Fängst du immer Gespräche mit Pennern an, wenn du nichts Besseres zu tun hast?“ Er sagt das Erste, was ihm in den Sinn kommt. „Wer sagt, dass ich nichts Besseres zu tun habe?“ Shanks zieht eine Augenbraue hoch, so als wollte er sagen: “Bitte. Wem versuchst du hier was vorzumachen?“ und mit einem Mal hat Ruffy das seltsame Gefühl, diesen Menschen zu kennen. Aus einem Traum, einer anderen Dimension, einem früheren Leben. Irgendwoher. Es ist ein gutes Gefühl. Etwas verwirrend zwar, aber damit kann er leben. Vielleicht ist das Grund, warum er plötzlich mit der Sprache herausrückt. „Marko ist tot.“ Und da ist es wieder, das Tierarztzimmer, mit dem sterilen Geruch und der Tabelle von Tumorquerschnitten an der Wand. Da ist das stumpfe, graue Fell, das sich über der eingefallenen Hundebrust ein letztes Mal hebt und senkt. Da ist das halb eingewickelte Sandwich, dass auf dem Fensterbrett liegt und das der Tierarzt vermutlich zu Ende essen wird, wenn sie wieder aus seiner Praxis verschwunden sind. Nur ein Hund. Ein alter, kranker Hund noch dazu und trotzdem ist ihm mit einem Mal nach Heulen zumute. Shanks fragt nicht, wer Marko ist. Will nicht wissen, was passiert ist und tut Gottseidank auch nicht so, als täte ihm irgendwas leid. Er pustet lediglich Rauch gegen den inzwischen dunkelblauen Himmel und reibt sich mit der freien Hand abwesend den Nacken. „Übel“, sagt er, „So was ist einfach immer beschissen.“ Eine Weile lang sagt Ruffy gar nichts. Dann fällt ihm ein, dass er nach Hause muss. Umso später es ist, umso größer ist die Chance, dass sein Vermieter versuchen wird, ihn wegen der ausständigen Miete abzupassen und außerdem muss er seine Katze füttern. „Also“, sagt er und stellt beinahe überrascht fest, dass er endlich wieder grinsen kann, „War nett, aber schön langsam muss ich los.“ Shanks bleibt, wo er ist, aber er zwinkert ihm zu. „Ich nehme an, wir sehen uns.“ Ruffy nickt, will sich abwenden und stutzt dann. „Moment“, sagt er, „Bleibst du etwa hier?“ „Hm“, Shanks tut so, als müsste er einen Augenblick lang darüber nachdenken, „Hab ich vor, ja.“ Verärgert furcht Ruffy die Stirn. Das geht so nicht. Es ist Anfang Mai und die Nächte sind immer noch empfindlich kühl. Was für ein dummer Penner ist dieser Typ eigentlich, wenn er nicht einmal weiß, dass er sich unter einer Brücke verkriechen oder sich wenigstens mit Zeitungspapier zudecken muss? „Aber es ist kalt!“, sagt er entrüstet. „Sag bloß“, murmelt Shanks, dann fügt er etwas lauter hinzu, „Keine Panik, Kleiner. Ich werd’s überleben.“ „Ach ja?“ Shanks sieht ihn milde amüsiert an. „Was anderes wird mir kaum übrig bleiben, findest du nicht?“ Ruffy überlegt einen Moment lang, aber es ist keine Entscheidung im eigentlichen Sinne. Er mag diesen Kerl, aus welchen Gründen auch immer und deshalb kann er definitiv nicht zulassen, dass er neben einer Parkbank erfriert. Er verkündet seinen Entschluss mit aller Entschiedenheit, die er aufbringen kann. „Du kommst mit.“ Shanks wirkt ehrlich verblüfft. „Bitte?“ „Du kommst mit“, wiederholt Ruffy, „Los, aufstehen. Du kannst nicht hierbleiben, das ist doch kein Zustand.“ „Ach“, macht Shanks, „Ist es nicht?“ Ruffy weiß nicht, warum er tut, was er als nächstes tut. Wenn man es ganz genau nimmt, kennt er diesen Menschen schließlich erst seit einer halben Stunde – aber so fühlt es sich nicht an. Deshalb findet er es auch in Ordnung, mit dem Fuß auszuholen und gegen Shanks’ Bein zu treten. (Nicht allzu fest, versteht sich, aber doch nachdrücklich genug.) Der macht daraufhin sekundenlang ein verdutztes Gesicht, dann ziehen sich seine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen auseinander. Zum Zeichen der Kapitulation hebt er beide Hände. „Ich beuge mich der Gewalt.“ Er steht auf und schnippt die Kippe ins Gras. Ruffy nickt zufrieden und setzt sich in Bewegung. Sie haben den Park schon so gut wie hinter sich gelassen, als Shanks noch einmal innehält. „Hey“, sagt er „Kleiner.“ Ruffy ist in Gedanken schon längst dabei, zu überlegen, wie sie am unauffälligsten in den fünften Stock zu seiner Wohnungstür gelangen können. Er ist sich nämlich ziemlich sicher, dass sein Vermieter von dem etwas... verwahrlosten Anblick, den Shanks bietet, alles andere als begeistert sein wird. „Huh?“ „Du... also, danke.“ Ruffy will schon „Wofür denn?“ sagen, aber letztendlich lässt er es bleiben. Schon klar, eigentlich sollte das hier eine große Sache sein – einen Landstreicher mit zu sich in die Wohnung zu schleifen, das macht er ja nicht ständig. Doch das entsprechende Gefühl will sich einfach nicht einstellen, denn... aus irgendeinem Grund findet er die momentane Aktion kein bisschen seltsam. „Keine Ursache.“ Den restlichen Weg verbringt er damit, sich zu fragen, ob sie es wohl schaffen werden, seine alte Ausziehcouch auf Vordermann zu bringen. Ein paar Federn sind verbogen und das Ding sperrt und klemmt, dass es eine wahre Freude ist, aber das ist immer noch besser als nichts. Wenigstens hat er überhaupt irgendetwas, auf dem Shanks schlafen kann. Dass in derselben Nacht sein großer Bruder auch noch auftauchen und nach einer Schlafgelegenheit verlangen wird, kann er ja schließlich nicht ahnen. % Kapitel 1: Ausziehcouch und Campingbett --------------------------------------- Warnung, die die Autorin angebracht findet: Rauchen ist gesundheitsschädlich und führt viel eher zum Tod, als der sprichwörtliche Bus, von dem man morgen überfahren werden kann. % Als die Türklingel schellte, hatte er ganz ehrlich keine Ahnung, wer es sein konnte. Shanks hatte sich vor fünf Minuten ins Badezimmer verabschiedet, um die Gelegenheit zu nutzen, endlich „mal wieder richtig duschen“ zu können. Nicht, dass Ruffys Dusche auf dem neuesten Stand der Technik gewesen wäre – bei kaltem Wasser war der Strahl so stark, dass er einen fast enthauptete, bei heißem Wasser (das sich sowieso immer erst nach einer Viertelstunde einstellte) war er so furchtbar lasch, dass einem allein vom Zusehen das Gesicht einschlief. Aber sie war sicher besser als nichts. Er warf dem Ausziehsofa einen letzten, herausfordernden Blick zu, dann verschob er den unvermeidlichen Kampf auf später. Jetzt musste er erst mal feststellen, wer um diese Uhrzeit noch vor seiner Wohnungstür stand. Hoffentlich nicht Mr. Boston, der Vermieter. Sie hatten sogar darauf verzichtet, das Licht im Treppenhaus anzuschalten, als sie so leise wie möglich hinaufgehuscht waren, nur um unbemerkt zu bleiben – eine Aktion, bei der Shanks sich irgendwo zwischen dem dritten und dem vierten Stock um ein Haar den Hals gebrochen hatte. Hoffentlich, hoffentlich nicht Mr. Boston. Die Miete vom letzten Monat war noch ausständig (wenn man von einer bescheidenen, kleinen Anzahlung mal absah) und im Moment hatte er bei weitem nicht genug Geld, um den Rest zu bezahlen. Die Klingel ging erneut. „Komme schon!“ Um alle Lichter zu löschen, mucksmäuschenstill zu sein und so zu tun, als wäre niemand zuhause, dafür war es ohnehin zu spät. Er drehte den Schlüssel um, drückt die Klinke nach unten, die Tür schwang auf und- „Sag mal, warum zum Teufel ist es hier draußen so finster? Is’ ja lebensgefährlich...!“ Ruffy blinzelte und starrte dann entgeistert. Zu etwas anderem fühlte er sich im ersten Augenblick nicht in der Lage. Dort auf der Türschwelle stand Ace, sein großer Bruder, den er seit gut zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Abgekämpft, mit staubigen Klamotten und zerzausten Haaren und seinem überdimensional großen Seesack im Schlepptau. Plus, er trat etwas unsicher von einem Bein aufs andere. „Wäre auf der verdammten Treppe vorhin fast abgestürzt“, murmelte er und, noch eine Spur leiser, „Hey, kleiner Bruder.“ Irgendetwas musste bei ihm ausgesetzt haben, denn das nächste, das Ruffy wusste war, dass er Ace umarmte, so fest er nur konnte. „Wenn man zu blöd ist, um den Lichtschalter zu finden...“, nuschelte er in Ace’ Schulter, aber die Worte waren nicht ganz so sattelfest, wie er es eigentlich gerne gehabt hätte, „...ist man selber schuld.“ Ace lachte leise, das Geräusch vibrierte sanft gegen Ruffys Brust. „Jahh“, sagte er grinsend und wuschelte ihm durch die Haare – um einiges sanfter als sonst, denn immer, wenn Ace das normalerweise tat, fühlte es sich an, als wollte er einem sämtliche Strähnen einzeln ausreißen, „Ich hab dich auch vermisst.“ Sie blieben noch ein paar Sekunden stehen, so lange, bis die Grenze zur Peinlichkeit eindeutig erreicht war, dann ließen sie sich los. Ruffy machte einen Schritt zurück und musterte seinen Bruder aufmerksam. Sein Gesicht sah etwas schmaler aus als sonst und er wirkte erschöpft, aber ansonsten war alles beim Alten. Er wusste, was Ace fragen würde, noch bevor er überhaupt den Mund aufgemacht hatte. „Ich hab mich gefragt... kann ich n’paar Tage bei dir pennen?“ „Klar doch“, Ruffy grinste breit, „Komm rein.“ Ace stapfte in den Flur, ließ seinen Seesack unzeremoniell auf den Boden fallen und sah sich interessiert um. Zwar war er bereits hier gewesen, aber das letzte Mal lag doch schon eine ganze Weile zurück. „Willst du was trinken?“ Ace grinste ebenfalls. „N’Bier vielleicht?“ „Kommt sofort“, Ruffy stieg über den Seesack, ohne auch nur hinzusehen und verschwand in der Küche, „Fühl dich ganz wie zuhause.“ Zwei Flaschen waren noch im Kühlschrank. Vorgestern war er zwar im Besitz eines vollständigen Sixpacks gewesen, aber die restlichen Flaschen hatten geopfert werden müssen, um Mr. Boston milde zu stimmen. Ruffy hatte sich gerade dazu entschlossen, selbst kein Bier zu trinken – wer weiß, wofür er die letzte Flasche noch gebrauchen konnte – und wollte die Hand ausstrecken, als- „WOAH!“ „ACH DU-“ KRACH! Eine Tür wurde mit markerschütterndem Krachen zugeschlagen und Ruffy beeilte sich, nach dem Rechten zu sehen. Auf halbem Weg kam ihm Ace entgegen. Sein Gesichtsausdruck konnte man bestenfalls als „verstört“ bezeichnen. „Da...“, er fuchtelte mit ausgestrecktem Zeigefinger Richtung Badezimmer, „...da ist ein Kerl drin!“ „Äh“, sagte Ruffy, „Ja, ich weiß.“ „Was- wer ist das?“ „Shanks.“ „Shanks wer?“ „Einfach nur Shanks.“ „Warum... Ruffy, was hat der da drin zu suchen?!“ Ruffy runzelte die Stirn, machte einen halben Schritt zur Seite und spähte an seinem Bruder vorbei zur geschlossenen Badezimmertür. „Na ja“, sagte er langsam, „Er duscht, nehme ich mal an.“ Ace sah ihn an, als wären ihm plötzlich Fühler gewachsen. „Wieso- oh“, von einer Sekunde auf die andere machte sich auf seinem Gesicht Verstehen breit, „Oh. Ich... ich verstehe. Tut mir leid, wusste ja nicht...“ Er drehte sich um. „SORRY, KUMPEL!“ „KEIN PROBLEM!“, schallte es zurück. Ruffy zuckte ob der Lautstärke zusammen – nicht, weil sie ihm in den Ohren wehtat, sonder viel mehr, weil sich die Frau, die unter ihm wohnte, bestimmt über die unangebrachte Lautstärke zu nachtschlafenden Zeiten beschweren würde. Egal. Jetzt war es sowieso zu spät. Er marschierte zurück in die Küche, griff nach dem Bier und drückte es Ace, der ihm gefolgt war, in die Hand. Dann knallte er die Kühlschranktür zu, die noch immer offengestanden hatte. Sein großer Bruder tippte abweisend gegen den Verschluss. Irgendwas schien ihn zu beschäftigen. „Was?“, hakte Ruffy nach, „Was ist denn?“ Ace zuckte mit den Schultern. „Das... nichts.“ „Was ist los?“ „Nichts, nichts...“, Ace öffnete die Flasche energisch, „Vergiss es einfach.“ „Soll ich dich vor die Tür setzen?“ „Woah, woah, okay. Langsam. Also, uhm, ich meine ja nur... versteh mich jetzt nicht falsch, das ist deine Sache, aber... ist der nicht n’bisschen alt für dich?“ Ruffy starrte ihn an. Dann sagte er das Erste, was ihm in den Sinn kam. „Wie genau hast du denn bitte hingesehen?!“ „Das... darum geht’s doch jetzt gar nicht!“ „Ach, nein?“ „Nein. Es geht darum, dass du was mit einem alten Sack hast!“ „Na, danke vielmals“, sagte eine Stimme hinter ihnen gut gelaunt, „Das wird mir bei meiner kommenden Midlifecrisis sicher ’ne große Hilfe sein.“ Ace wandte sich um. Im Türrahmen stand Shanks, ein Handtuch um die Hüften, ansonsten allerdings gänzlich unbekleidet. „Hey“, sagte Ruffy, „Auch ein Bier?“ „Wenn du noch eins für mich übrig hast“, Shanks strich sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht, „Übrigens, Kleiner, das heiße Wasser in diesem Ding ist etwas, ähm... unberechenbar.“ Ruffy zuckte mit den Schultern. „Ich weiß“, sagte er, „War schon immer so. Hast du dich verbrannt?“ „Nah“, Shanks übersah geflissentlich, dass Ace ihn immer noch vollkommen entgeistert anstarrte, „Höchstens ein bisschen verbrüht. Was soll’s, das werde ich überleben. Kann ich dir irgendwie helfen, Kumpel?“ Ace schüttelte den Kopf. „Zieh dir was an“, sagte er, „Wie wär’s damit? Ich weiß ja nicht, was ihr beide so in eurer Freizeit treibt, aber so lange ich im selben Raum bin...“ Ruffy verzog verwirrt das Gesicht, während er die Kühlschranktür wieder zuklappte und Shanks die letzte Bierflasche entgegenhielt. „Da, bitte. Ace, wovon redest du? Warum soll ich in meiner Freizeit...“ „Er denkt, wir hätten ’ne Beziehung“, erklärte Shanks heiter. „Habt ihr nicht?“, fragte Ace skeptisch. Ruffy begann zu lachen. „Oh Mann, jetzt kapiere ich erst, was du die ganze Zeit meinst!“ Er schüttelte grinsend den Kopf. „Wir haben nichts miteinander-“ „Prost“, warf Shanks ein und setzte die Flasche an seine Lippen. „-er übernachtet nur hier. Hab ihn im Park aufgegabelt.“ „Ah“, Ace sah immer noch alles andere als überzeugt aus, „Was hat er im Park gemacht?“ „Nur zur Info“, sagte Shanks, „Ich kann dich hören.“ Ace ignorierte ihn und fuhr fort damit, Ruffy abwartend anzusehen. Sein kleiner Bruder zuckte mit den Schultern. „Keinen Plan. Wollte dort schlafen, nehme ich mal an. Oder?“ Shanks zuckte ebenfalls mit den Schultern. „Ja“, sagte er, „Die Möglichkeit hätte ich sicher in Betracht gezogen.“ „Moment, Moment“, Ace deutet mit seiner Bierflasche auf Shanks, „Soll das heißen... bist du etwas ein Penner?“ „Die politisch korrekte Bezeichnung ist obdachlos“, wurde er informiert. „Was zum... ach, fick dich doch. Ruffy, du kannst doch nicht einfach wildfremde Leute von der Straße mit in deine Wohnung schleppen!“ Ace sah ehrlich besorgt aus. „Kleiner, mal im Ernst. Das macht man einfach nicht.“ „Wenn wir schon mal beim Thema sind“, warf Shanks ein, bevor Ruffy noch den Mund aufgemacht hatte, „Ich will nicht unhöflich sein, aber wer ist das überhaupt?“ „Wer- ach so. Shanks, das ist mein Bruder Ace.“ „Sein großer Bruder“, fügte Ace hinzu, baute sich demonstrativ breitbeinig vor Shanks auf und streckte ihm die Hand entgegen. Sein Gegenüber schlug ein und eine Sekunde lang konnte man ihre Fingerknochen förmlich knacken hören, doch keiner von beiden verzog eine Miene. „Sehr erfreut“, sagte Shanks schließlich ungerührt. „Ebenfalls“, gab Ace genauso ungerührt zurück. So erledigten echte Männer das. Hiermit waren die Grenzen abgesteckt. % „Ich kriege die Couch“, verkündete Ace, kaum dass Ruffy aus dem Zimmer verschwunden war. Sein kleiner Bruder war auf und davon, um das alte, rostige Campingbett zu suchen, dass er seinen eigenen Worten zufolge „irgendwo verstaut“ haben musste. Der Fall war glasklar – war die Ausziehcouch schon unbequem, dann war das Campingbett das reinste Folterinstrument. Und keine der betreffenden Parteien war besonders scharf darauf, am nächsten Morgen mit Rückenschmerzen aufzuwachen. Shanks funkelte ihn an. „Kommt nicht in Frage, ich war zuerst hier.“ „Na und? Ich bin sein Bruder!“ „Ich hab die vergangenen paar Monate auf der Straße geschlafen!“ „Tja“, sagte Ace schnippisch, „Dann solltest du dankbar sein für jedes Campingbett, das du kriegen kannst.“ Sekundenlang schien es so, als wäre er mit dieser Bemerkung zu weit gegangen, denn Shanks’ Augen verengten sich zu Schlitzen und er musterte sein Gegenüber langsam von oben bis unten. „Nettes Tatoo“, sagte er dann, „Hast du öfter Schwierigkeiten dabei, deinen Namen richtig zu buchstabieren?“ „Und du?“, gab Ace zurück und gestikulierte dabei herausfordernd hinaus zu seinem eigenen Auge, „Hübsche Narben. Verlierst du öfter gegen ’ne Miezekatze?“ Shanks' Grinsen wurde dreckig. „Nicht so oft, wie ich’s gern hätte.“ Ace war gerade dabei, zu einer – vermutlich nicht besonders jugendfreien – Antwort anzusetzen, als Ruffy mit dem Campingbett zurückkehrte. „Huh?“, er sah fragend von Einem zum Anderen, „Was ist los, hab ich was verpasst?“ „Nein“, sagte Ace, bevor er sich wieder an Shanks wandte, „Und du... zieh dir endlich was an, falls du nichts dagegen hast.“ Shanks breitete die Arme aus. „Können vor lachen“, sagte er, „Was denn? Meine Sachen sind verschwunden.“ „Die sind in der Mülltonne“, sagte Ruffy beiläufig, während er versuchte, das grün lackierte Gestell auseinanderzuklappen, „Waren doch komplett hinüber. Leute, helft mir mal.“ Ace warf Shanks einen raschen Seitenblick zu. Die Neuigkeit, dass sein vermutlich einziger Satz Klamotten das Zeitliche gesegnet hat, schien den Mann nicht sonderlich zu schockieren. „Okay“, war alles, was er sagte, bevor er sich an Ace wandte, „Verständlich. Tja, Junge, tut mir Leid. So wie’s aussieht, musst du mich noch ’ne Weile im Handtuch ertragen.“ Ruffy sah auf. „Ach was“, sagte er, „Ist nicht nötig. Ace borgt dir sicher was.“ Ace warf seinem kleinen Bruder einen entsetzten Blick zu. „Wie bitte?“ Warum in aller Welt sollte er das tun? Immerhin war es ja nicht so, dass er wahnsinnig viele Kleidungsstücke besessen hätte. In seinem Seesack mussten auch noch andere Sachen Platz finden und mehr als ein, zwei Paar Jeans, einige T-Shirts und ein Ersatzpaar Turnschuhe waren nicht wirklich unterzubringen. Abgesehen davon – sah er etwa aus wie ein barmherziger Samariter? Er kannte diesen Typen doch gar nicht. „Komm schon“, Ruffy ließ sekundenlang vom Campingbett ab und sah seinen Bruder flehend an, „Meine Sachen werden ihm wohl n’bisschen zu klein sein, das sieht man doch.“ „Aber...!“ „Schon gut“, sagte Shanks, „Zerbrecht euch nicht den Kopf, ich bleibe einfach, wie ich jetzt bin. Gar kein Problem.“ Ace bedachte ihn mit einem finsteren Blick. „Wäre ja noch schöner“, murmelte er und marschierte hinaus auf den Flur, um seine Sachen zu holen, „Exhibitionist.“ „Oho“, sagte Shanks, der ihn offenbar gehört hatte, grinsend, „Jetzt kommen die Fremdwörter.“ „Leck mich.“ „Mach dir nichts draus“, Ruffy machte sich nicht einmal die Mühe aufzusehen, „Wenn ihm irgendwas nicht passt, wird er immer ausfallend.“ % Sie brauchten sage und schreibe fünfzig Minuten, bis sie Couch und Campingbett bewältigt hatten. Die Schlacht war lange und verlustreich- „Au!“ „Pass doch auf!“ „Lasst mich mal-“ „Nein, nein, warte, du musst-“ „Doch nicht so...!“ „Dieses gottverdammte Scheiß-“ „Seid ihr denn allesamt unfähig?“ „Woah! Wie hat das denn jetzt funktioniert-“ -aber letztendlich wurde sie gewonnen. Ein paar Blessuren hatten allerdings alle Beteiligten davongetragen. Ace hatte sich zwei Finger eingeklemmt, Shanks war der Couchrahmen ins Gesicht geschnalzt und Ruffy hatte sich gleich dreimal den Fuß gestoßen. Nichtsdestotrotz ging ein triumphierendes Murmeln durch den Raum, als endlich alles so war, wie es sein sollte. Das einzige, was jetzt noch blieb, war die Entscheidung, wer denn nun die Couch bekommen sollte. „Wir könnten auslosen“, schlug Ruffy diplomatisch vor, „Oder Streichhölzer ziehen oder so was.“ „Überflüssig“, knurrte Ace, der Shanks immer noch übelzunehmen schien, dass er nun seine Shorts und sein letztes sauberes T-Shirt trug, „Er hat schon meine Klamotten gekriegt. Da ist es doch nur fair wenn-“ „Er hat Recht“, räumte Shanks ein, „Meinetwegen, nehme ich eben das Campingbett.“ „Okay“, sagte Ruffy, „Ich hoffe mal, ich hab genug Decken. Kissen sollten kein Problem sein, aber...“ Er ging hinüber zu der letzten verbleibenden Tür, hinter der sich sein eigenes Schlafzimmer befand und kaum hatte er sie einen Spalt breit geöffnet, schoss auch schon eine pechschwarze Fellkugel laut maunzend daraus hervor. „Holla“, sagte Shanks und bückte sich, um die Katze hinter den Ohren zu kraulen, „Wer ist das denn?“ „Mann“, sagte Ace grinsend, „Hast du das Vieh etwa immer noch?“ Ruffy sah ihn, als wäre das die überflüssigste Frage gewesen, die er jemals gehört hatte. „Natürlich habe ich Pommes noch“, sagte er, „Denkst du, ich gebe sie einfach weg?“ Shanks schmunzelte, als die Katze ihren Köpfchen genießerisch gegen seine Handfläche stemmte. „Hübscher Name. Wie bist du denn bitte darauf gekommen?“ Ace schnaubte, Ruffy grinste nur selbstzufrieden. „Ganz einfach – ich hatte wahnsinnigen Kohldampf, als ich sie benannt habe.“ % Es war stockdunkle Nacht und Ace kam sich ganz ehrlich ein wenig dämlich vor. Schön, es war nicht das erste Mal, dass er sich das Zimmer mit einem mehr oder weniger Wildfremden teilen musste, aber... trotzdem. Das hier war keine Absteige am Arsch der Welt, das hier war Ruffys Wohnung. Außerdem hatte er bis jetzt noch nie seine Klamotten herleihen müssen. Shanks war wach, das konnte Ace an seiner Körperhaltung ablesen, auch ohne ihn allzu auffällig anzugaffen. Die Situation war seltsam. Irgendwie hatte er nämlich schon die ganze Zeit das Gefühl, Smalltalk machen zu müssen und das war in Anbetracht der Tatsache, dass sie beide kaum bekleidet waren und unter Bettdecken steckten, doch irgendwie unangebracht. Abgesehen davon hatte er das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette. Neben ihm gab es ein quietschendes Geräusch, dann ächzte etwas gequält auf. Er hätte beim besten Willen nicht sagen können, ob es Shanks oder das Campingbett von sich gegeben hatten. Ach, scheiß drauf. Er setzte sich ruckartig auf und schwang die Beine über den Sofarand – mit so viel Schwung, dass er sie dem verdammten Kerl, der ja immerhin nur anderthalb Meter von ihm entfernt lag, um ein Haar in die Leistengegend geknallt hätte. „Meine Güte“, Shanks klang schläfrig, „Pass doch auf, wo du die Dinger hinparkst.“ „Halt die Klappe“, gab Ace zurück und versuchte sich zu erinnern, wo genau er seine Jeans hingelegt hatte. Der Kleiderhaufen am Fuß der Couch sah in der Dunkelheit wie eine amorphe Masse. Er hockte sich davor, durchwühlte ihn, bis er rauen Denim unter seinen Fingern spürte. „Bingo.“ Er nestelte die bereits arg in Mitleidenschaft gezogene Zigarettenpackung samt Feuerzeug aus einer der Hosentaschen hervor, richtete sich auf und stellte fest, dass Shanks ihn auf die Ellenbogen gestützt beobachtete. „Is’ was?“ Die Patzigkeit in seiner Stimme diente einzig und alleine dazu, zu überspielen, dass ihm das Ganze irgendwie peinlich war. Shanks deutete mit dem Kinn auf die Pappschachtel. „Gibst du mir eine ab?“ Das auch noch! „Ruffy will nicht, das hier drin geraucht wird“, gab Ace widerwillig zu. Zugegeben, mit diesem Argument schoss er sich ein Eigentor, aber alles war besser als teilen zu müssen. Dass er sein T-Shirt hatte herborgen müssen, ging ihm immer noch gegen den Strich. „Aha“, machte Shanks, „Und du wirst dich einfach so drüber hinwegsetzen?“ „Red kein Blech! Ich gehe raus auf den Balkon.“ Shanks furchte die Stirn. „Was denn... hier gibt’s ’nen Balkon?“ „Wenn man das so nennen kann“, murmelte Ace. Dann seufzte er abgrundtief und bedeutete Shanks, aufzustehen. Ein wenig Gesellschaft war schließlich auch nicht zu verachten. „Komm mit, dann überlege ich’s mir vielleicht.“ % Sie standen zu zweit vor der schmalen Glastür. Vor ihnen breiten sich knapp zwei Quadratmeter aus, die fast vollständig von Kakteen in sämtlichen Formen und Größen bevölkert wurden. „Das...“, sagte Shanks langsam, „Das Teil sieht aus, als würde es jede Sekunde zusammenbrechen.“ Ace nickte. Verdammt, er hatte komplett vergessen, was für eine Todesfalle Ruffys „Balkon“ gewesen war. Jetzt musste er sich die Frage stellen, wie lebensmüde er wirklich war – war eine Zigarette das Risiko wert? Die Alternative dazu, dort draußen eine zu rauchen, war, einfach ein Fenster zu öffnen, den verräterischen Rauch mit einer Zeitschrift nach draußen zu wedeln und währenddessen zu hoffen, dass sich der Geruch nicht in den Vorhängen festsetzte. Blöd nur, das Ruffys Nase immer schon besonders gut gewesen war. „Okay“, sagte er zögernd, „Dann... geh ich da jetzt mal raus.“ Shanks warf ihm einen Seitenblick zu. „Viel Glück“, bemerkte er trocken. Ace verbiss sich den unfreundlichen Kommentar, der ihm fast schon automatisch auf der Zunge lag und öffnete die Balkontür. Kühle Nachtluft wehte ihm entgegen und die Fliesen unter seinen Fußsohlen waren beklemmend kalt. Er fummelte eine Zigarette aus der Packung, steckte sie sich zwischen die Lippen und schirmte sie mit einer Hand gegen den Wind ab. Es brauchte trotzdem vier Versuche, bis er sie endlich angezündet hatte. Shanks verschränkten die Armen gegen die Kälte und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Tja“, sage er heiter, „Passivrauchen hat auch was für sich.“ Ace grinste in sich hinein, bevor er ihm die Zigarettenschachtel zuwarf. Gut, Shanks war ein Penner... aber vielleicht war er doch nicht so übel. Wenigstens hatte Ace die Couch gekriegt. Und für den Fall, dass der Kerl doch nicht so nett war, wie er tat, war Ace jetzt ja da, um auf seinen kleinen Bruder aufzupassen. Immer mal vorausgesetzt, er stürzte vorher nicht mitsamt diesem altersschwachen Möchtegern-Balkon und Ruffys Kakteensammlung fünf Stockwerke nach unten in den sicheren Tod. % Huuargh, ich hab immer noch nicht gelernt, dass ich mir die Rocky Horror Picture Show einfach nicht ansehen DARF. Jetzt muss ich mir den Film mindestens noch fünf Mal reinziehen, bevor ich wieder einigermaßen normal weiterleben kann. =__= Hilfe... meine Obsession mit Frank-N-Furter ist absolut nicht mehr normal. (Ich WILL ihn. @_____@ Ich will ihn, ich will ihn, ich willllllll ihn.) Kapitel 2: Experimental Film ---------------------------- % Yeah! You're all gonna be in this experimental film And even though I can't explain it I already know how great it's % Der nächste Tag beginnt damit, dass jemand gegen die Wohnungstür hämmert, als wollte er sie einschlagen. Shanks fährt ruckartig in die Höhe und hat im ersten Moment keine Ahnung, wo er eigentlich ist. Dann raschelt es neben ihm, eine heisere Stimme kratzt „Gottverdammte Scheiße“ und als hinüber sieht, taucht ein zerzauster schwarzer Haarschopf in seinem peripheren Gesichtsfeld auf. „Morgen, Ace“, sagt er und ist froh, dass er sich noch an den Namen erinnern kann. Die Antwort ist ein unbegeistertes Murmeln, das ihm ziemlich ausführlich erklärt, wohin er sich seinen Morgen stecken kann. Der Lärm, der von der Wohnungstür her kommt, hat kein bisschen nachgelassen und Shanks denkt, vielleicht sollte er hingehen und öffnen. Oder wenigstens Ruffy wecken. Wenn der Junge nämlich immer noch nicht mitbekommen hat, dass da jemand ist, der ihn sprechen möchte, schläft er definitiv tiefer, als gut für ihn ist. Ace hat sich inzwischen dafür entschieden, den Kopf unter die Decke zu stecken und rührt sich nicht mehr. Shanks seufzt und will gerade aufstehen, als die Tür zu Ruffys Schlafzimmer auffliegt. Der Junge kommt hektisch herausgestolpert – ein Arm kämpft immer noch mit dem Ärmel seines T-Shirts – und bleibt wie angewurzelt stehen, als er Shanks auf dem Campingbett im Wohnzimmer sitzen sieht. „Ohh Mist“, zischt er, „Mist, Mist, Mist!“ Zur selben Zeit geht draußen vor der Wohnungstür das Geschrei los. „RUFFY! ICH WEISS, DASS SIE DA SIND-“ Ace gibt ein leidgeprüftes Stöhnen von sich und Ruffy rennt händefuchtelnd durch den Raum. Shanks fühlt sich ein wenig überfordert. Frühmorgendlichen Stress hatte er schon seit einer ganzen Weile nicht mehr. „Ihr müsst verschwinden“, faucht Ruffy aufgebracht, „Das ist Mr. Boston. Untermieter sind verboten, und wen der euch hier sieht, setzt er uns alle miteinander vor die Tür!“ „Verschwinden?“, nuschelt Ace dumpf durch die Decke, „Und wohin?“ „-AUFMACHEN, ABER AUF DER STELLE!“ „Mir egal“, Ruffy wirft Shanks einen flehenden Blick zu, „Einfach nur-“ Er macht eine Geste, von der sich nicht sicher sagen lässt, ob sie Richtung Bad, Schlafzimmer oder Fenster zeigt, und Shanks denkt, okay, das kriegt er hin. Vielleicht ist es eine halbe Ewigkeiten her, seit er sich mit den Problemen anderer Leute auseinandersetzen musste, aber das heißt nicht, dass er vergessen hat, wie das geht. Er schließt seine Finger um Ace’ Oberarm – zumindest vermutet er, das es sich um einen Oberarm handelt, weil Ace schließlich immer noch unter der Decke liegt und seine Gliedmaßen sich nur undeutlich abzeichnen – und zerrt ihn in die Höhe. „Ey“, protestiert Ace schwach, aber Shanks hat den vagen Verdacht, dass sich der Widerwille gegen die unsanfte Behandlung richtet und nicht gegen den Versuch, seinem kleinen Bruder aus der Patsche zu helfen; als sie die Schlafzimmertür hinter sich zugezogen haben, sieht Ace jedenfalls schon beinahe wach aus. Der Raum ist kleiner als die Küche und eine winzige Spur größer als das Bad. Unter dem einzigen Fenster lehnt eine große Pinnwand, die Ruffy vielleicht einmal irgendwo befestigen wollte, bevor ihm klargeworden ist, dass der Platz dafür nicht ausreicht. Sie ist bis auf den letzten Zentimeter zugepflastert mit Ansichtskarten. Marokko und Chile und Taiwan und Norwegen und North Dakota. Irland, Ägypten, Neu Seeland, Polen, Indien, Texas, Costa Rica. Shanks wird klar, dass Ace ihn aufmerksam beobachtet – was er nicht versteht ist, warum er dabei drein sieht, als hätte ihn gerade jemand im Kaufhaus beim Stehlen ertappt. „Also“, sagte Shanks, weil ihm nichts Besseres einfällt, „Das sind ziemlich viele Karten.“ „Die...“, Ace räuspert sich, „Die sind von mir.“ Wow. Okay, das... „Alle?“ Ace nickt, aber er starrt auf den Fußboden. „Yup.“ Shanks weiß nicht, ob beeindruckt oder bestürzt sein soll. Der Junge ist definitiv in der Welt herumgekommen und dabei sieht er nicht einmal besonders viel älter aus als sein Bruder. Zwei, drei Jahre vielleicht? Shanks runzelt die Stirn. Auf keinen Fall mehr als fünf. Ace fasst sein Stirnrunzeln offensichtlich falsch auf, denn mit einem Mal ist seine Haltung erstaunlich defensiv. „Hör zu“, sagt er ärgerlich, „Du hast keine Ahnung, also halt gefälligst die Klappe. Du kennst uns nicht, klar? Ich meine, Herrgott, du bist’n verdammter Penner!“ Es gab eine Zeit, in der Shanks jetzt stocksauer gewesen wäre, um zu kaschieren, wie sehr ihn eine derartige Bemerkung treffen kann, aber es ist erstaunlich, an was sich ein Mensch gewöhnt, wenn er keine andere Wahl hat. Jetzt zuckt er nur mit den Schultern. „Tja“, sagt er, „Das kann ich nicht wirklich abstreiten.“ Ace macht eine Bewegung, als wollte er seine Hände in Hosentaschen versenken und scheitert an dem Umstand, dass er nur Shorts trägt. „Und nur damit du’s weißt“, er gestikuliert missmutig Richtung des T-Shirts, das er Shanks geliehen hat, „Das Ding steht mir dreimal besser.“ Shanks wirft einen Blick hinunter auf seine Brust. Das T-Shirt ist übergroß und verschlissen grau, und der gelbe Schriftzug -Dead Man Talking- steht aus dieser Perspektive auf dem Kopf. Er zuckt unbeeindruckt mit den Schultern. Tja. Damit wird er dann wohl leben müssen. „Hab ihm immer geschrieben“, brummt Ace, der offenbar immer noch das Gefühl hat, sich verteidigen zu müssen; weiß der Himmel, warum. „Die ganze Zeit. Aus jedem Land, in dem ich war und manchmal hatte das blöde Kaff nicht mal ’nen Briefkasten.“ Es klingt wie ein furchtbar großes Geständnis, und er erzählt es ausgerechnet einem Wildfremden, mit dem er sich halbnackt im Schlafzimmer seines kleinen Bruders vor dem wütenden Vermieter versteckt – was in Shanks die Vermutung aufkommen lässt, dass Ace in letzter Zeit nicht viele Gelegenheiten hatte, mit irgendjemandem diese Art von Gespräch zu führen. Und vermutlich hat er auch nicht viele Personen, die dafür infrage kommen. Das ist auch der einzige Grund, weshalb Shanks stumm nickt, anstatt unwillig „und was bitteschön geht mich das an?“ zu sagen. „Hätte ja angerufen“, fährt Ace fort, jetzt mehr zu sich selbst, „Aber-“ „Ich bin mir nicht sicher ob wir hier drin wirklich so viel reden sollten“, sagt Shanks, „Sind die Wände dick?“ Ace sieht einen Moment überrascht aus, dann zuckt er mit den Schultern und rutscht hinüber zur Tür. „Was-“, setzt Shanks an, und Ace presst sein linkes Ohr gegen das Holz, „Ah.“ Der Ausdruck auf Ace’ Gesicht ist hochkonzentriert. „Sh-sh-sht!“ Shanks runzelt die Stirn. „Hört man was?“, fragt er leise, obwohl er sich irgendwie dämlich dabei vorkommt, denn wie schon gesagt- wildfremder, übellauniger Typ um die zwanzig und Shanks trägt sein T-Shirt und einen Teil seiner Unterwäsche und das ist irgendwie unpassend. Aber Ace macht wieder nur „Sh!“, und Shanks drückt sein eigenes Ohr gegen die Tür, allerdings ohne sich zu bücken und deshalb ein gutes Stück weiter oben. Man hört... absolut gar nichts. Eine Sekunde später wird die Tür schwungvoll aufgerissen. Sie zucken alle beide erschrocken zurück, und Ace’ Ellenbogen stößt unangenehm hart gegen den von Shanks. „Er is’ weg“, verkündet Ruffy, der so breit grinst, als hätte man soeben den Weltfrieden vereinbart, „Weg, weg und er hat nichts bemerkt. Hat mir zwar die Hölle heiß gemacht wegen der ausständigen Miete, aber was soll’s, das kann warten. Habt ihr Hunger? Jetzt wird gefrühstückt.“ Er wartete die Antwort gar nicht erst ab und rast in die Küche. Beinahe erstaunt ertappt Shanks sich dabei, wie er amüsiert hinter ihm herlächelt; und entweder findet Ace das gut oder die Aussicht auf etwas zu Essen heitert ihn prinzipiell auf, denn er klopft Shanks einmal versöhnlich auf die Schulter und schiebt sich an ihm vorbei. % Spätestens jetzt besteht kein Zweifel mehr, dass die beiden verwandt sind, denkt Shanks, als sie um den zerkratzten Küchentisch sitzen. Ace und Ruffy schaufeln Cornflakes in sich hinein, als hätten sie seit Wochen nichts mehr zwischen die Zähne bekommen – was in Ace’ Fall zugegebenermaßen vielleicht gar nicht so weit hergeholt ist – und die Tatsache, dass sie das Zeug trocken hinunterschlingen müssen (weil nicht einmal genügend Milch für den Kaffee da war, Ace trinkt seinen schwarz), scheint sie nicht sonderlich zu stören. „Scheische“, nuschelt Ruffy mit einem raschen Seitenblick auf die Uhr, „Musch misch be’eelen!“ Er springt auf, lässt seine Schüssel unzeremoniell ins Waschbecken fallen, wo sich bereits ein paar schmutzige Tassen und ein Teller angesammelt haben und öffnet einen der Küchenschränke. Wie auf Kommando steht plötzlich die Katze im Zimmer, maunzt erfreut und schmiegt sich abwechselnd gegen Shanks’ Unterschenkel und das Tischbein. „Da“, Ruffy knallt eine Dose Katzenfutter auf die Tischplatte, „Füttert ihr sie mal? Ich muss noch ins Bad und verdammt, ich bin schon wieder spät dra-“ Er ist aus dem Zimmer gerannt, bevor er den Satz zu Ende gesprochen hat. Ace sieht Shanks über den Rand seiner Cornflakes-Schüssel an, ein Blick, der eindeutig besagt, dass er noch lange nicht fertig ist mit frühstücken, ganz im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten. Shanks grinst, verschränkt abwartend die Arme vor der Brust und Ace verdreht die Augen. „Mach schon“, sagt er, „Ich esse noch.“ Die Katze gibt ein Geräusch von sich, das zu gleichen Teilen durchdringend und Mitleid erregend ist, und starrt aus vorwurfsvollen Katzenbernsteinen zu ihnen hoch. „Schon gut“, sagt Shanks zu ihr, schiebt seinen Finger durch die Öse und öffnet die Dose. Augenblicklich verbreitet sich durchdringender Thunfischgeruch und die Katze stellt sich beinahe aufrecht auf ihre Hinterbeine. Shanks sieht sich suchend um, entdeckt die Plastikschale in der Ecke, greift sich im Vorbeigehen Ruffys gebrauchten Löffel aus dem Waschbecken und macht das schwarze Fellknäuel glücklich. „Hm“, sagt er und streicht der Katze, die jetzt begeistert schnurrt, langsam über den Rücken, „Wer bist du noch mal?“ „Pommes“, sagt Ace hinter ihm mit vollem Mund und sekundenlang denkt Shanks, dass der Kerl immer noch nicht satt ist und jetzt seine kulinarischen Gelüste verkündet, aber dann fällt der Groschen. „Hm“, sagt er, steht auf und setzt sich zurück an den Tisch, „Wie passend.“ Ace grinst ihn an. „Ist nicht allzu helle, das Vieh“, sagt er, „Für ’ne Katze, meine ich. Aber-“ In diesem Moment kommt Ruffy zurück in die Küche. Er sieht nicht viel anders aus als zuvor – Shanks vermutet, dass er sich die Zähne geputzt hat, aber seine Haare sind kein bisschen ordentlicher als vorher und die Schnürsenkel seiner Turnschuhe sind auch nicht zugebunden. „Okay“, sagt er, „Ich muss los, ins Tierheim, aber irgendjemand sollte einkaufen gehen.“ Es ist ziemlich eindeutig, dass er mit „irgendjemand“ nicht die Katze gemeint hat. Ace und Shanks sehen ihn beide verdutzt an. „Äh-“, setzt Shanks an. „Warum?“, fragt Ace, der immer noch den Löffel in der Hand hält, exakt zur gleichen Zeit. Ruffy ist damit beschäftigt, einen leuchtend roten Kapuzensweater aus dem Stapel Wäsche, der mysteriöserweise in einer Ecke der Küche liegt, hervorzuzerren und hört ihnen nicht einmal richtig zu. „Geld ist, uff-“, sagt er, „Dritte Schublade, in der Dose, auf der ‚Grüner Tee’ steht. Ist alles, was ich noch habe, also seid n’bisschen sparsam, ja?“ Er bekommt den Sweater frei und fährt triumphierend zu ihnen herum. „Katzenfutter“, sagt er und deutet mit dem Zeigefinger auf Ace, „Katzenfutter, ganz wichtig. Das ist jetzt nämlich alle, also vergesst das ja nicht.“ „Uhm“, macht Ace. „Okay...“, sagt Shanks. „Klasse“, Ruffy strahlt sie an und zieht sich den Sweater über den Kopf. Das Ding ist so rot, dass Autofahrer vermutlich rein aus Reflex bremsen werden, wenn sie ihn auf dem Gehweg sehen. „Dann bis heute Abend. Tschüss, Pommes!“ Weg ist er. „Okay“, wiederholt Shanks, etwas gedehnter diesmal, „Das war...“ „Er ist immer so“, sagt Ace unbekümmert, „Gewöhn dich lieber dran-“ Er bricht ab, als ihm klar wird, was er da gerade gesagt. Shanks kann es ihm nicht verübeln. Er hat selber keine Ahnung, wie... dauerhaft sein Aufenthalt hier sein wird. Nach allem, was er weiß, könnte er heute Abend schon wieder auf der Straße stehen. Ein paar Sekunden lang herrscht unangenehmes Schweigen. Ace sieht unschlüssig drein. „Na ja“, sagt er zögernd, „Ich schätze, dann gehen wir mal einkaufen, oder?“ Shanks fragt sich, ob er es beunruhigend finden soll, dass er weiß, wie Ace reagieren wird, noch bevor er den Satz überhaupt laut ausgesprochen hat. „Da gibt es nur ein Problem“, er deutet nach unten auf seine Beine, „Meine Klamotten liegen im Müll und ich kann schlecht, so ganz ohne...“ „Ohh Mann“, stöhnt Ace genervt, „Darf ja wohl nicht wahr sein!“ % Der Supermarkt ist voll von Frauen, die um diese Uhrzeit für gewöhnlich ihre Besorgungen erledigen. Die meisten von ihnen sehen aus wie Mütter, zwei oder drei von ihnen könnten auch als persönliche Assistentin irgendeines erfolgreichen Managers durchgehen. Ace schiebt den Einkaufswagen und Shanks kramt die Liste hervor, die sie geschrieben haben, nachdem sie noch im Flur feststellen mussten, dass sie beide aus dem Stand heraus wenig bis gar keine Ahnung hatten, was sie denn eigentlich kaufen sollten. Eine kurze Bestandsaufnahme hatte gezeigt, dass neben den Basisnahrungsmitteln auch Zahnpasta benötigt wurde. Jetzt schlurfen sie durch die Gänge und streiten sich darüber, welches Toastbrot billiger ist und ob sie überhaupt Gemüse kaufen sollten. Ace will keine Karotten haben, weil er die, wie er sagt, auf den Tod nicht ausstehen kann und Shanks weigert sich, die angebotenen Tomaten zu kaufen, weil sie aus den Glashäusern in Spanien kommen. Über die Milchauswahl diskutieren sie geschlagene zehn Minuten lang. Zwischendurch vergleichen sie Preise und runden auf und überschlagen, wie viel ihre bisherige Beute insgesamt kosten wird. Ace kann sich den Betrag, den sie zur Verfügung haben, einfach nicht merken und fragt alle zwei Minuten erneut nach, was Shanks nach langsam aber sicher an den Rand des Wahnsinns treibt. „Herrgott noch mal“, faucht er aufgebracht, als sie gerade vor der Vitrine mit gefrorenen Erbsen stehen, „Hast du dein Hirn in Sri Lanka vergessen?!“ „Ich war nie in Sri Lanka“, gibt Ace würdevoll zurück. Eine Frau mit Kleinkind wirft ihnen einen langen Blick zu. Shanks grinst entschuldigend, weil er weiß, was für ein Bild sie abgeben müssen. Er trägt immer noch das graue T-Shirt, in dem er geschlafen hat und außerdem ein Paar Flip-Flops (weil sich in Ruffys Schrank nichts anderes finden ließ) und Ace, der schließlich noch kein einziges Mal duschen war, seit er angekommen ist, sieht im direkten Vergleich sogar noch abgerissener aus als er. Und es ist wirklich verdammt lange her, denkt Shanks, seit das der Fall war. Als sie sich bei der Kasse anstellen wollen, wird ihnen klar, dass sie das Katzenfutter vergessen haben, also drehen sie noch einmal um und als sie wieder zurückkommen, ist die Schlange plötzlich gut zehn Meter lang – Warten ist angesagt. Shanks betrachtet die verschiedenen Kaugummisorten, Ace bewegt lautlos die Lippen zu irgendeinem Lied, das aus den Lautsprechern plärrt und alles in allem ist die Stimmung ziemlich friedlich. Zumindest so lange, bis ihr Einkaufswagen an der Reihe ist und Ace einen Moment lang nicht weiß, in welche Hosentasche er das Geld gesteckt hat. % „Fünf Stockwerke“, sagt Ace fast schon ehrfürchtig, als sie gerade mal im zweiten sind, „Welcher Scheiß-Architekt hat diese Gebäude entworfen? Wo ist der Lift?“ Shanks zuckt mit den Schultern und betrachtet im Vorbeigehen einen tiefen Riss im Verputz. „Ich schätze, den hatten sie zu der Zeit noch nicht erfunden.“ Ace wechselt die Plastiktüte mit ihren Einkäufen in seine andere Hand. „Ich brauch ’ne Kippe.“ „Wie viele hast du noch?“, hakt Shanks nach, betont gleichgültig, weil Fragen alleine ja schließlich nichts kostet – auch wenn er sich nicht vorstellen kann, dass Ace noch einmal teilen wird. „Keine Ahnung. Würde mir ja ’ne neue Packung kaufen, aber erstens hab ich keine Ahnung, wo hier die Automaten sind und zweitens...“ Ace reibt seinen Daumen gegen Mittel- und Zeigefinger. Shanks grinst. „Geld regiert die Welt.“ „Und ich bin total abgebrannt.“ „Großer Gott“, schallt da eine laute Stimme aus dem Stockwerk über ihnen – das vierte, wenn Shanks sich nicht verzählt hat, „Was für Jammerlappen sind denn da über uns eingezogen?“ Sie sehen beide wie auf Kommando auf. Eine junge Frau kommt die Treppe hinunter, mit lavendelfarbenen Haaren, selbstbewusstem Gang und amüsiert blitzenden Augen. Ihre Hand hält ein kleiner Junge, der nicht älter als vier sein kann. Vielleicht auch noch jünger, weil er vergnügt mit geschlossenen Beinen auf jede einzelne der letzten paar Stufen springt und ganz knapp vor Shanks Füßen landet. „Roger!“, ermahnt ihn die Frau grinsend und ihr Tonfall lässt keinen Zweifel daran, dass sie ihr vorhergehendes Gespräch mit angehört hat, „Lass das. Die Herrschaften müssen fünf ganze Stockwerke hinaufsteigen, das ist wahnsinnig anstrengend.“ „Allerdings“, gibt Ace todernst zurück, „Hi. Ich bin Ace, das ist Shanks. Wie geht’s?“ „Hat euch der Alte gesehen?“, fragt sie anstelle einer Antwort, „Wenn ja, dann gibt das nämlich hundertprozentig Ärger.“ Shanks, der dem Kleinen gerade mit schiefgelegtem Kopf eine Grimasse geschnitten hat, sieht verdutzt auf. „Der Alte?“ Roger lacht glucksend und kräht begeistert „Boston!“ durchs Stiegenhaus. „Mister Boston“, korrigiert seine Mutter vergnügt, bevor sie sich wieder an Shanks wendet, „Also, hat er?“ „Öh“, macht Shanks, „Keine Ahnung. Hoffentlich nicht?“ „Hoffentlich, hoffentlich nicht“, fügt Ace hinzu und seine leicht entsetzte Miene macht klar, dass er selber auch keinen Gedanken an den Vermieter verschwendet hat. „Tja“, sagt die Frau mit verschmitztem Grinsen, „Dann wollen wir mal das Beste hoffen, was? Wir müssen weiter, schön euch getroffen zu haben. Grüßt Ruffy von mir, ja?“ „Moment, Moment“, sagt Ace hastig und Shanks muss sich ein Grinsen verbeißen, denn wenn der Junge jetzt erst auf den Gedanken kommt, mit ihr zu flirten, dann ist er wirklich hoffnungslos, „Wie heißen Sie?“ Es klingt etwas plump, vor allem nachdem die Frau sie so ohne weiteres geduzt hat. „Mama“, antwortet Roger an ihrer Stelle, so als wäre das das Natürlichste der Welt und Ace ein Idiot, weil er überhaupt nachfragen muss, „Maaama.“ „Schon klar, Kumpel“, sagt Shanks, „Aber wir brauchen den unwichtigen Namen für die großen Leute.“ Das scheint Roger einzuleuchten. Seine Mutter zwinkert verschmitzt und zieht den Kleinen sanft mit sich fort. „Komm, mein Schatz.“ Zu ihnen gewandt sagt sie, „Nojiko ist der werte, unwichtige Name. Wie gesagt, lasst Ruffy von mir grüßen. Und richtet ihm bitte aus, dass er aufpassen soll. Wäre jammerschade, wenn der Alte ihn rauswirft. Oder euch beide, wenn wir schon mal dabei sind.“ „Was...“, sagt Ace nach einer Weile verdattertem Schweigen, als weit unter ihnen die Zugangstür zum Gebäude ins Schloss gefallen ist, „Woher weiß sie, dass wir bei Ruffy wohnen?“ „Weil du ihm dermaßen ähnlich siehst“, sagt Shanks trocken. „Was, echt?“ Shanks schüttelt grinsend den Kopf. „Sie hat gehört, dass wir rauf in den fünften Stock wollten. Da oben gibt’s nur eine Wohnung.“ Ace sieht einen Augenblick lang beinahe enttäuscht aus, dann verzieht er unwillig das Gesicht. „Ja, ja, wie auch immer.“ Und dann schleppen sie ihre spärlichen Einkäufe das verbleibende Stockwerk hinauf, und Ace wirkt zutiefst befriedigt, als Shanks ganze drei Anläufe braucht, bis er endlich den Schlüssel zur Wohnungstür in seiner rechten, hinteren (und warum zum Teufel hat er ihn ausgerechnet dorthin gesteckt?) Hosentasche findet. % Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)