Transformers von BluejayPrime ================================================================================ Kapitel 34: Vierunddreißig -------------------------- Mit vor der Brust verschränkten Armen stand Thunderblast dort, nur in einem T-Shirt und Slip – ihre restlichen Sachen hingen bereits zum Trocknen draußen unter einem Moskitonetz – und starrte die Badezimmertür an. Barricade war als erstes unter die Dusche verschwunden, kaum, dass sie wieder zurück zum Haus gefunden hatten, und hatte ihr auch nicht erlaubt, nach seiner Hand zu sehen; sie würde ihn später davon überzeugen müssen. Im Augenblick allerdings wollte sie eine Dusche, und das dringend; sie konnte gewissermaßen spüren, wie viel Sand und Schmutzwasser sich noch in ihren Haaren befand. Sie verschränkte die Arme noch ein wenig fester. Barricade hatte offensichtlich beschlossen, die Dusche für längere Zeit zu blockieren. Thunderblast presste die Lippen zusammen. Schließlich öffnete sie die Badezimmertür, legte T-Shirt und Slip ab, und trat zur Dusche hinüber. Barricade musste zweifellos gespürt haben, dass sie da war, doch er stand nach wie vor reglos unter dem warmen Wasserstrahl (immerhin hatten sie fließendes Wasser; sie hatte für einen Augenblick daran gezweifelt), ohne ihr das Gesicht zuzuwenden. Seine verletzte Hand hatte beängstigende Farbtöne angenommen; für Sekundenbruchteile zog sie mitleidig die Unterlippe zwischen die Zähne. Schön, sie hatte ihm zwar eine Abreibung verpassen wollen – sie würde keinem verdammten Kerl gestatten, sie ins Gesicht zu schlagen, heilige Scheiße! – , aber er war ihr auf seltsame Art sympathisch, und sie hatte nicht gewollt, dass er sich derartig verletzte. Üblicherweise machte sie sich nicht allzu viele Gedanken darüber, ob ein Kerl sie mochte, und sie hatte in ihrem Leben schon eine Menge Kerle getroffen. Die meisten waren nicht besonders nett zu ihr gewesen, sondern lediglich ziemlich scharf auf sie, und dafür hatte sie einen gewissen Machtstatus bekommen, manchmal auch einfach Geld, und schlimmstenfalls eben ein Dach über dem Kopf oder eine warme Mahlzeit. Es hatte Augenblicke in ihrem Leben gegeben, da hatte sie alles getan für eine tägliche Portion Energon und die Gewissheit, nicht einsam zu sein, zumindest körperlich. Barricade hatte bisher keinerlei Interesse an ihr gezeigt, obwohl sie sich zugegebenermaßen von ihm angezogen fühlte. Erstens sah er gar nicht so schlecht aus – in keiner Gestalt, die sie von ihm kannte – , und zweitens war er, seit Starscream sich aus irgendeinem Grund davongemacht hatte, der Vize der Decepticons. Wenn sie ihm gab, was er wollte – was er leider im Augenblick noch nicht von ihr wollte – , dann konnte sie vielleicht einen gewissen Einfluss ausüben. Andererseits... er benahm sich wie ein Sparkling, zumindest gelegentlich. Die Sache mit den Smarties vorhin war beinahe eine Art freundschaftliches Herumgeplänkel gewesen, das war etwas neues, das sie definitiv noch nicht kannte. Das war interessant. Barricade zeigte immer noch keine Regung; vielleicht hatte er sie tatsächlich nicht bemerkt, aber sie zweifelte daran. Er war ein erfahrener Soldat – sie konnte die Narben unzähliger Schlachten auf seinem Körper erkennen – und ganz sicher war er es auch gewohnt, belauert zu werden. Vielleicht hatte er nicht allzu viel gegen ihre Gesellschaft. Einem Impuls folgend trat sie zu ihm unter das warme Wasser. Unwillkürlich bekam sie eine Gänsehaut, hätte allerdings nicht sofort sagen können, ob das von der Wärme kam oder seiner plötzlichen Nähe. Er war ganz und gar nicht unansehnlich... Spätestens jetzt hatte er sie definitiv bemerkt; er zog die Augenbrauen zusammen und fixierte sie ganz und gar nicht erfreut. „Verschwinde.“, grollte er. Sie schmunzelte. „Wir haben nur eine Dusche, Soldat, und es gibt nichts widerlicheres als kalten Schlamm.“, antwortete sie und griff nach der Seife, „Also stell dich nicht so an, ich werd‘ dich schon nicht beißen.“ Sein Blick sagte eindeutig, dass er da bei ihr wohl weitaus weniger Skrupel gehabt hätte. „Von Privatsphäre hältst du nicht allzu viel, oder?“, zischte er, „Hast du deine Ausbildung mit Vögeln zugebracht?“ Schlagartig fühlte sich das Wasser wesentlich kälter an. „Ja.“, antwortete sie kühl und machte sich daran, sich zu waschen. Er schnaubte. „Hau ab!“ Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, schnappte sich kurzerhand die Seife und verschwand außerhalb der Duschkabine zum Waschbecken, um sich dort die Haare zu waschen. Barricade verdrehte die Augen, sagte jedoch nichts. Im Zimmer war es dunkel, und das war auch gut so, denn im Dunkeln würde ihn niemand sehen können. Zumindest keine aufdringlichen Fleischlinge; mit deren Sehkraft war es nicht allzu weit her. Abgesehen davon mochte er es, wenn es dunkel war, und still. Die schönsten Momente seines Lebens verband er mit Dunkelheit und viel Stille, und noch viel mehr Kälte. Eigentlich musste er dem Jungen beinahe dankbar sein. Metall und Plastik gruben sich in seine Handinnenfläche; die Spitze des Dartpfeils hatte sich zwischen seinen Fingern bereits völlig verbogen. Jemand klopfte zaghaft an die Tür seines Zimmers. Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und zischte ein halblautes ‚Herein!‘. Es war Scorponok, die den Raum betrat, den Kopf unterwürfig zwischen die Schultern gezogen. „Entschuldigt die Störung, Sir.“, sagte sie leise. Offensichtlich fehlte nicht viel, und sie wäre vor ihm auf die Knie gefallen. Natürlich wäre sie das. Jeder andere, der da draußen in dem Zimmer herumlungerte, in dem es viel zu hell war und viel zu laut, wäre es vermutlich auch. Es widerte ihn an, diese demonstrativ zur Schau gestellte Unterwürfigkeit, als befürchteten sie, dass er sie alle mit einem Blick umbrachte, wenn er ihnen nur einen Grund lieferte. Er brauchte keinen Grund dazu. Sie alle widerten ihn an, und am meisten das kriecherische Wesen, das gerade den Raum betreten hatte, und sich offensichtlich alle Mühe gab, Starscream in Sachen Unterwürfigkeit zu übertreffen. Er antwortete nicht auf ihren zaghaften Entschuldigungsversuch. Sie hatte die Tür einen Spalt weit offen gelassen, um sich im Dunkeln zurecht zu finden. Das Licht schmerzte in seinen empfindlichen Optics, die eigentlich gar nicht mehr an Tageslicht gewöhnt waren. Er hatte eine Menge Zeit in Kellern und dunklen Räumen verbracht, um ein bisschen von der Ruhe wiederzufinden, die er dort gehabt hatte, in der Dunkelheit und Stille des Meeresgrundes. „Sir.“, setzte Scorponok zögerlich an, „Nicht, dass Ihr mich missversteht, Sir, aber wir fragen uns, wie lange wir hier bleiben sollen. Und w-was wir wegen des Mädchens unternehmen. Die Autobots haben-“ „Halt’s Maul!“ Wutentbrannt schleuderte er den Dartpfeil nach ihr, traf jedoch nicht; sie zuckte dennoch zusammen. „V-Verzeihung, Sir.“, hauchte sie. Offensichtlich befürchtete sie, dass er auf den Gedanken kam, sie zu schlagen. Die Versuchung war groß, und die Versuchung war noch größer, ihren hübschen Kopf so lange gegen die Wand zu schmettern, bis ihr Schädel die Konsistenz eines faulen Apfels erreicht hatte. Leider brauchte er sie vermutlich noch. Sie hatten wenig genug Leute auf diesem Planeten, und waren auf jeden einzelnen angewiesen. Erst vor wenigen Tagen hatten sie Ravage verloren... Soundwave schien mit dem Verlust seines Bruders recht gut über die Runden zu kommen, so weit er das bisher mitbekommen hatte, und er bestand darauf, dass jeder ihm täglich artig seinen Bericht ablieferte. Soundwave hatte keinen allzu deprimierten Eindruck gemacht, offensichtlich kam er gut zurecht. „Sir.“, sagte Scorponok vorsichtig und deutlich leiser. „Was?“, zischte er. „Ich... habe eine Möglichkeit gefunden... u-unseren Nachschub zu sichern. Unseren... Nachschub an Truppen, Sir.“ Megatron verengte die Augen noch ein wenig schmaler. „Was soll das heißen?“ „Die Menschen, Sir.“, fuhr Scorponok fast atemlos fort, „Ich meine, die Fleischlinge. Sie reproduzieren sich... auf gewisse Art und Weise. Im Augenblick... besitzen wir menschliche Gestalt, also... nun, Ravage und ich haben... nur ein Experiment, Sir, aber es funktioniert. Offensichtlich.“ Besser, sie versorgte ihn da nicht mit Details; er wollte es auch gar nicht so genau wissen. Er war sich durchaus im Klaren darüber, wie Fleischlinge sich fortpflanzten, aber es war ihm genau genommen egal. Nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Das ist gut.“, sagte er langsam. Zugegeben, er hatte sie wohl unterschätzt. Sie hatte ohne seine Erlaubnis gehandelt, aber er hatte es ihr auch nicht verboten. Manche von ihnen hatten gelegentlich Kontakt zu weiblichen Fleischlingen gehabt – Barricade ziemlich oft – , Scalpel und Shockwave würden vermutlich die nötigen Experimente veranlassen können, die ihnen verrieten, ob sie dazu weibliche Fleischlinge nutzen konnten. Obwohl ihm der Gedanke ganz und gar nicht behagte, sich mit ihnen zu mischen. Er würde ein paar weitere weibliche Decepticons hierher beordern müssen. Auf diese Art und Weise war schließlich auch früher schon für Nachschub gesorgt worden; nicht alle Decepticons waren ehemalige Autobots, und schon im Krieg waren viele als Decepticons geboren worden. In diesem Fall waren es eben keine Sparklinge – die zu ernähren war ohnehin verflucht schwierig; nach allem, was er wusste, hatten die Menschen es einfacher – , sondern anfangs Fleischlinge, die... hoffentlich in der Lage sein würden, sich zu transformieren. Dieses erste Resultat, von dem Scorponok gesprochen hatte, würde der Prototyp sein, und wenn es funktionierte, nun... das war doch eine akzeptable Alternative. „Danke, Sir.“ Scorponok lächelte scheu; er bedeutete ihr mit einer knappen Handbewegung, zu verschwinden. Er musste nachdenken, und das ging am besten, wenn er seine Ruhe hatte. Glücklicherweise hatten sie eine Erste-Hilfe-Ausrüstung hier, und Thunderblast hatte das Coolpack bereits bei ihrer Ankunft in den Kühlschrank gesteckt. Das hellblaue Plastikkissen in den Händen, kehrte sie zu Barricade zurück, der sich auf seine Liege zurück verzogen hatte, dort auf dem Rücken unter seinem Moskitonetz lag und die Decke anstarrte. „Gib mir deine Hand.“, sagte sie ruhig. Schlagartig verengte er die Augen kaum merklich und fixierte sie sichtlich argwöhnisch. „Was willst du?“ „Ich will mir deine verletzte Hand ansehen.“, wiederholte sie ruhig, „Lass mich sehen.“ Das Coolpack hielt sie vor sich in der Hand. „Das hier ist nur zum Kühlen.“, sagte sie rasch, als ihr klar wurde, dass er offensichtlich befürchtete, dass sie ihm die Hand gleich abhackte. Nach wie vor sichtlich misstrauisch hob er die Hand. Sie steckte das Moskitonetz nach oben und nahm neben ihm auf der Liege Platz; ruckartig setzte er sich auf. Unwillkürlich musste sie ein Lächeln unterdrücken; er benahm sich wie ein Sparkling, der Angst vor einem Arzt hatte. ... nun ja, bei den Ärzten, die sich auf Decepticon-Seite herumtrieben, hatte wohl jeder Angst. Scalpel zum Beispiel hegte eine außergewöhnliche Abneigung gegen jede Form von Narkosemitteln. Sie griff nach seinem Unterarm, um seine Hand zu heben, und legte das Coolpack darum, selbst erstaunt darüber, wie sanft sie das tat. Er verzog unwillkürlich das Gesicht und sie konnte sehen, wie die Muskeln an seinem Kiefer sich anspannten, als er anfing, auf seiner Wange herumzukauen. „Halt still.“, sagte sie sanft und machte sich daran, das Coolpack mit einer Rolle Verband an seiner Hand zu fixieren. Nach wie vor argwöhnisch beobachtete er sie dabei und rechnete offenbar jeden Moment damit, dass sie ihm irgendetwas antat. Nun ja, üblicherweise verarzteten Decepticons sich auch nicht gegenseitig. Sie war fertig mit dem Verband; seine Hand ruhte samt Coolpack auf ihrem Oberschenkel. Er regte sich nicht, und sie ebenfalls nicht; behutsam hielt sie seine Finger zwischen ihren fest. Ein seltsames Prickeln breitete sich über ihre Hände aus und schien langsam ihre Arme empor zu wandern. Ruckartig brachte sie sich zurück in die Gegenwart. „Lass das Coolpack drauf.“, sagte sie ruhig, „Das hilft gegen die Schmerzen und die Schwellung. Das wird schon wieder.“ Ihre Stimme hatte den Bann gebrochen, der sich für wenige Sekunden zwischen ihnen ausgebreitet hatte; er nickte knapp und rutschte auf dem Bett langsam wieder nach unten, um den Blick wieder an die Decke zu richten. Vielleicht etwas zu ruckartig erhob sie sich und eilte zurück ins Badezimmer, wo sie aus irgendeinem merkwürdigen Reflex ihre Hände unter den inzwischen relativ kalten Wasserstrahl aus dem Wasserhahn hielt, vielleicht in der Hoffnung, das eigenartige Gefühl von vorhin abwaschen zu können. Im Schlafzimmer regte sich kein Muskel in Barricades Gesicht oder an seinem Körper; abgesehen von einem kurzen Blick zu dem Verband an seiner Hand hin blieb er völlig still liegen, und nichts deutete darauf hin, dass unter der scheinbar erkalteten Oberfläche ein Sturm tobte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)