Transformers von BluejayPrime ================================================================================ Kapitel 9: Neun --------------- 3. Juli Es war noch früh am Morgen, als Lena sich zum Hangar der Autobots schlich. Ironhide erwartete sie bereits, und obwohl Lena sich noch immer schwer damit tat, nicht zusammenzuzucken, wenn sie ihn in seiner Autobotgestalt sah, lächelte sie, als sie ihn sah. Ihr Blick wanderte zu dem blauroten Truck hinüber, der ohne ein Lebenszeichen in einer Ecke stand. „Wie geht es ihm?“, fragte sie leise. „Besser.“, antwortete Ironhide, und soweit Lena das erkennen konnte, zeigte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht, „Mach dir keine Sorgen, er ruht sich nur aus. Ratchet hat ihn ganz gut wieder hingekriegt, aber es dauert noch ein bisschen, bis er wieder auf dem Damm ist.“ Lena nickte leicht, doch dann wurde ihr Gesicht rasch ernst. „Ich hab‘ mit Lennox gesprochen.“, sagte sie rasch, „Niemand weiß, wo Bee steckt, und von Henderson hat man seit gestern auch nichts mehr gehört, er soll nur ziemlich überstürzt abgereist sein.“ „Na herrlich.“ Ironhide warf den restlichen Autobots einen Blick zu. „Wir müssen sie finden, und zwar auf der Stelle.“ „Und wie wollt ihr das anstellen?“ Fragend sah Lena zu ihm auf. „Hat Sektor 7 irgendeine Zentrale oder sowas, wo man sie versteckt halten kann… oder ist Henderson am Ende ein Decepticon?“ „Keine Ahnung, aber ich schätze, das Pentagon weiß es…“, murmelte Ironhide. „Dumm nur, dass der Präsident uns wohl kaum einfach so sagen wird, wo sich Sektor 7 einquartiert hat, oder?“, warf Ratchet ein, der sich zu ihnen gesellte, „Kannst du mit Computern umgehen, Kleine? Vielleicht kommst du ja mit unserer Hilfe in den Zentralrechner…“ „Nicht besonders.“, antwortete Lena verlegen, „Computer sind ehrlich gesagt nicht so mein Ding… ich bin mehr der Mechaniker…“ Dann jedoch hellte ihr Blick sich auf. „Aber ich kenn‘ jemanden, der das kann.“ „Herrliche Wohngegend.“, bemerkte Ironhide, der nun wieder als Ian Hyde auftrat, mit einem Blick auf seine Umgebung. Sie standen in einer schmalen Gasse zwischen zwei Hochhäusern; links türmte sich der Abfall, der aus einer Metalltonne und zwei Pappkartons quoll, und die Backsteinmauer zu ihrer Rechten war von oben bis unten mit Graffiti beschmiert. Derselbe Sprayer hatte sich augenscheinlich auch an der Haustür vergriffen, die derartig morsch war, dass Lena befürchtete, dass sie auseinanderfiel, sobald Lena sie berührte. Lena grinste verlegen. „Nicht gerade das Taj Mahal, ich weiß, aber immerhin bin ich nicht in einer Pflegefamilie aufgewachsen, oder?“ Ironhide verzog das Gesicht. „Ich glaube, du kannst trotzdem froh sein, dass du ‘ne eigene Wohnung hast, seit du auf dem College bist… oder warst…“ Lena hob die Schultern, drückte jedoch den Klingelknopf. Nichts geschah. Ironhide hob die Augenbrauen. „Keiner zuhause?“ „Ach, Unsinn.“ Erneut drückte sie auf den Klingelknopf, diesmal bedeutend länger, doch es geschah noch immer nichts. Ironhide schob sich an ihr vorbei. „Lass mich mal, ja?“ Er zog die Pistole unter seiner Jacke hervor und schraubte einen Schalldämpfer darauf, bevor er die Tür kurzerhand auf recht rabiate Weise öffnete. „Das wär‘ auch sanfter gegangen.“, murmelte Lena, doch sie betrat zusammen mit ihm den stickigen, halb dunklen Hausflur. „Wievielter Stock?“ „Vierter.“, antwortete Lena und ging voraus. „Und natürlich kein Aufzug…“, knurrte Ironhide und folgte ihr. Oben angekommen, klopfte Lena energisch gegen die Wohnungstür. „Reiß nicht das Haus ein, Kleine.“, warf Ironhide mit einem Grinsen ein, doch im selben Augenblick wurde die Tür schon geöffnet. Der Mann, der vor ihnen stand, war ungefähr Mitte Vierzig. Krauses, dunkles Haar stand ihm in alle Richtungen vom Kopf ab, unter seinen Augen waren die tiefen Schatten durchwachter Nächte zu erkennen, und abgesehen von Boxershorts und einem nicht mehr ganz weißen Unterhemd war er unbekleidet. Langsam und aus halb geöffneten Augen wanderte sein Blick erst an Lena und dann an Ironhide empor, über dessen schwere Militärstiefel, das khakifarbene Hemd, und blieb für Sekunden an der silbernen Miniatur des Autobot-Symbols hängen, das an einer Kette um dessen Hals baumelte, bevor er ruckartig die Tür wieder zuschlug. „Scheint so, als hätte er sich erinnert.“, bemerkte Ironhide. Seine rechte Hand wanderte bereits wieder unter seine Jacke, doch Lena winkte hastig ab. Sie klopfte erneut gegen die Tür. „Onkel Leo! Mach auf, ich bin’s, Lena!“ Eine Weile herrschte Stille, dann wurde die Tür langsam und vorsichtig einen Spalt breit geöffnet. „Was du nicht sagst.“, knurrte es von drinnen, „Am besten, du verschwindest schleunigst wieder in deine Collegewohnung und hältst mir diesen Burschen in deiner Begleitung vom Leib, klar?“ Erneut versuchte er, die Tür zu schließen, doch Ironhide hatte bereits seinen Stiefel dazwischen geschoben. „Sie erlauben, ja?“ Mit diesen Worten stieß er die Tür vollständig auf und betrat die Wohnung ohne weiteres; Lena folgte ihm rasch. Drinnen herrschte heilloses Chaos. CDs, Zeitschriften und Kalender aus den verschiedensten Jahrgängen lagen überall verteilt; Lena musste genau schauen, wo sie hintrat, damit ihren Schritten nicht noch zusätzlich etwas von dem Elektroschrott zum Opfer fiel, der sich zwischen den anderen Dingen stapelte. Ironhide machte das wesentlich weniger aus – während er durch den Unrat zu einem nur halb vollgestellten Sofa hinüber stapfte, das offenbar zwischenzeitlich als Schlafstätte genutzt wurde, fielen ihm eine Festplatte und mindestens drei CDs zum Opfer. Leo beobachtete das Ganze aus trüben Augen heraus und ließ die Tür hinter ihnen zufallen. „Also“, murmelte er, nachdem er in einem Sessel Platz genommen hatte, den er vorher ebenfalls von einigem Unrat hatte befreien müssen, „was treibt dich hierher an diesem herrlichen Morgen?“ „Wir brauchen Ihre Hilfe, Mr Spitz.“, begann Ironhide, noch bevor Lena etwas sagen konnte, „Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass wir vor einigen Jahren bereits mit Ihnen zusammengearbeitet haben…“ „Jaah…“ Leo legte den Kopf leicht schief. „Is‘ ziemlich ruhig um euch geworden danach, wenn ich mich nicht irre…“ Lena ließ unter hochgezogenen Augenbrauen den Blick durch die Wohnung schweifen. Zwar war sie gut ein Jahr lang nicht mehr hier gewesen – sie war so schnell wie möglich ausgezogen, sobald sie alt genug gewesen war – doch an dem Zustand der Wohnung hatte sich, soweit sie sich erinnerte, nicht viel geändert. Vielleicht war alles noch ein bisschen unordentlicher und noch um einiges schmuddeliger geworden, seit sie das letzte Mal hier gewesen war. Zwischen drei Bildschirmen, die nebeneinander auf einem Tisch standen, der sich unter der Last bereits bog, lag ein Mann in Leos Alter vornübergekippt mit dem Gesicht auf einer Tastatur und schnarchte selig vor sich hin. Lena identifizierte ihn mit einiger Mühe als Fassbinder, einen von Leos ehemaligen Collegefreunden, die gelegentlich vorbeischauten und dann schon einmal für eine Nacht blieben… oder für eine Woche… oder für einen Monat… Seufzend schüttelte sie den Kopf und wandte sich wieder Leo zu. „Onkel Leo, wir brauchen jemanden, der sich in den Zentralrechner des Pentagons einhacken kann.“, unterbrach sie Ironhide, der gerade eben mit einem Vortrag über die Unternehmungen der Autobots in den letzten Jahren begonnen hatte, „Wir befürchten, dass Sektor 7 sich Bee unter den Nagel gerissen hat…“ „Bee…“ Gedankenverloren kratzte Leo sich den Arm. „Bee, Bee, Bee… die kleine Bee, mit der du dich immer so gut verstanden hast? Die Kleine mit den blonden Haaren, die zu dieser überaus entzückenden jungen Dame herangewachsen ist…“ „Sie ist ein Autobot.“, antwortete Lena mit ungewollter Schärfe in der Stimme. Herrgott, kann der Mann sich nicht konzentrieren? Leos Kopf schoss hoch. „Ein Autobot?“ „Bumblebee.“, erklärte Lena, und auf Leos verständnislosen Blick hin fügte sie leicht enerviert hinzu: „Dads Wagen, um Himmels Willen!“ „Ah!“ Endlich schien so etwas wie Erkenntnis auf Leos Gesicht aufzublitzen, doch es schlug gleich wieder in Verwirrung um. „Sams Wagen… aber der… also, er ist eine Sie, ja…?“ „So sieht’s aus.“ Ironhide presste die Lippen zusammen; nervös tippte er mit den Fingerspitzen auf der Armlehne des Sofas herum. „Und der neue Chef von Sektor 7 ist kein Freund von uns.“ „Schade. Simmons konnte euch gut leiden. Armer Simmons.“, fügte Leo traurig hinzu. Einen Augenblick lang schien er wieder in irgendeine Form düsterer Melancholie versunken, bevor er aufsah. „Und was wollt ihr vom Pentagon?“ Aus dem Augenwinkel konnte Lena erkennen, wie Ironhide betont langsam ausatmete, die Augen schloss und offenbar bis zwanzig zählte. „Das Pentagon muss doch wissen, von wo aus Sektor 7 operiert.“, sagte sie und bemühte sich um einen langsamen, freundlichen Tonfall, in dem man für gewöhnlich mit Geisteskranken sprach, „Also, Onkel Leo, brauchen wir deine Hilfe, um an deren Datenbank zu kommen, damit wir herausfinden können, von wo aus Sektor 7 operiert…“ „Es dauert Jahre, wenn man in deren Datenbank rein will.“ Noch immer schien Leo in Gedanken versunken, doch wenigstens schien er etwas mehr bei der Sache. „Und das Pentagon weiß nichts von Sektor 7, Simmons hat immer gesagt, nur der Präsident wusste überhaupt irgendwas… da müsstet ihr schon den fragen…“ Lena und Ironhide tauschten einen Blick. „Wir können aber schlecht ins Weiße Haus spazieren.“, antwortete Lena. „Wir könnten.“, knurrte Ironhide, „Würde vielleicht schneller gehen als das hier.“ „Ihr braucht nicht ins Weiße Haus.“ Langsam aber sicher schien das Leben in Leo zurückzukehren. „Ich kann euch helfen… Simmons hat mir genug erzählt, schätze ich… kam ab und zu hier vorbei, besonders in den letzten Monaten, bevor er…“ Er schniefte hörbar, erhob sich jedoch. „Schon gut, schon gut… wartet hier, ich zieh‘ mir was an…“ Wenig später stieg Lena neben Leo und Ironhide aus ihrem Sportwagen – der sich ihr als Sideswipe vorgestellt hatte – und beobachtete, wie Leo gedankenverloren am Kragen eines Hemdes herumfingerte, das er offensichtlich schon sehr lange nicht mehr getragen hatte. Es hatte einige Mühe gebraucht, ihn davon zu überzeugen, sie nach Diego Garcia zu begleiten, doch Ironhide wollte verhindern, dass sie Sektor 7 einen Grund lieferten, die Autobots auf der Stelle aus dem Land und vermutlich auch vom Planeten zu weisen, und Lena hatte ebenfalls das Gefühl, dass es sich nicht gerade förderlich auswirken würde, wenn sie in einer Kurzschlussaktion das Hauptquartier von Sektor 7 stürmten und alles in Schutt und Asche legten, nur um eines – höchstwahrscheinlich begründeten – Verdachts willen. „Wir müssen mit Optimus sprechen.“, wiegelte sie Wheelie rasch ab, der auf sie zugerast kam, „Weck ihn auf, ja? Es ist wichtig.“ Enttäuscht sah Wheelie sie an, machte jedoch kehrt und raste zurück in den Hangar. Lena folgte ihm rasch mit Ironhide und Leo im Schlepptau. „Wie geht es Optimus?“, fragte sie, kaum dass sie angekommen war und Ratchet vor sich sah, „Besser? Wir müssen dringend mit ihm sprechen…“ „Er lebt.“, lautete Ratchets kurz angebundene Antwort, „Aber es geht ihm nicht besonders, also untersteh dich, ihn zu irgendetwas zu überreden…“ „Mach dir um mich keine Sorgen.“ Beim Klang von Optimus‘ Stimme zuckte Lena zusammen, doch sie rang sich ein Lächeln ab, als der rotblaue Autobot auf sie zukam. Ein wenig beruhigt stellte sie fest, dass es Ratchet offenbar – soweit sie es überblicken konnte – tatsächlich gelungen war, Optimus wieder einigermaßen gesund zu machen. „Wir haben die Vermutung, dass Agent Henderson von Sektor 7 etwas mit Bumblebees Verschwinden zu tun haben könnte.“, übernahm Ironhide das Gespräch, bevor Lena etwas sagen konnte, „Lenas Pflegevater hat sich bereit erklärt, uns zum Sitz von Sektor 7 zu führen, da er einigen Kontakt zu einem ihrer früheren Mitarbeiter hatte…“ „Leo Spitz.“ Optimus grüßte ihn mit einem leichten Nicken. „Das freut mich… ein Freund von Sam, nicht wahr? Wir haben bereits zusammengearbeitet.“ Leo murmelte etwas leises, unverständliches, nickte jedoch. „Wir brauchen deine Erlaubnis, um uns dorthin aufzumachen.“, sagte Ironhide. Er hatte sich transformiert, sodass er seinem Anführer in die Augen sehen konnte. „Es besteht die vage Möglichkeit, dass Sektor 7 nichts damit zu tun hat, und dann liefern wir ihnen vermutlich einen Grund, das Misstrauen des Präsidenten gegen uns weiter zu verstärken.“ „Ich weiß.“ Optimus warf Ironhide einen Blick zu. „Ich bin mir aber sicher, dass wir uns in diesem Fall erklären könnten.“ Er fixierte Leo, der sich sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte. „Wohin müssen wir?“ „Mit deiner Erlaubnis, aber du bist nicht in der Verfassung, von diesem Stützpunkt zu verschwinden.“, warf Ratchet ein, „Deine Verletzungen…“ Optimus‘ Blick flackerte zu ihm hinüber. „Erwartest du, dass ich jemanden an meiner Stelle in eine potentielle Gefahr schicke?“ Lena war sich sicher, dass Ratchet die Augen verdreht hätte, wenn er dazu fähig gewesen wäre. „Nein, aber…“ „Dann lass es.“ Mit diesen Worten wandte Optimus sich wieder Leo zu. „Wohin müssen wir?“ Leo kratzte sich am Kopf. „Simmons meinte, Sektor 7 hätte sich am Hoover-Staudamm niedergelassen, weil sie da früher Megatron aufbewahrt haben, und sie die alten Anlagen wieder in Betrieb nehmen wollten… oder sowas in der Art…“ Optimus und Ironhide tauschten einen Blick. „Wenn dieses Arschloch Bee da irgendwo eingefroren rumstehen hat-“, setzte Ironhide an, doch Optimus unterbrach ihn rasch. „Ich bin mir sicher, es wird nicht nötig sein, dabei einen Menschen zu Schaden kommen zu lassen.“, sagte er leise. Schließlich sah er wieder zu Lena. „Du begleitest uns…?“ Lena presste die Lippen zusammen. War das gerade sowas wie ein Aufnahmeangebot in diese Einheit von Freaks? „Ich will Bee helfen.“, sagte sie schließlich, „Sie ist meine beste Freundin, und wenn sie in Gefahr ist, dann will ich ihr helfen. Aber das macht mich nicht zu einem Mitglied dieser NEST-Einheit, oder wie sie auch heißt, klar? Ich will damit nichts zu tun haben, ich will eigentlich nur mein Leben weiterleben…“ „Natürlich.“ Auf Optimus‘ Gesicht schien ein Lächeln zu liegen. „Das ist dein gutes Recht, und ich verspreche dir, dass wir alles dafür nötige unternehmen werden.“ Es dauerte nicht lange, bis er sich transformiert hatte, und einladend die Tür auf der Fahrerseite öffnete. Lena warf Ironhide einen fast ängstlichen Blick zu. „Ich weiß nicht, wie man einen Truck fährt…“ Ironhide grinste, sofern Lena das beurteilen konnte. „Keine Sorge, er ist ’n ziemlich guter Fahrer.“, antwortete er, „Aber vergiss Leo nicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)