Transformers von BluejayPrime ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- New York, vor zwölf Jahren. Samuel James Whitwicky stand inmitten des Raumes und fühlte sich umzingelt. Links und rechts um ihn herum stapelten sich Umzugkartons, vollgestopft mit Büchern über Astronomie, Mechanik und Physik, dazwischen lagen wild verstreut die Überreste dessen, was mal ein etwas antiquierter Computer und die Hälfte eines Motorradmotors gewesen waren, Babysachen und ein beinahe leerer Pizzakarton vom letzten Abend. Dicht neben einem halb aufgebauten Teleskop stand eine kleine Glasvitrine, durch deren fleckiges Glas etwas zu erkennen war, das wie ein länglicher, vielleicht fünf Zentimeter langer und zwei Zentimeter breiter Metallsplitter aussah. Erst, wenn man sich dem scheinbar unbedeutenden Objekt näherte, erkannte man, dass es übersäht war mit eigenartigen, an den Kanten abgebrochenen Zeichen, die keiner der vielen Schriften, die auf der Erde verbreitet waren, auch nur ansatzweise ähnelten. An einer an den Rändern schon etwas angenagt wirkenden Pinnwand über dem vollgestapelten Schreibtisch hing ein Foto, das offenbar in der Mitte bereits einmal geknickt worden war. Es zeigte einen wesentlich jüngeren Sam Whitwicky, der an der Motorhaube eines sonnengelben Camaros lehnte, einen Arm um die Hüfte eines bildhübschen dunkelhaarigen Mädchens gelegt. Beide lächelten in die Kamera. Auf dem nächsten Bild war Mikaela erneut zu sehen, diesmal ein paar Jahre älter, in einem Krankenhausbett, erschöpft, aber glücklich, mit einem weißen Stoffbündel im Arm, aus dem zwei winzige Hände und eine Stupsnase herausschauten. Ein vielleicht dreijähriges Mädchen, umringt von Geschenken, von Kopf bis Fuß mit Torte beschmiert und teuflisch grinsend. Ein Foto, das scheinbar auf einem Parkplatz oder an einer Raststätte aufgenommen worden war, schien seltsam zusammenhanglos – wieder ein sonnengelber Camaro mit schwarzen Streifen, ein schwarzer Geländewagen, ein blauroter Truck… Die Buntstiftkritzelei eines kleinen Mädchens, kaum zu erkennen, doch die Farben der undefinierbaren, fast menschlichen Objekte auf dem Bild waren dieselben wie auf dem Foto zuvor. Ein weiteres Foto, auf dem die Kleine zu sehen war; sie lag zusammengerollt auf dem Rücksitz eines Wagens und schlief tief und fest… Sam wandte den Blick ab. Flüchtig sah er aus dem Fenster, gerade noch rechtzeitig, um einen gelben Camaro zu erkennen, der verstohlen in die Garage rollte. „Sam?“ Beim Klang von Mikaelas Stimme schrak er hoch, doch als er zu ihr aufsah, umspielte ein Lächeln seine Lippen. „Hat Bumblebee Lena von der Schule geholt?“ „Hmh.“ Mikaela lehnte sich gegen den Türrahmen. „Sam, wir müssen reden.“, sagte sie leise, „Glaubst du wirklich, es ist gesund für Lena, wenn sie… na ja, so aufwächst?“ Sie warf einen Blick Richtung Pinnwand. Sam hob die Schultern. „Wieso denn nicht? Ist auf jeden Fall besser, als wenn sie mit achtzehn zufällig erfährt, dass der Familienwagen ein sprechender Alienroboter ist, oder?“ „Schon…“ Mikaela zog die Unterlippe zwischen die Zähne. „Aber nicht einmal Lennox weiß, dass sie Bescheid weiß. Und was ist, wenn sie anfängt, überall herumzuerzählen, was für coole Alienfreunde ihr Vater hat?“ „Das wird sie nicht.“ Sam lächelte und küsste sie flüchtig auf den Mund. „Sie ist ein schlaues Mädchen. Wie ihre Mutter. Und von wo aus sollte ihr schon Gefahr drohen; Fallen ist tot und Megatron versteckt sich sonstwo… Optimus hat irgendwas vom Saturn erzählt…“ „Aber er lebt, Sam! Was ist, wenn er zurückkommt?“ „Dann wären wir die ersten, die es erfahren.“, sagte Sam leise, „Die NEST-Leute bringen uns in Sicherheit und keinem passiert was. Mach dir keine Sorgen.“ Mit diesen Worten wollte er an ihr vorbei die Treppe hinunter Richtung Küche verschwinden, doch Mikaela hielt ihn zurück. „Sam, ich mache mir aber Sorgen!“ Sam seufzte leise und hielt inne. „Mikaela.“, sagte er leise, „Wir haben den besten Leibwächter für unsere Tochter, den wir uns wünschen können – Bumblebee. Sobald die Decepticons hier auftauchen sollten, werden wir es wissen. Und sind wir mal ehrlich, so schwer sind sie nicht zu übersehen… es sei denn, sie könnten sich in Menschen verwandeln, aber das können sie nicht, oder?“ „Nicht dass ich wüsste.“ Mikaela strich sich mit einem Seufzen die dunklen Haare aus dem Gesicht. „Sam – lass uns trotzdem vorsichtig sein, ja?“ Sams Mundwinkel zuckten. „Ich liebe dich.“ Er entwand sich ihrem Griff und nahm die letzten Treppenstufen nach unten mit einem Schritt, um anschließend in die Garage zu verschwinden. „Morgen, Bee.“ Die Scheinwerfer des Camaros blitzten kurz auf. „Wo steckt Lena…?“ Wie zur Antwort fuhr Bumblebee die Fensterscheibe an der Fahrerseite hinunter; Sam steckte den Kopf hindurch und konnte auf dem Navigationsbildschirm eine Adresse aufblinken sehen. Bei einer Freundin also. „Na gut…“ Sam lehnte sich gegen den Kotflügel des Wagens und schloss die Augen für einen Moment. „Wie geht’s Optimus und den anderen?“ Das Autoradio sprang an. „…Krise konnte abgewendet werden.“, sagte die Stimme eines Radiomoderators, „Dennoch bleibt die Lage weiter angespannt…“ Sam zog die Augenbrauen zusammen. „Was denn für eine Krise?“ Es surrte, als Bumblebee durch die Sender schaltete. „Es verwandelt sich!“, konnte Sam eine hysterische Frauenstimme hören, dicht gefolgt von einem „Jetzt haben wir echte Probleme…“, das offenbar von einem anderen Sender stammte. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Sam aus. „Was soll das heißen, Bee?“ Die Antwort war eine weitere Zusammenstückelung aus verschiedenen Radiosendern. „Mach dir keine Sorgen... wir werden dich und deine Familie… beschützen.“ „Verdammt!“ Zornig hob Sam die Hand, hielt jedoch im letzten Augenblick inne, als ihm klar wurde, dass Bumblebee es wohl gar nicht guthieß, wenn er frustriert auf die Motorhaube des Wagens einschlug. Stattdessen musste die Wand der Garage daran glauben. Ein wenig Staub rieselte von einem darüber angebrachten Regal, als Sam die Faust gegen das Holz schlug. „Gerade eben hab‘ ich Mikaela noch versichert, dass sie sich keine Sorgen machen muss – wär‘ ja auch zu schön gewesen!“ Er presste die Lippen zusammen, doch dann fiel ihm etwas auf. „Was sollte das gerade heißen, es verwandelt sich?“ Erneut sprang das Radio an. „…neue Technologie…“, zwitscherte eine Radiosprecherin, doch die Stimme wechselte: „…extrem gefährlich…“ „Was für eine neue Technologie?!“ „…verwandeln sich…“, flüsterte eine Hörspielfigur, und eine andere Stimme fuhr fort: „…in Menschen…“ Sams Eingeweide schienen sich zu verknoten. „Was?“, flüsterte er. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. „Bee, du musst Lena und Mikaela nach Diego Garcia bringen! Auf der Stelle!“ Er klopfte Bee auf die Motorhaube. „Hol Lena ab. Auf der Stelle, hast du gehört? Mikaela und ich packen unsere Sachen, dann fahren wir nach Diego Garcia, sofort.“ Erneut blitzten Bumblebees Scheinwerfer auf, folgsam startete der Motor des Wagens. Sam öffnete das Garagentor, wartete jedoch nicht, bis Bumblebee diese verlassen hatte, sondern hastete ins Haus zurück. „Mikaela?“ Sein Herz verkrampfte sich, als keine Antwort kam; gedanklich ging er die Gesichter sämtlicher Menschen durch, die in den letzten Wochen vielleicht neu in ihr Leben getreten waren. Ein neuer Lehrer an Lenas Schule, ein Installateur, der ihre kaputte Heizung repariert hatte, der Neue, den Leo in seiner ach so tollen Computerfirma eingestellt hatte… „Sam?“ Beinahe wäre er vor Schreck in die Luft gesprungen, als Mikaela urplötzlich aus einer Seitentür auftauchte. Sie wischte sich die ölverschmierten Hände an einem Handtuch ab – offenbar hatte sie an irgendetwas herum geschraubt. „Was ist denn los?“ Besorgt griff sie nach seiner Hand. „Du bist ja kreidebleich…“ „Wir müssen weg.“, brachte Sam hervor, „Sofort!“ Mikaelas Griff um seine Hand verstärkte sich unwillkürlich. „Decepticons?“ „Ich erklär’s dir gleich, pack deine Sachen!“ Er entwand seine Hand ihrem Griff und stürzte nach oben in sein Zimmer, zog einen alten Koffer unter dem Bett hervor und begann, beinahe wahllos Sachen hineinzustopfen. Draußen auf der Straße konnte er Motorengeräusch hören; er blickte aus dem Fenster. Ein Polizeiwagen hielt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das war so weit nichts Ungewöhnliches – das Ehepaar, das ihnen gegenüber wohnte, hatte sich seit Wochen in den Haaren, und vermutlich hatte wieder einer von beiden die Polizei gerufen, um den jeweils anderen aus dem Haus schleifen zu lassen. Weitaus ungewöhnlicher war jedoch der Schriftzug an der Seite des Wagens, den Sam mit einiger Mühe von seinem Fenster aus lesen konnte: To punish and enslave… In seinem Unterbewusstsein regte sich etwas. Noch immer mit wackeligen Knien, ging er langsam zum Fenster hinüber. Zwei Beamte waren ausgestiegen, kamen mit gemächlichen Schritten zu ihrem Haus hinüber. Sam grub die Fingernägel in die Fensterbank. To punish and enslave… Wie ein Blitz traf ihn die Erinnerung. Großer Gott! „Mikaela!“ Seine Stimme überschlug sich fast, als er über den Flur hechtete, doch noch bevor er die Tür zur Treppe erreicht hatte, konnte er das Klingeln der Haustür hören. „Ich geh‘ schon!“, erklang Mikaelas Stimme aus der Küche. „Mikaela, nein!“ Er hastete die Treppe hinunter, doch Mikaela hatte die Tür bereits erreicht. Sam erstarrte, noch halb auf der Treppe, als sie die Haustür öffnete und in den Lauf einer Pistole blickte. „Mrs Whitwicky?“, fragte der Cop, der natürlich keiner war, und lächelte. „J-Ja?“ Mikaelas Stimme zitterte; Sams Magen schien mit Blei gefüllt. Wie in Zeitlupe konnte er sehen, wie sich der Finger des Cops um den Abzug krümmte, glaubte den Schuss in jeder seiner Sehen nachvibrieren zu spüren, und das Blut, das sich auf Mikaelas Brust ausbreitete, schien sein eigenes zu sein. „Mikaela!“ In den Augen des Cops blitzte es rot auf, als er zu Sam hochsah, der noch immer auf der Treppe stand, das Geländer so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel grellweiß hervortraten. „Hallo, Sam.“, sagte er und lächelte, „Wie lange ist es her? Elf Jahre? Eine ganz schön lange Zeit für euch Menschen, habe ich mir sagen lassen…“ Sein Blick wanderte über ein Familienfoto an der Wand, und er entblößte weiße Zähne in dem Versuch, ein menschliches Grinsen nachzuahmen. „Sieh an… ist die Kleine im Haus?“ Es gelang Sam nicht, den Blick von Mikaela zu wenden. Reglos lag sie dort, die Augen halb geöffnet, während ihr Blut in den Teppich sickerte und sich ihre Brust unter schweren, rasselnden Atemzügen hob und senkte, die jedoch schwächer wurden. Sam spürte, wie Tränen in seinen Augen brannten. Langsam flackerte sein Blick zu dem Decepticon in Copuniform hinüber, doch er presste die Lippen zusammen. Megatron verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Blitzschnell hob er die Waffe wieder und drückte ab. Die Kugel traf Sam ins linke Knie; für Sekundenbruchteile wurde ihm schwarz vor Augen, als seine Beine nachgaben und er die restliche Treppe hinunterstürzte. Der Schmerz übertraf alles, was er bisher erlebt hatte. Er konnte sich selbst schreien hören, als er hart auf dem Boden aufschlug, und biss so fest die Zähne zusammen, dass er Blut schmeckte. Unsanft drehte ihn der jüngere der beiden Cops – Starscream, vermutete er – auf den Rücken. Nachdenklich betrachtete Megatron ihn, stieg achtlos über Mikaela hinweg und trat Sam mit voller Wucht gegen das verletzte Knie. Rasch presste Starscream ihm eine Hand auf den Mund, während Megatron sich über ihn beugte. „Ich will wissen, wo das Mädchen ist.“, sagte er leise und lud die Waffe nach, „Du wirst es mir sagen. Wenn nicht, dann werde ich dir in dein anderes Knie schießen, und anschließend machen wir mit deinen Schultern weiter. Wenn du mir dann noch immer nicht gesagt hast, was ich wissen will – und ich habe viel Zeit – , dann werde ich dich töten, mir die Kleine suchen und ihr mit Freuden die Gliedmaßen ausreißen, hast du mich verstanden?“ Er setzte die Pistole auf Sams rechtes Knie. „Wo ist das Mädchen?“, fragte er und lächelte. Kapitel 1: Eins --------------- 28. September, Kalifornien. „Das Hubble-Teleskop wurde Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts vom Kennedy Space Center im Rahmen der Space-Shuttle-Mission STS-31 aus ins All geschossen.“ Lena Whitwicky seufzte innerlich, als die Stimme ihres Professors erklang. „Man erhoffte sich damit Blicke in ferne Welten und Galaxien…“ Geistesabwesend begann Lena damit, ihren Kugelschreiber auseinander und wieder zusammenzuschrauben. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es viertel nach zwölf war, und sie somit noch etwas mehr als eine Stunde hier zu verweilen hatte, ganz zu schweigen von der zweiten Vorlesung, die für heute Nachmittag angesetzt war, und die sie dann auch noch hinter sich bringen musste. Lenas Blick schweifte aus dem Fenster, fort von dem Hörsaal, ihren Kommilitonen und dem Professor, der gerade begonnen hatte, weitere wichtige Daten in der Geschichte der Raumfahrt an die Tafel zu schreiben. Draußen schien die Sonne aus einem klaren, fast wolkenlosen blauen Himmel. Überhaupt war es reichlich warm für Mitte September; die Sonne brannte schon seit Tagen, und wie die meisten anderen Studenten zog Lena es um die Mittagszeit eigentlich vor, irgendwo im Schatten zu sitzen, oder sie sonderte sich wie so oft in die Bibliothek des Colleges ab, um zu recherchieren. Der Hof draußen war menschenleer. Ein paar morsche Holzbänke standen in einer schattigen Ecke, von Gebüsch fast überwuchert, und dicht daneben baumelten die Reste dessen, was früher ein Basketballkorb gewesen, dann aber dem Frust einiger Studenten und der Zeit zum Opfer gefallen war. Am Himmel über der Stadt zogen ein paar Vögel ihre Bahnen. Die Sonnenstrahlen fielen durch die halb heruntergelassenen Jalousien auf den Fußboden, zeichneten dort ein helles Lichtmuster und das einzige Geräusch, was noch zu hören war, war das Kratzen von Stiften auf Papier und das Getuschel einiger Schüler hier und da, als die Studenten von der Tafel abzuschreiben begannen. Ian Hyde, der zwei Reihen links von Lena saß, zwinkerte ihr über die Köpfe der anderen hinweg zu und simulierte ein Gähnen. Der breitschultrige junge Mann besuchte diese Vorlesung schon zum zweiten Mal, wie Lena wusste; beim letzten Mal war es ihm nicht ganz gelungen, die zum Bestehen nötige Zensur zu bekommen, was wohl auch darauf zurückzuführen war, dass er seine Zeit lieber auf dem Footballfeld des Colleges oder mit den weiblichen Studenten verbrachte, die ihn umschwärmten wie die Motten das Licht. Auf Lena hatte Ian allerdings nie eine derartig große Anziehungskraft besessen. Dies mochte daran liegen, dass sie einerseits eine lockere Freundschaft mit dem jungen Mann verband, die sie nicht durch oberflächliche Flirtereien aufs Spiel setzen wollte, und andererseits daran, dass sie generell nur wenig Augen für ihre Mitstudenten hatte – sie gehörte nicht zu der Art von Leuten, die ihre Freizeit auf Partys verbrachten, sondern verbrachte meist auch noch den sonnigsten Nachmittag in der Bibliothek, um zu lesen. Lena erwiderte Ians Geste mit einem müden Lächeln, bevor sie sich wieder der Tafel zuwandte. Interessanterweise gelang es Professor Parish mühelos, für Ruhe im Hörsaal zu sorgen; Lena, die ihn bereits in zwei vergangenen Semestern erlebt hatte, war bereits aufgefallen, dass ihr Lehrer selbst eine Art Ruhepol für seine Studenten zu sein schien. Zwei Klausuren hatte sie bereits bei ihm geschrieben, und im Gegensatz zu anderen Professoren hatte sie immer ein Gefühl vollkommener Sicherheit gehabt; es hatte bei ihm kaum Studenten mit Prüfungsangst gegeben, und selbst als sie ihre mündliche Prüfung gehabt hatte, war sie kaum nervös gewesen – als habe die unerschütterliche Mischung aus Gelassenheit und Selbstvertrauen ihres Professors auf sie abgefärbt. Dabei war Parish gar nicht so viel älter als sie, wie ihr nicht zum ersten Mal auffiel, während sie gedankenverloren beobachtete, wie er an die Tafel schrieb; der Mann vor ihr war höchstens Mitte Dreißig – fünfzehn Jahre älter als sie – und sah eher nach einem Sportler aus als nach einem College-Professor. Sonnengebräunte Haut, kurzes, blondes Haar und strahlend hellblaue Augen hatten dazu geführt, dass ihm die halbe weibliche Studentenschaft verfallen war, und es war ein offenes Geheimnis, dass sich ihr Professor auch nicht zu schade dafür war, abends nach der letzten Vorlesung mit den Studenten den Tag bei dem einen oder anderen Bier zu beschließen. Abgesehen davon hatte Lena ihn noch nie im Anzug, wie die meisten anderen Professoren, erlebt, sondern stets nur in Hemd, Jeans und Turnschuhen, so wie heute. Die Ruhe im Hörsaal wurde gestört, als die Tür aufgerissen wurde. Herein schoss Evelyn, wegen der Tätowierung an ihrem linken Handgelenk Bee genannt, Lenas beste Freundin, die blonden Haare wirr und zerzaust, ihre Tasche offen unter den Arm geklemmt. Parish zog eine Augenbraue hoch, als sie sich an ihm vorbeidrückte. „Hab‘ verschlafen.“, murmelte Evelyn und drängelte sich auf ihren Platz neben Lena. Parish kam wortlos zu ihr herüber, um ihr die Anwesenheitsliste zu geben. Während Evelyn sich dort mit fahrigen Bewegungen eintrug, beugte er sich allerdings zu ihr herüber. „Ich würde Sie gern nach der Vorlesung sprechen.“, sagte er leise. Es entging Lena nicht, wie ihre Freundin zusammenzuckte, und wie sie in ihrem Sitz zu schrumpfen schien, während Parish wieder zurück nach vorne ging. „Keine Sorge, er wird schon nicht böse sein!“, flüsterte sie, wie sie hoffte beruhigend, „Oder hast du sonst noch irgendwas ausgefressen?“ Evelyn schüttelte müde den Kopf, zog ihre Mappe hervor und begann, abzuschreiben. Immer wieder drehte sie nervös den Stift zwischen ihren Fingern, wie Lena verdutzt auffiel – zwar war ihre Freundin nicht gerade das, was man ein ruhiges Naturell nannte, doch derartig aufgebracht hatte Lena sie noch nicht erlebt, und immerhin kannte sie Evelyn, seit sie acht Jahre alt gewesen war – ebenso wie Ian, dem Lena nun einen fragenden Blick zuwarf. Dieser jedoch zuckte nur die Schultern. „Was ist denn los?“, wisperte sie also stattdessen in Evelyns Richtung, „Ist was passiert?“ „Nein, nein…“ Der Stift entglitt den Fingern der jungen Frau und fiel klappernd zu Boden. Mit hochrotem Kopf verschwand Evelyn unter dem Tisch, um ihn zurückzuholen. Parish seufzte leise und lehnte sich gegen das Pult. „Ist alles in Ordnung, Evelyn?“ „Ja, Sir.“ Irgendetwas stimmte nicht, wie Lena auffiel. Evelyn hatte den Blick noch immer gesenkt, während sie mit Parish sprach, und irgendetwas war anders an der Art und Weise, wie sie das Sir betonte… Lena schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben, und wandte sich wieder der Tafel zu. „Na, die Damen?“ Ian gesellte sich zu ihnen, als sie gerade den Hörsaal verlassen wollten, und entblößte weiße Zähne, als er grinste. „Alles klar, Bee?“ Die Angesprochene lächelte verlegen, nickte jedoch. „Ja… schon…“ Lena warf Parish einen Blick zu. „Ich… warte dann draußen, ja?“ Aufmunternd klopfte sie ihrer Freundin auf die Schulter. „Keine Angst, er wird dir schon nicht den Kopf abreißen.“ Evelyn grinste mit einem Anflug von Galgenhumor. Ian schickte sich an, Lena aus dem Raum zu folgen, doch Parish‘ Stimme hielt ihn zurück. „Sie bleiben bitte auch, Ian!“ Verdutzt sahen sich Lena und Ian an, doch schließlich hob Ian die Schultern. Er reichte Lena seine Tasche, trottete zurück in den Hörsaal und schloss die Tür hinter sich. Lena nahm mit dem Rücken an der Wand Platz und wartete. Gedankenverloren öffnete sie Ians Tasche, um nach etwas zu trinken zu suchen – ihre eigene Flasche ruhte in ihrem Spind ein Stockwerk tiefer, da sie nicht daran gedacht hatte, diese heute früh einzustecken. Ihre Finger stießen gegen etwas hartes, metallisches, und verwirrt warf sie einen Blick in die Tasche – um zurückzuschrecken. Rasch warf sie einen Blick nach rechts und links, dann legte sie die Tasche auf das Fensterbrett und zog mit zwei Fingern die Pistole heraus. Was um alles in der Welt – Warum in drei Teufels Namen trug ihr Freund eine Pistole bei sich? Und geladen war sie auch noch, wie sie nach einem Blick ins Magazin feststellte. Ian war Sportschütze, das wusste sie, ebenso wie die Tatsache, dass er alles Mögliche in seinem Haus lagerte – aber warum brachte er eine seiner Waffen mit zum College? Für einen Augenblick beschlich sie ein furchtbarer Verdacht, doch diesen konnte sie rasch vertreiben – Ian war kein typischer Einzelgänger (da kam eher sie in Frage), er war beliebt, hatte einen großen Freundeskreis auf dem College, und gehörte ganz sicher nicht zu der Art von Leuten, die eines schönen Tages schwer bewaffnet ihre Schule stürmten. Ruckartig schob sie die Waffe zurück in den Rucksack, näherte sich der Tür und spitzte die Ohren – zwar war Lauschen eigentlich nicht ihre Art, doch nun wollte sie wissen, warum Parish Ian hatte sprechen wollen. „…musst vorsichtig sein.“, sagte Parish gerade. Er sprach leise, sodass Lena Mühe hatte, ihn zu verstehen. „Wir haben viel Arbeit investiert, zu viel, um alles aufs Spiel zu setzen. Hast du gehört, Bee? Ich weiß, letzte Nacht ist es eng geworden, aber…“ Letzte Nacht?! Irritiert wich Lena ein Stück von der Tür zurück – langsam wurde es ihr zu bunt. Einer ihrer Freunde schleppte eine Pistole mit sich herum, ihre beste Freundin hatte anscheinend die letzte Nacht bei oder gar mit ihrem Professor verbracht – was kam denn noch alles? Kurzerhand wirbelte sie herum und lief den Flur hinunter. Sie brauchte jetzt dringend etwas frische Luft, um Klarheit in ihren Kopf zu bringen. Erst, als sie unten am Fuß der Treppe ankam, fiel ihr auf, dass sie noch immer Ians Tasche über der Schulter trug. Kapitel 2: Zwei --------------- Bee war sichtlich froh, aus Oliver Parish‘ Gegenwart verschwinden zu können, doch Ian wartete an der Tür. „Wie lange soll das denn noch so weitergehen?“, fragte er leise, „Ich verlier‘ bei dieser verdammten Warterei bald den Verstand, und ich glaube, Bee geht’s da ganz ähnlich. Warum schleppen wir die Kleine nicht einfach nach Diego Garcia, damit sich Lennox und der Rest um sie kümmern, und die Sache hat sich?“ „Sie hat das Recht auf ein normales Leben.“ Oliver stützte sich auf das Pult und musterte den jungen Mann. „Wir überwachen, wir beschützen, aber wir kontrollieren sie nicht. Sie entscheidet selbst, was sie tun will; das ist ihr gutes Recht… und sie erfährt es, wenn die Zeit reif ist.“ „Schon gut, schon gut.“ Ian verzog das Gesicht. „Aber die zwei gehen mir ganz schön auf die Nerven, weißt du. Ganz zu schweigen von den restlichen Weibern, ich hab‘ ja kaum noch meine Ruhe…“ Oliver verkniff sich ein Grinsen. „Hm, ja… aber meinen Informationen nach ist es ja nicht so, als würdest du die Situation nicht genießen, oder?“ „Ich weiß nicht, wovon du redest.“, knurrte Ian und setzte nun doch dazu an, den Raum zu verlassen. „Ich habe gehört, du machst das beste aus der Situation…“, fuhr Oliver nun doch mit einem Lächeln fort, „Zumindest glaubt das diese Kleine, Beverly, und ich habe gehört, Charlotte denkt ähnlich…“ Ians Mundwinkel zuckten. „Irgendwer hat mir damals auf der Akademie geraten, kein Material zu verschwenden… wenn ich mich nur dran erinnern könnte, wer das war?“ „Ich bestimmt nicht.“ Oliver räumte seine Mappe zusammen und folgte ihm Richtung Tür. „Und selbst wenn; du solltest nicht so viel auf mich hören…“ Ian lachte, streckte jedoch gerade die Hand nach dem Türknauf aus, als ein gellender Pfeifton durch das Gebäude schrillte. Die Fensterscheiben explodierten; ein Regen aus Glasscherben ergoss sich über Oliver, der Ian reflexartig am Kragen gepackt und nach unten gezogen hatte, um ihn abzuschirmen. „Du blutest!“ Ian streckte eine Hand aus, doch Oliver schob ihn beiseite. „Such Lena, und schaff sie hier raus!“ Er warf einen raschen Blick aus dem Fenster, und erkannte Lenas Auto draußen auf dem Parkplatz – ein silberner Sportwagen. Zwar war sich Oliver nicht ganz sicher, welcher Typ es nun war, doch Sideswipe hatte auf jeden Fall einen recht erlesenen Geschmack bewiesen. „Na los!“ Ian warf ihm einen besorgten Blick zu, verschwand jedoch hastig aus der Tür. Oliver selbst kam nicht mehr dazu, ihm zu folgen – im selben Augenblick gab die Decke des Raumes nach. Lena schrie auf, als ihr fast das Trommelfell platzte; die Hände auf die Ohren gepresst, sackte sie auf die Knie, und spürte etwas Feuchtes durch ihre Finger rinnen. Erdbeben!,war ihr erster Gedanke; mit Mühe stemmte sie sich wieder auf die Beine, stolperte zwischen schreienden Studenten hindurch ins Freie, wo sie sich zusammenkauerte. Offenbar wusste niemand so genau, was der Ursprung dieses Geräusches gewesen war – die Alarmsirene bestimmt nicht, und außerdem schienen sämtliche Fenster des Gebäudes zersplittert – , doch bevor irgendjemand zu längerem Nachdenken ansetzen konnte, begann eine junge Frau in ihrer Nähe, hysterisch zu kreischen. Lena folgte ihrem ausgestreckten Zeigefinger Richtung Himmel – und wurde blass. Ein pechschwarzer Militärjet raste auf das Gebäude zu, offensichtlich ohne jede Kontrolle, und mit einer Geschwindigkeit, die es dem Piloten – wenn der nicht bewusstlos oder schlimmeres war – unmöglich machen würde, noch rechtzeitig abzudrehen. In Panik begann sie, zu laufen, doch ihre Beine schienen sich wie in Zeitlupe zu bewegen; nur noch wenige Meter trennten das schwarze Flugzeug von der Mauer des Gebäudes – als es sich zu verwandeln begann. Lena konnte erkennen, wie sich Metallplatten, Glas und Kabel verschoben, eine Gestalt formten… Der Boden schien zu beben, als das Ding, in das sich der Jäger verwandelt hatte, im Innenhof aufschlug. Lena konnte mehrere weitere Einschläge hören; was immer es war, es war offensichtlich nicht allein gekommen. Das ist ein Anschlag., dachte sie merkwürdig klar, Irgendwo in Arabien hat so ein durchgeknallter Scheich sich ein paar Terminator-Abklatsche von zehn Metern Höhe gebaut, und die lässt er jetzt auf die Vereinigten Staaten los… Wie gelähmt stand sie dort; ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr, während um sie herum verängstigte Menschen flüchteten, stand sie stumm an derselben Stelle und starrte das Ding an, das seine kalten roten Augen auf die Flüchtenden gerichtet hatte, während etwas anderes von der Sorte auf dem Dach gelandet war, und sich augenscheinlich gerade zu den Hörsälen durchzugraben gedachte. Für einen Augenblick hielt es inne und warf einen Blick in den Hof hinab. „Starscream!“, schnarrte es mit einer tiefen, metallverzerrten Stimme, die jeden Knochen in Lenas Körper erbeben ließ, „Mach dich nützlich, such das Mädchen!“ Das Mädchen?! Noch immer gelang es Lena nicht, sich zu rühren, während das Ding im Hof, dessen Name, Bezeichnung oder was auch immer offenbar Starscream war, die wenigen Flüchtlinge in Augenschein nahm, die sich noch im Hof befanden, weil sie entweder wie Lena vor Angst erstarrt waren oder noch keinen Ausweg gefunden hatten und sich daher panisch in den Ecken zusammenkauerten. Die roten Augen erfassten Lena, und auf dem Gesicht von Starscream schien sich so etwas wie ein Lächeln abzuzeichnen. „Hallo, Lena Whitwicky.“ Plötzlich wirbelten überall Trümmer und Staub herum; geistesgegenwärtig hechtete Oliver unter das Pult, wo er die Knie an die Brust zog und die Arme über den Kopf hielt, um diesen zu schützen. Der Staub drang ihm in Mund und Nase; er hustete und hielt rasch die Luft an. Verärgert saugte er an dem Schnitt in seiner Hand, den Ian bereits bemerkt hatte, und stellte überrascht fest, wie metallisch das menschliche Blut schmeckte. Interessant… „Starscream! Mach dich nützlich, such das Mädchen!“ Wie erstarrt blieb er in seinem Versteck liegen, rührte keinen Muskel. Na wunderbar. Megatron war hier, um sich Lena zu holen, und alles, was er zur Verfügung hatte, war ein knapp einen Meter achtzig großer menschlicher Körper, der, wie er wusste, verflucht zerbrechlich war… und er hatte nicht einmal eine Waffe. Mit einem Dröhnen landete Megatron auf dem Boden dessen, was bis vorhin noch ein Hörsaal gewesen war. „Komm raus, komm raus!“, schnarrte er, „Komm und beschütz deine teure Insektenfreundin! Du versteckst dich doch bestimmt hier irgendwo, oder? Ich könnte schwören, mindestens einen deiner Leute im Hof gesehen zu haben…“ Vorsichtig spähte Oliver durch einen Spalt zwischen Holz und Fußboden. Die Tür war aus den Angeln gerissen und zersplittert – vielleicht gelang es ihm, hindurch zu hechten, wenn er schnell genug war… Vielleicht auch nicht. Langsam und vorsichtig holte er Luft. Wie er bereits festgestellt hatte, neigten Menschen dazu, lauter zu atmen, je nervöser sie waren. Okay., dachte er, Menschliche Gestalt anzunehmen gehört eindeutig nicht zu meinen besseren Ideen. „Feigling.“, knurrte Megatron, „Was denn, ich dachte, du legst so viel Wert auf die Menschen?“ Oliver sammelte seine Kräfte, schnellte aus seinem Versteck und Richtung Tür. Er kam nicht einmal halb so weit. „Pass auf!“ Jemand riss Lena von den Füßen; unsanft schlug sie mit dem Kopf gegen ein herumliegendes Trümmerstück. Mit viel Mühe erkannte sie - Evelyn?! „Gib mir die Tasche!“ Ihre Freundin riss ihr kurzerhand Ians Tasche herunter und warf sie ihrem ursprünglichen Besitzer zu, der sich mit einem Hechtsprung neben sie gerettet hatte. „Wo ist Optimus?“ Halb betäubt von dem Schlag auf ihren Hinterkopf, starrte Lena nur zu ihren beiden Freunden hoch. Wer? „Noch da drin.“ Ian kramte die Pistole aus der Tasche und warf seinerseits Evelyn etwas zu, das Lena als ein kleines Funkgerät erkannte. „Ruf die anderen, wir werden Ratchet brauchen, schaff Lena hier raus und sag Lennox, er soll ‘n Zimmer für sie fertig machen!“ „W-Wer ist Ratchet?“ Benommen richtete Lena sich auf, nur um gleich wieder zurück auf den Boden befördert zu bleiben. „Wenn du leben willst, bleib liegen!“, sagte Ian scharf, „Die sind hinter dir her, mach dir um uns keine Gedanken!“ Eine Explosion ganz in der Nähe ließ Lena zusammenzucken; aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass es Evelyn offenbar ähnlich ging, doch ihre Freundin hatte das Funkgerät aktiviert und gab kurze, knappe Anweisungen an jemanden namens Colonel Lennox, wenn Lena sie da richtig verstand. Sie griff nach Ians Arm. „Wer ist Colonel Lennox?“, zischte sie, „Was wird hier gespielt? Was soll das heißen, die sind hinter mir her? Was sind das für Dinger?!“ „Ich hab‘ gesagt, bleib liegen!“ Eine weitere Explosion ganz in ihrer Nähe folgte; Ian schien Recht zu haben – Starscream zielte nicht besonders gut, offenbar wollte er sie tatsächlich nicht töten. Oder zumindest nicht sofort… Die geballte Wucht von zwölf Tonnen Stahl riss Oliver von den Füßen, noch bevor er auch nur in die Nähe der Tür kam. Er konnte seine eigenen Knochen splittern hören, als Megatron mit ihm die angrenzende Wand einriss; sein Mund schien voller Blut, als er hart auf dem Boden aufschlug. „Ich hätte nicht gedacht, dass du dich in dieser jämmerlichen Gestalt versteckst.“, konnte er Megatron höhnen hören, während er sich mit Mühe auf die Beine zog. Der linke Arm pendelte nutzlos neben seinem Körper; bei jedem Atemzug durchzuckte ein bestialischer Schmerz seinen Brustkorb und er konnte sich kaum gerade halten, doch wenn er sich schon von Megatron umbringen ließ, dann wollte er auf den Beinen stehen, wenn er starb. Die anderen werden Lena in Sicherheit bringen., hämmerte er sich zwischen schweren Atemzügen in den Kopf, Sie kommen zurecht, sie kommen zurecht… „Starscream wird die Kleine längst gefunden haben.“, knurrte Megatron, „Ich freue mich schon darauf, ihr die Gliedmaßen auszureißen, wenn wir mit ihr fertig sind…“ Vor Olivers Augen zuckten dunkle Blitze, doch er klammerte sich mit seiner gesunden Hand in die Mauer, um auf den Füßen zu bleiben. Solange Megatron beschäftigt ist, kann er Lena nicht verfolgen… Dumpf konnte er von draußen Explosionen hören. „Ich fürchte… du irrst dich.“, brachte er mit einem schwachen Grinsen heraus, „Die Autobots kümmern sich um sie. Und Starscream… war ja noch nie der Hellste…“ Megatron gab ein wütendes Geräusch von sich. Gnädigerweise raubte Oliver der zweite Schlag bereits das Bewusstsein, bevor Megatron ihn durch die zweite Mauer schleuderte und er hinab in den Innenhof stürzte. Draußen entglitt das Funkgerät Evelyns Fingern, als im oberen Stockwerk eine Mauer einstürzte. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen richtete sie sich auf, ließ alle Vorsicht fahren und stürzte quer über den Hof. „Optimus!“ Ihre Stimme überschlug sich schrill und panikerfüllt. „Bee, nein!“ Ebenso schnell wie sie war auch Ian auf den Beinen, packte kurzerhand Lenas Arm und zerrte sie hinter sich her, hin zu dem reglosen Körper ihres Professors. Auf Bees Gesicht stand noch immer das blanke Entsetzen, als sie dessen Hemd aufriss und ohne zu Zögern damit begann, die Wiederbelebungsmaßnahmen anzuwenden, die ihnen erst vor kurzem im Rahmen ihres Führerscheins beigebracht worden waren – daran erinnerte sich Lena, als sei es erst gestern gewesen. Ian war ebenfalls merklich blass geworden, doch er sagte nichts, warf seinem Professor nur einen kurzen Blick zu. „Bleib bei Lena!“, zischte er schließlich Bee zu, zog die Pistole und lief ohne zu zögern direkt auf Starscream zu. Entsetzt und beinahe apathisch blieb Lena neben Bee sitzen, spürte nur, wie ihr Tränen über die Wangen liefen, als ihr gesamtes bisheriges Leben um sie herum in Trümmern und Explosionen aufging. Wie eine Maschine half sie Evelyn dabei, Oliver Parishs noch immer reglose Gestalt in den Armeekrankenwagen zu verfrachten, der mit quietschenden Reifen in ihrer Nähe zum Stehen kam, hörte nur dumpf am Rande, wie Bee etwas von Diego Garcia sagte – zu wem auch immer; einen Fahrer hatte sie nicht entdecken können – und blieb dann, als sich die Türen des Krankenwagens schlossen, stumm sitzen, während der Wagen Vollgas gab. Kapitel 3: Drei --------------- Aus dem Augenwinkel konnte Ironhide erkennen, wie Ratchet mit dem Mädchen und Optimus verschwand. „Na endlich!“, knurrte er. Er ließ sich aus Starscreams Sichtweite fallen, in den Schutz einiger Trümmerteile, und begann, noch bevor er den Boden berührte, damit, sich zu transformieren. Die menschliche Haut wich Metallplatten, Knochen wurden durch Stahlstreben, Muskeln und Sehnen durch Kabel und Drähte ersetzt; er ließ die Pistole fallen, als an die Stelle seiner Hände tödliche Waffen mit einem weitaus größeren Kaliber traten. Tatsächlich fühlte er sich wesentlich erleichterter, als er wieder dieselbe Größe wie sein Feind hatte (auch, wenn er jetzt darauf aufpassen musste, nicht auf Menschen zu treten), und nutzte Starscreams verdutzten Gesichtsausdruck und dessen Überraschung, um ihn anzugreifen. Erleichtert stellte er ebenfalls fest, dass nun, da Lena außer Gefahr und Sichtweite war, Sideswipe und Bumblebee zu seiner Unterstützung herbeigeeilt waren, doch ihm war klar, dass die Ruine des City-Colleges von San Francisco wohl kaum der geeignete Ort für einen Kampf mit einer Bande Decepticons waren. „Bumblebee, zum Stützpunkt!“, brüllte er ihr über den Kampfeslärm hinweg zu, „Die Jungs hier werden warten müssen!“ Sie nickte, warf ihm einen flüchtigen besorgten Blick zu, begann jedoch mit ihrer Transformierung, um sich als gelbschwarzer Camaro auf den Weg Richtung Diego Garcia zu machen. „Mein Name ist Colonel William Lennox.“ Der Mann, der behutsam nach Lenas Ellbogen griff und sie aus dem Krankenwagen bugsierte, während Sanitäter um sie und den Bewusstlosen auf der Liege herum wuselten, war sicherlich schon Anfang Fünfzig, doch er besaß trotz seiner Uniform und des militärischen Tonfalls, in dem er ihr seinen Titel präsentiert hatte, ein sympathisches Lächeln und machte den Eindruck eines Mannes, der sich seiner Haut durchaus zu verteidigen wusste. „Sie sind Lena Whitwicky, ja? Freut mich.“ Lena nickte stumm und folgte ihm ohne ein Wort. Noch immer hielt Lennox ihren Arm fest, leitete sie durch eine Milchglastür ins Innere des Gebäudes und dort in einen klinisch-weiß gestrichenen Krankenhausraum. „Setzen Sie sich.“ Wieder gehorchte sie ohne ein Wort, doch sie konnte das Beben ihrer Hände noch immer nicht unterdrücken. „Ganz ruhig, ja? Sie sind jetzt in Sicherheit. Die Ärzte werden gleich nach Ihnen sehen, aber erst müssen sie sich um – um Ihren Professor kümmern.“ Ein zittriges Nicken war die Antwort; Lennox hockte sich vor sie und griff nach ihren Händen. „Erzählen Sie mir, was passiert ist, Lena.“, sagte er sanft. „Ich weiß es nicht.“, wisperte Lena. Ihre Stimme klang so heiser und erstickt, dass sie selbst erschrak. „Ich w-war… unten im Hof, als… Ian und B-Bee… h-haben mit… Professor Parish r-reden müssen… Ian… hatte diese Pistole dabei… dann… waren da überall diese D-Dinger… was sind das für Dinger?!“ Ihre Stimme kiekste bei ihren letzten Worten unangenehm in die Höhe. „Was sind das für Dinger, was ist passiert, w-warum waren die auf der S-Suche n-nach mir?!“ Ruckartig entzog sie ihm ihre Hände. „Was geht hier vor?!“ „He, he, ganz ruhig, ja?“ Lennox griff wieder nach ihren Händen. „Das Wichtigste ist, dass Sie jetzt in Sicherheit sind. Alles andere wird man Ihnen bald erklären.“ „Ich will aber keine Erklärung, ich will wissen, was hier los ist!“, zischte sie. Nun, da keine wahnsinnig gewordenen Roboter mehr in der Nähe schienen, gewann ihre Wut die Oberhand. „Sagen Sie mir auf der Stelle, was hier vor sich geht!“ Lennox seufzte leise. „Sie sind ein nettes Mädchen, Lena.“, sagte er plötzlich, „Meine Tochter ist nur ein paar Jahre älter als Sie. Sie studiert, in New York. Medizin.“ Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. „Was studieren Sie, Lena?“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Astronomie.“, antwortete sie aber schließlich mit zitternder Stimme, „Im… im dritten Semester. Hören Sie, Sir, ich…“ „Astronomie?“ Lennox grinste. „Das passt ja. Ich bin mir sicher, Ihre Eltern wären stolz auf Sie.“ „Meine Eltern sind tot!“ Lena stützte die Stirn auf die Fingerknöchel und atmete langsam und tief aus. „Ich meine, m-meine Eltern sind… gestorben, als ich noch ein Kind war. Als ich acht war.“ „Ich kannte Ihre Eltern.“, sagte Lennox sanft, „Sie waren gute Freunde von mir.“ Lena sah auf. „Was…?“ „Früher, da… habe ich mit Ihren Eltern zusammen gearbeitet, sagen wir es so.“ Ein Schatten schien über Lennox‘ Augen zu liegen, doch dieser verschwand, als er lächelte. „Was soll das heißen, Sie haben mit Ihnen-“ Bevor sie ihren Satz beenden konnte, wurde die Tür aufgerissen. „Großer Gott, Lena!“ Evelyn stürmte ins Zimmer, fiel ihrer Freundin um den Hals und drückte sie so fest, dass ihr die Luft wegblieb. „Bee…“, murmelte sie. „Ich hab‘ mir solche Sorgen um dich gemacht!“, sprudelte es aus Evelyn heraus, „Solche Sorgen gemacht – diese Dinger, was immer es waren, waren hinter dir her, und ich dachte nur…“ „Bee!“ Lena schob sie von sich. „Tu nicht so! Du wusstest genau, was da vor sich geht… Ian und du… ihr habt mit Professor Parish gesprochen, aber ihr habt ihn – wie war das? Ihr habt ihn Optimus genannt oder so ähnlich…“ Bee zuckte zusammen und biss sich auf die Unterlippe. „Ja…“ Ein kurzer Blickaustausch zwischen Lennox und Bee entging Lena nicht. „Hör zu.“, sagte Evelyn schließlich leise, „Ich… ich werd‘ dir alles erklären… wenn Ian auch hier ist, ja?“ „Ian kommt hierher?“ Lena verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Wieso? Woher weiß er denn, wo wir sind? Was wird hier gespielt, Bee?“ „Ich werd’s dir erklären… so gut ich das kann.“ Das Lächeln auf Bees Gesicht wirkte mehr als zittrig. „Aber ich glaube, eigentlich sollte das… na ja, Optimus übernehmen… er ist da besser als ich…“ Lena presste die Lippen zusammen. „Warum nennst du ihn so? Und was hatte euer Gespräch zu bedeuten? Ich hab‘ euch gehört – was soll das heißen, letzte Nacht ist es eng geworden?“ „Letzte Nacht…“ Bees Mundwinkel zuckten. „Letzte Nacht waren die Decepticons… die Roboter, meine ich, hinter uns her… oder hinter dir her, besser gesagt. Und es wurde tatsächlich ziemlich eng.“ Sie lächelte müde. „Aber wir leben noch.“ Lena fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Und… was soll das heißen, sie waren hinter mir her? Warum sind sie hinter mir her?“ Bee zog die Unterlippe zwischen die Zähne – etwas, was sie ausgesprochen häufig tat, wenn sie nicht ganz weiter wusste, wie Lena schon festgestellt hatte. „Weil…“ Sie warf Lennox einen hilfesuchenden Blick zu. „Weil du… nun einmal die bist, die du bist… die Tochter v-von Sam und Mikaela Whitwicky…“ „Meine Eltern sind tot!“, zischte Lena, „Sie wurden ermordet! Waren das auch diese Dinger?“ Bee zuckte zusammen. „Ja.“, sagte sie schließlich leise, „Das… das waren die Decepticons.“ Etwas in Bees Stimme machte Lena stutzig. Sie griff nach der Hand ihrer Freundin. „Was weißt du denn darüber?“, fragte sie. „Alles.“ Ein trauriges Lächeln umspielte die Lippen der jungen Frau. „Dein Vater war… ein guter Freund von mir.“, sagte sie schließlich leise, „Mein bester Freund…“ „Du kannst meinen Vater überhaupt nicht gekannt haben.“ Prüfend musterte Lena die junge Frau. „Ich meine, wir sind gleich alt, und wir haben uns kennen gelernt, da war ich… acht…“ Kurz nachdem Mum und Dad getötet wurden… „Was ist mit meinen Eltern passiert?“, fragte sie schließlich. Bee sah auf. „Wir haben uns kennen gelernt, als du acht warst.“, wiederholte sie, „Zumindest war es das, was wir dich glauben lassen wollten… aber eigentlich kannten wir uns schon sehr viel länger…“ „So?“ Lena warf Bee einen argwöhnischen Blick zu. „Was soll das heißen?“ „Na ja…“ Bee grinste verlegen. „Erinnerst du dich, dass dein Vater dieses Auto hatte…?“ Lena atmete tief durch. „Ja.“, murmelte sie. Gedanklich konnte sie den Wagen vor sich sehen, zusammengestückelt aus den wenigen Erinnerungen, die sie hatte. Ein sonnengelber Camaro mit schwarzen Streifen… die sonnengebräunte Haut auf den Armen ihres Vaters, als dieser fast liebevoll mit der flachen Hand über die Motorhaube strich… ihre Mutter, die sich mit einem Lachen das Haar aus dem Gesicht strich und eine Bemerkung machte, dass sie wohl bald neidisch werden würde… zwei türkisblaue Augen, die sie neugierig musterten- Moment. Die blauen Augen passten nicht ins Bild. Verwirrt schüttelte Lena den Kopf. Bee musterte sie aufmerksam. „Das war ich, Lena.“ Das war zu viel. Lena stieß Lennox beiseite und floh aus dem Raum, rannte den Gang hinunter, ohne Rücksicht auf die verdutzten Krankenschwestern, die sie bemerkten, und auf Lennox, der ihr irgendetwas hinterher rief. Sie stieß die Tür auf, um ins Freie zu gelangen – und zu einer Möglichkeit, von diesem Stützpunkt zu verschwinden – , doch im selben Augenblick stieß sie gegen jemanden, strauchelte und riss ihn mit sich zu Boden. „L-Lassen Sie mich-“ „Lena!“ Ian. Er legte einen Arm um sie und hielt sie fest. „He, Kleines, was ist denn los, hm?“ „Ian!“ Sie versuchte, seinen Arm beiseite zu schlagen, doch er hielt sie fest; in Panik schlug sie um sich, als sie aus heiterem Himmel eine Ohrfeige traf. Schlagartig hielt sie still, starrte Ian, ohne recht zu wissen, wie sie reagieren sollte. „Evelyn hat den Verstand verloren.“, brachte sie mit Mühe hervor, „Du schleppst eine Pistole mit dir herum und schießt damit auf zwölf Meter große Roboter, als sei es was alltägliches, mein Professor liegt im Koma, nachdem ihn irgendetwas aus dem dritten Stock geworfen hat, das eigentlich auf der Jagd nach mir war – ein Marine erzählt mir, er sei ein guter Freund meiner Eltern gewesen – Evelyn behauptet, meine Eltern gekannt zu haben – w-was geht hier vor, Ian?“ „Ganz langsam, Kleine.“ Sanft legte Ian, der sie zwischenzeitlich losgelassen hatte, wieder einen Arm um sie und strich ihr über die Wange. „Keine Sorge, du bist hier in Sicherheit…“ „Das hat dieser Lennox auch gesagt!“, zischte Lena. Erneut versuchte sie, ihn wegzustoßen, doch Ian hielt sie fest. „Ja, und da kannst du ihm absolut glauben.“ Behutsam zog Ian sie auf die Beine. „Lass uns wieder reingehen, ja?“ „Nein!“ Lena versuchte, sich seinem Griff zu entwinden. „Ich will da nicht wieder rein – ich will nach Hause, sofort-“ „Du kannst aber nicht nach Hause. Da finden sie dich.“ „Wer?!“ Ian blieb stehen. Er warf einen Blick durch die bereits geöffnete Tür nach innen – Lena konnte Bee und Lennox erkennen, die dort besorgt warteten. Schließlich schloss er die Tür wieder, ließ Lenas Arm jedoch nicht los. „Okay, Kleines.“, sagte er leise, aber so ernst, wie Lena ihn noch nie gehört hatte, „Eigentlich hatte ich gehofft, dass Optimus das hier übernimmt, aber gut… komm mal mit.“ Noch immer hielt er ihren Ellbogen fest, führte sie mit sanfter Gewalt über den Hof des Stützpunktes zu einem Hangartor hinüber, das mit einem „A“ gekennzeichnet war. Im Halbdunkeln konnte Lena mehrere Fahrzeuge erkennen – nicht die Militärfahrzeuge, mit denen sie gerechnet hatte, sondern Sport- oder Geländewagen; zu ihrem Erstaunen auch ihren eigenen silbernen Peugeot. „Was…“ „Später.“, unterbrach sie Ian, „Gleich wirst du’s verstehen.“ Er führte sie zu dem Krankentransporter hinüber, mit dem sie hierher gekommen war. Hier legte er ihr einen Arm um die Hüfte, und hielt sie fest. „Ratchet?“, fragte er leise, „Ich will, dass du Lena Whitwicky kennen lernst.“ Lena zog die Augenbrauen zusammen und sah zu Ian. „Spinnst du?“ Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen ihres Freundes. „Wart’s ab.“ Erwartungsvoll wanderte Lenas Blick zu dem Transporter zurück – und im nächsten Augenblick entwich ihr ein entsetztes Keuchen, als sie sah, wie sich der Wagen zu verändern begann. „I-Ian!“ Erneut versuchte sie, sich ihm zu entwinden, doch er hielt sie fest. „Ganz ruhig, Kleines.“ Er drückte sie sanft etwas an sich. „Er tut dir nichts. Ich pass‘ schon auf dich auf.“, fügte er mit einem Grinsen hinzu. Dennoch waren Lenas Knie steif vor Angst, als der Roboter vor ihr zum Stehen kam und Ian und sie beinahe fragend musterte. Der Blick aus strahlend blauen Augen schien ihr durch Mark und Bein zu gehen; mit Mühe gelang es ihr, an Ort und Stelle stehen zu bleiben und nicht zurück zu weichen. „Ian!“, wisperte sie, „Was in Gottes Namen ist das?“ Ian löste sich von ihr und trat einen Schritt zurück. „Das ist ein Autobot.“, antwortete er mit einem Grinsen, „Die Dinger, die das College angegriffen haben, nennen wir Decepticons. Wir sind die Guten, okay?“ „Ihr?“ Lenas Stimme klang seltsam schrill in ihren Ohren. „S-Soll das heißen – du bist auch eines davon?“ Ians Mundwinkel zuckten. „Soll ich’s dir zeigen?“ Lena spürte, wie ihre Knie erneut weich zu werden drohten, doch sie nickte stumm. Kapitel 4: Vier --------------- „Ihr habt mich verarscht.“ Lena presste die Lippen zusammen, verschränkte die Arme und musterte sowohl Bee als auch Ian, die vor ihr standen. Es hatte eine Weile gedauert, bis es Ian gelungen war, sie davon zu überzeugen, ihn zurück in den Stützpunkt zu begleiten. Erst war sie beinahe erneut hysterisch geworden, als sie gesehen hatte, wie sich ihr bester Freund in einen knapp zehn Meter großen Roboter verwandelt hatte, doch dann war ihr etwas klar geworden – Bee hatte die Wahrheit gesagt. Ian, Ironhide oder wie auch immer er sich nennen mochte, hatte ihr glaubhaft präsentieren können, dass er in der Lage war, sich in einen Geländewagen und wieder zurück zu verwandeln, und daher hegte sie kaum noch einen Zweifel daran, dass Bee das ebenfalls konnte. Aber das bedeutet gleichzeitig… „Ich dachte, wir wären Freunde, verdammt!“ Wütend schlug sie die Faust gegen die Wand. „Aber nein, es stellt sich heraus, dass ihr eigentlich zwei mutierte Alienroboter seid, genauso wie mein Professor, und eigentlich nur auf mich aufpasst, weil ich… warum eigentlich?“ Argwöhnisch musterte sie die beiden Menschen, die sie gut zu kennen geglaubt hatte. „Was macht mich so wertvoll?“ Bee und Ian tauschten einen Blick. „Dein Vater, Sam Whitwicky…“, sagte Bee schließlich leise, „Er hat uns… vor langer Zeit, noch vor deiner Geburt, geholfen, vor den Decepticons etwas zu beschützen, das wir den AllSpark nennen… das mächtigste Artefakt, das unser Planet je hervorgebracht hat…“ „Eine Waffe.“, ergänzte Ian, „Zumindest in den falschen Händen, weißt du. Die Decepticons sind definitiv die falschen Hände.“ „Der AllSpark kann Leben spenden, aber seine Energie kann auch zur Zerstörung ganzer Planeten eingesetzt werden.“, fuhr Bee fort, „Dein Vater hat uns geholfen, die Zerstörung eures Planeten zu verhindern, indem er den AllSpark unschädlich gemacht hat… es sind nur zwei Splitter davon übrig geblieben. Einer wurde sicher in den Händen der Regierung aufbewahrt, doch der andere befand sich in der Obhut deines Vaters. Er hat ihn erst sehr viel später entdeckt, und als er ihn angefasst hat, na ja… wir wissen selbst nicht genau, was passiert ist, aber Ratchet hat vermutet, dass sich das Wissen und die Kraft des Würfels auf sein Gehirn übertragen hat. Auf jeden Fall wusste er… Dinge, die nicht einmal die meisten Autobots wussten, und das lockte die Decepticons bald wieder auf seine Fährte… lange Rede, kurzer Sinn, wir haben sie zwar besiegt, aber nicht getötet; nur ihren Anführer, der Rest ist geflohen. Aber sie kamen z-zurück.“ Lena entging nicht, dass Bees Stimme bei dem letzten Wort kaum merklich gezittert hatte. „Und sie haben meine Eltern getötet.“, beendete sie das Ganze an Bees Stelle, „Ich dachte, ihr währet so gute Freunde gewesen, ihr und meine Eltern! Warum habt ihr sie nicht beschützt?“ „Die Decepticons waren elf Jahre lang von hier verschwunden.“, sagte Bee. Schon wieder hatte sie ihre Unterlippe zwischen die Zähne gezogen; sie hatte die Fäuste so fest geballt, dass ihre Fingerknöchel bereits hervortraten. „Sie hatten… oder haben, das wissen wir nicht… wohl ein Versteck in der Nähe des Saturns, und da haben sie sich weiter entwickelt… sie konnten jetzt biologische Materialien reproduzieren.“ „Menschliches Fleisch.“, warf Ian ein, als Lena fragend die Augenbrauen hochzog, „Haut, Sehen, Knochen, Haare, das alles eben. Sie konnten sich in Menschen verwandeln, aber dennoch wieder zurücktransformieren – wir haben eine DNA, wie ihr auch, sie wird nur anders gespeichert… lange Geschichte. Ihre DNA blieb auf jeden Fall in ihren Zellen erhalten, und dadurch konnten sie sich zurücktransformieren.“ „Wir haben zu spät davon erfahren.“ Bees Stimme klang nun wieder gefasst, doch ihre Hände bebten, als sie weitersprach. „Wie gesagt, dein Vater war mein bester Freund… und ich habe bei euch gelebt. Du warst ein süßes kleines Mädchen.“, bemerkte sie mit einem Lächeln, „Der ganze Stolz deiner Eltern, weißt du.“ Doch das Lächeln verschwand von ihren Zügen. „An dem Tag, als ich deinen Vater darüber informiert habe, dass die Decepticons wohlmöglich bereits in menschlicher Gestalt auf der Erde unterwegs waren, warst du bei einer Freundin.“ Ihre Stimme war so leise, dass Lena sie kaum noch verstand. „Ich… ich weiß ihren Namen nicht mehr, Christie oder so ähnlich…“ Lena nickte schwach. „Ja, daran erinnere ich mich.“, sagte sie leise. Bees Mundwinkel bewegten sich in dem verunglückten Versuch eines Lächelns. „Dein… dein Vater schickte mich weg, um dich abzuholen. D-Da… muss Megatron ihn und deine Mum überrascht haben…“ Lena schloss die Augen. Ja, auch das wusste sie noch. „Lena! Auf der Straße steht der Wagen von deinem Dad!“ Christies Stimme klang durch den Flur; die kleine Lena sah von den Buntstiften auf, die auf dem Tisch lagen, und schob die Unterlippe vor. „Jaja, ich geh‘ ja schon.“ Sie verabschiedete sich von Christie und hüpfte die Treppe hinunter zu dem gelben Camaro, der dort wartete. Die Scheinwerfer blitzten auf; rasch ließ sie sich auf den Beifahrersitz gleiten, und noch bevor sie sich angeschnallt hatte, gab der Wagen Vollgas. „Bumblebee!“ Erschrocken quietschte das Mädchen auf, als der Wagen die Straße hinunter jagte. „Du hast mich nicht ins Haus gelassen, nicht wahr?“ Lena sah zu Bee auf. „Ich kann mich kaum erinnern…“ Bee schüttelte leicht den Kopf. „Nein.“, wisperte sie, „Sam… war mein Freund, mehr als ein Freund, und als ich… bei eurem Haus angekommen bin… die Haustür stand offen, und ich wusste ja…“ Unsanft wurde sie aus dem Wagen befördert; böse sah sie zu Bumblebee hoch, die sich gerade eben transformierte. „Was ist los? Ist was passiert?“ Sie drückte sich an Bumblebees Bein in dem Versuch, an ihr vorbei zu spähen, doch die Autobot schob sie erneut unsanft zurück. Dennoch war es dem Mädchen bereits gelungen, einen Blick auf das Haus zu werfen – die Haustür hing aus den Angeln. Ein ungutes Gefühl kroch in ihr hoch. „Bumblebee?“, flüsterte sie, „Bumblebee, ist was passiert?“ Bee schloss die Augen und das auf den Boden projizierte Bild verschwand. „Deine Mutter war schon tot.“, flüsterte sie schließlich, „Die Decepticons haben sie als erstes erwischt, schätze ich…“ Die junge Frau ballte erneut die Fäuste. „Ich war zu langsam; wenn ich schneller gewesen wäre, dann hätte Ratchet-“ „Weder du noch Ratchet hättet etwas ausrichten können.“ Ian sprach zwar ebenfalls leise, doch seine Stimme klang fest. „Vielleicht hätte es dich nur auch das Leben gekostet. Es waren zwei Decepticons, und mit einem von beiden ist selbst Optimus nur schwer fertig geworden.“ Lena ließ sich mit dem Rücken gegen die kalten Fliesen des Raumes sinken und barg das Gesicht in den Händen. „Was war mit meinem Vater?“, fragte sie schließlich kaum hörbar. Bee fuhr zusammen. „Er hat noch gelebt.“, flüsterte sie. „Bumblebee…“ Blutig gebissene Lippen zuckten in dem Versuch eines Lächelns. „Wo ist Lena…?“ „…in Sicherheit…“, spulten die Radiosender, „…Hilfe trifft bald ein…“ Bumblebees Optics registrierten eine Vielzahl von Verletzungen, und so optimistisch die Botschaft auch geklungen haben mochte, es würde noch eine Weile dauern, bis Ratchet hier eintraf. „M-Mikaela…“ Sams Finger zuckten krampfhaft, und Bumblebee begriff, dass es diesmal keine Rettung geben würde. Diesmal gab es keine Matrix, keine Primes, die ihnen zu Hilfe eilen würden; nicht einmal Ratchet und die restlichen Autobots würden rechtzeitig hier sein. „Ich bin mir sicher, es geht ihr gut.“, antwortete eine Hörspielstimme. Sams Augenlider bewegten sich schwach. „Lügner.“, flüsterte er. Er hustete; ein Blutstropfen sickerte aus seinem Mundwinkel. Erneut wurde sein Körper von Krämpfen geschüttelt; Bumblebee konnte ihn vor Schmerzen stöhnen hören. „Papa?“ Die helle Stimme eines Mädchens erklang – Bumblebee fuhr zusammen und sah Lena, die sich vorsichtig an der Tür vorbeitastete. Sams Hand schoss hoch; er streifte Bumblebees Bein. „Bring sie hier weg.“, flüsterte er, „Megatron… sucht nach ihr… du musst sie beschützen, du und Optimus… bitte…“ „Bei mir wird sie sicher sein.“ Eine zusammengestückelte Botschaft; wieder einmal verfluchte Bumblebee die Tatsache, dass ihre Kommunikation nur über die Radiosender möglich war. „Du wirst nicht deaktiviert.“, versuchte Bee es mit aufmunternden Worten, „Du kannst selbst auf sie aufpassen, wenn es dir besser geht.“ Sams Gesicht zeigte fast ein Lächeln. „Pass auf sie auf.“, wisperte er. Als Lena von dem Hologramm zu Bee aufsah, war ihr Gesicht vollkommen regungslos. Auf ihren Wangen zeigten sich Tränenspuren, doch ihre Stimme klang kalt und hart: „Wer hat ihn so zugerichtet?“ „Megatron.“, antwortete Ian ruhig. Bee selbst hatte den Kopf an Ians Schulter gelehnt und die Augen geschlossen; sie zitterte am ganzen Körper. Lena nickte langsam. „Und warum kann ich mich selbst nicht daran erinnern? Warum wusste ich nichts von euch?“ „Dafür hat Ratchet gesorgt.“, murmelte Ian, „Er hat… ich meine, es ist auf eurem Planeten recht bekannt, dass ihr Menschen dazu neigt, traumatische Ereignisse zu verdrängen… und er hat den Prozess ein bisschen verstärkt und ausgeweitet, sagen wir mal so…“ Lena nickte erneut, als habe sie nichts anderes erwartet. „Verstehe.“ Noch immer klang ihre Stimme ruhig. Ihr Blick wanderte zu Lennox hinüber. „Ich bin müde.“, sagte sie leise, „Kann man sich hier irgendwo hinlegen?“ „Na klar.“ Lennox seufzte leise, erhob sich jedoch. „Was ist mit euch beiden…?“, fragte er in Ians Richtung, doch dieser schüttelte nur leicht den Kopf. „Komm.“ Lennox hielt ihr die Tür auf, und Lena folgte ihm über den Flur zu einem weiteren Krankenzimmer. „Die beiden können dich wirklich gut leiden.“, bemerkte Lennox im Plauderton, „Immerhin riskieren sie seit… knapp zwölf Jahren ihr Leben für dich. Ehrenwort.“ Lena hob die Schultern. „Das Letzte glaub‘ ich Ihnen sogar.“, sagte sie leise und schloss die Zimmertür hinter sich. Kapitel 5: Fünf --------------- 29. September, Militärbasis Diego Garcia Ironhide fand Bumblebee am Rand des Stützpunkts. Noch immer hatte sie ihre menschliche Gestalt nicht abgelegt, sondern lag auf dem Rücken im Gras, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und starrte in den Himmel. Sie sah nicht einmal auf, als Ironhide neben sie rollte. Mit einem gedanklichen Augenrollen transformierte er sich. „Was ist los, Kleine?“ So unterschiedlich klang seine menschliche Stimme gar nicht, wie er feststellte; in seiner Autobot-Gestalt verzerrte sie sich nur. Bumblebee drehte nur den Kopf beiseite und antwortete nicht. Ironhide seufzte, transformierte sich ein weiteres Mal – diesmal in seine menschliche Gestalt – , legte ihr eine Hand unters Kinn und drehte ihren Kopf wieder zu sich. „Ist es wegen Lena? Die beruhigt sich schon wieder.“ Bee schwieg einen weiteren Augenblick, doch dann sah sie ihn an. „Ich bin ein Versager, nicht wahr?“ „Was?“ Verdutzt sah er auf sie hinunter. „Wie kommst du denn darauf?“ Nachdenklich fingerte Bee am unteren Saum ihres Shirts herum. „Ich konnte Sam und Mikaela nicht beschützen.“, sagte sie leise, „Gestern wäre Optimus beinahe getötet worden. Die Ärzte sagen, Lena hat eine leichte Gehirnerschütterung; also konnte ich nicht einmal auf sie aufpassen…“ „Schwachsinn.“ Ironhide fuhr sich durchs Haar – eine Geste, die er sich von den Menschen abgeschaut hatte – und warf Bumblebee einen strengen Blick zu. „Du bist ein guter Soldat. Optimus kommt schon wieder auf die Beine; er hat schon schlimmeres weggesteckt, wenn ich dich daran erinnern darf.“ „Mit Sams Hilfe.“, antwortete Bumblebee, „Wenn er diesmal stirbt, dann gibt’s keine Matrix, keinen AllSpark, gar nichts… dann ist er genauso tot wie Sam…“ Erneut wandte sie hastig den Blick ab. „Optimus ist bald wieder auf den Beinen, das wirst du schon sehen.“, sagte Ironhide fest, „Lennox hat hier verdammt gute Ärzte…“ „Er liegt im Koma!“, zischte Bee, „Megatron hat ihn fast umgebracht, wieder einmal! Und diesmal kann er sich nicht einfach in die Regenerationsphase verabschieden und von Ratchet zusammenschrauben lassen, denn der hat, was Menschen angeht, so gut wie keine Mittel! Was ist, wenn er nie wieder aufwacht?!“ „Er wird aufwachen. Und Lena kriegt sich wieder ein – Sam war ja anfangs auch, ähm, überrascht…“ „Sam wurde aber nicht sein halbes Leben lang von uns reingelegt, um dann zu erfahren, dass sich Alienroboter in sein Hirn geklinkt und seine Erinnerungen manipuliert haben!“ Sie erhob sich und wollte gehen, doch Ironhide griff nach ihrem Arm. „Lena ist ein schlaues Mädchen.“, sagte er sanfter als es für ihn normalerweise üblich war, „Sie erinnert dich an Sam, nicht wahr?“ Bumblebee biss sich auf die Unterlippe. „Ja.“, flüsterte sie dann schließlich, „S-Sehr… wie sie redet, und… ihre Augen…“ „Ich weiß.“ Ironhide ließ ihren Arm wieder los. „Aber genau deshalb kommt sie bestimmt auch bald wieder zu Verstand. Wir müssen nur… in aller Ruhe mit ihr reden, okay? Und wenn Optimus aufwacht, dann redet er auch mit ihr…“ Irritiert stellte er fest, dass seine beruhigend gemeinten Worte wohl ihren Zweck nicht erfüllten. Erneut wandte Bumblebee den Kopf ab; sie blinzelte hastig. „He…“ Wohlmeinend tätschelte er ihr etwas unbeholfen die Schulter. „Wir kriegen das schon wieder hin… oder ist sonst noch irgendetwas nicht in Ordnung?“ Bee verschränkte die Arme, drehte sich jedoch nicht wieder zu ihm; ihre Schultern zitterten. Ironhide seufzte leise und legte kurzerhand einen Arm um sie. „Was ist denn noch, Kleine?“, fragte er leise. „Ich habe Angst.“ Bees Stimme klang halb erstickt, doch sie löste sich nicht von ihm. „Ich weiß, das sollte ich nicht… ich sollte derjenige sein, der Lena beschützt, aber wie soll ich das machen, wenn ich mich gleichzeitig vor Angst übergeben könnte?“ Sie biss sich auf die Unterlippe und lehnte den Hinterkopf gegen ihn. „Ich will sie nicht auch noch verlieren, Ironhide.“, murmelte sie, „Aber wir wissen ja nicht einmal, wie wir die Decepticons in menschlicher Gestalt erkennen sollen… wie soll ich da-“ Behutsam strich Ironhide ihr durch das dichte, blonde Haar. „Du bist ein guter Soldat.“, sagte er leise, „Du hast deine Sache bisher immer gut gemacht. Und ich bin ja auch noch da, um auf dich aufzupassen… ich passe auf dich auf. Versprochen…“ Sehr viel weiter kam er nicht, denn Bumblebee drehte sich ruckartig zu ihm um, lehnte die Wange an seine Schulter und er spürte, wie etwas Feuchtes in sein Hemd rann. „Du hast ein Leck.“, sagte er vorsichtig, „Vielleicht sollte Ratchet…“ Bumblebee schniefte leise, sah jedoch zu ihm hoch. Auf ihrem Gesicht waren die gleichen silbrigen Spuren zu erkennen, die er gestern Abend bei Lena hatte feststellen können. „Du hast in zwölf Jahren nicht das Geringste über die menschliche Anatomie gelernt, oder?“, murmelte sie. Ironhide grinste verlegen. „Nicht so wirklich… wieso?“ „Ach, vergiss es.“ Sie fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht und trat hastig einen Schritt zurück. „Ich… werd‘ nach Lena sehen.“, sagte sie mit einem fahrigen Lächeln, „Wir… wir sehen uns.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte in Richtung des Stützpunktes. „Sei vorsichtig!“, rief Ironhide ihr nach, „Der neue Chef von Sektor 7 wollte heute vorbeischauen!“ Gänzlich verwirrt ließ er sich ins Gras sinken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Als Lena erwachte, verriet ihr ein Streifen rötlichen Lichtes, der durch die Jalousien fiel, dass gerade die Sonne aufging. Es dauerte eine Weile, bis sie wusste, wo sie sich befand, doch dann kehrte mit einem Schlag die Erinnerung zurück, und sie saß kerzengerade im Bett. Rasch ließ sie sich von der Matratze gleiten, schlüpfte in ihre Schuhe und band die Schnürsenkel nur locker zu. Je eher sie von hier und aus der Reichweite dieser Irren verschwand, desto besser. Alienroboter… sprechende Autos… Und noch dazu der Mord an ihren Eltern, für den diese haarsträubende Erklärung herangezogen worden war. Sie presste in bester Whitwicky-Manier die Lippen zusammen und öffnete so leise wie möglich die Tür zum Flur. Dort war es dunkel; zum Glück war weder links noch rechts auf dem Gang eine Schwester zu erkennen. Stumm huschte sie über den Flur, öffnete die erstbeste Zimmertür und schloss diese hinter sich ebenso hastig wieder. So weit, so gut. Vielleicht hatte sie von hier ja einen günstigen Blick auf den Hof, sodass sie die Wachen patrouillieren sehen konnte… Sie drehte sich um – und ihr blieb fast das Herz stehen. „Professor Parish!“, keuchte sie und war für einen Augenblick versucht, den Raum auf der Stelle wieder zu verlassen; dann jedoch wurde ihr klar, dass der Mann auf dem Bett sie wohl kaum hören konnte. Offenbar hatte Bee gestern richtig gelegen, als sie etwas von Koma gesagt hatte; Parish war ganz offensichtlich in tiefe Bewusstlosigkeit versunken. Zaghaft trat Lena etwas näher. Du solltest gar nicht hier sein., knurrte ihr Unterbewusstsein, Sieh lieber zu, dass du von hier verschwindest, und zwar auf der Stelle! Das einzige Geräusch im Zimmer war das leise Piepen der Monitore, und die flachen, aber stetigen Atemzüge des Mannes vor ihr. Sein ganzer linker Arm war bandagiert, soweit sie das überblicken konnte, und ebenso ein Großteil seines Brustkorbs. Eine undefinierbare Flüssigkeit tropfte durch einen Plastikschlauch, und die Linien auf dem Bildschirm verrieten ihr, dass Parishs Herz äußerst regelmäßig schlug. Optimus hatte Bee ihn genannt… „Tja…“, murmelte sie, während sie sich über ihn beugte, „Freut mich, Sie kennen zu lernen, Mr… wie auch immer Sie nun heißen mögen…“ Als sie sich aufrichtete, spürte sie, wie ihr schwindlig wurde; rasch ließ sie sich auf einen Stuhl in der Nähe des Bettes sinken. Gedankenverloren zeichnete sie mit einer Fingerspitze das Muster im Stoff des Bettlakens nach. „Sie sind also auch einer von diesen Alienrobotern, ja?“, sagte sie plötzlich leise – in ihr keimte der Impuls auf, die fast bedrückende Stille des Raumes irgendwie zu unterbrechen, obwohl ihr durchaus klar war, dass sie keine Antwort zu erwarten hatte, „Dann kennen Sie die Geschichte wohl, die Bee mir aufgetischt hat…“ Sie lehnte sich im Stuhl zurück und betrachtete das Gesicht des Mannes, den sie bis gestern noch für ihren Astronomie-Professor gehalten hatte. „Sie sehen jedenfalls nicht nach Roboter aus. Das tut Bee allerdings auch nicht… zumindest die meiste Zeit über…“ Unwillkürlich zuckte ein halb verrutschtes Lächeln über ihr Gesicht. „Immerhin scheint sie die Wahrheit gesagt zu haben, als sie gesagt hat, sie sei ein Freund von meinem Dad gewesen… sie wirkte ganz schön mitgenommen…“ Ihr müsst sie beschützen, du und Optimus…, hatte ihr Vater geflüstert. „Sie kannten meinen Vater wohl auch, oder? Waren Sie auch ein Freund von ihm?“ Selbstverständlich kam keine Antwort. „Na ja.“, murmelte sie, „Wahrscheinlich hat sie eh nur deshalb für mich den Leibwächter gespielt.“ Sie tippte mit den Fingern auf dem Rand der Matratze herum. „Ich meine, ich würd‘ nicht zwölf Jahre lang für irgendein Kind den Leibwächter spielen… na ja, vielleicht doch…“ Sie erhob sich und trat zum Fenster hinüber. Die Sonne war inzwischen fast vollständig aufgegangen. „Ich verstehe nicht, was hier vorgeht.“, sagte sie schließlich und drehte sich wieder um, „Ich meine, wenn ihr unbedingt meint, ihr müsstet euch hier einen Krieg mit diesen… Decepticons liefern, dann bitte schön, aber was hat denn meine Familie damit zu tun? Ich könnte mir vorstellen, dass mein Dad auch nicht gerade ‚hier!‘ geschrien hat, als nach einem Idioten gesucht wurde, in dessen Kopf sich das Wissen eines Alienartefakts verpflanzen lässt.“ Sie fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. „Und selbst wenn, dann hab‘ ich damit doch nichts zu tun…“, murmelte sie, „Ich bin kein wandelnder AllSpark, oder wie auch immer das Ding hieß.“ Nachdenklich durchquerte sie den Raum erneut und nahm wieder neben dem Bett Platz. „Haben Sie diesen Freaks gesagt, sie sollen mein Gedächtnis manipulieren?“, fragte sie schließlich, „Bee hat von Ihnen gesprochen, als wären Sie da ein ziemlich hohes Tier…“ Sie stützte die Ellbogen auf die Bettkante. „Ich hab‘ Ihr Gespräch mit den beiden belauscht.“, sagte sie leise, „Im Hörsaal, meine ich... und ich hab‘ tatsächlich geglaubt, da liefe was zwischen Ihnen und ihr…“ Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. „Diese Decepticons…“, murmelte sie, „Die sind immer noch hinter mir her, oder? Und ich nehme an, das werden sie auch sein, wenn ich von hier verschwinde… also kann ich wohl nicht einfach da weitermachen, wo ich aufgehört hab‘ – wie auch, das College liegt in Trümmern…“ Ihr Blick wanderte über das Gesicht des Mannes, und es versetzte ihr unwillkürlich einen Stich, als sie die Kratzer, Schrammen und Blutergüsse bemerkte, die der Decepticon dort hinterlassen hatte. „Da steckt doch mehr hinter, oder?“, fragte sie langsam, „Ich meine, ich glaube nicht, dass Sie und Ihre… Freunde über Jahre hinweg so eine Show abziehen, nur weil Sie mit meinen Eltern befreundet waren, oder…? Sie glauben doch nicht im Ernst, ich sei der biologische Abklatsch Ihres… AllSpark?“ Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, aber ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht helfen.“, sagte sie leise. Unwillkürlich wanderte ihr Blick erneut auf sein Gesicht hinunter, doch sie wandte hastig den Blick ab und erhob sich. Gerade eben hatte sie die Tür geöffnet, doch eine Stimme auf dem Flur hielt sie zurück. „Lennox!“ Hastig schloss sie die Tür wieder, lehnte sie jedoch nur an. Die Stimme des Mannes auf dem Flur klang nicht gerade sympathisch. „Colonel Lennox.“, korrigierte Lennox mit kaum merklicher Schärfe in der Stimme, „Und Sie sind?“ „Sean Henderson, Sektor 7.“, antwortete der Angesprochene, „Der Präsident schickt mich…“ „Das dachte ich mir.“ Lennox klang alles andere als amüsiert. „Und warum, wenn ich fragen darf?“ „Der Präsident ist… besorgt.“ Das süffisante Lächeln auf den Zügen des Mannes war aus seiner Stimme deutlich herauszuhören. „Wegen dem, was in San Francisco geschehen ist… im Senat ist erneut die Frage aufgekommen, ob es nicht viel sinnvoller für uns ist, wenn wir dafür sorgen, dass die sogenannten Autobots auf der Stelle von unserem Planeten verschwinden.“ „Sie wissen ganz genau, dass die Decepticons nicht wegen der Autobots das College angegriffen haben.“ Lennox fixierte den Mann vor sich wütend. „Sie waren hinter Lena her, und wenn die Autobots sie nicht mehr beschützen, dann werden sie das Mädchen töten!“ Lena zuckte hinter der Tür zusammen. Anscheinend würde es sich doch nicht so einfach gestalten, zu verschwinden, wie sie gedacht hatte. „Das bedeutet also, wenn sie den Stützpunkt verlässt, ist sie in Gefahr, nicht wahr?“, fragte Henderson. „In tödlicher.“, bestätigte Lennox. Argwöhnisch betrachtete er den Mann vor sich. „Worauf wollen Sie hinaus?“ „Wenn das Mädchen in Gefahr ist, dann gehört sie in sichere Obhut, nicht wahr?“, fuhr der Agent fort, „Demzufolge ist es die Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, dass sie in solche übergeht.“ „Sie ist in sicherer Obhut.“, gab Lennox zurück, „Ich arbeite seit fünfundzwanzig Jahren für NEST, und wir haben uns stets bewährt…“ „Bis auf den tragischen Tod von Samuel James Whitwicky und seiner Frau.“ Lena fuhr zusammen; der Agent lächelte zufrieden, als sich Lennox‘ Augen verengten. „Das waren zufälligerweise die Eltern des Mädchens, oder?“, setzte Henderson seinen Satz fort, „Woher wollen Sie da wissen, ob Sie nicht auch bei ihrer Tochter versagen? Nein, Colonel Lennox, darauf ist der Präsident nicht gewillt, sich zu verlassen. Er sähe es viel lieber, wenn Sektor 7 sich ihrer annähme.“ „Und was hieße das?“, knurrte Lennox, „Sie sperren sie in irgendein Labor, versuchen, ihr den AllSpark aus dem Kopf zu operieren und schicken Sie anschließend unter irgendeinem Vorwand nach Guantanamo oder Alcatraz, damit sie da… wie haben Sie’s formuliert? Damit sie da in sicherer Obhut ist?“ Lena schauderte; lautlos schloss sie die Tür wieder und lehnte die Stirn dagegen. Großer Gott… Sie drehte sich wieder zum Bett um und schlug die Hände vor das Gesicht. „Na wunderbar.“, flüsterte sie. Nervös begann sie, im Raum auf und ab zu gehen, doch schließlich nahm sie wieder neben dem Bett Platz und stützte den Kopf in die Hände. „Und was jetzt?“, fragte sie mit einem Blick auf den reglosen Mann auf dem Bett, „Stand das auch in Ihrem Plan? Schaffen Sie mich aus dem Weg, wenn ich nicht mehr zu gebrauchen bin, oder zu gefährlich für die Menschheit oder was auch immer?“ Mein Vater hatte ein Alienartefakt im Kopf, und deshalb will mich die Regierung zusammen mit ein paar Robotern aus dem All aus dem Weg schaffen. Sie rieb sich über den Nasenrücken und atmete tief durch. „Aber das ist nicht vererbbar oder sowas, oder? Ich meine – ich bin nicht mein Vater… ich hab‘ nicht die leiseste Ahnung, was diese Dinger von mir wollen…“ Langsam fuhr sie mit zwei Fingern die Bettkante entlang. „Ian und Bee haben beide gesagt, es wäre ihnen am liebsten gewesen, wenn ich das Ganze von Ihnen erfahren hätte… also scheinen Sie ja doch einiges zu sagen zu haben, nicht wahr? Vielleicht hört dieser Freak ja auf Sie und schickt mich nicht nach Guantanamo…“ Obwohl er bewusstlos war, strahlte Parish noch immer eine seltsame Gelassenheit aus; Lena spürte, wie diese langsam von ihr Besitz ergriff. Die Jungs hier scheinen es mit dem Beschützen trotzdem ziemlich ernst zu meinen… „Lena?“ Eine leise Stimme von der Tür ließ sie zusammenzucken. Bee stand dort. Zwar hatte die junge Frau Jeans und Shirt gegen Armeekleidung eingetauscht, doch das verlegene, halb zurückhaltende Lächeln in ihrem Gesicht war dasselbe geblieben. „Ich hab‘ nach dir gesucht…“ „Kann ich mir vorstellen.“ Lenas Stimme klang härter, als sie gewollt hatte; ruckartig stand sie auf. „Was ist?“ „Ich will mich bei dir entschuldigen.“ Verdutzt blieb Lena stehen. „Was?“ „Ich will mich entschuldigen.“, wiederholte Bee zaghaft, „Für das Versteckspiel und… dass es gestern auf diese Art und Weise ans Licht gekommen ist…“ „Zumindest für das gestern konntest du ja nichts.“, antwortete Lena leise. Bee kam vorsichtig etwas näher. „Aber… aber der Rest tut mir auch leid.“, fuhr sie fort, „Wir dachten nur, es… sei vielleicht besser, wenn du nicht mit all dem Wissen aufwächst… Optimus meinte, du hättest das Recht auf eine unbeschwerte Kindheit… so unbeschwert wie möglich…“ Lena musste zugeben, dass sie im Grunde Recht hatte. Ihr gefiel der Gedanke nicht, dass die andere Möglichkeit gewesen wäre, sie auf einem Stützpunkt wie diesem aufwachsen zu lassen, wohlmöglich in Angst und mit der Erinnerung an den Tod ihrer Eltern… „Wann hattet ihr denn vor, mich einzuweihen?“, knurrte sie. Bee verzog das Gesicht. „Eigentlich hatten wir gehofft, du erfährst es nie.“, sagte sie vorsichtig, „Wir wollten nicht, dass du in Angst und Schrecken leben musst…“ „Was, nie?!“ Neue Wut keimte in Lena auf. „Und wenn ich irgendwann selbst mal Kinder gehabt hätte? Was wäre dann gewesen, hätten die dann auch imaginäre Freunde bekommen, die sich irgendwann als ihre Leibwächter entpuppen, oder hätte irgendwann ein Killerroboter bei mir an die Tür geklopft, wie bei meinen Eltern?!“ „Ich bin nicht nur dein Beschützer, ich bin auch deine Freundin.“, antwortete Bumblebee, „Ich kann dich gut leiden, Lena, wirklich. Und Ian geht es genauso, glaube ich…“ Sie trat auf die andere Seite des Bettes und warf einen Blick auf den Mann namens Optimus hinunter. „Ich hab‘ ein Gespräch zwischen Lennox und irgendeinem Agenten belauscht.“, platzte Lena heraus, „Er kam von irgendso einer Spezialeinheit, Sektor 7 oder so ähnlich, und er meinte…“ „…du wärst ein Sicherheitsrisiko und gehörtest in menschliche Obhut?“ Bumblebee grinste, doch es sah mehr nach einem Haifisch aus. „Das behaupten die von uns schon seit ungefähr fünfundzwanzig Jahren, weißt du. Als wir das erste Mal mit denen zu tun hatten, fand ihr damaliger Chef, ich sei ein derartiges Sicherheitsrisiko, dass er es vorzog, mich mit Stickstoff einzufrieren und als Versuchskaninchen zu nutzen. Optimus war nicht erfreut, und seitdem ist das Verhältnis… getrübt, sagen wir so.“ Lenas Blick schwankte zwischen Entsetzen und Abscheu. „Was zum Teufel sind das für Leute?!“ Bee zuckte die Schultern. „Sie unterstehen direkt dem Präsidenten, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass der nicht einmal die Hälfte von dem weiß, was sie tun… Nachdem wir die Decepticons das erste Mal besiegt hatten, wurde ihre Abteilung zwar aufgelöst, aber kurz vor deiner Geburt fand der damals amtierende Präsident wohl, sie könnten wieder nützlich sein. Seitdem behindern sie Lennox und seine Leute bei der Arbeit und beobachten uns mit Argusaugen.“ Bee stützte sich auf die Bettkante und sah Lena an. „Keine Sorge, Lennox wird dich denen nicht überlassen.“, sagte sie mit einem Lächeln, „Und wir werden das auch nicht zulassen. Wenn Optimus erstmal wieder auf den Beinen ist, dann brauchst du dir um nichts mehr Sorgen zu machen.“ Lenas Blick wanderte erneut auf den Mann im Bett hinunter. „Optimus…“, murmelte sie, „Ist er sowas wie euer Anführer?“ „Er ist mein General.“ In Bees Stimme schwang deutlicher Stolz mit. „Der einzige von uns, der noch auf Cybertron geboren wurde. Er ist ein Held, und er ist ein direkter Nachfahre der Primes.“ „Der was?“ Lena zog eine Augenbraue hoch. „Was ist ein Cybertron?“ „Das ist… war unsere Heimatwelt.“, antwortete Bee, „Ich kann dir nicht allzu viel darüber erzählen, nur das, was mir Optimus und die anderen beigebracht haben… der AllSpark war die einzige existierende Chronik unserer Rasse, weißt du. Seit seiner Zerstörung ist auch das Wissen, das in ihm lag, verborgen – oder besser gesagt transformiert. Wir vermuten, dass dein Vater dieses Wissen an dich weitergegeben hat.“ „He, ganz langsam!“ Abwehrend hob Lena die Hände. „Ich weiß überhaupt nichts über euren Planeten, klar? Und mein Vater hat mir auch nie davon erzählt.“ „Das nicht.“, antwortete Bee geheimnisvoll, „Aber da sich das Wissen des Würfels in seinen Kopf transformiert hat, wäre es durchaus vorstellbar, dass es nach seinem Tod auf dich übertragen wurde… aber keine Sorge, wir haben nicht vor, es aus deinem Kopf zu saugen oder sowas in der Art.“ Lena grinste müde. „Herzlichen Dank. Und was bitte ist ein Prime?“ „Unsere Urahnen.“ Nachdenklich sah Bee auf Optimus hinab. „Darüber könnte dir Optimus wohl mehr erzählen als ich… da bin ich nicht gerade ein Experte…“ Sie warf Lena einen Blick zu. „Was du gehört hast… was dieser Agent gesagt hat, meine ich, ging es da auch um uns…?“ Lena schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Wieso?“ „Ich mache mir Sorgen.“, murmelte Bee. Ihr Blick glitt über die Monitore, die Optimus‘ Herzschlag anzeigten. „Wenn die Decepticons sich in Menschen verwandeln können, dann hatten sie fünfzehn Jahre Zeit, um jemanden bei Sektor 7 einzuschleusen, der hier beinahe tun und lassen kann, was er will, wenn Lennox ihn oder sie nicht davon abhält… und jetzt, wo Optimus so schwer verletzt ist…“ „Könnt ihr euch nicht selbst heilen…?“ Lena sah zu Bee auf. „Wie läuft das bei euch?“ Bee lächelte. „Bis zu einem gewissen Grad hin… wir sind nicht so zerbrechlich wie ihr. Aber wenn wir schwer verletzt werden, können wir unsere Systeme herunterfahren und in einen Regenerationszustand übergehen… das heilt uns zwar nicht, aber konserviert uns gewissermaßen, bis wir behandelt werden können. Und das übernimmt dann Ratchet.“ „Der Krankenwagen aus dem Hangar, nicht wahr?“, murmelte Lena, und Bee nickte. Sie warf einen weiteren Blick aus dem Fenster. „Was hältst du davon, wenn wir dir sowas wie Frühstück besorgen, hm?“, fragte sie, „Du musst hungrig sein… und ich denke, dass du noch einiges an Fragen hast…“ Kapitel 6: Sechs ---------------- „Wo ist das Mädchen?“ Es fühlte sich gut an, das pulsierende Blut des Anderen unter seinen Fingern zu spüren, und zu beobachten, wie er nach Luft schnappte, als sich Megatrons Finger in seine Kehle gruben. „Die Autobots haben sie mitgenommen!“, presste Starscream hervor, „Zu ihrem Versteck, wo auch immer das sein mag-“ Mit einem Knurren ließ Megatron ihn fallen. Starscream sackte zu Boden, verzog das Gesicht und rieb sich den Hals. „Und was jetzt? Das Militär sucht wohl noch nach uns…“ „Das Militär sucht nach zwei Decepticons.“, korrigierte Megatron, „Nicht nach zwei besorgten Bürgern…“ Er packte die Schulter seines Untergebenen und zog ihn auf die Beine. „Du wirst dich zur nächsten Polizeistation begeben und nach der kleinen Lena erkundigen… lass dir einen Grund dafür einfallen.“ Nachdenklich fuhr er sich über das Kinn. „Mit etwas Glück ist Optimus Prime inzwischen nicht mehr am Leben, aber darauf werde ich mich nicht verlassen…“ Sein Blick traf erneut Starscream, der versucht hatte, sich möglichst ungesehen davon zu schleichen. „Erkundige dich auch nach ihm, oder besser gesagt, nach seiner menschlichen Identität… wenn ihn die Menschen in ihrer Naivität in irgendeinem Krankenhaus untergebracht haben, dann kümmere ich mich persönlich darum.“ Neugierig beobachtete Lena, wie Bee einen Becher Kaffee an die Lippen setzte. „Ernährt ihr euch von menschlicher Nahrung?“ Bee setzte den Becher ab und legte den Kopf schief. „Wenn’s nötig ist…“, antwortete sie und grinste, „Schmeckt auf jeden Fall besser als das, was ich sonst zu mir nehmen könnte.“ „Und ist bei den heutigen Benzinpreisen vermutlich billiger…“, bemerkte Lena. Ihr Blick glitt durch den Raum. Es herrschte bereits ein recht reges Treiben in der Kantine, sodass Bee und sie kaum weiter auffielen – zumindest Bee nicht, doch da Lena selbst noch immer ihre Zivilkleidung trug, stach sie heraus wie der sprichwörtliche bunte Hund. „Du weißt nicht zufällig, wo ich etwas zum Anziehen herbekomme?“ „Klar.“ Bee erhob sich und der inzwischen leere Kaffeebecher wanderte in den Müll. „Komm mit.“ Während Lena ihr über den Flur folgte, wurde ihr klar, dass ihr Wunsch, auf der Stelle von hier zu verschwinden, nach dem von ihr belauschten Gespräch fast vollständig verflogen war. Anscheinend drohte ihr außerhalb dieses Stützpunktes entweder der Tod oder eine Zukunft in irgendeinem Regierungsgefängnis, wo man sie „beaufsichtigen“ konnte, und das waren beides keine Alternativen, die sie in Erwägung zog. Zwar glaubte sie nicht daran, dass die hier stationierten Marines ihren Feinden etwas entgegen zu setzen hatten – acht bis zwölf Tonnen Stahl ließen sich nicht mit einer 9-Millimeter erledigen – doch wenn sie schon starb, dann wenigstens bei Leuten, die sie kannte, und denen sie mehr oder minder vertraute. Zumindest blieb ihr wohl nichts anderes übrig, wie sie resigniert feststellte, als sie die Sachen überstreifte, die Bee ihr herausgelegt hatte. Und dann war da immer noch die Tatsache, dass Parish oder Optimus oder wie auch immer sie ihn nun nennen sollte laut Bee sein Leben für sie riskiert hatte. So verwirrt und neben sich Lena im Augenblick auch stehen mochte, undankbar war sie nicht. „Ich glaube nicht, dass ich mein Studium hier weiter machen kann, oder?“, fragte sie schließlich, nachdem sie sich eine Weile lang kritisch in einem kleinen Spiegel begutachtet hatte. Sie sah blass und mitgenommen aus – kein Wunder – und nach der letzten fast vollständig durchwachten Nacht zeigten sich bereits Schatten unter ihren Augen. Mit einem leisen Seufzen zupfte sie sich den hellbraunen Pferdeschwanz zurecht und drehte sich wieder zu Bumblebee um. „Nein, ich fürchte nicht.“, antwortete diese, „Aber irgendwas wird sich schon finden lassen, um dich zu beschäftigen… ich kann dir den Stützpunkt zeigen, das hier ist wie eine kleine Stadt, wir haben sogar ein Kino… und ich kann dir den Rest vorstellen…“ „Den Rest?“ Lena hob eine Augenbraue. „Wie viele gibt es denn hier noch von euch?“ Bee überlegte kurz. „Optimus, Ironhide – Ian – und mich natürlich… ansonsten noch Ratchet, aber den kennst du ja auch schon… Sideswipe, Arcee, die Zwillinge… und Wheelie natürlich, aber bei dem weiß man nie so genau, wo er steckt. Er ist ziemlich klein.“, fügte sie hinzu, als Lena sie verwirrt ansah, „Ich meine, er ist wirklich klein, hat sich früher in ein ferngesteuertes Auto verwandelt… du weißt schon, eins von diesen Modellautos. Na ja, bis er deiner Mutter über den Weg gelaufen ist jedenfalls.“ Sie sprach nicht weiter, doch das Zucken in ihren Mundwinkeln sagte bereits einiges aus. „Dein Vater konnte ihn jedenfalls nicht allzu gut leiden.“, fügte sie hinzu. Lena beeilte sich, zu ihr aufzuholen, als Bee mit raschen Schritten den Gang hinunter zum Ausgang lief. „Es ist Lena!“ Etwas kleines, Silbernes raste auf sie zu, und bevor Lena ihm ausweichen konnte, hatte der kleine Roboter ihr Bein bereits umschlungen und sich festgekrallt. „Du bist es! Du bist es wirklich, Kind, lass dich anschauen, ganz wie ihre Mutter…“ Er gab ein schnurrähnliches Geräusch von sich. „Ganz wie die Kriegsgöttin, ja…“ „Äh… aha.“ Behutsam entwand Lena den Stoff ihrer Hose seinen Fingern. „Ich nehme an, dann bist du Wheelie…“ Hinter dem Rücken des Roboters verdrehte Bee die Augen und hob die Schultern. Der Winzling strahlte, soweit man das erkennen konnte, transformierte sich und raste in den Hangar zurück, wo er die Neuigkeit anscheinend lautstark verkündete. Lena verzog das Gesicht. „Was um alles in der Welt…“ „Er, äh, konnte deine Mutter sehr gut leiden.“, antwortete Bee mit einem verlegenen Grinsen, „Hat sehr an ihr gehangen, ja…“ „Was ist mit seinem Auge passiert?“, fragte Lena, der die kaputte Stelle nicht entgangen war. „Oh, das war deine Mutter. Mit einem Schneidbrenner. Schau nicht so entsetzt; er war früher ein Decepticon…“ „A-Ah ja.“ Lena unterdrückte den Impuls, sich an die Stirn zu fassen, sondern folgte Bee langsam auf das Hangartor zu. „Lena!“ Sie blieb stehen und sah mit fragendem Blick zu Lennox hinüber, der in einiger Entfernung mit raschen Schritten auf sie zu kam, in Begleitung eines Mannes, den Lena nicht kannte. Bee schürzte die Lippen. „Oh-oh.“, sagte sie leise, „War ja nur eine Frage der Zeit…“ Schnell hatten Lennox und der Fremde zu ihnen aufgeholt. „Guten Morgen.“, begrüßte sie Lennox, der kaum merklich außer Atem war, „Lena, das ist Agent Sean Henderson von Sektor 7. Er möchte auf der Stelle mit dir reden.“ „Ich lass‘ sie nicht aus den Augen.“, antwortete Bee an Lenas Stelle, bevor diese auch nur dazu kam, den Mund aufzumachen. Henderson hob eine Augenbraue und betrachtete Bee von Kopf bis Fuß. „Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“ Bee verschränkte die Arme. „Ich gehöre zu den Autobots, denen Sie Asyl auf Ihrem Planeten gewähren.“, antwortete sie, „Ich bin seit fast fünfzehn Jahren mit ihrem Schutz beauftragt, und ich habe nicht vor-“ „Dann versichere ich Ihnen, dass Lena von unserer Seite aus keine Gefahr droht; Ihre Dienste werden nicht länger benötigt und Ihre Anwesenheit ist somit nicht mehr erforderlich, vielen Dank. Lennox, haben Sie nichts zu tun?“ Lena wa r ebenso wie Bee viel zu perplex, um etwas zu antworten, als der Agent kurzerhand ihren Ellbogen packte und sie mit sich zurück in Richtung des Gebäudekomplexes zog. „Was erlaubt sich dieser-“ Bee setzte dazu an, den beiden zu folgen, doch Lennox legte ihr eine Hand auf den Arm. „Bring dich nicht in Schwierigkeiten, damit ist keinem geholfen.“, sagte er leise, „Ich glaube, Lena wird schon mit ihm fertig… du kennst die Typen doch. Große Klappe und ziemlich wenig dahinter. Wir haben andere Sorgen.“ Noch immer hatte Bee die Arme verschränkt, doch nach einem letzten Blick auf Lena, die ganz und gar nicht glücklich mit der Situation wirkte, wandte sie sich ruckartig Lennox zu. „Wo liegt das Problem?“ „Das Problem liegt nicht darin, dass Henderson sich Lena geschnappt hat, sondern in dem, was dieser Wahnsinnige noch vorhat.“ Lennox ließ Bees Arm los und trat einen Schritt zurück. „Zum Beispiel ist er fest davon überzeugt, dass man euch verbieten müsste, menschliche Gestalt anzunehmen. Er sagt, die amerikanischen Bürger hätten ein Recht darauf, es zu erfahren, wenn sich Alienroboter in ihren Städten herumtreiben…“ „Oh, na klar, dann transformiere ich demnächst überhaupt nicht mehr und treibe mich trotzdem in euren Städten herum, mal schauen, wie er das findet!“, knurrte Bee, „Simmons, möge sein Spark in Frieden ruhen, war ja schon nervtötend genug, aber dieser Kerl ist mir schon unsympathisch, obwohl ich ihn gerade einmal vier Stunden kenne!“ „War Simmons doch auch, oder?“, antwortete Lennox mit einem müden Grinsen, „Sogar noch viel eher, wenn ich mich da recht entsinne… na ja. Im Augenblick bleibt uns aber nichts anderes übrig, als ruhig zu bleiben und ihn nicht zu verärgern, hast du verstanden? Sag das auch den anderen… ich traue Ironhides Temperament da nicht so ganz. Und am besten stellt ihr eine Wache vor Optimus‘ Tür ab; vielleicht haben wir Decepticons in menschlicher Gestalt auf der Basis, und ich glaube, das täte Optimus in seinem zurzeitigen Zustand gar nicht gut.“ Bee nickte schwach. „Ich werd’s ausrichten.“, murmelte sie. Ein herrlicher Morgen… „Ich möchte Ihnen mein verspätetes Beileid aussprechen.“ Lena zog die Augenbrauen zusammen. „Weshalb?“ „Ich habe diese Position erst seit kurzem inne, und Colonel Lennox hat mir erzählt, was mit Ihren Eltern geschehen ist. Ich bin mir sicher, Sektor 7 hätte Ihre Familie ins Zeugenschutzprogramm aufnehmen können…“ „Haben Sie aber nicht.“, entgegnete Lena knapp, „Was wollen Sie?“ „Eigentlich bin ich nur hier, um mit Ihnen über unsere zukünftige Zusammenarbeit zu sprechen.“ Henderson lächelte, doch das Lächeln schien nicht ganz bis zu seinen Augen zu reichen. „Ich hoffe doch, dass Sie sich kooperativer zeigen als Ihr Vater.“ Sein Blick wanderte kurz zu Bee und Lennox, die in einiger Entfernung vor dem Hangar standen und sie argwöhnisch beobachteten. „Leider war Ihr Vater, wie soll ich sagen, nicht immer bereit, mit uns so zusammen zu arbeiten, wie es nötig gewesen wäre…“ „Wenn Sie gerade Experimente an seinen Freunden durchgeführt haben oder versucht haben, die Autobots von diesem Planeten zu verbannen, um damit den Robotern, die mich töten wollen, freie Bahn zu schaffen?“ Lena verschränkte die Arme vor der Brust, um das nervöse Zittern ihrer Fingerspitzen zu verbergen. Henderson schüttelte den Kopf und schnalzte bedauernd mit der Zunge. „Es gab einige höchst bedauerliche Missverständnisse, als wir uns das erste Mal an Ihren Vater gewandt haben, das ist wohl wahr… aber das kann man uns beiden wohl kaum zur Last legen, hm?“ Er lachte, doch Lena grub nur die Fingernägel in ihre Oberarme. „Was erwarten Sie von mir, Agent Henderson?“ Henderson kam einen Schritt näher und Lena widerstand mit Mühe dem Impuls, zurückzuweichen. „Ich erwarte, dass Sie kooperieren.“, sagte er bedrohlich leise, „Besonders, was dieses… Objekt angeht, hinter dem die Decepticons her sind, und was sich angeblich in Ihrem Kopf befinden soll… vorausgesetzt, man will dem Glauben schenken, was unsere Freunde aus dem All behaupten. Ich zweifle allerdings nicht daran, dass Sie wissen, wo sich dieses Objekt befindet, und sicherlich stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass dieses Objekt in die Hände unserer Regierung gehört. Mir ist nicht sehr wohl dabei, zu befürchten, dass sich… die da vielleicht mit einem Ding davon machen, dass nach ihrer eigenen Aussage genug Energie freisetzen kann, um unseren Planeten in die Luft zu jagen.“ „Es tut mir leid, Agent Henderson…“, antwortete Lena mit zusammengebissenen Zähnen und trat nun doch einen Schritt zurück, „Sie irren sich. Ich kann Ihnen nicht sagen, wo sich der AllSpark befindet, und ich nehme an, Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass ich dazu neige, eher den Leuten zu vertrauen, die mich zwölf Jahre lang beschützt haben, als denen, die dabei zugeschaut haben, wie meine Eltern umgebracht wurden. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen – ich glaube, die da warten auf mich.“ Mit diesen Worten ließ sie Henderson stehen und ging hastig zurück zu Bee und Lennox, die auf sie warteten. Kapitel 7: Sieben ----------------- 2. Oktober Leise schloss Bee die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. „Wie geht es ihm?“ Lena zuckte zusammen und sah von Optimus hoch. „Ich weiß nicht.“, murmelte sie, „Immerhin lebt er noch…“ Bee nahm neben ihr Platz. „Was machst du überhaupt hier, hm…?“, fragte sie und lächelte, „Ich dachte, du bist überhaupt nicht gut auf ihn zu sprechen?“ Lena lächelte verlegen. „Aber er ist hier, weil er mich beschützen wollte, oder? Da muss ich mich doch irgendwie erkenntlich zeigen…“ „Hm.“ Bee musterte sie einen Augenblick lang nachdenklich. „Hat dich Henderson eigentlich nochmal angesprochen…?“ Lena schüttelte leicht den Kopf. „Nein. Aber er machte nicht den Eindruck, als würde er sich leicht abschütteln lassen…“ „Das lassen die sich alle nicht.“ Bee zog die Nase kraus und warf einen Blick auf Optimus hinunter. „Hoffentlich kann er sich transformieren, sobald er aufwacht… das erspart uns eine Menge Zeit.“ Überrascht sah Lena sie an. „So?“ „Wenn er sich transformiert, dann kann Ratchet ihn wieder zusammenbauen.“, erklärte Bee, „Nur leider hat er recht wenig Erfahrung mit menschlicher Anatomie.“ „Verstehe…“ Lena lehnte sich zurück. „Warum legst du deine menschliche Gestalt eigentlich fast nie ab?“ Bee verzog das Gesicht. „Macht der Gewohnheit, schätze ich… na ja, und es macht einiges leichter… auf jeden Fall rennen die neuen Rekruten nicht gleich weg, wenn sie mich sehen.“ Sie grinste. „Aber keine Sorge, du kriegst mich schon früh genug als Autobot zu sehen… wie ich die Decepticons einschätze, grübeln sie gerade in irgendeiner düsteren Ecke darüber nach, wie sie uns am besten aufspüren können…“ Lena biss sich auf die Unterlippe. „Und wie lange wird das dauern, bis sie uns finden?“ „Das hier ist einer der am meisten gesichertsten Orte dieses Planeten.“, antwortete Bee, „Nicht, weil eure Regierung so gut darauf aufpasst, sondern weil wir das tun. Ich glaube nicht, dass sie uns hier finden werden.“ Lena nickte leicht. „Immerhin.“, murmelte sie. Bee seufzte leise und erhob sich. „Du entschuldigst mich, ja…? Gerade eben kam eine Meldung rein, dass Lennox irgendwas mit mir besprechen will…“ „Kein Problem.“ Lena lächelte; Bumblebee rutschte an ihr vorbei und verschwand. Nachdenklich warf Lena einen Blick auf die Monitore, die leise vor sich hin piepten. „Und schon sind wir wieder unter uns, was?“, murmelte sie. Sie grinste müde. „Immerhin scheine ich ganz begabt darin zu sein, mich unter diesen Freaks hier beliebt zu machen, oder? Ich schätze, dieser Regierungskasper würde mich inzwischen am liebsten auf den Mond schießen, und nicht nur nach Guantanamo stecken.“ Behutsam fuhr sie mit zwei Fingern über den Handrücken des reglosen Mannes. „Diese Decepticons…“, murmelte sie, „Bee meinte ja, die würden mich hier nicht finden, aber… ich denke mal, ihr habt mich auch ziemlich versteckt gehalten, oder? Und gefunden haben sie mich trotzdem.“ Sie presste die Lippen zusammen. „Und ich weiß ja auch gar nicht, ob ich überhaupt hier bleiben will.“, fuhr sie leise fort, „Das kann ich Bee natürlich nicht sagen, aber… das Ziel meines Lebens war eigentlich nicht, dass ich versteckt auf einem Militärstützpunkt lebe und von Robotern bewacht werde, also…“ Was er sehen konnte, war weiß. Weder die Kälte noch das klinische Weiß des Todes, an das er sich erinnerte; nur Leere, eine unendliche Weite, die sich vor seinen Augen hin zog. Stimmen und wirre Bilder flirrten vor ihm vorbei, doch weder seine Augen noch seine Ohren konnten sie zuordnen. Lena… Er versuchte, sich zu bewegen, doch es gelang ihm nicht; seine Arme fühlten sich zu schwer an; bei jedem Atemzug glaubte er, Megatrons Klinge zwischen den Rippen zu spüren, doch ihm fehlte die Kraft, zu schreien. Ein stetiges, elektronisches Piepen zog sich durch seinen Kopf. Haben die mich erwischt? Für einen Augenblick durchzuckte dieser Gedanke seinen Kopf, und er war sich so gut wie sicher, dass er sich in Megatrons Gefangenschaft befand. Dunkel erinnerte er sich daran, auf der Akademie auf Cybertron irgendwann vor langer Zeit gelernt zu haben, wie man einem Verhör widerstand. Seitdem hatte er des öfteren bereits auf beiden Seiten agiert, hatte vor der Zerstörung ihres Planeten Verhöre vorgenommen und war anschließend des öfteren in Gefangenschaft der Decepticons geraten. Aber noch nie in menschlicher Gestalt… Es überraschte ihn, wie klar sein Verstand noch arbeitete. Das Weiß vor seinen Augen war der Dunkelheit gewichen, doch der Schmerz und das Piepen waren immer noch da. Etwas streifte seine Hand und er konnte eine leise weibliche Stimme hören, die er zu kennen glaubte, konnte jedoch nicht verstehen, was sie sagte. An weibliche Decepticons auf diesem Planeten konnte er sich nicht erinnern, aber andererseits hätte von ihnen wahrscheinlich auch keiner vermutet, dass Megatron sich eines schönen Tages in einen Menschen verwandeln konnte… Mit Mühe mobilisierte er die wenigen ihm verbliebenen Kräfte, öffnete die Augen einen Spaltbreit und schlug das, was auch immer ihn berührt hatte, beiseite, um das Handgelenk der jungen Frau zu erwischen, die neben ihm saß. Lena fuhr erschrocken zusammen, als urplötzlich Leben in den Mann auf dem Bett kam. Seine Reflexe schienen offenbar nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen zu sein, denn er umklammerte blitzartig ihr Handgelenk mit einer Kraft, die Lena überraschte. „H-Hey!“ Behutsam versuchte sie, seine Finger zu lösen. „Ich bin’s, Lena.“ Sie war sich nicht ganz sicher, ob er sie überhaupt hörte und verstand – sein Blick irrte durch den Raum, und er wusste offenbar kaum, wo er sich befand. „Das hier ist der Militärstützpunkt Diego Garcia.“, sagte sie vorsichtig, „Ihre Freunde haben mich hergebracht.“ Offenbar unter größten Anstrengungen fixierte er sie, doch ihm fielen die Augen wieder zu und er sackte auf das Bett zurück. Sein Griff um ihre Hand lockerte sich. „L-Lena…“ Seine Stimme war so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte; behutsam nahm sie seine gesunde Hand zwischen ihre Hände. „Machen Sie sich keine Sorgen, Bee und Ian kümmern sich hier um alles… zusammen mit Colonel Lennox…“ „Geht es dir gut?“, flüsterte er Seine Finger in ihrer Hand zuckten, doch er befreite sich nicht. Lena biss sich auf die Unterlippe. „Ich bin okay.“, sagte sie leise, „Dank Ihnen und Ihren Leuten, schätze ich.“ Vorsichtig fuhr sie ihm mit dem Daumen über den Handrücken. Sein Herzschlag auf dem Monitor war schneller geworden; Lena konnte erkennen, wie sich die Muskeln an seinem Kiefer anspannten, als er die Zähne zusammenbiss. „Wo ist Ironhide?“, flüsterte er, „Ian, meine ich… Bee und er… müssen dir erklären, was…“ „Haben sie schon.“, antwortete Lena leise, „Sie waren ziemlich lange bewusstlos, okay? Fast vier Tage, aber ich glaube, das können Ihnen die Ärzte besser erklären…“ Es fühlte sich seltsam gut an, seine Hand festzuhalten. „Hören Sie, Bee und Ian haben mir alles erzählt… mit meinen Eltern und Sektor 7 und Ihren… Feinden, also…“ „Gut.“, murmelte Optimus. Noch immer machte er keine Anstalten, ihr seine Hand zu entziehen. „Ich… nehme an, du hast… eine Menge Fragen dazu…“ Unwillkürlich musste Lena lächeln. „Schon, aber die kann ich auch Bee und Ian stellen.“, sagte sie leise, „Sie sind verletzt.“ Optimus‘ Mundwinkel zuckten schwach. „Du… scheinst eine Menge von deinen Eltern zu haben…“ Er hustete, verzog jedoch vor Schmerz das Gesicht. Mit Mühe öffnete er die Augen wieder mit einen Spalt breit und sah sie an; erneut dauerte es offenbar etwas, bis er sie klar erkennen konnte. „Vielleicht… könntest du mir erzählen, was ich verpasst habe, hm…?“, murmelte er, „Zeit genug… scheine ich zu haben…“ Zwar gefiel es Bee überhaupt nicht, Optimus allein zu lassen, doch der Gedanke, dass zumindest Lena bei ihm war, beruhigte sie ein wenig. Langsam machte sie sich über den Flur auf den Weg zu Lennox‘ Büro, doch als sie die Tür aufstieß, hielt sie schlagartig inne. Nicht Lennox stand vor ihr, sondern Henderson. Mit einem Lächeln ob ihrer offenbar nicht zu verbergenden Überraschung wies Henderson auf den Stuhl vor Lennox‘ Schreibtisch. „Setzen Sie sich, Miss… wie war Ihr Name? Bumblebee, wenn ich mich da recht entsinne… wobei natürlich die Frage zu klären bliebe, ob ‚Miss‘ hier die passende Anrede ist.“, fügte er hinzu, während Bee Platz nahm und ihn argwöhnisch musterte. „Wo ist Lennox?“, fragte sie scharf. „Der ist heute früh zu einer äußerst wichtigen Besprechung nach Washington aufgebrochen, und wird wohl vor morgen Mittag nicht zurück sein, so leid mir das auch tut.“, antwortete Henderson, „Schön, dass Sie trotzdem hergekommen sind, denn…“ „Lennox hatte mich herbestellt.“ Ruckartig erhob sich Bee. „Dieses Gespräch ist beendet.“ Sie drehte sich um und wollte den Raum verlassen, musste jedoch feststellen, dass ein Agent, dessen Namen sie nicht kannte, bereits vor der Tür Aufstellung bezogen hatte. Ein ungutes Gefühl keimte in ihr auf, gefolgt von einigen Erinnerungen, die sie erfolgreich verdrängt zu haben gehofft hatte. Dummerweise besaß der Speicher, den sie normalerweise statt eines Erinnerungsvermögens im Kopf hatte, keinen Papierkorb und keine Verdrängungsmechanismen – ein weiterer Grund, weshalb sie die menschliche Gestalt bevorzugte. „Was soll das, Agent Henderson?“, fragte sie lauernd, während sie sich langsam wieder zu ihm umdrehte. Das stoische Lächeln wich nicht von Hendersons Gesicht. „Ich muss Sie erneut bitten, sich zu setzen, Bumblebee.“ So langsam wie möglich nahm Bee wieder Platz. „Wir haben einige Dinge zu besprechen.“ „In der Tat.“, knurrte Bumblebee, „Was bilden Sie sich eigentlich ein-“ „Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass die Vorgehensweise unserer Abteilung nicht immer auf großen Anklang bei Ihnen und Ihrer… Spezies gestoßen ist – seien Sie sicher, niemand bedauert das mehr als ich…“ Das freundschaftliche Grinsen auf Hendersons Gesicht war genauso falsch wie seine geheuchelte Freundlichkeit. „Aber wie Sie sicher wissen, haben wir alle unsere Gründe für unsere Vorgehensweise, nicht wahr? Sie hatten Ihre eigenen, ganz privaten Gründe, um Sam Whitwickys Leibwächter zu spielen… und wenn ich mir Sie so anschaue, dann glaube ich, dass er das ziemlich genossen hat…“ Unwillkürlich grub Bee sich die Fingernägel in den Handballen. „Was wollen Sie damit andeuten?“, zischte sie. Henderson wiegelte mit einer Handbewegung ab, doch das Lächeln wich nicht von seinem Gesicht. Er kam um Lennox‘ Schreibtisch herum und lehnte sich dagegen; Bee wich unwillkürlich ein Stück vor ihm zurück. „Was ich meine ist – als ich diese Position übernommen habe, musste ich feststellen, dass die Kommunikation zwischen unseren beiden Völkern bei weitem nicht so gut verläuft, wie es eigentlich wünschenswert wäre. Sie teilen zwar Ihre Kenntnisse über das Universum mit uns, und über ihre Feinde, diese… Decepticons, aber nicht…“ „…unsere Fortschritte in der Kommunikations- und Waffentechnik, dafür haben wir unsere Gründe, und ich habe nicht vor, gegen eine direkte Order meines Vorgesetzten zu verstoßen und Ihnen dabei zu helfen.“, entgegnete Bee. Sie unternahm den Versuch, aufzustehen, wurde jedoch unsanft zurückbefördert. Henderson schüttelte mit einem leisen Seufzen den Kopf. „Ja, ich hatte mir schon gedacht, dass Sie so etwas sagen würden.“ Der flüchtige Blickaustausch mit dem Agenten hinter ihr entging Bumblebee nicht; sie machte eine blitzartige Bewegung nach vorne und wich so dem Elektroschocker aus, der auf ihren Hals gezielt hatte. Mit einer weiteren Bewegung befand sie sich hinter Hendersons Agenten, riss dessen Kopf nach vorn auf die hölzerne Stuhllehne. Es gab ein unschönes Knacken, als die Nase des Mannes nachgab, und er sackte reglos zu Boden, doch als Bee sich wütend aufrichtete, um sich Henderson vorzuknöpfen, blickte sie in die Mündung einer Pistole. „Ihre menschliche Gestalt ist doch nicht kugelsicher, oder?“, fragte Henderson. Das Lächeln auf seinem Gesicht wirkte eigenartig starr; Bee rührte sich nicht. Für einen Augenblick schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, sich zu transformieren, doch damit war sie vermutlich nicht fertig, bevor Henderson nicht schon den Abzug gedrückt hatte, und sie legte wenig Wert darauf, im Krankenzimmer neben Optimus oder in der Leichenhalle zu landen. „Fein…“ Der Mann zu Bees Füßen begann mit einem leisen Stöhnen, sich zu regen. „Stehen Sie auf, Richards.“, sagte Henderson, ohne den Blick von Bees Gesicht zu nehmen, „Verpassen Sie unserer Freundin hier einen Stromstoß, damit sie nicht auf den Gedanken kommt, sich zu verwandeln, und nehmen Sie sie mit… wir haben einiges zu besprechen.“ Kapitel 8: Acht --------------- „Bee ist verschwunden.“ Ironhide ließ sich neben Lena auf einen Stuhl sinken und warf Optimus einen besorgten Blick zu. „Sie ist auf dem ganzen Stützpunkt nicht aufzutreiben, und niemand weiß, wo sie hin ist.“ Lena zog die Augenbrauen zusammen. „Was heißt niemand weiß, wo sie hin ist?“ „Ratchet weiß es nicht, Wheelie nicht, keiner von den Soldaten, die ich gefragt habe, und sie hat sich nirgendwo abgemeldet oder gesagt, wo sie hin will.“, antwortete Ironhide, „Du weißt auch nichts?“ „Nein…“ Lena schüttelte leicht den Kopf und sah zu Optimus. „Habt ihr keine Funkgeräte oder sowas…?“ „Nicht in dieser Gestalt.“, antwortete Optimus mit einem müden Lächeln, „Wenn ich mich transformiere…“ „Du bist verletzt.“ Ironhide schnitt ihm das Wort ab; sowohl Lena als auch Optimus sahen verdutzt zu ihm. „Du bist verletzt, du wirst überhaupt nichts machen, klar? Du wirst hier liegen bleiben und warten, bis du wieder gesund bist.“ Optimus‘ Mundwinkel zuckten; Lena bemerkte einen Anflug von Belustigung in seinen Augen. „Und wer hat dir auf einmal das Kommando übertragen?“ Ironhide zuckte zusammen, als habe Optimus ihn geohrfeigt. „Ich spreche nicht als Offizier, sondern als Freund.“, antwortete er nach einem kurzen Augenblick des Schweigens leise, „Das ist das zweite Mal, dass Megatron dich so schwer verletzt hat, und beim letzten Mal hat es Sam und die Matrix der Führerschaft gebraucht, um dich zu retten…“ Lena öffnete mit fragendem Gesichtsausdruck den Mund, schloss ihn jedoch wieder, als ein kurzer Blick von Optimus sie traf. „Lena, lässt du uns kurz allein?“ „Klar.“, antwortete sie verwirrt, erhob sich und trat nach draußen auf den Gang. Optimus wandte sich Ironhide zu. „Es geht mir gut genug, um nach einem verirrten Autobot zu suchen.“, sagte er leise. „Das tut es nicht!“, zischte Ironhide, „Du hast drei Tage lang im Koma gelegen, weißt du eigentlich, was für ein Glück du gehabt hast, dass du noch lebst?!“ „Glaub mir, das weiß ich.“ Optimus‘ Stimme war kaum merklich schärfer geworden. „Und ich weiß deine Sorge durchaus zu schätzen, aber ich habe nicht vor, Lena dem gleichen Schicksal wie ihren Eltern zu überlassen, und ich beabsichtige auch nicht, Bumblebee den Decepticons zu überlassen, sollten die für ihr Verschwinden verantwortlich sein.“ Einen Augenblick lang musterte Ironhide ihn stumm, dann senkte er den Blick. „Es tut mir leid.“, sagte er leise, „Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“ Optimus lächelte schwach und die Spannung in der Luft war gebrochen. „Schon gut. Aber ich kann deine Hilfe tatsächlich gebrauchen… ich muss hier raus und in den Hangar oder zumindest ins Freie, damit ich mich transformieren kann. Ratchet wird nicht allzu lange brauchen, um mich wieder hinzukriegen…“ Ironhide warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Und wie soll ich dich nach draußen kriegen, ohne dass du umkippst oder irgendein Arzt über mich herfällt, hm…?“ Optimus verzog das Gesicht. „Da fällt mir schon irgendwas ein…“ Er biss die Zähne zusammen und zog sich die Infusionsnadel aus dem Arm. „Wärst du so gut…?“, fragte er mit einem bittenden Blick Richtung Ironhide. Dieser verdrehte die Augen, legte Optimus jedoch einen Arm um die Schultern und half ihm, so gut er konnte, aus dem Bett. „Danke.“, antwortete Optimus mit noch immer zusammengebissenen Zähnen. Behutsam tastete er mit der gesunden Hand über seine Rippen. „Verdammt…“ „Du solltest besser liegen bleiben, weißt du.“, warf Ironhide ein, „Ist nur ein gut gemeinter Rat…“ „Keine Sorge.“, murmelte Optimus und griff dankbar nach Ironhides Hand, um sich hochzuziehen. „Was soll denn das werden?“ Besorgt beobachtete Lena, wie Ironhide Optimus den Flur hinunter half, und folgte den beiden rasch. Optimus‘ Gesichtsfarbe hatte sich nicht gerade zum Besseren gewendet; er war immer noch kreidebleich, und Lena zweifelte nicht daran, dass er gestürzt wäre, hätte Ironhide ihn nicht festgehalten. „Er besteht darauf, sich von Ratchet zusammenflicken zu lassen.“, antwortete Ironhide mit einem Seufzen, „Wer bin ich, dass ich ihm widerspreche…“ „Ich widerspreche!“ Lena presste die Lippen zusammen. „Das ist doch irrsinnig – Mr Parish, ich meine, Optimus, oder wie auch immer ich Sie jetzt nennen soll, in Ihrem Zustand schaffen Sie’s doch nicht einmal aus dem Gebäude…“ „Optimus.“, erwiderte der Angesprochene, der ihren Versuch, ihn aufzuhalten, sichtlich amüsiert beobachtete, „Und du könntest mir dabei helfen, es aus dem Gebäude zu schaffen, indem du zum Beispiel die Tür da aufmachst.“ Lena tauschte einen Blick mit Ironhide, verdrehte die Augen und gehorchte. „Spinner.“, murmelte sie und beeilte sich, den beiden weiter zu folgen. In sicherer Entfernung vom Gebäude befreite sich Optimus von Ironhide, stand einen Augenblick lang recht wackelig auf eigenen Füßen und ließ sich dann mit einem leisen Stöhnen zu Boden sinken. „Verdammt.“, murmelte er und lehnte die Stirn auf die Knie. Besorgt hockte sich Lena neben ihn und legte ihm eine Hand auf die unverletzte Schulter. „Hören Sie.“, sagte sie leise, „Sie müssen hier nicht den Helden markieren; wir kommen zurecht-“ Optimus schüttelte schwach den Kopf. „Hol Ratchet.“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen in Ironhides Richtung, der mit einem weiteren besorgten Blick verschwand. Optimus‘ Blicke folgten ihm kurz. „Erstens.“, sagte er leise, „Unsere neue Situation erfordert eine Lagebesprechung, und ich glaube nicht, dass die bisher möglich war… und zweitens halte ich es ohnehin nicht aus, den ganzen Tag untätig herumzusitzen…“ Er blinzelte zu Lena hoch. „Bist du so gut und hilfst mir wieder auf die Füße, ja? Ich würde den anderen gerne gegenüberstehen…“ Für einen Augenblick lang war Lena versucht, einen Schritt zurück zu machen – ihrer Meinung nach war es das Beste für Optimus, wenn er sitzen blieb, wenn sie ihn zum Hinlegen schon nicht bewegen konnte – , doch schließlich half sie ihm etwas widerwillig, sich aufrecht hinzustellen. „Hey, Vorsicht…“ Wie sie vorausgesehen hatte, gaben seine Knie fast augenblicklich wieder nach; sie musste den anderen Arm um ihn legen, um ihn festzuhalten. Optimus lehnte die Stirn gegen ihre Schulter. „Entschuldige.“, murmelte er, „Ich hab‘ langsam das Gefühl, es war vielleicht doch keine so gute Idee…“ „Kein Problem.“, stieß Lena hervor, die sich bemühte, sein Gewicht zusätzlich festzuhalten. Sie selbst war recht schlank, obwohl sie fest davon überzeugt war, hier und da noch ein paar Gramm zu viel zu haben, und Optimus war so sicherlich gut zwanzig Kilo schwerer als sie. An ihrer Schulter konnte sie eine schwache Bewegung spüren, als Optimus lächelte. „Trotzdem danke.“ Lena seufzte – zustimmend, wie sie hoffte – , doch im selben Augenblick quittierten ihre Arme ihr den Dienst; Optimus riss sie in dem Reflex, sich an ihr festzuhalten, mit zu Boden, und sie landete unsanft auf dem Asphalt. Optimus stöhnte leise, als er sich mit dem gesunden Arm abfing, um nicht auf ihr zu landen; für Sekundenbruchteile kam er dennoch auf ihr zu liegen, sodass sich Lena plötzlich nur wenige Millimeter vor seinem Gesicht wiederfand. Fast schlagartig spürte sie, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, als sei sie ein Teenager, und die Tatsache, dass in ihrer Nähe ein leises Räuspern erklang, machte das Ganze nicht gerade besser. „Stören wir?“, erkundigte sich Ironhide aufs höflichste. Er streckte Optimus eine Hand hin, um ihm aufzuhelfen, und puterrot im Gesicht rappelte Lena sich ebenfalls auf. Er ist dein Lehrer, verdammt! Und ein Alien! Sie schüttelte schwach den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben, während sich Wheelie wieder zu ihr gesellte und damit begann, auf sie einzuplappern. Diesmal gelang es ihr erfolgreich, ihn auszublenden; stattdessen wandte sie sich Ironhide und Optimus zu, während letzterer von Ratchet aufmerksam begutachtet wurde. „Und was jetzt…?“ „Gib mir eine Sekunde.“, antwortete Optimus. Ironhide ließ ihn los, und Lena befürchtete für einen Augenblick, dass Optimus erneut stürzte, doch dann begann er, sich zu transformieren. Diesmal war Lena zwar darauf vorbereitet, doch ähnlich wie bei Ironhide war es nach wie vor ein Schock für sie, zu beobachten, wie die Haut in Metall überging, die Muskeln in Stahl und Gummi… Dennoch gelang es ihr nicht, die Kratzer und Schrammen zu übersehen, die auch in Optimus‘ Autobotgestalt noch zu sehen waren. Hier und da konnte sie feine Nahtstellen erkennen, als sei das Metall hier zerfetzt und anschließend säuberlich wieder verschweißt worden – Narben aus früheren Kämpfen, schätzte sie. Wie sie bereits erwartet hatte, führte die Verwandlung nicht gerade zu einer magischen Genesung. Optimus atmete schwer; auf seiner linken Seite konnte Lena die Spuren erkennen, die sein Angreifer dort hinterlassen hatte – mehr als Kratzer und Schrammen: Die Stahlstreben schienen stellenweise wie zerfetzt, und Lena wagte gar nicht, sich vorzustellen, wie sich derartige Verletzungen an einem menschlichen Körper anfühlen mussten. Ironhide beobachtete seinen Freund einen Augenblick lang, bevor er ebenfalls mit seiner Transformierung begann. „Wir kümmern uns um ihn.“, sagte er leise, sobald er damit fertig war, „Du gehst am besten wieder nach drinnen. Frag Lennox, ob er irgendwas von Bumblebee gehört hat, ja? Vielleicht steckt dieser Sektor-7-Agent dahinter…“ Es gelang ihr nicht, die Augen zu öffnen. Während ihres Lebens hatte Bumblebee schon einige Verletzungen durchlitten, nicht zuletzt den Verlust ihres Sprachzentrums, der sie noch immer teilweise daran hinderte, zu sprechen, wenn sie ihre Autobotgestalt annahm, doch dabei war sie nie so vollkommen orientierungslos gewesen wie jetzt. Hinzu kam, dass sie sich nicht bewegen konnte – ihre Muskeln gehorchten ihr nicht; sie konnte nicht einen Finger krümmen. Panik stieg in ihr hoch, doch sie konnte nicht einmal die Lippen bewegen. „Interessant.“, konnte sie Hendersons leise Stimme hören, „Anscheinend ist Ihre menschliche Form nicht nur eine weitere Hülle, nicht wahr?“ Jemand strich ihr sachte über den Oberarm; Bumblebee versuchte, ihn zu ignorieren, und sich stattdessen auf ihre Transformation zu konzentrieren. Dieser Mistkerl… Ihre Gedanken wirbelten noch immer wild umher; sie konnte sich kaum auf eine bestimmte Sache fokussieren… Im selben Augenblick allerdings, in dem sie mit ihrer Transformation hatte beginnen wollen, traf sie eine elektrische Ladung mit solcher Wucht, dass ihr für ein paar Sekunden die Luft wegblieb. Henderson lachte leise. „Entschuldigen Sie, aber ich bin davon ausgegangen, dass Sie über kurz oder lang versuchen würden, uns mit Ihrer… Alltagsgestalt zu begegnen, und habe entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen.“ Leise Schritte verrieten Bumblebee, die noch immer nach Luft rang, dass er näher kam. „Meine… Informationen besagen, dass sich kurz vor Ihrer Transformation das elektromagnetische Feld Ihres Körpers stark verändert, und mit derselben Energie Ihre Verwandlung vonstatten geht… die Elektroden, die ich mir erlaubt habe zu platzieren, messen die Veränderung und verhindern jegliches Transformieren mit einem Stromstoß, der Ihren Elektronenfluss neutralisiert und somit einer Verwandlung entgegenwirkt.“ Bumblebee unternahm den schwachen Versuch, in seine Richtung zu spucken, war sich jedoch nicht sicher, ob sie ihn getroffen hatte. Offenbar schon, denn eine Ohrfeige traf sie so hart ins Gesicht, dass ihre Unterlippe aufplatzte; sie schmeckte Blut. Arschloch. Im nächsten Augenblick wurde ihr allerdings klar, dass Henderson von ‚seinen Informationen‘ gesprochen hatte. Informationen woher? Bevor sie diesen Gedanken allerdings weiter verfolgen konnte, wurde ihr die Antwort bereits klar. Henderson hatte wohl kaum heimlich an irgendeinem Autobot herumexperimentieren können, und demzufolge gab es nur eine Möglichkeit, wie er darauf hatte kommen können – durch die Decepticons. Kapitel 9: Neun --------------- 3. Juli Es war noch früh am Morgen, als Lena sich zum Hangar der Autobots schlich. Ironhide erwartete sie bereits, und obwohl Lena sich noch immer schwer damit tat, nicht zusammenzuzucken, wenn sie ihn in seiner Autobotgestalt sah, lächelte sie, als sie ihn sah. Ihr Blick wanderte zu dem blauroten Truck hinüber, der ohne ein Lebenszeichen in einer Ecke stand. „Wie geht es ihm?“, fragte sie leise. „Besser.“, antwortete Ironhide, und soweit Lena das erkennen konnte, zeigte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht, „Mach dir keine Sorgen, er ruht sich nur aus. Ratchet hat ihn ganz gut wieder hingekriegt, aber es dauert noch ein bisschen, bis er wieder auf dem Damm ist.“ Lena nickte leicht, doch dann wurde ihr Gesicht rasch ernst. „Ich hab‘ mit Lennox gesprochen.“, sagte sie rasch, „Niemand weiß, wo Bee steckt, und von Henderson hat man seit gestern auch nichts mehr gehört, er soll nur ziemlich überstürzt abgereist sein.“ „Na herrlich.“ Ironhide warf den restlichen Autobots einen Blick zu. „Wir müssen sie finden, und zwar auf der Stelle.“ „Und wie wollt ihr das anstellen?“ Fragend sah Lena zu ihm auf. „Hat Sektor 7 irgendeine Zentrale oder sowas, wo man sie versteckt halten kann… oder ist Henderson am Ende ein Decepticon?“ „Keine Ahnung, aber ich schätze, das Pentagon weiß es…“, murmelte Ironhide. „Dumm nur, dass der Präsident uns wohl kaum einfach so sagen wird, wo sich Sektor 7 einquartiert hat, oder?“, warf Ratchet ein, der sich zu ihnen gesellte, „Kannst du mit Computern umgehen, Kleine? Vielleicht kommst du ja mit unserer Hilfe in den Zentralrechner…“ „Nicht besonders.“, antwortete Lena verlegen, „Computer sind ehrlich gesagt nicht so mein Ding… ich bin mehr der Mechaniker…“ Dann jedoch hellte ihr Blick sich auf. „Aber ich kenn‘ jemanden, der das kann.“ „Herrliche Wohngegend.“, bemerkte Ironhide, der nun wieder als Ian Hyde auftrat, mit einem Blick auf seine Umgebung. Sie standen in einer schmalen Gasse zwischen zwei Hochhäusern; links türmte sich der Abfall, der aus einer Metalltonne und zwei Pappkartons quoll, und die Backsteinmauer zu ihrer Rechten war von oben bis unten mit Graffiti beschmiert. Derselbe Sprayer hatte sich augenscheinlich auch an der Haustür vergriffen, die derartig morsch war, dass Lena befürchtete, dass sie auseinanderfiel, sobald Lena sie berührte. Lena grinste verlegen. „Nicht gerade das Taj Mahal, ich weiß, aber immerhin bin ich nicht in einer Pflegefamilie aufgewachsen, oder?“ Ironhide verzog das Gesicht. „Ich glaube, du kannst trotzdem froh sein, dass du ‘ne eigene Wohnung hast, seit du auf dem College bist… oder warst…“ Lena hob die Schultern, drückte jedoch den Klingelknopf. Nichts geschah. Ironhide hob die Augenbrauen. „Keiner zuhause?“ „Ach, Unsinn.“ Erneut drückte sie auf den Klingelknopf, diesmal bedeutend länger, doch es geschah noch immer nichts. Ironhide schob sich an ihr vorbei. „Lass mich mal, ja?“ Er zog die Pistole unter seiner Jacke hervor und schraubte einen Schalldämpfer darauf, bevor er die Tür kurzerhand auf recht rabiate Weise öffnete. „Das wär‘ auch sanfter gegangen.“, murmelte Lena, doch sie betrat zusammen mit ihm den stickigen, halb dunklen Hausflur. „Wievielter Stock?“ „Vierter.“, antwortete Lena und ging voraus. „Und natürlich kein Aufzug…“, knurrte Ironhide und folgte ihr. Oben angekommen, klopfte Lena energisch gegen die Wohnungstür. „Reiß nicht das Haus ein, Kleine.“, warf Ironhide mit einem Grinsen ein, doch im selben Augenblick wurde die Tür schon geöffnet. Der Mann, der vor ihnen stand, war ungefähr Mitte Vierzig. Krauses, dunkles Haar stand ihm in alle Richtungen vom Kopf ab, unter seinen Augen waren die tiefen Schatten durchwachter Nächte zu erkennen, und abgesehen von Boxershorts und einem nicht mehr ganz weißen Unterhemd war er unbekleidet. Langsam und aus halb geöffneten Augen wanderte sein Blick erst an Lena und dann an Ironhide empor, über dessen schwere Militärstiefel, das khakifarbene Hemd, und blieb für Sekunden an der silbernen Miniatur des Autobot-Symbols hängen, das an einer Kette um dessen Hals baumelte, bevor er ruckartig die Tür wieder zuschlug. „Scheint so, als hätte er sich erinnert.“, bemerkte Ironhide. Seine rechte Hand wanderte bereits wieder unter seine Jacke, doch Lena winkte hastig ab. Sie klopfte erneut gegen die Tür. „Onkel Leo! Mach auf, ich bin’s, Lena!“ Eine Weile herrschte Stille, dann wurde die Tür langsam und vorsichtig einen Spalt breit geöffnet. „Was du nicht sagst.“, knurrte es von drinnen, „Am besten, du verschwindest schleunigst wieder in deine Collegewohnung und hältst mir diesen Burschen in deiner Begleitung vom Leib, klar?“ Erneut versuchte er, die Tür zu schließen, doch Ironhide hatte bereits seinen Stiefel dazwischen geschoben. „Sie erlauben, ja?“ Mit diesen Worten stieß er die Tür vollständig auf und betrat die Wohnung ohne weiteres; Lena folgte ihm rasch. Drinnen herrschte heilloses Chaos. CDs, Zeitschriften und Kalender aus den verschiedensten Jahrgängen lagen überall verteilt; Lena musste genau schauen, wo sie hintrat, damit ihren Schritten nicht noch zusätzlich etwas von dem Elektroschrott zum Opfer fiel, der sich zwischen den anderen Dingen stapelte. Ironhide machte das wesentlich weniger aus – während er durch den Unrat zu einem nur halb vollgestellten Sofa hinüber stapfte, das offenbar zwischenzeitlich als Schlafstätte genutzt wurde, fielen ihm eine Festplatte und mindestens drei CDs zum Opfer. Leo beobachtete das Ganze aus trüben Augen heraus und ließ die Tür hinter ihnen zufallen. „Also“, murmelte er, nachdem er in einem Sessel Platz genommen hatte, den er vorher ebenfalls von einigem Unrat hatte befreien müssen, „was treibt dich hierher an diesem herrlichen Morgen?“ „Wir brauchen Ihre Hilfe, Mr Spitz.“, begann Ironhide, noch bevor Lena etwas sagen konnte, „Sie werden sich vielleicht daran erinnern, dass wir vor einigen Jahren bereits mit Ihnen zusammengearbeitet haben…“ „Jaah…“ Leo legte den Kopf leicht schief. „Is‘ ziemlich ruhig um euch geworden danach, wenn ich mich nicht irre…“ Lena ließ unter hochgezogenen Augenbrauen den Blick durch die Wohnung schweifen. Zwar war sie gut ein Jahr lang nicht mehr hier gewesen – sie war so schnell wie möglich ausgezogen, sobald sie alt genug gewesen war – doch an dem Zustand der Wohnung hatte sich, soweit sie sich erinnerte, nicht viel geändert. Vielleicht war alles noch ein bisschen unordentlicher und noch um einiges schmuddeliger geworden, seit sie das letzte Mal hier gewesen war. Zwischen drei Bildschirmen, die nebeneinander auf einem Tisch standen, der sich unter der Last bereits bog, lag ein Mann in Leos Alter vornübergekippt mit dem Gesicht auf einer Tastatur und schnarchte selig vor sich hin. Lena identifizierte ihn mit einiger Mühe als Fassbinder, einen von Leos ehemaligen Collegefreunden, die gelegentlich vorbeischauten und dann schon einmal für eine Nacht blieben… oder für eine Woche… oder für einen Monat… Seufzend schüttelte sie den Kopf und wandte sich wieder Leo zu. „Onkel Leo, wir brauchen jemanden, der sich in den Zentralrechner des Pentagons einhacken kann.“, unterbrach sie Ironhide, der gerade eben mit einem Vortrag über die Unternehmungen der Autobots in den letzten Jahren begonnen hatte, „Wir befürchten, dass Sektor 7 sich Bee unter den Nagel gerissen hat…“ „Bee…“ Gedankenverloren kratzte Leo sich den Arm. „Bee, Bee, Bee… die kleine Bee, mit der du dich immer so gut verstanden hast? Die Kleine mit den blonden Haaren, die zu dieser überaus entzückenden jungen Dame herangewachsen ist…“ „Sie ist ein Autobot.“, antwortete Lena mit ungewollter Schärfe in der Stimme. Herrgott, kann der Mann sich nicht konzentrieren? Leos Kopf schoss hoch. „Ein Autobot?“ „Bumblebee.“, erklärte Lena, und auf Leos verständnislosen Blick hin fügte sie leicht enerviert hinzu: „Dads Wagen, um Himmels Willen!“ „Ah!“ Endlich schien so etwas wie Erkenntnis auf Leos Gesicht aufzublitzen, doch es schlug gleich wieder in Verwirrung um. „Sams Wagen… aber der… also, er ist eine Sie, ja…?“ „So sieht’s aus.“ Ironhide presste die Lippen zusammen; nervös tippte er mit den Fingerspitzen auf der Armlehne des Sofas herum. „Und der neue Chef von Sektor 7 ist kein Freund von uns.“ „Schade. Simmons konnte euch gut leiden. Armer Simmons.“, fügte Leo traurig hinzu. Einen Augenblick lang schien er wieder in irgendeine Form düsterer Melancholie versunken, bevor er aufsah. „Und was wollt ihr vom Pentagon?“ Aus dem Augenwinkel konnte Lena erkennen, wie Ironhide betont langsam ausatmete, die Augen schloss und offenbar bis zwanzig zählte. „Das Pentagon muss doch wissen, von wo aus Sektor 7 operiert.“, sagte sie und bemühte sich um einen langsamen, freundlichen Tonfall, in dem man für gewöhnlich mit Geisteskranken sprach, „Also, Onkel Leo, brauchen wir deine Hilfe, um an deren Datenbank zu kommen, damit wir herausfinden können, von wo aus Sektor 7 operiert…“ „Es dauert Jahre, wenn man in deren Datenbank rein will.“ Noch immer schien Leo in Gedanken versunken, doch wenigstens schien er etwas mehr bei der Sache. „Und das Pentagon weiß nichts von Sektor 7, Simmons hat immer gesagt, nur der Präsident wusste überhaupt irgendwas… da müsstet ihr schon den fragen…“ Lena und Ironhide tauschten einen Blick. „Wir können aber schlecht ins Weiße Haus spazieren.“, antwortete Lena. „Wir könnten.“, knurrte Ironhide, „Würde vielleicht schneller gehen als das hier.“ „Ihr braucht nicht ins Weiße Haus.“ Langsam aber sicher schien das Leben in Leo zurückzukehren. „Ich kann euch helfen… Simmons hat mir genug erzählt, schätze ich… kam ab und zu hier vorbei, besonders in den letzten Monaten, bevor er…“ Er schniefte hörbar, erhob sich jedoch. „Schon gut, schon gut… wartet hier, ich zieh‘ mir was an…“ Wenig später stieg Lena neben Leo und Ironhide aus ihrem Sportwagen – der sich ihr als Sideswipe vorgestellt hatte – und beobachtete, wie Leo gedankenverloren am Kragen eines Hemdes herumfingerte, das er offensichtlich schon sehr lange nicht mehr getragen hatte. Es hatte einige Mühe gebraucht, ihn davon zu überzeugen, sie nach Diego Garcia zu begleiten, doch Ironhide wollte verhindern, dass sie Sektor 7 einen Grund lieferten, die Autobots auf der Stelle aus dem Land und vermutlich auch vom Planeten zu weisen, und Lena hatte ebenfalls das Gefühl, dass es sich nicht gerade förderlich auswirken würde, wenn sie in einer Kurzschlussaktion das Hauptquartier von Sektor 7 stürmten und alles in Schutt und Asche legten, nur um eines – höchstwahrscheinlich begründeten – Verdachts willen. „Wir müssen mit Optimus sprechen.“, wiegelte sie Wheelie rasch ab, der auf sie zugerast kam, „Weck ihn auf, ja? Es ist wichtig.“ Enttäuscht sah Wheelie sie an, machte jedoch kehrt und raste zurück in den Hangar. Lena folgte ihm rasch mit Ironhide und Leo im Schlepptau. „Wie geht es Optimus?“, fragte sie, kaum dass sie angekommen war und Ratchet vor sich sah, „Besser? Wir müssen dringend mit ihm sprechen…“ „Er lebt.“, lautete Ratchets kurz angebundene Antwort, „Aber es geht ihm nicht besonders, also untersteh dich, ihn zu irgendetwas zu überreden…“ „Mach dir um mich keine Sorgen.“ Beim Klang von Optimus‘ Stimme zuckte Lena zusammen, doch sie rang sich ein Lächeln ab, als der rotblaue Autobot auf sie zukam. Ein wenig beruhigt stellte sie fest, dass es Ratchet offenbar – soweit sie es überblicken konnte – tatsächlich gelungen war, Optimus wieder einigermaßen gesund zu machen. „Wir haben die Vermutung, dass Agent Henderson von Sektor 7 etwas mit Bumblebees Verschwinden zu tun haben könnte.“, übernahm Ironhide das Gespräch, bevor Lena etwas sagen konnte, „Lenas Pflegevater hat sich bereit erklärt, uns zum Sitz von Sektor 7 zu führen, da er einigen Kontakt zu einem ihrer früheren Mitarbeiter hatte…“ „Leo Spitz.“ Optimus grüßte ihn mit einem leichten Nicken. „Das freut mich… ein Freund von Sam, nicht wahr? Wir haben bereits zusammengearbeitet.“ Leo murmelte etwas leises, unverständliches, nickte jedoch. „Wir brauchen deine Erlaubnis, um uns dorthin aufzumachen.“, sagte Ironhide. Er hatte sich transformiert, sodass er seinem Anführer in die Augen sehen konnte. „Es besteht die vage Möglichkeit, dass Sektor 7 nichts damit zu tun hat, und dann liefern wir ihnen vermutlich einen Grund, das Misstrauen des Präsidenten gegen uns weiter zu verstärken.“ „Ich weiß.“ Optimus warf Ironhide einen Blick zu. „Ich bin mir aber sicher, dass wir uns in diesem Fall erklären könnten.“ Er fixierte Leo, der sich sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte. „Wohin müssen wir?“ „Mit deiner Erlaubnis, aber du bist nicht in der Verfassung, von diesem Stützpunkt zu verschwinden.“, warf Ratchet ein, „Deine Verletzungen…“ Optimus‘ Blick flackerte zu ihm hinüber. „Erwartest du, dass ich jemanden an meiner Stelle in eine potentielle Gefahr schicke?“ Lena war sich sicher, dass Ratchet die Augen verdreht hätte, wenn er dazu fähig gewesen wäre. „Nein, aber…“ „Dann lass es.“ Mit diesen Worten wandte Optimus sich wieder Leo zu. „Wohin müssen wir?“ Leo kratzte sich am Kopf. „Simmons meinte, Sektor 7 hätte sich am Hoover-Staudamm niedergelassen, weil sie da früher Megatron aufbewahrt haben, und sie die alten Anlagen wieder in Betrieb nehmen wollten… oder sowas in der Art…“ Optimus und Ironhide tauschten einen Blick. „Wenn dieses Arschloch Bee da irgendwo eingefroren rumstehen hat-“, setzte Ironhide an, doch Optimus unterbrach ihn rasch. „Ich bin mir sicher, es wird nicht nötig sein, dabei einen Menschen zu Schaden kommen zu lassen.“, sagte er leise. Schließlich sah er wieder zu Lena. „Du begleitest uns…?“ Lena presste die Lippen zusammen. War das gerade sowas wie ein Aufnahmeangebot in diese Einheit von Freaks? „Ich will Bee helfen.“, sagte sie schließlich, „Sie ist meine beste Freundin, und wenn sie in Gefahr ist, dann will ich ihr helfen. Aber das macht mich nicht zu einem Mitglied dieser NEST-Einheit, oder wie sie auch heißt, klar? Ich will damit nichts zu tun haben, ich will eigentlich nur mein Leben weiterleben…“ „Natürlich.“ Auf Optimus‘ Gesicht schien ein Lächeln zu liegen. „Das ist dein gutes Recht, und ich verspreche dir, dass wir alles dafür nötige unternehmen werden.“ Es dauerte nicht lange, bis er sich transformiert hatte, und einladend die Tür auf der Fahrerseite öffnete. Lena warf Ironhide einen fast ängstlichen Blick zu. „Ich weiß nicht, wie man einen Truck fährt…“ Ironhide grinste, sofern Lena das beurteilen konnte. „Keine Sorge, er ist ’n ziemlich guter Fahrer.“, antwortete er, „Aber vergiss Leo nicht.“ Kapitel 10: Zehn ---------------- Ironhide sollte Recht behalten. Abgesehen von gelegentlichen Bewegungen des Lenkrades hatte Lena nicht viel zu tun; Optimus wusste offenkundig genau, was er tat, obwohl sich Lena nicht ganz sicher war, wie er seine Umgebung wahrnahm – sie hatte keinerlei Sensoren am Auto entdecken können, die nicht dorthin gehörten. Allerdings hatte sie auch genug damit zu tun, das seltsame Gefühl zu verdrängen, dass sie in einem Wagen saß, der für sich selbst dachte. Leo neben ihr schien diese Tatsache fast gänzlich verdrängt zu haben; er beobachtete nur ab und zu fasziniert, wie sich der Schaltknüppel von allein bewegte, und starrte die meiste Zeit der Fahrt aus dem Fenster. Irgendwann hielt Lena es nicht mehr aus und brach das Schweigen. „Warum hast du mir nie von den Autobots erzählt?“, fragte sie. Leo fuhr zusammen – anscheinend hatte er vergessen oder verdrängt, dass sie mit im Wagen war – und sah zu ihr. „Na weil sie’s nicht wollten.“, antwortete er schließlich, „Ihr Boss hat gesagt, ich meine, er kam zu mir, kurz nachdem Sam… kurz nach dem Tod deiner Eltern, meine ich, und erst hab‘ ich ihn nicht erkannt, weil er als Mensch gekommen ist… in menschlicher Gestalt… wusste nicht, dass die das können… hat mir gesagt, dass die Jungs, die deine Mum und deinen Dad umgenietet haben, auch hinter dir her sein werden, und ich meinte, kein Problem, ich pass‘ schon auf sie auf. Auf dich, meine ich. Hab ich ja auch getan, oder? Und er hat auch gesagt, du hättest ein Recht darauf, in Frieden aufzuwachsen, oder sowas ähnliches. Deshalb sollte ich dir nichts erzählen.“ Er zuckte die Schultern. „Kannst mir also nichts vorwerfen, ich war selbst froh, die Jungs wieder los zu sein… war gruselig genug, dass dein Vater einen von denen in seiner Garage hatte, und dass er dich von ihm zur Schule und so hat fahren lassen. Gruselig.“ Er schauderte. „Bumblebee ist ’n feiner Kerl… obwohl ich ja nicht wusste, dass er, oder nein, sie… eben ’ne sie ist… und noch dazu so eine-“ „Ja, ich weiß.“, brach Lena rasch ab. Sie verschränkte die Arme und ihr Blick wanderte ebenfalls aus dem Fenster. Die Bilder, die Bee ihr gezeigt hatte, stiegen wieder in ihrer Erinnerung auf – das blutverschmierte Gesicht ihres Vaters, eine herausgerissene Haustür… „He, Kleine?“ Leos Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Ja?“ „Du machst doch keinen Unsinn, oder?“ Argwöhnisch musterte er sie; Lena hob die Augenbrauen. „Unsinn welcher Art?“ „Na ja…“ Gedankenverloren kaute Leo an einem Fingernagel herum. „Soweit ich weiß, hat dieser Irre, Megatron, deinen Dad gefoltert, um rauszukriegen, wo du steckst, weil er dich auch umlegen wollte. Aber er hat ihm nichts gesagt, also hat Megatron ihn umgebracht. Wär‘ nicht die feine Art, ihm das zu danken, indem du jetzt auch gegen die Decepticons in den Krieg ziehst, meinst du nicht?“ „Ich ziehe in keinen Krieg.“ Lena stützte sich auf dem Lenkrad ab und lehnte die Fingerknöchel gegen die Stirn. „Ich will mit all dem hier eigentlich nichts zu tun haben, klar? Im Augenblick will ich Bee helfen, aber das ist auch schon alles. Ich will nur in mein altes Leben zurück… es gibt noch andere Colleges auf dieser Welt… ich bin kein Alienkrieger oder sowas…“ Leo seufzte schwer. „Dachte mir schon, dass du sowas sagen wirst…“ Argwöhnisch sah Lena zu ihm. „Wieso?“ „Dein Dad meinte genau dasselbe, jedes Mal, bevor er ausgezogen ist, um irgendeinen Unsinn mit den Autobots anzustellen, weißt du.“ Leo warf einen vorsichtigen Blick auf die Motorhaube des Trucks hinunter. „Sag mal, glaubst du, er hört, was wir reden?“ „Schätze schon.“ Lenas Mundwinkel zuckten, als Leo einen weiteren argwöhnischen Blick durch das kleine Führerhaus warf. Etwa zehn Meile westlich vom Hoover-Staudamm. Noch bevor die ersten Kontrollposten in Sichtweite kamen, hielt Optimus an, und folgsam kletterte Lena aus dem Führerhaus. Diesmal mehr neugierig als verängstigt, beobachtete sie, wie er sich transformierte – zuerst in seine Autobot- und dann in seine menschliche Gestalt. Offenbar können sie nicht von einer Gestalt in die andere wechseln. Er war immer noch blass, wie Lena feststellte, doch die Verbände waren verschwunden; stattdessen trug er wieder Bluejeans und das übliche weiße Poloshirt, in dem Lena ihn kannte. Über seinen linken, vorher verletzten Arm zogen sich frische Narben, wie Lena bemerkte – offenbar ließen sich Verletzungen und deren Folgen nicht einfach durch eine Transformation beseitigen, wie sie schon festgestellt hatte. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten, und offensichtlich litt er immer noch unter Schmerzen – seine Lippen wurden kaum merklich schmaler, als er probeweise den linken Arm bewegte. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ihn mitzunehmen. „Warum halten wir?“, fragte sie allerdings, statt ihn darauf hinzuweisen. „Sektor 7 kennt unsere Gestalten.“, antwortete Optimus, während Ironhide sich in ihrer Nähe ebenfalls transformierte, „Sämtliche Gestalten, und ich fürchte, als Autobots fallen wir auf, also werden wir uns wohl oder übel als Menschen einschleichen müssen.“ „In eines der bestgesichertsten Gebäude auf dem Planeten?“ Leo verzog das Gesicht. „Herzlichen Dank, ohne mich, wenn du gestattest.“ Lena presste die Lippen zusammen. „Hör zu, keiner zwingt dich, hier zu sein, klar? Du kannst gerne verschwinden, wenn du willst; schließlich hast du nichts damit zu tun.“ Leo stöhnte leise. „Himmelherrgott, Kleine, hat dir schon mal jemand gesagt, dass du deinen Eltern verflucht ähnlich bist?“ „Des öfteren.“, antwortete Lena mit einem unschuldigen Lächeln. Ironhide hatte seine Transformierung inzwischen abgeschlossen, und Lena konnte das Pistolenhalfter erkennen, das sich unter seiner Jacke abzeichnete. „Hier.“ Er griff in den Rucksack, der vorher auf seinem Rücksitz gelegen hatte, wie Lena wusste, und warf Optimus und Leo ebenfalls eine Waffe zu – und ihr genauso. Schockiert sah Lena auf die Pistole hinab, die sie aufgefangen hatte. „Du erwartest doch wohl nicht von mir-“ „Falls wir noch auf etwas anderes als auf Menschen stoßen.“, sagte Optimus leise, „Glücklicherweise sind wir in dieser Form genauso kugelempfindlich wie ihr.“ „Von hier bis zum Staudamm sind’s zehn Meilen.“ Ironhide warf Optimus einen Blick zu. „Schaffst du das?“ Dieser hob die unverletzte Schulter. „Mir bleibt nicht viel anderes übrig, oder?“ Als der Staudamm in Sicht kam, dämmerte bereits der Abend. Jeder Knochen in Lenas Körper schmerzte – ihr Weg hatte sie, um den Sicherheitspatrouillen und eventuellen Kameras zu umgehen, durch unwegsames und oft steiles Gelände geführt – und sie fragte sich ernsthaft, wie um alles in der Welt es ihnen jetzt noch gelingen sollte, sich in den Gebäudekomplex, der sich unterhalb des Felsplateaus befand, auf dem sie saßen, einzuschleichen. Optimus‘ Gesichtsfarbe hatte sich nicht gerade zum Besseren gewendet; er war fast so grau im Gesicht wie der Fels, an dem er lehnte, und sein Atem ging schwer und stockend. Ironhide tauschte einen besorgten Blick mit Lena – Leo, der sich im Hintergrund mit gemäßigter Lautstärke über seine schmerzenden Beine beschwerte, wurde von ihnen im Augenblick kaum beachtet – , hob jedoch kaum merklich die Schultern. Optimus hatte schließlich mehr als einmal zu verstehen gegeben, dass er keine Hilfe von ihnen wollte. „Wir warten hier, bis es vollständig dunkel geworden ist.“, sagte Ironhide leise, „Dann wird’s einfacher für uns.“ Lena nickte, griff nach der Wasserflasche, die er ihr reichte, und trat zu Optimus hinüber. „Hier, trinken Sie einen Schluck.“ Sie streckte ihm die Flasche hin. Optimus‘ Blick wanderte langsam über ihr verschwitztes Haar und ihre staubige Kleidung, doch schließlich nahm er die Flasche und gehorchte. „Setzen Sie sich.“, sagte Lena leise, „Bitte.“ Optimus‘ Mundwinkel zuckten kaum merklich, doch er gehorchte erneut. Lena nahm neben ihm Platz. „Alles okay?“ Optimus nickte – selten hatte Lena einen so miserablen Lügner erlebt – , lehnte die Schläfe an den Felsen und schloss die Augen. Lena seufzte leise. Der Mann vor ihr gehörte eindeutig in ein Krankenhausbett, und nicht in die Nähe eines schwer bewachten Geheimdienstpostens irgendwo in der Einöde. „Kippen Sie mir nicht wieder um, okay?“ Optimus lächelte schwach. „Keine Sorge.“, murmelte er. Seine Stimme klang heiser; Lena konnte erkennen, dass ihm der Schweiß übers Gesicht lief. Vorsichtig griff sie nach seiner Hand, tastete behutsam mit den Fingerspitzen über die Gelenke und das Handgelenk, um nach verletzten Knochen zu suchen, wie sie es vor einer scheinbaren Ewigkeit während eines Erste-Hilfe-Kurses gelernt hatte. Optimus beobachtete sie aus halb geöffneten Augen schweigend dabei, entzog ihr seine Hand jedoch nicht. „Bee hat mir erzählt, Ratchet hätte mein Gedächtnis manipuliert.“, sagte sie schließlich leise, während sie damit fortfuhr, „Das haben Sie in die Wege geleitet, oder?“ Optimus schwieg eine Weile, doch schließlich nickte er langsam. „Du solltest die Chance auf eine friedliche Kindheit haben.“, antwortete er, „Anfangs war ich dagegen… du hättest die Möglichkeit haben müssen, selbst zu bestimmen, wie du mit dem, was du wusstest, umgingest… aber du warst erst acht Jahre alt; du hast unter Alpträumen gelitten, unter Angstzuständen…“ Er öffnete die Augen vollends und sah sie an. „Es war keine leichte Entscheidung, wenn du das meinst.“, murmelte er. Lena war bei den Narben auf seinem Unterarm angekommen; sachte fuhr sie mit den Fingerspitzen das rötlich-silbrige Geflecht entlang. Optimus zuckte kaum merklich zusammen. „Verraten Sie mir, was ein Prime ist?“, fragte Lena schließlich und lächelte, „Bee konnte mir dazu nicht allzu viel sagen.“ „Ein Prime ist…“ Optimus verzog das Gesicht und richtete sich etwas auf. „Es ist ein Titel… eigentlich ist es ein Titel, aber es ist auch eine Art Suffix… bei… bei manchen Autobots… in meinem Fall ist es beides…“ „Bee hat etwas von Urahnen erzählt.“ Behutsam bewegte Lena erst die Finger und dann den Ellbogen. „Tut das weh?“ „Mh? Nein… und ja, damit hatte sie Recht…“ Noch immer atmete er schwer, doch wenigstens stand er nicht mehr kurz davor, zu hyperventilieren. „Es ist ein Titel für… für Autobots, die sich in der Schlacht verdient gemacht haben… mit einem General bei euch vergleichbar… oder es ist der Name unserer Urahnen… am Anfang gab es sieben Primes… sie haben das Energon von entfernten Sonnen geerntet, um das Überleben unserer Rasse zu sichern…“ Noch immer rührte er sich nicht, machte auch keine Anstalten, sich von ihr zu lösen. Langsam ließ Lena seinen Arm wieder los. „Was ist an mir so wichtig, Optimus?“, fragte sie leise, „Was will Megatron von mir?“ „Wir denken…“ Er verzog kurz das Gesicht. „Na ja, wir vermuten… dass sich das Wissen des AllSpark, das sich zuerst deinen Vater als neuen Hüter ausgesucht hat, auf dich übertragen hat… und somit vielleicht auch die Fähigkeit, Energon zu erzeugen.“ Verdutzt sah Lena ihn an. „Was, zu erzeugen? Ich bin doch keine wandelnde Steckdose oder sowas…“ Optimus lachte leise, legte jedoch eine Hand auf seine verletzte Seite und biss die Zähne zusammen. „Nein, das hab‘ ich auch nicht gemeint… aber wer weiß, wozu du fähig bist. Auf jeden Fall glauben die Decepticons, du wärst es.“ Lena biss sich auf die Unterlippe. „Na wunderbar.“, murmelte sie, „Haben sie deshalb meinen Vater umgebracht? Und waren sie deshalb hinter mir her?“ Optimus musterte sie einen Augenblick lang. „Das weiß ich nicht.“, antwortete er schließlich leise, „Ich… ich weiß nicht, wie viel euch Menschen das bedeutet, aber… dein Vater ist als Held gestorben. Um dich zu beschützen. Du kannst dich nicht an deine Eltern erinnern, oder…?“ „Kaum.“ Lena presste die Lippen zusammen, um zu verhindern, dass ihr Tränen in die Augen stiegen, wie jedes Mal, wenn das Gespräch auf ihre Eltern kam. Sie spürte Optimus‘ besorgten Blick auf sich ruhen. „Dein Vater war ein guter Mensch.“, sagte er sanft, „Er hat deine Mutter über alles geliebt, und dich auch.“ Lena hielt kurz den Atem an, doch es gelang ihr nicht, das Schluchzen zu unterdrücken, das in ihr aufstieg. Das Bild ihres Vaters, das sie in Bees Hologramm gesehen hatte, ging ihr nicht aus dem Kopf, und gleichzeitig spürte sie, wie sich heiße Wut in ihr zusammenbraute. „Verdammt!“ Sie ballte die Faust, senkte jedoch den Blick und fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht. „Dieser… Megatron… Bee hat mir erzählt… w-was er mit ihm gemacht hat…“ Optimus sog kurz und scharf die Luft zwischen den Zähnen ein; er legte ihr eine Hand auf den Unterarm, als er sich ein wenig vorbeugte. „Er ist einen heldenhaften Tod gestorben.“, sagte er leise, „Er ist für die Leute gestorben, die er geliebt hat, und einen besseren Tod kann ich mir nicht vorstellen.“ Dennoch konnte Lena nicht verhindern, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, die sie nicht stoppen konnte; sie fuhr sich erneut mit dem Ärmel über das Gesicht. „Ich weiß.“ Sie vergrub das Gesicht in den Hände. „Ich – es ist – in den letzten Tagen, da – ich meine-“ Optimus legte ihr einem Impuls folgend den gesunden Arm um die Schultern und zog das Mädchen sanft etwas an sich. „Es lag nicht in meiner Absicht, dich auf diese Art und Weise einzuweihen, das musst du mir glauben.“, sagte er leise, „Ich hatte mir erhofft, dass ich eine andere Möglichkeit finde.“ Lena antwortete nicht; sie lehnte die Wange an seine Schulter und schloss die Augen. Noch immer liefen Tränen über ihr Gesicht. „Mein Vater ist meinetwegen gestorben.“, wisperte sie, „Das haben Sie gesagt… und im College, da gab es Tote… Sie wären meinetwegen beinahe gestorben… ich will nicht, dass den Leuten etwas zustößt, nur, weil sie dummerweise dasselbe College besuchen wie ich, und…“ Sie schluchzte auf, presste jedoch die Lippen zusammen. „Ich will diesen Megatron tot sehen.“, wisperte sie, „Ich weiß, es ist egoistisch, aber – Bee hat mir gezeigt, was er mit meinem Vater gemacht hat – s-sie hatte so ein Hologramm… ich kann an nichts anderes mehr denken…“ „Die Erinnerung wird verblassen.“ Sie konnte seine Finger in ihrem Haar spüren. „Scht… mach dir um Megatron keine Sorgen…“ Sie blinzelte zu ihm hoch. Erneut trennten ihre Gesichter nur wenige Zentimeter, doch sie lächelte müde, anstatt erneut zurückzuweichen. „Die Leute von Sektor 7 – arbeiten die mit den Decepticons zusammen?“, fragte sie leise, „Oder sind das nur harmlose Irre?“ Optimus lachte; sie konnte spüren, wie sein Brustkorb vibrierte. „Eher letzteres.“, antwortete er, noch immer lachend, verzog jedoch kurz vor Schmerz das Gesicht, „Beim Spark, bring mich nicht zum Lachen, Kleines, das ist gar nicht gesund, glaube ich…“ „Entschuldigung.“, antwortete Lena mit einem verlegenen Lächeln. Optimus legte kurz den Kopf ins Genick. „Schon gut.“, murmelte er. Lena beobachtete ihn einen Augenblick lang stumm. „Wie soll ich Sie jetzt eigentlich nennen?“, fragte sie leise. Sie konnte seine Wärme neben sich spüren, und seinen Atem, der ihr Stirn streifte, als er sie wieder ansah. „Ich meine, Professor Parish erscheint mir jetzt… seltsam, und Mr Prime klingt gewöhnungsbedürftig…“ „Optimus reicht.“ Seine Stimme klang sanft, als er auf sie hinuntersah. „Du hast dich bisher übrigens recht gut geschlagen.“, bemerkte er fast im Plauderton und drückte flüchtig ihre Schulter, „Ironhide hat mir erzählt, dass du die… Neuigkeit erstaunlich gut aufgenommen hast.“ „Mir bleibt ja kaum eine andere Wahl, oder?“, murmelte Lena. Ihre Augen brannten; sie schloss die Lider für einen Augenblick. „Warum sind Sie ausgerechnet mein Lehrer geworden?“ , fragte sie plötzlich und sah auf, „Und erst auf dem College? Ich war jahrelang im selben Sportverein wie Bee, oder Sie hätten sich doch sonst wie einbringen können…“ „Ich wollte sichergehen, dass du alt genug bist, wenn du die Wahrheit erfährst… und dass du sie durch mich erfährst.“ Das Lächeln auf Optimus‘ Gesicht wirkte schmerzlich. „Ich wollte jedenfalls nicht, dass du es erfährst, weil Megatron und Starscream dein College dem Erdboden gleich machen…“ „Und meinen Professor beinahe umbringen.“, ergänzte Lena mit einem schweren Ausatmen. „Ich lebe noch.“, sagte Optimus leise, „Mach dir um mich keine Sorgen.“ Lena verzog das Gesicht. Sie warf einen Blick zum Horizont – die Sonne war fast vollständig untergegangen. „Geht es Ihnen besser…? Dir, meine ich.“ Er nickte schwach. „Danke.“ Lena lächelte noch etwas breiter. „Kein Problem.“ Etwas seltsam-elektrisierendes schien durch ihre Adern zu rinnen, als sie auf- und Optimus wieder in die Augen sah. Obwohl er noch immer blass wirkte, strahlten seine Augen dasselbe zuversichtliche blaue Leuchten aus, das Lena von ihm kannte, und erneut musste sie sich zusammenreißen, um nicht darin zu versinken, als er zurücksah. „K-Kein Problem.“, wiederholte sie etwas zu hastig, als sie rasch die Augen niederschlug. „He, ihr zwei Turteltäubchen!“ Ironhides Stimme ließ sie hochschrecken. Er hatte seinen Rucksack wieder aufgesetzt und musterte Optimus fragend. „Können wir los?“ Kapitel 11: Elf --------------- Im Inneren des Hoover-Staudamms. Was Bee spürte, war die Kälte. Bewegungsunfähig lag sie auf dem Rücken, konnte nicht einmal die Augen öffnen, während ihre Gliedmaßen langsam aber sicher einzufrieren schienen. Das Metall der Elektroden war das einzige, was sie sonst noch wahrnahm. Sie schluckte krampfhaft bei dem Versuch, die Panik einzudämmen, die ihre Kehle hochstieg. „Kalt, Schätzchen?“ Diese Stimme kannte sie nicht. Mit äußerster Mühe öffnete sie die Augen, erkannte verschwommen die Silhouette eines dunkelhaarigen jungen Mannes, der in ihrer Nähe an der Wand lehnte. Ironhide… Sie unternahm den schwachen Versuch, sich zu bewegen, musste sich jedoch recht bald eingestehen, dass es sinnlos war. Abgesehen davon war Ironhide wesentlich kräftiger gebaut als die beinahe schmächtige Gestalt an der Wand, die sie interessiert begutachtete. „Gib dir keine Mühe; das Zeug, das Henderson dir verpasst hat, wirkt teuflisch gut.“ Er stützte sich auf die Liege über sie. Jetzt aus der Nähe erkannte sie, dass es natürlich nicht Ironhide war; ihr Besuch war beinahe noch etwas jünger als sie, höchstens gleichalt, und sein Teint wesentlich blasser. Hohe Wangenknochen und eine schmale, gerade Nase zwischen zwei stechend grünen Augen in einem glattrasierten Gesicht verliehen ihm etwas aristokratisches, und ein Hauch von einem arroganten Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich zu ihr hinunter beugte. „Megatron würde es gar nicht freuen, zu hören, dass ich hier bin.“, wisperte er, „Deshalb bleibt das wohl besser unter uns, hm?“ Flüchtig streifte er ihre Wange, und obwohl die von ihm ausgestrahlte Wärme sie schaudern ließ, nahm Bee ihre ganze Kraft zusammen und drehte den Kopf beiseite. „Du warst doch der Leibwächter von diesem Whitwicky-Jungen, oder?“, fuhr Starscream lauernd fort, „Soll ich dich mit ein paar Details darüber erfreuen, wie Megatron ihn fertig gemacht hat? Aber ich nehme an, das weißt du ohnehin alles.“ Bee presste die Lippen zusammen, konnte jedoch nicht verhindern, dass in ihr Tränen hochstiegen. Sam. „Aber ich bin natürlich nicht hier, um mit dir über den guten alten Sam zu reden.“ Bumblebee schloss die Augen wieder, um zu verhindern, dass er das verräterische Schimmern bemerkte. Starscream setzte sich auf die Liege und beobachtete sie nachdenklich. „Verschwinde.“, flüsterte sie, wobei sich ihre Kehle vor Anstrengung zusammenzog. „Ah, dz-dz.“ Er legte ihr kurz einen Finger auf die Lippen, beugte sich dabei so tief herunter, dass sein Atem warm über ihr Ohr strich. „Nicht reden.“ Beinahe zärtlich strich er ihr das Haar aus dem Gesicht. Unter der Berührung wurde ihr beinahe übel. Er kniete sich vor die Liege und legte den Kopf leicht schief, um ihr in die halb geschlossenen Augen sehen zu können. „Es mag dich irritieren“, sagte er mit einem Lächeln, das sanft gewirkt hätte, wenn das Blitzen in seinen Augen nicht gewesen wäre, „aber deine jetzige Situation freut mich überhaupt nicht.“ Die letzten Worte hatte er ihr wieder ins Ohr gehaucht; Bees Herz machte einen schmerzhaften Sprung. „Henderson hat gesagt, die Wirkung von dem Zeug, das er dir gespritzt hat, wird durch die Kälte verstärkt.“, bemerkte er, jetzt wieder fast im Plauderton, „Davon versteh‘ ich zwar nicht allzu viel, aber wenn ich mir dich so anschaue, glaube ich, er hatte ausnahmsweise mal Recht.“ Gedankenverloren streichelte er mit zwei Fingern ihren bloßen Unterarm auf und ab, und Bee biss die Zähne so fest zusammen, dass es schmerzte, als sie begriff, dass sie begierig jedes bisschen Wärme genoss, das von ihm ausging. „Ich nehme an, es interessiert dich jetzt ungemein, wieso ich hier bin.“ Nein, tut es nicht., hätte Bee am liebsten geantwortet, doch so, wie es im Augenblick aussah, blieb ihr nur wenig anderes übrig, als zuzuhören und abzuwarten. „Hör mir gut zu, mein Schätzchen.“ Er flüsterte wieder, diesmal so leise, dass Bee ihn kaum verstehen konnte, dabei jedoch so eindringlich, und, wie sie verdutzt feststellte, mit beinahe angsterfüllter Stimme, die es ihr unmöglich machte, wegzuhören. Trotz des tauben Gefühls in ihren Fingern spürte sie, wie seine Hand über ihrer ruhte, und dass seine Handinnenfläche schweißnass war. „Ich nehme an, Optimus Prime wird dich retten, denn bisher hat er noch jeden von Megatrons Plänen durchkreuzt. Und wenn er das tut, dann wirst du ihm sagen, dass ich Energon brauche.“ Wäre Bee nicht so schwach gewesen, sie hätte laut los gelacht. Was bildete dieser Kerl sich ein? „Ich nehme an, er wird dann fragen, warum zum Teufel er das tun sollte.“, flüsterte Starscream, „Richte ihm folgendes aus: Auf einem der Monde des Saturn befindet sich ein Versteck, in dem gut zweitausend Sparklinge seit Jahren friedlich vor sich hin schlummern. Sparklinge, hast du gehört? Keine Autobots, keine Decepticons, neutrale kleine Sparklinge, und sie werden sterben, sie werden jämmerlich verrecken, wenn ich kein Energon kriege, um sie zu versorgen. Anfangs waren noch einige mehr von den Kleinen da, aber viele sind gestorben oder Megatrons Wutausbrüchen zum Opfer gefallen.“ Seine Lippen wurden kaum merklich schmaler. „Ihr habt die Splitter des AllSpark, und ihr habt das Mädchen, das Energon produzieren kann. Mag sein, dass es Megatron nicht interessiert, aber mich geht es etwas an, wenn die Winzlinge da oben reihenweise sterben, klar? Und falls Prime mit seinem ach so weichen Spark dann immer noch nicht überzeugt ist, dann verrat ihm, woher die Kleinen stammen: Von Cybertron nämlich, wo Megatron sie kurz vor der Zerstörung von Cybertron entwendet hat, zusammen mit Barricade und Soundwave und einigen anderen.“ Bee spürte, wie ihr flau im Magen wurde. Zweitausend Sparklinge… gestohlen… Starscream richtete sich auf, nun wieder mit einem Lächeln auf dem Gesicht. „Also, meine Süße, ich kann verstehen, warum der Whitwicky-Junge ausgerechnet dich als Leibwächter wollte.“, bemerkte er mit einem Grinsen, „Angenehmes Einfrieren noch, meine Hübsche…“ Bee hörte, wie sich die Tür öffnete und schloss, dann war sie wieder allein mit der Kälte, der Angst – und der pulsierenden Wärme an ihrer Hand, rings um den winzigen Einstich, dort, wo Starscream ihr das Gegengift gespritzt hatte. Laute Technomusik dröhnte aus dem Verstärker auf dem Boden. Zwischen wummernden Bässen und einem von Müll und Elektroschrott überhäuften Schreibtisch saß ein junger Mann auf einem sichtlich mitgenommenen Schreibtischstuhl, zurückgelehnt, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Der Zeigefinger seiner linken Hand tippte im Takt der Musik auf die Armlehne. Zu seiner Rechten, gleich neben der Maus des Computers auf dem Schreibtisch, stand ein noch halb voller Becher Espresso. Einen Augenblick lang glitt Barricades Blick missbilligend über das vorherrschende Durcheinander, dann über die muskulöse Gestalt in der Mitte. Mit einem Schaudern registrierte er blonde Strähnen in dem sonst dunklen Haar des Mannes. Ganz offensichtlich genoss hier jemand sein menschliches Dasein zu sehr. Aber was blieb ihnen übrig, in diesem menschenverseuchten Drecksloch, in dem sie als Decepticons mit jedem Schritt drei Wände eingerissen hätten… „Soundwave!“, bellte er über den Lärm hinweg. Die Antwort war der ausgestreckte Mittelfinger seines Gegenübers. Barricade verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und trat das Stromversorgungskabel des Verstärkers aus der Verankerung. Der Lärm erstarb und Soundwaves Augen flogen auf. Eines war blau, eines braun, wie Barricade feststellte. Selbstherrliche Fehlkonstruktion. „Spinnst du?“, zischte Soundwave. Seine Worte klangen kaum merklich undeutlich, was an dem Kaugummi liegen mochte, den er nervös im Mund hin und her schob. „Die Dinger sind brandneu!“ Barricades Augenbrauen zuckten in die Höhe. „Was du nicht sagst.“ Soundwave, der sich zuerst wütend aufgerichtet hatte, sank in den Stuhl zurück und winkte ab. Er gähnte, nahm einen weiteren Schluck aus dem Kaffeebecher und spülte den Kaugummi damit hinunter. „Was willst du?“, murmelte er, während er sich die Augen rieb. Barricade kam näher. Soundwave umgaben insgesamt fünf Bildschirme, wie er nun sah, und auf jedem zeigte sich ein anderes Bild – Überwachungsaufnahmen von außerhalb der Basis. „Schon was zu sehen?“, fragte Barricade nach einem Blick auf die Bildschirme. „Nein…“ Soundwave rieb sich erneut die Augen und blinzelte. „Was soll das, Mann? Die ganze Nacht sitze ich vor den beschissenen Computern; Ravage und Scorponok patrouillieren draußen, Hendersons Leute rennen mit kälbergroßen Hunden über alle Zufahrtsstraßen, und der ganze Aufwand nur für eine süße kleine Bot auf Eis… die sich Starscream eh schon gesichert hat…“ Er winkte fahrig in Richtung eines weiteren kleinen Bildschirms, der Bumblebee zeigte, die reglos auf ihrer Liege lag, die Augen geschlossen, ihr Haar von winzigen Eiskristallen überzogen. „Schleicht die ganze Zeit um sie herum…“ „Vergiss nicht, zu welchem Zweck sie hier ist.“ Starscreams scharfe Stimme ließ beide hochschrecken; Soundwave richtete sich etwas mehr auf. Starscream ließ den Blick über die beiden gleiten. Zwar war er gut einen Kopf kleiner als Barricade und wesentlich schlanker gebaut als beide, doch noch immer flimmerte ein Hauch von Arroganz in seinen Augen, als er näher kam. „Also, was haben wir hier?“ „Was hast’n bei ihr gemacht?“, fragte Soundwave statt einer Antwort, „Ihr ein bisschen Angst gemacht, hm? Die Temperatur noch ’n bisschen runter gedreht?“ „Ich kann mich nicht erinnern, dass es dich etwas angeht, was ich tue.“ Noch immer umspielte ein Lächeln Starscreams Lippen, als er hinter Soundwave trat und eine Hand auf die Lehne seines Stuhls legte. „Also? Was gibt es neues?“ „Gar nichts.“ Soundwave gähnte ein zweites Mal. „Ratten und Menschen und zwei oder drei Kojoten, sonst nichts… keine Autobots…“ Auf einem der Bildschirme wurde eine Bewegung sichtbar. Barricade verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Was ist das?“ Soundwave wirbelte herum. „Was ist was?“ Starscream tippte auf den Bildschirm. „Das.“ Er zog kurz die Augenbrauen zusammen, dann lächelte er. „Barricade, hol Megatron her.“, sagte er. Kapitel 12: Zwölf ----------------- „Wenn etwas passiert“, sagte Optimus leise, „dann will ich, dass du rennst, hast du gehört? Du rennst, als wäre der Teufel hinter dir her.“ Lena schluckte, doch sie nickte tapfer. Optimus und Ironhide tauschen einen kurzen Blick und Optimus hob seine Waffe. „Ich gehe voraus. Du passt auf die beiden auf.“ Ironhide nickte. Optimus warf einen Blick auf die versteckte, von Ironhide aufgebrochene Seitentür des Komplexes, die wie ein schwarzes Loch vor ihm lag. Seine Schultern sanken kaum merklich herab; Lena legte flüchtig eine Hand auf seinen unverletzten Arm. „Sei vorsichtig.“, sagte sie leise. Optimus‘ Mundwinkel zuckten, doch er antwortete nicht, machte nur einen Schritt nach vorn und verschwand im Dunkeln. Lenas Zähne schlugen hörbar aufeinander, so nervös war sie, doch sie umklammerte den Griff der Waffe fester und folgte Optimus. Im Inneren war es stockfinster – und eiskalt. Lena konnte Ironhide leise fluchen hören. „Was ist?“, fragte sie im Flüsterton. „Wir vertragen Kälte nicht besonders gut.“, murmelte er als Antwort, „Macht uns langsamer, unbeweglicher…“ „Na herrlich.“, knurrte Leo. Es war das erste Mal seit Stunden, dass er etwas sagte. „Kurz nachdem dein Vater herausgefunden hat, wer wir sind, hat Sektor 7 das eingesetzt, um Bumblebee gefangen zu nehmen.“, fuhr Ironhide leise fort, „Damals war Seymour Simmons der Chef von Sektor 7…“ „Seymour Simmons war ein guter Mann!“, zischte Leo, „Er war ein Patriot, er hat-“ „Er hat eine Unschuldige gefoltert, weil ihm gerade danach war!“, blaffte Ironhide, „Erzähl du mir nichts über Simmons, klar?“ „Ruhe!“ Mehr als dieses eine Wort aus Optimus‘ Kehle brauchte es nicht, um beide zur Ordnung zu rufen; Ironhide wirkte zwar immer noch höchst angespannt, doch er hielt ebenso wie Leo den Mund. Optimus schloss die Augen für einen Moment und blieb stehen, eine Hand auf die Wand gestützt; Lena griff behutsam nach seiner unverletzten Hand. „Alles in Ordnung?“, flüsterte sie. Im Halbdunkeln konnte sie sehen, dass er die Zähne zusammenbiss, doch er nickte mit einem schwachen Lächeln. „Mach dir um mich keine Sorgen.“ Wie zufällig streifte er ihren Unterarm, als er weiterging; Lena tat ihr bestes, um dicht hinter ihm zu bleiben. An der nächsten Weggabelung blieb Ironhide jedoch wieder stehen. „Optimus?“ Der einzige mit einer Notstromleuchte erhellte Weg führte nach rechts. Ironhide knirschte kaum hörbar mit den Zähnen. „Das ist ’ne Falle.“ „Das war vorherzusehen.“, sagte Optimus leise, „Ich würde euch keinen Vorwurf machen, wenn ihr so schnell wie möglich zurückgehen wollt, aber ich habe noch nie einen Mann zurücklassen müssen, und ich beabsichtige, Bumblebee zu retten.“ Ironhide seufzte leise. „Glaubst du wirklich, ich lasse dich Megatron allein gegenüber treten? Den Fehler mache ich nicht nochmal.“ Optimus lächelte schwach, ging jedoch weiter. Noch immer war keine Menschenseele zu sehen – ganz zu schweigen von einem Decepticon – und Lena begann ernsthaft zu zweifeln, ob sie am richtigen Ort waren, als sie um eine weitere Wegbiegung gingen, und sich überraschend vor einer schweren, verriegelten Eisentür wiederfanden. Optimus und Ironhide tauschten einen Blick, und ohne ein weiteres Wort zog Ironhide seine Waffe, um die Tür zu öffnen. Ein Hauch kalten, weißen Nebels umhüllte Lena, als die Türscharniere sich mit einem Knarren öffneten; sie fröstelte selbst durch ihre Armeejacke hindurch. Ironhide neben ihr wurde blass, als die Tür vollständig geöffnet war. „Bumblebee.“, sagte er leise. Die junge Autobot lag halb auf der Seite, das blonde Haar auf der Liege ausgebreitet, und die Augen geschlossen. Sie war offensichtlich bewusstlos oder schlimmer; beim Näherkommen sah Lena, dass sich in ihren Wimpern, ihren Augenbrauen und ihrem Haar bereits Eiskristalle festgesetzt hatten. Auf ihrem Gesicht konnte sie getrocknetes oder bereits gefrorenes Blut feststellen, und Bee war so blass, dass man sie tatsächlich für tot hätte halten können. Ihre Jacke und ihre Stiefel fehlten, wie Lena sah – natürlich, wie alles, was sie hätte als Waffe einsetzen können. Unsanft stieß Ironhide Lena beiseite, als sie sich neben ihre Freundin knien wollte, zog sich selbst die Jacke aus und wickelte die junge Bot darin ein. „Bumblebee?“ Seine Stimme war so sanft, wie Lena es nie für möglich gehalten hätte; Optimus folgte seinem Beispiel, tastete rasch an Bees Kehle nach dem Puls seiner Soldatin, kontrollierte ihre Atmung und begann rasch damit, ihre Wangen und ihre Hände zu reiben, um die Blutzirkulation anzuregen. „Komm schon, Kleine, tu mir das nicht an.“, flüsterte Ironhide, die Wange an Bees Haar, „Es tut mir leid…“ Zwei Stockwerke höher im Überwachungsraum nahm Soundwave die Füße vom Tisch und setzte sich aufrecht hin. Gedankenverloren musterte er eine Weile das Treiben in der Gefrierkammer, drehte einen Bleistift zwischen den Fingern, während er beobachtete, wie der blonde der beiden Autobots, bei dem es sich seinen Informationen nach um Optimus Prime höchstpersönlich handeln musste, sich über ihre süße kleine Tiefkühlbot beugte und es aus irgendwelchen Gründen ganz besonders hilfreich fand, sie zu befummeln. Noch immer umspielte ein Lächeln die Lippen des Decepticons, als er mit dem Bleistift einen Knopf auf einer Schalttafel drückte, und die Tür des Kühlraums mit einem Krachen ins Schloss fiel. Die Bots stoben auseinander wie Insekten; das Mädchen, das bei ihnen gewesen war, und auf deren Gesicht sich nun unübersehbar Angst zeigte, sagte etwas, das so leise war, dass Soundwaves sorgsam angebrachte Mikrofone es nicht verstanden. „Was machst du da?“ Starscreams Stimme ließ ihn hochschrecken. „Würd‘ es dir was ausmachen, dich demnächst bemerkbar zu machen?“, entgegnete Soundwave gelangweilt, „Und wenn du’s unbedingt wissen willst, ich führe Megatrons Befehle aus.“ Starscream hob eine Augenbraue und trat näher, um einen Blick auf die Bildschirme zu werfen. Ungerührt beobachtete er, wie das Mädchen, von dem Soundwave vermutete, dass es sich um Lena Whitwicky handelte, die Stahltür mit den Fäusten bearbeitete, offensichtlich dem Irrglauben verfallen, auf einmal habe organisches Material dem Metall etwas entgegen zu setzen. „Und warum weiß ich nichts von diesen Befehlen?“ Soundwave hob eine Augenbraue. „Was weiß ich, vielleicht hat er’s nicht für nötig gehalten, dich zu informieren.“ Ein Grinsen umspielte seine Lippen, als er sich wieder zu den Bildschirmen umdrehte. „Würde mich nicht wundern.“, bemerkte er, „Megatron traut dir nicht, weißt du? Sehr clever von ihm, finde ich.“ „Tust du das.“ Starscreams Stimme war schneidend wie die Klinge des Messers, das er Soundwaves Wissen nach in einem Ärmel versteckt bei sich trug. „Und wieso, glaubst du, könnte das sein?“ Soundwave schob nachdenklich den Kaugummi im Mund hin und her, machte eine Blase und ließ diese platzen. „Weil du ’n linkes Arschloch bist.“, antwortete er schließlich. „Wirklich.“ Starscream trat noch etwas näher. „Ist das so, deiner Meinung nach…“ Blitzartig schüttelte er das Messer aus dem Ärmel, riss in der gleichen Bewegung Soundwaves Kopf ins Genick und drückte die Spitze gegen seinen Kehlkopf. „Ich hätte gute Lust, dich für deine Unverschämtheit auf der Stelle aufzuschlitzen.“, zischte er, die Lippen dicht neben Soundwaves Ohr, in dessen Gesicht jede Regung erstarrt war, „Aber mir ist nicht danach, heute noch die Tastatur von deinem geschätzten Computer saubermachen zu müssen. In Zukunft werde ich über jede Planänderung informiert, und du wirst mir mit dem gebotenen Respekt begegnen, hast du verstanden?“ Soundwave schluckte. Sein Kehlkopf zitterte. Starscreams Augen waren eiskalt wie die Wände des Kühlraumes, und jedes Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. „Ja, Sir.“, presste der Kommunikationsexperte mit Mühe hervor, „Verzeihung, Sir. V-Verstanden.“ Starscream ließ ihn los und wischte die Klinge an seinem Ärmel ab, bevor das Messer genauso lautlos wieder darin verschwand. „Gut.“, sagte er mit einem Lächeln, „Weitermachen.“ Mit diesen Worten verschwand er aus dem Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen. Kapitel 13: Dreizehn -------------------- „Was machen wir jetzt?!“ Lena drehte sich zu Optimus um; in ihrem Gesicht stand blanke Panik. „Hier drin ist es viel zu kalt – wenn wir nicht hier rauskommen, dann…“ Optimus warf Ironhide einen kurzen Blick zu, und dieser wurde merklich blasser. „Was hast du vor?“, fragte er argwöhnisch. Optimus‘ Mundwinkel zuckten. „Euch am Leben erhalten, was denn sonst?“ Ironhide zog die Augenbrauen zusammen. „Wenn du das tust, was ich denke, das du tust, kannst du das auch gleich verwenden, um uns hier rauszubringen.“ „Wir können uns nicht befreien, ohne dabei das Risiko einzugehen, Menschen zu verletzen.“, sagte Optimus ruhig, „Der Raum hier ist hoch genug, es sollte also keine Schwierigkeiten geben…“ Verwirrt sah Lena zwischen den beiden hin und her. „Was… was ist denn…? Was habt ihr vor?“ Ironhide presste die Lippen zusammen. „Optimus, mach keinen Unsinn, verdammt!“ Optimus warf Lena ein kurzes, wohl beruhigend gemeintes Lächeln zu, das jedoch nicht ganz bis zu seinen Augen reichte, und begann, sich zu transformieren. Im selben Augenblick wurde Lena klar, was er vorhatte. Jedes Auto hat eine Heizung… aber was passiert mit ihm, wenn die Batterie alle ist?! „Optimus-“ Sie machte unwillkürlich ein paar Schritte auf ihn zu, als er seine Autobot-Gestalt wieder angenommen hatte, und legte eine Hand auf das Metall. „Optimus, das – das könnte dich umbringen, verdammt…“ „Wenn meine Kräfte aufgezehrt sind, bevor Megatron sich ein besseres Verließ für uns einfallen lässt, dann ist das sehr wahrscheinlich.“, antwortete Optimus ruhig. Er beugte sich zu ihr hinunter. „Mach dir um mich keine Sorgen.“, sagte er leise. Seine Stimme klang noch immer kraftlos und erschöpft; in Bot-Gestalt und nach einer Transformation noch mehr als vorher. „Aber-“ Optimus ließ sie nicht ausreden; ohne zu zögern transformierte er sich ein zweites Mal und öffnete auffordernd die Fahrertür. Lena warf Ironhide einen Blick zu. Dieser verdrehte mit einem leisen Knurren die Augen. „Verdammter Sturkopf!“, fauchte er in Optimus‘ Richtung, „Wenn du das überlebst, bring‘ ich dich um, ich schwör’s dir!“ Dennoch beeilte er sich, zusammen mit Leo und Lena auf die beiden Sitze des Trucks zu verschwinden. Noch immer trug er Bee in den Armen. Der Kopf der jungen Frau ruhte an seiner Schulter; erleichtert erkannte Lena flache Atemzüge, unter denen sich Bees Brust hob und senkte. Tatsächlich war Leo höflich oder charmant genug gewesen, sie in die Mitte zu lassen, sodass sie sich nun dankbar an seinen Arm kuschelte und die Wärme genoss, die einen heftigen Kontrast zu der eisigen Kälte außerhalb des Wagens bildete. Über der Tür, durch die sie hereingekommen waren und die jetzt verschlossen war, blinkte eine kleine rote Anzeige - -15° Celsius. Leo seufzte leise, legte jedoch einen Arm um sie. „Habt ihr auch irgendeinen Plan in der Hinterhand, Kleine?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“, flüsterte sie. Ihr Blick wanderte langsam über das Amaturenbrett, über Bee und schließlich zu Ironhides Gesicht. Das Gesicht des Mannes war konzentriert, aber nicht unbedingt hoffnungslos, und das ließ Lena zumindest ein bisschen neuen Mut schöpfen. „Hast du einen Plan?“, fragte sie leise. Ironhide schüttelte langsam den Kopf. „Nein, aber… Optimus meint, solange man lebt, kann man hoffen… irgendwas wird uns schon einfallen…“ „Starscream…“ Die Stimme war so schwach und leise, dass es eine Weile brauchte, bis Lena begriff, dass überhaupt jemand gesprochen hatte, und noch etwas länger, bis ihr klar wurde, dass es Bee gewesen war. Noch immer regte sich das Mädchen in Ironhides Armen nicht, doch ihre Augen waren einen Spalt breit geöffnet und irrten durch den Innenraum des Autos. „S-Starscream…“, wiederholte sie. Schwach hob sie den Kopf und blinzelte zu Ironhide hoch. „Ironhide…“ „Starscream ist nicht hier.“ Sanft fuhr er ihr durchs Haar, drückte sie so behutsam an sich, wie Lena ihn noch nicht einmal seine Waffen bisher hatte anfassen sehen. „Hat er dir was angetan, Kleines? Keine Sorge, er ist nicht hier, er kann dir nichts tun…“ Bee schüttelte schwach den Kopf und lehnte die Stirn wieder gegen Ironhide. „Hat mir… erzählt…“, flüsterte sie, „Sparklinge… so viele… von Cybertron…“ „Sparklinge?“ Ironhide runzelte die Stirn; fragend sah Lena ihn an. „Was ist ein Sparkling?“, erkundigte sich Leo. „Kleinere Exemplare.“, sagte Ironhide leise, „Ihr Menschen würdet Kinder dazu sagen. Es gibt keine Sparklinge mehr. Unsere letzten Nester wurden zusammen mit Cybertron zerstört, und es gibt nur noch wenige weibliche Bots…“ „Nein!“ Mit einem Mal war Leben in Bee gekommen; sie packte Ironhide am Revers und zog ihn etwas dichter zu sich. „Er hat mir erzählt-“, presste sie hervor, „Auf einem der Saturnmonde – ein Versteck – zweitausend Sparklinge ohne Energon – müssen ihnen helfen-“ „Du musst gar nichts.“ Behutsam löste Ironhide ihre Finger aus seinem Hemd. „Du musst gesund werden, Kleines.“ Bee sackte wieder zusammen, die Augen fielen ihr halb zu. „…hat mir geholfen.“, flüsterte sie, „…Gegengift… er v-verrät Megatron…“ Oben im Überwachungsraum spitzte Soundwave die Ohren. Zwar waren nur einige Worte bis zu ihm vorgedrungen, doch die hatten ausgereicht, um in ihm einen Verdacht zu erwecken. Rasch sah er sich nach beiden Seiten um, dann stand er auf und schloss die Tür hinter sich. Sichtlich nervös wickelte er ein weiteres Kaugummi aus dem Papier und schob es sich in den Mund, bevor er die Überwachungsbänder der vorherigen Stunden heraussuchte. Schon bald hatte er die Stellen gefunden, nach denen er gesucht hatte. Er drehte die Lautstärke hoch und machte sich daran, sämtliche noch so feinen Hintergrundgeräusche aus der Tonspur zu schneiden. „Ihr habt die Splitter des AllSpark, und ihr habt das Mädchen, das Energon produzieren kann…“ Ein Grinsen stahl sich auf Soundwaves Gesicht. Sieh mal einer an. Interessant, was Starscream mit einer kleinen gefrorenen Bot so alles zu besprechen hatte. Er spulte noch etwas weiter zurück und wiederholte das Prozedere. „Es mag dich irritieren, aber deine jetzige Situation freut mich überhaupt nicht…“ Das Grinsen auf Soundwaves Gesicht wurde noch etwas breiter. Wie Weihnachten und Ostern zusammen, so würden es die Fleischlinge ausdrücken… Noch einmal spulte er, diesmal vor, bis auf dem Band deutlich zu erkennen war, wie Starscream neben der jungen Autobot kniete. Für einen kurzen Augenblick, nur Sekundenbruchteile, reflektierte etwas in seiner Hand das Licht. Soundwave hatte es vorher für die Klinge seines Messers gehalten. Er vergrößerte den Ausschnitt und beobachtete, wie auf dem Bildschirm etwas Gestalt annahm, das sich eindeutig als Spritze identifizieren ließ. Herrlich. Gemächlich schoss er einige Screenshots des Ganzen und sicherte sowohl diese als auch die gefilterten Tonspuren auf einer CD, um sich anschließend auf den Weg zu Megatron zu machen. Kapitel 14: Vierzehn -------------------- 4. Oktober. Es dauerte lange, bis sich die Tür wieder öffnete. Optimus hatte sämtliche seiner Funktionen bis auf die Heizung vollständig heruntergefahren, um Kraft zu sparen, doch Lena umklammerte das Lenkrad so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie konnte selbst nicht sagen, wie lange sie hier drin gewesen waren, doch die Scheiben des Trucks waren von innen so beschlagen, dass sie kaum hindurchsehen konnte. Bee saß noch immer auf Ironhides Schoß, zusammengerollt und in seine Jacke gewickelt. Wenigstens ein bisschen Farbe war in ihr Gesicht zurückgekehrt. Ironhide hielt sie fest wie ein kleines Kind, murmelte ihr Dinge ins Ohr in einer Sprache, die Lena nicht verstand, deren Klang ihr jedoch seltsam vertraut vorkam. Sie löste sich etwas von Leo, der inzwischen eingenickt an der Scheibe lehnte, und berührte sachte Ironhides Oberarm. Er zuckte zusammen. „Was ist das für eine Sprache?“, fragte sie leise. Ironhide grinste schwach. „Unsere Sprache.“, antwortete er schließlich nur wenig lauter, „Cybertronisch.“ Er sah auf Bee hinab. Die junge Frau hatte die Augen geschlossen, ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig – sie schlief. „Vielleicht lernst du sie ja irgendwann.“, murmelte er, „Die Zeichen müsstest du jedenfalls schon können… dein Vater konnte sie…“ Das Knarren der Tür ließ sie hochschrecken; Leo fuhr zusammen und richtete sich mit Panik im Gesicht auf. „W-Was ist los?!“ „Wir kriegen Besuch.“ Ironhide nickte nach vorne über die Motorhaube hinweg. „Keinen freundlichen, wie es aussieht.“ Durch die milchige Vorderscheibe richtete sich eine Pistole auf Lenas Gesicht. „Aussteigen.“, befahl eine Stimme in militärisch-gewohntem Tonfall, „Und zwar alle.“ Ironhide gab ein leises Grollen von sich; sanft berührte er Bees Schulter. „Wir müssen raus aus dem Wagen, Kleines.“, sagte er sanft. Bee regte sich nur schwach, doch schließlich gelang es Ironhide, sie so weit aufzubauen, dass sie allein aus dem Wagen klettern konnte und stehen blieb. Draußen empfing sie eine Gruppe von vier Männern, von denen keiner eine Sektor-7-Uniform trug, wie Henderson sie getragen hatte. Der Älteste von ihnen war offensichtlich ihr Anführer; er hatte die Waffe noch immer auf Lena gerichtet, und ihre Mündung folgte dem Mädchen, als sie aus dem Auto kletterte. Ein Wink mit dem Pistolenlauf und einer der Männer packte Lena, zerrte sie von den anderen weg und drehte ihr mit geübtem Griff die Arme auf den Rücken. Leo machte eine Bewegung, doch Ironhide packte rigoros seinen Arm und drückte ihn nach unten. „Gut so.“, sagte der Decepticon, der Lena festhielt, „Eine falsche Bewegung und ich breche der Kleinen das Genick. Scheiß auf den AllSpark.“ Irritiert nahm Lena einen eigenartig-fruchtigen Geruch in der Luft war, begriff jedoch recht schnell, dass dieser zweifellos von dem Kaugummi stammte, was ihr Bewacher kaute. Seine Finger glitten über ihre Hüfte; sie biss die Zähne zusammen, sagte jedoch nichts. Der Anführer der Decepticons musterte sie nachdenklich, während er die Waffe in seiner Hand wog. „Lena Whitwicky.“, sagte er leise, „Hat ja auch lange genug gedauert.“ Er kam etwas näher; Lena unternahm unwillkürlich den Versuch, zurückzuweichen. Etwas Dunkles ging von ihrem Gegenüber aus, etwas so Böses, dass es ihr den Atem nahm. „Sie sind Megatron.“ Ihre Stimme zitterte. „Bee und Optimus haben mir von Ihnen erzählt. Sie haben meine Eltern umgebracht.“ „Oh, deine Eltern.“ Megatron lächelte; ein Gesichtsausdruck, der noch viel beängstigender war als die militärische Konzentration zuvor. „Ja, ich erinnere mich.“ Er streichelte über die Pistole in seiner Hand, als sei es ein geliebtes Haustier. „Vielleicht interessiert es dich, dass ich sie mit dieser Waffe hier getötet habe.“ Er kam noch etwas näher; die Waffe zeigte wieder auf Lena. „Zuerst deine Mum.“, zischte er, „Weil sie den Fehler gemacht hat, mich ins Haus zu lassen. Aber ich nehme an, das haben dir deine Freunde schon erzählt.“ „Haben sie.“ In Lena kam der Wunsch auf, nach ihm zu treten, doch sie bezweifelte, dass es ihr sonderlich viel nützen würde. „Und dein Dad…“ Megatrons Lächeln wurde etwas breiter. „Haben sie dir auch erzählt, dass er mich angebettelt hat, sein Leben zu beenden? Haben sie dir das erzählt?“ Die Mündung der Pistole glitt über ihren Oberschenkel, ihre Hüfte, dann ihren Bauch. Lena biss sich auf die Unterlippe. „Haben sie dir erzählt“, fuhr Megatron fast im Flüsterton fort, „dass er mir alles gesagt hat, was ich wissen wollte? Nein, wahrscheinlich nicht… ich nehme an, sie haben dir Heldengeschichten über deinen reizenden Dad erklärt… dass er bereitwillig den Tod auf sich genommen hat, und was weiß ich; Optimus erzählt sowas gern… aber sie haben gelogen, meine Kleine. Dein Dad hat dich verraten, weißt du?“ Lena wagte es nicht, die Augen zu schließen – die Mündung der Pistole wies inzwischen auf ihre Stirn – , doch sie atmete langsam und so gleichmäßig wie möglich aus, um die Tränen zu unterdrücken, die erneut in ihr hochstiegen. „Du lügst.“, zischte sie. Megatron hob eine Augenbraue. „Glaub mir, Schätzchen, du wirst noch früh genug anfangen zu betteln.“ Ruckartig wandte er sich von ihr ab, setzte ihr jedoch die Pistole an die Kehle. „Prime?“ Seine Stimme war laut genug, um den Raum bis in die letzte Ecke hin auszufüllen. „Ich weiß, dass du alles um dich herum mitkriegst, also transformier dich und hör auf, dich zu verstecken!“ Einen Augenblick lang geschah nichts, doch dann gehorchte Optimus. Als er als Mensch vor ihnen stand, befürchtete Lena einen Augenblick lang, dass er zusammenbrach – das Transformieren schien ebenfalls viel Kraft zu verbrauchen, und er wirkte noch blasser als nach ihrem Marsch durch die Berge. Nur seine Augen stachen leuchtend blau in seinem kreidebleichen Gesicht hervor – er fixierte Megatron, als sei dieser das einzige, was ihn auf den Beinen hielt. Lena biss sich erneut auf die Unterlippe, rührte sich jedoch nicht. Megatron senkte die Pistole. „Barricade, Handschellen.“, lautete sein knappes Kommando. Der Decepticon, der bisher ungerührt am Rand gestanden und die Szenerie beobachtet hatte, folgte seinem Befehl, und fesselte Optimus die Hände. Optimus konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken, als Barricade ihm den verletzten Arm dabei auf den Rücken drehte. Megatron steckte die Pistole in seinen Gürtel und kam näher, den Blick nachdenklich auf Optimus gerichtet. Der Decepticon hinter ihm hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt – wohl, um einen überstürzten Fluchtversuch zu vermeiden, doch Lena war sich ziemlich sicher, dass Optimus nicht einmal dann die Flucht geglückt wäre, wenn er allein und nicht gefesselt gewesen wäre. „Es freut mich auch, dich zu sehen, Prime.“, sagte Megatron bedrohlich leise. Die Finger seiner rechten Hand zuckten zu der Pistole, doch er beherrschte sich. „Ich muss sehen, es scheint dir ja schon wieder recht gut zu gehen… ein Zustand, den ich bei Gelegenheit zu ändern gedenke.“ Er drehte sich wieder zu Lena um. „Vielleicht lasse ich die Kleine dabei zusehen… ja, der Gedanke gefällt mir.“ Ohne Vorwarnung wirbelte er herum und rammte Optimus den Ellbogen ins Gesicht. Lena riss entsetzten Mund auf; sie konnte es knirschen hören, als Optimus‘ Nase nachgab. Ironhide warf ihr einen warnenden Blick zu, atmete jedoch selbst hörbar laut aus. Optimus‘ Augen funkelten, als er sich wieder aufrichtete. Blut lief ihm über das Gesicht, doch er zeigte keine Anzeichen von Schmerz. Megatron warf einen kurzen, interessierten Blick auf Optimus‘ Verletzungen. „Die Menschen scheinen dich ja ganz gut wieder hingekriegt zu haben…“ Er legte eine Hand auf Optimus‘ verletzte Seite; Optimus zuckte, wich jedoch nicht zurück. „Oder war das Ratchet?“ Megatron legte den Kopf leicht schief. „Nein, ich denke, das war Ratchet. Ich erkenne gute Arbeit, wenn ich sie vor mir habe.“ Ruckartig presste er die Finger in Optimus‘ Seite; die Knie seines Gegenübers gaben nach und er strauchelte, doch ihm entwich kein Laut, als er sich mit Mühe wieder auf die Beine kämpfte. Lena schluchzte auf. „Ich fall‘ vor dir nicht auf die Knie.“ Optimus‘ Stimme war so schwach, dass Lena ihn kaum verstand. „So, wirklich?“, fragte Megatron fast sanft. Ein zweiter Faustschlag traf Optimus ins Gesicht; seine Unterlippe platzte auf und Lena konnte sehen, wie Blut von seinem Kinn auf den Boden tropfte. „Aufhören!“ Es dauerte eine Weile, bis sie begriffen hatte, dass sie laut gesprochen hatte. Megatron drehte sich zu ihr um. „Sieh mal an, Prime.“, murmelte er, „Aber dir hätte ich doch einen besseren Geschmack zugetraut. Sie ist ein Fleischling.“ „Lassen Sie ihn in Ruhe!“, fauchte Lena. Sie spürte kaum, wie ihr Tränen über die Wangen liefen. Megatron legte wieder eine Hand auf die Pistole, während er langsam ein oder zwei Schritte von Optimus weg machte. „Du hast Recht.“, sagte er bedrohlich leise, „Ich bin nicht wegen Prime hier.“ Sein Blick wanderte über Leo, Bumblebee und Ironhide, die sich nicht rührten. Auf Ironhides Gesicht zeigte sich nur mühsam verborgener Hass; Bee hielt sich noch immer an ihm fest, als könne sie kaum aufrecht stehen. Leo starrte seltsam unbeteiligt an den Decepticons vorbei. „Die Autobot, die ihr befreien wolltet“ – er wies mit der Pistole auf Bee; Ironhide schob sie kaum merklich etwas hinter sich – „hatte ein spezielles Gift bekommen, das Hendersons Leute entwickelt haben… es lähmt die Muskeln im Körper, bis auf die, die lebensnotwendig sind… jetzt kann sie sich offensichtlich bewegen, also muss eine von euch ihr ja das Gegengift gegeben haben, nicht wahr?“ Der Pistolenlauf wanderte wieder über Lenas Oberschenkel. Sie unternahm einen weiteren schwachen Versuch, sich ihrem Bewacher zu entwinden, scheiterte jedoch. „Kann es sein, Schätzchen, dass du damit was zu tun hast?“ „Was?“ Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus. „Woher zum Teufel soll ich – nein, hab‘ ich nicht!“ Megatron machte einen Schritt zurück und musterte sie von Kopf bis Fuß. „Sicher?“, fragte er mit einem Lächeln. Er richtete die Waffe auf ihre Stirn. Vor Angst vergaß sie, zu atmen. „Hören Sie!“, presste sie mit abgehackter Stimme hervor, „Ich weiß nichts von irgendeinem Gift-“ Megatron entsicherte die Waffe. Bee gab einen leisen, entsetzten Laut von sich und machte einen Schritt in ihre Richtung; Ironhide hielt sie ruckartig fest. Lena schloss die Augen. Großer Gott… Zwar war sie nie besonders religiös gewesen, doch in diesem Augenblick find sie tatsächlich an, zu beten. Ich will nicht sterben! Der Schuss krachte. Im selben Augenblick erwartete Lena, den brennenden Schmerz der Kugel zu spüren, und ihr eigenes Blut zu schmecken, doch der Aufschrei, der durch den Raum hallte, stammte nicht aus ihrer Kehle. Verwirrt öffnete sie die Augen wieder. Dunkles Blut sickerte durch die Finger des jungen Decepticons, der Megatron ebenfalls begleitet, sich bisher jedoch vollkommen unauffällig verhalten hatte. Er besaß weder die straffe militärische Haltung des Decepticons namens Barricade, der noch immer Optimus festhielt, noch das Dauergrinsen ihres eigenen Bewachers; abgesehen davon war er längst nicht so muskulös wie die anderen drei Decepticons im Raum. Sein Gesicht war seltsam-attraktiv, wie Lena trotz der Situation feststellte, obwohl es jetzt schmerzverzerrt war. Megatrons Kugel hatte ihn in die Schulter getroffen, nicht nahe genug an der Körpermitte, um die Lunge oder das Herz zu verletzen, aber dennoch so gezielt, dass die Wunde stark, wenn nicht gar lebensgefährlich blutete. In den Augen des jungen Mannes flackerte für einen Augenblick unverhohlene Angst auf, als Megatron ein paar Schritte auf ihn zu machte, doch er hatte sich erstaunlich schnell wieder im Griff, und sein Gesicht war, bis auf den Schmerz, der sich dort nach wie vor abzeichnete, regungslos. „Sir-“ Megatron verengte die Augen kaum merklich, und das reichte aus, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Soundwave?“ Ihr Bewacher ließ Lena los und sie stolperte nach vorn zu Leo, der reflexartig die Arme um sie legte und sie an sich drückte. Noch immer zitterte sie am ganzen Körper, doch es gelang ihr nicht, den Blick von dem jungen Decepticon zu wenden. Er hob schwach die unverletzte Hand, als Megatron etwas näher kam, doch dieser winkte nur kurz mit dem Lauf seiner Waffe und Soundwave übernahm den Rest. Bevor Starscream einen Ton zu seiner Verteidigung sagen konnte, traf ihn die Faust des Mannes drei, viermal ins Gesicht; der junge Decepticon stürzte, versuchte jedoch, sich mit dem verletzten Arm abzufangen, und sackte mit einem schmerzerfüllten Laut zu Boden. Megatron beobachtete, wie der Decepticon Starscream mit einem Tritt auf den Bauch drehte, ihm den Kopf ins Genick riss, ein Knie auf die verletzte Schulter und den Elektroschocker an seine Kehle setzte. „Nur zu.“, sagte Megatron und lächelte. Der Mann namens Soundwave grinste. Er beugte sich etwas vor. „Bei allem Respekt, Sir“, flüsterte er, „ich glaube, Ihr seid gefeuert.“ Ein unverkennbar elektrisches Geräusch zerriss die Luft; Starscream zuckte und lag dann still. Dunkelrotes, zweifellos menschliches Blut sickerte von seiner verletzten Schulter aus über den Boden zu Megatrons Füßen. Der Anführer der Decepticons drehte sich mit einer blitzschnellen Bewegung wieder zu Lena um, packte sie ruckartig im Genick und zog sie etwas zu sich. „So geht es Leuten, die mich hinters Licht führen wollen.“, zischte er, die Lippen dicht neben ihrem Ohr, „Lass dir das eine Lehre sein, Kleine.“ Lena brachte mit Mühe ein zittriges Nicken zustande, bevor Megatron sie wieder losließ. „Soundwave, nimm ihnen die Waffen ab.“ Sichtlich zähneknirschend reichte Ironhide dem Decepticon seine Pistole; Lena und Leo folgten seinem Beispiel jedoch. Optimus fixierte noch immer Megatron, als dieser ihm die Pistole aus dem Gürtel zog. „Fallen wird sich freuen, dich zu sehen.“, sagte Megatron und lächelte. Bee klappte der Mund auf. „Fallen ist tot!“, zischte sie, „Schon seit Ewigkeiten!“ „Es hat auch ziemlich gedauert, bis wir ihn wieder instand gesetzt haben, das ist wohl war.“, gab Megatron zu, „Aber alles, was wir jetzt noch brauchen, ist eine gehörige Portion Energon, und unser Anführer wird wieder auferstehen… glücklicherweise war Prime ja so freundlich, uns das Mädchen herzubringen.“ Ruckartig schoss seine Hand vor und er packte Optimus an der Kehle. „Sei dir versichert, diesmal mache ich nicht denselben Fehler wie letztes Mal. Gefesselt kannst du dich nicht transformieren… also wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis ihr hier drin bewegungsunfähig seid. Keine Sorge, das Mädchen wird nicht sterben, darauf achte ich. Aber du und deine Bots, ihr könnt meinetwegen hier drin bleiben, bis ihr erfroren seid, das kümmert mich nicht. Vielleicht hast du ja Glück und du kippst als erster um… würde mich bei deinem Zustand nicht wundern. Vielleicht hast du aber auch kein Glück und kannst dabei zuschauen, wie deine Leute der Reihe nach verrecken.“ Er ließ ihn los; erneut gaben Optimus‘ Knie nach, doch er hatte sich rasch wieder im Griff. „Übrigens, was die Kleine angeht.“, sagte Megatron gefährlich leise. Der Griff seiner Waffe drückte sich in Optimus‘ Seite; Lena konnte erkennen, wie sich die Sehen an Optimus‘ Kehle anspannten, als er die Zähne zusammenbiss. Trotz der Kälte im Raum stand ihm der Schweiß auf der Stirn. „Du warst noch nie allzu gut darin, deine Leute zu beschützen.“, fuhr Megatron kaum lauter fort, „Ganz besonders nicht die Leute, die dir am Herzen liegen. Aber das wissen wir ja beide, nicht wahr?“ Optimus‘ Augen wurden kaum merklich schmaler. Megatrons Faust traf ihn mit voller Wucht in den Magen; Lena wandte sich ab und presste das Gesicht an Leos Schulter. „Barricade!“, bellte Megatron. Lena wagte es nicht, aufzusehen, als sie hörte, wie er an ihr vorbei ging. Die Tür fiel mit einem Knirschen hinter ihm, Barricade und Soundwave ins Schloss und es herrschte vollkommene Stille. Kapitel 15: Fünfzehn -------------------- Die Tür hatte sich kaum hinter Megatron geschlossen, als Optimus‘ Knie nachgaben. Er sackte zu Boden; Lena riss sich von Leo los, um zu ihm zu stürzen, doch Ironhide war schneller und fing ihn auf. Lena kniete sich neben die beiden und warf Ironhide einen kurzen Blick zu. „Ich mach‘ das.“, sagte sie leise, „Kümmer du dich um Bee.“ Ironhide presste die Lippen zusammen. Sein Blick wanderte kurz auf Optimus‘ blutverschmiertes Gesicht hinunter, doch dann nickte er schwach. Er ließ Optimus los und wandte sich wieder Bee zu. Lena bettete Optimus‘ Kopf sachte auf ihre Oberschenkel. „Optimus.“, sagte sie leise, „Optimus, hörst du mich?“ Offenbar unter größter Anstrengung gelang es ihm, die Augenlider einen Spalt weit zu öffnen und zu ihr hochzublinzeln. Lena spürte, wie ihr erneut Tränen in die Augen traten; sie biss sich so fest auf die Unterlippe, dass sie Blut schmeckte. „Mach dir keine Sorgen, wir kriegen dich schon wieder hin.“, flüsterte sie und strich ihm, einem Impuls folgend, sachte über die Wange. „Du wirst nicht sterben.“, fuhr sie fort und fragte sich, woher sie die nötige Zuversicht nahm, „Ich kümmere mich um dich.“ Sie legte die Hände auf seine Schultern, sah jedoch besorgt auf seine verletzte Seite hinunter. „Ich seh‘ mir das mal an, ja?“ Behutsam öffnete sie die Knöpfe seines Hemdes – obwohl es ihr ziemlich sinnlos erschien, ihn in dieser Kälte auch noch auszuziehen – , erstarrte jedoch, als ihr Blick auf die Narbe fiel, die sich wie eine Spinne auf seiner Brust ausbreitete, direkt über seinem Herzen. „Was um alles in der Welt…“ Sie erkannte ihre Stimme kaum noch als ihre eigene. „W-Was…“ Optimus lächelte schwach. „Sieht… harmloser aus… als Autobot…“, murmelte er, „Von Megatron… lange her…“ Sie schluckte, machte sich jedoch daran, rasch seine Seite abzutasten. „Das wird schon wieder.“, versuchte sie es mit beruhigenden Worten. Na, du warst aber auch schon mal überzeugender. Optimus blinzelte aus trüben Augen zu ihr hoch. „Sieh… sieh nach Starscream.“, murmelte er. Lena sah ihn verdutzt an. „Was?“ Ihr Blick wanderte zu der reglosen Gestalt einige Meter entfernt hinüber. „Ich dachte, er ist euer Feind? Ein Decepticon, meine ich?“ „Ganz offensichtlich… ist er ein Feind… von Megatron.“ Optimus verzog vor Schmerz das Gesicht. „Der Feind meines Feindes…“ „…ist mein Freund.“, beendete Lena mit einem leisen Seufzen, „Ja, schon gut, ich versuch’s.“ Sie half ihm dabei, sein Hemd wieder zuzuknöpfen, ließ ihn behutsam zu Boden gleiten und lief zu dem jungen Mann namens Starscream hinüber. Er rührte sich nicht, und als Lena ihn sachte auf den Rücken drehte, sah sie, dass die Verletzung an seiner Schulter noch immer stark blutete. „Leo?“ Ihre Stimme klang noch immer so verdammt zittrig. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Bee und Ironhide sich um Optimus kümmerten; Leo kam zu ihr herüber. „Kleine, das ist ein Decepticon.“ Er zog die Augenbrauen zusammen. „Vielleicht hat er Megatron dabei geholfen, deine Mum und deinen Dad umzubringen.“ Lena, die gerade damit begonnen hatte, das Hemd des jungen Mannes zu öffnen, hielt inne. Sie schauderte unwillkürlich, und das lag nicht an der Kälte. Dann jedoch wanderte ihr Blick kurz zu Optimus zurück; sie biss die Zähne zusammen und fuhr damit fort, einen Streifen aus dem Stoff zu reißen, der sich als Verband verwenden ließ. „Sie verarztet Starscream.“, verkündete Soundwave. Megatron, der hinter ihm stand und ihm über die Schulter sah, zog eine Augenbraue hoch. „Das sehe ich auch.“, knurrte er. Tatsächlich hatte sich das Mädchen auf den Knien neben dem Verräter niedergelassen, genauso wie der andere Fleischling, der die Autobots begleitet hatte. Die kümmerten sich wiederum im Hintergrund um Optimus, der gar nicht gesund aussah… und dennoch viel zu gesund für Megatrons Geschmack. Das würde er bei Gelegenheit ändern müssen. Schade nur, dass Fallen darauf bestehen würde, ihn selbst zu töten… „Schaff mir unseren Agenten an die Kamera.“, sagte er knapp. Soundwave begann, wie wild auf seiner Tastatur herumzuhacken, und wenig später erschien, wenn auch verschwommen und durch Bildstörungen verzerrt, ein Gesicht auf einem der Bildschirme. „Sir?“ Die Stimme klang ebenfalls elektronisch verzerrt, doch Megatron wusste, wer dahinter stand. „Die Autobots haben noch andere Verbündete auf diesem Planeten. Ich will, dass du sie ausschaltest.“ Der Agent neigte leicht den Kopf. „Wer ist der nächste?“ „Die Soldaten der Fleischlinge haben einen Anführer.“ Megatron presste kaum merklich die Lippen zusammen. „Er wird der nächste sein. Sorg dafür, dass jemand in seinem Familienkreis einen… bedauerlichen Unfall erleidet, sodass er dienstunfähig ist, oder, noch besser, sorg dafür, dass er entlassen wird.“ „Natürlich.“ Ein weiteres Nicken folgte. „Sonst noch etwas?“ „Das ist alles.“ Das Bild auf dem Schirm verschwand und stattdessen zeigte sich dort wieder das Innere des Kühlraumes. „Sollten wir sie nicht daran hindern, Starscream zu retten, Sir?“, fragte Soundwave. Megatron beobachtete die Szenerie einen Augenblick lang nachdenklich. „Ich bin mir sicher, das schafft Starscream sehr gut allein, sobald er wieder bei Bewusstsein ist.“, sagte er schließlich, „Und sollte er das Bewusstsein nicht wiedererlangen – was ich für relativ wahrscheinlich halte – dann erledigt sich die Sache von allein.“ „Ich helf‘ dir.“ Beim Klang von Bumblebees schwacher Stimme schrak Lena zusammen; sie hatte um ein Haar vergessen, dass die junge Autobot ebenfalls noch im Raum war. Bumblebee kniete sich neben sie – Lena konnte sehen, wie sie zitterte – und half ihr dabei, die Blutung an Starscreams Schulter zu stillen. Lena spürte, wie ihr übel wurde, als sie einen Blick auf ihre blutverschmierten Hände hinunter warf. Noch vor einer Woche war sie ganz normal brav jeden Tag zu ihrer Astronomievorlesung gegangen, und jetzt hockte sie in einem Gefrierkeller und versuchte, einem sterbenden in Menschengestalt festsitzenden Roboter das Leben zu retten… Bee sah sie an und lächelte müde. „Man gewöhnt sich dran.“, sagte sie leise, „Hilf mir, ja? Wir müssen ihn aufwärmen.“ Sie überlegte rasch, dann gab sie Starscream kurzerhand eine schallende Ohrfeige. Er zuckte zusammen und blinzelte schwach. Bee lächelte zufrieden. Starscreams Augen irrten durch den Raum und blieben schließlich an Bees Gesicht hängen. „Erstaunlich, wie schnell sich das Blatt doch wenden kann.“, flüsterte er. Bee ignorierte seine Anmerkung. „Lena, hilf mir, ihn zu den anderen zu schaffen.“, kommandierte sie. Folgsam griff Lena nach dem unverletzten Arm des Mannes, doch Starscream zuckte zusammen und versuchte, ihr auszuweichen. „Fass mich nicht an, Fleischling!“, zischte er, „Ich brauch‘ deine Hilfe nicht-“ Bee presste die Lippen zusammen. Kurzerhand packte sie Starscream mit für jemanden in ihrem Zustand erstaunlicher Kraft am Revers. „Halt die Klappe!“, zischte sie, „Nur, weil ich dir das Leben gerettet habe, heißt das nicht, dass wir beste Freunde sind, klar? Pass auf, was du sagst, ich kann nämlich genauso unangenehm werden wie Megatron!“ Starscream sah sie einen Augenblick lang stumm an, dann zuckten seine Mundwinkel schwach. „Das bezweifle ich.“, sagte er leise. Dennoch ließ er sich widerstandslos von Lena stützen. Kapitel 16: Sechzehn -------------------- Bee nahm neben Starscream Platz und musterte ihn. „So, jetzt sag mir, was es mit den Sparklingen auf sich hat.“, kommandierte sie. Starscream antwortete nicht. Er hatte die Knie an die Brust gezogen und die Stirn darauf gelegt; Bee konnte sehen, dass er vor Kälte zitterte. Allerdings war sie im Augenblick nicht großartig geneigt, darauf Rücksicht zu nehmen. Sie packte seine unverletzte Schulter und schüttelte ihn. „Ich hab‘ nicht verhindert, dass du da anfrierst, weil ich dich so gut leiden kann, klar?“, zischte sie, „Mach den Mund auf, oder ich sorge dafür!“ Starscream lehnte den Hinterkopf gegen die Metallwand. Er war so blass, dass Bee befürchtete, er habe wieder das Bewusstsein verloren. „Megatron, Barricade und Soundwave haben gut sechstausend Sparklinge gestohlen.“, sagte er schließlich leise, „Von Cybertron, bevor es zerstört wurde…“ Noch immer hatte er die Augen geschlossen; seine Lider zuckten vor Schmerz. Bee steckte die Hände unter die Achseln, um ihre Finger zu wärmen. Sie biss sich kurz auf die Unterlippe, dann nahm sie Starscreams unverletzte Hand zwischen ihre Finger und begann, mit geschickten Bewegungen die Blutzirkulation wieder anzuregen. Starscream hatte den Blick abgewandt. „Die Kleinen sterben.“, murmelte er, „Es sind noch vielleicht zweitausend Stück übrig. Megatron wendet alles Energon, das er kriegen kann, zur Neuerschaffung von Fallen auf, und…“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Na ja, du hast bestimmt schon mal gesehen, was mit uns passiert, wenn wir an Energonverlust sterben.“, sagte er leise. Bees Lippen wurden schmal. „Habe ich.“ Sie ließ seine Hand los. „Wo ist das Versteck?“ „Auf einem der Saturnmonde.“ Starscream biss die Zähne zusammen. „Wenn wir hier rauskommen, dann kann ich zwei von euch hinbringen… oder habt ihr inzwischen selbst flugfähige Gestalten?“ „Nein.“ Bee sah kurz zu den anderen hinüber. „Komm schon.“, sagte sie dann ruhig, „Wenn wir uns zu den anderen setzen, dann sparen wir Wärme.“ Starscreams argwöhnischer Blick entging ihr nicht; sie seufzte. „Wenn du dir wegen Ironhide Gedanken machst, der beißt nicht.“ Starscreams Mundwinkel zuckten. „Hab‘ ich anders in Erinnerung.“, antwortete er mit einer Spur Humor, die in seinen Augen blitzte. „Er verrät ihnen alles.“ Schockiert starrte Soundwave auf den Bildschirm. „Diese rostige kleine Blechbüchse-“ „Halt den Mund.“ Megatron gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Barricade, hol mir das Mädchen hoch.“, sagte er ruhig, ohne sich zu dem Angesprochenen umzudrehen, „Und ihren Onkel auch. Wir werden ein Druckmittel brauchen, sobald die Bots auf Eis gelegt sind.“ Barricade nickte leicht und verließ den Raum. Einen Augenblick lang beobachtete Megatron, wie das Mädchen namens Lena, das offenbar einen Narren an Prime gefressen hatte, sich um Selbigen kümmerte, bevor er sich Soundwave zuwandte. „Blackout ist auf dem Weg nach New York?“ „Ja, Sir.“ Der Kommunikationsoffizier nickte folgsam. „Er wird in etwa zwei Stunden dort eintreffen, hat er mir durchgegeben.“ New York City College Das Skalpell glitt durch wachsbleiche Haut wie ein Messer durch Butter. Annabelle verengte die Augen kaum merklich, als sie eine gekonnte Drehung mit der Hand machte, und den Torso des Körpers vor ihr auf dem Tisch vom Brustbein bis zum Becken aufschlitzte. Jemand trat neben sie und ein Schatten fiel auf sie hinunter. „Die menschliche Anatomie ist faszinierend.“, bemerkte Peter. Konzentriert setzte Annabelle den zweiten Schnitt, klappte die entstandenen Hautlappen auseinander und entblößte das Innere des Torsos – dunkelrote, leicht feucht schimmernde Organe. Peter Morris lehnte sich neben sie an den Tisch und sah ihr zu. „Wobei ich finde“, fuhr er fort, „dass der menschliche Körper ohnehin ein interessantes Arbeitsfeld ist. Es ist spannend, zu sehen, was wie funktioniert…“ Gedankenverloren tippte er mit den Fingern auf dem Metalltisch herum. Annabelle sah von ihrer Arbeit auf und legte das Skalpell beiseite. „Pete, willst du mir helfen oder willst du nur da rumstehen?“ Ihr Kommilitone lächelte – ein recht seltener Anblick. „Helfen ist gut.“, sagte er. „Hast du gehört, was in San Francisco passiert ist?“, fragte Peter beiläufig, während er sich unter dem Blick ihres Professors die Einmalhandschuhe überstreifte. „Klar.“ Annabelle hatte bereits wieder zum Skalpell gegriffen. „Dein Dad ist doch bei der Army. War’s ein Anschlag?“ Peter nahm die Zange, die auf einem Beistelltisch lag. Gemeinsam machten sie sich daran, ihr Werk zu vollenden. Annabelle grinste. „Selbst wenn er’s wüsste, er würd’s mir nicht sagen. Du weißt schon, nationale Sicherheit und so. Außerdem hat er viel zu viel zu tun.“ „Natürlich.“ Peter setzte die Zange an; mit einem widerlichen Knirschen gab der Inhalt nach. Ganz in ihrer Nähe versuchte ein weiteres Pärchen Studenten sich an etwas ähnlichem; eine der beiden jungen Frauen war bereits verdächtig grün im Gesicht. Annabelle hatte da weit weniger Scheu. „Und mir ist es lieber, wenn ich’s nicht weiß.“, fuhr Annabelle fort, „Solange keiner was genaues weiß, entsteht wenigstens keine Massenhysterie, weil alle befürchten, in ihren Vorlesungen in die Luft gesprengt zu werden…“ Eine Weile arbeiteten sie stumm weiter. „Ich nehme an, du wirst deinem Dad zur Army folgen.“, sagte Peter schließlich. Er ließ die Zange sinken und fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn. Annabelle zog die Stirn kraus. „Nein, ich denke nicht.“, sagte sie schließlich leise, „Das ist nichts für mich.“ Peter hob die Schultern. „Schade.“ Annabelle ließ ihr Skalpell sinken und sah ihn an. „Du bist erstaunlich redselig heute. Ich hatte dich schweigsamer in Erinnerung.“ Peter zuckte die Schultern, beließ es jedoch dabei. Annabelle seufzte. „Ist irgendwas bei dir nicht in Ordnung? Schlechtes Karma?“ Peters Augenbrauen zuckten. „Mach du dich nur lustig.“, sagte er langsam, „Du hast ja keine Ahnung.“ Annabelle legte das Skalpell beiseite und zog die Handschuhe aus. „Klär mich auf.“, sagte sie und stemmte die Hände in die Hüften, „Und hör gefälligst auf, so in Rätseln zu sprechen!“ Kapitel 17: Siebzehn -------------------- Im Inneren des Hoover-Staudamms. „Ich trau‘ ihm nicht.“, grollte Ironhide. Argwöhnisch beobachtete er Starscream. Der junge Decepticon saß neben Bee, noch immer mit geschlossenen Augen, eingewickelt in eine Militärjacke, die Ironhide selbst vorher getragen hatte. Noch immer zitterte er am ganzen Körper, hatte jedoch einen Hauch Farbe zurückgewonnen. Bee legte den Kopf an Ironhides Schulter. „Optimus meinte, der Feind unseres Feindes ist unser Freund.“, sagte sie leise, „Starscream ist ziemlich offensichtlich Megatrons Feind. Und er hat versucht, mir zu helfen.“ Ironhide schürzte die Lippen, sagte jedoch nichts. Stattdessen legte er die Arme um Bee und zog sie an sich, um sie warm zu halten – ein so gut wie hoffnungsloses Unterfangen, da seine Jacke im Augenblick von Starscream beansprucht wurde und er nur einen Pullover trug. „Wie geht’s dir?“, flüsterte er, während er sanft mit der flachen Hand über ihre Oberarme strich. Bee kuschelte sich an ihn. „Besser.“, antwortete sie leise, „Er hat mir nichts angetan, wenn es das ist, worum du dir Sorgen machst…“ „Dem Kerl traue ich alles zu.“, knurrte Ironhide. Schützend zog er sie an sich und warf einen Blick zu Lena hinüber. Das Mädchen hatte sich neben Optimus auf dem Boden zusammengerollt, die Arme um ihn gelegt und versuchte offenbar, ihn ebenfalls warm zu halten. Leo stützte den Kopf in die Hände und atmete langsam aus. „Allzu lange halten wir das hier nicht mehr durch.“ Seine Stimme klang erstaunlich ruhig; er musterte seine Mitgefangenen der Reihe nach. „Wir müssen uns dringend was einfallen lassen…“ „Lennox und seine Leute sind bestimmt schon auf der Suche nach uns.“, sagte Bee leise. „Lennox und seine Leute-“ Das metallische Schnarren der Tür ließ sie hochschrecken; Ironhide verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, als er Barricade erkannte. „Was willst du?“ Barricade warf ihm nur einen kurzen Blick zu und hob eine Augenbraue, dann packte er ohne langes Federlesens Lena an der Schulter und zerrte sie auf die Beine. „He-“ Leo machte einen Schritt auf die beiden zu, erstarrte jedoch, als er in die Mündung von Barricades Waffe blickte. „Du kommst auch mit.“, sagte der Decepticon scharf. Lenas Augen wurden groß, doch sie wagte es nicht, sich zu rühren. New York. „Du weichst mir aus, Peter.“ Annabelle verschränkte die Arme und versperrte ihrem Kommilitonen den Weg an ihr vorbei zu seinem Tisch in der Mensa. Peter stellte das Tablett beiseite und seufzte leise. „Es ist besser für dich, wenn du nichts weißt.“, sagte er ruhig. „Wenn ich nichts weiß wovon?“, schnappte die junge Frau, „Schlimm genug, dass mein Vater mir nicht sagen darf, wo und mit wem er sich herumtreibt, jetzt fang du nicht auch noch an!“ „Dein Vater hat seine Gründe.“ Peter nahm das Tablett wieder auf und bugsierte es mit einer Geschmeidigkeit an ihr vorbei, die Annabelle sonst nur aus alten Ninjafilmen kannte. Aber so leicht ließ sie sich nicht abschütteln. Hartnäckig folgte sie ihm zum Tisch und nahm vor ihm Platz. „Lass mich raten – Terroristen. Es sind immer Terroristen, wenn man in die Nachrichten schaut; da denkt man doch, es gibt keine normalen Menschen mehr auf der Welt.“ Peter schwieg, schnupperte nur argwöhnisch an dem undefinierbaren Zeug auf seinem Teller. „Ah, nein!“ Betont nachdenklich legte Annabelle den Finger ans Kinn. „Wahrscheinlich ist er gerade damit beschäftigt, eine Alieninvasion abzuwehren, und deshalb darf er mir nichts sagen.“ Noch immer sagte Peter nichts. Misstrauisch stupste er mit der Zungenspitze gegen die Masse auf seiner Gabel. „Scheint organisch zu sein.“, murmelte er. Annabelle verdrehte die Augen. „Komm schon, so schlimm ist es auch nicht. Wir hatten schon übleres auf dem Teller. Erinnerst du dich an die Pastete letztes Halloween?“ Peter sah zu ihr auf und hob eine Augenbraue. „Gabriel aus Zimmer 2.56 hat ihr einen Namen gegeben, wenn ich mich recht entsinne.“ „Ja, Steve.“ Annabelle verzog das Gesicht. „Der Typ ist ohnehin nicht ganz dicht, wenn du mich fragst. Darum geht’s hier allerdings nicht.“ Sie stemmte die Hände auf den Tisch. „Jetzt sag mir, was du damit meinst, ich hätte keine Ahnung!“ Peter seufzte leise und ließ die Gabel sinken. „Ihr Menschen seht keinen Fingerbreit weiter als vor eurer Nase, oder?“ Nun war es an Annabelle, die Augenbrauen zu heben. „Manchmal glaube ich, du hast hier die größte Schraube locker.“ „Soweit ich weiß, sitzen sämtliche Schrauben bei mir an Ort und Stelle.“, antwortete Peter. Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Heute schon deine Mails gecheckt?“, fragte er schließlich, „Vielleicht hat dein Dad dir ja was geschrieben.“ „Mein Dad schreibt mir zu Weihnachten und zum Geburtstag ’ne Mail, sonst nie.“, grollte Annabelle. Um Peter den Gefallen zu tun, zog sie jedoch ihren Laptop hervor und startete ihn. Tatsächlich befanden sich drei neue Mails in ihrem Postkorb. Zwei davon waren Spam, doch verwirrt stellte sie fest, dass die dritte tatsächlich die Adresse ihres Vaters trug. Sie sah vom Bildschirm auf zu Peter. „Woher…“ Er war verschwunden. Annabelle blieb der Mund offen stehen. Zwar hatte sie Peters Fähigkeit, lautlos zu kommen und zu gehen, schon immer bewundert, aber ein Glanzstück wie dieses war ihm noch nie gelungen – und abgesehen davon empfand sie es als eine Frechheit, dass er sie einfach so sitzen ließ. Wutentbrannt klappte sie ihren Laptop wieder zu, ohne die Mail zu öffnen, stopfte den Computer in ihre Tasche zurück und stürmte aus der Mensa nach draußen, Peter nach. Er war nirgendwo zu sehen. Schwer atmend blieb sie unter einem Baum stehen, ihre Laptoptasche an sich gedrückt, und sah sich um. „Ich nehme an, du bist auf der Suche nach mir?“ Um ein Haar wäre ihr das Herz stehen geblieben; wütend blitzte sie Peter an, der sich elegant aus den Ästen des Baumes schwang. „Was zum Teufel treibst du hier eigentlich?!“, zischte sie, „Du bist der seltsamste Typ, der mir je über den Weg gelaufen ist!“ „Hier draußen kann man besser reden.“ Peter ließ den Blick ringsum schweifen. „Aber am besten liest du erstmal die Mail…“ Annabelle zog die Augenbrauen zusammen, doch sie hockte sich hin und zog ihren Computer wieder hervor. Sie öffnete ihren Postkorb und die Mail. Es gab keinen Text, allerdings einen Anhang – mit dem ihr Computer nichts anfangen konnte, wie sie verärgert feststellte. Nur einige offensichtlich verzerrte und unleserliche Zeichen flirrten über den Bildschirm, bevor sich wieder das Desktop zeigte. „Was zum Teufel…“ „Interessant.“ Peter legte den Kopf leicht schief. „Ich nehme an, du hast nichts dagegen, dass ich kurz telefoniere?“ Im Hoover-Staudamm. „Ich glaube, die Tür wird sich nicht öffnen, egal wie lange du dagegen hämmerst.“, bemerkte Leo. Lena presste die Lippen zusammen. Tatsächlich hatte sie die letzten zwanzig Minuten damit zugebracht, wie verrückt gegen die Tür des kleinen Raumes zu hämmern, in den der Decepticon Leo und sie verfrachtet hatte. Einer ihrer Knöchel war aufgeplatzt; missmutig nuckelte sie daran, während sie sich neben Leo auf die kleine Liege sinken ließ. „Dieses Arschloch lässt Bee und die anderen da unten verrecken!“, zischte sie, „Ich kann hier nicht still sitzen bleiben!“ „Dann reiz die Jungs nicht, indem du ihre Türen einschlägst.“, antwortete Leo, „Denk dir lieber was aus, wie wir hier raus kommen.“ Lena schloss die Augen, doch es gelang ihr kaum, ihre Gedanken klar zu ordnen. Immer wieder tauchte Optimus‘ wachsbleiches Gesicht vor ihrem inneren Auge auf, die halb geschlossenen Augen, wie er regungslos neben ihr lag… „Hast du eine Idee?“, fragte sie schließlich mit dünner Stimme. Leo zog die Unterlippe zwischen die Zähne und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Hier befand sich kaum mehr Einrichtung als unten im Kühlraum – eine Liege, die sie beide sich würden teilen müssen, ein Haufen Elektroschrott, den die Decepticons offenbar willkürlich irgendwo abgeladen hatten, weil sie ihn nicht mehr brauchten… Elektroschrott. Obwohl er sich ziemlich sicher war, dass ihr Gefängnis überwacht wurde, stand Leo auf und machte sich daran, den Kabelsalat zu entwirren. Vielleicht fand sich ja etwas Brauchbares. „Warum transformieren wir uns nicht und machen die Jungs einfach platt?“, knurrte Ironhide. Bee warf ihm einen Blick zu. „Der Raum hier ist zwar groß genug zum transformieren, aber wir kommen nicht durch die Türen. Nehmen wir an, sie haben Lena irgendwo über uns untergebracht… sobald wir durch die Tür da sind, reißen wir den Boden eines der höheren Stockwerke ein. Es könnte sie oder ihren Onkel umbringen.“ „Und wenn wir die Tür aufschießen…“ „Ich hab‘ keine Waffe und transformiert haben wir ein zu großes Kaliber, das reißt ja die halbe Wand ein, und damit wären wir wieder in den oberen Stockwerken.“ Bee legte den freien Arm, der nicht von Ironhide in Beschlag genommen wurde, um Optimus und zog dessen Kopf an ihre Schulter. Er regte sich nicht, und wären nicht die schwachen, aber regelmäßigen Atemzüge seinerseits gewesen, hätte es kaum noch ein Lebenszeichen gegeben. Starscream, der bis jetzt stumm in seine Jacke gewickelt dagesessen hatte, öffnete die Augen. „Und wenn ihr ein kleines Kaliber hättet?“, murmelte er, „Eines, mit dem man genau zielen kann?“ Bee zog eine Augenbraue hoch. „Wie stellst du dir das vor?“ Starscreams Mundwinkel zuckten. „F-22-Jets sind dafür konstruiert, möglichst genau Ziele am Boden zu treffen… ich fürchte nur, wenn ich mich zweimal transformiert habe, bin ich hinterher nicht mehr in der Lage, selbst den Abzug zu drücken. Das muss einer von euch erledigen… vorausgesetzt, bei der Kälte hier drin friert das Geschoss nicht fest…“ Bee und Ironhide tauschten einen Blick. „Das ist jedenfalls die vernünftigste Idee, die ich bisher gehört habe.“, sagte Ironhide leise, „Auch, wenn ich diesem Kerl nicht über den Weg traue, aber dann werde ich eben…“ „Du wirst gar nichts.“ Bee biss die Zähne zusammen. „Du wirst Optimus aus der Schusslinie schaffen. Ich mach‘ das.“ Starscreams Mundwinkel zuckten, doch er begann folgsam, sich zu transformieren. Argwöhnisch musterte Bee wenig später den Jet, der vor ihr stand. Tatsächlich war es das erste Mal, dass sie die Gelegenheit hatte, Starscream in seiner transformierten Gestalt aus der Nähe zu betrachten, wie ihr auffiel – und sie konnte ihm einen gewissen Stil nicht absprechen. Zweifellos hatte er eine wesentlich elegantere Form als die meisten anderen seiner Kollegen – oder besser gesagt Ex-Kollegen, wie Bee sich korrigierte – gewählt. Unwillkürlich hob sie die Hand, um über das dunkle, von cybertronischen Zeichen überzogene Metall zu streichen. „Bumblebee!“, zischte Ironhide, „Beeil dich!“ Sie zuckte zusammen, zog ihre Hand hastig zurück und kletterte stattdessen ins Cockpit. Ironhide, dem es inzwischen gelungen war, Optimus einigermaßen auf die Beine und außerhalb ihrer Schusslinie zu bringen, musterte sie besorgt. Während Bee die Steuerkontrollen ein wenig ratlos in Augenschein nahm, wurde ihr klar, was für ein seltsames Gefühl es für Sam gewesen sein musste, zu wissen, dass er sich innerhalb eines lebenden und selbst denkenden Individuums befand. Obwohl die meisten System jetzt heruntergefahren waren, um Energie zu sparen – nur zwei kleine, blinkende Kontrollleuchten verrieten ihr, dass Starscream weder tot noch bewusstlos war – war es ein beinahe unangenehmes Gefühl. Gleichzeitig fühlte sie sich auf eigenartige Weise mit Starscream verbunden – als sei sie eins mit ihm geworden, als sie sich in das Cockpit gewagt hatte. Versonnen strich sie mit zwei Fingern über die Glasplatte, hinter der die Anzeigen verborgen waren. „Mach schon.“, erklang Starscreams Stimme über das Funkgerät und riss sie aus ihren Gedanken. Er klang gepresst und sichtlich geschwächt; rasch griff Bee nach dem Funkgerät. „Was soll ich machen?“, fragte sie mit etwas heiserer Stimme als üblich. „Nimm den Steuerknüppel. Unter dem Amaturenbrett.“ Argwöhnisch legte Bee eine Hand darauf. „Mach keinen Mist, klar?“, knurrte sie. Einen Augenblick herrschte verdutztes Schweigen, dann lachte Starscream kurz auf. „Schätzchen, glaubst du wirklich, das hier wäre für mich ein geeigneter Moment, dich anzumachen?“ Bees Augenbrauen zuckten, doch sie sagte nichts. Soundwave beobachtete unter einer gehobenen Augenbraue das Treiben unten im Gefrierkeller. Was zum Geier trieben die da bloß? „Sollten wir nicht eingreifen, Sir?“, erkundigte er sich vorsichtig bei Megatron. Dieser schüttelte leicht den Kopf. „Noch nicht.“ Er fixierte den Bildschirm ebenso angestrengt wie Soundwave. „Sollen die sich da unten ruhig beschäftigen… dann stören sie uns wenigstens nicht.“ Er wandte sich Barricade zu. „Du machst alles für unsere Abreise bereit. Packt eure Sachen. Sollen die da unten einfrieren; das wird Fallen zwar ärgern, aber dann können sie uns nicht mehr schaden. Sag unserem Agenten Bescheid; wenn er seine Arbeit erledigt hat, soll er mich in unserem Versteck aufsuchen.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand. „Du musst den Hebel da umlegen. Roter Hebel. Auf dem Steuerknüppel.“ Bee gehorchte. „Und jetzt?“, fragte sie. Interessanterweise war es gar nicht so schlimm, mit Starscream zusammen zu arbeiten, wie sie gedacht hatte. Immerhin hatte er sich bis jetzt einigermaßen anständig benommen. Einer der Bildschirme schaltete sich ein. Bee erkannte ein Fadenkreuz, das auf einen Bereich des Raumes zeigte. „Richte das Fadenkreuz mit dem Steuerknüppel so aus, dass es auf die Tür zeigt.“ „Alles klar.“ Bee gehorchte erneut. „Du bist dir sicher, dass das funktioniert, ja?“, fragte sie vorsichtig. Starscream schwieg einen Augenblick. „Na ja, wenn dir was Besseres einfällt…“, bemerkte er dann. „Nicht direkt, nein.“ Bee presste die Lippen zusammen. „Was ist mit dem Knopf auf dem Schaltknüppel?“ „Den darfst du jetzt drücken, um eine Rakete abzufeuern.“ „Eine Rakete?!“ „Fällt dir was besseres ein?“, zischte Starscream, „Mach schon!“ Bees Finger zitterten, doch sie drückte folgsam den Auslöser. Die Explosion zerfetzte nicht nur die Tür, sondern auch einen Teil der Wand. Plötzlich regnete es überall Feuer und glühendes Metall; aus dem Augenwinkel erkannte Bee, wie Ironhide mit Optimus gerade noch rechtzeitig unter Starscream hechtete, der einen gequälten Laut von sich gab, als glühende Metalltrümmer tiefe Kratzer auf seinen Flügeln hinterließen. Bee fuhr mit einem erstickten Aufschrei zusammen, als ein weiteres Metallteil das Glas der Kabine splittern ließ, sie jedoch glücklicherweise verfehlte und zu Boden rutschte. Immerhin war das Resultat ein Loch in der Wand, durch das sie wohl auch als Autobots gepasst hätten. „Gut gemacht.“, murmelte Starscream. Von den beiden Kontrollleuchten flackerte nur noch eine schwach. „Jetzt steig aus, schnapp dir deine Freunde und verschwinde. Kümmert euch um die Sparklinge.“ Argwöhnisch zog Bee die Augenbrauen zusammen. „Und du?“ „Ihr könnt mich schlecht mitschleppen, oder?“ Bee atmete langsam aus. „Es mag dir entgangen sein“, sagte sie schließlich in dem festen Wissen, diese Worte in allzu naher Zukunft zu bereuen, „aber wir sind Autobots, und wir lassen keinen Mann zurück.“ Starscream öffnete die Reste des Sicherheitsglases. „Und dir mag es entgangen sein, aber ich bin kein Autobot, sondern ein Decepticon, der sogar seine eigenen Leute verrät. Gar keine gute Wahl für einen Verbündeten. Jetzt pack deine Jungs ein und verschwinde, bevor Megatron und Barricade hier unten auftauchen.“ Bee verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Jetzt hör mir mal gut zu-“ Starscream gab ein Geräusch von sich, das verdeutlichte, dass er im Augenblick allzu gerne die Augen verdreht hätte. „Verschwinde, bevor ich’s mir anders überlege!“, zischte er. Eine zugegebenermaßen ziemlich lahme Drohung. „Bumblebee!“ Ironhides Stimme klang zu ihr hoch. „Verdammt, haltet ihr da oben erst noch ’ne Teestunde ab, oder können wir jetzt verschwinden, bevor hier überall Decepticons auftauchen?!“ Bee atmete tief durch. Sie stemmte sich aus dem Sitz hoch. „Ich gehe nicht ohne Starscream!“, antwortete sie. Ironhides Augen wurden groß. „Bist du irre?!“ Bee presste die Lippen zusammen. „Er ist verletzt, und ich lasse ihn hier nicht allein. Hör zu – nimm Optimus und schaff ihn hier raus. Dann funkst du Ratchet an, er soll so schnell wie möglich hierher kommen, um sich um die beiden zu kümmern, und er soll die anderen mitbringen, klar?!“ Kapitel 18: Achtzehn -------------------- „Du bist total bescheuert, Kleine.“, flüsterte Starscream. Bee lächelte müde. „Vielleicht hab ich ’nen Virus. Ich hab‘ gehört, das gibt’s auch bei Menschen.“ Sie warf einen kurzen Blick in die Richtung, in die Ironhide und Optimus verschwunden waren. „Warum ist noch keiner hier aufgetaucht, um uns wieder einzusperren?“ „Megatron hat gesagt, er will in Kürze zur Basis zurückkehren. Mit dem Rest. Sobald er die kleine Lena in die Finger gekriegt hat…“ „So klein ist sie nicht mehr.“, murmelte Bumblebee. Sie betrachtete die Anzeigetafeln. „Schaffst du noch zwei Schüsse von der Art? Dann kann ich dich hier rausfliegen, denke ich… mit ein bisschen Hilfestellung…“ „Du bist noch nie einen Jet geflogen, oder?“ Bee brachte ein verrutschtes Lächeln zustande. „Nicht wirklich.“ Starscream seufzte. „Okay. Du tust genau das, was ich dir sage, kapiert? Und wenn wir abstürzen, dann ist es ganz sicher nicht meine Schuld, denn ich habe dich gewarnt.“ Bee setzte sich etwas auf und griff nach dem Steuerknüppel. „Alles klar.“, antwortete sie mit einem verlegenen Grinsen. „Halt still.“ Es war verflucht schwer, die Handschellen mit seinen Optics zu fixieren, aber Ironhide tat sein Bestes, sobald sie das Gebäude verlassen hatten und er sich transformiert hatte. „Ich mach’ das schon.“, versuchte er sich in einem beruhigenden Tonfall. Optimus‘ Mundwinkel zuckten müde, doch er sagte nichts. Immerhin herrschten außerhalb des Gebäudes wieder annehmbare Temperaturen – da es immer noch Nachts war, war es zwar noch warm, aber nicht mehr so glühend heiß wie in der Sonne. Während Ironhide versuchte, die Handschellen mit bloßen Fingern zu knacken, ohne Optimus dabei zu verletzen, funkte er Ratchet an. He, Doc-Bot, kannst du mich hören? Ironhide? Die Stimme des Medibots klang verwirrt. Wo zum Teufel steckt ihr?! Warum braucht ihr so lange?!, zischte er, Ich hoffe, dir ist klar, dass Optimus eigentlich dringend in ärztliche Obhut gehört- Ist mir nicht entgangen., antwortete Ironhide, Wir haben ein Problem, Ratchet. Beweg deinen Hintern hierher, und bring Side und die Zwillinge mit. Die Decepticons haben den Planeten hier zwar verlassen, wie’s aussieht, aber sie haben Lena und Leo mitgenommen. „Peter!“ Annabelle verdrehte die Augen und hetzte ihm nach, kaum dass er missmutig festgestellt hatte, dass niemand auf seinen Anruf reagiert hatte, und kurzerhand Richtung Parkplatz davonmarschiert war. „Was hast du – wo willst du jetzt schon wieder hin?!“ Peter blieb so ruckartig stehen und drehte sich um, dass sie um ein Haar gegen ihn gelaufen wäre. „Leihst du mir dein Motorrad?“, fragte er und legte den Kopf schief. Annabelle blieb der Mund offen stehen. „Du hast überhaupt keinen Führerschein für ein Motorrad!“ „Normalerweise brauche ich auch keinen, aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme.“ Das Lächeln auf seinem Gesicht war so offensichtlich gekünstelt, dass es schon wieder echt wirkte. Annabelle verschränkte die Arme. „So nicht, mein Bester. Wenn du mit meinem Baby irgendwohin verschwindest, dann komme ich mit.“ Peters Augenbrauen zuckten in die Höhe. „Aber ganz sicher nicht.“ „Aber ganz sicher doch!“, fauchte Annabelle, „Was auch immer hier gespielt wird, aber wenn mein Vater etwas damit zu tun hat, dann geht es mich auch was an!“ Peter verdrehte die Augen. „Ich bin mir ziemlich sicher, deinem Vater geht’s gut. Gib mir die Motorradschlüssel.“ Annabelle warf ihm einen eisigen Blick zu und schwang sich auf ihre geliebte Suzuki. „Niemand fährt diese Maschine außer mir.“, verkündete sie, „Steig auf und sag mir, wo wir hinfahren!“ Peter knirschte mit den Zähnen, besann sich jedoch anscheinend auf irgendeine Yoga-Entspannungsart und atmete tief aus. „Ich kenne jemanden, der genauso nervtötend ist wie du“, knurrte er, während er hinter ihr Platz nahm, „Also gut, kennst du den Militärstützpunkt Diego Garcia?“ Annabelle verengte die Augen kaum merklich, startete den Motor jedoch und fuhr in Richtung des Parkplatzausganges. „Da arbeitet mein Vater.“, antwortete sie, „Woher…“ „Da fahren wir hin.“ Sie trat sachte auf die Bremse, als das Motorrad auf der abschüssigen Straße schneller wurde. „Wieso?“ „Weil-“ Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Ein dunkler Schemen blitzte an ihrer Seite auf und traf sie mit voller Wucht. Nicht einmal ein Schrei, sondern ein ersticktes Keuchen entwich Annabelle, als sie von der Maschine gerissen wurde und auf dem harten Asphalt landete. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihr, ihren Kopf abzufangen – sie trug keinen Helm – , doch das nächste, was sie wahrnahm, war ein Sog, der sie, Peter und das Motorrad erfasste, und das Dröhnen von Rotorblättern. In der letzten Nacht hatte es geregnet; die Straßen waren klatschnass, und sie schlidderten abwärts, direkt auf den Helikopter zu, der dort unten abgestürzt war. Seltsamerweise konnte Annabelle weder Feuer noch Rauch sehen – dafür aber den Rotor, auf den sie ungebremst zurasten, und der sich noch immer gefährlich schnell drehte. „Oh Gott!“ Ihre eigene Stimme klang seltsam schrill in ihren Ohren, während sie auf dem nassen Untergrund weiterschlidderte, panisch nach Halt tastend. „Neinneinnein!“, wimmerte sie; der Sog riss sie unerbittlich weiter, doch ihre Hände bekamen – Gottseidank! – einen Laternenpfahl zu fassen. Gleichzeitig packte sie mit einer Hand Peters Arm; sein Gewicht riss ihr fast die Schulter aus dem Gelenk, doch sie hielt ihn fest. Peter blinzelte benommen. Seine Lippen bewegten sich, doch durch den Lärm konnte Annabelle nicht verstehen, was er sagte. „Was?! Pete, wir müssen hier weg-“ „ Arcee.“ Peters Stimme drang wie von fern an ihre Ohren. „Arcee!“, wiederholte er etwas lauter, „Das – das Motorrad – wo ist sie?!“ „Lass die verdammte Kiste; wir sterben!“, kreischte Annabelle in blinder Panik, „Wir sterben, wir sterben, warum tut denn niemand was-“ „Halt die Klappe!“, brüllte Peter. Annabelle war über diese Reaktion derartig verdutzt, dass sie ihre Panik beinahe vergaß. Aus tellergroßen Augen starrte sie ihn an; ihr Mund stand offen wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Ihr Blick wanderte die Straße entlang bis zu ihrem Motorrad, das weiter unten vor einem Auto eingeklemmt war. „Lass meine Hand los!“, kommandierte Peter. „W-Was?!“ Ihre Stimme kiekste verdächtig in die Höhe. „Spinnst du?!“ Peters Gesicht war vollkommen ruhig. „Vertrau mir, Annabelle. Lass meine Hand los.“ Annabelles Finger lösten sich wie von selbst. Beinahe schlagartig kniff sie die Augenlider zusammen, doch Peters erwartete Schreie blieben aus. Ruckartig öffnete sie die Augen wieder. Peter hing einige Meter weiter unten zwischen ihr und dem Motorrad, und hangelte sich langsam, mit einem Ausdruck größter Konzentration auf dem Gesicht, nach unten zu der Maschine. Annabelle schloss die Augen wieder und klammerte sich an ihren spärlichen Halt. Wind und Panik trieben ihr Tränen in die Augen; sie zwang sich, langsam zu atmen und so ruhig wie möglich zu bleiben. Als Kind und Jugendliche hatte sie aus unerfindlichen Gründen oft unter Panikattacken gelitten, die sich erst auf dem College gelegt hatten; Peter, der, soweit sie ihn kannte, ein Meister in Sachen Yoga und Entspannung war, hatte ihr gezeigt, wie sie sich zu verhalten hatte, um das zu vermeiden. Bleib ruhig., zwang sie sich zu denken, Bleib ruhig, gleich kommt Hilfe, dir wird nichts passieren… Als sie wieder nach unten sah, hatte Peter allen irrsinnigen Umständen zum Trotz die Suzuki erreicht. Allerdings schien ihn jetzt endgültig der klare Verstand verlassen zu haben; er hatte das Lenkrad der Maschine gepackt und schüttelte sie wie wild. „Peter-“ Ihre Handflächen waren schwitzig vor Angst; langsam aber sicher verlor sie den Halt. Der Sog wurde stärker – irrte sie sich oder drehte sich der verdammte Rotor immer schneller?! „Peter!“, wimmerte sie, „Ich rutsche ab-“ Er hörte oder beachtete sie nicht, war noch immer mit dem Motorrad beschäftigt. Sie konnte erkennen, wie er irgendetwas sagte – ganz offensichtlich war er durchgedreht und bildete sich ein, das Motorrad sei ihre einzige Rettung. Dir passiert nichts, dir passiert nichts- Sie rutschte ab. Wild strampelnd und schreiend vor Angst rutschte sie die Straße abwärts, immer schneller, immer schneller, auf den Rotor zu; sie schloss die Augen, um das Unvermeidliche nicht sehen zu müssen – Etwas kaltes schloss sich um ihre Handgelenke und bremste sie ruckartig. „Ganz ruhig, Annabelle.“, sagte eine kühle, metallisch klingende Frauenstimme, „Wir haben alles unter Kontrolle.“ Sie öffnete die Augen. Erneut begann sie, wie wild zu schreien, zappelte in Panik, um von dem Ding wegzukommen, das sie gepackt hatte. „Oh Gott, bitte, lass mich leben, lass mich leben-“ Das Ding, das interessanterweise die grellpinke Lackierung ihres Motorrades trug, zerrte sie mühsam die Straße hoch, weg von dem Rotor. „Prowl, kümmer dich um Blackout!“, schnarrte es. Prowl- Ein zweites dieser Dinger, diesmal in grau und gelb, fixierte den Rotor. „Wird erledigt.“, sagte es. Annabelle blieb der Mund offen stehen. Halb wahnsinnig vor Angst blickte sie sich nach Peter um – hatten diese Dinger ihn verletzt, war er letzten Endes doch im Rotor gelandet?! – , doch er war nirgendwo zu sehen. „Peter!“ „Er macht das schon, Kleine.“ Das weibliche der beiden Wesen strich ihr über den Kopf; Annabelle hielt schlagartig die Luft an und starrte aus großen Augen zu ihr hoch. Wenigstens war das hier nicht so viel größer als sie. „W-Was?!“ „Peter. Prowl. Er macht das schon.“ Ohne auf ihr wieder einsetzendes Gezappel zu achten, packte das Wesen sie und schleppte sie vom Schauplatz des Kampfes weg. „Halt still!“, befahl sie, „Die anderen werden gleich eintreffen…“ Im selben Augenblick zischte etwas dunkles an ihr vorbei, und der Griff des Wesens lockerte sich. Verdutzt starrte sie auf ein Stahlseil, das sich mithilfe eines Magnetes an ihrem Arm festgesaugt hatte. „Was zum-“ Eine Explosion war vom unteren Ende der Straße aus hörbar; Annabelle konnte erkennen, wie der Roboter namens Prowl – Peter?! – durch die Luft geschleudert wurde und dabei ein Gebäude halb einriss. Das Ding namens Arcee stöhnte, als sich ein zweites Seil in ihrem noch freien Arm festkrallte; Annabelle sah sich hastig um. Zwar wusste sie nicht, woher der plötzliche Angriff gekommen war, aber so lange es das Ding ablenkte, hatte sie hoffentlich die Gelegenheit, zu fliehen. Sie konnte Polizeisirenen in der Ferne hören. Erneut sah sie sich um, dann nahm sie all ihren Mut zusammen und unternahm einen Fluchtversuch. „Hey-“ Das Ding versuchte, sie festzuhalten, doch die Stahlseile behinderten sie. „Annabelle, wir wollen dir helfen-“ „Ist klar.“, presste sie durch die zusammengebissenen Zähne hervor. Der Sog des Rotors war verschwunden und sie rannte los, in die Richtung, aus der die Sirenen kamen. Kapitel 19: Neunzehn -------------------- Fast kochend heißes Wasser ergoss sich aus der Dusche über Bee. Sie biss die Zähne zusammen, als ihre Hände und Füße zu kribbeln begannen und das Wasser ihre Kleidung durchweichte. Für einen Augenblick glaubte sie zu wissen, wie sich ein Hummer im Kochtopf fühlte. „Ratchet?“, rief sie in Richtung der Lautsprecher über der Tür, „Bist du sicher, dass die Temperatur...“ „Das Wasser ist nur lauwarm.“, antwortete Ratchet, „Ironhide ist schon fertig, aber der war auch nicht so unterkühlt wie du. Bleib da drin, dir passiert nichts.“ „Lena ist-“ „Du hilfst ihr nicht, wenn du erfrierst, also halt die Klappe und wärm dich auf!“ Es knackte, als die Leitung erstarb. Bee seufzte und strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht. „Okay, okay.“, murmelte sie. Als sie wenig später aus der Dusche stieg, betrachtete sie unwillkürlich ihr Gesicht im Spiegel. Die letzten Tage hatten Spuren hinterlassen. Sie war blass, unter ihren Augen lagen tiefe Schatten und auf dem rechten Wangenknochen hatte sie einen Bluterguss. An ihrem Hals entdeckten sie Kratzspuren, und die Male von Hendersons Elektroden waren noch immer zu sehen – auf ihrem Dekolltée, ihren Armen... Fast mechanisch drehte sie das heiße Wasser des Waschbeckens auf, griff nach Seife und Handtuch und unternahm den Versuch, sie abzuwaschen. Es funktionierte nicht. Die Haut an ihren Armen färbte sich bereits rot und das Wasser begann zu dampfen, als sie einen zweiten Versuch unternahm. „Bee?“ Ratchets Stimme über die Lautsprecher klang unüberhörbar besorgt. „Bee, was machst du da?“ Bee schloss die Augen für einen Moment. „Mach die Kamera aus.“, sagte sie dann leise und kraftlos, „Ich will die nassen Sachen ausziehen und mich richtig duschen.“ Ratchet musterte sie immer noch besorgt, als sie wenig später den Raum verließ, frisch angezogen und geduscht. Glücklicherweise verdeckten die Ärmel ihres Pullovers die roten Stellen an ihrem Arm. „Okay, setz dich.“ Ratchet wies auf eine Liege an der Wand. Bee gehorchte, obwohl ihr aus unerfindlichen Gründen die Hände zitterten. Während Ratchet näher kam, musterte sie seine menschliche Gestalt – ein höchst seltener Anblick. Ratchet lächelte – etwas ungeübt, wie sie feststellte – und musterte sie aus grünen Augen. „Hast du Schmerzen?“, fragte er, während er ihre Arme und ihren Brustkorb mit sanften Berührungen auf Knochenbrüche untersuchte. Bee schüttelte leicht den Kopf. Ihre Zunge schien am Gaumen festgeklebt. „Sonst irgendwelche Beschwerden?“ Erneut schüttelte sie den Kopf. „Wie geht es Optimus?“ „Ich hab’ mich um ihn gekümmert. Hat ’ne Menge Beruhigungsmittel gekriegt und schläft. Starscream steht im untersten Stockwerk unter Bewachung, aber er wird’s auch überleben...“ Er hielt inne und lächelte. „Ironhide hat mir erzählt, dass du ihn aus dem Gebäude rausgeholt hast. War ’ne mutige Aktion von dir, wirklich.“ „Danke.“, murmelte Bee und schloss die Augen. Sie war entsetzlich müde und wollte nur noch schlafen. Gleichzeitig wusste sie jedoch, dass sie kein Auge würde zu tun können, bevor Lena nicht in Sicherheit war. „Ich will auf der Stelle einen Anwalt!“ Wütend schlug Annabelle die Faust gegen das Gitter. „Ich bin nicht irre und ich bin nicht betrunken, lassen Sie mich auf der Stelle-“ „Halt die Klappe, Schätzchen.“, grinste der Polizist im Zimmer gegenüber. „Ja, halt die Klappe.“, ergänzte sein Kollege. Annabelle verdrehte die Augen. Nicht nur, dass sich die zwei Freaks aufs Haar glichen, sie rissen seit Stunden die gleichen dämlichen Sprüche und unterbrachen das nur für das eine oder andere kurze Gerangel. „Ich will auf der Stelle telefonieren! Mein Vater ist Colonel William Lennox, stationiert in Diego Garcia-“ „Wissen wir.“ Der linke der beiden Polizisten kratzte sich hinter dem Ohr. „Haben wir schon angerufen. War nicht erfreut.“ „Er wird die Kaution bezahlen-“ „Gibt keine Kaution.“ Annabelle schloss entnervt die Augen und lehnte die Stirn gegen das Gitter. „Hören Sie.“, sagte sie müde, „Ich bin nicht betrunken und ich bin nicht irre. Mein Motorrad ist ’ne sprechende Roboterfrau, klar? Es hat sich verwandelt. Zusammen mit einem meiner Kommilitonen... sie hat ihn Prowl genannt...“ Ihr Versuch, die beiden erneut von ihrer geistigen Unversehrtheit zu überzeugen, wurde jäh unterbrochen, als ein Mann in khakifarbener Hose und Jacke die Tür aufstieß. „Seid ihr beiden eigentlich noch ganz dicht?!“, zischte Lennox wutentbrannt, als er auf die beiden zustapfte, die schlagartig ein wenig zu schrumpfen schienen. „Als ich gesagt habe, ihr sollt meine Tochter sichern, meinte ich nicht, nehmt sie in Sicherungshaft!“ Er entriss einem der beiden den Schlüssel und öffnete die Tür. „Dad!“ Erleichtert beeilte sich Annabelle, den kleinen Raum zu verlassen. „Hör zu, Dad, du musst mir... Augenblick, was soll das heißen, die zwei Freaks da sollten mich sichern?!“ „Ganz offensichtlich geht es dir besser.“, bemerkte Starscream. Seine Stimme klang blechern durch das Sicherheitsglas. Er wirkte seltsam hilflos und verlassen, dort, wo er saß, die Schultern etwas herabgesunken und blass im Gesicht. Die Spuren von Soundwaves Fäusten schillerten in allen Farben; seine Unterlippe war noch immer geschwollen. Das arrogante, siegessichere Lächeln war vollständig aus seinen Zügen gewichen und hatte einer Ausdruckslosigkeit und Müdigkeit in seinen Augen Platz gemacht, die Bee kalte Schauer über den Rücken laufen ließ. Immerhin war seine Schulter verarztet worden; er trug ein frisches Hemd und den Arm in einer Schlinge. Dennoch hatten die Soldaten ihm Handschellen angelegt, und beide Wachposten zu seinen Seiten waren mit Maschinenpistolen, Munition und Elektroschockern schwer bewaffnet. Dort, wo die Trümmer seine transformierte Gestalt getroffen hatten, zeigten sich Schürfwunden und tiefe Kratzer. Alles in allem konnte sich Bee eines Anflugs von Mitleid nicht erwehren. Allerdings rief sie sich hastig wieder ins Gedächtnis, wem sie gegenüber stand. Er ist ein Decepticon, er hat dabei geholfen, Sam zu töten... „Ich nehme an, ihr werdet mich an Sektor 7 übergeben.“, brach Starscream schließlich das Schweigen, „Oder an die CIA oder wer auch immer für mich zuständig ist. Und die werden mich deaktivieren.“ Bee nickte stumm. Noch immer brachte sie kein Wort hervor. „Du siehst nicht besonders triumphierend aus.“, sagte Starscream leise und legte den Kopf leicht schief, während er sie musterte, „Darf ich den Grund dafür erfahren?“ Bee schloss die Augen für einen Moment. Als sie wieder aufsah, wurde ihr klar, dass Starscream sie noch immer aufmerksam beobachtete. „Vielleicht setzt du dich.“, schlug er mit einem Lächeln vor und wies auf den Stuhl sich gegenüber. Bee gehorchte. „Ich wollte nicht, dass du in diese Situation gerätst!“, platzte sie schließlich heraus, „Wirklich, ich...“ „Ich weiß.“ Starscream lächelte. „Natürlich wolltest du das nicht. Du bist eine Autobot. Ihr wollt nur das Beste für andere.“ Bees Lippen wurden schmaler. „Du sagst das, als wäre es was schlechtes.“, bemerkte sie leise. Starscream legte erneut den Kopf schief und sah sie an. „Optimus Prime redet von der Freiheit aller Lebewesen, aber jeder, der seine Meinung nicht teilt, wird von euch gnadenlos bekämpft. Du sagst, ihr beschützt das Whitwicky-Mädchen, obwohl ein Fingerzeig von ihr ausreichen könnte, um zweitausend Sparklinge zu retten. Ihr habt genug Energon, um jedes eurer Wehwehchen heilen zu können, aber ihr gebt nicht einen Tropfen davon ab, weil jeder Sparkling, der in der Gegenwart eines Decepticons schlüpft, ja gleichzeitig ebenfalls ein Decepticon sein muss und somit ein späterer Feind für euch werden könnte.“ Bee zog die Unterlippe zwischen die Zähne „Lena soll selbst entscheiden, was sie mit dem Wissen des AllSparks anfängt. Darüber musst du mit ihr sprechen, nicht mit mir.“ Starscream lehnte sich zurück. „Wenn du nicht hier bist, um mir einen Vortrag über meinen bisher bedauerlicherweise fehlgeleiteten und arg schändlichen Lebenswandel zu halten – was führt dich dann hierher?“ Bumblebee atmete tief durch. „Megatron hat Lena entführt.“, sagte sie dann leise. Starscreams Mundwinkel zuckten. „Und jetzt braucht ihr meine Hilfe, um sie zu retten.“ „Ja.“, gab Bee zu, „Wir haben nicht die leiseste Ahnung, wo wir sie suchen sollen, und du brauchst Energon, also...“ Starscream lachte leise. „Ihr verhandelt? Das ist ja mal ganz was neues.“ Schlagartig wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst. „Ich bin nicht euer Werkzeug, klar?“, sagte er leise, „Ich will an euren Besprechungen teilnehmen, und zwar ohne diese zwei Idioten da-“ Er nickte zu den beiden Wachposten hinüber. „-im Genick. Wenn ihr so viel Angst habt, dass ich euch entwischen könnte, verpasst mir doch einen Sender oder sowas.“ Bee presste die Lippen zusammen. „Ich richte es Ironhide aus.“ Starscream lächelte, doch es wirkte erschöpft. Bee wollte aufstehen, doch im selben Augenblick hielt Starscreams Stimme sie zurück. „Was hast du an deinem Arm gemacht?“ Bees Augen weiteten sich kaum merklich; rasch zog sie den Ärmel nach unten, um die verräterischen roten Flecken zu überdecken. „Gar nichts.“, antwortete sie und verschwand so rasch wie möglich. Kapitel 20: Zwanzig ------------------- „Geht’s dir gut, Bee?“ Sie fuhr zusammen, als Ironhide hinter ihr auftauchte. Er kam etwas näher, warf einen kurzen Blick auf Optimus’ blasses Gesicht, sah dann jedoch wieder zu ihr. „Ratchet meinte, du... verhältst dich eigenartig.“ Bee drehte sich zu ihm um. Flüchtig streifte sie Optimus’ Hand mit den Fingern; er regte sich nicht. „Es ist meine Schuld, dass es ihm so schlecht geht, nicht wahr?“, fragte sie schließlich leise, „Weil er mitgekommen ist, um mich zu retten...“ „Ach, Unsinn.“ Ironhide legte sanft die Arme um sie. „Kennst ihn doch.“, sagte er sanft, „Lässt keine Gelegenheit aus, um sich in Schwierigkeiten zu bringen.“ „Ich weiß.“ Ironhide lächelte und zupfte sanft an ihren langen blonden Haaren. „Jetzt mach dir mal nicht allzu viele Sorgen. Er schläft nur. Ratchet hat ihm ’ne Menge Zeug gespritzt...“ Während er redete, kam Bumblebee nicht umhin, ihn etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Offiziell war es natürlich Ironhide, der jetzt, da Optimus so schwer verletzt war, das Kommando hatte, doch innerlich zweifelte Bumblebee daran, dass der Bot, der ihr seit Jahren Freund, Vater und vor allen Dingen großer Bruder in einem gewesen war, diese Herausforderung meistern konnte. Sicher, er war Optimus’ engster Freund, doch er besaß definitiv nicht das Charisma ihres Anführers; er war ein Mann der Tat und Strategie zählte ihres Wissens nach nicht zu seinen Stärken. Tatsächlich wirkte er, wohl auch aufgrund der Ereignisse in den letzten Tagen, zu Tode erschöpft – er war unrasiert, unter seinen Augen lagen tiefe Schatten. „Du solltest dich hinlegen.“, sagte sie leise. Ironhide musterte sie unter hochgezogenen Augenbrauen. „Das sagt mir ja die Richtige. Du siehst auch ziemlich fertig aus...“ „Ich kann nicht schlafen, bevor Lena nicht in Sicherheit ist.“ „Ich auch nicht.“ Eine Weile herrschte Schweigen. „Zwei Stunden Stasis.“, schlug Ironhide dann müde vor, „Für uns beide. So lange wird Sideswipe auch brauchen, um Lennox, seine Tochter und Prowl und Arcee abzuholen.“ Es gab Augenblicke, da verfluchte Sideswipe sein Dasein als Autobot. Wenn er zum Beispiel zwei Menschen transportierte, von denen die eine hysterisch zu zappeln begonnen hatte, kaum dass das „Auto“ von selbst losgefahren war, während sich auf seinen Rücksitzen zwei Freaks kabbelten, denen Lennox das Rücktransformieren verboten hatte. Es gab andere Augenblicke, wenn er mit zweihundert Sachen knapp über dem Asphalt dahinraste, die Sonne auf seinem Lack brannte und die Reibungshitze seiner Reifen auf der Straße beinahe schmerzhaft wurde, da war das einzige, was zu seinem vollendeten Glück noch fehlte, der eine oder andere Decepticon, der den Fehler machte, sich mit ihm anzulegen. Der heutige Tag besaß zum Glück eine Menge von beidem, und deshalb konnte er darüber hinwegsehen, dass Lennox’ Tochter derartig grün im Gesicht war, dass sie ihm vermutlich die Sitze ruinierte, wenn sie Diego Garcia nicht bald erreichten. Er war sich noch nicht ganz sicher, ob er das persönlich nehmen würde, aber zum Glück war er nicht nachtragend. Ein Wermutstropfen allerdings trübte seine sonst übliche gute Laune – von Prowl und Arcee fehlte jede Spur. Gerade Arcees Verlust schmerzte. Er und die junge Autobot waren mehr gewesen als Waffenbrüder und Soldaten, sie waren Freunde, Seelenverwandte. Er hatte ihr über den Tod ihrer Schwester Chromia hinweggeholfen, die vor etlichen Jahren am Golf von Akkaba von Decepticonwaffen in Stücke gerissen worden war, und sie war bei ihm gewesen, als Jolt, einen seiner engsten Freunde und langjährigen Gefährten, einige Jahre später andernorts ein ähnliches Schicksal ereilt hatte. Der Gedanke, dass sie und Prowl in einem von Megatrons Kerkern vor sich hin vegetierten oder gar schon deaktiviert waren, ließ heiße Wut in ihm hoch kochen. Lennox legte eine Hand auf das Lenkrad – das Aufheulen seines Motors war ihm nicht entgangen. „Sachte, Sideswipe.“, sagte er leise, aber unüberhörbar mahnend. Das Mädchen starrte ihren Vater an, als sei der nicht mehr ganz dicht. „Was läuft hier, Dad?!“, zischte sie, „Du wirst mir auf der Stelle sagen, was hier abgeht!“ „Wir müssen hier raus.“ Es surrte leise, als die Fembot sich vor der Tür hin und her bewegte. „Schnell.“ Glücklicherweise waren ihre Optics mit Infrarotsensoren ausgestattet, sodass sie das Mädchen erkennen konnte, das an der hintersten Wand des Kerkers saß, zusammengekauert und an die Schulter des Mannes gelehnt, der Arcee und den bewusstlosen Prowl argwöhnisch musterte. „Habt ihr eine Idee?“ Prowls Optics flackerten schwach im Dunkeln; Arcee konnte hören, wie er sich bewegte und einen leisen, schmerzerfüllten Laut von sich gab. Flüchtig berührte Arcee seine Stirn. „Bleib liegen.“ Prowls Optics flackerten erneut, als er blinzelte. „Ich... kann nichts sehen.“ „Weil’s dunkel ist. Verlass dich auf deine anderen Sensoren. Meditier ein bisschen. Was auch immer. Ruh dich aus.“ „Du bist Arcee, oder?“, erklang die Stimme von Lenas selbsternanntem Leibwächter, „Du warst am Golf von Akkaba mit dabei.“ Arcee drehte sich zu ihm um. „Das stimmt.“, sagte sie langsam, „Und wer bist du?“ Er kam ihr ebenfalls dunkel bekannt vor, doch sie konnte nur schwer einschätzen, woher. Vermutlich war zwischen ihren Treffen viel Zeit vergangen, und er war gealtert. Das taten die Menschen überaus schnell, wie sie wusste. „Leo Spitz.“ Der Name weckte tatsächlich Erinnerungen in ihr. „Sams Freund.“, vermutete sie, „Vom College.“ Langsam kam sie näher. „Du bist auf jeden Fall Lena, seine Tochter.“ Das Mädchen spähte in ihre ungefähre Richtung – leider konnten Menschen im Dunkeln nichts sehen. „Ja.“, sagte sie vorsichtig. Arcee kam noch etwas näher. „Ihr wisst nicht zufällig, wo wir hier sind, oder? Auf der Decepticon-Basis im Weltall wäre es bedeutend kälter und für euch gäbe es keine Atemluft.“ Das Mädchen schüttelte schwach den Kopf. „Optimus, Ironhide und Bumblebee sind noch im Inneren des Hoover-Staudamms. Wenn sie noch leben.“ Arcee sah, wie sich die Hände der jungen Frau verkrampften. „Irgendein Decepticon war noch bei ihnen. Starscream oder so ähnlich.“ „Starscream?“ Arcee hob eine imaginäre Augenbraue. Während ihren wenigen Ausflügen in menschliche Gestalt hatte sie Augenbrauen schätzen gelernt. Sie waren hervorragend dazu geeignet, Gefühle auszudrücken. „Das ist ein Trick.“, verkündete Prowl. Es war ihm gelungen, sich aufzurichten. Noch immer flackerten seine Optics bedrohlich; Arcee befürchtete, dass hier eine Generalüberholung von Ratchet nötig sein würde. „Bleib liegen.“, wiederholte sie mit Nachdruck. Prowl drehte den Kopf in ihre ungefähre Richtung – offenbar waren seine Infrarotsensoren beschädigt. „Ratchet kriegt dich schon wieder hin.“ Sie seufzte leise, warf den beiden Menschen einen weiteren Blick zu und nahm auf dem Boden Platz. „Starscream ist ein Feigling und ein Verräter.“, knurrte Prowl. Seine sonst so gelassene Stimme klang deutlich angespannt. „Ich hoffe schwer, ihr habt ihm nicht vertraut!“ „Sieht mitgenommen aus.“, bemerkte Sideswipe nach einem Blick durch die verspiegelte Scheibe auf Starscream. Bedauerlicherweise hatte er erfahren müssen, dass nicht die Autobots, sondern Megatron und dessen Leute selbst für die Verletzungen des Decepticons verantwortlich waren. Schade. Sideswipe beäugte seinen Feind und stellte wieder einmal fest, dass Menschenaugen nicht halb so gut waren wie seine Optics. Kurzerhand unternahm er den Versuch, nur seine Iris ein wenig zu transformieren. Es funktionierte sogar recht passabel. Lennox fuhr zusammen, als er sich wieder umdrehte. „Warn mich gefälligst vor!“ Sideswipe grinste verlegen und machte es rückgängig. „’Tschuldigung.“ Lennox winkte ab. „Starscream hat zugestimmt, uns bei der Suche nach Lena zu helfen. Ich nehme an, dass wir dann auch Arcee und Prowl finden.“ „Bei ihm würde ich jedes Wort auf die Goldwaage legen.“, knurrte Sideswipe. Starscream musterte gelangweilt den Raum, in dem er sich befand, und schätzte offenbar seine Fluchtchancen ab. Kurz wanderte sein Blick über die beiden bis an die Zähne bewaffneten Soldaten an der Tür. „Ihr beide habt echt’nen langweiligen Job, Jungs.“, bemerkte er im Plauderton. Sideswipe verdrehte die Augen. „Vielleicht sollten wir...“ Lennox unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln. „Leider brauchen wir seine Hilfe.“ Die Tür wurde geöffnet und Bumblebee trat ein. Die junge Frau wirkte im Halbdunkeln des Überwachungsraums zerbrechlicher und blasser als Sideswipe sie in Erinnerung hatte. Sie trug einen Rollkragenpullover, dessen Ärmel ihr ein bisschen zu lang waren, und hatte sich die Haare zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden. Unter ihren Augen zeigten sich tiefe Schatten, und das übliche Strahlen war fast vollständig aus ihren Augen verschwunden. Dennoch lächelte sie, als sie Sideswipe ansah. „Ich hab’ gehört, was mit Arcee und Prowl passiert ist.“, sagte sie leise, „Ist Annabelle in Sicherheit?“ Lennox grinste müde. „Die Ärzte haben sie gecheckt. Viele Kratzer und Prellungen... und ’n Nervenzusammenbruch, nachdem sie eine Erklärung für die Nummer hier bekommen hat... jetzt hat sie ’ne Menge Beruhigungsmittel gekriegt und schläft...“ Er verzog das Gesicht. „Ich werd’ besser später noch mal nach ihr sehen.“ Schlanke Finger tippten nachdenklich auf dunklem Holz. „Zu den Autobots übergelaufen.“, wiederholte die dazugehörige Stimme langsam. „Es scheint so.“ Megatron fixierte den Stimmquell aus kalten Augen, hinter denen es gefährlich rot glomm. „Ich will, dass du ihn findest, bevor er seine Informationen mit ihnen teilen kann.“ Die Gestalt im Halbdunkeln schnaubte. „In dieser Gestalt?“ Ein Feuerzeug wurde angeknipst; die nächsten Worte klangen etwas gedämpft, als sie sich eine Zigarette zwischen die Lippen schob. „Kostet extra.“ Kapitel 21: Einundzwanzig ------------------------- „Du glaubst doch nicht ehrlich, dass wir dir die Nummer abkaufen.“ Sideswipes Stimme klang halb erstaunt, halb angewidert. Bumblebee seufzte tief. Sie warf Starscream einen Ich-hab’s-dir-doch-gesagt-Blick zu. Dieser verdrehte nur die Augen. „Hör zu, Sideswipe.“, antwortete er gezwungenermaßen ruhig, „Ich kann ja durchaus verstehen, dass du mir nicht traust, aber hier geht es nicht um mich, klar? Ausnahmsweise. Es geht um eine Gruppe von Sparklingen, die sterben wird, wenn sie kein Energon erhält, und bevor mir Optimus Prime nicht persönlich zusichert, dass sie es bekommen, erhaltet ihr keine Informationen. So einfach ist das.“ Bumblebee seufzte erneut. Ironhides Hand streifte die ihre wie zufällig, er lehnte sich nach vorn. „Optimus Prime liegt schwer verletzt auf der Krankenstation.“, grollte er, „Dank dir und deinem Chef, und ich schwöre dir, ich brech’ dir jeden Knochen, wenn du nicht auf der Stelle sagst, wo Lena steckt!“ Starscream hob eine Augenbraue. „Ich glaube, was körperliche Schmerzen angeht, gibt es nichts, was ich nicht schon erlebt habe, und für Schmerzen geistiger Natur sind die Decepticons zuständig.“ Bumblebee legte Ironhide eine Hand auf den Arm. „So wird das nichts.“, sagte sie leise. Sie wandte sich Starscream zu. „Optimus Prime ist schwer verletzt, da hat Ironhide Recht.“, sagte sie ruhig, „Trotzdem rede ich mit ihm. Versprochen.“ „Ich will selbst mit ihm reden.“, knurrte Starscream. „Das-“ „-ist nicht möglich.“, unterbrach sie Ironhide, „Niemand führt hier irgendwelche Verhandlungen mit Optimus durch, bis er nicht wieder auf den Beinen ist und er selbst entscheiden kann, ob er mit dir reden will oder nicht, klar?“ Starscream verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Sein Blick wanderte zu Bumblebee, und die Kälte darin ließ ihr beinahe schlecht werden. „Verstehst du, was ich gemeint habe?“, zischte er, „Andere vor Schaden bewahren, schön und gut, aber wenn’s um euren eigenen Arsch geht-“ „Du hast nicht den blassesten Schimmer von uns!“ Ironhides Stimme war vermutlich noch bis draußen in den Hangar zu hören; er war aufgesprungen und an seiner Schläfe pulsierte eine Ader. „Du kleines Stück Schleim hast nicht die blasseste Ahnung von Autobots, und wenn du noch ein verdammtes Wort sagst-“ „Dann was?!“, zischte Starscream. Er war sitzen geblieben; Bumblebee hatte gesehen, wie sein Blick nervös zu den beiden Wachen hinübergeflackert war. „Wirst du mich dann erschießen?“ Tatsächlich hatte Ironhide bereits eine Hand auf den Griff seiner Waffe gelegt, doch glücklicherweise ergriff Sideswipe rasch die Initiative. „Hey, hey, jetzt kommt mal alle wieder ’runter!“ Er warf Ironhide einen kurzen Blick zu. „Setz dich. Und du...! Sein Blick wanderte zu Starscream. „Du verhältst dich nicht gerade kooperativ für jemanden, der auf unsere Hilfe angewiesen ist, klar? Reiß dich zusammen!“ Es war Nacht, und das war nicht gut. Der Offizier, der schlaftrunken in dem Wachhaus des Arresttraktes saß, wünschte sich bereits seit Stunden in sein Bett. Er gähnte, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus, richtete sich jedoch hastig auf, als eine weitere Person den Raum betrat. Als er erkannte, um wen es sich handelte, sank er wieder auf den Stuhl. „Oh, du bist es...“ „Hab’ uns Kaffee geholt.“ Die junge Frau, deren Aufnäher sie als Lieutenant Steward auswies, stellte zwei dampfende Becher ab. Sie langte in ihre Jackentasche, förderte eine Zigarette und ein Streichholz zutage, und ratschte letzteres kurzerhand an der Kante des metallenen Rauchverbotsschilds an der Tür entlang. Zufrieden lehnte sie sich zurück, die schweren Stiefel auf dem Tisch, und blies blauen Dunst in die Luft. Ihr Gegenüber gähnte verstohlen hinter vorgehaltener Hand und nahm rasch einen Schluck Kaffee. Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen der jungen Frau, als sie einen weiteren Zug von ihrer Zigarette nahm. „Scheiße!“ Wutentbrannt hieb Ironhide die Faust gegen den Türrahmen; das Holz knackte bedrohlich. Bumblebee beobachtete ihn mit verschränkten Armen. „Dieses schleimige, kriecherische-“ „Er ist verzweifelt.“, sagte Bumblebee leise. Ironhide verdrehte die Augen. „Das glaubst du doch hoffentlich nicht wirklich!“ „Ich glaube, dass ich längst beim Quell aller Sparks wäre, wenn er mir nicht das Gegengift gespritzt hätte.“, sagte Bumblebee scharf, „Er hat mir das Leben gerettet, und er verdient eine Chance wie jeder andere auch!“ „Er hatte genug Chancen!“, fauchte Ironhide, „Ich dachte, er hat Megatron dabei geholfen, Sam umzubringen!“ Eine neue Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, musterte Lieutenant Domino Steward die Überwachungsbildschirme. Die beiden Kaffeebecher waren längst geleert, und das Abführmittel in dem von Corporal Martin hatte seine Wirkung nicht verfehlt; er war vor gut einer halben Stunde verschwunden und seitdem nicht wieder gesehen worden. Ein Grinsen breitete sich auf dem Gesicht der jungen Frau aus, doch ihre Lippen wurden schlagartig wieder schmaler, als sie auf dem Bildschirm entdeckte, was sie gesucht hatte. Sie schloss die Sicherheitstür nach draußen ab und zündete die Zigarette an, bevor sie, eine Hand auf dem Griff des Messers in ihrem Gürtel, die Treppe zu den Arrestzellen hinunterstieg. Bumblebee zuckte zusammen, als habe sie ihn geohrfeigt. „Ich weiß.“ Schlagartig klang ihre Stimme wieder vollkommen tonlos. „Glaubst du etwa, mir fällt das leicht?“ „So hab’ ich das nicht gemeint-“ Ironhide machte einen Schritt auf sie zu. „Tut mir leid, Kleines.“, sagte er erstaunlich einfühlsam für seine Verhältnisse, „Aber ich trau’ ihm nicht über den Weg. Verständlicherweise. Bumblebee verschränkte die Arme wieder; ihre Hände zitterten kaum merklich. „Ich trau’ ihm auch nicht.“, sagte sie leise, „Und Lennox tut das erst recht nicht, deshalb überwachen ihn ja die Soldaten.“ „Eigentlich sollten wir ihn selbst überwachen.“, grollte Ironhide, „Das ist ’ne Autobotangelegenheit. Die Menschen können ja nicht mal ihre eigenen Leute bewachen...“ Er verzog das Gesicht. „Wahrscheinlich schleicht schon irgendein Decepticon durch den Keller und stiftet Unheil.“ „Mal den Teufel nicht an die Wand.“, murmelte Bumblebee. Von der Zigarette war bereits nur noch ein Stummel übrig, als sie vor der Tür ankam. Domino schnippte die Kippe beiseite und zog den Schlüssel hervor. Es knackte bedrohlich laut, als das Schloss aufsprang. Sie schob sich hindurch und schloss die Tür hinter sich wieder. Die Gestalt auf der Liege regte sich nicht. Noch immer eine Hand auf dem Griff ihres Messers, trat sie lautlos hinüber und nahm auf der Liege Platz. Starscream bewegte sich nicht; er schlief. Domino beugte sich etwas vor, um sein Gesicht im Halbdunkeln etwas besser erkennen zu können. Scharfe braune Augen registrierten jeden Kratzer und jede Schürfwunde von seiner Stirn bis hin zu der Schusswunde in seiner Schulter. Sie hob die Hand, und für einen Augenblick wirkte es fast, als wollte sie ihm das Haar aus dem Gesicht streichen. Kapitel 22: Zweiundzwanzig -------------------------- Etwas mit der Wucht einer Panzerfaust traf Starscream ins Gesicht und riss ihn ruckartig aus dem Schlaf. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm wieder ein, wo er sich befand, und er verkniff sich ein „Bist du noch ganz dicht?!“ – das hätte vermutlich gereicht, um Barricade, der mit einem Baseballschläger an seinem Bett lauerte, zumindest vorläufig zu vertreiben, aber leider sah das bei den Autobots anders aus. Jemand packte ihn am Revers. „Bist – du – bescheuert?!“, grollte eine definitiv weibliche Stimme. Zweifellos nicht Bumblebee, wie er feststellte, als er die Augen vorsichtig einen Spalt breit öffnete. „Oh, heeey...“ „Sei gefälligst wach, wenn ich schon herkomme, um dich umzubringen!“, zischte sie, „Weißt du eigentlich, wie weit ich mit dem Preis runtergehen musste, damit Megatron mich engagiert?!“ „Nett von dir.“, murmelte Starscream. Seine Wange brannte noch immer von ihrer Ohrfeige; er blinzelte verschlafen zu ihr hoch. „Könntest du...“ Sie ließ ihn los, er fiel auf die Liege zurück und verzog das Gesicht, als ein stechender Schmerz durch seine Schulter zuckte. Mit fahriger Hand tastete sie nach einer Zigarette, schob sich diese zwischen die Lippen und zündete sie an. „Das ist meine dritte Schachtel heute!“, zischte sie, während sie Rauchwolken in die Luft blies und ihm den halb leeren Pappkarton unter die Nase hielt, „Meine dritte! Du kostest mich ’ne Menge Geld, mein Bester! Kannst von Glück reden, dass ich dir das nicht in Rechnung stelle!“ Ganz langsam gelang es Starscream, die Müdigkeit ein bisschen zu verdrängen, und den einen oder anderen klaren Gedanken zu fassen. Gerade noch rechtzeitig, denn schon hatte sie ihn wieder gepackt und ihre Nasenspitze befand sich nur wenige Millimeter vor seinem Gesicht. „Was zum Teufel hat dich geritten, so eine Scheiße zu fabrizieren?“, zischte sie gefährlich leise, „Bist du eigentlich noch ganz bei Trost?!“ „Die Sparklinge...“ „Die Sparklinge!“ Ihre Hand zuckte verdächtig. „Die blubbern fröhlich in ’nem Haufen blauen Schleims vor sich hin – in genau sowas würde Megatron dich übrigens gerne verwandelt sehen-“ „...brauchen Energon.“, murmelte Starscream. Inzwischen konnte er immerhin die Augen offen halten. „Energon brauchen sie!“ Die Stimme der jungen Frau kiekste in beachtliche Höhen. Sie warf den Zigarettenstummel beiseite und zermalmte die Glut unter ihrem Stiefel, als sei es Starscreams Kopf. „Einige vielleicht, aber bestimmt nicht alle, denn eines von ihnen sitzt draußen in meinem Bruder und hat sich auf der Hinfahrt schon zweimal übergeben- “ Starscreams Kopf schoss hoch. „Was?!“ „Zum Glück konnten wir’s jedesmal rechtzeitig rauswerfen!“, zischte sie, packte ihn und drückte ihn kurzerhand auf die Liege zurück. Ihre Fingernägel gruben sich erneut in sein Hemd. „Weißt du eigentlich, was Sixshot für ’nen Aufstand gemacht hat, als das kleine Biest ihm fast die Polster ruiniert hätte?!“ „Du bringst einen Sparkling hierher-“ „Halt’s Maul!“, zischte sie und kramte eine weitere Zigarette heraus, „Das Teil hat mich vollgesaut, von oben bis unten, mit diesem widerlichen blauen Zeug – ist auf mich draufgefallen-“ Trotz der Situation musste Starscream unwillkürlich grinsen. „Du magst es.“ Sie verschluckte sich offenbar am Zigarettenrauch oder woran auch immer und hustete. „W-Was?!“ „Du magst es.“, wiederholte Starscream, und das Grinsen auf seinem Gesicht wurde noch etwas breiter; wie beiläufig legte er ihr eine Hand auf den Unterarm, „Du schimpfst nur über Dinge, die du magst...“ „Ich – hasse – es!“ Sie zog ihren Arm beiseite. „Komm mir nicht so, mein Lieber!“, zischte sie, „Oh nein, diesmal nicht! Diesmal bin ich fest gewillt, zu tun, was Megatron verlangt! Diesmal lass’ ich mich von dir nicht in die Scheiße ziehen, diesmal musst du selbst sehen, wie du da wieder rauskommst!“ Starscream legte den Kopf schief. „Hättest du mich dann nicht schon erschießen müssen, als du reingekommen bist?“ Sie gab ein leises Grollen von sich; ihre Finger umklammerten die frische Zigarette in ihrer Hand so fest, dass diese zerbröselte. Mit einem Knurren ließ sie die Reste fallen. „Wie auch immer, ich schenk’s dir, du kannst es haben, nur schaff es mir vom Hals, lass dich meinetwegen von ihm mit Papa ansprechen oder-“ Starscreams Mundwinkel zuckten. „Nennt es dich schon Mami?“ „Halt’s Maul!“ Starscream richtete sich wieder etwas auf; sie packte ihn am Kragen und drückte ihn wieder nach unten. „So nicht.“, knurrte sie, „Noch bin ich nicht fertig mit dir!“ Starscream blieb erwartungsvoll liegen. Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Schau mich nicht so an.“, grollte sie und zog die nächste Zigarette hervor. Starscream legte den Kopf schief. „Bist du nur hier, weil Megatron gesagt hat, dass du mich umbringen sollst?“ „Ich bin hier, um dir wieder mal den Arsch zu retten.“, knurrte sie, „Kannst du eigentlich irgendwas alleine, hm?“ „Mich in Schwierigkeiten bringen.“ „Kannst du laut sagen.“ Sie blies eine weitere Rauchwolke in die Luft. „Na gut, lass uns von hier verschwinden.“ Starscreams Mundwinkel zuckten schwach. „Das geht nicht.“ Ihre Augen wurden schmal, als sie ihn ansah. „Warum nicht?“, fragte sie scharf, „Hatte Megatron Recht, als er gesagt hat, du seiest übergelaufen?“ „Nein.“ Starscream setzte sich wieder auf; diesmal beförderte sie ihn nicht zurück. „Also – in gewisser Weise-“ „In gewisser Weise?!“ Einen Augenblick herrschte Stille; sie blies stumm den Zigarettenrauch in die Luft. „Du kannst dich auch nicht entscheiden, was?“, knurrte sie schließlich. „Gib Gas, gib Gas!“ Mudflap fiel fast vom Stuhl bei dem Versuch, seinem Bruder über die Schulter zu schauen. „Na los, zieh rüber!“ Zu spät; das verpixelte Auto auf dem Bildschirm war bereits von der Spur abgekommen und eine Staubwolke erhob sich. Game over blinkte in großen, neongelben Buchstaben auf dem Bildschirm auf. Stöhnend, als habe ihn ein Plasmageschoss getroffen, sackte Mudflap zurück auf den Sitz. „Mann, Alter, du hast uns voll zerschrottet!“ „Selber zerschrottet! Du lenkst mich ab!“ Eine gelbe Lampe, die am unteren Rand des Bildschirms zu blinken begonnen hatte, erregte Skids Aufmerksamkeit. „Was’n das?“ „Weiß ich doch nicht.“, nölte Mudflap, „Mach das Spiel wieder an!“ „Warte, warte!“ Skid begann, hastig auf der Tastatur herum zu hämmern. Der Spielbildschirm verschwand und wich einer Überwachungsaufnahme aus dem Arresttrakt. „Scheiße! Hol mal die Boss-Bots her, schnell!“ „Mir ist langweilig.“ Das kleine Mädchen reckte sich auf dem Sitz, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. „Wann kommt sie wieder?“ „Kannst du mal für ’ne Sekunde die Klappe halten?“, grollte das Radio. „Ich hab’ Hunger.“ „Halt’s Maul.“ Eine Weile herrschte Stille. Das Mädchen wippte auf dem Beifahrersitz hin und her. „Hör auf damit!“, bellte das Radio. Sie hielt still. Nach einer Weile fing sie wieder an, zu wippen. „Warum braucht sie so lange?“ „Macht ihren Job gründlich. Nimm dir ein Bei- ach, verdammt, halt die Klappe!“ Einen Finger im Mund, legte die Kleine den Kopf schief. Langsam, ganz langsam reckte sie sich nach der Schachtel Zigaretten auf dem Armaturenbrett. „Das würde ich lassen, wenn ich du wäre.“, knurrte das Radio. Die Kleine grinste. „Warum?“ Im selben Augenblick schrillte eine Alarmsirene quer über das Gelände. Das Mädchen zuckte zusammen, unwillkürlich drückte sie sich dichter in den Sitz. „Sixshot?“, wisperte sie, „Was ist los?“ Kapitel 23: Dreiundzwanzig -------------------------- „Domino Steward.“ Sichtlich gelangweilt räkelte sich die junge Frau auf dem Metallstuhl. „Geboren am 9. April 1985.“ Sideswipe seufzte leise, trug das jedoch folgsam ein. „Okay. Jetzt die anderen Daten.“ „Andere?“ Ihre Miene war so unschuldig, dass Sideswipe es ihr beinahe abgekauft hätte. „Wovon bitte reden Sie?“ Sideswipes Blick wanderte kurz auf den Tisch hinunter, wo das gesammelte Waffenarsenal der jungen Frau ausgebreitet lag. Und zwei Schachteln Zigaretten, die sie die ganze Zeit über bereits nervös fixierte. „Dein Name.“, wiederholte Sideswipe mit stählerner Ruhe, „Dein Alter. Deine Position bei den Decepticons.“ „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.“ Sie lehnte sich zurück. „He, kann ich ’ne Zigarette haben?“ „Setz dich.“ Starscream musterte Ratchet noch argwöhnischer als sonst, gehorchte jedoch. „Was macht deine Schulter?“ Starscream antwortete nicht, knöpfte nur widerstandslos mit der unverletzten Hand sein Hemd auf und streifte es ab, um Ratchet die Untersuchung zu ermöglichen. Ratchet warf den beiden Wachen einen Blick zu. „Würden Sie uns allein lassen?“ Die beiden wirkten nicht sehr erfreut, gehorchten jedoch. Ratchet machte sich daran, Starscreams Schulter zu verarzten. „Also“, sagte er nach einer Weile ruhig, „wer ist sie?“ Starscream lächelte, doch es wirkte nur halb so selbstsicher wie sonst. „Wer?“, fragte er unschuldig. „Hier drin herrscht Rauchverbot.“, erklärte Sideswipe knapp. Die junge Frau verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, sagte jedoch nichts. Sideswipe atmete tief durch. „Was hast du unten bei Starscream gemacht?“ Die Augenbrauen der jungen Frau wanderten in die Höhe. „Wer ist Starscream?“ „Der Mann, in dessen Zelle du gewesen bist.“, antwortete Sideswipe mit stoischer Ruhe. „Meinen Informationen nach handelt es sich dabei um Stuart Byrne.“, entgegnete sie scharf. Sideswipe hätte um ein Haar die Augen verdreht. „Wie auch immer, was hast du nachts um drei in seiner Zelle verloren?“ „Ich bin Lieutenant und will auf das vorbereitet sein, was mich hier erwartet.“, antwortete sie kühl. „Und es ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass es möglicherweise verboten sein könnte, nachts um drei mit einem Gefangenen der höchsten Sicherheitsstufe eine zu rauchen. Oder auch eine halbe Schachtel.“ Sie grinste nur und antwortete nicht. „Ich nehme mal an, sie ist ein Decepticon.“, überlegte Ratchet laut, während er den Verband an Starscreams Schulter erneuerte, „Alles andere wäre verdammt unlogisch, nach dem, was auf den Überwachungsvideos in deiner Zelle zu sehen war; mir ist nämlich nicht bekannt, dass Sixshot noch eine Schwester bei den Autobots hat... wenn es der Sixshot ist, um den es sich handelt, aber davon bin ich überzeugt. So einen gibt’s kein zweites Mal.“ Starscreams Lippen wurden schmal, doch er sagte kein Wort. „Und er hat nur eine Decepticonschwester.“, fuhr er fort, „Deren Name ist Firestorm.“ Er hielt inne und sah auf Starscream hinab. „Allerdings hab’ ich noch nie gehört, dass die blindlings zur Rettung eines Artgenossen herbeigeeilt wäre... oder überhaupt zur Rettung von irgendwem.“ Noch immer antwortete Starscream hielt, hielt den Blick stur gesenkt. Ratchet legte den Kopf schief, sagte jedoch nichts, sondern fuhr damit fort, den Verband zu befestigen. „Also, weißt du, ich hab’ zwar keine Ahnung, was genau zwischen euch beiden läuft, aber...“ „Wo ist sie?“ Starscreams Stimme war heiser vor unterdrücktem Zorn; ein wenig verdutzt sah Ratchet ihn an. „Sideswipe redet mit ihr-“ „Wenn er ihr nur ein Haar krümmt-“ „Haben wir nicht nur dich auf dem Hals, sondern auch Sixshot, und das will keiner, glaube ich.“ Ratchet ließ ihn vollständig los und nahm ihm gegenüber Platz. „Wie wär’s, wenn du mir erzählst, was ihr zwei hier spielt, mmh? Das macht es für uns alle einfacher, schätze ich.“ Starscreams Blick war immer noch eisig, doch in die Mischung aus Hass und Zorn mischte sich noch etwas anderes, etwas, von dem es eine Weile dauerte, bis Ratchet es erkannt hatte. Dann allerdings wurde ihm klar, dass er genau den richtigen Punkt erwischt hatte. Es war blanke Angst. „Du bleibst hier.“ Das Mädchen zitterte vor Angst, sie rührte sich nicht. „Steig aus.“, sagte Sixshot scharf. Noch immer regte sie sich nicht, schluchzte nur vor sich hin. Sixshot stöhnte. Er transformierte einen Arm, packte die Kleine und setzte sie außerhalb des Wagens ab. Anschließend transformierte er sich vollständig und in seine menschliche Gestalt. „Jetzt komm schon, hör auf, zu flennen.“ Sie schniefte tapfer. Sixshot seufzte und ließ sich vor ihr auf ein Knie sinken. „Schon besser.“ Er wischte ihr das Gesicht ab. „Und jetzt warte hier, klar?“ Die in Tränen schwimmenden blauen Kulleraugen hätten jedem anderen den Spark gebrochen. Sixshot gab ein leises Grollen von sich. „Dann komm halt mit.“, knurrte er, „Auf deine Verantwortung!“ Sideswipe hatte sich samt der Waffensammlung seiner Gefangenen in das abgedunkelte Nebenzimmer zurückgezogen und grübelte gerade über seine weitere Vorgehensweise, als Ratchet den Raum betrat. „Sideswipe...?“ Der Autobot sah auf. Erstaunt bemerkte er, dass Starscream, wie üblich in Handschellen und flankiert von zwei Soldaten, Ratchet begleitet hatte. Der Blick des Decepticons flackerte kurz zu der jungen Frau hinter der abgedunkelten Scheibe hinüber, die sichtlich gelangweilt auf dem Metallstuhl herumrutschte. „Wie geht es ihr?“ Die Stimme des Decepticons klang gepresst; fragend sah Sideswipe zu Ratchet. Dieser hob nur die Augenbrauen. „Soweit gut.“, antwortete Sideswipe langsam, „Was...“ „Ich will mit ihr sprechen.“ Starscreams Stimme klang drängend, fast flehentlich. „Sofort.“ „Jetzt nicht.“ Ratchet legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du warst früher selbst ein Autobot, Starscream.“, sagte er leise, „Wir neigen nicht dazu, Gefangene während des Verhörs zusammen zu schlagen. Wenn Sideswipe sagt, dass es ihr gut geht, dann wird das stimmen.“ Starscream presste die Lippen zusammen; offenbar glaubte er Ratchet nicht ein Wort. Sideswipe hätte beinahe die Augen verdreht. „Ratchet, was soll das? Der kann uns hier auch nicht weiterhelfen-“ „Ihr Name ist Firestorm.“, sagte Starscream scharf. Sideswipe hob eine Augenbraue. „Die Firestorm-“ „Megatron hat sie bezahlt, um mich zu töten, aber ich versichere euch, dass sie weder für euch noch für mich eine Gefahr ist. Sie hasst die Decepticons.“ „Warum hat Megatron sie dann engagiert?“ „Weil sie sehr gut im Tarnen und Täuschen ist, abgesehen davon ist Megatron ein Idiot!“, blaffte Starscream, „Jetzt lasst sie verdammt noch mal gehen, sie hat euch nichts getan!“ Sideswipe und Ratchet tauschten einen kurzen Blick, bevor Sideswipe mit unbewegter Miene wieder nach drinnen trat. „Firestorm.“ Sie musterte ihn unter einer hochgezogenen Augenbraue, sagte jedoch nichts. „Dein Name ist Firestorm.“, wiederholte Sideswipe, „Du wurdest hergebracht, um Starscream zu töten, aber du hast nicht vor, das auszuführen. Richtig?“ Sie schnaubte. „Wer hat Ihnen das erzählt? Er?“ Sideswipes Blick sagte alles; sie verdrehte die Augen. „Jetzt werd’ ich ihn wirklich umbringen.“ Sideswipe lehnte sich zurück. „Kannst du mir verraten, was ich jetzt mit dir anfangen soll, Firestorm?“ Sie lächelte zuckersüß. „Gib mir meinen Kram zurück und lass mich gehen.“ Sideswipe verdrehte die Augen. „Das hättest du wohl gern.“ Sie grollte leise. „Dann gib’ mir wenigstens meine verdammten Kippen zurück!“, zischte sie. Sideswipes Augenbrauen zuckten. „Hat Megatron dich hergeschickt?“ „Kippen!“ „Auskünfte.“ „Du weißt doch schon alles, gib’ mir die Zigaretten!“ „Ein bisschen Entgegenkommen könnte dir nicht schaden.“ In ihren Augen blitzte es gefährlich rot auf. „Decepticon, schon vergessen?“, zischte sie, „Entgegenkommen ist nicht so mein Ding!“ Sideswipe seufzte leise, aktivierte jedoch sein Funkgerät. „Ratchet, bitte bring sie in einer der Zellen unter.“, sagte er leise, „Ich glaube, wir sind für heute Nacht hier fertig.“ Kapitel 24: Vierundzwanzig -------------------------- „Ich beginne, zu verstehen, warum Megatron die Schnauze voll von dir hatte.“ Starscream lächelte müde, sagte jedoch nichts. Firestorm, die bisher nervös auf und ab gegangen war, nahm neben ihm auf der Liege Platz, rutschte mit dem Rücken zur Wand und zog ein Knie an die Brust. Starscream musterte sie eine Weile lang, dann rutschte er neben sie, legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie sanft ein wenig an sich. Wie selbstverständlich lehnte sie die Wange an seinen Oberarm. „Du bist ein Idiot.“, knurrte sie, regte sich jedoch nicht, „Du hast alles versaut, klar? Die hätten mich laufen lassen!“ „Die hätten dich in irgendein Fleischlingsgefängnis gebracht.“, antwortete Starscream ruhig. „Die hätten sich schwer gewundert, wenn sie das getan hätten.“, knurrte Firestorm. Sie räkelte sich ein wenig und rutschte etwas tiefer, schloss die Augen. „Sixshot macht ihnen die Hölle heiß.“ Starscream lehnte den Hinterkopf gegen die Wand. „Der Sparkling, von dem du gesprochen hast.“, sagte er leise, „Ist er gesund?“ Firestorm zuckte die Schultern. „Es ist ’ne sie. Sie nervt. Hat mich vollgeschleimt.“ Starscreams Mundwinkel zuckten. „Das hätte ich gerne gesehen.“ Sie boxte ihm gegen die Rippen; Starscream verzog das Gesicht. „Hättest du nicht.“, grollte sie, „Das war definitiv das abartigste, was ich jemals-“ „Du magst sie.“ Firestorm verdrehte die Augen und vergrub das Gesicht in seinem Hemd. „Halt’s Maul.“, murmelte sie von da. Starscream lachte leise; sie konnte seinen Brustkorb vibrieren spüren. Eine Weile herrschte Schweigen; sie hatte sich wieder ein wenig aufgerichtet, ihr Blick glitt schweigend über die Verletzung an seiner Schulter, über sein Gesicht und über die Kratzer und Schrammen an seinen Armen. „War das alles Megatron?“, fragte sie schließlich ruhig. „Das meiste waren die Überreste vom Staudamm.“ Starscream grinste müde. „Der Rest war Soundwave.“ Sie lehnte den Kopf wieder an seine Schulter. „Noch jemand auf meiner Abschussliste.“, murmelte sie. „Eher auf meiner.“, antwortete Starscream ruhig, „Das mach’ ich schon selbst.“ Sie zog eine Augenbraue hoch und musterte ihn. „Du kannst ja nicht mal auf dich selbst aufpassen.“ Einen Augenblick lang erwiderte Starscream ihren Blick, dann musste er lachen, so heftig, dass er beinahe von der Liege gerutscht wäre. Firestorm beobachtete ihn verdutzt, ihre Finger nestelten unruhig am unteren Saum ihres Shirts, sie kaute ein wenig nervös auf ihrer Unterlippe herum – ein Ersatz für ihre geliebten Zigaretten. „Sprung in der Festplatte?“ Starscream grinste noch immer, als er sich neben ihr an die Wand lehnte, und sie musterte. Firestorm hob eine Augenbraue. „Was?“ Starscream seufzte leise und beugte sich ein wenig vor, nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie auf die Stirn. „Ich hab’ dich auch vermisst.“ Sie verdrehte die Augen, ließ sich jedoch wieder nach vorne sinken und fiel mit der Stirn gegen seinen Oberkörper. „Du bist nicht kein Idiot.“ „Ich weiß.“ Starscream grinste, legte den unverletzten Arm um sie und drückte sie ein wenig an sich. „Du hast wieder mal Scheiße gebaut.“ Starscream legte die Wange an ihren Scheitel. „Ich weiß.“, wiederholte er. Sie grummelte etwas leises, unverständliches. „Sixshot wird dir dafür eine reinhauen.“ Starscream grinste. „Droht er mir doch eh dauernd an.“ Sie schnaubte, doch sie legte ihrerseits die Arme um ihn. „Du hast gesagt, du bist der Stratege von uns beiden, also lass dir gefälligst was einfallen, wie wir hier wieder rauskommen, klar?“ „Siehst du das hier?“ Ein schmutziger, wohl ehemals weißer Stofffetzen wurde unter Sideswipes Nase geschwenkt. Offenbar ließ ihm heute Nacht wohl niemand seine Ruhe. „Das ist ’ne weiße Fahne!“ Der muskulöse Soldat, der sich vor Sideswipe aufgebaut hatte, stopfte den Fetzen wieder weg. Ein kleines Mädchen mit einem wuscheligen blonden Schopf spähte hinter seinem Bein hervor. Zum x-ten Mal in dieser Nacht wanderten Sideswipes Augenbrauen in die Höhe. „Wer zum Teufel sind Sie?!“, knurrte er – nach der Eskapade im Verhörraum hatte er nicht mehr den Nerv für langwieriges Herumgerede. Noch während er die Frage aussprach, wurde ihm jedoch klar, woher er diesen Tonfall und die dazugehörige Art kannte. „Sixshot?!“ Fragend legte der Mann den Kopf schief, und für einen Augenblick war Sideswipe sich sicher, dass er sich getäuscht hatte, doch dann fiel bei seinem Gegenüber der Groschen, und er grinste. „Sideswipe!“ Er schlug in die ihm dargebotene Hand ein. „Mann, du lebst ja noch!“ „Ich bin halt gut.“, grinste Sideswipe. Er nickte den Twins, die sie beide von ihrem Überwachungsraum zwei Stockwerke höher nervös begutachteten, kurz zu, und machte einen Schritt beiseite, um Sixshot ins Gebäude zu lassen. „Und ich sehe, du bist auch in ganz annehmbarer Verfassung.“, fuhr Sideswipe fort, „Wer ist deine kleine Begleiterin...?“ Sixshot verdrehte die Augen, als das kleine Mädchen schüchtern winkte. „Lightbringer. Sie nervt.“ „Ein Sparkling?“ Sideswipe hob eine Augenbraue. „Von Megatrons Versteck?“ „Firestorm hat sie – wo ist Firestorm?“ Sixshots Stimme war bei der Erwähnung seiner Schwester schlagartig ernst geworden. „Wenn sie verletzt ist, ich schwör’ dir, ich-“ Abwehrend hob Sideswipe die Hände. „Es geht ihr gut, ’kay? Ich hab’ sie verhört, sie hat mich fast in den Wahnsinn getrieben…“ Hinter Sixshots Iris’ blitzte es gefährlich decepticon-rot auf, doch seine Mundwinkel zuckten. „Das heißt, es geht ihr gut. Wo ist sie? Ich bin nur hier, um sie hier rauszuholen, dann verschwinden wir.“ „Ich fürchte, das geht nicht so einfach.“ Sixshot zog die Augenbrauen zusammen. „Wieso nicht?“, knurrte er. „Sie hat versucht, ’nen Hochsicherheitsgefangenen zu befreien, okay? Wir können sie nicht einfach so laufen lassen.“ Sideswipe musterte seinen Zwischenzeitlich-mal-Kampfgefährten. „Ich meine, sie ist ’ne Decepticon, die einen ihrer Verbündeten retten wollte…“ Sixshot schnaubte. „Verbündeten, hat sie das gesagt?“ Sideswipes Mundwinkel zuckten. „Na ja, soweit uns das bekannt ist, sind die beiden ein bisschen mehr als Verbündete.“ „Kann man wohl sagen.“ Sixshot presste die Lippen zusammen; offenbar war er mit diesem Umstand alles andere als glücklich. „Dir ist hoffentlich klar, dass allein die Anwesenheit von Autobots mich davon abgehalten hat, diesen verdammten Stützpunkt hier dem Erdboden klar zu machen.“, sagte er leise, aber mit Nachdruck, und Sideswipe zweifelte nicht daran, dass das keine leere Drohung war, „Aber wenn meiner Schwester nur ein Haar gekrümmt wird, dann mach’ ich euch fertig, Side. Du bist ’n guter Soldat, und du hast ’ne Menge Sachen auf dem Kasten für’n Bot, aber ich lass’ meine Schwester nicht noch mal in irgendeinem Kerker verrotten, klar?“ „Wird auch nicht nötig sein.“ Sideswipes Grinsen wirkte ein wenig verrutscht. „Aber das kann ich nicht entscheiden, das muss Optimus nehmen – wenn er wieder auf dem Damm ist.“ Sixshot zog eine Augenbraue hoch. „Was hat er denn, euer Lieblingsanführer?“ „Megatron hat ihn ziemlich übel zugerichtet.“ Sideswipe verzog das Gesicht. „Ratchet hat ihn immer noch auf der Krankenstation, aber er meint, der wird schon wieder.“ „Schaff sie auf der Stelle aus der Zelle raus irgendwo anders hin.“ „Sie ist genauso ’ne Hochsicherheitsgefangene wie Starscream-“ „Sideswipe!“ Sixshots Stimme klang scharf wie eine Energonklinge. „Dann red eben mit demjenigen, der die Verantwortung dafür hat, klar? Sie verlässt sich darauf, dass ich sie da raushole, und nichts anderes beabsichtige ich zu tun!“ Sideswipe seufzte leise. „Schon gut, schon gut… ich werd’ Ironhide fragen…“ Er warf dem Sparkling einen Blick zu. „Wie wär’s, wenn du deinem Schützling inzwischen was zu essen besorgst, mmh? Sieht hungrig aus.“ Kapitel 25: Fünfundzwanzig -------------------------- 5. Oktober. „Was machen deine Optics?“ Besorgt musterte Arcee ihren Waffengefährten. Prowl blinzelte schwach ins Nichts. Im Verlauf der Nacht waren seine Optics links ausgefallen und rechts flackerte es nur noch schwach. Er brauchte Ratchet, und zwar schleunigst. „Geht.“ Seine Stimmprozessoren klangen verzerrt. „Du könntest dich transformieren, deine menschliche Gestalt würde die Verletzungen sicher nicht verschlimmern.“, schlug Arcee vor. Prowl gab ein blechernes Geräusch von sich. „Als Mensch wäre ich genauso blind, vielleicht noch schlimmeres.“ Lena, die sie beide bisher stumm beobachtet hatte, löste sich von ihrem Beschützer und kam vorsichtig ein wenig näher. „Megatron hat gesagt, er braucht mich, weil ich irgendeine Energie produzieren soll, die jemanden namens Fallen wiederherstellt...“, sagte sie leise, „Ich hab’ zwar nicht den leisesten Schimmer, wie das gehen soll, aber könnte man das nicht auch auf Ihren Freund anwenden...?“ Arcee warf ihr einen kurzen Blick zu – zwar war sie keine allzu große Bot, doch sie überragte sie trotzdem um mindestens zwei Köpfe. Sie transformierte sich und die Dunkelheit traf sie wie eine Ohrfeige; Menschenaugen waren so verdammt schlecht. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder begriffen hatte, wo oben und unten war, und es dauerte noch wesentlich länger, bis sie die Panik, die sie nach wie vor in dunklen, engen Räumen durch alle Knochen ziehen spürte, unterdrückt hatte. „Wenn du nicht weißt, wie das gehen soll, kannst du ihm schlecht helfen, oder?“, sagte sie ruhig. Leo, dessen Augen sich offensichtlich bereits an die Dunkelheit gewöhnt hatten, musterte sie und stieß in seiner Ecke einen kleinen, bewundernden Pfiff aus. „Wow. Nimmst du mich mal mit?“ Am liebsten hätte Arcee ihn getreten; sie verdrehte allerdings nur die Augen und wandte sich wieder dem Mädchen zu. „Trotzdem ist es eine gute Idee, Kleine.“, fuhr sie leise fort, „Optimus hat mal gesagt, deine Kräfte müssen erst geweckt werden oder sowas... du hast nicht zufällig irgendeine Ahnung, was er damit meinte?“ Lena presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Unten im Gefangenentrakt schlug Firestorm die Augen auf. Hinter der dunklen, fast welltallschwarzen Iris schimmerte es kaum merklich dunkelrot, als die Söldnerin die Umgebung sondierte. Noch immer lag sie vollkommen still da, kein Muskel gespannt, um den Mann nicht zu wecken, der hinter ihr auf der Liege in einen unruhigen Schlaf versunken war, einen Arm um ihre Hüfte gelegt und sie fest an sich gedrückt; dennoch schien ihr Körper zum Bersten gefüllt mit ruhiger, aber scharfer Wachsamkeit. Langsam schloss sie die Augen wieder, allerdings nicht ganz; aus dem schmalen Spalt zwischen ihren Lidern glomm es nach wie vor decepticonrot. Sie hasste es, eingesperrt zu sein. Sie wollte schleunigst von hier verschwinden, diesen Planeten verlassen und nie wieder zurückkehren. Genau genommen wollte sie schleunigst zurück zu Sixshot, auch wenn das bedeutete, dass das kleine Ding wieder an ihr kleben würde. Starscream regte sich leicht; sein Griff um sie wurde kaum merklich fester, als sich die Muskeln an seinem Unterarm spannten. Behutsam legte sie einen Arm über seinen, streichelte vorsichtig sein Handgelenk mit dem Daumen. Sie verschränkte ihre Finger mit den seinen und drückte seine Hand sachte. Argwöhnisch scannten ihre Sensoren die Umgebung, so weit sie konnte. Diese Bande von Insekten hatte offensichtlich dafür gesorgt, dass ihre Zellen abgeschirmt waren. Sie atmete tief durch und unterdrückte die Panik, die in ihr aufstieg. Im Schatten glaubte sie, jeden Augenblick rote Optics aufblitzen zu sehen; metallene Krallen reckten sich nach ihr. Unwillkürlich presste sie sich dichter an Starscream. Seine Atemzüge waren immer noch ruhig; behutsam glitten seine Finger über ihren Rücken. Sie schloss die Augen wieder. Eine Weile noch zögerte sie, doch dann drehte sie sich zu ihm um, schlang die Arme um ihn und legte den Kopf an seine Schulter. "Sixshot.", sagte Optimus vorsichtig. Der Decepticon, der sich an seinem Bett augebaut hatte, wirkte alles andere als erfreut. Optimus war beileibe kein Feigling, aber er war auch nicht blöd. Sein Blick wanderte zu Sideswipe und Ironhide, die sich in der Nähe der Tür herumdrückten. "Du wirst meine Schwester auf der Stelle gehen lassen!", kommandierte Sixshot. Optimus' Augenbraue zuckte. "Firestorm?" Erneut flackerte sein Blick zu Ironhide. "Firestorm ist hier? Warum, um Himmels Willen?" "Sie hat sich eingeschlichen und versucht, einen Gefangenen zu befreien.", antwortete Ironhide steif, "Sie wurde erwischt und wieder unter Arrest gestellt, Sir." Sixshot grollte leise. "Und du wirst sie auf der Stelle-" "Kaffee, Six?" Sideswipe packte den Arm des Söldners und versuchte, ihn Richtung Tür zu bugsieren. "Schieb dir deinen Kaffee in den Arsch, du Vollidiot!", brüllte Sixshot, riss sich los und fixierte Optimus wütend, "Ich will zu meiner Schwester, und zwar auf der Stelle!" Optimus tat sein Bestes, um geradeaus zu denken. "Warum zum Teufel ist sie hier?" "Weil deine Wachhunde sie eingesperrt haben!" "Auf diesem Stützpunkt, verdammt!" Langsam verlor Optimus die Geduld; die letzten Tage und die Sorge um Lena zehrten an seinen Nerven. Und es kam verdammt selten vor, dass er ausrastete. "Weil sie diesen Idioten retten will, in den sie sich verguckt hat!", zischte Sixshot. Optimus' Blick wanderte zu seinen beiden Soldaten zurück, die offenbar gerade Boden, Decke und Wände wesentlich interessanter fanden als ihn selbst. "Ihr habt... Starscream... hierher mitgeschleppt und niemand hält es für nötig, mich zu informieren?!" "Nimm's mir nicht übel, Optimus, aber du bist gerade nicht in Topform.", murmelte Ironhide mit einem schwachen Lächeln. Ohne die beiden eines weiteren Blickes zu würdigen, rutschte Optimus vollständig aus dem Bett. Für Sekundenbruchteile zuckten dunkle Blitze vor seinen Augen; er stützte sich am Fensterbrett ab, bis er sich sicher war, dass seine Beine ihn trugen. "Ich will mit ihm reden, und mit Firestorm auch. Auf der Stelle." Kapitel 26: Sechsundzwanzig --------------------------- "Ich will meine Kippen zurück.", knurrte Firestorm, "Und mein Geld. Sofort." Sie nestelte am Saum ihres Hemdes herum. "Sogar beim FBI darf man nebeher rauchen, verdammt!" Optimus' Augenbrauen zuckten flüchtig, doch er schob ihr die Schachtel über den Tisch. Gierig griff Firestorm danach, ließ ihr Feuerzeug aufschnappen und klammerte sich wenig später ausgehungert an die Zigarette, um Rauchwolken in die Luft zu blasen. Sie lehnte sich zurück und fixierte Optimus. "Siehst ganz schön mitgenommen aus." Optimus' Mundwinkel zuckten, doch er antwortete nichts darauf. "Was hast du hier verloren?" Sie schnaubte. "Diesem Vollidioten den Arsch retten; kann ich jetzt gehen?" "Ich fürchte nicht." Optimus' Stimme klang noch immer ruhig und besonnen. "Ich kann es nicht einfach ignorieren, wenn zwei Decepticons locker auf unseren Stützpunkt marschieren." Ihre Augenbraue zuckte, doch sie sagte nichts, zündete sich nur eine weitere Zigarette an. "Okay.", sagte sie schließlich ruhig, "Der übliche Tarif liegt bei zwanzigtausend. Fünfzig, weil ihr Autobots seid, und 'ne Gefahrenzulage, weil Megatron nicht erfreut sein wird, das macht insgesamt siebzigtausend." Jetzt waren es Optimus' Augenbrauen, die zuckten. "Was soll das heißen?" "Eure moralische Nummer geht mir auf den Geist.", verkündete Firestorm, "Ich entscheide, welche Aufträge ich ausführe, und ihr lasst die Finger von mir, Sixshot und... diesem Vollidioten." Optimus kam nicht umhin, die junge Frau zu bewundern. Trotz ihrer relativ aussichtslosen Situation verhandelte sie immer noch; sie war offensichtlich nicht nur mutig (mit einem gehörigen Schuss Unverfrorenheit), sondern auch noch verdammt geschäftstüchtig. "Fünzigtausend.", antwortete Optimus ruhig. Firestorm schnippte die Zigarettenasche beiseite und schnaubte leise. "Fünfundsechzig. Ich muss 'nen Bruder und 'nen Sparkling durchfüttern. Von diesem Idioten ganz zu schweigen." "Achtundfünfzig. Wie bist du an diesen Idioten geraten, wenn ich fragen darf?" Sie lächelte und blies ihm den Rauch um die Nase. "Darfst du nicht. Dreiundsechzig." "Neunundfünfzig... und der Sparkling?" "Zweiundsechzigfünf. Den könnt ihr behalten, ich will das Ding nicht haben." "Sechzigfünf. Ist Sixshot im Preis mit drin?" "Musst du ihn fragen." Sie lehnte sich zurück und drückte die Zigarette auf dem Tisch aus. "Sechzigacht." "Akzeptiert." Optimus beobachtete sie ein wenig nachdenklich. "Ich erwarte deinen Vertrag spätestens übermorgen.", sagte er ruhig, "In der Zwischenzeit..." "Starscream ist im Vertrag inbegriffen!", fiel sie ihm scharf ins Wort, "Wenn irgendwer Hand an ihn legt, dann spreng ich euch den Laden hier in die Luft, darauf kannst du dich verlassen!" "Was genau läuft da zwischen Firestorm und dir?" Starscreams Augenbrauen zuckten. "Meine Güte, Prime, wenn du das noch nicht 'rausgefunden hast, dann kann ich dir auch nicht weiterhelfen." Womit Optimus seine Vermutung endgültig bestätigt sah. "Sie will für uns arbeiten, unter der Bedingung, dass deine Sicherheit gewährleistet ist." Starscream schnaubte belustigt. "Wieviel hat sie dir aus der Tasche geleiert?" "Frag sie doch selbst." Optimus tippte mit den Fingern auf der Tischplatte. "Erzähl mir von den Sparklingen." Mit verschränkten Armen und nachdenklicher Miene stand Firestorm hinter der abgedunkelten Scheibe und ließ Starscream und Optimus nicht aus den Augen. Sideswipe und Sixshot hatten hinter ihr einander gegenüber Platz genommen, jeder von ihnen eine Miene im Gesicht, als stünde die Apokalypse kurz bevor. Zwischen ihnen ruhte auf einer Serviette ein Donut... mit Schokoglasur. Firestorm verdrehte die Augen, sagte jedoch nichts dazu. Ihr Augenmerk galt dem schlanken dunkelhaarigen Mann, der Optimus Prime gegenübersaß. Die beiden hatten zwar keinen Donut, um den sie ein stummes Blickduell austragen konnten, aber Primes Miene wurde ähnlich düster, während Starscream folgsam von den Sparklingen Bericht erstattete. "Sixshot?" "Nicht jetzt.", knurrte ihr Bruder aus dem Mundwinkel. Sie drehte sich um. Nachdenklich beobachtete sie die Szene eine Weile lang. Langsam trat sie zu ihrem Bruder hinüber. Wie in Zeitlupe beugte sie sich vor, bis ihre Lippen dicht neben seinem Ohr angekommen waren. Mit aller Kraft blies sie ihm in die Ohrmuschel. Sixshot schrak so heftig zusammen, dass er um ein Haar vom Stuhl fiel; natürlich unterbrach er dabei den Blickkontakt, und Sideswipe schnappte sich breit grinsend den hart umkämpften Donut. "Was soll der Scheiß, Fire?!" Halb beleidigt, halb wütend richtete Sixshot sich wieder auf. "Ich hatte ihn fast!" "Wo ist der Sparkling?", fragte Firestorm mit einem freundlichen Lächeln. "Bumblebee kümmert sich um ihn.", murrte Sixshot. Beleidigt rieb er sich das Ohr. "Mach das nicht nochmal, klar?" Firestorm grinste nur; sie schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen. "Hier drin herrscht Rauchverbot!", mahnte Sideswipe dumpf durch den Donut hindurch. Firestorm lächelte und ließ ihr Feuerzeug aufschnappen. Argwöhnisch beäugte Ironhide das kleine Wesen, was zufrieden mit den Beinen baumelnd auf seinem Schreibtischstuhl saß und seine beiden neuen besten Freunde anstrahlte. Bumblebee strahlte natürlich zurück; ihm selbst war der Sparkling mehr als unheimlich. Kleine Kinder machten ihm für gewöhnlich klebrige Fingerabdrücke auf den Lack; schon Lena hatte er damals nur mit Müh und Not ertragen... "Wie heißt du, Kleines?", fragte Bumblebee. Zum ersten Mal seit Tagen wirkte die junge Bot wieder gut gelaunt; offenbar hatte der Sparkling einen guten Einfluss auf sie. Na immerhin... "Lightbringer!", verkündete die kleine Nervensäge stolz. Sie sah sich im Zimmer um. "Wo ist Mama?" Bumblebee und Ironhide tauschten einen irritierten Blick. "Wer ist denn deine Mama?", fragte Bee schließlich freundlich, löste sich von Ironhide und trat auf die Kleine zu. "Firestorm.", verkündete das Mädchen, "Sixshot hat gesagt, ich seh' ihr ähnlich." Ironhide hob eine Augenbraue. Nun ja, sie hatten beide blonde Haare, soweit er Firestorms menschliche Gestalt zu Gesicht bekommen hatte... allerdings zweifelte er nach allem, was er über die Söldnerin wusste, doch stark daran, dass die einen Sparkling in die Welt setzte. Ganz zu schweigen von der Frage, wer dann bitte sehr der Vater des Mädchens war. "Wer ist dein Vater?", stellte er die Frage laut. Lightbringer legte fragend den Kopf schief. "Dein Vater.", wiederholte Ironhide. Verdammt, warum übernahm Bee das nicht? Oder Optimus? Er war nicht gut mit Kindern! "Der Freund von deiner Mama, herrgott!" Das Mädchen grinste zufrieden. "Starscream natürlich." Einen Augenblick lang starrte Bee das Mädchen verdutzt an, dann begann sie lauthals zu lachen. Ironhides Augenbrauen zuckten. Hm... ob Sixshot schon von seinem Glück wusste? Vielleicht wurden sie den nervtötenden Ex-Ex-Autobot oder was auch immer Starscream gerade war dann los, wenn jemand dem Bruder seiner offensichtlichen Flamme - haha, Wortwitz - eine kleine Information diesbezüglich... neiiin, so durfte er nicht denken. Optimus freute es bestimmt nicht, wenn Sixshot Starscream auf der Stelle erwürgte. ...aber die Versuchung war schon groß, doch. Er warf Bee einen Blick zu. "Ich glaube, ich hol' mir mal 'nen Kaffee..." Bumblebee fixierte ihn argwöhnisch. "He, kein Wort zu Sixshot, klar?" Ironhide verzog bedauernd das Gesicht, verschwand jedoch. Starscream pfiff anerkennend durch die Zähne und sah sich um. "Der Staat sorgt erstaunlich gut für seine Leute, mmh?" Firestorm schloss die Tür des Quartiers und lehnte sich dagegen. "Mhm." Langsam verschränkte sie die Arme vor der Brust und fixierte den Rücken des Mannes vor sich. Starscream drehte sich zu ihr um - und kassierte die nächste Ohrfeige. "Aua." Er verzog das Gesicht. "Wofür war das?" "Ich musste deinetwegen schon wieder im Preis runtergehen." Fragend legte Starscream den Kopf schief. "Okay?" "Gar nichts ist okay!" Sie packte ihn am Revers. "Du bist der größte Idiot, der mir je begegnet ist, verdammt! Die ganze Decepticon-Flotte ist auf der Suche nach dir, weißt du, was die mit uns beiden anstellen, wenn sie uns gefunden haben?!" Starscreams Mundwinkel zuckten schwach. "Nun, ich nehme an, das übliche?" Firestorm verdrehte die Augen. "Ja, verdammt! Und glaub bloß nicht, dass ich dir dann wieder den Arsch rette!" "Ich liebe dich." Sie schlug ihm mit der flachen Hand vor die Brust. "Halt's Maul.", murrte sie und schlang die Arme um ihn. Starscream seufzte leise. Langsam legte er ebenfalls die Arme um sie. "Ich bin aus genau zwei Gründen bei den Decepticons geblieben, Kleines." Sie grub die Fingernägel in sein Hemd. "Ich weiß." "Ich hab' mich ein paar zehntausend Jahre um die Sparklinge gekümmert, ich lass' sie jetzt nicht sterben, Fire." "Weil du ein Idiot bist. Und den zweiten Grund kannst du gleich vergessen; das ist mein Grund, warum ich noch Aufträge für Megatron erfüllt habe." "Ich weiß." Er strich ihr flüchtig über den Rücken; sie sah wieder zu ihm auf, ließ den Blick seinen Oberkörper entlang wandern. "Runter mit dem Hemd.", sagte sie leise, "Ich will deine Schulter sehen." "Ratchet hat drübergeschaut; es ist alles in Ordnung. Na ja, soweit das möglich ist." Sie hob eine Augenbraue; ohne weiteres Einverständnis seinerseits abzuwarten, öffnete sie die Knöpfe seines Hemdes. Langsam glitt ihr Blick erneut über seinen Oberkörper. Über Narben, manche älter, manche frischer. Acht davon, kreisrund, zogen sich wie silbrige Perlen an einer Kette von seiner Schulter bis fast zu seiner gegenüberliegenden Hüfte. Er war nicht so muskulös wie Barricade - war er nie gewesen; die Tage in Haft hatten an ihm gezehrt. Die Autobots behandelten ihre Gefangenen zwar deutlich 'humaner' als die Decepticons, aber ein Fünf-Sterne-Hotel war es trotzdem nicht. Sie schob die Arme um seinen bloßen Oberkörper, legte die Wange an seine Brust und schloss die Augen. Langsam ging die Sonne unter. Letzte Glut tauchte einen heruntergekommenen Militärkomplex im Norden Sibiriens und den darum herum befindlichen Schnee in blutig rotes Licht. Soundwave, der es sich mit seinem PC kurzerhand in der Eingangshalle des Komplexes gleich hinter einer Scheibe aus Sicherheitsglas, die früher wohl einmal Teil eines Pförtnerhauses gewesen war, bequem gemacht hatte, tippte gedankenverloren auf der Tastatur herum und schlürfte Kaffee. Die Kopfhörer hingen wieder lässig in seinem Genick; wenn er Musik brauchte, dann reichte es, wenn er seine Sensoren in irgendeinen örtlichen Radiosender oder einen Privatcomputer einklinkte und er war wunschlos glücklich. Allerdings waren echte Schallwellen natürlich etwas anderes. Dummerweise drohte Barricade noch immer damit, seine Anlage zu Kleinholz zu verarbeiten. Ein Blick auf die Monitore verriet ihm, dass die gefangenen Autobots, das Mädchen und ihr Onkel oder was auch immer der Knilch nun war immer noch in ihrem Verlies auf und ab stolzierten - Prowl stolzierte nicht, der lag folgsam still und Arcee rollte mehr als dass sie lief - und darüber rätselten, wo zum Geier sie sich befanden. An einem Ort jedenfalls, an dem Shockwave, so er denn bei Gelegenheit seine ach-so-tolle Undercovermission für ein paar Tage ruhen lassen konnte, genug Gelegenheit hatte, herauszufinden, wie zum Teufel man das Wissen des AllSparks aus dem Kopf des Fleischlingsmädchens bekam. Schritte waren auf dem Beton zu hören; Soundwave blickte auf, als jemand mit den Fingernägeln gegen seine Scheibe tippte. Er blickte in ein Paar graugrüner Augen unter fein geschwungenen Brauen und langen Wimpern. Lange dunkelbraune Haare flossen auf das Fensterbrett vor der Scheibe hinunter, als der Neuankömmling sich mit einem Ellbogen darauf stützte und lächelte. Sämtliches Blut schoss aus Soundwaves Kopf und beschloss, sich für den heutigen Tag in tiefer gelegenere Regionen zurückzuziehen. Langsam glitt sein Blick über das, was vom Körper der Fremden sichtbar war - es war nicht viel, das meiste wurde von einem dunklen Trenchcoat verdeckt. Obwohl es draußen Minusgrade hatte, trug sie zwar Stiefel, aber weder Handschuhe noch Mütze oder einen Schal. Es wunderte Soundwave nicht; wahrscheinlich lächelte sie den Schnee nur an und der schmolz vor ihr zusammen. Wie von selbst wanderte seine freie Hand ohne Kaffeebecher zum Schalter und die Glasscheibe senkte sich. Sinnliche Lippen lächelten noch ein wenig breiter. "Hallo, Kleiner.", sagte die Fremde mit einer sanften, kehligen Stimme, "Bist du so gut und bringst mich zu dem, der hier das sagen hat?" Kapitel 27: Siebenundzwanzig ---------------------------- "Megatron hat seine Verstecke weltweit.", erklärte Starscream. Angestrengt musterte er das 3-D-Modell des Planeten, das als Hologramm in der Luft schwebte. "Einige sind mir vermutlich nicht bekannt, ich war nicht gerade Megatrons..." Ironhide schnaubte. "Du warst sein Second in Command und willst sagen, du weißt von nichts?" "Ich habe nicht gesagt, dass ich nichts weiß, ich habe gesagt, ich weiß einige Dinge nicht.", antwortete Starscream scharf, "Ich war sein Second in Command, weil er mich im Auge haben wollte, nicht, weil ich sein bester Freund war." "Mach weiter, Starscream.", sagte Optimus ruhig. Ratchet hatte ihn nicht davon überzeugen können, im Bett zu bleiben; der Medi-Bot stand jetzt neben ihm und beobachtete jede Regung seines Chefs mit Argusaugen. Einige Meter entfernt an der Wand lehnet Annabelle, Lennox' Tochter, und beäugte die Versammlung argwöhnisch. Die Ansammlung von Alienrobotern in Menschengestalt war ihr sichtlich mehr als unheimlich. Starscreams Blick wanderte erneut kurz zu Ironhide, während er weitersprach. "Einige Stützpunkte hat er aufgegeben, und wenn wir davon ausgehen, dass er ein international gesuchtes Mädchen nicht in irgendeinem Stadthaus unterbringen kann, dann bleiben uns vier Alternativen." Auf der Holokarte leuchteten rote Punkte auf wie Stecknadeln. "Einer im australischen Outback - den können wir ausschließen; das ist mehr ein Rückzugsort als ein wirklicher Stützpunkt. Das hier sind die Docks von London; da haben wir wieder das Großstadtproblem. Abgesehen davon braucht man ein Boot, um hinzukommen, und der einzige Transformer mit einem derartigen Vehicle Mode, den ich kenne, ist im Augenblick glücklicherweise ein paar Lichtjahre weit weg von hier. Und ich nehme an, ihr stimmt mir zu, wenn ich sage, dass Megatron sich weder eins mieten noch schwimmen wird. Er hat so seine Probleme damit, ins Wasser zu gehen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist." Starscreams Mundwinkel zuckten. "Bleiben noch die beiden hier. Das hier ist Südamerika, im Amazonas-Regenwald, genauer gesagt. Da kommt man schwer hin und demzufolge auch schwer weg, was praktisch ist, wenn Gefangene eventuell fliehen wollen. Und hier oben - das ist ein verlassener Militärstützpunkt im Norden Sibiriens." Starscream sah ein wenig fragend zu Optimus. "Man sollte meinen, dass Megatron Wärme vorzieht, oder?" "Da herrscht ein ziemlich feuchtes Klima.", gab Bumblebee zu bedenken, "Was ist mit Rost?" Starscream grinste müde. "Soweit ich weiß, habt ihr keine Probleme damit, euren Energonnachschub zu gewährleisten, oder?" Die Tasche, die auf einen Stuhl krachte, hörte sich verdammt schwer an, viel zu schwer für eine so schlanke Person. Soundwave spielte mit dem Gedanken, sie ihr abzunehmen. Er streckte die Hand danach aus; ihn traf ein Blitz aus graugrünem Eis und er zog die Hand hastig wieder zurück, weil er nicht das geringste Bedürfnis hegte, sie zu verlieren. Der Blick der Fremden, die seine diversen Fragen nach ihrem Namen bisher ignoriert hatte, wanderte über die versammelte Decepticonriege, die aus insgesamt vier Leuten bestand. Diese lümmelten sich allesamt mehr oder minder motiviert vor dem einzigen Fernseher des ehemaligen Stützpunktes. Barricade (der offensichtlich genauso wenig Interesse am Fernsehprogramm, das ohnehin auf Russisch war, hegte, wie der Rest der Truppe) hatte die Fernbedienung fest in seiner Gewalt. Er würdigte die neueste Person auf ihrem Stützpunkt allerdings keines Blickes. Neben ihm auf dem zerschlissenen Sofa, von dem er etwa achtzig Prozent in Anspruch nahm, unternahm ein schlankerer, allerdings ebenso dunkelhaariger Decepticon den Versuch, sich eine Zigarette zu drehen. Da er die Ärmel seines weißen Hemdes lässig über die Ellbogen hochgekrempelt hatte, blitzte auf der Innenseite seines linken Unterarms der Schriftzug 4500X auf. Flüchtig streifte sein Blick die beiden Decepticons, die eingetreten waren, doch dann wandte er sich recht hastig wieder seiner Zigarette zu. Nach allem, was Soundwave über Blackout wusste, bezweifelte er, dass es nur Tabak war, was dieser gerade in Papier einrollte. Vor dem Sofa richtete sich soeben einer der beiden Decepticons auf, die dort gesessen hatten. Soundwave huschte unwillkürlich ein wenig dichter zur Wand, als Bonecrusher mit einem geknurrten "Ich hasse Fernsehen!" an ihm vorbeistampfte. Er hätte schwören können, dass der Aktenstapel auf der Fensterbank bebte; gewundert hätte es ihn jedenfalls nicht, denn der Muskelberg war ungefähr doppelt so breit wie der Kommunikationsexperte selbst. Auf dem Boden übrig blieb Brawl, die blonden Haare aus dem Gesicht gebunden, der die Decepticon neben Soundwave langsam von Kopf bis Fuß musterte. Eine fein geschwungene Augenbraue zuckte in ihrem Gesicht. "Wer von den Herren will mir zeigen, wo mein Zimmer ist, mmh?" Ein ganz gewiss nicht nur freundliches Grinsen breitete sich auf Brawls Gesicht aus. "Schätzchen, ich hab' keine Ahnung, wo dein Zimmer ist, aber ich kann dir gerne zeigen, wo mein..." Mit einer Ruhe, die fast schon an Gelassenheit grenzte, griff die Fremde nach einem Aschenbecher auf dem Tisch und schleuderte ihn Brawl ins Gesicht. Es gab ein unschönes Knacken, als die Nase des Decepticons nachgab; er sackte mit verdrehten Augen nach hinten gegen die Couch. Barricade gab ein leises Geräusch zwischen einem Schnauben und einem Lachen von sich. Er warf Blackout einen kurzen Blick zu; mit einem leisen Seufzen zündete der sich die Zigarette an (der Geruch, der sich recht schnell ausbreitete, bestätigte Soundwaves Verdacht) und machte sich daran, seinen Waffengefährten in Richtung Krankenstation zu bringen. Barricade musterte die Neue einen Augenblick lang abschätzend, dann erhob er sich seinerseits. Vor Soundwave blieb er stehen. "Geh spielen.", sagte er gefährlich leise, und dabei so freundlich, dass Soundwave ihm das schlecht abschlagen konnte. Hastig flüchtete er sich an Barricade vorbei den Gang hinunter. Der Blick des verbliebenen Decepticons glitt langsam an ihren Beinen empor, bis er schließlich an ihrem... Gesicht hängen blieb. "Thunderblast, richtig?" Sie verengte die Augen kaum merklich. "Barricade, richtig?", antwortete sie im selben Tonfall. Er zog einen Mundwinkel hoch und ging an ihr vorbei. Thunderblasts Augenbraue zuckte erneut; schließlich schwang sie sich ihre Tasche wieder über die Schulter und folgte ihm. Vor einem der ehemaligen Soldatenquartiere blieb er stehen und stieß die Tür auf. Bevor sie das Zimmer betreten und ihre Tasche abstellen konnte, hielt er sie am Riemen des besagten Stückes fest. "Wenn du jemals was nach mir wirfst, dann reiß ich dir den Arm aus.", sagte er leise und noch immer freundlich lächelnd. Sie lächelte nicht minder freundlich zurück. "Keine Sorge, bei dir würde ich nicht die Nase treffen, sondern den Kehlkopf." "Schlampe." "Arschloch." Und damit schloss sie die Tür hinter sich. 6. Oktober. "Es gefällt mir überhaupt nicht, Decepticons Waffen zu geben.", knurrte Ironhide. Starscreams Augenbrauen zuckten, doch er sagte nichts. Bumblebee grinste ein wenig verlegen, machte jedoch einen Schritt in Richtung Schrank. Blitzartig stand Ironhide zwischen ihr und der Tür. "Finger weg von meinem Schrank!" Firestorm verdrehte die Augen und zündete sich eine Zigarette an. Starscream lehnte sich gegen den Türrahmen. "Wird das heute noch was?" Ironhide verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und machte einen kleinen Schritt zur Seite. Bumblebee schob ihn mit sanfter Gewalt vollends aus dem Weg und öffnete die Schranktür. Sixshot pfiff leise durch die Zähne. "Nicht schlecht." Ironhide murrte leise, widersprach jedoch nicht, als Bumblebee sich daran machte, Starscream, Firestorm und Sixshot mit Waffen zu versorgen. Optimus beobachtete die kleine Versammlung eine Weile. "Bumblebee, ich möchte, dass du hier bleibst.", sagte er schließlich leise. Bee riss den Mund auf. "Was?! Wieso?!" "Ratchet hat dich immer noch krankgeschrieben.", antwortete Optimus, "Ich möchte, dass du hier bleibst und die Funkkanäle im Auge behältst." Gekränkt verschränkte Bumblebee die Arme. "Aber Lena-" "Keine Widerrede, Bee!" Beleidigt zog Bee die Unterlippe zwischen die Zähne, sagte jedoch nichts mehr. Optimus' Blick wanderte zu Starscream. Der hob die Augenbrauen. "Ich bleib' ganz sicher nicht hier." Vermutlich löste sich dann versehentlich mit Absicht ein Schuss aus Ironhides Waffe, sobald Optimus außer Sicht war. Optimus musterte ihn langsam von Kopf bis Fuß. "Ich weiß.", sagte er ruhig, "Auf deine Verantwortung." Kapitel 28: Achtundzwanzig -------------------------- Warmes Wasser lief aus der Dusche und plätscherte auf die Fliesen. Thunderblast regte sich nicht. Sie hatte den Kopf ein wenig angehoben, die Augen geschlossen; beinahe glaubte sie, jeden einzelnen Wassertropfen ihren Körper hinab rinnen zu spüren. Die muskulöse Gestalt, die im Türrahmen lehnte und sie beobachtete, war ihr nicht entgangen. Allerdings ließ sie sich von Barricade nicht stören; erst nach einigen weiteren Minuten stellte sie das Wasser ab und griff nach einem Handtuch. Sie konnte spüren, wie sein Blick über sie glitt, als sie lediglich mit dem Handtuch um ihren Schultern an ihm vorbei in ihr Zimmer ging, um sich neue Kleidung aus dem Schrank zu nehmen. Schließlich drehte sie sich halbwegs angezogen zu ihm um. „Was gibt’s?“, fragte sie mit einem freundlichen Lächeln. „Pack deine Sachen wieder ein.“, antwortete Barricade wie aus der Pistole geschossen, „Wir haben Anweisungen.“ Sie hob eine Augenbraue, zog jedoch ihre Tasche unter dem Bett hervor. „Zum Beispiel?“ Barricade, der schon halb aus der Tür gewesen war, blieb stehen. „Wir fliegen nach Brasilien.“, antwortete er. Noch bevor er vollends auf den Gang hinausgetreten war, konnte Thunderblast über den Funkkanal in ihrem Ohr hören, wie er Blackout anfunkte. Ist grad schlecht., erklang die Stimme des Decepticons über Funk, Brawl und ich sind in Moskau unterwegs, Besorgungen machen. Thunderblast klinkte sich aus – Barricade fluchte leise vor sich hin – und warf die restlichen Sachen, die sie aufgetrieben hatte, in ihren Rucksack. Brasilien – das bedeutete wohl kurze Hosen, aber feste Stiefel, oder? Verdammt, sie war knappe drei Monate auf diesem Planeten, woher sollte sie wissen, wo welches Klima vorherrschte? Nicht, dass sie sich nicht informiert hatte, aber bei Wikipedia und sonstigen Dingen, die sie gefunden hatte, hatte nirgendwo gestanden, welche Kleidung man da trug. Manche Bilder waren recht aufschlussreich gewesen, aber sie bezweifelte, dass ein Bikini bei Schlangen und Spinnen und sonstigem Getier im Dschungel sonderlich hilfreich war. Dennoch wanderte auch ein solches Kleidungsstück in die Tasche. Barricade stapfte indes den Flur hinunter in Richtung Küche; Thunderblast folgte ihm wenig später, die Tasche locker über die Schulter geworfen. Er hatte sich gerade eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank genommen; Thunderblast lehnte sich so in den Türrahmen wie er nur wenige Minuten zuvor in ihrem Badezimmer und beobachtete, wie er diese öffnete. Mit einer Ruhe, die fast schon an Gelassenheit grenzte, streckte sie die Hand aus und entwand ihm die Flasche, nahm zwei Schlucke und stellte sie zurück. Barricade musterte sie halb eisig, halb verdutzt. Ihre Mundwinkel zuckten. „Schmeckt beschissen.“ Barricade verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Wenn du ’ne Ohrfeige willst, dann musst du’s nur sagen.“ Sie lächelte. „Tu dir keinen Zwang an.“ Er versuchte es tatsächlich; sie duckte sich im richtigen Augenblick und Barricades Hand krachte gegen den hölzernen Türrahmen, der sichtlich erbebte. Die Lippen des Decepticons wurden schmal vor Zorn und Thunderblast rechnete unwillkürlich mit einer tatsächlichen Tracht Prügel. „Störe ich?“, fragte Megatron freundlich. Sowohl Thunderblast als auch Barricade erstarrten. „Nein, Sir.“, entgegnete Barricade unter sichtlichem Zähneknirschen. Thunderblast unterdrückte ein Grinsen und brachte hastig einigen Abstand zwischen sich und Barricade. Megatron trat einen Schritt näher zu Barricade hin. „Habt ihr nichts zu erledigen?“, zischte er. Hinter seinem Rücken verzog Thunderblast das Gesicht. Der Decepticon-Anführer war definitiv nicht in bester Stimmung; soweit sie wusste, war er immer noch wütend, weil ihm Starscream und einige Autobots, Optimus Prime selbst eingeschlossen, vor wenigen Tagen entwischt waren. Bisher war er zwar noch nicht auf den Gedanken gekommen, seine Wut an den gefangenen Autobots und Menschen im Keller auszulassen, aber das war wohl nur noch eine Frage der Zeit. „Unser Abflug verzögert sich, Sir.“, antwortete Barricade. Die schlechte Stimmung seines Anführers war ihm nicht entgangen und er war dementsprechend vorsichtig. „Blackout ist in Moskau und...“ Megatron verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Und da bist du nicht auf den Gedanken gekommen, eventuell einen anderen Hubschrauber zu nehmen ?!“ Die letzten Worte waren wohl über den halben Stützpunkt zu vernehmen; er hatte sie seinem neuen Stellvertreter ins Ohr gebrüllt. Auf Barricades Wange zuckte kaum merklich ein Muskel. „Sofort, Sir.“ Sideswipe rieb sich die Nase. „Und woher wollt ihr wissen, dass sie nicht in Brasilien sind?“, fragte er. Starscream seufzte. Sideswipe mochte ein guter Soldat sein, aber ein Taktiker war er nicht. „Megatron ist nicht blöd.“, wiederholte er das, was er bereits Ironhide hatte erläutern müssen, „Er wird davon ausgehen, dass wir zu genau dem Schluss kommen, zu dem wir kommen sollen: Nach der Sache mit Sektor 7 hat er verständlicherweise keinen Bock mehr auf Kälte und verzieht sich in wärmere Gefilde.“ Sideswipe tippte sich nachdenklich ans Kinn. „Aber wir kommen nicht zu dem Schluss?“ „Nein, wir kommen nicht zu dem Schluss.“, bekräftigte Starscream, „Wir kommen zu dem Schluss, dass wir zu genau diesem Schluss kommen sollen, und deshalb tun wir das, von dem Megatron nicht glaubt, dass wir es tun: Wir fliegen nach Sibiren.“ Ironhide murrte leise; von Kälte hatte er die Nase gestrichen voll. Optimus hatte ihm die Leitung des Ganzen übertragen – Ratchet weigerte sich nach wie vor, ihn aus dem Krankenflügel zu entlassen, und demzufolge war ein Ersatz nötig gewesen. Ratchet selbst saß allerdings mit ihnen in einem der beiden Militärhubschrauber, die Lennox für sie hatte organisieren können. Starscream wäre natürlich am liebsten selbst geflogen, allerdings war das aufgrund seiner Verletzungen nicht möglich. Firestorm wirkte ganz und gar nicht glücklich mit der Situation; sie hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt und war mehr als blass. Starscream beugte sich ein wenig zu ihr herunter und drückte ihr einen Kuss auf den blonden Scheitel. Sie murrte leise, sagte jedoch nichts, war nur krampfhaft damit beschäftigt, weder aus einem der Fenster noch auf den Boden des Hubschraubers zu schauen. Sixshot verzog mitleidig das Gesicht – soweit er wusste, litt seine Schwester zwar nicht an Flugangst, dafür aber an Höhenangst, was denkbar unpraktisch war, wenn man einen Jet zum Freund hatte. Zumindest auf letzteren hätte er allerdings auch liebend gern verzichtet, nur leider kam seine Schwester ja nicht mehr ohne den Kerl aus; sie legte sich sogar mit Megatron an, um ihm den Hals zu retten. Als hätten sie beide noch nicht genug Schwierigkeiten gehabt. Der vermutliche Ex-Söldner (nach allem, was er von Fire über den Deal mit ihr und Optimus erfahren hatte, war er ja jetzt ein Autobot) lehnte den Hinterkopf gegen die metallene Wand und schloss die Augen. Starscream legte beide Arme um Firestorm. Sixshot verspürte das dringende Bedürfnis, ihn zu würgen. Kapitel 29: Neunundzwanzig -------------------------- Diverse Breitengerade weiter nördlich hatte Barricade inzwischen beschlossen, seine Wut an Thunderblast auszulassen, wenn sie ungestört in Brasilien waren. Die besagte Decepticon spielte im Augenblick die Unschuld in Person, als sie ihm in den Helikopter folgte und ihre Tasche nach hinten in den Laderaum warf – sie hörte sich ziemlich schwer an; vermutlich war sie voller Waffen. „Soundwave, die Koordinaten.“, sagte Barricade und versuchte, zu ignorieren, dass Thunderblast neben ihm auf dem Co-Pilotensitz Platz genommen hatte. In der Sonne schimmerten ihre noch feuchten Haare dunkelbraun. Barricade verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, fixierte seinen Blick auf den Instrumenten und bewegte argwöhnisch die Finger seiner Hand. Es tat weh; dafür würde die kleine Schlampe noch bluten müssen. Thunderblast beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Unter anderen Umständen hätte sie ihm wohl angeboten, seine Hand zu verarzten; dummerweise befürchtete sie, dass er sie dann aus dem Helikopter warf. Der hatte inzwischen dummerweise das offene Meer erreicht, und sie war sich nicht ganz sicher, ob sie in der Lage sein würde, sich zu transformieren, bevor die Kälte im Wasser sie bewegungsunfähig gemacht hatte. Oder er verprügelte sie erst und warf sie dann aus dem Helikopter, dann war sie vermutlich ohnehin zu benommen. Barricades Blick glitt erneut zu ihr; sie lächelte ihr charmantestes Lächeln. „Fang nicht an zu sabbern.“, sagte sie freundlich und zupfte am Kragen ihrer Bluse. Barricade knurrte leise. „Ich bestimme, wann ich sabbere!“, zischte er. „Dann rutsch nicht aus.“, antwortete Thunderblast und sah in Richtung Fenster. Gerade noch rechtzeitig sah sie etwas dunkles in ihre Richtung fliegen, dann zersprang auch schon die Glasscheibe, als eine Granate nur wenige Millimeter vor ihrer Nase vorbeizischte und kurz vor dem Aufprall auf den Meeresspiegel unten detonierte. Sie starrte Barricade an, als sei der nicht mehr ganz bei Trost. „Halt’s Maul!“, zischte er und widmete sich wieder mit beiden Händen dem Steuern der Maschine. Sie hob eine fein geschwungene Augenbraue. „Wirfst du mich sonst raus?“ „Führ‘ mich nicht in Versuchung.“ Sie warf einen kurzen Blick nach unten. „Na ja, ich bin ’ne gute Schwimmerin.“ Sie verzog das Gesicht und machte sich auf die Suche nach irgendetwas, um das kaputte Fenster abzudichten. „Leute, habt ihr nichts besseres zu tun?“, erklang Soundwaves Stimme über das Headset. „Nein.“, antwortete Barricade eisig. Er warf einen Blick zu Thunderblast – sie hatte eine Rolle Klebeband gefunden und bearbeitete damit das Fenster. „Und was dich angeht, ich bezweifle, dass Megatron die Anwesenheit irgendeiner Konkubine als wichtig genug erachtet um irgendjemandem Stress zu machen, falls dich zufällig versehentlich mit Absicht eine Kugel treffen sollte.“ Thunderblast lächelte. „Ich bin nicht als Konkubine hier, Süßer. Schon gar nicht für Megatron.“ Zwar scheute sie nicht davor zurück, gewisse körperliche Reize einzusetzen, um ihr Ziel zu erreichen, doch Megatron hatte, soweit sie wusste, nicht das geringste Bedürfnis nach derartigem. „Sondern als dumme Schlampe, die uns nerven soll?“, entgegnete Barricade, den Blick noch immer fest nach draußen gerichtet. Thunderblast nahm wieder vollständig neben ihm Platz. „Zu deiner Information, ich bin das einzige Wasserfahrzeug, dem er vertraut.“, sagte sie. Es war ihr gelungen, das Fenster halbwegs abzudichten; der Rotor war dennoch viel zu laut und sie musste fast schreien. Immerhin zog es nicht mehr so stark. Barricade schnaubte verächtlich, sagte jedoch nichts. In Bezug auf Megatron war Thunderblast sich tatsächlich nicht sicher, was sie von ihm halten sollte. Dass er zwei Jahre lang offline gewesen war – dank einem gewissen Menschenjungen, der glücklicherweise inzwischen das Zeitliche gesegnet hatte – , hatte wohl zweifellos Spuren hinterlassen, aber es traute sich kaum jemand, herauszufinden, welche Auswirkungen das nun genau hatte. Tatsache war, dass Megatron sich nur noch sehr selten außerhalb eines ihrer Stützpunkte aufhielt, und die meiste Zeit damit verbrachte, in irgendeinem Keller düstere Rachepläne gegen die Autobots zu schmieden. Dass er sich für den Angriff auf das College, bei dem laut Thunderblasts Informationen Optimus Prime so schwer verletzt worden war, hervorgewagt hatte, war schon etwas besonderes gewesen. Nachdenklich fuhr sie sich durch die noch immer nassen Haare. Vermutlich war es das Beste, wenn sie einen großen Bogen um Megatron machte – war der Decepticonanführer vorher bereits cholerisch gewesen, war er inzwischen geradezu unberechenbar geworden. Ganz zu schweigen von dem neuesten Desaster am Hoover-Staudamm; das hatte seine Laune wohl nicht gerade gehoben... Schnee knirschte unter den Reifen eines roten Sportwagens; abgesehen von Sideswipe hatten die restlichen Autobots Schwierigkeiten, mit Firestorm mitzuhalten. „Überanstreng dich nicht, mmh?“, sagte Starscream leise und fuhr ihr sanft über das Lenkrad. Aus dem Radio drang ein leises Schnauben. Schlitternd kam sie hinter einer Schneewehe zum Stehen, öffnete die Türen und beförderte Sixshot und ihn nach draußen, bevor sie sich transformierte. Es klickte leise, als sie sich reckte und die Metallstacheln auf ihrem Rücken sich aufrichteten. „Was jetzt?“ „Du wirst deine menschliche Gestalt benutzen müssen.“, antwortete Ratchet, der sich gerade von Ironhide mit Waffen ausrüsten ließ – ihr derzeitiger Anführer hatte offenbar seinen gesamten Spind ausgeleert und mitgenommen, „Da drin ist kein Platz für einen Transformer, oder?“ Starscream schüttelte leicht den Kopf. Wenig später stand Firestorm wieder als Mensch vor ihnen, in einen alten Armee-Parka gehüllt, und schlang die Arme um den Körper, um sich vor der Kälte zu schützen. Starscream legte einen Arm um sie und rieb sachte über ihren Oberarm; sie murrte leise und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor sie sich gegen ihn lehnte und Ironhide fragend ansah. „Ist es noch weit?“ „Etwa eine Meile.“, antwortete Ironhide, „Den Rest gehen wir zu Fuß; wir haben keine genauen Angaben über eventuelle Sensoren und sonstige Sicherheitsvorkehrungen.“ Im Hauptquartier drehte sich Bumblebee gelangweilt auf dem Stuhl vor ihrem Computer hin und her. Lightbringer spielte selbstvergessen auf dem Bett mit ein paar Modellfiguren, die irgendwer für sie aufgetrieben hatte; die brauchte jedenfalls keine Beschäftigung. Bumblebee dafür umso mehr. Ihr war auch nicht danach, Optimus auf seinem Krankenzimmer Gesellschaft zu leisten. Am liebsten wäre sie den anderen natürlich gefolgt, aber das hätte wohl niemand gutgeheißen. Abgesehen davon versetzte ihr die Vorstellung, sich in Eis und Schnee zu begeben, bereits Herzrasen, also ließ sie das besser bleiben. Nachdenklich drehte sie sich wieder zum PC und tippte gelangweilt wahllos auf der Tastatur herum. Überwach die Funkfrequenzen, pah. Ein Messengerfenster blinkte am unteren Rand des Bildschirms auf. Das wiederum war eine menschliche Erfindung, die Bumblebee mehr als recht gewesen war; sie liebte es, sich im Internet unerkannt unter menschliche User zu mischen und sich mit ihnen auszutauschen. Ironhide hatte das des öfteren belächelt - Wir sind keine Menschen, wir machen hier nur unseren Job. Sie warf einen Blick auf den Nickname, der ihr nichts sagte. Vermutlich irgendein anderer User, der sie in einem der Musikforen, in denen sie sich üblicherweise aufhielt, aufgestöbert hatte. „hallo du da!!“, verkündete das Nachrichtenfenster. Bumblebee tippte ein paar weitere Sekunden gelangweilt auf eine Taste ein, bevor sie sich entschloss, zu antworten. „wer bist du?“ Auf dem Bett hatte Lightbringer damit begonnen, das Modell eines Polizeiautos fein säuberlich auseinander zu nehmen. Bumblebee grinste. Braves Mädchen. Sie wandte sich wieder dem PC zu; der Messenger quäkte. „sonar2009 von myspace.“, antwortete ihr neuer Gesprächspartner, „weißt du wann das neue album von lagwagon rauskommt? bist ja in der freundesliste“ Sie rieb sich den Hinterkopf. „keine ahnung, schau doch mal auf der website“ Im Augenblick hatte sie ja ohnehin nichts anderes zu tun, da war der eine oder andere menschliche Gesprächspartner ihr jedenfalls ganz Recht. Sie legte das Kinn auf den Tisch und wartete auf die nächste Message. „Wenn Arcee irgendwas passiert ist und du was damit zu tun hast, dann brech‘ ich dir irgendwas.“, knurrte Sideswipe. Starscream seufzte leise, zog es jedoch vor, nicht darauf zu antworten; Firestorm warf Sideswipe schon einen Blick zu, der noch eisiger war als ihre Umgebung. Sideswipe starrte kurz eisig zurück. „Primus, ich hab‘ nichts damit zu tun, dass sie jetzt da drin sitzt, klar?“, zischte Starscream. Langsam aber sicher wurde es ihm zu viel; sie stapften durch eine zugefrorene Landschaft, ihm war dementsprechend kalt, langsam aber sicher bekam er Hunger und das ständige – nachvollziehbare – Misstrauen der Autobots zehrte an seinen Nerven. Immerhin hatte er wohl die entsprechende schlechte Laune, die nötig sein würde, wenn sie auf Decepticons trafen. „Könnten wir die alten Geschichten nicht einfach ruhen lassen...“ „Ruhen lassen?“, zischte Sideswipe, „Du hast leicht reden, du kennst ihre Panikattacken nicht, du schläfst nicht jede Nacht mit ihr in einem Zimmer und-“ Es wurde merklich stiller, diverse Augenpaare – gerade von den Autobots – richteten sich auf Sideswipe. Dessen Ohren färbten sich wohl nicht nur von der Kälte rosa. Firestorm verdrehte die Augen und unternahm den Versuch, sich trotz ihrer Handschuhe eine Zigarette anzuzünden; es misslang. Starscream seufzte leise. „Könnten wir das später klären, ja? Ich glaube, jetzt-“ „Schnauze!“, zischte Ironhide. Allgemeine Stille trat ein; in einiger Entfernung war der Rotor eines Helikopters hörbar. Blitzartig kam Bewegung in die Truppe; binnen weniger Sekunden waren alle im Unterholz des schneebedeckten Waldes verschwunden, als Blackout über sie hinweg zog. Firestorm, die sich an Starscream drückte, zischte leise. Ihrer Meinung nach war es verdammt sinnlos, sich zu verstecken; wenn Blackout auf Patrouille war und die Gegend regelmäßig scannte, dann entdeckte er sie ohnehin, falls Soundwave das nicht eh schon längst getan hatte. Allerdings lag sie wohl falsch, denn Blackout kehrte weder um noch landete er oder stürzte sich auf sie. Stattdessen zog er Richtung Stützpunkt weiter. Erst hier angekommen scannte er den Umkreis ihres Verstecks, bevor er landete und Brawl absetzte. Der Decepticon hatte nach wie vor eine geschwollene Nase und war verdammt schlecht auf Thunderblast zu sprechen; die konnte sich wohl glücklich schätzen, den Stützpunkt bereits verlassen zu haben. Fraglich war, ob Barricades Gesellschaft so viel besser war. Soundwave, der im hinteren Teil des Helikopters saß, rührte sich nicht und tippte weiter stoisch auf sein Laptop ein. Blackout räusperte sich vernehmlich. „He?“ Der Kopf des jungen Mannes schoss hoch. „Endstation.“, verkündete Blackout. „Mmh.“ Soundwave tippte rasch drei Buchstaben (b, r und noch einmal b, wie Blackout interessiert feststellte; das war wohl irgendein Code) auf der Tastatur ein und klappte sein Laptop zu. Er verstaute es in der Tasche und kletterte nach draußen, wo er stehen blieb und sich durchs Haar fuhr. Irgendetwas stimmte nicht. Soundwave sah sich um. „Blackout?“ „Mmh?“ Der Hubschrauber transformierte sich gerade. „Hast du was mitgekriegt?“ Soundwave fuhr sich erneut durchs Haar; ein sicheres Zeichen für ihn, dass er grübelte. „Ich weiß nicht.“ Er verengte die Augen ein wenig, damit der Schnee, auf den im Augenblick schräg die Sonne einfiel, ihn nicht blendete. „Nimm mich mal auf ’nen kleinen Rundflug mit. Ich will die Gegend scannen.“ Kapitel 30: Dreißig ------------------- „Ich hasse Kälte.“, murrte Firestorm. Sie richtete sich auf und schüttelte sich den Schnee aus den Haaren; Starscreams Mundwinkel zuckten und er streckte die Hand aus, um ihr ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. „Wie weit noch?“ „Eine halbe Meile vielleicht.“, antwortete Ironhide langsam. Sein Blick glitt über die verschneite Landschaft. Es war eigenartig still geworden, selbst der Wind schien verstummt. „Was ist?“ Starscream warf einen kurzen Blick zu Ironhide. „Stimmt was n-“ Er kam nicht dazu, seine Frage zu beenden, denn in diesem Augenblick explodierte der Schnee vor ihnen. Scorponok schoss direkt unter ihm aus dem Boden; Starscream wurde durch die Luft geschleudert und fand sich wenig später hart auf dem Boden wieder. Schmerz durchzuckte seine verletzte Schulter; er biss die Zähne zusammen. Etwas Feuchtes rann über seinen Rücken, als er sich aufrichtete. Metallklauen blitzten über seinem Gesicht; er duckte sich darunter hinweg und packte Firestorms Arm. Unsanft landeten sie beide wieder im Schnee, als Ravage über sie hinweg schoss. Firestorm packte kurzerhand Starscreams Oberarme und rollte sich auf die Seite und über ihn hinweg, sodass sie auf ihm zu liegen kam. „Mach bloß keinen Scheiß!“, zischte sie, „Rühr dich nicht von der Stelle!“ Aus dem Augenwinkel konnte Starscream sehen, dass Ironhide, der sich offenbar am schnellsten von seinem Schock erholt hatte, dazu ansetzte, sich zu transformieren; Scorponoks Schwanz riss ihn seinerseits von den Füßen und er schlug mit dem Rücken gegen einen Baum. Ein Plasmageschoss brannte über Starscream und Firestorm hinweg – Sixshot war erfolgreicher gewesen als Ironhide. „Bist du bescheuert?“, zischte Firestorm, „Ziel gefälligst etwas genauer!“ Metall knirschte, als Ravage Sixshot die Klauen in die Seite schlug. Sideswipe unternahm den halbherzigen Versuch, seinem Waffengefährten zu Hilfe zu kommen, und feuerte ein paar Kugeln auf Ravage ab, bevor ihm eine ähnliche Behandlung wie Ironhide zuteil wurde. Beim nächsten Versuch war Sixshot schneller; seine Faust traf präzise Ravages Wirbelsäule. Metall knirschte auf brutal endgültige Art und Weise, als der Transformer mit gebrochenem Rückgrat zu Boden sackte; Scorponok gab einen ähnlich schrillen Laut von sich, machte allerdings nicht den Fehler, Sixshot ebenfalls anzugreifen, sondern war binnen weniger Sekunden wieder im Boden verschwunden. Ein wenig verdutzt starrte Sixshot auf die Stelle, wo Scorponok verschwunden war, dann hob er kurz die Schultern, transformierte sich und öffnete die Türen. „Na los, steigt ein. Der Spaziergang ist zu Ende, die Jungs wissen jetzt, dass wir hier sind, und wir haben keine Zeit mehr!“ Thunderblast flüchtete aus dem Hubschrauber, kaum dass dieser wieder festen Boden berührte. Mit einem unwillkürlichen Grinsen stellte Barricade fest, dass die Decepticon offenbar nicht allzu gerne flog. Der Gesichtsausdruck verschwand allerdings recht bald wieder, als er sich umsah. Toll, sie saßen also wirklich mitten im tiefsten Dschungel fest, die nächste Stadt war ein paar hundert Kilometer entfernt und somit auch sämtliche Möglichkeiten, an Nahrungsmittel, bestenfalls noch Alkohol und vielleicht auch an etwas bessere Gesellschaft als an Thunderblasts zu kommen. Die Decepticon mochte ein ganz hübsches Gesicht haben, dummerweise war Barricade weder dumm noch verzweifelt genug, mit jemandem anzubandeln, der dafür bekannt war, die halbe Einheit sprichwörtlich in- und auswendig zu kennen. Während Thunderblast ihr neues Quartier begutachtete – das, was Barricade beobachten konnte, war halb von Pflanzen überwuchert und machte den Eindruck, als fiele es beim ersten Windstoß auseinander – blieb Barricade im Hubschrauber sitzen und aktivierte das Headset. „Soundwave?“ Es kam keine Antwort, nur statisches Rauschen in der Leitung; der Kommunikationsexperte hatte offenbar gerade besseres zu tun. Innerlich verdrehte Barricade die Augen und stieg ebenfalls aus, um Thunderblast zu folgen. Zwar hätte er wohl auch Megatron anfunken können, um den nach weiteren Anweisungen zu fragen, allerdings würde er den Teufel tun, den Decepticon-Anführer jetzt anzusprechen; sein Ohr hatte gerade erst wieder zu piepen aufgehört und Megatron hatte ihn ja ohnehin auf dem Kieker, seit Screamer durchgebrannt war. Immerhin hatte er ihn befördert. Na gut, wenn man die Tatsache betrachtete, dass es jetzt außer Barricade und Blackout wohl keine wirklich fähigen Soldaten mehr gab – wobei Blackout auch schon eine Kategorie für sich war... Kaum dass er einen Schritt aus dem Helikopter gemacht hatte, fielen die ersten Regentropfen, und bis Barricade die Eingangstür ihres Quartieres wohl für mindestens die nächsten Tage erreicht hatte, war er bereits bis auf die Haut durchnässt. Thunderblasts Mundwinkel zuckten und er tat sein Bestes, sich auf ihr Gesicht und ihre nassen Haare zu konzentrieren, während ihre weiße Bluse langsam aber sicher den Blick auf wohlgeformte Rundungen preisgab, die Barricade seinerseits ein flüchtiges Grinsen entlockten. Vielleicht wurde es ja doch nicht allzu öde, vorausgesetzt, sie stach ihn nicht schon in der ersten Nacht ab und machte sich dann einen schönen Urlaub. Kaum dass die Decepticon die Tür dann doch noch aufbekommen hatte – sie klemmte offenbar; in Barricade keimte das Bedürfnis auf, ihr zukünftiges Quartier von Grund auf zu renovieren – , stürmte sie das, was offenbar ihr Schlafzimmer darstellte. Natürlich gab es nur eins von der Sorte. Nicht dass es Barricade nicht recht gewesen wäre; zur Not ließen sich die getrennten Betten sicherlich zusammenschieben und... Wobei er es nach wie vor vorzog, sich Gesellschaft dieser Art in der nächstbesten Stadt zu suchen. Thunderblasts Kleidung starrte vor Waffen und vermutlich war sie auch noch ohne den ganzen Kram in der Lage, ihn mit dem kleinen Finger umzubringen. Der Gedanke gefiel Barricade ganz und gar nicht. Thunderblast hatte sich bereits eines der Betten gesichert – ihre Tasche und die Waffen, die sie jetzt darauf ausbreitete, waren ein untrügliches Zeichen. Gerade als Barricade ebenfalls das Zimmer betrat, drehte sie sich in der Mitte des Raumes im Kreis und begutachtete Wände und Decke. Die Flecken an der Decke waren wohl Schimmel oder Rost – Barricade war sich noch nicht ganz sicher, ob das Dach nun aus Metall oder Holz bestand – ; in den Wänden zeigten sich Risse und vermutlich krachte ihnen die gesamte Bude einfach Nachts über dem Kopf zusammen. Vielleicht hatte Megatron sie ja deshalb hierher geschickt; er wollte sie beide loswerden. Immerhin war er diesmal dann kreativ. Die Vorstellung entlockte Barricade ein makaberes Grinsen. Wenigstens war es hier wärmer als in Sibirien. „Scheiße!“ Soundwave stöhnte und vergrub eine Hand in seinen blonden Haaren. Blackout verengte die Optics zu schmalen Schlitzen. „Was ist?“, fragte er alarmiert. „Irgendeiner von denen hat Ravage erwischt! Die kommen direkt auf uns zu, wir müssen den Stützpunkt sofort evakuieren!“ Reflexartig wandte sich Blackout in die Richtung, in die Scorponok verschwunden war, doch Soundwave hielt ihn fest. „Du musst Megatron transportieren.“ Wie aufs Stichwort schoss Scorponok mit einem Krachen durch den gefrorenen Boden, um wenige Sekunden später wieder fest mit Blackout verbunden zu sein. Ein Plasmageschoss zischte hinter dem Neuankömmling durch den Wirbel aus Staub und Pulverschnee, der aufgewirbelt worden war; offenbar waren Scorponoks Verfolger schneller gewesen als gedacht. Schlagartig hatte Blackout sich transformiert und Soundwave brachte sein Laptop im Laderaum des Hubschraubers unter, funkte in der Zwischenzeit Brawl und Bonecrusher an, um die beiden schleunigst mitsamt Megatron und nach Möglichkeit auch dem Fleischlingsmädchen nach draußen zu beordern. Obwohl Megatron eigentlich in der Lage war, selbst zu fliegen, spielte Blackout liebend gerne den Chauffeur für seinen Chef – Soundwave verabscheute das Geschleime seines Kollegen. Zwar hatte er selbst auch gesunden Respekt vor Megatron, aber aus eben diesem Grund hielt er sich weitestgehend fern von ihrem Oberhaupt. Überhaupt war er keine Kampfeinheit, wie er wieder einmal feststellte, als er geduckt durch den Kugelhagel der NEST-Soldaten hindurch zum Stützpunkt hastete. Brawl und Bonecrusher kamen ihm von dort bereits entgegen, letzerer bereits transformiert, ersterer mit gezogener Waffe und Megatron und Lena im Schlepptau. Das Mädchen zitterte, wie Soundwave feststellte; na ja, es war recht kalt hier draußen. Allerdings regte sie sich nicht in Megatrons Griff; offensichtlich hatte sie Angst. In einiger Entfernung verengte Ironhide die Augen zu schmalen Schlitzen. „Sie haben Lena dabei, aber der Rest ist nirgendwo zu sehen. Barricade ist auch nicht dabei – Starscream, Sideswipe, ihr sucht Arcee und den Rest, die anderen kommen mit mir mit!“ Starscreams Blick flackerte kurz zu Firestorm hinüber, doch er gehorchte und folgte Sideswipe. Dieser hatte gerade festgestellt, dass die Tatsache, dass er üblicherweise mehr rollte als zu laufen, sich zwar als wunderbar praktisch erwies, wenn er auf einer Straße schnell vorankommen wollte, sich im Schnee allerdings als eher hinderlich herausstellte. Unten im Keller des Stützpunktes starrte Arcee aus zu schmalen Schlitzen verengten Optics zur Decke. „Was geht hier ab?!“ Leo tigerte besorgt in einer Ecke herum. „Ist mir egal, aber Lena ist da oben!“ Prowl regte sich schwach; seine Optics blieben dunkel. Arcee legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Bleib liegen. Transformier dich, dann kann ich dich notfalls tragen.“ Prowl antwortete nicht, und zuerst befürchtete Arcee, er sei wieder bewusstlos, dann jedoch transformierte er sich wirklich. Irgendwo in ihrem Funkkanal knisterte und knackte es. „-rcee?“ Beinahe wäre sie in die Luft gesprungen. „Side!“ „Bist – verletzt?“ „Nein, es geht mir gut.“ Sie presste die Lippen zusammen. „Verdammt, wo steckt ihr?! Hol mich hier raus, und zwar dalli!“ Kapitel 31: Einunddreißig ------------------------- Die Tür des Raumes flog aus den Angeln, Arcee blinzelte in das grelle Licht. Unwillkürlich spürte sie für einen Moment Panik in sich aufkeimen, fast erwartete sie, Megatrons Silhouette in der Tür stehen zu sehen, doch im selben Augenblick erkannte sie einen zerzausten blonden Schopf und ein triumphierend-breites Grinsen, das ihr Herz ein paar Schläge schneller schlagen ließ. Prowl, der das Geräusch, der sich öffnenden Tür durchaus gehört hatte, verengte die blicklosen Optics zu schmalen Schlitzen. Arcee drückte seinen Arm. „Schon gut, es ist Side!“ Der besagte stürmte sie gerade über den Haufen und drückte sie so fest an sich, dass ihr die Luft wegblieb. „He, ganz ruhig, ich leb‘ ja noch!“, ächzte sie, grinste jedoch ebenfalls, als sie sich leicht gegen seinen Griff stemmte, „Hast du ’ne Knarre für mich? Ich will ein paar Cons abknallen!“ Ihr Blick fiel über Sideswipes Schulter hinweg auf die schlanke dunkelhaarige Gestalt, die nervös im Türrahmen auf und ab schlich. Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Mit dem da würde sie anfangen. „Lass mich los, Side.“, verlangte sie. Noch immer umarmte er sie, wobei er ihr geschickt die Arme an den Körper drückte. „Ähm... ich könnte dich auch nach draußen tragen.“, bot Sideswipe an, ohne sie loszulassen, dafür aber mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das ein paar Millimeter zu breit schien. Arcees Augen wurden noch ein wenig schmaler. „Du wirst mich auf der Stelle loslassen!“, zischte sie und schnappte mit den Zähnen nach seiner Schulter. Verdutzt lockerte Sideswipe seinen Griff etwas; Arcee duckte sich unter seinen Armen weg und stürzte sich auf Starscream. „Du verlogener Schleimbeutel!“ Sichtlich irritiert beobachtete Leo, der gerade zusammen mit Sideswipe Prowl auf die Beine half, wie Arcee den Ex-Decepticon mit sämtlichen menschlichen und cybertronischen Schimpfworten überhäufte, die sie kannte (es waren eine ganze Menge) und nebenher versuchte, ihm die Augen auszukratzen. Sideswipe seufzte leise. „Halt mal.“ Er überließ Prowl vollständig Leo, packte nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen Arcee erfolgreich um den Bauch und zog sie von Starscream weg. „Er’s jetzt auf unserer Seite, Sonnenschein...“ „Halt die Klappe!“, zischte Arcee, „Nenn mich nicht so, du darfst mich nie wieder so nennen!“ Sideswipe seufzte erneut, lockerte seinen Griff jedoch nicht. „Hey, du darfst ihn gerne verprügeln, aber erst, wenn wir wieder auf dem Stützpunkt sind, klar?“ Arcee zischte eine weitere Beleidigung in Starscreams Richtung, hielt jedoch still. Oh, wunderbar, sie schliefen in einem Zimmer. Thunderblast verdrehte die Augen, warf ihre Tasche auf das Bett an der Wand und verließ das improvisierte Schlafzimmer – ein Bett an den zwei gegenüberliegenden Wänden links und rechts von der Tür, über denen Moskitonetze baumelten – , um direkt in das kleine Badezimmer gegenüber zu marschieren. Hey, sie hatten eine Dusche; für eine Badewanne hatte das Budget wohl nicht mehr gereicht. Schade aber auch. Ihr Blick wanderte zu Barricade, der gerade die Küche in Augenschein nahm. Hmm, sie hätte eine Menge hochinteressanter Dinge mit einer Badewanne anzustellen gewusst... Sie trat vollends ins Bad, griff nach einem der wahllos herumliegenden Handtücher – wer zum Teufel hatte hier denn gehaust? Waren die Dinger überhaupt sauber? – und machte sich daran, den versifften Spiegel zu säubern. Es gelang ihr immerhin ansatzweise. Missmutig beäugte sie ihre nassen Haare, griff schließlich nach einem herumliegenden Kamm und unternahm den Versuch, ihre Haare zu entwirren, während sie sich bemühte, nicht daran zu denken, wer diesen Kamm vielleicht schon wozu auch immer gebraucht hatte. „Ich gehe stark davon aus, dass du kochen kannst.“, erklang Barricades Stimme aus der Küche. Sie schnaubte leise. „Ich geh‘ stark davon aus, dass du Wert auf ein paar giftige Beeren in deinem Essen legst.“, murrte sie. Laut gab sie zurück: „Was ist denn da?“ Es kam keine Antwort; sie ließ von ihren Haaren ab und trat in die Küche. Barricade, der sein Hemd inzwischen ausgezogen hatte und offenbar gerade versuchte, es über dem Herd zum Trocknen aufzuhängen, warf ihr einen Blick zu. „Keine Ahnung, guck in die Schränke.“ Ihr Blick wanderte über das Hemd. „Willst du uns abfackeln?“ Unter Barricades eisigem Blick nahm sie das besagte Ding wieder herunter und hängte es stattdessen über einen Stuhl. Herrgott, konnte der Kerl denn nichts allein? Das würden ja lustige Zeiten hier werden. „Gibt’s hier wenigstens noch ein anderes Schlafzimmer?“ Barricades Mundwinkel zuckten. „Unten im Keller ist ’n Lager, du kannst dir gerne ein paar Kisten zusammenschieben und bei den Ratten schlafen.“ Thunderblast schnaubte leise und marschierte zurück ins Schlafzimmer, um sich ihrerseits trockene Kleidung überzuwerfen. Barricade warf einen Blick nach draußen. „Regnet’s hier oft?“ Thunderblast hob eine Augenbraue. „Weißt du, deshalb nennen die Fleischlinge es Regenwald.“ Barricade gab ein undefinierbares Grollen von sich. „Ohne deine unschätzbare Weisheit wäre ich vermutlich verloren.“ Sie grinste und streifte sich ein frisches Shirt über. „Bestimmt.“ Langsam kam sie zurück in die Küche und warf wie gefordert einen Blick in die Schränke. Oh, toll, es gab nicht mal Geschirr. Erneut wanderte ihr Blick zu Barricade; mit Mühe widerstand sie dem Bedürfnis, ihm durch die nassen Haare zu wuscheln. Seinem Blick zufolge hätte sie das eine Hand gekostet. Glücklicherweise kam er nicht allzu lange dazu, sie böse anzustarren; er hatte gerade registriert, dass sich offensichtlich in keinem der Schränke etwas zu essen fand. Thunderblast musste grinsen. „Oh, cool, heißt das, wir gehen jagen?“ „Munitionsverschwendung.“, brummte Barricade. Thunderblast verdrehte die Augen und lehnte sich gegen die Küchenzeile. Soweit sie wusste, stand ihr neues Versteck mitten im Urwald; wo bekamen sie da bitte etwas zu essen her? „Wir nehmen einfach den Helikopter und holen was.“, antwortete Barricade, als sie diese Frage laut aussprach, „Wenn es aufhört, zu regnen.“ „Und bis dahin?“ Barricades Blick wanderte zurück zu ihr. „Warten.“ Thunderblast hob die Schultern. Sie nahm neben ihm an dem Platz, was wohl ihren Esstisch darstellen würde, und lehnte sich mit dem Stuhl gegen die Wand zurück. Gedankenverloren kramte sie eine Schachtel Süßigkeiten heraus, die sie sich irgendwo besorgt hatte; sie war ziemlich weit herumgekommen, bevor sie in Sibirien aufgetaucht war. Abgesehen davon hatte sie versucht, die Gebräuche dieses Planeten kennen zu lernen – das konnte man im Internet nicht unbedingt – und sie hatte... Erfahrungen sammeln wollen. Die Erinnerung ließ sie schmunzeln. Sie schüttete sich ein paar der bunten Schokolinsen in die Hand und schob sich diese in den Mund. Barricade beäugte sie von der Seite aus; fragend wandte sie sich ihm zu. „Wasch?“, nuschelte sie durch einen Mund voller Smarties. Er wandte den Blick wieder ab und starrte aus dem Fenster. Es regnete immer noch. Er wandte ihr den Blick wieder zu. „Sind das Smarties?“ Argwöhnisch zog sie die Schachtel ein wenig mehr zu sich. „Ja...?“ „Aha.“ Er starrte wieder aus dem Fenster. „Möchtest du welche?“, fragte sie liebenswürdig. „Ja.“, murrte er. Sie versteckte ein Schmunzeln durch einen raschen Blick hinunter auf den Tisch und kippte die Schachtel auf der Holzplatte aus. „Bedien dich.“ Barricade musterte sie ein weiteres Mal misstrauisch, dann zog er die Smarties hastig zu sich hinüber. Eine von Thunderblasts Augenbrauen zuckte. „Mach dir mal keine Sorgen, ich nehm‘ sie dir nicht weg.“ Barricade schoss ihr über die Smarties hinweg einen kurzen, eisigen Blick zu, sagte jedoch nichts. Kapitel 32: Zweiunddreißig -------------------------- „Sag mal, Megatron ist ein bisschen verwirrt, oder?“ Barricades Blick schoss wieder zu Thunderblast hinüber, doch er sagte nichts, sondern probierte weiterhin aus, wie weit er mit dem Stuhl nach hinten kippen konnte, ohne umzufallen. „Seit Fallens Tod.“, fuhr Thunderblast fort, „Er ist ein bisschen... sst.“ Sie machte eine recht eindeutige Geste an ihrer Schläfe. „Ich meine, er hat schon mal sinnvollere Anweisungen gegeben als uns in den Dschungel zu verfrachten, oder?“ Barricade hob die Schultern. Sein Blick wanderte wieder aus dem Fenster und er schwieg. „Fallens Tod hat ihm nicht sonderlich gefallen.“, sagte er schließlich leise, „Aber er war selbst zwei Jahre lang beim Quell aller Sparks, ich glaube, das hat da den Ausschlag gegeben.“ „Mmh.“ Unter Barricades wachsamem Blick angelte sie nach den Smarties; er zog die Schachtel beiseite. Elegant glitt die Schachtel in seine Hosentasche. „Ich check‘ mal die Umgebung.“ Sie verdrehte die Augen, stand, als er sich erhob, mit wenigen Schritten hinter ihm und fingerte ihm die Smarties aus der Tasche. „Damit lass‘ ich dich ganz bestimmt nicht allein raus!“ „Davon kriegst du sowieso nichts mehr ab.“ Sie schmunzelte und warf ihm einen kurzen Blick zu, sagte jedoch nichts. „Glotz mich nicht so an.“ Sie hob die Schultern und sah demonstrativ in die andere Richtung. Eine Weile lang stapften sie wortlos neben- und dann, als der Weg schmaler wurde, hintereinander her. Spuren von Fleischlingen waren nirgendwo zu entdecken; Thunderblast beobachtete mit schiefgelegtem Kopf, wie Barricade offenbar gedachte, sich mit bloßem Auge auf die Suche danach zu begeben. Elegant hüpfte sie über eine auf dem Boden verschlungene tückische Wurzel. „Du könntest auch einfach deine Scanner benutzen, weißt du.“ Barricade würdigte sie keines Blickes. „Das würde die Sache enorm verlangsamen und außerdem den Spaß daran ruinieren.“ Thunderblast schmunzelte. „Ich werde noch stundenlang feucht sein, wenn wir nicht bald wieder im Haus verschwinden.“ „Es gibt hier keinen Preis für schlechte Wortspiele.“ „Ist dir nicht warm, Süßer?“ Sie zwickte ihn in den Oberarm; er richtete die Mündung seines Gewehrs auf sie. „Sei vorsichtig.“ Thunderblast seufzte leise und machte sich daran, ihre Haare zusammenzubinden. Immerhin hatte es inzwischen zu regnen aufgehört, doch nach wie vor tropfte Wasser von großen grünen Blättern ringsum, und die Luft war stickig und feucht. Um sie herum knackte es gelegentlich im Gebüsch, wenn irgendein kleineres Tier vor ihnen flüchtete; irgendwo war ein fremdartiger Vogelschrei zu hören, gefolgt von anderen Geräuschen, die Thunderblast noch nie gehört hatte, von denen ihr die Informationen auf ihrer Festplatte allerdings verrieten, dass es sich um Affen handelte, kleine, in den Bäumen lebende Säugetiere... Um sie herum pulsierten alle Arten von Leben, wie sie registrierte, als sie ihre Scanner einschaltete. Insekten wimmelten überall, etwas großes, vierbeiniges flüchtete mit seinem Jungen tiefer ins Unterholz, Meter über ihnen nisteten Unmengen an Vögeln. Überall öffneten und schlossen sich Blüten, sprossen Farne und die Samen der riesenhaften Bäume, neben denen sie sich als Mensch erstaunlich winzig vorkam. „Beweg deinen Arsch, Prinzessin!“ Barricades Stimme knallte wie ein Schuss durch ihre Gedanken; hastig machte sie sich daran, ihm weiter durchs Gestrüpp zu folgen. „Warum hauen die nicht einfach ab?“ Sideswipe legte den Kopf schief und verengte die Optics ein wenig, während er beäugte, wie ein paar mehr oder minder mutige Decepticons um die Reste des Gebäudes herum hüpften und versuchten, die rauchenden Trümmer zu löschen. Blackout hatte sich mit Megatron und Soundwave natürlich schon davon gemacht; der Decepticon-Anführer war schlau genug gewesen, sich nicht zu transformieren, um zwischen den beiden Gestalten ein lohnendes Ziel abzugeben. Allerdings war sein Gesichtsausdruck nicht zu verachten gewesen, als Ironhide ihn kurzerhand überrannt hatte, um Lena ‚zurückzuerobern‘; das Mädchen hockte zitternd und in eine Wärmedecke gehüllt neben Prowl auf der Ladefläche ihres Retters. „Wahrscheinlich haben sie nirgendwo ein anderes Versteck.“, murrte Arcee. Zufrieden lehnte sie sich an Sideswipe und verschränkte die Arme; es klackte leise metallisch dabei. „Lass uns abhauen; mir frieren die Sensoren ein. Du fährst.“ Sie transformierte sich, um sich wenig später ans Steuer der silbernen Corvette zu schwingen. „Wie geht’s den anderen?“ „Optimus ist verletzt.“, gab Sideswipe artig Auskunft, „Bumblebee ist sauer, weil sie Hausarrest hat, und der Rest ist soweit in Ordnung.“ Immerhin hatte sie sich nicht wieder über Starscream aufgeregt, obwohl er nicht daran zweifelte, dass sie noch mindestens einmal versuchen würde, den Ex-vielleicht-wieder-Autobot nachts mit einem Kissen zu ersticken, sobald sie wieder auf dem Stützpunkt waren. Er würde sie im Auge behalten müssen. Zumindest hatten sie wohl dafür gesorgt, dass die Decepticons in nächster Zeit genug eigene Probleme hatten. Was nichts an der Tatsache änderte, dass zumindest einer von denen sich nicht am Kampf beteiligt hatte. Wo war Barricade abgeblieben? Dass sie über dessen Verbleib nichts wussten, war zugegebenermaßen beunruhigend; es musste einen Grund geben, warum Megatron seinem loyalsten Anhänger vornehme Zurückhaltung befohlen hatte. „Side!“ Arcee klopfte aufs Amaturenbrett. „Was ist mit Optimus?“ „Oh, äh, Megatron hat ihn durch ’ne Mauer geworfen. Aus... dem dritten Stock.“ Arcee zog die Augenbrauen zusammen. „Geht’s ihm gut? Ratchet kriegt ihn wieder hin, oder?“ „Aber klar.“ Statisches Rauschen war zu hören, als er sich auf die Suche nach einem Radiosender machte, der einigermaßen vernünftige Musik zu bieten hatte. Leider besaß er nicht Bumblebees Sinn für Musik geschweige denn dass seine Empfänger darauf ausgerichtet waren, sämtliche Funkfrequenzen dieses Planeten zu erreichen, und daher musste er sich recht bald geschlagen geben. „Was ist mit Prowl passiert?“ „Blackout hat ihm eins übergebraten, als wir Lennox‘ Tochter in Sicherheit gebracht haben.“ Arcee lehnte sich zurück und nestelte an der Sitzverstellung herum; Sideswipe verzog kurz das Gesicht und half ihr dabei. „Seine Optics sind beschädigt, aber ich denke, Ratchet kriegt auch das recht schnell wieder hin.“ Sie warf einen Blick aus dem Seitenfenster zu Lena hinüber; das Mädchen und ihr Onkel kümmerten sich um Prowl. Immerhin schien er nicht viel anderes davongetragen zu haben, was sich wohlmöglich in seiner menschlichen Gestalt nicht behandeln ließ. „Jetzt erzähl mir, was Screamer bei euch zu suchen hat!“, kommandierte sie. Sideswipe seufzte leise. „Ähm, na ja, das ist ’ne lange Geschichte. Kurz gesagt...“ „Oh, nein, gib mir die lange Version.“ Nervös wippte Bumblebee vor ihrem Laptop auf und ab. Ihr Gesprächspartner meldete sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr, und sie wusste dank diversen Internet-Lexika, was Menschen alles daran hindern konnte, sich zu melden. Sie hatte von Herzinfarkten gehört, und von etwas, das Ratchet als Schlaganfall bezeichnet hatte; vielleicht war er auch überfahren worden oder die Treppe hinunter gefallen. Fleischlinge waren so schrecklich zerbrechlich. Sie rieb sich die Nase und legte das Kinn wieder auf die Tischplatte. Noch immer rührte sich nichts; sie seufzte, stand auf und fuhr damit fort, ruhelos durch ihr Zimmer zu tingeln. Niemand da, um sich mit ihr zu beschäftigen, und auf dem Stützpunkt waren die meisten auch weg, um sich um Lena und Leo und Arcee und Prowl zu kümmern... Sie nahm auf dem Bett Platz und wippte weiter hin und her, eine blonde Haarsträhne in den Mundwinkel geklemmt. Zu Optimus konnte sie schlecht gehen, der wollte vermutlich auch seine Ruhe haben, und außerdem war es überhaupt erst ihre Schuld, dass es ihm so schlecht ging... Unbewusst kratzte sie mit einem Fingernagel über die Stelle an ihrem Arm, wo im Staudamm eine der Elektroden befestigt gewesen war. Das Message-Fenster blinkte auf; ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und sie zog ihr Laptop näher zu sich heran. Kapitel 33: Dreiunddreißig -------------------------- „Du bist der Teufel.“ Barricade schubste Thunderblast von sich herunter; sie landete platschend auf dem Rücken im Wasser des Flusses unterhalb eines kleinen bewachsenen Hanges, den sie beide gerade eben kopfüber passiert hatten. Thunderblast krümmte sich vor Lachen, eine Hand noch immer fest an Barricades Hemd, wo sie versucht hatte, sich festzuhalten, als sie gestrauchelt war. Angewidert befreite er sich von ihr. „Bleib mir bloß vom Leib!“ Noch immer kichernd ließ sie ihn folgsam vollends los und hielt sich stattdessen an einem Ast am Ufer fest, wo sie sich einen Augenblick lang festhielt um den Schlamm abzuwaschen, bevor sie sich aufrichtete und durch das etwa hüfthohe Wasser in Richtung Ufer stapfte, wobei sie versuchte, einen blutigen Kratzer an ihrem Arm zu verarzten. „Hab dich nicht so, Großer, das war lustig... was ist das?“ Einige Strudel im Wasser hatten ihre Aufmerksamkeit erregt. „Das war nicht lustig!“, zischte Barricade und unternahm einen Versuch, das schlammige Ufer hochzuklettern, „Und was du siehst, ist meine Waffe, die ich dir in – heilige Scheiße!“ Innerhalb weniger Sekundenbruchteile war er anhand einiger Wurzeln zurück ans Ufer geklettert; Thunderblast folgte ihm in ähnlichem Tempo und hielt sich dabei erneut an seinem Arm fest, um nicht abzurutschen. In Windeseile war sie über ihn hinweg gehuscht und streckte ihm oben freundlicherweise eine Hand hin, die von ihm allerdings ignoriert wurde. „Ich hab‘ von menschenfressenden Fischen gehört.“, sagte sie, streckte sich wieder auf dem Bauch aus und spähte neugierig nach unten. Barricade schien versucht, sie kopfüber erneut in den Fluss zu halten. „Bist du sowas wie ein Test meiner Selbstbeherrschung?“, fragte er knurrend, während er versuchte, seine Weste auszuwringen. Thunderblast drehte sich auf die Seite, winkelte ein Bein an und grinste, während sie wie beiläufig ihr schlammbeschmiertes Shirt ein paar Zentimeter höher zog, sodass ein wenig mehr Haut sichtbar wurde. „So, wie geht es denn deiner Selbstbeherrschung?“ Barricade verdrehte die Augen und drehte ihr demonstrativ den Rücken zu. Sie seufzte leise und sprang wieder auf. Mit einem leichten Lächeln trat sie so dicht wie möglich hinter ihn. „War das genug Entdeckung für heute?“, hauchte sie, die Lippen dicht neben seinem Ohr. Gerade noch rechtzeitig duckte sie sich, als er herumwirbelt; seine Faust krachte gegen den Baum, neben dem sie beide standen. Barricade gab einen erstickten Schmerzenslaut von sich; Thunderblast verzog das Gesicht, verkniff sich jedoch einen Kommentar dazu. Er zischte eine Beleidigung in ihre Richtung; sie grinste und hob ein wenig verlegen die Schultern. He, sie hatte nicht gewollt, dass er sich verletzte, aber sie konnte ja schlecht zulassen, dass er ihr den Kiefer oder die Nase brach. Erstens wuchs das bei ihrem Glück schief zusammen und zweitens konnte sie es sich nicht leisten, ein paar Wochen lang mit blauen Flecken im Gesicht herumzulaufen. „Ähm, ich schlage vor, wir gehen zurück zum Haus und... suchen Coolpacks für deine Hand.“ Hastig ging sie voraus, bevor er sie erwürgte. „Warum fliegen wir nicht nach Brasilien zu Barricade?“, fragte Soundwave, ohne vom Bildschirm seines Laptops aufzusehen. Blackout seufzte leise. „Frag mich nicht.“ Ihre zugegebenermaßen recht überstürzte Flucht hatte sie in ein heruntergekommenes und vermutlich heimlich bereits zum Abriss freigegebenes Hotel am Rand von Moskau gebracht; Megatron hauste im Zimmer nebenan. Soweit Soundwave das vorhin hatte hören können – und er hatte recht gute Ohren – , hatte der Deception-Anführer als erste Amtshandlung sämtliche Jalousien heruntergelassen und alle Türen verbarrikadiert. Offenbar hatte das Auftauchen der Autobots seiner Paranoia nicht gerade gut getan. Blackout lungerte auf dem zweiten Bett im Zimmer – das erste hatte Soundwave in Beschlag genommen – und drehte sich gerade eine neue Zigarette. „Soweit ich das mitbekommen habe“, fuhr er ein wenig leiser fort, „hat Megatron ein Problem damit, dass Barricade... beliebt ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber soweit ich weiß, befürchtet er, dass Barricade, wenn man ihm die Möglichkeit dazu lässt, revoltieren könnte.“ Jetzt sah Soundwave doch von seinem Laptop auf. „Ist der irre? Barricade ist so ziemlich der loyalste Anhänger, den er kriegen kann.“ Blackout hob eine Augenbraue. „War das eine ernst gemeinte Frage?“ Er steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an; langsam ließ er sich zurück aufs Bett sinken und blies den Rauch in die Luft. „Wo ist Bonecrusher?“ „Hat Brawl mitgenommen und geht sich was zu trinken besorgen.“ Soundwave fuhr sich durch die blonden Strähnen. „Wag es bloß nicht, dir jetzt die Birne wegzukiffen; ich brauch‘ hier wenigstens einen geistig normalen Gesprächspartner.“ „Hast doch Scorponok.“ Soundwave schnaubte leise, antwortete jedoch vorsichtshalber nicht darauf; Blackout war äußerst empfindlich, was die besagte Person anging. „Bist du verletzt?“ „Nein.“ Firestorm lehnte den Hinterkopf gegen die Metallwand des Hubschraubers. „Was ist mit dir, hat Arcee was von dir übrig gelassen?“ Starscream lächelte müde, sagte jedoch nichts. „Was hat sie gegen dich.“ „Lange Geschichte.“ Und die wollte er nicht unbedingt vor ihr ausbreiten, schon gar nicht, während Sixshot ihnen gegenüber saß und ihn mit eisigen Blicken durchbohrte. Der Söldner hatte durchaus einige Kratzer davongetragen, und offenbar suchte er in Starscream den Alleinschuldigen dafür. Mit Mühe unterdrückte der Ex-und-schon-wieder-Autobot den Impuls, sich mehr oder minder hinter Firestorm zu verstecken. Diese schlang einen Arm um seinen Rücken und lehnte den Kopf an seine Schulter. „Jetzt rück schon raus mit der Sprache.“ Starscream verzog das Gesicht. „Können wir das nicht auf dem Stützpunkt klären?“ „Ich will wenigstens wissen, warum ich dir auch noch vor ihr den Arsch retten soll.“, knurrte Firestorm. Sixshot schnaubte leise und wandte demonstrativ den Blick ab. „Wir hatten als Autobots miteinander zu tun.“, wich Starscream aus, „Wir, ähm, waren nicht unbedingt Freunde.“ Das war nett gesagt. Die Feindschaft war offensichtlich weit genug gegangen, als dass Arcee sich geweigert hatte, denselben Hubschrauber zu besteigen wie er. Schlimmstenfalls würden sie Schlichtungsversuche von Prime über sich ergehen lassen müssen; der Gedanke behagte ihm ganz und gar nicht. Er würde selbst mit Arcee sprechen müssen, wenn sich die Gelegenheit ergab. Kapitel 34: Vierunddreißig -------------------------- Mit vor der Brust verschränkten Armen stand Thunderblast dort, nur in einem T-Shirt und Slip – ihre restlichen Sachen hingen bereits zum Trocknen draußen unter einem Moskitonetz – und starrte die Badezimmertür an. Barricade war als erstes unter die Dusche verschwunden, kaum, dass sie wieder zurück zum Haus gefunden hatten, und hatte ihr auch nicht erlaubt, nach seiner Hand zu sehen; sie würde ihn später davon überzeugen müssen. Im Augenblick allerdings wollte sie eine Dusche, und das dringend; sie konnte gewissermaßen spüren, wie viel Sand und Schmutzwasser sich noch in ihren Haaren befand. Sie verschränkte die Arme noch ein wenig fester. Barricade hatte offensichtlich beschlossen, die Dusche für längere Zeit zu blockieren. Thunderblast presste die Lippen zusammen. Schließlich öffnete sie die Badezimmertür, legte T-Shirt und Slip ab, und trat zur Dusche hinüber. Barricade musste zweifellos gespürt haben, dass sie da war, doch er stand nach wie vor reglos unter dem warmen Wasserstrahl (immerhin hatten sie fließendes Wasser; sie hatte für einen Augenblick daran gezweifelt), ohne ihr das Gesicht zuzuwenden. Seine verletzte Hand hatte beängstigende Farbtöne angenommen; für Sekundenbruchteile zog sie mitleidig die Unterlippe zwischen die Zähne. Schön, sie hatte ihm zwar eine Abreibung verpassen wollen – sie würde keinem verdammten Kerl gestatten, sie ins Gesicht zu schlagen, heilige Scheiße! – , aber er war ihr auf seltsame Art sympathisch, und sie hatte nicht gewollt, dass er sich derartig verletzte. Üblicherweise machte sie sich nicht allzu viele Gedanken darüber, ob ein Kerl sie mochte, und sie hatte in ihrem Leben schon eine Menge Kerle getroffen. Die meisten waren nicht besonders nett zu ihr gewesen, sondern lediglich ziemlich scharf auf sie, und dafür hatte sie einen gewissen Machtstatus bekommen, manchmal auch einfach Geld, und schlimmstenfalls eben ein Dach über dem Kopf oder eine warme Mahlzeit. Es hatte Augenblicke in ihrem Leben gegeben, da hatte sie alles getan für eine tägliche Portion Energon und die Gewissheit, nicht einsam zu sein, zumindest körperlich. Barricade hatte bisher keinerlei Interesse an ihr gezeigt, obwohl sie sich zugegebenermaßen von ihm angezogen fühlte. Erstens sah er gar nicht so schlecht aus – in keiner Gestalt, die sie von ihm kannte – , und zweitens war er, seit Starscream sich aus irgendeinem Grund davongemacht hatte, der Vize der Decepticons. Wenn sie ihm gab, was er wollte – was er leider im Augenblick noch nicht von ihr wollte – , dann konnte sie vielleicht einen gewissen Einfluss ausüben. Andererseits... er benahm sich wie ein Sparkling, zumindest gelegentlich. Die Sache mit den Smarties vorhin war beinahe eine Art freundschaftliches Herumgeplänkel gewesen, das war etwas neues, das sie definitiv noch nicht kannte. Das war interessant. Barricade zeigte immer noch keine Regung; vielleicht hatte er sie tatsächlich nicht bemerkt, aber sie zweifelte daran. Er war ein erfahrener Soldat – sie konnte die Narben unzähliger Schlachten auf seinem Körper erkennen – und ganz sicher war er es auch gewohnt, belauert zu werden. Vielleicht hatte er nicht allzu viel gegen ihre Gesellschaft. Einem Impuls folgend trat sie zu ihm unter das warme Wasser. Unwillkürlich bekam sie eine Gänsehaut, hätte allerdings nicht sofort sagen können, ob das von der Wärme kam oder seiner plötzlichen Nähe. Er war ganz und gar nicht unansehnlich... Spätestens jetzt hatte er sie definitiv bemerkt; er zog die Augenbrauen zusammen und fixierte sie ganz und gar nicht erfreut. „Verschwinde.“, grollte er. Sie schmunzelte. „Wir haben nur eine Dusche, Soldat, und es gibt nichts widerlicheres als kalten Schlamm.“, antwortete sie und griff nach der Seife, „Also stell dich nicht so an, ich werd‘ dich schon nicht beißen.“ Sein Blick sagte eindeutig, dass er da bei ihr wohl weitaus weniger Skrupel gehabt hätte. „Von Privatsphäre hältst du nicht allzu viel, oder?“, zischte er, „Hast du deine Ausbildung mit Vögeln zugebracht?“ Schlagartig fühlte sich das Wasser wesentlich kälter an. „Ja.“, antwortete sie kühl und machte sich daran, sich zu waschen. Er schnaubte. „Hau ab!“ Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, schnappte sich kurzerhand die Seife und verschwand außerhalb der Duschkabine zum Waschbecken, um sich dort die Haare zu waschen. Barricade verdrehte die Augen, sagte jedoch nichts. Im Zimmer war es dunkel, und das war auch gut so, denn im Dunkeln würde ihn niemand sehen können. Zumindest keine aufdringlichen Fleischlinge; mit deren Sehkraft war es nicht allzu weit her. Abgesehen davon mochte er es, wenn es dunkel war, und still. Die schönsten Momente seines Lebens verband er mit Dunkelheit und viel Stille, und noch viel mehr Kälte. Eigentlich musste er dem Jungen beinahe dankbar sein. Metall und Plastik gruben sich in seine Handinnenfläche; die Spitze des Dartpfeils hatte sich zwischen seinen Fingern bereits völlig verbogen. Jemand klopfte zaghaft an die Tür seines Zimmers. Er verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und zischte ein halblautes ‚Herein!‘. Es war Scorponok, die den Raum betrat, den Kopf unterwürfig zwischen die Schultern gezogen. „Entschuldigt die Störung, Sir.“, sagte sie leise. Offensichtlich fehlte nicht viel, und sie wäre vor ihm auf die Knie gefallen. Natürlich wäre sie das. Jeder andere, der da draußen in dem Zimmer herumlungerte, in dem es viel zu hell war und viel zu laut, wäre es vermutlich auch. Es widerte ihn an, diese demonstrativ zur Schau gestellte Unterwürfigkeit, als befürchteten sie, dass er sie alle mit einem Blick umbrachte, wenn er ihnen nur einen Grund lieferte. Er brauchte keinen Grund dazu. Sie alle widerten ihn an, und am meisten das kriecherische Wesen, das gerade den Raum betreten hatte, und sich offensichtlich alle Mühe gab, Starscream in Sachen Unterwürfigkeit zu übertreffen. Er antwortete nicht auf ihren zaghaften Entschuldigungsversuch. Sie hatte die Tür einen Spalt weit offen gelassen, um sich im Dunkeln zurecht zu finden. Das Licht schmerzte in seinen empfindlichen Optics, die eigentlich gar nicht mehr an Tageslicht gewöhnt waren. Er hatte eine Menge Zeit in Kellern und dunklen Räumen verbracht, um ein bisschen von der Ruhe wiederzufinden, die er dort gehabt hatte, in der Dunkelheit und Stille des Meeresgrundes. „Sir.“, setzte Scorponok zögerlich an, „Nicht, dass Ihr mich missversteht, Sir, aber wir fragen uns, wie lange wir hier bleiben sollen. Und w-was wir wegen des Mädchens unternehmen. Die Autobots haben-“ „Halt’s Maul!“ Wutentbrannt schleuderte er den Dartpfeil nach ihr, traf jedoch nicht; sie zuckte dennoch zusammen. „V-Verzeihung, Sir.“, hauchte sie. Offensichtlich befürchtete sie, dass er auf den Gedanken kam, sie zu schlagen. Die Versuchung war groß, und die Versuchung war noch größer, ihren hübschen Kopf so lange gegen die Wand zu schmettern, bis ihr Schädel die Konsistenz eines faulen Apfels erreicht hatte. Leider brauchte er sie vermutlich noch. Sie hatten wenig genug Leute auf diesem Planeten, und waren auf jeden einzelnen angewiesen. Erst vor wenigen Tagen hatten sie Ravage verloren... Soundwave schien mit dem Verlust seines Bruders recht gut über die Runden zu kommen, so weit er das bisher mitbekommen hatte, und er bestand darauf, dass jeder ihm täglich artig seinen Bericht ablieferte. Soundwave hatte keinen allzu deprimierten Eindruck gemacht, offensichtlich kam er gut zurecht. „Sir.“, sagte Scorponok vorsichtig und deutlich leiser. „Was?“, zischte er. „Ich... habe eine Möglichkeit gefunden... u-unseren Nachschub zu sichern. Unseren... Nachschub an Truppen, Sir.“ Megatron verengte die Augen noch ein wenig schmaler. „Was soll das heißen?“ „Die Menschen, Sir.“, fuhr Scorponok fast atemlos fort, „Ich meine, die Fleischlinge. Sie reproduzieren sich... auf gewisse Art und Weise. Im Augenblick... besitzen wir menschliche Gestalt, also... nun, Ravage und ich haben... nur ein Experiment, Sir, aber es funktioniert. Offensichtlich.“ Besser, sie versorgte ihn da nicht mit Details; er wollte es auch gar nicht so genau wissen. Er war sich durchaus im Klaren darüber, wie Fleischlinge sich fortpflanzten, aber es war ihm genau genommen egal. Nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Das ist gut.“, sagte er langsam. Zugegeben, er hatte sie wohl unterschätzt. Sie hatte ohne seine Erlaubnis gehandelt, aber er hatte es ihr auch nicht verboten. Manche von ihnen hatten gelegentlich Kontakt zu weiblichen Fleischlingen gehabt – Barricade ziemlich oft – , Scalpel und Shockwave würden vermutlich die nötigen Experimente veranlassen können, die ihnen verrieten, ob sie dazu weibliche Fleischlinge nutzen konnten. Obwohl ihm der Gedanke ganz und gar nicht behagte, sich mit ihnen zu mischen. Er würde ein paar weitere weibliche Decepticons hierher beordern müssen. Auf diese Art und Weise war schließlich auch früher schon für Nachschub gesorgt worden; nicht alle Decepticons waren ehemalige Autobots, und schon im Krieg waren viele als Decepticons geboren worden. In diesem Fall waren es eben keine Sparklinge – die zu ernähren war ohnehin verflucht schwierig; nach allem, was er wusste, hatten die Menschen es einfacher – , sondern anfangs Fleischlinge, die... hoffentlich in der Lage sein würden, sich zu transformieren. Dieses erste Resultat, von dem Scorponok gesprochen hatte, würde der Prototyp sein, und wenn es funktionierte, nun... das war doch eine akzeptable Alternative. „Danke, Sir.“ Scorponok lächelte scheu; er bedeutete ihr mit einer knappen Handbewegung, zu verschwinden. Er musste nachdenken, und das ging am besten, wenn er seine Ruhe hatte. Glücklicherweise hatten sie eine Erste-Hilfe-Ausrüstung hier, und Thunderblast hatte das Coolpack bereits bei ihrer Ankunft in den Kühlschrank gesteckt. Das hellblaue Plastikkissen in den Händen, kehrte sie zu Barricade zurück, der sich auf seine Liege zurück verzogen hatte, dort auf dem Rücken unter seinem Moskitonetz lag und die Decke anstarrte. „Gib mir deine Hand.“, sagte sie ruhig. Schlagartig verengte er die Augen kaum merklich und fixierte sie sichtlich argwöhnisch. „Was willst du?“ „Ich will mir deine verletzte Hand ansehen.“, wiederholte sie ruhig, „Lass mich sehen.“ Das Coolpack hielt sie vor sich in der Hand. „Das hier ist nur zum Kühlen.“, sagte sie rasch, als ihr klar wurde, dass er offensichtlich befürchtete, dass sie ihm die Hand gleich abhackte. Nach wie vor sichtlich misstrauisch hob er die Hand. Sie steckte das Moskitonetz nach oben und nahm neben ihm auf der Liege Platz; ruckartig setzte er sich auf. Unwillkürlich musste sie ein Lächeln unterdrücken; er benahm sich wie ein Sparkling, der Angst vor einem Arzt hatte. ... nun ja, bei den Ärzten, die sich auf Decepticon-Seite herumtrieben, hatte wohl jeder Angst. Scalpel zum Beispiel hegte eine außergewöhnliche Abneigung gegen jede Form von Narkosemitteln. Sie griff nach seinem Unterarm, um seine Hand zu heben, und legte das Coolpack darum, selbst erstaunt darüber, wie sanft sie das tat. Er verzog unwillkürlich das Gesicht und sie konnte sehen, wie die Muskeln an seinem Kiefer sich anspannten, als er anfing, auf seiner Wange herumzukauen. „Halt still.“, sagte sie sanft und machte sich daran, das Coolpack mit einer Rolle Verband an seiner Hand zu fixieren. Nach wie vor argwöhnisch beobachtete er sie dabei und rechnete offenbar jeden Moment damit, dass sie ihm irgendetwas antat. Nun ja, üblicherweise verarzteten Decepticons sich auch nicht gegenseitig. Sie war fertig mit dem Verband; seine Hand ruhte samt Coolpack auf ihrem Oberschenkel. Er regte sich nicht, und sie ebenfalls nicht; behutsam hielt sie seine Finger zwischen ihren fest. Ein seltsames Prickeln breitete sich über ihre Hände aus und schien langsam ihre Arme empor zu wandern. Ruckartig brachte sie sich zurück in die Gegenwart. „Lass das Coolpack drauf.“, sagte sie ruhig, „Das hilft gegen die Schmerzen und die Schwellung. Das wird schon wieder.“ Ihre Stimme hatte den Bann gebrochen, der sich für wenige Sekunden zwischen ihnen ausgebreitet hatte; er nickte knapp und rutschte auf dem Bett langsam wieder nach unten, um den Blick wieder an die Decke zu richten. Vielleicht etwas zu ruckartig erhob sie sich und eilte zurück ins Badezimmer, wo sie aus irgendeinem merkwürdigen Reflex ihre Hände unter den inzwischen relativ kalten Wasserstrahl aus dem Wasserhahn hielt, vielleicht in der Hoffnung, das eigenartige Gefühl von vorhin abwaschen zu können. Im Schlafzimmer regte sich kein Muskel in Barricades Gesicht oder an seinem Körper; abgesehen von einem kurzen Blick zu dem Verband an seiner Hand hin blieb er völlig still liegen, und nichts deutete darauf hin, dass unter der scheinbar erkalteten Oberfläche ein Sturm tobte. Kapitel 35: Fünfunddreißig -------------------------- 10. Oktober. Langsam zog Lena die Füße auf den Sitz und lehnte den Rücken gegen die Beifahrertür. Es dauerte einen Augenblick, bis ihr klar wurde, dass Optimus vermutlich nicht allzu begeistert davon war, wenn sie seine Sitze mit den Schuhen bearbeitete; hastig stellte sie die Füße wieder auf den Boden und setzte sich aufrecht hin. In der Hangarhalle war es stockfinster; es war zwei Uhr morgens, wie ihr die blinkenden Ziffern auf ihrer Armbanduhr verrieten. „Kannst du nicht schlafen?“, erklang Optimus‘ leise Stimme aus dem Radio. Offensichtlich hatte ihre Bewegung ihn geweckt, oder er war bereits wach gewesen. Langsam fuhr sie sich durch die braunen Haare. „Mmh.“, murmelte sie. Optimus schwieg einen Moment lang, dann setzte er sich in Bewegung und rollte nach draußen auf den Hof. Ein leichtes Lächeln huschte über Lenas Gesicht, als sie einen Blick Richtung Himmel warf – obwohl es bereits Herbst war, waren die Sterne klar und deutlich am Himmel zu erkennen. Sie lehnte sich wieder ein wenig mehr zurück. „Tut mir leid, dass du meinetwegen so viel abgekriegt hast.“, sagte sie nach einer Weile. Optimus lachte leise. „Du kannst mir glauben, ich hab‘ schon schlimmer ausgesehen.“ Sie lächelte müde, sagte jedoch nichts. Stattdessen rollte sie sich wieder ein wenig dichter auf dem Sitz zusammen und zog sich ihre Decke um die Schultern. „Wer ist Fallen?“ „Hmm?“ Auf Optimus‘ Armaturenbrett leuchteten ein paar der Instrumente wieder auf; offensichtlich hatte sie sein Interesse geweckt. „Eine Art Ur-Decepticon. Er ist tot... wieso fragst du?“ „Megatron hat von ihm gesprochen.“ Nachdenklich zupfte sie an einer ihrer Haarsträhnen. „Er hatte irgendetwas mit der Allspark-Energie vor; dazu hat er mich gebraucht.“ „Hat er gesagt, was genau er vorhatte?“, fragte Optimus argwöhnisch; offenbar befürchtete er irgendetwas verdammt unerfreuliches. Lena schüttelte den Kopf. „Nein, hat er nicht.“ „Verdammt.“ Einen Augenblick lang herrschte nachdenkliche Stille. „Schlaf ein bisschen.“, sagte Optimus schließlich sanft, „Mach dir keine Sorgen, ich werd‘ auf dich aufpassen.“ Nachdenklich stützte Firestorm den Kopf in die Hände und beäugte den schlafenden Ex-Ex-Autobot neben sich auf dem Bett. Mit einem leisen Murren drehte sie sich wieder auf den Rücken und widerstand dem Impuls, mit den Beinen zu strampeln. Dass sie nachts die Gebäude nicht verlassen durften, war leider ihre eigene Schuld; es hatte der NEST-Führung gar nicht gefallen, dass sie sich einfach so hier hatte einschleichen können. Und innerhalb der Gebäude herrschte Rauchverbot. Nicht, dass sie sich daran hielt, aber sie mussten sich an die Regeln halten, die von den Autobots gemacht wurden, zumindest theoretisch... Im Augenblick hatte sie allerdings keine Lust, in irgendeine nicht überwachte Ecke zu schleichen, um zu rauchen, und wenn sie das Fenster aufmachte, dann weckte sie Starscream vermutlich. Sie drehte sich wieder auf den Bauch und ließ das Gesicht auf das Kissen sinken. Als sie wieder aufsah, hatte Starscream die Wange in eine Handfläche gestützt und beobachtete sie. Um ein Haar wäre sie aus dem Bett gefallen; leise knurrend kroch sie zu ihm zurück und gab ihm eine Kopfnuss. „Schlaf.“ „Danke schön.“, antwortete er und schmunzelte, bevor er sanft einen Arm um sie schlang und sie etwas dichter an sich zog. Sachte klopfte sie ihm auf den Unterarm, ließ ihn jedoch gewähren. „Jetzt leg dich wieder hin.“, verlangte sie, „Du musst deine Schulter schonen.“ Folgsam ließ er sich wieder auf den Rücken sinken, ließ sie jedoch nicht los. Zufrieden schmiegte sie sich an ihn und schob ein Bein sachte über seinen Oberschenkel. „Arcee war noch nicht hier, um dich mit einem Kissen zu ersticken.“, sagte sie leise und zwickte ihn sachte in die Seite. Starscream verzog das Gesicht und schloss demonstrativ die Augen, um ihrer Stimme auszuweichen. Argwöhnisch behielt sie ihn im Auge, während sie das Kinn auf seiner Schulter ablegte. „Du hast mir immer noch nicht gesagt, was zwischen dir und ihr gelaufen ist.“ Er seufzte leise. „Sie hat im Krieg die Seiten gewechselt. Okay? Ich meine, sie war eine Decepticon. Sie ist übergelaufen.“ Firestorm schob die Unterlippe vor. „Ich weiß. Jeder weiß das, bei den Decepticons endet das Ganze nur etwas anders. Als ich in der Ausbildung war, hat man uns erzählt, sie und Chromia wären von Autobots in einen Hinterhalt gelockt worden. Megatron selbst ist hingegangen und hat versucht, sie zu retten, aber alles, was er gefunden hat, war ihr linker Arm. Von da an hat keiner mehr versucht, aus dem Camp abzuhauen, wenn du verstehst, was ich meine.“ Starscream lächelte müde. „Ja, ich kenn‘ die Geschichte.“ Er hatte die Augen wieder geöffnet und drehte ihr nun den Kopf ein wenig zu. „Die Sache ist aber ein bisschen komplizierter. Sie sind von den Bots gefangen genommen worden, das ist wahr... ich weiß nicht genau, was da gelaufen ist, die haben sie wohl verhört oder irgendetwas in der Art, und irgendwie... na ja, sie hat sich wohl in den Offizier verknallt, der mit ihr geredet hat, und der hat ihnen beiden dann angeboten, sie zu Bots zu machen. Sentinel Prime fand das nicht allzu toll und hat versucht, ihr irgendetwas anzuhängen – Chromia hat sich gut eingefügt, aber sie hatte leider immer noch ihren eigenen Kopf, verstehst du?“ Sachte glitten seine Finger Firestorms Rücken auf und ab; ein kaum merklicher Schauder lief über ihre Haut. Deshalb schlief sie lieber in menschlicher Gestalt als in ihrem Carmode. „Also hat Prime, ich meine, Optimus Prime, vorgeschlagen, sie könnte... gewissermaßen undercover arbeiten. Als Spion, bei den Decepticons. Der Rat hat die Bedingung gestellt, dass sie jemand begleitet, der sich als Überläufer tarnt, damit es so wirkt, als habe ihr jemand beim Abhauen geholfen... und sie hat zugestimmt, unter ihrer Bedingung wiederum, dass der Offizier, mit dem sie inzwischen eine Affäre hatte, ihr Verbindungsmann zu den Autobots wird, weil sie nur ihm und Optimus Prime vertraut hat. Nicht einmal ihrem Partner.“ Flüchtig küsste er Firestorm auf die Stirn; sie zog die Nase kraus. „Ich schätze, sie ist aufgeflogen, mmh?“, fragte sie ruhig. „Mehr oder weniger.“, antwortete Starscream leise. Sachte ließ er die Fingerspitzen über Firestorms Wange wandern, ihren Hals ein Stückchen hinab bis in ihr Genick, um sachte die weiche Haut dort zu streicheln. „Es konnte ja niemand wissen, dass ihr... Partner längst für sich beschlossen hatte, dass es eine ziemlich dumme Idee war, in einem Krieg auf der Seite der potentiellen Verlierer zu stehen. Megatron ist in der Wahl seiner Leute aber recht wählerisch, er wollte einen Treuebeweis... na ja, den hat er dann ja auch bekommen. Die Koordinaten für den nächsten Informationsaustausch sind ihm wohl, hm, irgendwie in die Hände geraten, damit war ihre Tarnung natürlich hinfällig, das... ist ihr nicht besonders gut bekommen. Und... ihrem Freund auch nicht.“, fügte er vorsichtig hinzu, „Ihrem Freund noch schlechter als ihr, denn Megatron hat ihn gleich umgebracht. Bei ihr war er immerhin... freundlich genug, sie eine Weile... aufzubewahren, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob man das als Freundlichkeit werten sollte. Das muss der Teil der Geschichte sein, wo er... mit ihrem Arm in dem Ausbildungscamp aufgetaucht ist.“ Firestorm verzog das Gesicht, sagte jedoch nichts. „Na ja, Optimus Prime hat sie jedenfalls gerettet, eine... eine Weile später.“, fuhr Starscream hastig fort, „Und...“ Firestorm legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Wie lange später?“, fragte sie ruhig. „Drei Jahre.“, murmelte Starscream und versuchte, ihrem Blick auszuweichen, was sich im Liegen als mehr als kompliziert gestaltete. Firestorm nickte langsam. „Verstehe.“ Einen Augenblick lang musterte sie ihn. „Sie hat blaue Optics.“, sagte sie, noch immer vollkommen ruhig, „Sind das...“ „Ersatzteile.“, murrte Starscream, „Wenn sie blind ist, kann sie nicht abhauen, verstehst du?“ Mit einem leisen Seufzen lehnte er sich ein wenig zurück, um sie besser anschauen zu können. „Dir ist bestimmt auch aufgefallen, dass sie nur mit rechts gefeuert hat. Und Sideswipe steht immer links von ihr. Er schützt ihre schwache Seite.“ „Hmh.“ Sachte fuhr Firestorm mit zwei Fingern seine Brust hinab. „Was ist aus ihrem Partner geworden?“ Starscream seufzte leise. „Der wurde recht schnell Megatrons rechte Hand, weil Megatron ihn genau im Auge behalten wollte. Außerdem war er ein recht guter Pilot, wenn auch ein beschissener Schütze, und Megatron brauchte einen Air Commander. Ich musste ja keinem Schießen beibringen.“ „Verstehe.“, wiederholte Firestorm. Sie ließ die Wange wieder an seinen Oberarm sinken; Starscream strich ihr sachte über den Hinterkopf. „Vertraust du mir?“, fragte er leise. Firestorm schnaubte leise. „Schatz, wenn ich böse auf dich wäre, würdest du es merken, und glaubst du wirklich, von uns hat in seiner Karriere keiner Mist gebaut? Du würdest dich wundern, und vermutlich müsste ich dir diese und noch ein paar ganz andere Fragen stellen, wenn du wüsstest, was ich in meiner Laufbahn schon alles getrieben habe. Also hör um Himmels Willen mit dem Unsinn auf, du hast ja schließlich nicht mich angeschwärzt, und jetzt lass mich schlafen, ich bin müde.“ Mit diesen Worten rollte sie sich an seiner Brust ein und kniff demonstrativ die Augen zusammen. Starscream lachte unwillkürlich; sanft zog er sie wieder etwas mehr an sich und schaffte es, ihre Lippen mit einem kurzen Kuss zu streifen. „Ich liebe dich.“ Sie grollte leise, was er in seinem Sinne als Zustimmung deutete. Offenbar hatte sie vergessen, das Fenster zu schließen, und jetzt nervte sie das blöde Moskitonetz. Mit einem unerfreuten Geräusch schob sie das blöde Ding von ihrem bloßen Unterarm und drehte sich auf die andere Seite, das Gesicht zur Wand, ohne die Augen zu öffnen. Wenig später war es wieder da; federleicht streifte etwas ihren Arm. Thunderblast öffnete ein Auge; mit einem Aufschrei sprang sie aus dem Bett, packte die Flasche auf dem Tisch und prügelte damit auf den fast rattengroßen Käfer ein, der sich in ihrem Bett breit gemacht hatte. Sie traf nicht, aber der Störenfried rollte von der Matratze und verschwand schleunigst unter dem Bett. Schwer atmend blieb sie daneben stehen, die Flasche immer noch über dem Kopf, und hielt Ausschau nach weiteren Exemplaren. „Na, juckts, Schätzchen?“, erklang eine sichtlich unerfreute Stimme hinter ihr. Sie zischte leise, hüpfte zurück aufs Bett, wo sie sich auf dem Bauch ausstreckte und darunter spähte. Barricade hob die Augenbrauen und legte den Kopf ein wenig schief, sagte jedoch nichts mehr. Thunderblast verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, die Flasche rollte unters Bett und der Käfer hinterließ einen unschönen Schmierfleck an der Wand. „Es ist nur ein Käfer, Herzchen.“, bemerkte Barricade, als sie durch ihr Bett kroch und sämtliche Kissen anhob, um potentielle Verwandte des Käfers rauszuwerfen. „Einer von Rattengröße!“ Sie stöhnte leise und ließ sich wieder auf die Matratze sinken. „Da will ich dich mal sehen!“ Er schnaubte und schob die Waffe, die er vorhin bei ihrem Aufschrei alarmiert gezogen hatte, wieder unter sein Kopfkissen – mit der linken Hand, wie sie bemerkte; offenbar schmerzte seine Rechte immer noch. Sie unterdrückte die aufkommenden Schuldgefühle und versuchte, nicht allzu deutlich seine Hand anzustarren; stattdessen warf sie ihm den bittendsten Blick zu, dessen sie fähig war. Er verdrehte die Augen. „Was willst du?“ Sie schob die Unterlippe noch ein wenig mehr vor. „Dich suchen offenbar keine Käfer heim.“ Er schnaubte und drehte ihr demonstrativ den Rücken zu. Sie verschränkte ihrerseits die Arme, blieb auf dem Rücken liegen und fixierte frustriert die Aufhängung des Moskitonetzes an der Decke. Jeder andere wäre mehr als dankbar gewesen, wenn sie zu ihm unter die Decke gekrochen wäre, aber nein, der Herr hatte ja Ansprüche... Mit einem leisen Seufzen schloss sie die Augen wieder. Im selben Augenblick ertönte von der anderen Seite des Zimmers aus ein markerschütternder Aufschrei; wenig später fand sie Barricade neben sich und das Moskitonetz säuberlich um die Matratze herum festgesteckt vor. Langsam dirigierte sie ihren Kopf ein paar Zentimeter zurück, um ihn besser ansehen zu können. „Möchtest du drüber reden?“, fragte sie freundlich. „Halt’s Maul!“, zischte er, „Die Beine waren so lang wie mein Unterarm, ich schwör’s dir!“ „Hmh.“ Sie rutschte ein wenig dichter zu ihm, nur für den Fall, dass an der Wand auch noch irgendwelche Spinnen, Käfer oder ähnliches lauerten, die sich durch das Netz fressen konnten. Der Bequemlichkeit halber platzierte sie ihren Kopf neben seiner Schulter, die Wange an seinen Oberarm gelehnt. Vielleicht sollte sie... nein, er hatte bereits mehrfach kundgetan, dass er nicht das geringste Interesse an dieser Art von Gesellschaft ihrerseits hegte... Ebenfalls rein der Bequemlichkeit halber platzierte Barricade die verletzte Hand auf ihrer Hüfte; schließlich hatte sie gesagt, sie solle seine Hand hochlegen, und außerdem konnte er so verhindern, dass sie sich großartig bewegte. Unwillkürlich zuckten Thunderblasts Mundwinkel kaum merklich; sie schloss die Augen wieder. „Schlaf gut.“, murmelte sie aus einem Impuls heraus. Barricade schnaubte leise, doch er rückte ein wenig dichter zu ihr. Der Bequemlichkeit halber. Kapitel 36: Sechsunddreißig --------------------------- „Wach auf, Sonnenschein.“ Sie öffnete ein Auge bis zur Hälfte und kroch gleichzeitig ein wenig mehr unter ihre Bettdecke. Sideswipes Stimme folgte ihr. „Wach auf, wach auf. Schau mal, was ich für dich habe.“ Vorsichtig brachte er ein Trinkpäckchen mit rosafarbenem Aufdruck in ihr Sichtfeld; Arcee öffnete das Auge ein wenig weiter, bevor sie rasch nach dem kleinen Pappkarton mitsamt Strohhalm griff und damit vollends unter die Bettdecke verschwand. Wenig später konnte man von dort hören, wie sie zufrieden die Erdbeermilch schlürfte. Sideswipe schmunzelte und tätschelte zufrieden das zusammengerollte Etwas unter der Bettdecke. Arcees Hand tastete sich unter der Bettdecke hervor und stellte das Tetrapack auf den Nachttisch, bevor sie sich Sideswipes Hand schnappte und diese mit sich unter die Decke zog. Mit einem Lächeln tätschelte er ihren Rücken. „Komm schon, ich schätze, die anderen warten schon.“ Kurz hob er mit der freien Hand die Decke an und musterte sie. „Außerdem trägst du mein T-Shirt.“ Arcee öffnete das andere Auge ebenfalls einen Spalt breit, packte seinen Hosenbund und zog ihn zu sich ins Bett. Sideswipe grinste, unternahm jedoch einen schwachen Versuch, sich aus ihren Armen zu winden, während sie sich, alle Viere von sich gestreckt, auf seinem Bauch platzierte, um ihn festzuhalten. „Mein süßer Kampfzwerg, ich komme gerne später auf den Angebot zurück, aber wir haben eine Besprechung.“, ächzte er. Arcee schob die Bettdecke über sein Gesicht. „Mmh.“, murmelte sie und legte die Wange auf seine bloße Brust. Sachte wuschelte Sideswipe ihr durch die dunklen Haare. „Komm, gib mir mein Shirt, und dann gehen wir nach oben.“ Arcee kicherte leise und begann zu zappeln; es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, dass sie das Shirt auszog. „Weißt du“, murmelte Arcee und warf das Shirt aus dem Bett, „es wäre eigentlich nur gerecht, wenn du auch was ausziehen würdest.“ „Wir kommen zu spät.“, gab Sideswipe zu bedenken. Arcees Finger glitten seinen Bauch hinab zu seinem Hosenbund; unwillkürlich kroch ein Schauder über Sideswipes Haut. Die Fembot grinste und machte sich daran, seinen Gürtel zu öffnen; flüchtig streifte sie seinen Bauchnabel mit den Lippen. Sideswipe gab einen zufriedenen Laut von sich und schlang die Arme ein wenig fester um sie. „Wann hattest du eigentlich vor, mir zu sagen, dass du dich von Ravage hast schwängern lassen?“, fragte Blackout leise. Scorponok schnaubte verächtlich und würdigte ihren Bruder keines Blickes. „Zu deiner Information, Ravage ist tot, und es geht dich überhaupt nichts an, was ich tue. Unser Herr ist sehr zufrieden mit mir, ich könnte im Rang aufsteigen.“ Blackout schnaubte leise. „Es gibt keine freie Stelle für dich. Ich bin sein neuer Air Commander, und Barricade ist seine rechte Hand. Du brauchst hier nicht den Brutkasten zu spielen, du weißt doch überhaupt nicht, wie man mit einem Sparkling umgeht.“ „Ein Glück, dass ich auf deine ausführliche Erfahrung zurückgreifen kann.“, frotzelte sie und ließ sich auf der Fensterbank nieder, „Ich weiß genau, was ich tue.“ Soundwave hob eine Augenbraue, ohne von seinem Laptop aufzuschauen; offenbar hatte er da seine Zweifel. „Wir fliegen bald nach Brasilien.“, fuhr Scorponok ein wenig ruhiger fort, „In ein paar Wochen. Wenn Megatron sich reisefähig fühlt.“ „Er ist unverletzt.“ Um ein Haar wäre Scorponok ihrem Bruder an die Kehle gesprungen. „Willst du eine direkte Order infrage stellen?“, zischte sie, „Wir bleiben, bis er etwas anderes sagt!“ „Na klar.“ Mit einem Seufzen ließ Blackout sich zurück aufs Bett sinken und starrte einen Augenblick lang reglos an die Decke, bevor er sich auf die Suche nach seinen Zigaretten machte. „Wag es bloß nicht, hier drin zu rauchen!“, knurrte Scorponok, „Ich schleppe das Ding sicher nicht neun Monate lang mit mir herum, um es anschließend wegzuwerfen, weil du es mit Nikotin verseucht hast!“ Blackout verdrehte die Augen und stand auf, um nach draußen zu verschwinden. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, unternahm Soundwave einen unauffälligen Versuch, möglichst mit dem Bett zu verschmelzen, um nicht als nächstes das Ziel von Scorponoks Zorn zu werden. Glücklicherweise hatte Brawl in ihrer Nähe auf der Fensterbank Platz genommen; Scorponok warf ihm einen so eisigen Blick zu, dass der Decepticon unwillkürlich ein wenig zurückwich. Soundwave unterdrückte ein Schmunzeln und widmete sich wieder seinen Chatkontakten. Genauer gesagt, einen Chatkontakt, den er bereits seit einigen Tagen aufrechterhielt; offensichtlich gab es auf diesem Planeten doch noch Fleischlinge, die zumindest ein bisschen mit seinen Interessen kompatibel waren. Hatte Barricade nicht gelegentlich, äh, Kontakt zu weiblichen Fleischlingen gehabt? Leider war der nicht hier, und er konnte ihn nicht diesbezüglich um Rat fragen, ganz zu schweigen davon, dass Barricade ihn vermutlich eher ausgelacht hätte als ihm zu antworten. Thunderblast hatte selbst nicht damit gerechnet, eine erstaunlich gute Köchin zu sein. Tatsächlich allerdings schien das, was sie in die Pfanne befördert hatte, zumindest ansatzweise essbar zu sein; zumindest roch es gut, auch, wenn sie eine ganze Menge hatte improvisieren müssen. Zum Beispiel war sie in aller Herrgottsfrühe aufgestanden – Barricade hatte noch geschlafen – und hatte Vögel gejagt. Sie hatte es geschafft, zwei Eier aufzutreiben, die jetzt in der Pfanne brutzelten, zusammen mit dem Fleisch eines Vogels, den sie nicht kannte, und den restlichen Früchten, die sie im Schrank gefunden hatte. Die Federn des besagten Tieres lagen in einer Schale auf dem Tisch; vielleicht konnte sie die noch für irgendetwas verwenden. Im Zweifel würde sie damit zumindest eine Möglichkeit haben, um sich zu beschäftigen. Die Tatsache, dass es in der gesamten Hütte nach Essen roch, hatte Barricade offenbar geweckt; er war bereits unter der Dusche verschwunden und würde sich vermutlich gleich zu ihr gesellen. Das war auch gut so, denn sie musste ihn mit dem Helikopter losschicken, um ihnen etwas neues zu essen zu besorgen – sie hatten noch genau eine halbe Ananas und zwei Dosen mit Bohnen, und daraus konnte sie vermutlich nicht mehr allzu viel zaubern. Glücklicherweise dauerte es nicht allzu lange, bis Barricade in der Küche erschien, und ihr Frühstück in Augenschein nahm. „.... du kannst kochen?“ Sie grinste und machte sich daran, das Essen auf zwei Tellern zu verteilen. „Ich hab‘ eine Menge verkannter Talente.“, antwortete sie. Sie stellte die Teller auf den Tisch; Barricade schnupperte argwöhnisch daran, als sie ihm gegenüber Platz nahm. Ihre Augenbrauen wanderten in die Höhe und sie schlug die Beine übereinander. „Gib mir einen Grund, warum ich dich vergiften sollte.“ Barricade zuckte die Schultern – er hätte offenbar keinen Grund gebraucht – und machte sich hastig über sein Essen her, als befürchtete er, dass sie ihm die Pfanne über den Schädel schlug, wenn er nicht brav den Teller leerte. Besorgt stellte Thunderblast fest, dass er dabei lediglich seine linke Hand benutzte; offenbar hatte sich seine Verletzung nicht wirklich gebessert. Allerdings hatte er gestern bereits recht unerfreut reagiert, als sie sich danach erkundigt hatte, also hielt sie vorsichtshalber diesbezüglich den Mund. „Uns geht das Essen aus.“, sagte sie stattdessen leise. Barricade gab einen unerfreuten Laut von sich, ohne von seiner Mahlzeit abzulassen; offensichtlich schmeckte es ihm. „Das bedeutet, du musst den Helikopter nehmen und zur Stadt fliegen, um neue Vorräte zu holen.“ Was glaubten die Fleischlinge eigentlich, was sie hier draußen trieben? Irgendwelche Affenarten erforschen vielleicht? Nicht, dass die Vorstellung sie nicht gereizt hätte; sie hatte noch nie einen so artenreichen Planeten wie diesen hier gesehen. Selbst die Piranhas im Fluss waren ihr nicht direkt zuwider, sondern sie fand sie zugegebenermaßen außerordentlich interessant. Wie die meisten besonders im Wasser lebenden Tiere. Barricade verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Und warum fliegst du nicht?“ Thunderblast verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht, wie man einen Helikopter fliegt. Ich bin erst ein paar Monate auf diesem Planeten, okay?“ Barricade schnaubte, leerte seinen Teller jedoch vollständig und machte sich auf den Weg nach draußen. Rasch folgte ihm Thunderblast. „Sei vorsichtig. Wir wissen nicht, ob die Autobots nicht vielleicht schon in der Nähe sind!“ Barricade warf ihr einen kurzen Blick zu und zog einen Mundwinkel hoch. „Solltest du dann nicht eher vorsichtig sein, so als einsame hilflose Femme ganz allein im Wald?“, fragte er, „Warum fliegst du eigentlich nicht mit?“ Thunderblast verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Und wenn Megatron hier auftaucht, und die Hütte ist leer, mmh? Was wird er dann wohl denken?“ Das klang für Barricade offensichtlich plausibel; er kletterte in den Helikopter und startete den Rotor. Argwöhnisch musterte Thunderblast die Schrottkiste, als er startete; es wäre ihr wesentlich lieber gewesen, wenn sie Blackout hier gehabt hätten, als sich auf irgendein menschliches Fortbewegungsmittel verlassen zu müssen. Barricades Vehicle Mode war im Urwald leider nicht sonderlich hilfreich, und ihrer ohnehin nicht, vorausgesetzt, sie wollten nicht drei Tage lang über den Fluss fahren, in der Hoffnung, irgendeinen Eingeborenenstamm zu finden, von dem sie etwas zu Essen bekamen. Im Zweifelsfalle durch einen nicht unermesslichen Aufwand an Waffengewalt. Oho, sie konnte keinen Helikopter fliegen. Innerlich verdrehte Barricade die Augen. Sie hatte keinen Bock, sich in eine Schrottlaube zu setzen, die vom Anschauen auseinander fiel, das war alles. Vermutlich waren sie schneller und auf ungefährlichere Weise in der nächsten Stadt, wenn sie zu Fuß gingen. Verzeihung, natürlich nur er. Schließlich nahm ja auch nur er den Helikopter, sie war sich ja zu fein dafür. Was war er eigentlich, ihr Dienstbote? Die Frau trieb ihn in den Wahnsinn. Er aktivierte seinen Funk. „Soundwave, gib mir die Koordinaten der nächsten Menschenstadt, aber schnell!“ Soundwave gab ein leises, mürrisches Geräusch von sich. „Na klar. Kommt sofort. Sonst noch was? Musik vielleicht? Vorhin lief ‚I shot the sherrif‘ im Radio, das macht einen gruseligen Ohrwurm, das kann ich dir sagen...“ „Halt die Klappe. Schick mir die Koordinaten.“ Glücklicherweise gehorchte der Kommunikationsexperte. Einen Augenblick lang herrschte eisige Stille. „Irgendwelche Befehle?“, fragte Barricade schließlich kurz angebunden. „Nee. Megatron vegetiert so im Dunkeln vor sich hin, Scorponok hat einen Braten in der Röhre, Ravage ist tot und das Fleischlingsbalg ist durchgebrannt, aber pff, keine Neuigkeiten, keine Neuigkeiten... und, wie steht’s bei euch, bringt ihr euch schon gegenseitig rum oder hat sie dir das Hirn rausgevögelt?“ „Allzu lange dauert’s nicht mehr.“, murmelte er und fügte hastig hinzu, „Ich meine, steht irgendetwas über Morde in ihrer Akte? Ungewöhnliche Morde, meine ich?“ Er konnte es leise klackern hören, als Soundwave offensichtlich die besagte Akte auf seinem Laptop zückte. „Oh mann, oh mann.“, murmelte Soundwave, „Wenn ich mir ihre Körpermaße so anschaue, dann will ich mit dir tauschen, aber... nein, ich glaube, eher nicht.“ „Was hast du?“ „Hmm... na ja, sie ist bekannt für ihre, äh, Vorliebe für Decepticons, die ihr fix zu Macht, Geld oder auch beidem verhelfen können. Es hält aber nie besonders lange, fast alle ihre Bekanntschaften sind wenig später... ehrenvoll gefallen, blabla. Ab und zu hat sie Leute von der Elitegarde gevögelt, um an Informationen zu kommen, und dann hat sie einen drangekriegt, als sie die umgelegt hat, weil es hieß, sie wäre zu, äh, brutal vorgegangen und hätte dabei zu viele Spuren zu hinterlassen, aber das hat sie nicht unbedingt aufgehalten.“ „Oh, prächtig.“, knurrte Barricade und widerstand dem Bedürfnis, sich nachdenklich über den Nasenrücken zu fahren; er hatte ohnehin nur eine Hand zur Verfügung, und es war schwer genug, so einen Hubschrauber zu fliegen. „Bist du sicher, dass du nicht tauschen willst?“, fragte er freundlich. Soundwave lachte. „Nicht für jeden Schotter, den du zusammenkratzen kannst, Großer. Hast du irgendwas verbrochen, weshalb Megatron sie auf dich ansetzen könnte? Megatron war ziemlich pissig, dass Screamer und der Rest aus dem Staudamm abgehauen sind, aber bisher hat er auch nicht versucht, mich umzubringen.“ Barricade verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und fixierte den Steuerknüppel zwischen seinen Knien, um unwillkürlich seine Waffe zu ziehen und das Magazin zu kontrollieren. Vielleicht hatte sie nur deshalb im Haus bleiben wollen, weil sie längst den Hubschrauber manipuliert hatte. Primus, er hatte in der letzten Nacht mit ihr in einem Bett geschlafen – wenn auch nur unter Zwang! Er hatte von Käfern gehört, die Krankheiten übertrugen! – und sie hätte ihm die Kehle durchschneiden können... „Das... klingt auch nicht nach Megatrons Stil.“, antwortete er langsam und versuchte, den Gedanken zu vertreiben. Natürlich schickte Megatron ihn nicht mit einer wahnsinnig gewordenen Killerin ans andere Ende der Welt. Er hatte ihr Essen probiert, verflucht nochmal! „Na ja, wer weiß.“ Soundwave seufzte leise. „Aber he, falls sie dich umbringen will, hast du vorher vermutlich den besten Sex deines Lebens, also...“ „Gib mir die verdammten Koordinaten!“, zischte Barricade. Glücklicherweise befand Soundwave sich nicht in Reichweite; ansonsten hätte er ihn vermutlich auf der Stelle erwürgt. Erstaunlich schnell gab er die Koordinaten durch; Barricade warf ihn schleunigst aus der Leitung und konzentrierte sich darauf, weiter den Helikopter zu fliegen. Na wunderbar, nach den Koordinaten, die er bekommen hatte, würde es vermutlich ein paar Stunden dauern, bis er in der nächsten Stadt ankam. Er zögerte einen Augenblick, bevor er seinen Funk erneut aktivierte, diesmal auf Thunderblasts Kanal. „Warum hat Megatron dich herbeordert?“ „...was?“ Er konnte das leise Rauschen von Wasser im Hintergrund hören; offenbar duschte sie. Schon wieder. Die Frau schien ihr gesamtes Leben unter der Dusche zu verbringen, oder im Wasser, bedachte man ihren Vehicle Mode. „Keine Ahnung. Frag ihn doch selbst.“, antwortete sie schließlich ein wenig irritiert. „Äh, hast du zufällig vor, irgendwen umzubringen, oder sowas?“ Sie schnaubte leise. „Das fällt dir ein, nachdem du mit mir geduscht, neben mir geschlafen und von meinem Essen gegessen hast?“ „Beantworte meine Frage!“ „Du bist’n Arsch. Ich hätte dich in den letzten paar Tagen mit Leichtigkeit umbringen können, wenn ich es gewollt hätte!“ „Wer weiß.“ Konnte sie ihm nicht einfach eine klare Antwort geben? Auf dem Armaturenbrett hatte eine der Lampen zu blinken begonnen; offenbar hatte die Schrottkiste ihren Zerfall akut beschleunigt. „Glaub bloß nicht, dass ich dich nochmal in meinem Bett schlafen lasse.“, knurrte Thunderblast durch die Funkleitung, „Du kannst dich gerne selbst mit deinen Spinnen und Käfern und was auch immer herumschlagen, oh ja!“ „Niemand hat behauptet, dass ich nochmal in deinem... oh, verflucht!“ Es war die Leuchte für den Benzintank. Er hatte keinen Sprit mehr. „Was ist?“, fragte Thunderblast scharf. Sie hatte das Wasser abgestellt und griff nach einem Handtuch; Barricades Stimme hörte sich überaus alarmiert an, und ihre aufkeimende Wut war schlagartig wieder verschwunden. „Sag was, verdammt!“ Es kam keine Antwort. Kapitel 37: Siebenunddreißig ---------------------------- Alles war grün, grün und verschwommen. Benommen blinzelte er. Jemand schien seine Festplatte mit einem Hammer bearbeitet zu haben; das grelle Licht, das den Helikopter zu fluten schien, sendete kleine, aber hartnäckige Blitze aus Schmerz durch seinen Kopf. Etwas feuchtes sickerte langsam durch sein Haar. Er versuchte, die Augen ein wenig weiter zu öffnen, und beinahe sofort wurde ihm schwindlig; um ein Haar hätte er sich übergeben. In Anbetracht der Tatsache, dass er beinahe kopfüber hing, brachte er die nötige Willensstärke auf, um eben das zu unterdrücken. Langsam und vorsichtig öffnete er die Augen erneut. Alles wirkte eigenartig verzerrt und verschwommen, genau wie beim ersten Mal; es dauerte quälende Sekunden, bis das Bild vor seinen Augen sich zumindest ein wenig klärte. Durch die zersplitterte Frontscheibe des Helikopters starrte ihn eine Schlange an. „Heilige Scheiße!“ Reflexartig zuckte er zurück, rutschte dabei aus der sicher eingeklemmten Position zwischen Sitz und Armaturenbrett, kippte zur Seite und rutschte aus der beim Aufprall aufgesprungenen Tür. Mit einem unterdrückten Fluch angelte er nach einem der Äste und erwischte einen, unglücklicherweise mit seiner verletzten Hand. Unwillkürlich entfuhr ihm ein erstickter Schmerzenslaut und reflexartig ließ er los. Glücklicherweise reichte eine nicht unerhebliche Schicht aus Blättern und Ästen aus, um seinen Sturz wenigstens so weit abzubremsen, als dass er nicht allzu unsanft auf dem Boden aufschlug. Für einen Moment blieb er reglos auf dem Bauch liegen und zwang sich, ruhig ein- und auszuatmen. Er musste weiteratmen. Atmen. Es tat weh; er schien eine ganze Menge blauer Flecken eingesteckt zu haben. Er hatte schlimmeres überstanden. Langsam bewegte er seine Finger, Handgelenke, Ellbogen, seine Arme. Dann die Beine. So weit schien wie durch ein Wunder alles in Ordnung zu sein; zumindest schien nichts gebrochen. Vorsichtig drehte er sich auf den Rücken. Nur wenige Meter über ihm hing der verdammte Helikopter zwischen den Ästen eines Baumes wie eine Fliege in einem übergroßen Spinnennetz. Noch während sein Blick wie hypnotisiert an dem Helikopter hing, gaben die Äste nach. Um ein Haar wäre er wie erstarrt liegen geblieben, doch die Reflexe, die ihm in unzähligen Schlachten das Leben gerettet hatten, entschieden anders. Blitzartig rollte er sich so klein wie möglich zusammen und zur Seite. Neben ihm gruben sich die Rotorblätter und der Rest ihres einzigen Transportmittels in den Boden. Für einen Moment blieb er wie erstarrt liegen, bevor er sich langsam wieder auf dem Rücken ausstreckte. „Scheiße.“ Seine Stimme klang heiser und er schmeckte Blut; er spuckte zur Seite aus. So, wie es aussah, saß er fest. Er zog die Unterlippe zwischen die Zähne, um einen weiteren Schmerzenslaut zu unterdrücken, als er sich aufrappelte. Mit einem leisen Stöhnen zog er sich vollends auf die Beine. Wenigstens hatte er seine Waffe noch, wie er feststellte, als er reflexartig danach griff. Er musste ruhig bleiben., bekämpfte er die aufsteigende Panik; er musste ruhig bleiben und sich transformieren und sich seinen Weg zurück bahnen. Genau, seinen Weg zurück. Er biss die Zähne zusammen; es knirschte leise. Er hatte schon schwierigere Situationen überstanden, jawohl. Wesentlich schwierigere. Er knirschte mit den Zähnen und aktivierte schließlich seinen Funk. „Thunderblast?“ Seine Stimme klang heiser und gepresst; er zwang sich, ruhig weiter zu atmen. Im Hauptquartier fielen Thunderblast mehrere Meteoriten vom Herzen. „Barricade.“ Sie atmete tief durch. „Primus, was um Himmels Willen ist passiert?“ „Ich bin abgestürzt.“ Barricades Stimme klang schleppend und müde in Thunderblasts Ohren; unwillkürlich biss sie ihrerseits die Zähne zusammen und hoffte darauf, dass er nicht allzu schwer verletzt war. „Ich... hab‘ keinen Kompass.“ Thunderblast verzog das Gesicht. „Mach dir keine Sorgen. Ich komm‘ raus und hol‘ dich. Schick mir deine Koordinaten.“ Es dauerte eine Weile, bevor sie die Daten erhielt. „Bist du verletzt?“ „Es geht mir gut.“ Oh, ja, sicher. Warum musste er sich wieder letzte Held aufspielen? „Transformier dich. Bleib im Vehicle Mode, bis ich bei dir bin.“ „Ja, Mama.“ Er war erstaunlich weit mit dem Helikopter gekommen; die Sonne stand bereits tief über den Baumkronen, als sie ihn erreichte. Bei der Wahl seines Carmodes hatte er mehr Geschmack bewiesen als sie ihm zugetraut hätte, wie sie zugeben musste, obwohl der schwarzweiße Lack im Moment von Kratzern und Schrammen übersät war. „Glotz nicht so.“, knurrte Barricade, „Hast du einen Kompass mitgebracht?“ „Hab‘ ich.“ Sie transformierte sich und wartete darauf, dass Barricade das Gleiche tat. Er sah überhaupt nicht gut aus – hoffentlich übertrug sich das nicht zu sehr auf seine menschliche Gestalt. „Lass mich deine Hand sehen.“ Er verengte die Optics zu schmalen Schlitzen und behielt sie mit leicht schief gelegtem Kopf fest im Auge. „Warum?“ Ruhig griff sie nach seinem Arm, er regte sich nicht. „Um dich zu verarzten, du Trottel.“ Was erwartete er denn, dass sie ihn zusammenschlug? Bei genauerem Nachdenken wurde ihr klar, dass er das vermutlich wirklich tat. Sein Argwohn schien nicht unbedingt weniger zu werden; hastig zog er seine Hand zurück, als sie fertig war. „Sonst noch was?“ „Nein.“, antwortete er knapp und kehrte in seine menschliche Gestalt zurück. „Gib mir den Kompass.“ Sie seufzte und transformierte sich ebenfalls. „Es wird dunkel, heute kommen wir nicht mehr zurück. Besser, wir suchen uns ein Dach über dem Kopf, bevor es anfängt, zu regnen.“ Barricade knurrte leise und schlug ein paar Moskitos beiseite, die in der Abendsonne tanzten. Thunderblast folgte den Insekten kurz mit den Augen. „Du willst nicht im Freien schlafen, oder?“ Barricade gab einen unerfreuten Laut von sich, folgte ihr jedoch. „Und was hast du vor?“, fragte er, während erste Tropfen auf die dichten Blätter fielen, „Einen Unterstand aus irgendwelchen Ästen vielleicht?“ „Nein...“ Sie ließ den Blick schweifen und blieb schließlich an einer kleinen Höhle unterhalb der Wurzeln eines Baumes hängen. „Wenn da nichts drin wohnt, ist es gut.“ „Wenn da was drin wohnt, hoffe ich, dass es zuerst dich frisst, und dann mich.“, knurrte Barricade und trat etwas dichter zu ihr, um über ihre Schulter hinweg in die besagte Höhle zu spähen. Inzwischen fiel der Regen so stark, dass ihre Haare bereits vollkommen durchnässt waren. Barricades Atem streifte ihre Wange. Flüchtig huschte ihr Blick zu ihm und genauso schnell wieder weg, als ihr klar wurde, dass er so dicht hinter ihr stand, dass ihre Körper sich beinahe berührten. Rasch huschte sie in die besagte Höhle und zog die Beine an, um ihm Platz zu machen. Barricade verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und folgte ihr, offensichtlich darauf bedacht, sie nicht zu berühren. Ein wenig besorgt musterte sie ihn. Obwohl sie seine Hand verarztet hatte, wirkte er immer noch recht mitgenommen; hoffentlich hatte seine Festplatte nichts abbekommen. Sie würde sich über menschliche Behandlungsmethoden informieren müssen, sobald sie zurück war... wo auch immer zurück. „Starr mich nicht so an!“, knurrte Barricade, ohne den Blick abzuwenden. Beinahe wie hypnotisiert hob sie die Hand, um ein paar Blätter von seiner Schulter zu streifen. Bevor sie genau wusste, was sie tat, hatte sie ihn bereits zu sich gezogen, und war damit beschäftigt, sein Hemd und anschließend seine Hose aufzureißen. Offensichtlich war seine Intention ähnlich, denn er reagierte beinahe sofort und zerrte ihr zugegebenermaßen recht unsanft die Kleider vom Leib – nicht, dass sie mit etwas anderem gerechnet hätte. Das hier war schließlich nicht ihre Hochzeitsnacht, sondern nur ein wenig Spaß zwischendurch. Nur ein wenig... Spaß... zwischendurch... Sie schloss die Augen und ließ sich von seinen Berührungen fortreißen. Kapitel 38: Achtunddreißig -------------------------- Regen fiel in dichten Strömen aus dem tiefgrauen Himmel, rann über Blätter, Blüten, Moos an Baumstämmen und ihre Haut. Sie hatte die Augen geschlossen und ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig; neben sich spürte sie warme Haut, nass von Regen und Schweiß. Einen Augenblick lang blieb Barricade reglos liegen, bevor er sich aufrichtete und sich auf die Suche nach seinen Sachen machte, die inzwischen vom Regen durchnässt waren. Beinahe hätte sie die Hand nach ihm ausgestreckt, allerdings hätte er das wohl kaum gutgeheißen, und daher ließ sie es bleiben. Stattdessen griff sie ihrerseits nach ihrer Kleidung, schüttelte allerdings jedes Stück sorgfältig aus, um etwaige Begegnungen mit weiteren Krabbeltieren zu vermeiden, bevor sie es sich wieder überstreifte. Immerhin hatte er nicht allzu viel kaputt gemacht. Nirgendwo, wie sie feststellte, als sie sich aufrichtete; sie hatte zwar einiges an blauen Flecken und Kratzern davongetragen – am Hals wohl auch ein paar Bissspuren – , aber es war nichts, was nicht wieder verheilen würde. In der Nähe ihres Schlüsselbeins brannte es schmerzhaft an einer weiteren halbkreisförmigen Wunde; das würde vermutlich eine kleine Narbe hinterlassen. Verflucht, das gefiel ihr weniger – ihr Körper war ihr Kapital; sie musste vorsichtiger sein. Dann würde sie eben genug Makeup benutzen müssen, wenn es verheilt war, und bis dahin einen Schal oder höher geschlossene Oberteile tragen. Langsam strich sie sich eine dunkle, nasse Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor sie sich wieder vollständig neben Barricade in die Höhle flüchtete und die Knie an die Brust zog, um ihn Platz zu lassen. Barricade hatte seine Waffe wieder gezogen und übernahm offensichtlich die Wachschicht am Eingang; Thunderblast griff nach ihrem Rucksack und kramte eine Weile darin herum, bevor sie ihre Wasserflasche fand und einen Schluck daraus trank. Wenig später hatte sie auch einen schon etwas trockenen Müsliriegel gefunden und wollte gerade hineinbeißen, als sie Barricades Blick bemerkte. Beinahe hätte sie die Augen verdreht, dann allerdings warf sie ihm ohne ein Wort den Riegel zu und zog einen zweiten aus der Tasche. Weiterhin schweigend blieben sie nebeneinander sitzen, um zu essen. Es war Barricade, dessen Stimme als erstes die Stille durchbrach. „Kennst du dich mit Botanik aus?“ Sie drehte den Kopf zu ihm. „Warum, hast du Lust auf Obst?“ Er hob die Augenbrauen. „Ich bin zwar ganz sicher kein Vegetarier, aber was anderes wird uns schlecht übrig bleiben, jetzt, wo der Helikopter Schrott ist.“ „Keine Sorge, auch aus Obst kriegt man eine Menge gutes zu Essen hin.“ Barricade schnaubte leise. „Das will ich hoffen, denn du kochst.“ Ihre Augenbrauen zuckten kaum merklich. „Davon bin ich auch ausgegangen; ich glaube kaum, dass du ein sonderlich guter Koch bist.“ Er lachte. „Das kannst du laut sagen.“ Ihre Mundwinkel zuckten. „Das würde ich gerne sehen.“ Er grinste zurück. „Du würdest es vermutlich nicht überleben.“ Thunderblast räkelte sich ein wenig und lehnte sich mit dem Rücken gegen die hölzerne Wurzel. „Uuuh.“, machte sie und knabberte weiter an dem Müsliriegel. Barricade musterte sie einen Augenblick lang nachdenklich. „Muss ich jetzt eigentlich sterben?“, fragte er schließlich. „Mmh?“ Sie löste sich wieder ein wenig von der Wurzel, um ihn ein wenig irritiert anzusehen. „Na ja, du hast gewissermaßen den Ruf einer Schwarzen Witwe.“, führte Barricade den Gedanken ein wenig weiter aus, „Also – muss ich jetzt sterben?“ Eine Schwarze Witwe? Ruhig ließ sie den Blick über ihn wandern. „Ich tue, was man mir aufträgt.“, sagte sie schließlich leise, „Und du bist nicht mein nächster Auftrag.“ „Das ist gut.“ Das war doch gut, oder? Es bedeutete, sie würde ihn nicht umbringen, also war es gut. Natürlich war es gut. „Atme tief ein und aus.“ Optimus gehorchte, und Ratchet setzte das Stethoskop auf der Brust seines Anführers an. „Hast du noch Schwierigkeiten beim Atmen?“ „Nein.“, antwortete Optimus lammfromm und zwinkerte Lena über Ratchets Kopf hinweg zu. Die junge Frau seufzte leise, verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand; Annabelle hingegen trat interessiert näher. „Ist die Anatomie von Cybertroniern in Menschengestalt anders als die von Menschen?“, fragte sie und warf einen Blick auf Optimus hinunter, der friedlich auf der Untersuchungsliege blieb und zuließ, dass Annabelle ihn in Augenschein nahm. „Nein. Jedenfalls nicht so, dass man das mit einem Stethoskop oder einem Röntgenapparat feststellen könnte.“, antwortete Ratchet ruhig, „Wenn du willst, zeig‘ ich dir das gleich im Labor.“ Er trat von der Liege zurück. „Okay, wir sind fertig. Aber mach in den nächsten Tagen keinen Unsinn, klar?“ „Aber nie.“ Optimus griff nach seinem Hemd und blieb kurz in der Tür stehen, um zu beobachten, wie Lena zur Liege hinübertrat, bevor er galanterweise nach draußen auf den Flur verschwand. Langsam ließ sich Lena auf die Liege sinken, blieb jedoch sitzen. „Es geht mir gut.“ „Na klar. Leg dich hin.“ Lena seufzte leise und legte sich folgsam hin, während Ratchet sich daran machte, sie zu scannen. „Keine Knochenbrüche.“ Annabelle notierte fleißig auf ihrem Klemmbrett; offenbar hatte sie es übernommen, Ratchet zu assistieren. Vermutlich hatte sie hier eine Möglichkeit gefunden, ihr Medizinstudium zu beenden, oder zumindest die vorgeschriebenen Praktika vorzuziehen. „Keine inneren Verletzungen.“ „Ich sag‘ doch, es geht mir gut.“ „Glücklicherweise bist du auch Arzt und kannst das beurteilen.“, antwortete Ratchet, „Hast du Schmerzen beim Atmen, unerklärliche Kopfschmerzen, Halluzinationen?“ „Nein.“ Lena schüttelte leicht den Kopf. „Bumblebee hat mir erzählt, dass das wohl bei meinem Vater der Fall war?“ „Er hatte Probleme damit, die Informationen des Allsparks sinnvoll geordnet abzurufen, das stimmt.“ Ratchet hatte eine Taschenlampe gezückt, um ihr damit in die Augen zu leuchten; Lena kniff unwillkürlich ein wenig die Lider zusammen. „Hättest du was dagegen, wenn ich ein paar Tests mit dir durchführe, um zu schauen, inwiefern sich der Allspark auf dich ausgewirkt hat?“ Sie hob mit einem etwas müden Grinsen die Schultern. „Äh, tu dir keinen Zwang an.“ „Prime, ich muss mit dir reden.“ Fragend hob Optimus die Augenbrauen und warf Starscream einen Blick zu. „Was ist denn? Wenn Ironhide und du immer noch Probleme habt, dann...“ „Es geht nicht um Ironhide.“ Firestorm lungerte ein paar Meter weiter den Gang abwärts herum und behielt ihren Freund im Auge, aber offensichtlich wollte sie nicht stören. „Es geht um die Sparklinge. Auf Megatrons Schiff befinden sich Dutzende, und ich brauche Energon, um sie am Leben zu halten, oder... oder eure Hilfe, um sie da rauszuholen.“ Der Ex-Ex-Autobot wirkte nervös; offenbar befürchtete er, dass Optimus ihn eher an den Füßen aus dem Fenster baumeln ließ als ihm darauf eine Antwort zu geben. Stattdessen musterte er den Cybertronier ihm gegenüber ein wenig nachdenklich. „Na gut, dann werden wir sie da rausholen.“, sagte er leise, „Aber das bedeutet, ich brauche Informationen von dir. Und vermutlich wirst du das Ganze anleiten müssen, weil du dich da auskennst.“ „Na klar.“ Ein leichtes Lächeln huschte über Starscreams Gesicht. „Danke, Sir.“ Optimus‘ Augenbrauen wanderten noch ein wenig höher. „Nenn mich nie wieder Sir.“ Firestorm schnaubte leise; offensichtlich hatte sie jedes Wort gehört und den Abstand nur aus Höflichkeit bewahrt. Als Starscream zu ihr hinübertrat, schlang sie die Arme um seinen Hals und zog ihn ein wenig zu sich hinunter, um ihn auf den Mund zu küssen. „Mach bloß keinen Blödsinn.“, sagte sie leise, „Und erwarte nicht, dass ich hier sitzen bleibe und darauf warte, dass du halb tot zu mir zurückgekrochen kommst.“ Starscream seufzte leise, küsste sie jedoch auf die Stirn. „Ich habe nicht damit gerechnet, dich davon abhalten zu können, also... ich denke, wir lassen Lena als Babysitter für Lightbringer hier?“ „Du kannst sie ja schlecht mitschleppen. Keinen von beiden.“ „Hmh.“ Sein Blick huschte kurz zu Optimus hinüber, der noch immer vor Ratchets Arztzimmer stand; offenbar wartete er auf Lena. „Sag mal, glaubst du, zwischen Prime und Lena...“ „Weiß ich nicht.“ Sie seufzte und löste sich von ihm. „Komm, wir gehen nach draußen; ich will eine rauchen.“ Ohne auf seine Antwort zu warten, packte sie seine Hand und zog ihn mit sich. Kapitel 39: Neununddreißig -------------------------- „Wie zum Teufel kriegst du den ganzen Kram in deinen Rucksack?“ Sichtlich irritiert beobachtete Barricade, wie Thunderblast zwei Decken aus ihrem Rucksack zog. „Ist es das, was Fleischlinge als Handtaschenphänomen bezeichnen?“ „Es ist mehr ein Rucksack.“, antwortete Thunderblast und warf ihm eine der beiden Decken zu; Barricade duckte sich ein wenig und fing sie auf. „Und wie kriegst du das alles da rein?“ Sie musterte ihn kurz. „Indem ich sehr klein falte und mich anschließend eine Stunde lang draufstelle, um die Tasche schließen zu können.“, antwortete sie und wickelte sich in ihre Decke, „Weckst du mich, wenn ich Wache halten soll?“ „Hmh.“ Er lehnte sich gegen das Holz am Ausgang, die Waffe fest in der Hand. Thunderblast schob ihren Rucksack unauffällig etwas dichter zu Barricade und legte den Kopf darauf, um zu verhindern, dass irgendetwas in ihre Ohren kroch. Als sie wenig später die Augen öffnete, schien sie überhaupt nicht geschlafen zu haben. Auf ihrer Zunge schmeckte sie etwas bitteres und sie fühlte sich wie gerädert; vermutlich hatte sie auch wieder Alpträume gehabt. Hoffentlich hatte sie nicht geschrien und Barricade hatte sie gehört. Die Kommentare konnte sie sich schon lebhaft vorstellen. Vorsichtig hob sie den Kopf, stellte jedoch fest, dass Barricade ebenfalls eingenickt war, die Schläfe gegen die Wand der Höhle gelehnt, und die Waffe immer noch in der Hand. Einen Augenblick lang zögerte sie, dann griff sie lautlos nach der zweiten Decke, um ihm diese behutsam überzulegen und festzustecken. Draußen im Unterholz raschelte und knackte es, als irgendetwas großes vorbeistrich, glücklicherweise jedoch ohne großes Interesse an ihnen zu zeigen. Langsam rollte sie sich wieder unter ihrer Decke zusammen und schloss die Augen. Wenige Minuten später war sie wieder eingeschlafen, diesmal vollkommen ruhig. Erst, als er sich sicher war, dass sie wirklich wieder fest schlief, öffnete Barricade die Augen, um den Blick über sie wandern zu lassen. Offensichtlich hatte sie ihn nicht erwürgt, als sie geglaubt hatte, er schlief, und sie hatte auch nicht vorgehabt, ihn mit der Decke zu ersticken, obwohl er erst etwas entsprechendes geargwöhnt hatte. Langsam streckte er die Hand aus, um ihr behutsam eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Sie murrte leise und regte sich schwach, machte eine fahrige Handbewegung, wachte jedoch nicht auf. Er ließ sich mit dem Rücken wieder gegen die Wand sinken, ohne sie aus den Augen zu lassen. Verflucht, was stellte sie mit ihm an? Seit sie in sein Leben stolziert war, war er von Megatron ans Ende der Welt verbannt worden, hatten ihn ihretwegen beinahe ein paar Fische gefressen, hatte sie ihm die Hand gebrochen, nur, um ihn später wieder zu verarzten, und er war mit einem verdammten Hubschrauber abgestürzt; jedem anderen hätte er schon wegen der Fische auf der Stelle den Hals umgedreht. Sie hatte seine Hand verarztet, und sie war allein durch diesen verdammten Dschungel marschiert, um ihm den Arsch zu retten. Anschließend hatte sie ihn wieder zusammengeschraubt, und dann... Okay, sie war gar nicht so schlecht gewesen. Er hatte ein paar Erfahrungen mit weiblichen Fleischlingen gemacht, und ein paar davon hätten ihn vermutlich für eine ähnliche Nummer wie vorhin angezeigt. Tatsächlich hatte es gelegentlich entsprechende Fälle gegeben, aber sie waren alle brav zu dem freundlichen Cop, der sie samt Streifenwagen abholen kam, ins Auto gestiegen, und nie wieder gesehen worden. Thunderblast hatte offensichtlich Spaß an der Sache, das war gut. Und die Aktion mit der Decke... Eigentlich hatte er wirklich damit gerechnet, dass sie ihn mit dem verdammten Ding erstickte, aber nein, sie kümmerte sich immer noch um ihn. Vielleicht konnte er sie doch ganz gut leiden. Es gab jedenfalls schlimmere Gesellschaft. Mit einem leisen Knurren schlug er einen weiteren Moskito beiseite, kratzte kurz an einem Mückenstich an seinem Hals. Gaben die blöden Viecher denn niemals Ruhe? Interessiert begutachtete Annabelle, wie Ratchets Lenas DNA-Probe unter die Lupe nahm. Natürlich nur im übertragenden Sinne; seine Optics waren zwar extrem leistungsfähig, aber er hatte dennoch ein Elektronenmikroskop zuhilfe nehmen müssen. „Darf ich auch mal schauen?“ Ratchet zuckte die Schultern und trat einen Schritt beiseite. „Du wirst nicht allzu viel erkennen können. Die Markierungen, die der Allspark hinterlassen hat, sind für Menschen nicht unbedingt erkennbar. Vermutlich könntest du die Strahlung messen, die von Lena ausgeht, aber das ist auch schon alles.“ Nachdenklich nahm Annabelle wieder auf der Liege Platz, nachdem sie einen Blick in das Mikroskop geworfen hatte. „Und wie speichert der Allspark seine Informationen dann?“ Ein leichtes Lächeln huschte über Ratchets Gesicht. „Mithilfe von elektronischen Impulsen, genau wie jede andere Erinnerung auch. Interessanter ist, was er mit ihrer DNA angestellt hat.“ Seine Optics nahmen wieder die Gestalt menschlicher Augen an – Annabelle verspürte unwillkürlich ein wenig Erleichterung – und er lehnte sich gegen die Wand. „Dem Allspark ist natürlich daran gelegen, sein Gefäß zu beschützen. Das bedeutet auch, es ist nicht hilfreich für ihn, wenn er sich alle paar Jahrzehnte ein neues Gefäß suchen muss, ganz zu schweigen davon, dass er sein potentielles neues Gefäß als ein geeignetes markieren muss.“ Annabelle strich sich eine widerspenstige braune Haarsträhne aus dem Gesicht. „Heißt das, der Allspark denkt wie ein Mensch? Oder wie ein Cybertronier?“ „In gewissem Sinne.“ Ratchet nickte leicht. „Er ist in der Lage, logisch-rationale Berechnungen durchzuführen, aber er ist deshalb viel objektiver, als ein Mensch oder Cybertronier es jemals sein könnte. Was Autobots und Decepticons angeht, ist er zum Beispiel völlig neutral; er versorgt beide Seiten gleich mit Uploads und Energon, solange man sich in einem gewissen Umkreis befindet – auf demselben Planeten, meine ich.“ „Und was hat der Allspark mit Lena angestellt?“ „Er hat ihre DNA verändert. Ich schätze, das hat er auch mit der von ihrem Vater getan, aber das können wir leider nicht mehr nachprüfen.“ Annabelle zog die Augenbrauen zusammen. „Was soll das heißen, ihre DNA verändert? Ist sie jetzt ein X-Man oder sowas?“ Jetzt war Ratchet an der Reihe, irritiert dreinzuschauen. „Was ist denn ein X-Man?“ „Ach, vergiss es.“ Mit einem leisen Seufzen ließ Annabelle sich wieder auf die Liege sinken. „Was ist mit Lenas DNA?“ „Er hat sie modifiziert.“ Ratchets Tonfall ähnelte dem von ihrem Dozenten an der Universität auf erstaunliche Art und Weise. „Sie ist der von einem Transformer in Menschengestalt jetzt sehr ähnlich. Und dabei hat sie noch nie wirklichen Kontakt mit einem Transformer in seiner natürlichen Gestalt gehabt und die entsprechende Strahlung direkt absorbiert...“ Annabelle zog die Augenbrauen zusammen. „Was würde denn dann passieren?“ „Ich weiß es nicht.“ Ratchet lehnte sich neben ihr gegen die Liege. „Vielleicht macht der Allspark einen Transformer aus ihr, in gewisser Weise. Ich schätze, da müssen wir abwarten und sehen, was passiert. Vielleicht werden auch nur die Informationen des Allspark geordnet und freigesetzt.“ Es klopfte leise an der Tür und erstaunlich schüchtern für ihre Verhältnisse schob Arcee sich in den Untersuchungsraum. „Ratchet?“ Ihr Blick huschte zu Annabelle. „Ähm, ich müsste mit dir reden. Also, mit Ratchet. Nicht mit dir. Wobei du auch, äh, bleiben kannst, ich meine, du bist ja auch Ärztin, und...“ Annabelle rutschte von der Liege. „Worum geht’s denn?“, fragte sie und lächelte. Kapitel 40: Vierzig ------------------- Ihre ganze Existenz über war sie von anderen abhängig gewesen. Irgendwann war sie ohne Erinnerungen und Truppenzugehörigkeit auf dem Schlachtfeld von Cybertron aufgewacht, wo sie ein damals namenloser Sparkling gefunden hatte, und ihr gezeigt hatte, wie man überlebte. Natürlich war sie recht bald auf eher unerfreuliche Zeitgenossen gestoßen, die ihr gezeigt hatten, dass man sich als weiblicher Transformer Energon auch verdienen konnte... zwar hatte sie sich bemüht, jene Möglichkeit nicht allzu oft anwenden zu müssen, aber je länger der Allspark verschwunden gewesen war, desto knapper waren auch die Energonvorräte geworden. Irgendwann hatte sie alles getan, um nicht mehr hungern zu müssen. Die Fleischlinge hatten das Energon-Problem nicht, aber auch die brauchten Essen. Und sie hatte die Decepticons nicht gleich gefunden, als sie hier gelandet war... Barricade weckte Thunderblast am frühen Morgen aus wirren Alpträumen. Sie fühlte sich erschöpfter als am Abend zuvor; müde strich sie sich die dunklen Haare aus dem Gesicht. „Wie spät?“, fragte sie leise. „Tagesanbruch.“, antwortete Barricade ruhig, „Na los, hoch mit dir, du willst heute Nacht wieder in einem anständigen Bett schlafen, oder?“ Darauf antwortete sie vorsichtshalber nicht. Stattdessen rappelte sie sich auf und kroch nach draußen, nachdem sie all ihre Habseligkeiten wieder in ihren Rucksack gestopft hatte. „Komm her. Bitte.“ Sie winkte Barricade zu sich. „Lass mich deine Verletzungen sehen. Zieh dein Hemd aus.“ Er hob die Augenbrauen, hatte jedoch bereits in einem offenbar antrainierten Reflex dazu angesetzt, ihr zu gehorchen, bevor sich Skepsis auf seinem Gesicht zeigte. Sie griff nach seinem Unterarm und zog ihn zu sich herunter. „Hast du Schmerzen, wenn du dich bewegst?“ Ein Grinsen huschte über Barricades Gesicht. „Dass ich voll funktionstüchtig bin, hast du doch wohl gemerkt, oder?“ Sie lächelte unwillkürlich und gab ihm eine leichte Kopfnuss. „Danach hab‘ ich nicht gefragt.“ Mit der freien Hand rieb er sich den Hinterkopf. „Es geht mir spitze.“, murrte er, „Jetzt hör‘ auf, mich zu bemuttern.“ Sachte schlug sie ihm mit der flachen Hand gegen die Schulter. „Halt die Klappe, Großer.“ Behutsam tastete sie seinen Rücken ab; er zuckte kaum merklich, als sie seine geprellten Rippen berührte. „Bist du mal eine Medic gewesen oder so?“ Barricade schnalzte mit der Zunge; offenbar beinhaltete seine Fantasie im Moment eine Schwesternuniform. Unwillkürlich schmunzelte sie, verkniff sich jedoch eine doppeldeutige Bemerkung. Einiges vom Vorabend hätte sie da schon gerne wiederholt, aber... irgendetwas in ihr sperrte sich dagegen, es bei der bloßen körperlichen Ebene zu belassen. Sie wollte ihn als Person kennen lernen, und das kam bei ihren Klienten verdammt selten vor. Eigentlich nie. „Nein.“, antwortete sie leise, „Zumindest nicht dass ich wüsste.“ Aber medizinische Dinge, ob bei Menschen oder Cybertroniern, schienen ihr zu liegen. Vielleicht war sie eine Medic gewesen, bevor sie ihr Gedächtnis verloren hatte. Vielleicht auch eine Medibot, sie wusste bis heute nicht, ob sie sich damals für die richtige Seite entschieden hatte, allerdings hatte sie wohl kaum eine wirkliche Wahl gehabt. Nachdenklich ließ sie den Blick über Barricades Rücken wandern. Er war muskulös und gut gebaut, sie hatte im Hauptquartier gesehen, dass er trainiert hatte. Über seine Schultern zogen sich Narben aus früheren Schlachten; behutsam fuhr sie mit den Fingerspitzen sein Genick hinab. Sein Kopf zuckte kaum merklich. „Was machst du da?“, fragte er leise und ohne sich zu rühren. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und machte sich daran, ihm behutsam die verkrampfte Muskulatur zu massieren. „Ich mach‘ was gegen deine Rückenschmerzen.“, antwortete sie ruhig. Bei den Verspannungen, die sie unter ihren Fingerspitzen spürte, und in Anbetracht der Umstände, wie sie die Nacht verbracht hatten, konnte er nicht leugnen, dass er welche hatte. Er murrte leise, sagte jedoch nichts; stattdessen stellte sie unwillkürlich amüsiert fest, wie er sich ein wenig nach hinten gegen ihre Hände lehnte. Er bestand darauf, dass sie ihm den Kompass für den Rückweg überließ; vermutlich, damit er vorausgehen und sie nicht ansehen musste. Immerhin trug er auch den Rucksack, obwohl Thunderblast es ihm am liebsten verboten hätte; schließlich war er verletzt. Allerdings wollte sie es nicht übertreiben – für heute hatten sie wohl genug Vertrautheiten ausgetauscht, und, wenn man es genau betrachtete, eigentlich schon viel zu viele. Also beschränkte sie sich darauf, Barricade durchs Unterholz zu folgen und ihren Gedanken nachzuhängen. Sie hatte eine Menge Dinge, über die sie nachdenken musste. „Also.“ Mit hochrotem Kopf nahm Arcee auf der Liege Platz. „Bei w-weiblichen Fleischlingen, äh, nichts für ungut... also, gewisse Dinge p-passieren... regelmäßig... u-und jetzt nicht mehr...“ Ratchet und Annabelle tauschten einen Blick. „Arcee?“, fragte Ratchet sanft, „Erinnerst du dich an das, was ich euch über... menschliche Fortpflanzung erzählt habe?“ Damals hatten sie die kleine Lena als Vorführsparkling gehabt. Glücklicherweise erinnerte sie sich auch daran wohl nicht mehr. Arcee rümpfte die Nase. „Igitt, ja. Nach dieser Aktion mit den dämlichen Gummischläuchen hat Side nie wieder eine Banane angerührt.“ Der Vortrag war auch sonst ziemlich langweilig gewesen. Sideswipe und sie hatten hinterher im Internet nachgeschaut und viel interessantere Dinge herausgefunden. Und von Gummischläuchen war nirgendwo die Rede gewesen. Ratchet seufzte leise. „Hast du wenigstens die Tabletten genommen, die ich dir gegeben habe?“ Arcee rümpfte die Nase. „Jaah, ein paar Mal... aber die waren ziemlich widerlich, und ich hatte so viel zu tun...“ „Wie lange ist es denn her, seit das letzte Mal gewisse Dinge bei dir passiert sind?“, fragte Annabelle freundlich. „Mach dich nich‘ lustig.“, murrte Arcee, „Drei Monate oder so.“ Annabelles Mundwinkel zuckten kaum merklich. „Hm... okay. Ich geb‘ dir jetzt einen Test, und den machst du dann, ja=“ Sie kramte den besagten Teststreifen aus einer Schublade und reichte ihn Arcee, die sie fragend ansah. „Äh, wie...?“ Ratchet und Annabelle tauschten einen weiteren vielsagenden Blick, bevor Annabelle sich vorbeugte und Arcee die Anwendung ins Ohr flüsterte. Arcee musterte den Teststreifen in ihrer Hand sichtbar angewidert, rutschte jedoch von der Liege und huschte nach nebenan zur Toilette. Kapitel 41: Einundvierzig ------------------------- Nachdenklich starrte Lena auf Ratchets Bericht hinab. Ihre DNA verändert... Meine DNA verändert? Nervös zog sie die Unterlippe zwischen die Zähne. „Ich bin also ein Transformer.“ „Sieht ganz danach aus.“ Optimus ließ sich neben sie sinken. „Wie geht’s dir?“ Ein müdes Lächeln zeigte sich auf Lenas Gesicht. „Ich bin ein Alien, wie soll’s mir da schon gehen? In vierzig, fünfzig Jahren sind alle, die ich kenne, tot.“ „Jetzt ist aber nicht in vierzig oder fünfzig Jahren.“, antwortete Optimus sanft, „Für uns vergeht die Zeit genauso schnell oder langsam wie für euch.“ Lena presste die Lippen zusammen. „Leo ist der einzige, der sowas wie mit mir verwandt ist, und er wird irgendwann tot sein...“ „Das wäre er so oder so, du bist bedeutend jünger als er.“, gab Optimus zu bedenken. Wütend funkelte Lena ihn an. „Das mein‘ ich nicht! Jeder, absolut jeder den ich kenne oder noch kennen lerne, wird irgendwann tot sein! Wenn ich heiraten würde, dann würde derjenige irgendwann sterben und ich seh‘ immer noch aus wie zwanzig!“ Optimus ließ den Blick über sie wandern. „Das ist etwas, was man nicht ändern kann.“, antwortete er sanft, „Ich habe viele Kameraden verloren, menschliche und cybertronische, und es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, dass es irgendwann nicht mehr schmerzt, aber man kann damit leben.“ Lena presste die Lippen zusammen; einen Moment lang herrschte Schweigen. „Und wie kann ich mich transformieren?“, fragte sie schließlich. Ein Schmunzeln huschte über Optimus‘ Gesicht. „Das kann man nicht erklären.“, antwortete er, „Das ist eine ziemlich gefühlsmäßige Sache. Aber ich bin mir sicher, dass du deine Sache gut machen wirst.“ „Mmh.“, murmelte Lena. Sie setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Türrahmen. Optimus beobachtete sie einen Moment lang, bevor er ein paar Schritte zurücktrat und sich transformierte, bevor er einladend die Fahrertür öffnete. Lena hob eine Augenbraue, kletterte jedoch in das Führerhaus des Trucks und zog die Knie an die Brust, als er losfuhr. „Was hast du vor?“, fragte sie. „Bin mir nicht ganz sicher.“, antwortete Optimus, „Hast du Lust auf ein Eis oder sowas?“ Verdutzt sah Lena auf das Amaturenbrett hinab. „Es ist Herbst.“ „Na und? Bumblebee kann man bei Minusgraden damit vor die Tür locken.“ Lena seufzte leise und lehnte sich ein wenig mehr zurück. „Na ja, ich schätze, ich kann ein bisschen Normalität gebrauchen...“ Die Welt stand Kopf. Thunderblast verschränkte die Arme vor der Brust und starrte wütend zu Barricade, der sich giggelnd wie ein Sparkling auf dem Waldboden kugelte. „Lass mich runter.“, verlangte sie. Sie wusste selbst nicht, wo die dämliche Schlinge auf einmal hergekommen war, aber Tatsache war, dass sie kopfüber in einem verdammten Baum hing, weil irgendwelche verdammten Eingeborenen ihre verdammte Falle oder was auch immer das blöde Ding hatte darstellen sollen vergessen hatten, aber offensichtlich hatte der Strick lange genug gehalten, als dass sie das Ding hatte übersehen und hineintreten können. Mit geschürzten Lippen und eisigem Blick behielt sie Barricade im Auge. Der hatte sich gerade einigermaßen beruhigt; er rappelte sich auf und machte sich auf die Suche nach seinem Messer. Sein Blick wanderte zu ihr nach oben und er brach erneut in Lachkrämpfe aus. Sie presste die Lippen zusammen. Na wunderbar, offenbar musste sie die Sache selbst in die Hand nehmen. Es kostete sie ein paar Anstrengungen, doch schließlich gelang es ihr, sich so weit hochzuziehen, dass sie das Seil an ihrem Fußknöchel mit dem kleinen Messer, das sie immer in ihrem Stiefel trug, durchzuschneiden. Einigermaßen elegant landete sie auf dem Boden, wo sie sich hinsetzte und den Rest des Seils von ihrem Knöchel entfernte, bevor sie die Beine überkreuzte und Barricade ihren strengsten Blick zuwarf. Er grinste immer noch, trat jedoch zu ihr hinüber und streckte ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Thunderblast warf einen argwöhnischen Blick zu dem Strick hinauf, der unheilverkündend an dem besagten Baum über ihnen baumelte. „Ich schätze mal, das ist nicht so gewachsen.“ „Das glaub‘ ich auch.“, antwortete Barricade und schmunzelte, „Ist alles klar?“ Sie nickte leicht und zupfte sich ein widerspenstiges Blatt aus den Haaren. „Heißt das, es schleichen irgendwelche irren Eingeborenen mit Blasrohren und Giftpfeilen um uns herum?“ „Ich glaube nicht, dass die uns angreifen.“, antwortete Barricade, doch er legte eine Hand auf die Waffe an seiner Hüfte. Thunderblast zog die Augenbrauen zusammen und folgte ihm, als er weiterging. „Ich mach‘ mir mehr Sorgen, dass sie den Autobots helfen.“, antwortete sie leise, „Bei einer Quasselstrippe wie Screamer brauchen die vermutlich nicht allzu lange, bis sie auf die Idee kommen, uns hier zu suchen, oder?“ Allerdings konzentrierten die sich im Moment vermutlich eher auf Megatron, aber über kurz oder lang würden sie sich wohl auch auf die Suche nach den restlichen Decepticons machen. Besser, sie genoss ihren kurzen Urlaub hier, solange er noch dauerte. Kapitel 42: Zweiundvierzig -------------------------- Glücklicherweise erreichten sie ihr Quartier, bevor es das nächste Mal dunkel wurde. Thunderblast hatte daran gedacht, sich unterwegs von Soundwave Informationen über essbare Früchte in ihrer Region schicken zu lassen, was ihnen zu einer recht ansehnlichen Sammlung von Obst in ihrem Rucksack verholfen hatte. Daraus würde sie ihnen bei Gelegenheit das Abendessen zaubern, obwohl Barricade ganz und gar nicht glücklich damit schien, sich in der nächsten Zeit größtenteils vegetarisch ernähren zu müssen. Sobald sie die Hütte erreicht hatten, verschwand Thunderblast unter die Dusche, während Barricade den Rucksack in der Küche abstellte und sich daran machte, ihre „Beute“ auszupacken. Das Zitroneneis vertrieb ihre schlechte Laune zumindest ein bisschen. Dennoch fixierte Lena die weiße Kugel im Eishörnchen so eindringlich, als handele es sich dabei um den Allspark selbst, und versuchte dabei, Optimus' Blick auszuweichen, der offensichtlich akribisch begutachtete, inwiefern sich ihre Laune steigerte. Unwillkürlich rückte sie ein wenig zur Seite; Optimus Blick folgte ihr. Sie schürzte die Lippen und sah auf. „Lass das.“ Optimus wandte demonstrativ den Blick ab; sie seufzte. „Wie alt bist du?“, fragte sie schließlich. Optimus wandte ihr den Kopf wieder zu und wirkte ein wenig irritiert. „Was?“ „Wie alt bist du?“, wiederholte Lena, drehte sich auf dem Metallstuhl des Eiscafés ein wenig beiseite und sah ihn an, „Du hast gesagt, wir sind unsterblich, also – wie alt bist du?“ „Wir können schon sterben.“, korrigierte Optimus sie, „Das weiß keiner besser als ich, glaub mir. Aber wir sterben zumindest nich aus biologischen Gründen, außer, wir bekommen über längere Zeit kein Energon.“ Weshalb es toll wäre, wenn du nicht in den nächsten paar tausend Jahren beschließen würdest, auf einen anderen Planeten zu ziehen als wir., schwang in seinen Worten kaum merklich mit. „Sagen wir mal, ich bin um einiges älter als du.“ Lena zog eine Augenbraue hoch. „Ja, aber wie viel genau?“ Optimus seufzte leise. „Die ersten Primes und Fallen waren ungefähr viertausend vor Christus hier. Nach eurer Zeitrechnung. Vielleicht noch etwas eher. Mein Vater, wenn man es so nennen kann, war einer von ihnen. Da war ich schon ein Sparkling, aber noch nicht geschlüpft.“ Lena zog die Nase kraus. „Geschlüpft?“, wiederholte sie vorsichtig. „Ja.“, antwortete Optimus ebenso vorsichtig, offenbar hatte er zwar mit ihrer Reaktion gerechnet, aber sich offenbar keine Antwort zurechtlegen können, „Also, ähm... wenn Cybertronier... um Sparklinge zu kriegen... es gibt Protoformen, die... ausgestattet werden müssen, mit einem Spark, und dazu... also, zwei Cybertronier... und ihre Sparks, also... wenn...“ „Hast du Kinder?“, hakte Lena vorsichtig nach; sie war sich nicht ganz sicher, ob seine Unsicherheit auf Verlegenheit zurückzuführen war oder darauf, dass er mehr oder weniger keine praktische Erfahrung besaß. Optimus' Lippen wurden kaum merklich schmaler und die Raumtemperatur schien abzukühlen. „Mehr oder weniger.“, antwortete er langsam. Fragend sah Lena ihn an. „Was heißt das, mehr oder weniger?“ Optimus lehnte sich ein wenig zurück. „Das erzähl' ich dir ein andermal.“, antwortete er ruhig, „Iss auf, die fragen sich auf dem Stützpunkt wahrscheinlich schon, wo wir hin sind.“ Peinlich berührt konzentrierte Lena sich wieder auf ihr Eis. Sie wusste zwar nicht genau, was sie falsch gemach hatte, allerdings schien sie ihn irgendwie beleidigt zu haben; vielleicht sorgten Cybertronier nicht so für ihre Kinder wie Menschen. Eigentlich hätte sie damit rechnen sollen; seine Bemerkung in Bezug auf seinen Vater hatte ja schon etwas entsprechendes angedeutet. Optimus seufzte leise. „Fünf Dollar für deine Gedanken.“ Flüchtig huschte Lenas Blick zu ihm. „Ich dachte mir, vielleicht, äh, gibt’s bei Cybertroniern sowas wie Familien nicht. Und deshalb willst du nicht drüber reden. Oder so.“ Ein müdes Lächeln huschte über Optimus' Gesicht; für Sekundenbruchteile wirkte er wirklich fast so alt wie er es ihr vorhin geschildert hatte. „Wir handhaben die Dinge anders als ihr, das stimmt schon. Nicht viel anders, aber... in mancher Hinsicht. Wir kümmern uns um unsere Kinder, aber wir kommen schon als Sparklinge auf die Akademien. In welche Richtung die Ausbildung geht, ist schon vor dem Schlüpfen programmiert, im wahrsten Sinne des Wortes; man kann nicht den ganzen Charakter beeinflussen, das wäre auch völlig gegen alles, woran wir glauben, aber... na ja, eine ungefähre Programmierung kann man vornehmen. Als würde man die Talente schon vor der Geburt festlegen, sozusagen. Natürlich ist es eine andere Sache, wie man dann nach der Geburt mit den besagten Talenten umgeht. Aber so werden in Kriegszeiten eben mehr Soldaten produziert und in Friedenszeiten mehr Wissenschaftler... soweit die Theorie. Ich hab' noch keine Friedenszeiten erlebt, um das zu überprüfen.“ „Verstehe.“, antwortete Lena und war sich nicht sicher, ob sie wirklich verstanden hatte. Vermutlich nicht. Offenbar dachte Optimus ähnlich, denn er antwortete nicht darauf. „Also...“, setzte sie ein wenig zögerlicher an, „... wenn du mir nicht sagen willst, ob du Kinder hast... verrätst du mir dann, ob du... keine Ahnung, ob ihr das auch so nennt, aber – na ja, hast du eine Freundin oder so?“ „Ich war verheiratet.“, antwortete Optimus ruhig, „Oder das, was ihr verheiratet nennen würdet. Sie ist tot.“ Das Eis in ihrer Hand hatte Lena fast vergessen; etwas klebriges tropfte auf ihre Finger hinunter und rasch leckte sie den Tropfen ab. „Das tut mir leid.“, antwortete sie zögerlich, „Ist es lange her...?“ „Für einen Menschen.“, antwortete Optimus mit undeutbarer Miene und lehnte sich noch ein wenig mehr zurück. Kapitel 43: Dreiundvierzig -------------------------- Nervös schlich Arcee im Zimmer auf und ab. Sideswipe lag rücklings auf dem Bett und schnarchte selig vor sich hin, alle Viere von sich gestreckt, nichtsahnend und friedlich wie ein Baby. Baby, das war das Stichwort. Sie hatte ihm noch nicht gesagt, was Ratchets Untersuchung ergeben hatte. Vielleicht war es ja besser, wenn sie es ihm überhaupt nicht sagte, vielleicht merkte er ja nichts und sie konnte... sich irgendwas überlegen. Es war ja genug Zeit, oder? Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Na ja, Sideswipe war zwar übereifrig und ziemlich impulsiv, aber nicht blöd. Vermutlich würde es ihm auffallen, wenn sie in den nächsten paar Monaten zulegte. Außerdem würde er ohnehin vorsichtiger sein müssen, zumindest später, das hatte Ratchet auch gesagt, damit nichts passierte. Und wenn sie es ihm jetzt sagte? Er bekam es wohl kaum mit, aber sie konnte später sagen „Ich hab's dir doch gesagt!“ und er konnte sich nicht rausreden. Außerdem konnte sie dann wieder zurück ins Bett, und das war gut, denn langsam wurde ihr kalt; sie trug schließlich nur ihre Unterwäsche. Sie seufzte leise, kroch zurück ins Bett und unter die Decke, wo sie sich an Sideswipe schmiegte. „Side...“ Sachte zwickte sie ihn in den Arm. Er knurrte etwas unverständliches, drehte sich zur Seite und begrub sie dabei halb unter sich. Arcee verzog das Gesicht und zappelte sich frei. „Side!“, zischte sie, streckte die Hand aus und schob mit zwei Fingern eins seiner Augenlider hoch, „Side, wir müssen reden!“ Er blinzelte träge. „...jetzt?“, murmelte er. Sie nickte wild, bevor sie der Mut verließ; Sideswipe drehte sich ächzend auf den Rücken. „Side, wir kriegen ein Baby!“ „...jetzt?“, wiederholte Sideswipe genauso träge, ohne die Augen zu öffnen. „Nein!“, zischte sie, „In sechs oder sieben Monaten, sagt Ratchet!“ Schlagartig öffnete Sideswipe die Augen. „...was?!“ Nervös rückte sie ein wenig von ihm ab. „Wir kriegen einen Sparkling.“, wiederholte sie vorsichtig, „Oder, na ja, da ich gerade ein Mensch bin... ein menschliches Baby.“ Sideswipe starrte sie an. „Wieso?!“ „Na ja, also...“ Sie setzte dazu an, es ihm zu erklären, doch er wiegelte sie mit einer Handbewegung ab. „Ich meine nicht, wieso, ich meine... wieso?! Ich meine... was für eins? Wie soll es heißen? Wo soll es schlafen? Müssen wir jetzt so kleine Sachen kaufen und so? Wird Bumblebee uns jemals wieder in Ruhe lassen?“ Arcee verschränkte die Arme vor der Brust. „Weiß ich doch nicht!“, antwortete sie trotzig, „Du bist doch der Vater, denk du dir was aus!“ Sideswipe setzte sich ebenfalls auf und atmete tief durch, bevor er sie genau in Augenschein nahm. „Du siehst gar nicht schwanger aus.“ „Kommt noch.“, murrte Arcee. „Oh.“, sagte Sideswipe müde, „Okay. Ich dachte... Mikaela damals...“ Er deutete mit den Händen flüchtig etwas an, senkte die Arme jedoch rasch wieder, als ihn Arcees Blick des Todes traf. „Also, wir... kriegen ein Baby? So ein richtiges? So mit Windeln und Schreien und Kuscheltieren und diesen Saugdingern, die die Sparklinge von Menschen immer haben?“ Sie nickte; um ein Haar wäre sie in Tränen ausgebrochen, schon allein, weil er offensichtlich nicht geneigt war, auf der Stelle wegzurennen. Sideswipe merkte das; er seufzte leise, rutschte zu ihr hinüber und legte die Arme um sie, um sie an sich zu ziehen. „He, jetzt dreh mal nicht gleich durch, ja? Wir kriegen das schon hin. Ganz viele Fleischlinge kriegen das doch auch hin.“ Arcee nickte heftig, das Gesicht an seiner Brust verborgen. „Na, siehst du.“ Sachte klopfte Sideswipe ihr auf den Rücken. „Bumblebee wird bestimmt auch ein prima Babysitter sein. Wir müssen dann nur... ein bisschen umdisponieren und so. Das Kleine kann ja nicht hier auf dem Stützpunkt leben.“ Arcee schüttelte ebenso heftig den Kopf, noch immer ohne ein Wort. Sideswipe nickte zufrieden. „Siehst du. Wir reden mit Optimus, der versteht das schon. Der kann uns dann auch bestimmt sagen, was wir machen sollen.“ Sie hatten tatsächlich eine ganze Menge Früchte, wie Barricade am nächsten Morgen feststellte. Hoffentlich konnte Thunderblast wenigstens kochen. Gerade als ihm klar wurde, dass sie das warme Wasser wahrscheinlich völlig aufgebraucht hatte, kehrte sie aus der Dusche zurück in die Küche, mit nassen Haaren, leider völlig bekleidet, dafür aber mit perfektem Makeup, und er fragte sich unwillkürlich, wie sie das immer hinbekam. Wahrscheinlich war das irgendso ein Frauentrick, wie das mit der Handtasche. „Du siehst aber gar nicht glücklich aus, Großer.“, bemerkte sie, als sie zu ihm hinübertrat. „Ich hasse Grünzeug.“, knurrte er. Sie schmunzelte. „Wenn's dir nicht schmeckt, kannst du ja in den Wald gehen und uns... irgendwas erschießen. Wenn du einen Jaguar findest, bring mir das Fell mit, dann näh' ich mir einen Bikini und wir haben beide was davon. Du kannst dir dann so einen Knochen durch die Nase stecken, und Megatron freut sich, weil wir uns als Einheimische tarnen. Außerdem gefällt ihm der Bikini bestimmt.“ Barricade zog die Augenbrauen zusammen. „Glaubst du? Warum gehst du dann nicht zurück nach Russland, wenn du so scharf darauf bist, ihm zu gefallen?“ Er konnte nicht sagen, warum, doch ihre Worte hatten ihm einen empfindlichen Stich versetzt. Er mochte es eben nicht, wenn andere sein Eigentum antatschten. Thunderblast zuckte die Schultern. „Vielleicht mag ich dich mehr als Megatron.“ Sie nahm die Früchte unter die Lupe. „Ernsthaft, wenn wir irgendwo Fleisch herkriegen, mach' ich uns was leckeres.“, sagte sie sanft und deutlich versöhnlicher, „Vielleicht können wir Schlingen auslegen oder so. Hast du den Keller schon untersucht? Wenn der nicht völlig im Morast versunken ist, finden wir da vielleicht was hilfreiches.“ Ihrer beider Blick huschte zu der Falltür im Boden, unter der sich aller Wahrscheinlichkeit nach der Keller verbarg. Bisher hatte keiner von ihnen das Bedürfnis gehegt, nachzuschauen, welche Tiere sich dort eingenistet hatten. „Du gehst vor.“, sagte Thunderblast freundlich. Barricade verdrehte die Augen und kontrollierte das Magazin seiner Waffe. Kapitel 44: Vierundvierzig -------------------------- „Ich hab' eine Aufgabe für dich.“ Soundwave widerstand mit Mühe dem Impuls, seine Sensoren ein weiteres Mal einzuschalten; das letzte Mal hatte es ihn das Piercing in seinem linken Ohr gekostet, er konnte spüren, wie zähflüssiges Blut von dort seinen Hals hinuntersickerte. Na ja, das blöde Ding hatte ihn eh beim Transformieren gestört. Leider war Megatron kein großer Freund von Lichtschaltern. Er würde sich so auf die Fresse legen, wenn er sich den Weg nach draußen suchte. „Ähm, ja, Sir?“ „Ich will, dass du den Kommunikationsexperten der Autobots findest und ausschaltest. Sie dürfen uns nicht finden.“ Na dann. „Okay?“, antwortete Soundwave vorsichtig. Er hatte die Autobots im Auge behalten, so weit das möglich gewesen war; er kannte ihren Kommunikationsexperten zwar nicht – oder besser, sie hatten noch nie versucht, sich gegenseitig umzubringen – , aber die Tarnvorrichtungen, die er aufgebaut hatte, waren nicht von schlechten Eltern. Oder, na ja, sie. Nach allem, was er wusste, war der besagte Kommunikationsexperte eine Fembot. Die Frage, warum sie das nicht Sektor 7 übernehmen lassen konnten, sparte er sich vorsichtshalber; vermutlich ging Megatron nicht davon aus, dass die gleiche Aktion noch einmal funktionierte. Irgendwo im Dunkeln vor ihm knurrte Megatron leise; offenbar wollte er ihm damit symbolisieren, dass die Unterredung beendet war. Soundwave drückte den Ärmel seiner Jacke gegen sein blutiges Ohr und huschte nach draußen, glücklicherweise ohne über irgendetwas zu stolpern. Immerhin hatten sie es inzwischen geschafft, ein weiteres Hotelzimmer zu arrangieren, sodass sie nicht mehr schichtweise schlafen mussten. Allerdings war das vermutlich auch nur eine Übergangslösung, so, wie Megatron im Moment seine Paranoia wieder auslebte, würden sie Barricade und Thunderblast über kurz oder lang im Dschungel Gesellschaft leisten. Vermutlich eher über kurz; Soundwave würden den beiden Bescheid geben, sich mit der Wiederinstantsetzung ihres Außenpostens zu beeilen. Scorponok lungerte in der Nähe von Megatrons Zimmertür herum und wartete offenbar darauf, dass ihr Anführer irgendetwas benötigte; Soundwave würdigte sie keines Blickes und huschte stattdessen in das Zimmer auf der anderen Seite, wo Blackout auf dem Rücken lag und mit seligem Grinsen die Decke anstarrte. Immerhin schien der mit sich selbst beschäftigt zu sein. Soundwave angelte ein paar Blätter Toilettenpapier aus dem Badezimmer und improvisierte damit einen Verband für sein Ohr, bevor er sich wieder an sein Laptop setzte. Der Messenger blinkte fröhlich vor sich hin. sonar2009 war offensichtlich ein ziemlich vielbeschäftigter Bursche. Bumblebee schob die Unterlippe vor und drehte sich auf ihrem Stuhl hin und her. Lightbringer trat neben sie und legte den Kopf schief. „Darf ich an deinen Computer?“, fragte sie nachdenklich. Bumblebee verzog das Gesicht. „Ähm, nein. Tut mir leid, Kleines, aber da ist ganz viel Zeug drauf, das brauch' ich zum Arbeiten.“ Lightbringer nickte erstaunlich verständnisvoll für eine Neunjährige. „Bringst du's mir bei?“ Bumblebees Blick flackerte von dem Messengerfenster, das sich nicht regte, zu Lightbringer. „... was denn?“ Lightbringer zuckte die Schultern. „Was du arbeitest.“ Bumblebee öffnete nervös den Mund, ohne eine genaue Antwort zu wissen; glücklicherweise erlöste sie Ironhide, der mit zwei Bechern Kaffee und einem Becher Kakao für Lightbringer zu ihnen zurückkehrte. Er stellte das Tablett neben Bumblebees Computer auf den Schreibtisch. „Was macht ihr zwei?“ „Bumblebee bringt mir was bei.“, verkündete Lightbringer zufrieden. „Ähm. Ja.“ Offensichtlich brachte sie ihr was bei. Allerdings hatte sie keine Ahnung, was man Kindern ihres Alters beibringen konnte. Sie konnte sich ja bereits transformieren; vielleicht konnten sie zusammen herausfinden, wofür sie geeignet war. Wenn sie das wussten, dann konnten sie jemanden finden, der ihr was beibrachte. Allerdings hatte Bumblebee auch keine Ahnung, wie man das herausfand, in ihrem Team waren nur die Zwillinge jünger als sie, und... bei denen hatte wohl noch keiner so wirklich ihr Talent entdeckt. „Was machst du denn gerne?“, fragte sie noch ein wenig nervöser. Bei Lena damals war das nicht so kompliziert gewesen, sie hatte sie durch die Gegend gefahren und ihr Musik vorgespielt und ihr ein Hologramm in Form eines gleichaltrigen Mädchens projiziert, mit dem sie Fangen gespielt hatte. Lightbringer zuckte ein bisschen fragend die Schultern. Na ja, sie war ja auch noch nicht allzu lange hier. „Was hältst du davon, wenn wir Ratchet dazu überreden, uns mal an sein Mikroskop zu lassen?“, schlug Ironhide vor, „Er kann dir bestimmt was interessantes zeigen.“ Lightbringer nickte zufrieden und ließ sich von ihm mitnehmen. Bumblebee seufzte leise, stützte die Arme auf den Tisch und fixierte wieder ihren Laptopbildschirm. „re“, verkündete das Messagefenster. Bumblebee lächelte zufrieden und lehnte sich ein wenig zurück, bevor sie „wb“ und „wie geht’s?“ tippte. Eine Weile herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, schließlich blinkte das Wort „beschissen“ auf dem Bildschirm auf. Mitleidig zog Bumblebee die Unterlippe zwischen die Zähne. „warum?“ Diesmal dauerte das Schweigen ein wenig länger; offenbar überlegte ihr Gegenüber, was er schreiben sollte. „mein chef ist ein arsch“, antwortete er schließlich. Erneut verzog Bumblebee das Gesicht. „und die nächsten paar tage bin ich nicht da“, setzte sich die Nachricht fort, „außendienst“ „was arbeitest du denn?“ „ich bin so ne art softwareentwickler“ Nachdenklich tippte Bumblebee sich gegen die Unterlippe. Das klang interessant; vielleicht konnte sie sich irgendwann auf dem College in ein paar Informatikvorlesungen einschleichen. Ruhig und scheinbar ohne jedes Leben lag die Wüste von Nevada unter einem sternenklaren Nachthimmel. Irgendwo in der Ferne jaulte ein Koyote; ein glitzernd-schwarzer Skorpion kroch hinter einem Stein hervor und verschwand hinter einem Erdloch. Nur wenige Meilen entfernt war es mit der Ruhe schlagartig vorbei; funkelnd präsentierte sich dort die Skyline von Las Vegas, Hotelfassaden und Casinos präsentierten sich mit Leuchtreklamen und ein unablässiger Strom von Autos, teils vermutlich nur für mehrere hunderttausend Dollar zu haben, bewegte sich über die Straßen. Langsam löste sich einer der Sterne aus der Reihe Dunkelheit, verharrte nicht mehr als einzelner Lichtpunkt, sondern gewann an Geschwindigkeit und Größe. Ein grünes Sensorennetz breitete sich für Sekundenbruchteile über der Stadt aus, nicht länger als die Dauer eines Wimpernschlages; nur wenige bemerkten es, die meisten Menschen in der Stadt waren viel zu beschäftigt mit ihren eigenen Angelegenheiten, die oft aus Pokerchips und Würfeln bestanden. Ebensowenig bemerkte niemand, wie der Meteorit wenig später etwa zwei Meilen entfernt von der Stadtgrenze im Wüstensand aufschlug. Für einen Augenblick herrschte nach dem Aufschlag, der eine riesige Sandwolke aufwirbelte, völlige Stille; dann begannen sich die Metallplatten, aus denen der Meteorit bestand, zu verschieben, Kabelstränge schlossen neue Verknüpfungen, und wenige Minuten später raste ein schwarzer Lamborghini über den Wüstensand davon. Kapitel 45: Fünfundvierzig -------------------------- Es war nicht das erste Mal, dass Lena nicht schlafen konnte, und es war auch nicht das erste Mal, dass sie stattdessen nachts heimlich in den Hangar schlich. Manche Autobots zogen menschliche Betten vor, weshalb der Hangar vergleichsweise leer war; Ratchet arbeitete vermutlich noch in seiner Praxis, Starscream und Firestorm teilten sich ein Zimmer und Sixshot passte auf Lightbringer auf, die ihn aus irgendeinem Grund zu ihrem neuen Beschützer auserkoren hatte. Optimus stand völlig ruhig in einer Ecke des Hangars, alle Lichter waren ausgeschaltet und er befand sich offensichtlich in Stasis. Nervös blieb Lena vor ihm stehen. Am liebsten wäre sie wieder in sein Führerhaus geklettert, allerdings war sie sich nicht sicher, ob ihn das nicht aufgeweckt hätte. Zumindest war sie sich ziemlich sicher, dass sie davon aufgewacht wäre, wenn jemand auf ihr herumkrabbelte. Einen Moment lang zögerte sie noch, dann öffnete sie vorsichtig die Fahrertür und schlüpfte auf den Sitz, wo sie die Knie wieder an die Brust zog. „Kannst du wieder nicht schlafen?“, fragte Optimus ruhig. Sie bekam beinahe einen Herzinfarkt; um ein Haar wäre sie wieder vom Sitz gesprungen. „Ich dachte, du schläfst.“ „Wir schlafen nicht. Und wenn ich in Stasis gewesen wäre, hättest du mir eine Handgranate hinwerfen können und wahrscheinlich wäre ich nicht aufgewacht.“ Sie verzog das Gesicht. „Warum hast du nichts gesagt?“ „Entschuldige.“ Lena seufzte und streckte sich auf dem Sitz aus. „Warum schläfst du nicht drinnen bei den anderen? In Menschengestalt, meine ich?“ „Irgendjemand muss doch Wache halten.“ Lena zog die Augenbrauen zusammen. „Ist das nicht ziemlich langweilig?“ „Du leistest mir ja Gesellschaft.“ „Hmm.“ Sie drehte sich auf den Bauch und legte das Kinn auf die ledernen Sitzbezüge. „Und was bewachst du so?“ „Eure technischen Fortschritte sind beeindruckend, aber ich schätze, meine Sensoren sind immer noch besser als eure.“ Da hatte er vermutlich sogar Recht. „Aber du brauchst trotzdem nicht die ganze Nacht über alleine hier rumzuhocken. Du könntest auch reinkommen und ich mach‘ dir einen Kaffee.“ Für sie selbst war wohl eher Tee angesagt. Kamillentee, obwohl sie das Zeug hasste, aber angeblich beruhigte es ja, und sonst kam sie nie zum Schlafen. Optimus gab ein Geräusch von sich, das vermutlich die akustische Version eines Schulterzuckens war, und öffnete die Fahrertür; Lena kletterte folgsam nach draußen und wartete, bis Optimus sich transformiert hatte, bevor sie sich mit ihm auf den Weg zurück nach drinnen machte. Drinnen war natürlich ebenfalls alles abgedunkelt und außer den Nachtpatrouillen war niemand mehr auf den Gängen unterwegs. Optimus im Schlepptau, huschte sie in die kleine Küche auf dem Gang des Wohntraktes, schloss die Tür hinter ihnen beiden und schaltete das Licht an. Kurz blinzelte sie, bis ihre Augen sich an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten. „Was machst du so draußen, während du Wache hältst?“, fragte sie, während sie zur Kaffeemaschine hinübertrat und die Kanne ausspülte. Optimus zog eine Augenbraue hoch. „Wache halten.“, antwortete er trocken. Etwas irritiert sah Lena ihn an. „Sonst nichts? Du könntest… mentales Farmville spielen oder so, ihr habt doch alle ’ne Internetverbindung, hat Bumblebee gesagt.“ „Dann wäre es ja kein Wache halten mehr.“ Optimus stützte sich mit den Ellbogen auf die Arbeitsplatte und beobachtete mit leicht schief gelegtem Kopf, wie sie an der Kaffeemaschine werkelte. Endlich gelang es ihr, einen Kaffee anzusetzen; sie grinste Optimus ein wenig verlegen zu und machte sich auf die Suche nach Teebeuteln. „Willst du auch was essen oder so?“ Optimus lehnte dankend ab; sie füllte und aktivierte den Wasserkocher, bevor sie zu ihm hinüberkam und sich neben ihm auf die Küchenplatte setzte. „Sag mal, wie lange soll ich noch hier bleiben? Also, nicht dass ich hier wieder weg will, aber ich will auch nicht in die Army eintreten oder so.“ Optimus schmunzelte. „Ich glaube, das musst du auch nicht. Du bist ein Transformer, also bist du mehr oder weniger ein Teil meiner Einheit… eigentlich eher weniger, aber das müssen die Leute außerhalb von Colonel Lennox‘ Team ja nicht erfahren.“ „Hmm.“ Einem Impuls folgend lehnte sie sich nach rechts gegen ihn. Im ersten Moment hatte sie fast damit gerechnet, dass sich seine Haut metallisch-kalt anfühlte, doch er war erstaunlich warm. „Und warum bin ich kein Teil deiner Einheit? Ich meine, ich bin ein Transformer und… ein Autobot, schätze ich, also…“ „Erstmal hast du nicht die Militärakademie auf Cybertron durchlaufen.“ Ein wenig stirnrunzelnd sah er auf sie hinunter, offenbar war er sich nicht ganz sicher, was sie damit bezweckte. „Also bist du kein Mitglied der Elitegarde. Und zweitens ist der Allspark weder Autobot noch Decepticon, er ist neutral. Immer gewesen. Er kann sich höchstens für eine Seite entscheiden, die seine Kräfte nutzt… und glaub mir, wir wären alle ziemlich erleichtert, wenn er sich für die Autobots entscheidet…“ Lena hob den Kopf, grinste ein wenig verlegen, als sie sich kurz vor Optimus‘ Gesicht wiederfand, und lehnte sich rasch wieder ein wenig nach hinten. „Na ja, ich schätze, da werd‘ ich mein Bestes tun.“ „Du wirst aber übrigens auch nicht ewig auf dem Stützpunkt leben müssen. Arcee und Sideswipe bekommen ein Baby, das kann ja schlecht hier auf dem Stützpunkt groß werden. Also werden wir ihnen irgendwo eine Wohnung oder ein Haus besorgen, vielleicht können wir dich in ihrer Nachbarschaft unterbringen, da wird Bumblebee dich vermutlich begleiten wollen… dann können wir da immer noch ein bisschen auf dich aufpassen.“ Sie nickte leicht. Wenn sie nicht mehr auf dem Stützpunkt wohnte, konnte sie sich aber auch nicht mehr nachts zu ihm in den Hangar schleichen. Der Gedanke gefiel ihr gar nicht. „Kommst du mich dann wenigstens mal besuchen?“ „Warum?“ Fragend sah er sie an. „Zweifelst du an Bumblebees Fähigkeiten? Ich versichere dir, sie hat ihre Arbeit immer gut gemacht, aber wenn du willst, dann kann ich auch Ironhide oder Sixshot als deine Leibwache abstellen…“ Mit einem müden Lächeln schüttelte sie den Kopf. „Ähm, nein. Also, ich bin mir sicher, dass sie ihren Job gut macht und so. Ich hatte nur gehofft, dass du vielleicht mal vorbeischaust, wenn ich dann schon nicht mehr nachts zu dir in den Hangar raus kommen kann…“ „Ach so.“ Noch immer war sein Blick ein wenig fragend. „Okay.“ Sie grinste ein wenig verlegen und rutschte hastig von der Küchenplatte, um ihren Tee aufzugießen und Optimus den versprochenen Kaffee zu reichen. „Milch und Zucker…?“ Optimus schüttelte leicht den Kopf und vorsichtig setzte Lena sich wieder neben ihn, allerdings ein bisschen weiter entfernt als vorher; aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, ihm auf den Hals zu rücken, und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Ein wenig nervös schwenkte sie den Teebeutel in der Tasse hin und her. „Gehen wir wieder raus…?“ „Können wir.“, antwortete Optimus ruhig. Galant hielt er ihr die Türen auf, und ließ sich draußen neben sie auf die Wiese sinken. Lena fröstelte unwillkürlich; es war Herbst und nachts wurde es bereits unangenehm kalt. Optimus musterte sie flüchtig, bevor er seine Jacke auszog und sie ihr hinhielt; ein wenig verdutzt nahm sie sie an. „Ich dachte, ihr seid kälteempfindlich…?“ „Es wäre äußerst unvorteilhaft für uns, wenn du krank würdest.“, antwortete Optimus gleichmütig. Lena seufzte tief. „Du redest ziemlich geschwollen, weißt du das?“ „Entschuldige.“ Sie zögerte einen Augenblick, dann legte sie ihm die Jacke wieder um, rutschte dichter zu ihm und lehnte sich wieder an ihn, sodass sie die Jacke auch teilweise um sich selbst legen konnte. „Ich schätze, wir hätten eine Decke mitnehmen sollen.“, murmelte sie und versuchte, sich auf ihre Tasse Tee zu konzentrieren, die ihre Finger wärmte. Vorsichtig probierte sie einen Schluck und verbrannte sich fast die Zunge dabei; kurz verzog sie das Gesicht, bevor sie einem Impuls folgend die Wange an Optimus‘ Schulter lehnt. Er ließ sie gewähren. Einen Moment lang herrschte Stille; sie ließ ihren Blick über den klaren Nachthimmel schweifen. „Wo liegt Cybertron?“, fragte sie schließlich leise. Optimus‘ Blick wanderte ebenfalls nach oben; er verengte die Augen ein wenig und suchte einen Moment, bevor er die Hand ausstreckte und auf einen etwas mehr für sich stehenden Himmelskörper zeigte. „Ungefähr da.“, sagte er ruhig, „Ich kann dir Sternenkarten zeigen, wenn du es genauer wissen willst…“ Lena schmunzelte. „Nicht jetzt.“, sagte sie leise und folgte seinem Blick lediglich mit den Augen. Flüchtig huschte ihr Blick zum Zaun hinüber und auf das Minenfeld, was sich dahinter verbarg und den Stützpunkt schützte. „Warst du im Krieg auf Cybertron? Als Soldat, meine ich?“ „Ja.“, antwortete Optimus ruhig. Er legte den Arm etwas mehr um sie, um sich besser abstützen zu können, und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Sie nickte leicht; sachte stieß ihre Schläfe gegen seine Schulter und sie spürte den groben Stoff seines Hemdes an ihrer Wange. Er roch erstaunlich gut, jedenfalls nicht so, als schliefe er jede Nacht in einem umgebauten Flugzeughangar, doch sie hätte schwören können, dass ein winziger Hauch von Benzin darin mitschwang. Vermutlich war es nur Einbildung. „Wer hat gewonnen?“ „Es gibt keine Gewinner im Krieg.“, antwortete Optimus, „Es gibt nur die, die etwas mehr Verluste hatten, und die, die etwas weniger Verluste hatten. Aber das gleicht sich meistens aus. In unserem Fall bestanden die Verluste daraus, dass Cybertron völlig unbewohnbar wurde.“ „Und werdet ihr irgendwann mal dahin zurückkehren?“, fragte sie zögerlich, „Um es wiederaufzubauen oder so?“ Ein schwaches, kaum merklich trauriges Lächeln huschte über Optimus‘ Gesicht. „Nein. Nein, ich denke eher nicht. Manche von uns sind noch dort und versuchen, den Anschein einer Regierung aufrecht zu erhalten. Der Hohe Rat, unsere oberste Autorität, ist nach wie vor damit beschäftigt, Ordnung zu schaffen, neu zu rekrutieren und alles wieder aufzubauen, aber das wird noch mindestens einige Jahrtausende dauern.“ „Das tut mir leid.“ „Wir haben uns daran gewöhnt. Außerdem haben wir hier eine neue Heimat gefunden.“ Sachte zupfte er die Jacke ein wenig mehr um sie; seine Finger streiften ihren Arm. Sie rutschte noch etwas mehr zu ihm und nippte wieder an ihrem Tee. „Ist deine Frau im Krieg gestorben?“, fragte sie schließlich noch ein wenig vorsichtiger. Flüchtig huschte Optimus‘ Blick auf sie hinunter. „Nein.“, antwortete er schließlich zögerlich, „Sie ist in Ägypten gestorben.“ Verdutzt sah sie zu ihm auf. „Sie war auf der Erde?“ Optimus seufzte leise. „Ja. Arcee, sie und Arcees Schwester Chromia bildeten eine Motorradstaffel auf diesem Planeten, kurz nachdem der Allspark zerstört worden war – wir hatten kleinere Vehicle Modes gebraucht, um leichter zwischen euren Gebäuden manövrieren zu können... Megatron lockte mich in einen Hinterhalt, um mich zu töten, das weißt du ja, und dein Vater veranlasste, dass ich nach Ägypten gebracht wurde, wo er die Matrix der Führerschaft gefunden hatte. Arcee, Ironhide, Chromia und sie eskortierten ihn, und dabei wurden Chromia und sie getötet, bevor dein Vater mich zurückholen konnte.“ Lena zog die Unterlippe zwischen die Zähne. „Das tut mir auch leid.“, sagte sie leise. Optimus sah auf sie hinunter. „Wir werden dafür ausgebildet, in Ausübung unserer Pflicht zu sterben.“, sagte er leise, „Ich schätze, das war ihr lieber, als langsam irgendwo zu verrosten.“ Unsicher, was sie darauf antworten sollte, schwieg Lena. Von großartiger Trauer hielten Cybertronier offenbar nicht allzu viel; vermutlich kam es einfach, zumindest seit der Krieg vorbei war, ziemlich selten vor, dass einer von ihnen starb. Oder sie hatten es allgemein nicht so mit Gefühlen. Bei Optimus war sie sich ohnehin nie sicher, ob seine gelegentlich ziemlich gefühlskalt wirkende Art nicht eher daher stammte, dass er einfach nicht wusste, wie Menschen sich in manchen Situationen verhielten, dabei hatte er ihren Collegeprofessor ziemlich gut gespielt. Er verbrachte ja auch nicht allzu viel Zeit als Mensch, was sie eigentlich ziemlich schade fand… denn seine menschliche Gestalt fand sie gar nicht so unansehnlich. Kurz erschauderte sie trotz der Jacke, als ein weiterer Windstoß sie traf. „Was wird jetzt eigentlich aus den Sparklingen, von denen Starscream erzählt hat?“ Optimus sah auf sie hinunter. „Wir haben keine Raumschiffe.“, sagte er zögerlich, „Das bedeutet, wir haben nicht die nötige Technologie, um eine Einheit von uns zu einem Saturnmond zu schicken. Ich hab‘ Bumblebee schon angewiesen, eine Truppe von Autobots hierher zu beordern, die zu den besten Ingenieuren auf Cybertron gehört haben – sie nennen sich die Wreckers. Sie können uns helfen, ein entsprechendes Schiff zu konstruieren. Ich weiß nur nicht, ob sie das Signal auch erreicht hat. Wir sind über das ganze Universum verstreut. Und Starscream allein können wir schlecht zum Saturn schicken, das ist nicht einmal eine Frage des Vertrauens, sondern er kann schlecht ein paar hundert Mal zwischen hier und dem Saturn hin und her fliegen und dabei jeweils einen Sparkling mit sich tragen. Dafür ist er gar nicht ausgestattet. Ich müsste ihm mindestens Ratchet mitschicken, damit der die Sparklinge erstversorgen kann, und wir wissen nicht, ob Starscreams Innenraum für einen Weltraumflug mit einem Menschen an Bord geeignet ist. Ich werde auch niemanden dafür riskieren, es auszuprobieren. Ganz zu schweigen davon, dass der besagte Autobot sich auf dem entsprechenden Saturnmond nicht transformieren könne.“ Lena nickte schwach. „Verstehe.“ Noch immer war es fast völlig still um sie herum. Lena schloss die Augen wieder. Im selben Moment richtete Optimus sich auf und sie konnte spüren, wie jeder Muskel in seinem Körper sich anspannte. „Was ist los?“, fragte sie leise und alarmiert. „Scht!“, zischte Optimus und stand vollends auf; in der Ferne konnte Lena das leise Geräusch eines Motors hören, das jedoch schnell näher kam. „Ein Bekannter von dir?“, fragte sie noch ein wenig nervöser. „Geh rein und hol Ironhide, Ratchet und Lennox.“, antwortete Optimus schroff. Er rührte sich nicht und Lena blieb ebenfalls für ein paar Sekunden irritiert stehen. In einiger Entfernung konnte sie einen schwarzen Lamborghini erkennen, der völlig ungerührt direkt auf den Stützpunkt zuhielt. Optimus stöhnte leise. „Was beim Allspark lernen die denn heute auf der Akademie?“ Seine Stimme klang mehr besorgt als feindselig, doch auf dem Stützpunkt kehrte wieder Leben ein; Sirenen begannen zu schrillen und Soldaten strömten schwer bewaffnet auf den Hof. Optimus transformierte sich und sprengte kurzerhand das stacheldrahtbesetzte Tor aus dem Weg, als er nach draußen raste und mit geballter Wucht den Lamborghini beiseite rammte, bevor dieser auf den minenbesetzten Streifen gelangen konnte. Beide, Optimus und der fremde, rotäugige Transformer, als der sich der Lamborghini entpuppt hatte, kugelten über den Sand, der Jüngere, sofern Lena das bei einem Transformer sagen konnte, giggelte und zappelte in Optimus‘ Griff. „Lass mich los!“ Ironhide und Bumblebee rasten an Lena vorbei, um ihrem Anführer zu Hilfe zu eilen, doch Optimus ließ seinen Kontrahenten tatsächlich los und schob sich zwischen ihn und die anderen Autobots. „Nicht schießen!“, kommandierte er. Ratchet legte Lena, noch in menschlicher Gestalt, eine Hand auf die Schulter. Fragend sah sie den Arzt an, dessen Blick jedoch ging in die Richtung von Optimus und dem Neuankömmling. „Ohje.“, sagte er leise. Draußen vor dem Zaun packte Optimus den Jüngeren sichtlich verärgert an der Schulterpanzerung und zog ihn auf die Füße. „Hast du eine menschliche Gestalt gescannt?“, herrschte er ihn an, „Transformier dich, auf der Stelle!“ „Ganz ruhig!“, gluckste der Neuankömmling, „Entspann dich, ist doch keinem was passiert.“ Dennoch gehorchte er Optimus‘ Befehl. Ironhide sicherte seine Waffen, und eine Gruppe menschlicher Soldaten umstellte sie, doch Optimus scheuchte sie beiseite und ließ den Jungen, der höchstens dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein konnte und in seinen schmutzig-zerfetzten Kleidern einen eher verwahrlosten Eindruck machte, in sein Führerhaus klettern, um ihn nach drinnen zu eskortieren, wo er ihn aussteigen ließ. Der Junge kletterte aus dem Führerhaus und sah sich mit unverhohlener Neugierde um, während Optimus sich hinter ihm wieder in seine menschliche Gestalt transformierte. „Wo ist Mum?“ Optimus musterte den Jungen flüchtig mit unergründlichem Blick. „Elita One ist tot, Blackjack.“, sagte er schließlich leise. Flüchtig blieb Lena der Mund offen stehen, keiner der Anwesenden rührte sich, außer dem Jungen mit dem verstrubbelten schwarzen Haarschopf, dessen Grinsen langsam einfror, als er sich zu Optimus umdrehte. „Ist sie nicht.“, antwortete er leise, noch immer einen Mundwinkel hochgezogen. Dann, ohne jede Vorwarnung, stürzte er sich auf Optimus. „Prime, du dämlicher Schrotthaufen!“, brüllte er, „Scheiße, du hast versprochen, auf sie aufzupassen!“ Ruhig, aber schnell trat Ironhide hinter den Jungen, packte ihn um die Hüfte und zog ihn von Optimus weg, der sich nicht im Geringsten wehrte. Blackjack fauchte und versuchte, sich aus Ironhides Griff zu befreien; noch immer versuchte er, nach Optimus zu schlagen und warf ihm dabei alles an Schimpfwörtern an den Kopf, was er kannte, bis Ratchet ihm kurzerhand eine auf die Schnelle organisierte Beruhigungsspritze in den Arm rammte und den Kolben herunterdrückte. Die Bewegungen des Jungen wurden langsamer und erlahmten; Lena drängte sich durch das Gewimmel, in dem Ironhide den bewusstlosen Jungen nach drinnen trug, zu Optimus, der ebenfalls wie betäubt dastand. Seine Unterlippe blutete dort, wo Blackjacks Faust ihn getroffen hatte. Sie zog ein Taschentuch hervor und drückte es Optimus sanft auf die aufgeplatzte Stelle. „Optimus, wer ist das?“ Fast wie in Zeitlupe wanderte Optimus‘ Blick zu ihr. „Mein Sohn.“, sagte er leise und tonlos, „Er ist mein Sohn.“ Kapitel 46: Sechsundvierzig --------------------------- In Ratchets Untersuchungsraum war es zwar wärmer als draußen, doch das half Lena kein bisschen weiter. Stumm saß sie neben Optimus auf der Liege und wartete darauf, dass Ratchet mit der Untersuchung von Blackjack nebenan fertig war. Optimus hatte zwar mehrfach beteuert, keinen Arzt zu brauchen, doch Lena wollte nicht das Risiko eingehen, dass Blackjack irgendeine seiner noch nicht allzu lange verheilten Verletzungen in Mitleidenschaft gezogen hatte. „Also“, sagte sie schließlich zögerlich, allerdings in möglichst lockerem Tonfall, als spräche sie über das Wetter, „äh, dein Sohn, ja? Und, äh, was ist mit seinen Optics? Pubertät?“ „Geburtsfehler.“, antwortete Optimus düster. Er fixierte das Anatomieposter an der Wand, als sei es ein Porträt von Megatron selbst. Lena nickte bedächtig. „Geburtsfehler.“, wiederholte sie langsam. Wem wollte er denn das erzählen? Optimus‘ Blick huschte zu ihr. „Was willst du hören?“, fragte er scharf, „Ja, er ist der Sohn meiner Partnerin, nein, ich bin nicht sein biologischer Vater, wie ihr das formulieren würdet, und ebenfalls nein, das weiß er nicht, und er wird es auch nicht erfahren. Als Mensch unterscheidet ihn sowieso nichts mehr von uns.“ Lena nickte schwach. „Ähm… wer ist denn sein biologischer Vater?“, fragte sie vorsichtig zurück. Optimus presste die Lippen zusammen. „Er ist Megatrons Sohn.“, antwortete er knapp. Argwöhnisch spähte Thunderblast in das tiefschwarze Loch, das sich zu ihren Füßen aufgetan hatte. „Du gehst zuerst.“, verkündete sie. Barricade gab einen unerfreuten Laut von sich, doch offensichtlich war ihm nicht danach, mit ihr zu streiten, denn er klemmte sich ohne ein weiteres Wort seine Taschenlampe zwischen die Zähne und machte sich daran, die wackelige Leiter nach unten zu klettern. Thunderblast folgte ihm wenig später. Natürlich warnte Barricade sie nicht vor, und entsprechend quietschte sie mehr erschrocken als verängstigt auf, als sie in einer Wasserpfütze landete und Feuchtigkeit in ihre Stiefel sickerte. „Ich hab‘ doch gesagt, der Keller ist halb überschwemmt.“, bemerkte Barricade mit einem Schmunzeln, „Wenn wir Glück haben, finden wir hier ein paar trockene Ecken und müssen nicht alle im Wasser schlafen, wenn Megatron und der Rest herkommen. Du bist allerdings ein Boot, dich dürfte das kaum stören.“ „Wenn Megatron hier ist, wird er eh wollen, dass ich oben schlafe.“, antwortete sie. Seltsam, noch vor ein paar Monaten wäre sie darüber ziemlich glücklich gewesen, doch inzwischen freute der Gedanke sie ganz und gar nicht mehr. Na ja, sie würde es überleben, sie hatte schlimmeres überlebt. Barricade antwortete nicht, sondern drehte sich nur um und watete voraus. Thunderblast folgte ihm. „Vielleicht lebt hier was.“, argwöhnte sie und wie auf Kommando plätscherte es leise im Dunkeln. „Gut.“, antwortete Barricade, „Fleisch.“ Thunderblast verzog das Gesicht und aktivierte ihre Scanner. Tatsächlich wimmelten um sie herum eine Vielzahl kleinerer Säugetiere, die sie mit einem leisen Schaudern als Ratten identifizierte. „Ich hab‘ schon schlimmeres gegessen.“, bemerkte Barricade, als habe er ihre Gedanken gelesen. Im Dunkeln stieß sie gegen etwas Hartes und verzog das Gesicht; ihre Scanner verrieten ihr, dass es sich dabei offenbar um irgendeine Form von Kiste handelte. Argwöhnisch musterte sie den zugenagelten Deckel. „Kriegst du das auf?“ Barricade richtete die Taschenlampe auf die Kiste. „Hast du ein Brecheisen?“, fragte er ruhig zurück. „Oben.“, antwortete Thunderblast zögerlich. Der Gedanke, allein zurück nach oben gehen zu müssen und sich dann im Dunkeln zurück zu Barricade tasten zu müssen, gefiel ihr ganz und gar nicht. Allerdings gefiel er ihr immer noch besser als die Vorstellung, allein im Dunkeln zwischen Ratten zu sitzen und zu befürchten, dass Barricade die Falltür zum Keller über ihr zuschlug und sie hier zurückließ, weshalb sie sich rasch auf den Weg zurück nach oben machte und wenig später das besagte Brecheisen mitbrachte. Sie übernahm die Taschenlampe, damit Barricade die Kiste aufhebeln konnte, und spähte neugierig ins Innere. „Hmm, Decken. Und Dosen.“ Sie spähte aufs Etikett. „Die Decken müssen wir rauf zum Trocknen bringen, aber dann lassen sie sich vielleicht verwenden. Die Dosen… na ja, ich schätze, die müssen wir aufmachen. Aber immerhin ist Fleisch dabei.“ Sie grinste zufrieden und zum ersten Mal, seit sie aus dem Wald zurückgekehrt waren, schien auch Barricade einigermaßen gute Laune zu haben. „Megatrons Sohn?“, fragte Lena scharf, „Willst du mich verarschen? Hast du ihm diese Elita One ausgespannt oder was?!“ Optimus‘ Blick, den er ihr zuwarf, war so eisig, dass Lena befürchtete, von ihm auf der Stelle niedergeschlagen zu werden, und betreten zog sie die Unterlippe zwischen die Zähne. „Für Sparklinge braucht man funktionstüchtige Protoformen.“, sagte Optimus schließlich müde, „Frag Ratchet, wie die hergestellt werden. Bevor der Krieg ausbrach, hatten wir Millionen von Protoformen, um das Überleben unserer Rasse zu sichern. Viele von ihnen wurden während des Krieges von den Decepticons zusammen mit bereits funktionstüchtigen Sparklingen gestohlen. Unter Starscreams Mithilfe, nachdem er die Seiten gewechselt hatte, denn er war vorher mit der Energonversorgung der Ungeborenen beauftragt gewesen. Um den Protoformen Leben einzuhauchen, im wahrsten Sinne des Wortes, sind zwei intakte Sparks nötig, die mit genug Energon versorgt werden.“ Optimus schloss die Augen und lehnte den Hinterkopf gegen die Wand. Lena rutschte wieder neben ihn auf die Liege, und einem Impuls folgend griff sie nach seiner Hand. Er zog sie nicht weg. „Die Sparks verbinden sich, es gibt eine Überladung und dadurch entsteht eine dritte Energiequelle, die in die Protoform eingesetzt wird.“, fuhr Optimus fort, „Anschließend bewahren wir die Sparklinge in Energonhüllen auf, damit sie wachsen und… irgendwann schlüpfen sie.“ Sein Blick irrte ein wenig verloren durch den Raum. Verunsichert zog Lena die Unterlippe wieder zwischen die Zähne. Sie hatte zwar nicht die geringste Ahnung, worauf Optimus mit seinem Bericht hinauswollte, aber sie hatte das dumpfe Gefühl, dass es ihr nicht gefallen würde. „Wir sind in einen Hinterhalt geraten.“, sagte Optimus müde, „Der Krieg war schon vorbei, Elita und ich waren mit einigen anderen auf der Flucht vor den Decepticons, die gewonnen hatten… wenn man es so nennen will. Sie haben uns erwischt und… Megatron wusste natürlich, wer sie war, wir hatten uns vor dem Krieg gut gekannt, das ist eine lange Geschichte. Die Decepticons waren fast genauso aufgerieben wie wir, es gab kaum noch Energon, der Allspark war bereits verschwunden und viele ihrer Sparklinge waren gestorben, weil sie nicht versorgt worden waren… sie brauchten Nachschub…“ Lenas Nackenhaare stellten sich auf und ihr wurde schlagartig kalt. „Er hat sie vergewaltigt?“ Optimus‘ Blick zuckte zu ihr zurück. „Wenn man es auf menschliche Art und Weise ausdrücken wollte.“, antwortete er zögerlich. Flüchtig fuhr er sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Sie wollte den Sparkling nicht bei Megatron lassen, was ich gut verstehen kann… also haben wir ihn eben mitgenommen. Ich denke, Megatron geht davon aus, dass er tot ist, aber ganz sicher bin ich mir da nicht.“ Es war offensichtlich, dass er sich wieder um seinen üblichen kontrolliert-militärischen Tonfall bemühte. Lena nickte leicht. „Mach dir mal keine Sorgen, wir werden schon auf ihn aufpassen.“, sagte sie leise. Ein wenig verdutzt sah Optimus sie an. „Was?“ Ebenfalls ein wenig fragend sah Lena zurück. „Na, Blackjack. Dein Sohn. Oder… Stiefsohn. Oder sowas. Dein Sohn. Lennox wird ihn schon nicht rauswerfen, also können wir uns auch alle um ihn kümmern.“ Optimus musterte sie einen flüchtigen Moment lang fast so unergründlich wie Blackjack vorhin auf dem Hof. „Danke.“, sagte er schließlich leise. Noch immer hielt Lena seine Hand fest; ein etwas verlegenes Grinsen huschte über ihr Gesicht. „Ähm. Kein Problem.“ Am liebsten hätte sie seine Hand nie wieder losgelassen; vermutlich war ihm aufgefallen, dass sie sich an seine Finger klammerte, denn sein Blick wanderte flüchtig auf ihre Hände hinab und er schmunzelte verhalten. „Verfolgst du damit irgendeine bestimmte Absicht?“ In seiner Stimme lag kein Vorwurf oder irgendein Zeichen davon, dass sie ihm auf die Nerven ging; er klang höchstens neugierig, und wieder einmal wurde ihr klar, dass, nach dem, was er ihr gerade in puncto Sparklinge geschildert hatte, Cybertronier offenbar wirklich nicht allzu viel Wert auf Körperkontakt legten. Abgesehen davon schien er relativ dankbar für eine Möglichkeit, sich von ihrem vorherigen Gesprächsthema abzulenken. Irritiert sah sie ihn an. „Äh. Ich… also, äh… ich wollte… na ja, also, äh… ich mag dich?“, sagte sie vorsichtig, „Und… ich dachte, du könntest vielleicht Unterstützung gebrauchen oder so?“ Optimus fixierte sie immer noch neugierig, mit leicht schief gelegtem Kopf, sagte jedoch nichts. „Ich kann’s auch lassen, wenn du das möchtest?“, fügte Lena noch ein wenig vorsichtiger hinzu. Einen Moment lang beäugte Optimus ihre Hand nachdenklich, bevor er leicht den Kopf schüttelte. „Nein, das ist nicht nötig.“, sagte er leise. Ratchet räusperte sich dezent von der Tür aus; Lena zuckte zusammen. „Hast du eine Minute, Optimus?“, fragte er ruhig. Er warf Lena einen kurzen Blick zu. „Was hältst du davon, wenn du nach nebenan gehst und Blackjack ein bisschen Gesellschaft leistest?“, fuhr er ruhig fort, „Ich glaube, er könnte einen Gesprächspartner gebrauchen.“ Ein wenig fragend sah Lena zu Optimus und löste ihre Hand zugegebenermaßen eher widerwillig von seiner, bevor sie nach nebenan huschte. Ratchet zog die Handschuhe aus, die er bei Blackjacks Untersuchung getragen hatte, und warf sie in den Papierkorb. „Wann wirst du mit ihm reden?“, fragte er, noch immer völlig ruhig und in neutralem Tonfall. Optimus zog die Augenbrauen zusammen. „Worüber?“ Ratchet warf ihm nur einen Blick zu und zog die Augenbraue hoch; Optimus rutschte von der Liege, lehnte sich dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Gar nicht. Er ist mein Sohn, dabei bleibt es.“ Ratchet seufzte leise. „Weißt du, Optimus, er ist langsam aus dem Sparklingsalter raus, in dem man ihm einreden konnte, die Sache mit seinen Optics sei ein Resultat des Energonmangels gegen Ende des Krieges. Und es ist nicht so, als wüssten nicht fast alle anderen hier ebenfalls Bescheid. Arcee, Ironhide und Starscream wissen es aus erster Hand, das bedeutet, Firestorm und Sixshot werden es auch erfahren, und wir können von Glück reden, wenn Bumblebee es nicht erfährt, damit sie sich nicht verplappert, was ich ihr durchaus zutrauen würde. Du bist ein guter Anführer, Optimus, und du weißt, dass ich deine Entscheidungen respektiere, aber den Jungen auf die Akademie zu schicken, damit Sentinel Prime ihn ausbildet, war nicht unbedingt eine deiner besseren Ideen…“ Optimus lächelte müde. „Sentinel Prime ist ein guter Soldat.“ „Und der Junge ist mehr als offensichtlich nicht ganz Autobot.“, antwortete Ratchet leise, „Er hat von Arcee nach ihrem Seitenwechsel schon nichts gehalten und versucht, sie deaktivieren zu lassen, ich schätze, wir können von Glück reden, dass Blackjack hier heil angekommen ist, oder? Ich glaube nicht, dass es ihm noch so gut gehen würde, wenn du nicht ein Auge auf ihn gehabt hättest.“ Sie hatten noch vier weitere Kisten mit ähnlichem Inhalt zutage gefördert. Die Decken hingen zum Trocknen durch den halben Flur des Hauses aufgehängt; die gefundenen Dosen hatte sie teilweise geöffnet und nur zwei davon waren verdorben gewesen. Den Rest hatte Thunderblast genutzt, um davon ihr Abendessen zu kochen. Barricade hatte die Pfanne fast allein geleert, und keine halbe Stunde später war er fast ohnmächtig ins Bett gefallen. Es wunderte sie nicht, immerhin hatten sie den ganzen Tag in diesem Kellerloch zugebracht und Dinge nach oben geschleppt – auch, wenn sie ihm zugegebenermaßen in Anbetracht seiner körperlichen Verfassung etwas mehr Kondition zugetraut hätte. Sie selbst hatte noch geduscht und inzwischen waren ihre Haare auch trocken genug als dass sie darauf schlafen konnte. Lautlos schlich sie in ihr Schlafzimmer, duckte sich unter das Moskitonetz und setzte sich neben Barricade auf die Matratze. Er regte sich nicht, murrte nur leise im Schlaf. Sie schmunzelte unwillkürlich. Rasch und noch immer lautlos zog sie ihren Schlafanzug an und legte ihre Sachen ans Fußende des Bettes, noch unter das Moskitonetz. Barricade schlief immer noch seelenruhig; sie lehnte sich ein wenig nach vorne und zog die Bettdecke etwas mehr über ihn. Er hatte sie im Wald auch zugedeckt, oder? Ein Schmunzeln umspielte ihre Lippen; sie zog die Füße an und rutschte zu ihm unter die Decke, wo sie sich an ihn schmiegte. Vermutlich hätte er sie aus dem Bett geworfen, wenn er das mitbekommen hätte. Nicht dass sie dafür nicht Verständnis gehabt hätte; immerhin bewegte sich ihre Beziehung auf rein beruflicher Basis, aber… sie war eben niemand, der gerne allein schlief. Zufrieden schloss sie die Augen und war wenige Minuten später ebenfalls eingeschlafen. Es war Barricade, der einige Stunden später aufwachte. Irgendetwas stimmte nicht. Einige Minuten lang starrte er reglos an die Decke des Zimmers, ignorierte selbst Thunderblast, die zufrieden neben ihm schlummerte, bevor ihm klar wurde, wo das Problem lag: Es war arschkalt. Wahrscheinlich hatte er sich die letzten zwei Wochen nur eingebildet und befand sich eigentlich immer noch in Russland. Noch irgendetwas stimmte nicht; es dauerte diesmal etwas länger, bis ihm auffiel, dass er vor Kälte zitterte. Hatte irgendein Idiot die Klimaanlage runtergedreht? Thunderblast regte sich schwach. „Was‘ los, Großer?“, murmelte sie. „Es ist kalt.“, knurrte er leise. Thunderblast schob das Kinn auf seinen Oberarm und öffnete ein Auge. „Ist es nicht. Es ist total warm. Deshalb nennt man es Dschungel… oder so.“ Sie schloss das Auge wieder; Barricade biss die Zähne zusammen. „Red keinen Blödsinn, es ist schweinekalt.“ Thunderblast seufzte leise und öffnete diesmal beide Augen. „Sind deine Sensoren kaputt oder so, Süßer?“ „Woher denn?“, knurrte er und wickelte sich etwas mehr in die Decke ein. Thunderblast zog die Augen zusammen und musterte ihn besorgt. „Du wirst mir doch nicht krank, oder, Schatz?“ Offensichtlich waren sie schon beim Schatz angekommen. „Was weiß ich.“ Thunderblast setzte sich auf und legte ihm flüchtig die Hand auf die Stirn. „Ich glaube, du hast Fieber.“ Barricade verzog das Gesicht. „Mir ist aber kalt und nicht warm.“, antwortete er; seine Zähne schlugen hörbar aufeinander. Thunderblast seufzte leise. „Ja, aber wenn du hohes Fieber hast, dann kann dir trotzdem kalt sein, weil deine Körpertemperatur steigt und… weiß ich auch nicht. Hab‘ ich gelesen. Ich bin kein Fleischlingsarzt.“ Erneut legte sie ihm die Hand auf die Stirn. „Steck mich bloß nicht an, was auch immer du hast!“, warnte sie, „Hast du irgendwie… Halsweh oder so?“ Barricade schüttelte leicht den Kopf, schlang die Arme wieder um sie und zog sie an sich; sie war wenigstens warm. Zwar hingen überall im Haus Decken, aber die waren vermutlich noch nicht trocken und außerdem von sonstwas befallen. Thunderblast sah ein wenig verdutzt auf ihn hinab; sie hätte nicht gedacht, dass ihm im Moment nach kuscheln war. „Ähm.“ Vorsichtig strich sie ihm übers Haar. Er vergrub das Gesicht an ihrer Schulter; offensichtlich hatte er nichts dagegen. „Äh… mach dir keine Sorgen, wir kriegen dich schon wieder gesund.“, sagte sie, bemüht um einen aufmunternden Tonfall. Bei Gelegenheit würde sie Soundwave anfunken, um sich von ihm über alle möglichen Tropenkrankheiten informieren zu lassen. Sie hatte zwar schon einige Zeit auf diesem Planeten zugebracht, und sie wusste auch durchaus, wie man Verletzungen behandelte, aber von Krankheiten hatte sie zugegebenermaßen eher wenig Ahnung. Ratchet hatte Blackjack in eines der Krankenhausbetten verfrachtet, womit der Junge offensichtlich überhaupt nicht glücklich war. Ein wenig argwöhnisch musterte er Lena, als diese eintrat. „Wo steckt Optimus?“ „Nebenan.“, antwortete Lena mit einem leichten Lächeln, „Wie geht’s dir?“ Blackjack presste die Lippen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Beschissen.“ Immerhin nahm er kein Blatt vor den Mund, wie Lena unwillkürlich ein wenig amüsiert feststellte, obwohl die Situation an sich natürlich ganz und gar nicht amüsant war. Sie nickte leicht und setzte sich auf den Rand des Bettes, was Blackjack nach wie vor aufmerksam beobachtete. „Stimmt es, was Optimus gesagt hat?“, fragte er zögerlich, „Ist sie tot?“ Lena haderte einen Moment mit sich selbst – das hätte vermutlich besser Optimus mit ihm geklärt – , bevor sie nickte. „Ja.“, sagte sie leise, „Es tut mir so leid, Blackjack.“ Der Junge nickte langsam, zog die Knie an die Brust und legte das Kinn darauf. „Bist du seine neue Tussi?“, fragte er plötzlich und geradeheraus; Lena musste sich beherrschen, um ihren Unterkiefer an Ort und Stelle zu halten. „Äh – äh, nein. Ich glaub‘ auch nicht, dass dein Vater – ich meine, er hat deine Mutter sehr geliebt, und – ich glaube nicht, dass er überhaupt jemanden neues… sucht.“ Blackjack zog eine Augenbraue hoch und legte den Kopf leicht schief. „Aber du wärest gerne seine neue Tussi. Wer bist du überhaupt?“ „Lena.“, antwortete Lena ein wenig verdutzt, „Ich bin Lena Whitwicky.“ Blackjack krauste die Nase. „Also ein Fleischling? Vergiss es. Ich hab‘ über euch in der Schule gelernt, ihr lebt überhaupt nich‘ lange genug, als dass man ’ne Beziehung mit euch anfangen könnte.“ Verdutzt sah Lena ihn an. „Ich bin kein Fleischling.“, antwortete sie schließlich, „Ich bin… der Allspark.“ Das entsprach ja den Tatsachen. Sie war kein Mensch… aber sie war auch kein Cybertronier. Blackjack zog erneut gekonnt eine Augenbraue hoch und musterte sie abschätzend. „Warum~?“, fragte er gedehnt und legte die Fingerspitzen aneinander. Lena grinste ein wenig müde. „Mein Vater war der Allspark, und ich hab’s… geerbt. Sozusagen.“ Blackjack nickte. „Also ist dein Vater tot?“ „Ja.“, antwortete Lena nach einem leichten Zögern, „Die Decepticons haben meine Eltern umgebracht.“ Genauer gesagt, sein Vater hatte ihren Vater umgebracht. Und ihre Mutter ebenfalls. Sie schob den Gedanken rasch beiseite; immerhin konnte der Junge nichts dafür. Dennoch schien das kurze Aufflackern auf ihrem Gesicht Blackjack nicht entgangen zu sein; er ließ die Hände wieder sinken und schlang die Arme stattdessen um seine Knie. „Ich bin kein Decepticon.“, erklärte er, „Ich bin nach dem Krieg geboren, es gab nicht genug Energon, um alle zu ernähren, und meine Optics wurden dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Sie mussten mich reparieren, aber hatten keine Ersatzteile mehr. Also musste ich die von einem Decepticon kriegen. Arcee hat ja auch blaue Optics, obwohl sie nicht immer ein Autobot war.“ Lena nickte leicht. Die Erklärung klang sogar irgendwie plausibel. Also gut, sie würde dabei bleiben. Blackjack legte das Kinn wieder auf die Knie. „Ist Optimus böse auf mich?“, fragte er zögerlich. In Lena keimte der jähe Impuls auf, den Jungen in den Arm zu nehmen. Sie widerstand dem Bedürfnis, streckte jedoch trotzdem die Hand aus, um ihm sachte den Arm zu tätscheln. „Nein.“, sagte sie sanft, „Er macht sich nur Sorgen um dich. Warum bist du von Cybertron aus abgehauen, ganz allein?“ Blackjack verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und folgte ihrer Hand mit den Augen. „Weil die Akademie dämlich und langweilig ist.“, antwortete er, „Sentinel Prime ist eh seit Monaten nicht mehr da, und Schule ist total langweilig.“ Unwillkürlich musste Lena lächeln. „Vielleicht finden wir ja hier einen Platz für dich.“ Auch wenn Optimus dem Jungen wohl kaum erlauben würde, an irgendwelchen Feldeinsätzen teilzunehmen; vielleicht konnten sie ihn ja auf die High School schicken, und die Autobots konnten sich um ihn kümmern. Wahlweise heiratete sie Optimus und sie beide kümmerten sich um Blackjack. Der Gedanke ließ sie innerlich erneut grinsen; sie dachte wie eine verknallte Zwölfjährige, wie sie feststellte. Blackjack musterte sie erneut neugierig und schien dabei bis in ihre Seele durchzublicken; unwillkürlich fragte sich Lena, von welchem Elternteil er das hatte. Vielleicht konnte sie Arcee ein wenig über seine Mutter ausfragen, immerhin hatten die beiden wohl relativ eng zusammengearbeitet. Kapitel 47: Siebenundvierzig ---------------------------- Ein leises Klopfen gegen den Türrahmen ließ Lena hochschrecken. Es war Optimus, der sie beide mit einem kaum deutbaren Ausdruck auf dem Gesicht musterte. Blackjack sank noch ein wenig mehr in die Matratze und Lena stand mit einem verlegenen Lächeln auf. „Ähm… ich lass‘ euch mal alleine und so.“ Sie huschte an ihm vorbei nach draußen und er wandte sich Blackjack zu, der ihn nervös musterte. Offenbar erwartete er eine Standpauke oder etwas ähnliches. Er wartete, bis Lena aus dem Raum verschwunden war, bevor er sich neben Blackjack aufs Bett setzte. „Was machst du hier?“, fragte er leise, „Du solltest auf Cybertron sein.“ Blackjack verschränkte die Arme vor der Brust und musterte seinen Vater sichtlich unerfreut. „Ich wollte zu dir. Auf Cybertron ist eh alles kaputt. Außerdem läuft da in Sachen Rekrutenausbildung auch nicht mehr viel, seit Sentinel Prime weg ist.“ Optimus zog die Augenbrauen zusammen. „Was heißt das, er ist weg?“ Blackjack zuckte die Schultern. „Der hat sich schon vor Jahren verzogen. Wundert mich nicht, auf Cybertron ist eh alles Schrott. Keine Ahnung, wo er hin ist. Ist aber nicht schade drum, konnte mich eh nicht leiden und ich ihn auch nicht.“ Unwillkürlich musste Optimus sich ein Schmunzeln verbeißen. „Weißt du, ich glaube, niemand kann Sentinel Prime besonders leiden. Was nichts daran ändert, dass er ein guter Soldat ist.“, antwortete er, „Ich hoffe, dir ist trotzdem klar, dass es keine besonders gute Idee war, alleine quer durchs Universum zu reisen. Die Bewohner dieses Planeten haben keine allzu gute Verbindung zu uns; du hättest angegriffen werden können.“ Blackjack nickte schwach und legte das Kinn auf die Knie. „Was ist mit Mum passiert?“, murmelte er, ohne Optimus anzusehen. Dieser zögerte einen Moment. „Sie ist im Kampf gegen die Decepticons gefallen.“, antwortete er schließlich leise. Blackjack zog die Unterlippe zwischen die Zähne und sein Blick huschte wieder zu Optimus. „Wie lange ist das her?“ „Etwa zwanzig Erdenjahre.“, antwortete Optimus leise, „Das sind weniger als zwei Jahre nach cybertronischer Zeitrechnung.“ Blackjack rieb sich flüchtig die Nase und schniefte leise, das Gesicht wieder zur Wand gerichtet. Optimus zögerte einen kurzen Moment, bevor er ein wenig näher zu Blackjack rutschte und den Jungen in seine Arme zog. „Sie hat dich sehr geliebt, Kleiner.“, sagte er leise und strich seinem Sohn über den dunklen Haarschopf. Nervös saß Lena wieder in der kleinen Etagenküche auf der Küchenplatte, diesmal eine Tasse Kaffee in den Händen und wippte hin und her. Blackjacks Auftreten hatte für ein wenig Aufregung auf dem Stützpunkt gesorgt; Lennox und seine Leute liefen überall herum und mussten wegen dem Jungen offenbar eine ziemliche Menge Papierkram erledigen. Ratchet war offensichtlich sowieso mit seinem Nachtdienst beschäftigt gewesen – unwillkürlich fragte sie sich, ob der Medibot überhaupt jemals schlief; jedenfalls hatte sie noch nie eine Tageszeit erlebt, bei der Ratchet nicht auf der Krankenstation gewesen wäre – und Ironhide lehnte schweigend ihr gegenüber am Kühlschrank, in der Hand eine geöffnete Flasche Bier. „Wer ist Sentinel Prime?“, fragte Lena schließlich zögerlich, um das Schweigen zu brechen. Noch immer hatte sie eine gewisse Scheu gegenüber ihren ehemals besten Freunden; da fiel es ihr wesentlich schwerer, zu akzeptieren, dass die beiden offenbar ihr ganzes Leben lang Aliens gewesen waren, ohne sie einzuweihen. Optimus und den Rest hatte sie ja wenigstens bereits als Cybertronier kennen gelernt. Ironhide schnaubte leise. „Sentinel Prime ist ein Vollidiot.“ Lenas Mundwinkel zuckten unwillkürlich. „Okay, äh… aber wieso?“ Ironhides Blick huschte flüchtig durch die Küche und dann zu ihr. „Komm, wir gehen raus.“, sagte er, „Ich brauch‘ frische Luft.“ Lena hob die Schultern und ihr entging nicht, wie Ironhides Blick flüchtig in die Richtung von Bumblebees Zimmertür wanderte, als sie sich auf den Weg nach draußen machten. „Läuft da was zwischen dir und Bumblebee?“ Ironhides Augenbraue zuckte. „Nein.“, murrte er und nahm einen Schluck aus seiner Flasche, „Sie ist zwar süß und alles, aber sowas wie… meine Kusine oder so. Außerdem steht sie total auf diesen Internetfreak, ohne den auch nur einmal gesehen zu haben…“ Draußen blieb er unter dem überdachten Eingang stehen und lehnte sich gegen die Wand. „Sentinel Prime war im selben Ausbildungsjahrgang wie Optimus und ich. Auf der Akademie. Und er ist und war schon immer ein arroganter Wichser.“ Lena musste unwillkürlich schmunzeln. „Das klingt ja vielversprechend.“ „Das Problem ist“, fuhr Ironhide fort und nahm einen weiteren Schluck Bier, „das Problem ist, dass Optimus‘ Vater einer der sieben Primes war. Die Primes, die hier auf der Erde die Matrix der Führerschaft versteckt haben und so weiter. Optimus ist der letzte lebende Nachfahre. Worauf Sentinel ziemlich neidisch war, schon immer, und er war fest davon überzeugt, dass jeder Ausbilder Optimus deswegen bevorzugt hätte. Und später waren sie dann beide in der Elitegarde, und Optimus kriegte die Orden, und Optimus kriegte Elita One…“ Ein Grinsen huschte über Ironhides Gesicht. „Oh Mann, den Gesichtsausdruck von ihm werd‘ ich nie vergessen, als er rausgekriegt hat, dass die beiden… na ja, du weißt schon.“ Lena nickte mit einem etwas verlegenen Grinsen. „Ähm… diese Elita One…“, sagte sie vorsichtig, „Wie, äh, wie war sie so?“ Ironhides Blick huschte zurück zu ihr; er stellte die halbleere Flasche auf einen kleinen Vorsprung in der Mauer. „Sie war cool.“, antwortete er, „Ihr hättet euch gut verstanden, glaub‘ ich. Na ja, so, wie du Optimus ansiehst, wahrscheinlich eher nicht so, aber… egal. Sie war eine gute Scharfschützin, die beste, die ich kenne. Oder kannte. Optimus und sie, die beiden waren einfach füreinander geschaffen. Sie hat gewusst, was sie will, und sie hat Blackjack über alles geliebt.“ Scharf musterte er Lena. „Was hat Optimus dir denn über den Jungen erzählt?“ „Alles.“, antwortete Lena, „Du meinst, was seinen Vater angeht, oder…?“ Ironhide nickte leicht. „Sie hat den Jungen über alles geliebt.“, wiederholte er, „Sie haben ihm erzählt, Optimus sei sein Vater, und er hat seine Sache da immer gut gemacht, auch, wenn er den Jungen nicht allzu oft gesehen hat. Aber der war ja gut aufgehoben… na ja, Optimus hatte ja auch immer die Hand drauf, was den Kleinen angeht. Weil Sentinel Prime irgendwann einer der Ausbilder auf der Akademie wurde, und der vergisst manchmal seine Manieren und alles. Besonders, wenn’s um Optimus geht, ich glaub‘, da weiß er nicht mehr so wirklich, was der Unterschied zwischen Autobots und Decepticons ist. Wenn er das überhaupt jemals gewusst hat.“ Nachdenklich drehte Lena eine dunkelblonde Haarsträhne zwischen den Fingern. „Blackjack meinte, Sentinel Prime wäre verschwunden…“ Ironhide schnaubte leise. „Wundert mich gar nicht. Hat wahrscheinlich Schiss gekriegt oder so, oder kapiert, dass Cybertron nicht mehr aufgebaut werden kann.“ Lena setzte sich auf die Mauer und sah ihn an. „Sag mal… Optimus, mmh…“ Ironhide sah wieder zu ihr. „Du hast dich in ihn verknallt, oder?“ Am liebsten hätte sie sich auf die Zunge gebissen. Verflucht, war das wirklich so offensichtlich? „Ähm… ein bisschen, vielleicht?“, antwortete sie vorsichtig. Ironhide schmunzelte. „Es ist nicht zu übersehen, aber Optimus ist nicht unbedingt der Schnellste, um sowas zu begreifen.“ Sein Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. „Er ist mein bester Freund, Süße. Es ist nicht so, als hätte ich was dagegen, wenn er jemanden finden würde, der ihm hilft, über die Sache mit Elita und so hinweg zu kommen. Aber, weißt du, Elita One und er waren – nach irdischen Maßstäben – so ungefähr zehntausend Jahre zusammen, und sie haben sich gekannt, ich meine, wir alle, also, Ratchet, Optimus, Elita und ich und noch einige andere, wir haben uns gekannt, seit wir Sparklinge waren. Wir haben immer zusammengehangen, wir waren im Krieg in derselben Einheit, bis Elita ihr eigenes Kommando gekriegt hat, also… na ja, du bist ein Cybertronier, du hast ’ne ganze Menge Zeit. Und ich schätze, die ist auch nötig.“ „Ich glaube, das Kochen hätte ich mir sparen können.“ Barricades Blick zufolge verspürte er das Bedürfnis, sie zu erwürgen, oder zumindest mit der Pestilenz anzustecken, die er sich eingefangen hatte. Mit einem leisen Seufzen setzte Thunderblast sich neben ihn auf den Boden des Badezimmers und versuchte, die Tatsache zu ignorieren, dass er wahrscheinlich auch sie noch vollkotzen würde, wenn sie neben ihm sitzen blieb. Flüchtig streckte sie die Hand aus, um ihm eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. „Soundwave hat was von Malaria gesagt, Süßer.“ Barricade knurrte etwas leises, unverständliches und zog es vor, sich des restlichen Abendessens zu entledigen. Flüchtig drückte sie ihm einen Kuss auf den Handrücken. „Ich hol‘ dir mal was zu trinken, mmh?“ Mit einem Glas Wasser kehrte sie zu ihm zurück und beobachtete fachmännisch, wie er sich den Mund ausspülte. „Alles raus, ja? Schaffst du’s zurück ins Bett, hm?“ Behutsam half sie ihm hoch und bugsierte ihn mit einiger Mühe zurück in ihr gemeinsames Schlafzimmer aufs Bett. „Vielleicht sollten wir Megatron sagen, dass hier die Seuche lauert, dann haben wir länger unsere Ruhe.“, schlug sie vor, „Soundwave meinte zwar, es sei nicht ansteckend, oder zumindest nicht auf diese Husten-und-Niesen-Art und Weise, aber das weiß Megatron ja nicht…“ Argwöhnisch beäugte sie, wie er anfing, sich am Arm zu kratzen. „Was wird das?“ „‘S brennt.“, antwortete Barricade quengelig wie ein Sparkling, „Mach das weg!“ Sie schürzte die Lippen und griff nach seiner Hand. „Es wird nicht gekratzt, klar? Das wird schon wieder.“ Irgendein innerer Teil von ihr hatte ziemlichen Spaß daran, die Krankenschwester zu spielen. Vielleicht würde sie sich einen Nebenjob zulegen, wenn sie irgendwann mal wieder in zivilisierte Gefilde zurückkehrten. Flüchtig strich sie Barricade übers Haar und legte sich wieder neben ihn ins Bett, wobei sie seine Hand immer noch festhielt. „Ich möchte, dass du jetzt schläfst, klar?“, sagte sie sanft, „Du musst gesund werden, also schlaf.“ Barricade murrte etwas leises, undefinierbares, doch ihm fielen bereits die Augen zu. Unwillkürlich musste sie lächeln. Verdammt, irgendwie war das niedlich. Kapitel 48: Achtundvierzig -------------------------- Nach Blackjacks Auftauchen war verständlicherweise der ganze Stützpunkt in Aufruhr gewesen, und so dauerte es ein paar Stunden, bis wieder die übliche Nachtruhe eingekehrt war. Allerdings war er wohl nicht der einzige, der heute Nacht keine Ruhe mehr finden würde, wie Ironhide feststellte, als er über den Gang schlich. In Bumblebees Zimmer brannte ebenfalls noch Licht, und er konnte das leise Klappern ihrer Computertastatur hören. Lightbringer lag zusammengerollt auf der Liege am anderen Ende des Zimmers und schlief selig vor sich hin; sie rührte sich nicht einmal, als Ironhide sachte mit den Fingerknöcheln gegen den Türrahmen klopfte und Bumblebee zusammenzuckte. „Heee…“ Nervös wippte sie auf dem Stuhl hin und her. „Was machst du denn hier?“ „Ich kann nicht schlafen.“ Sein Blick huschte zu dem Sparkling hinüber. „Du auch nicht, wie’s aussieht…“ Bumblebee verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf; ihr Blick huschte ebenfalls kurz zu Lightbringer hinüber, bevor sie ihren Laptop zuklappte und sich mit ihrem Schreibtischstuhl völlig umdrehte und auf die zweite Liege wies. „Setz dich doch.“ Folgsam nahm er Platz und Bumblebee huschte zu ihm hinüber, wo sie sich neben ihn setzte und an seinen Arm schmiegte. „Und warum kannst du nicht schlafen?“, fragte er leise und tätschelte dem Mädchen flüchtig den Rücken. Bumblebee verzog das Gesicht. „Wegen der Sache im Staudamm.“, murrte sie, „Wir haben Henderson immer noch nicht gefunden und wir wissen nicht, wie er mit den Decepticons zusammengearbeitet hat, und überhaupt kann ich an gar nichts anderes mehr denken. Als hätte ich einen dieser blöden Gruselfilme geguckt, die immer nachts im Fernsehen kommen…“ Ironhide seufzte leise. „Bee, was im Staudamm passiert ist, war nicht deine Schuld. Du bist eine gute Soldatin, Henderson hat uns nur alle verarscht, das hätte nicht passieren dürfen. Aber er hat auch Optimus und alle anderen verarscht, hmm?“ Bumblebee zog die Nase kraus und schlang die Arme um seinen Oberkörper. „Ja, ich weiß. Aber trotzdem. Ich hätte auf Lena aufpassen müssen.“ „Sie lebt doch noch, oder?“ Bumblebee schürzte die Lippen und musterte ihn streng. „Darum geht’s nicht. Sie hätte gar nicht erst in den Staudamm kommen dürfen, und Megatron hätte sie auch nicht nach Russland verschleppen dürfen.“ Ironhide schmunzelte unwillkürlich bei ihrem Gesichtsausdruck, wurde jedoch rasch wieder ernst. „Ich weiß doch.“, antwortete er mit einem leisen Seufzen und klopfte ihr erneut sachte über den Rücken, „Aber zumindest dagegen, dass sie in den Staudamm geht, hättest du nicht groß was tun können, oder?“ Bumblebee murrte leise, legte jedoch das Kinn auf seinen Arm und war einen Augenblick still. „Und warum kannst du nicht schlafen?“, fragte sie schließlich nachdenklich. Ein Grinsen huschte über Ironhides Gesicht. „Nicht genug Bier.“, antwortete er und klopfte Bumblebee auf den Rücken, „Jetzt sei so gut und entschuldige mich. Wenn der Prime mit Blackjack gesprochen hat, braucht er sicher auch was davon, mmh?“ Bumblebee gluckste leise, ließ ihn jedoch aufstehen und huschte zurück an ihr Laptop. Das Bier hätte Thunderblast inzwischen wohl auch gut gebrauchen können. Inzwischen fühlte sie sich, als ob Barricade ihr die Seuche ebenfalls an den Hals gejagt hätte; ihre Knochen schmerzten und sie war völlig ausgelaugt. Allerdings lag das vermutlich eher daran, dass sie die letzten paar Stunden damit zugebracht hatte, ihrem Patienten beim Kotzen zuzusehen und ihm dann mit einiger Mühe dabei geholfen hatte, sich unter die Dusche zu schleppen. Einen Witz zum Thema Männer und kalte Duschen hatte sie sich dabei vorsichtshalber verkniffen; vermutlich war Barricade noch nicht geschwächt genug, um sie nicht doch noch zu erwürgen, wenn sie es übertrieb. Abgesehen davon hätte es sie ohnehin gewundert, wenn er in seinem Zustand noch zu derartigen körperlichen Reaktionen fähig gewesen wäre… und es hätte sie vermutlich auch beeindruckt. Im Moment jedenfalls saß sie an der Wand gegenüber der Badezimmertür auf dem Boden, der Schmutz, den offenbar seit Jahrzehnten hier keiner weggeputzt hatte, versaute ihr die Hose und sie wartete darauf, dass Barricade unter der Dusche fertig war. Er brauchte verdammt lange. Mit einem Seufzen stand sie wieder auf, klopfte sich den Dreck von der Hose und ging langsam auf dem Gang auf und ab. Schließlich klopfte sie an die Tür. „Alles in Ordnung?“ Von drinnen kam keine Antwort; hastig öffnete sie die Tür, stellte jedoch fest, dass Barricade sie offenbar lediglich nicht gehört hatte; er hatte die Stirn gegen die Wand gelehnt und ließ sich weiterhin mit dem Wasser berieseln. Einen Augenblick lang zögerte sie – es war wirklich eigenartig, was sie ihm gegenüber auf einmal beinahe schüchtern geworden war, vor allem, weil es an ihrem Körper nun wirklich nichts gab, was er nicht schon gesehen hätte – , dann trat sie hinüber zu ihm und berührte ihn sachte an der Schulter. „Cade?“ Er zuckte zusammen und musterte sie aus müden Augen. „Was willst du?“, murrte er. Sie seufzte leise. „Ich will, dass du wieder zurück ins Bett gehst.“, sagte sie ruhig, „Und dich ausruhst.“ Seinem Blick zufolge war das für ihn keine besonders anheimelnde Alternative. Sie seufzte ein drittes Mal, drehte das Wasser ab – Barricade protestierte leise, hielt sie jedoch nicht auf – und griff nach einem der Handtücher, um ihm das um die Schultern zu legen. „Komm…“ Er knurrte leise und schob ihre Hände weg. „Mir geht’s bestens, ich brauch‘ kein Kindermädchen.“ Sie senkte ihre Hände, hob jedoch vielsagend die Augenbrauen, während er sich ein wenig unbeholfen die Haare abtrocknete. Argwöhnisch warf er ihr einen Blick zu. „Was ist?“ Ihre Augenbrauen wanderten noch ein bisschen höher und sie trat ein wenig näher zu ihm hin. „…bestens?“ Ruhig nahm sie ihm das Handtuch wieder ab und machte sich daran, seinen Oberkörper abzutrocknen. Barricade folgte ihren Händen mit dem Handtuch ein wenig misstrauisch mit den Augen, sagte jedoch nichts. Wenig später hatte sie Barricade immerhin wieder zurück in seine Kleidung und zurück ins Bett verfrachtet; wie vorher setzte sie sich neben ihn auf die Bettkante und lehnte den Rücken gegen das Kopfende. Noch immer fühlte sie sich völlig zerschlagen; vermutlich hätte sie die eine oder andere Mütze Schlaf auch gut gebrauchen können. Für einen Moment schloss sie die Augen und lehnte den Hinterkopf leicht gegen das Moskitonetz. Etwas streifte federleicht ihr Bein; rasch öffnete sie die Augen wieder und stellte verdutzt fest, dass es Barricade war, der sachte mit den Fingerspitzen über ihren Oberschenkel strich. „Danke.“, sagte er schließlich leise. Unwillkürlich lächelte sie ein wenig müde. „Schon gut, Großer.“ Er war… eigenartig, seit er krank war. Nein, eigentlich war er schon ein wenig seltsam zu ihr gewesen, bevor sie krank gewesen war… auf jeden Fall freundlicher als vorher. Vielleicht hatte es mit der Nacht im Wald zu tun. Sie streckte die Hand aus und fuhr ihm flüchtig durch die schwarzen Haare. Sie waren immer noch nass, wie sie feststellte. „Brauchst du noch was?“ Er schüttelte leicht den Kopf und schloss die Augen wieder. Einen Moment lang herrschte Stille, dann rückte er mit einem unwilligen Laut auf dem Bett ein wenig zur Seite. „Jetzt leg dich schon hin.“ Unwillkürlich huschte ein Schmunzeln über ihr Gesicht und folgsam legte sie sich wieder neben ihn ins Bett. Seine Temperatur schien sich glücklicherweise einigermaßen normalisiert zu haben; nach allem, was sie wusste, hatte Malaria da einen ziemlich gleichmäßigen Rhythmus, aber sie war sich nicht mehr hundertprozentig sicher. Besser, sie fragte Soundwave bei nächster Gelegenheit. Sie streckte die Hand aus und strich Barricade sachte über den Arm. „Schlaf ein bisschen und ruh dich aus, na los.“ Einem Impuls folgend beugte sie sich vor, um seine Lippen flüchtig mit ihren zu streifen. Barricade öffnete ein Auge wieder. „Was wird das?“ Ihre Mundwinkel zuckten leicht. „Übung macht den Meister. Also… auf mich bezogen. Nicht auf dich. Ich glaub nicht, dass du da noch sonderlich viel Übung bräuchtest.“ Er schloss das Auge wieder, doch das Grinsen auf seinem Gesicht war mehr als deutlich. Sie schürzte die Lippen ein wenig und piekste ihn sachte in den Bauch. „Was gibt’s da zu lachen?“ Er verzog das Gesicht und krümmte sich leicht zusammen. „Nichts, nichts… lass das, das ist bestimmt nicht, äh, genesungsfördernd…“ Sie schmunzelte und legte einen Arm um ihn, um sich etwas dichter an ihn zu kuscheln. Umso irritierter war sie, als Barricade sich ein wenig mehr zu ihr lehnte, um sie seinerseits zu küssen. Verdammt, was sollte das denn werden? Nicht dass sie ihn wegstieß, aber zumindest musterte sie ihn unter einer erneut hochgezogenen Augenbraue. „Doch noch mehr Übung, Süßer? Was wird das?“ Das Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück. „Mmh, keine Ahnung.“, murmelte er, „Vielleicht sind das eh nur Fieberträume.“ Ironhide lauerte Optimus vor Blackjacks Zimmer auf, kaum dass der Junge eingeschlafen war und er sich eigentlich in den Hangar hatte zurückstehlen wollen. Offenbar blieb ihm heute Nacht auch nichts erspart, stellte er fest, als er ein Paket mit sechs Flaschen aus braunem Glas unter Ironhides Arm sah. „Ironhide…“ Abwehrend hob er die Hände. „Geh einfach ins Bett, ja? Ich bin müde, ich hatte einen ziemlich unerfreulichen Tag, ich will nur…“ „Ja, ich weiß.“, unterbrach ihn Ironhide, legte ihm ungeachtet dessen einen Arm um die Schultern und dirigierte ihn in Richtung der Kantine, „Deshalb werde ich dich jetzt aufmuntern. Wie in alten Zeiten. Vielleicht willst du ja auch, äh, reden. Fleischlinge tun das, hab ich gehört.“ Zugegeben, nach den Ereignissen der letzten Nacht fehlte ihm die Kraft, Ironhide da zu widersprechen, und entsprechend resigniert ließ er sich von ihm mitziehen. Die Kantine war natürlich um vier Uhr in der Früh menschenleer; Ironhide schien das offenbar nicht zu stören, eher im Gegenteil. „Also, Prime“ fuhr er fort und angelte einen Flaschenöffner aus dem Schrank, um eine der braunen Flaschen zu öffnen und ihm in die Hand zu drücken, „ich bin ganz Ohr.“ Er öffnete sich eine zweite Flasche, setzte diese an den Mund, um die Flasche bis fast zur Hälfte zu leeren, und nahm anschließend an einem der Kantinentische Platz, die Flaschen vor sich auf dem Tisch, und lächelte sein offenstes und vertrauenerweckendstes Lächeln. Optimus warf einen etwas irritierten Blick auf die Flasche in seiner Hand hinunter und schnupperte flüchtig daran, bevor er mit einem entnervten Laut neben Ironhide Platz nahm und die Flasche auf den Tisch stellte, ohne sie anzurühren. „Und worüber soll ich reden?“ Ironhide seufzte leise und rückte ein wenig näher. „Über Blackjack zum Beispiel.“ Vielsagend wackelte er mit den Augenbrauen. „Was wird aus dem Kleinen?“ Ein müdes Lächeln huschte über Optimus‘ Gesicht. „Ich weiß es nicht.“, sagte er leise, „Hier kann er nicht bleiben, das ist klar.“ Ironhide nickte demonstrativ verständnisvoll und nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche. „Und wo schaffen wir ihn dann hin?“, fragte er. Flüchtig rieb Optimus sich das Kinn. „Na ja, wir haben Lena auf dem College recht gut versteckt bekommen. Sie kann hier auch nicht ewig bleiben, und der Sparkling von Arcee und Sideswipe… die Sparklinge von der Nemesis, wenn wir sie von da zurückgeholt haben…“ Ironhide nickte erneut sehr verständnisvoll, die Flasche im Mundwinkel. Unwillkürlich fragte sich Optimus, wie viele dieser Flaschen sein bester Freund im Verlauf der heutigen Nacht schon geleert hatte. „Der Stützpunkt ist keine Aufzuchtstation.“ Nachdenklich drehte er die Flasche in den Händen, immer noch, ohne sie anzurühren. „Vielleicht können wir uns in menschlicher Gestalt bei den Fleischlingen tarnen…“ Andererseits waren beim Angriff auf das College viele Fleischlinge ums Leben gekommen, und er wollte nicht das Risiko eingehen, dass so etwas nochmal passierte. Es gab Städte in der Nähe von Diego Garcia, die NEST schnell erreichen konnte… und Lena und Annabelle mussten eine Gelegenheit haben, ihr Studium zu beenden… dann war da noch Lightbringer, die auch auf eine Schule für Menschen gehen können würde… Sein Blick huschte zurück zu Ironhide. „Wir brauchen eine Unterkunft.“, sagte er zögerlich, „Wir brauchen eine Basis, wie den Stützpunkt, der nahe genug bei den Menschen ist, um die Sparklinge zur Schule schicken zu können…“ Sie brauchten einen Rückzugsort, den die Decepticons nicht so schnell fanden, und den auch die Regierung nicht kannte. Außerdem durften die Fleischlinge nicht in der Nähe sein, für den Fall, dass die Decepticons sie doch aufstöberten, und gleichzeitig musste er nahe genug bei den Menschen liegen… Als er sich das erste Mal über das Land, in dem sie sich momentan aufhielten, informiert hatte, hatte er erfahren, dass die meisten Leute in diesem Land selbst die Nachfahren von Einwanderern waren. In manchen Städten war es dabei so weit gekommen, dass es Stadtviertel gab, die nur von Einwohnern eines bestimmten Landes bewohnt gewesen waren… Technisch gesehen war ihm das immer noch zu nah bei den Fleischlingen, aber es war eine Alternative. Zwar waren sie längst nicht genug Cybertronier, um ein ganzes Stadtviertel in Beschlag zu nehmen, aber sie mussten rein theoretisch nur ein neu gebautes Siedlungsgebiet finden und kaufen, dann hatten sie genug Platz und auch eine Barriere zu den Fleischlingen. Und mit etwas Glück konnten sie einen entsprechenden Kampf mit den Decepticons von den Fleischlingen fernhalten. Leider hatte seine Idee eine Schwachstelle: Dafür brauchten sie eine ganze, ganze Menge Geld. Hoffentlich konnte Colonel Lennox ihnen in der Hinsicht aushelfen; sie mussten nur dafür sorgen, dass Sektor Sieben nichts davon erfuhr. Er stand auf – Ironhide folgte ihm fragend mit den Augen – und klopfte seinem Freund auf den Schulter. „Ironhide, ich danke dir. Du bist ein Genie. Schlaf gut.“ Mit diesen Worten ließ er ihn in der Kantine zurück. Ironhide seufzte leise und angelte sich die offene, unangetastete zweite Flasche Bier. „Ich weiß.“, antwortete er freundlich der geschlossenen Tür, den Blick auf die Flasche gerichtet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)