Shinobi von Perro (One-Shot Collection) ================================================================================ Kapitel 1: ~°~ Masks ~°~ ------------------------ ~~~°~~~ Masks - ein Naruto und Ino One-Shot ~~~°~~~ Ino Yamanaka war in den Bingo-Büchern als Geistwanderin bekannt. Mit ihren Fähigkeiten konnte sie in die Köpfe ihrer Feinde eindringen und Verwüstungen anrichten, die schlimmer waren als jede körperliche Wunde. Sie konnte Erinnerungen löschen, das Bewusstsein zertrümmern und ganze Seelen in Fetzen reißen. Manchmal blieben nur leere oder verrückte Hüllen von ihren Opfern zurück. In wenigen Jahren hatte sie sich durch diese Kräfte und ihre kühle Art, mit der sie sie einsetzte, in der Verhör-Abteilung Konohas bis ganz nach oben gearbeitet. Und auch ohne ihre Künste war sie eine Shinobi, die ihre Aufträge mit tödlicher Eleganz erledigte. Ihr Taijutsu war außergewöhnlich, ihr Genjutsu und ihre Heilkünste mehr als überdurchschnittlich. Außerdem geizte sie nicht mit ihren Reizen, wenn es darum ging Spionage zu betreiben und männliche Feinde in falscher Sicherheit zu wiegen. Wenn Ino Yamanaka es sich in den Kopf gesetzt hatte einen Mann für sich zu gewinnen, dann konnte sie ihm auch ohne ihre Künste schnell den Kopf verdrehen, bevor sie ihn zerstörte und gebrochen in eine Ecke warf. Ino war eine gefährliche Mischung aus Schönheit und Stärke. Sie war die perfekte Kunoichi. Und in diesem Augenblick kauerte sie schwer betrunken über der Holztheke einer Bar. Naruto sah sie schon vom Eingang aus. Sie hatte den Kopf auf ihre verschränkten Arme sinken lassen, so dass ein dichter Vorhang aus goldblonden Haaren über ihr lag wie eine Decke. Nur eines ihrer himmelblauen Augen war zu erkennen. Es musterte trübe ihre perfekt lackierten Fingernägel, die ein schweres Whiskey-Glas umklammert hielten. Als Naruto zu ihr trat, richtete sie sich auf, als wäre es die anstrengendste Bewegung der Welt, und nahm einen großen Schluck von ihrem Drink. Ihr Gesicht verzerrte sich eine Sekunde von dem bitteren Geschmack, doch schon nach kurzer Zeit trank sie weiter. „Naruto Uzumaki!“, rief sie lallend aus. „Der Held der Stunde!“ „Wie geht es dir, Ino?“, fragte Naruto und setzte sich neben ihr an die Theke. Eigentlich hätte er sich die Frage klemmen können, denn ihre Verfassung war nur zu offensichtlich. Dicke, dunkle Ringe zogen sich unter ihren Augen entlang und die sonst so sorgsam aufgetragene Schminke war an den Wangen verlaufen. Sie war ein Wrack. Manche Shinobi, die sie verhörte, sahen nach ihrer Folter besser aus als sie. „Ich habe von Chouji gehört…“ „Drink?“, fragte sie und gab dem Barmann ein Zeichen, bevor Naruto Zeit hatte zu antworten. Nur ein paar Sekunden später stand bereits ein Whiskey vor seiner Nase. Ino prostete ihm zu. „Auf die Gefallenen und den Schmerz der Überlebenden!“ Sie spülte den Rest in ihrem Glas die Kehle hinunter und rief bereits beim Absetzen nach der nächsten Runde. Naruto starrte sie einen Moment an, ehe er selbst nach seinem Drink griff und die zähe, braune Flüssigkeit in den Mund laufen ließ. Der Alkohol brannte wie Feuer in seinem Hals und brachte ihm Tränen in die Augen. Auch Inos blaue Augen waren feucht, doch Naruto glaubte nicht, dass es bei ihr durch den Whiskey kam. „Der Schmerz der Überlebenden“, murmelte sie leise, als probiere sie ihre eigenen Worte auf der Zunge. Dann stieß sie ein bellendes Lachen aus, freudlos, laut und hässlich. „Aber das kennst du ja nur zu gut, nicht wahr, Naruto?“ Inos Worte waren wie Gift. Sie wusste mit ihnen zu verletzen und tat dies in diesem Augenblick ganz bewusst. Doch Naruto sah es ihr nach, denn sie war überwältigt von ihrer Trauer und suchte nur nach irgendeiner Möglichkeit, um die Gefühle abzulassen. Er konnte es ertragen, dass sie ihm dabei wehtat, lächelte sogar verständnisvoll. Ino schien mit seiner Reaktion nicht zufrieden, legte die Stirn in Falten und betrachtete ihn wie ein schwer lösbares Rätsel. Oder wie eines ihrer Opfer, bei denen sie überlegte, wie sie dessen Verstand am besten knacken konnte. „Was gibt’s da so zu grinsen?“ „Nichts.“ „Warum grinst du dann?“ Naruto antwortete nicht. Schlieren bildeten sich auf der Oberfläche seines Whiskeys. Das Zeug war stark und machte ihn bereits ein wenig benommen. Oder war es Ino, die in seinem Kopf rumspukte? Wie viel hatte sie bereits getrunken und wie viel war nötig, bevor sie anfing ihre Fähigkeiten bei einem Freund einzusetzen? „Wieso bist du hier?“, seufzte Ino nach einer Weile. Die Frage schien harmlos, doch die Fragen einer Verhörspezialistin waren nie harmlos. Sie begutachtete ihn wieder mit getrübten Augen. „Für dich.“ „Für mich?“ Sie kicherte, leckte sich mit ihrer schmalen Zunge über die Lippen. „Wie edel.“ „Tu das nicht“, bat Naruto elendig. „Tu was nicht?“, fragte Ino neckend. Ihre Zunge schnellte ein weiteres Mal hervor und mit einer Hand fuhr sie sich betont spielerisch durchs Haar. Selbst im Vollsuff wirkten ihre Bewegungen noch anmutig und elegant, wenn sie sich darauf konzentrierte. Ihre Augen glitzerten und schienen Dinge zu versprechen, bei denen jeder Mann schwach geworden wäre… „Spiel nicht mit meinem Verstand. Ich will nur helfen…“ „Natürlich“, kreischte Ino mit hoher Stimme, während sie ihr Glas schwenkte, dass der Whiskey flog. „Naruto Uzumaki hilft immer bei allem und jeden! Der Retter der Armen, der baldige Superhokage!“ Naruto lächelte und überspielte seine Unsicherheit, doch Ino erkannte es sofort und es schien sie nur noch wütender zu machen. „Du kannst mir nicht helfen, niemand kann mir helfen! Es ist nichts zu reparieren, weil nichts kaputt gegangen ist“, fauchte sie. „Chouji war bei einer Mission und ist gestorben. Das normale Shinobi-Leben. So ist das eben. Bei einer Mission sterben, jung sterben. Shinobis sind Werkzeuge. Shinobi müssen ihr Herz verschließen. Shinobi dürfen keine Gefühle zeigen.“ „Hör auf dich zu quälen…“ „Und das aus deinem Mund!“, keifte Ino und schlug mit der Faust auf den Tisch. Sie streifte ihr Glas, zerdrückte es unter ihrer Hand. Es knirschte und splitterte und kleine Scherben hüpften über die Theke. Zwei Glasstücke steckten in Inos Hand. Sie betrachtete das ausströmende Blut wie ein seltenes Phänomen, bevor sie die Scherben achtlos aus der Haut zupfte. „Ich denke, du hast genug für heute“, beschloss Naruto. Er zwang sich von seinem Hocker und zerrte Ino von ihrem Platz. Die Geistwanderin wehrte sich nicht und gestattete ihm sogar, dass er sie auf dem Rücken Huckepack nahm, sobald sie die Bar verlassen hatten. Während sie durch die verlassenen, nächtlichen Straßen von Konoha wanderten, drückte Ino ihr Gesicht in seinen Nacken. Er konnte ihre Tränen nass auf der Haut fühlen, doch er sagte nichts und versuchte auf seine eigenen Schritte zu lauschen anstatt auf ihr leises Schluchzen. „Du hast immer gelächelt, wenn ich dich beleidigt habe“, stellte Ino nach einer Weile murmelnd fest. Ihre Stimme klang schwer vor Müdigkeit. „Du bist wie ich… Du trägst eine Maske…“ Naruto wusste genau, wovon sie redete, doch er war selbst zu müde, um sich auf dieses Gespräch einzulassen. Er hatte Angst davor, was Ino mit ihrem Verstand aus ihm heraus kitzeln könnte. Er wollte nicht, dass jemand sein wahres Ich zu genau erkannte. „Wo wohnst du? Ich bring dich nach Hause“, versuchte er das Thema zu wechseln. „Ich will nicht nach Hause… Ich will nicht alleine sein…“ „Dann Shikamaru?“ „Nein… Nicht Shikamaru oder meine Familie oder sonst irgendwer… Sie begreifen es nicht… Ich habe es gesehen… Ich habe bei Choujis Beerdigung nicht geweint… Und sie haben mich verurteilt… Aber du verstehst, oder? Naruto?“ „Ich verstehe…“ Er zwang die Worte über seine Lippen. Er wollte sie nicht sagen, wollte sein Innerstes nicht Ino preisgeben, doch gleichzeitig wollte er Trost spenden. Mit einem Seufzen steuerte er in eine Seitengasse und folgte dem vertrauten Weg zu seinem Haus. „Scheinbar musst du bei mir schlafen…“ „Ich hasse dich…“, wisperte Ino in die kühle Dunkelheit. Naruto lächelte sein übliches Lächeln, auch wenn er wusste, dass die Geistwanderin es weder sehen noch davon getäuscht werden konnte. „Warum?“ „Du bist wie ich…“, wiederholte sie. „Was hat das damit zu tun?“ „Ich hasse mich. Meine Maske.“ Sie erreichten Narutos Wohnung und er kramte ein wenig umständlich nach dem Schlüssel in seiner Jacke, damit ihm Ino nicht vom Rücken fiel. Mit einem Tritt öffnete er die Tür und stolperte ins Innere. Inzwischen machte der Whiskey seine Schritte unsicher, so dass er erleichtert war, als er Ino auf seinem Bett ablegen konnte. Sie blieb liegen wie sie war und murmelte etwas Unverständliches. Naruto schnallte noch seinen Kunaibehälter vom Bein ab, bevor er sich neben sie fallen ließ. Er war zu erschöpft, um genauer darüber nachzudenken. In der Dunkelheit blitzten Inos Augen wie kleine Saphire. Sie rutschte näher an ihn heran, suchte die Wärme seines Körpers und fuhr mit einem kühlen Finger die parallelen Striche auf seiner Wange nach. Naruto sah sie aus halb geschlossenen Lidern einfach nur an. Ihre Maske bröckelte, so wie seine. Dann beugte sich Ino ganz langsam vor und ließ ihre Lippen seine berühren. Ein flüchtiges Streifen, wie Schmetterlingsflügel. Naruto wich zurück. Ino lächelte traurig. „Wovor fürchtest du dich?“ „Du küsst mich aus Trauer. Das ist nicht richtig.“ Der Moment war so zerbrechlich. „Wieso?“ „Es wird die Trauer nicht besser machen.“ Tränen glitzerten erneut auf Inos Wangen. Der Moment brach in Stücke wie das Whiskeyglas in der Bar oder wie ihre bröckelnden Masken. Die Geistwanderin und perfekte Kunoichi schmiegte sich an ihn, vergrub das Gesicht in seinem Shirt und weinte hemmungslos. Das Schluchzen schüttelte ihren ganzen Körper, doch Naruto hielt sie ruhig fest und strich über ihr blondes Haar wie bei einem Kind. Inos Hand fand seine und verflocht ihre Finger miteinander. Ihr Klagen klang nach Verlust und Scherben und Ino. ~~~°~~~ Ino grinste und wirbelte in ihrem zitronengelben Kleid um die eigene Achse. Viele Augenpaare lagen auf ihr, als sie über das Holzparkett tanzte und gute Laune in alle Richtungen versprühte. Sie war wieder Ino Yamanaka, die elegante und lebensfreudige Kunoichi, ohne Probleme und ohne Selbstzweifel. Naruto saß etwas abseits und plauderte mit Kiba, während er mit der Gabel in seinem Stück Kuchen herumstocherte. Für einen Moment begegneten sich ihre Augen flüchtig, seine so blau wie das Meer, ihre wie der Himmel. Sie hatten wieder ihre Masken auf, mit denen sie sich in der Öffentlichkeit zeigten. Seit der Nacht nach Choujis Tod waren Monate vergangen, doch sie hatten nie über diese Ereignisse gesprochen. Naruto fürchtete sich, dass er zu viel von sich preisgegeben hatte und war sich sicher, dass es Ino genau so ging. Die Geistwanderin tanzte jetzt mit Shikamaru, dem Bräutigam des Tages, und Naruto erkannte die Risse in ihrer Maske, die für alle anderen unsichtbar blieben. Als das faule Genie von Konoha und Temari Sabakuno ihre Verlobung bekannt gegeben hatten, war ein Gefangener beim Verhör von Ino in den Wahnsinn getrieben worden… Narutos Blick schweifte über die langen Stuhlreihen, an denen Gäste saßen und plauderten. Viele Plätze waren leer, doch nicht weil ihre Besitzer irgendwo anders herumliefen. Sie waren reserviert für diejenigen, die nicht mehr an den Festlichkeiten teilnehmen konnten. Naruto bemerkte, dass bei jeder Feier mehr freie Stühle herumstanden. Sasuke, der immer noch verschollen war. Sakura, gefallen bei dem Versuch einen hoffnungslosen Fall mitten auf dem Schlachtfeld zusammenzuflicken. Asuma. Chouji. Shino. Mit einem ironischen Grinsen hob Naruto sein Glas Sekt und murmelte zu sich selbst: „Auf die Gefallenen und den Schmerz der Überlebenden…“ Er sah wie Ino die Tanzfläche verließ und erhob sich kurz darauf, um ihr zu folgen. Er hatte das Bedürfnis seine Maske für eine Weile vom Gesicht zu reißen. Für ein paar Minuten nicht darüber zu schwatzen, wie toll die Braut aussah oder wer als nächstes heiraten würde. Nachdem er die Geräusche der Hochzeit hinter sich gelassen hatte, sah er Ino allein auf dem Rasen sitzen. Als sie Naruto näher kommen hörte, schwenkte sie ihr Sektglas und setzte ein Lächeln auf. Es war so unecht wie die Blumenblüte in ihren Haaren. „Dieses Gelb beißt sich mit meinen Haaren“, grüßte sie und zupfte mit gelangweiltem Blick an den Falten ihres Kleides. Es schien ihr eine gewisse Befriedigung zu bereiten, dass einige Stellen vom Gras grün befleckt waren. „Das hat Temari doch mit Absicht gemacht.“ „Wie geht es dir?“, fragte Naruto. Ino rollte mit den Augen. „Immer die gleiche Frage, Naruto. Bist du es nicht leid dir immer die Probleme anderer anzuhören? Was ist mit dir? Wie geht es dir?“ „Gut“, log Naruto. Ino grinste wissend. „Mir geht es auch gut“, log sie zurück. Sie konnte es nicht lassen ihre Spielchen zu spielen, doch in den Monaten nach Choujis Tod hatte er mehr mit ihr zu tun gehabt und konnte inzwischen selbst mit dem ein oder anderen Gedankentrick aufwarten. Gelassen ließ er sich neben der Geistwanderin ins Gras fallen und nahm einen Schluck Sekt. Dann setzte er zum Stoß an: „Shikamaru sieht glücklich aus.“ „Fast so glücklich wie Hinata, immer wenn sie mit Kiba zusammen ist…“ „Vielleicht zieht Shikamaru ja nach Suna.“ „Vielleicht wird er auch der nächste Hokage.“ Sie versuchten sich gegenseitig zu verletzen und so die Masken herunterzureißen, die sie an sich selbst hassten. Doch sie wussten gleichzeitig, dass es ihnen nicht gelingen würde. Aus der Ferne drang das Jubeln der Menge zu ihnen herüber. Ino zog eine Grimasse. „Der Bräutigam küsst mal wieder seine Braut. Dass die Leute davon nicht längst genug haben…“ Sie bemerkte Narutos Blick und schüttelte den Kopf. „Ich liebe ihn nicht.“ „Wieso dann das falsche Lächeln?“ „Alles an mir ist falsch.“ Mit ruckartigen Bewegungen riss sie Büschel voll Gras aus und ließ sie vor ihren Augen wieder zu Boden rieseln. „So wie an dir…“ „Wieso die Maske?“, fragte Naruto nach einer Weile ohne wirklich auf eine ehrliche Antwort zu hoffen. Die Frage war zu plump gestellt. Inos Augen folgten einem Grashalm, der vom Wind erfasst wurde und in der Ferne verschwand, bevor sie ihn nachdenklich musterte. „Stolz“, sagte sie schließlich überraschend. „Ich bin stark und brauche keine Hilfe. Mein ganzes Leben war darauf ausgelegt, die Beste zu sein. Deswegen sollen mich andere nicht schwach sehen. Ich hasse es, wenn ich bemitleidet werde, wenn sich jemand um mich kümmert… Darum kann ich dich auch nicht leiden.“ „Ich bin das eheste, was du als Freund bezeichnen könntest“, erwiderte Naruto unbeeindruckt. Ihre Spitzen trafen ihn schon lange nicht mehr so hart wie früher. „Chouji ist gestorben und Shikamaru hat nur Augen für Temari. Ich glaube du quälst dich nur gern selbst. Eigentlich brauchst gerade du jemanden, der sich um dich kümmert…“ „Und was ist mit dir?“, fauchte Ino, mit einem Schlag wütend. Ihre Gefühle waren ein ständiges hin und her und nie konnte man genau sagen, was nun wirklich ernst gemeint war. Vielleicht gar nichts von allem. Vielleicht auch alles. „Was ist deine Maske?“ Bevor er auch nur den Mund öffnen konnte, spürte er einen heftigen mentalen Hammer gegen die Mauern seines Bewusstseins schlagen. Sein Blick wurde dunkel und Bilder blitzten durch seinen Kopf, Kindheitserinnerungen, Erinnerungen von Ino, blutige Tage und tränenreiche Nächte. Naruto keuchte, als der Angriff gegen seinen Verstand langsam wieder nachließ. Er lag alle Viere von sich gestreckt im Gras. Ino kniete neben ihm, einen schlanken Finger in Denkerpose unter ihr Kinn geschoben. „Verstehe“, sagte sie. „Deine Maske ist anders als meine. Du hast sie als kleines Kind angelegt und kannst sie inzwischen nicht mehr ablegen. Wie ein Zwang. Immer den Gutgelaunten zu spielen muss so ermüdend sein…“ „Das war grausam“, stöhnte Naruto, während er versuchte die letzten Spuren von Ino aus seinem Kopf zu bekommen. Ihr Geruch hing ihm noch in der Nase – oder in seinen Erinnerungen. Die Geistwanderin zuckte die Achseln. „Schon möglich. Tut mir leid.“ Sie sah in seinen Augen überhaupt nicht so aus, als ob es ihr Leid täte. „Du Hexe…“ Naruto versuchte sich stöhnend aufzurichten, doch Ino legte ihm eine Hand auf die Brust und drückte ihn mit sanfter Gewalt zurück ins Gras. Ihre Finger zogen kleine Kreise, während sie sich zu ihm hinunter beugte. Sie war so nahe, dass der Schleier ihrer blonden Haare seine Stirn kitzelte. Bevor sein noch geschundener Verstand wirklich verarbeiten konnte was passierte, küsste sie ihn, diesmal hungriger und fester als vor den vielen Monaten in seiner Wohnung. Naruto hatte ihren Duft wieder in der Nase. Er war frisch und intensiver als der mentale Abdruck, der nach ihrer Attacke zurückgeblieben war, und machte ihn einen Moment so benommen, dass er Ino viel zu spät von sich wegdrückte. Als er es endlich geschafft hatte, leckte sie sich über die Lippen und wirkte irgendwie enttäuscht. „Was?“ „Es ist nicht richtig.“ „Wieso nicht?“ „Du küsst mich, weil du einsam bist. Wegen Shikamaru und Chouji und Asuma und weil ich der einzige bin, bei dem du deine Maske wenigstens ein bisschen fallen lassen kannst.“ Ino schwang sich auf die Füße, dass ihr Kleid flatterte. Auf ihrem Gesicht zeichneten sich Wut, Trauer und Verzweiflung ab, doch nur für einen Wimpernschlag. Danach war alles wieder beim Alten und unecht. „Du kennst mich zu gut“, seufzte Ino. Sie trat ihm spielerisch in die Rippen, winkte und rauschte ab. Ihr Duft hing in der Luft wie ein exotisches Parfüm. Es roch nach Verlangen und Blumen und Ino. ~~~°~~~ Der Regen prasselte mit gnadenloser Härte auf die durchweichte Erde und malte Schlammpfützen in die Landschaft. Naruto rannte keuchend durch den namenlosen Wald, in dem ihre Mission so entsetzlich schief gegangen war, und jeder Schritt peitschte dreckiges Wasser bis zu seinen Knien auf. Seine Kameraden waren in alle Himmelsrichtungen verstreut, jeder auf der Flucht und um das nackte Überleben kämpfend. Doch all das interessierte ihn im Moment nicht. Ino lag nicht weit entfernt auf dem morastigen Boden. Naruto rannte zu ihr, fiel auf die Knie und wischte sich Wasser aus der Stirn. „Ino!“, brüllte er über den tosenden Lärm des Regens hinweg. Die Weste der Geistwanderin war an mehreren Stellen vollkommen zerrissen und blutverschmiert. Naruto war kein Medi-Nin, doch man brauchte keine besonderen Heilkünste um zu sehen, dass es kritisch um sie stand. „Ino! Hilfe! Ich brauche hier ärztliche Versorgung!“ „Naruto Uzumaki…“, keuchte Ino. „Der Retter… wie immer zur Stelle…“ „Halt die Klappe!“ Naruto riss den Kopf hin und her, doch weit und breit war nichts zu sehen außer Regen, Schlamm und Wald. Als sie zur Kunoichi hinabsah, grinste diese als wäre alles nur ein großer Scherz. „Wo… ist denn deine Maske, Naruto?“ „Red kein Wort mehr! Spar deine Kräfte! Ich habe keine Zeit für diese Spielchen!“ Hektisch riss er Streifen von seinem Hemd und presste sie auf die tiefe Wunde, die sich quer über den Bauch zog, doch das Blut sprudelte durch die kleinsten Zwischenräume hindurch. Ein schwerer Kloß bildete sich in Narutos Hals. Es mussten mindestens zwei Vitalpunkte getroffen worden sein… „Hör auf, Naruto…“, murmelte Ino schwach. „Aufhören? Was redest du? Wenn ich die Blutung stoppen-“ „Das hat doch… keinen Sinn…“ „Hör auf so zu reden!“ Ino lachte und spuckte dabei Blut auf ihr Kinn. „Sieh endlich ein… dass du… nicht jeden retten kannst… Deshalb hast du deine Maske, oder? Damit niemand… den Schmerz sieht…“ Ihr Lächeln war dieses Mal echt, ohne jeglichen Spott, ohne den üblichen Sarkasmus, selbst ohne Bitternis. Der Tod schien Ino lebendiger zu machen als es das Leben je geschafft hatte. „Meine Maske fällt auch ab… Der Stolz… Ich habe mir von dir mehr helfen lassen, als ich je wollte…“ Ihre Hand, besudelt von Schlamm und Blut, streckte sich in die Höhe und berührte ihn an der Stirn. Die Berührung trieb Naruto die Tränen in die Augen. „Also lass mich gehen… Du kannst mich nicht retten… also belaste dich nicht mit der Schuld…“ „Stirb nicht, bitte…“ Als Antwort ließ sie ihre Hand über seine Wange in seinen Nacken wandern, zog ihn zu sich herab und versiegelte ihre Lippen miteinander. Es war ein Kuss so ganz anders als die anderen zuvor, ein Kuss voller Gefühl, Einverständnis und unausgesprochenen Dingen. Naruto wollte sich nicht von ihr lösen. Sie würde nicht während eines Kusses sterben, also musste er ihn nur ewig fortsetzen, um sie am Leben zu halten. Doch irgendwann zwang ihn der Luftmangel dazu, wieder von ihr abzulassen. Tränen tropften auf ihr Gesicht. Seine Tränen? Oder war es Regen? „Ist es nicht richtig?“, flüsterte Ino leise. Auch sie weinte, doch gleichzeitig fing sie an zu lachen wie über einen geheimen Witz. „Doch“, antwortete Naruto. „Aber warum? Der erste Kuss war aus Trauer, der zweite aus Einsamkeit… Wofür war er jetzt?“ „Hast du das nicht erraten?“ Selbst kurz vorm Tod und durch Kunais zerrissen schaffte sie es noch mit einem einfachen Lächeln schön auszusehen. So wie die perfekte Kunoichi, die sie war. Ohne ihre Maske war sie eigentlich sogar noch mehr als das. Naruto küsste sie noch einmal. Es schmeckte nach Sehnsucht und Blut und Ino. ~~~°~~~ Dieser OneShot geisterte ewig in meinem Kopf herum, bis ich mich endlich dazu brachte ihn zu schreiben. Als ich fertig war, hinterließ er irgendwie einen bitteren Beigeschmack. Er ist nicht besonders logisch, aber gerade das find ich gut daran. Die Ausschnitte sind mehr wie Fenster in das Leben von Ino und Naruto und ihre Shinobi-Welt, die brutal und voller unerfüllter Hoffnung ist... Hoffe jedenfalls es hat Einigen gefallen ;) Grüße Perro Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)