Blättertanz von Ur (Naruto Oneshot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 5: Alpha ---------------- Er war der Teamführer, so viel stand fest. Der Rudelführer, sozusagen. Hinata konnte keine Entscheidungen treffen und Shino war zu schweigsam, als dass er ihnen seine Entscheidungen mitteilen würde. Natürlich waren sie zusammen unschlagbar, wenn es darum ging, Shinobi zu finden und zu verfolgen. Und Kiba wäre auch bei ihrer letzten Mission nicht so kläglich gescheitert, wenn sein wichtigstes Instrument zum Aufspüren von Feinden irgendwie und auf unerklärliche Art und Weise abgelenkt gewesen wäre. Es hatte schleichend begonnen, mit einer falschen Richtungsangabe um lediglich 10° zu weit nördlich. Er hatte es auf den Fakt geschoben, dass das Zielobjekt in dieser Richtung offenbar vorher seine Blase entleert hatte, und von diesem Gestank konnte eine Nase schon mal getäuscht werden. Er hatte genau gesehen, wie Hinata und Shino einen Blick getauscht hatten, aber Hinata war zu schüchtern, um etwas zu sagen und Shino... nun. Shino begnügte sich meistens mit knappen Gesten oder leisen Geräuschen, deren Bedeutungsnuancen man vermutlich nur begreifen konnte, wenn man seit Jahren mit Shino befreundet war, oder Gedanken lesen konnte. Allerdings war es nicht dabei geblieben. Zwei Stunden später hatte er sich von einem zurückgelassenen Kleidungsstück täuschen lassen, obwohl Shino durch ein Brummen und eine richtungsweise Handbewegung in die korrekte Richtung gewiesen und Hinata ein »Kiba-kun, ich glaube, wir müssen hier lang...« gestammelt hatte. Aber er war der Rudelführer! Und er entschied, wo es hinging. Also waren sie dem Geruch des Kleidungsstücks gefolgt und hatten dafür einiges an zusätzlicher Distanz zum Ziel hinnehmen müssen. Doch die Krönung des Desasters war das Jutsu des Gegners gewesen, das sie alle in rabenschwarze Dunkelheit gehüllt hatte. Normalerweise hätte Kiba darüber gelacht – und zwar laut und lange. Aber seine Nase wollte einfach nicht das tun, was Kiba von ihr verlangte. Akamaru war verwirrt, weil Kiba sich so merkwürdig benahm und letztendlich hatten Shino und Hinata ihm mit einer Kombination aus Zurufen, – Kiba hatte beide Teamkollegen lange nicht mehr so viel in Shinos und so laut in Hinatas Fall reden hören – Byakugan und Käfern das Leben gerettet, bevor er beinahe von hinten von einem Hagel aus Kunai durchbohrt worden wäre. Sie erfüllten ihre Mission, aber Kiba hatte hinterher trotzdem das Gefühl, die größte Niederlage seines Lebens erlitten zu haben. So erniedrigt hatte er sich noch nicht einmal damals gefühlt, als er gegen Naruto in den Vorentscheidungen zur Chuunin-Prüfung verloren hatte. Hinata hatte versucht ihn zu trösten und Akamaru hatte ihm aufmunternd die feuchte Nase gegen die Wange gedrückt, doch Kiba hatte seine schlechte Laune behalten und war wütend auf sich und die Welt nach Hause gestapft. Seit zwei Wochen schlug er sich nun mit dieser Schmach herum und seine Laune hatte sich seitdem nicht gebessert. Kurenai hatte sie eingeladen, um mit Asuma Junior zu spielen und Kuchen zu essen, doch Kiba war nicht bei der Sache. Er versuchte sich auf den Geruch des Babys zu konzentrieren, während es Akamaru begeistert an den Ohren zog, doch es wollte ihm nicht so recht gelingen. Es war, als hätte jemand einen unsichtbaren Beutel mit ablenkenden Geruchsstoffen direkt vor seiner Nase platziert. Kurz bevor sie gehen wollten, nahm Kurenai Kiba zur Seite. »Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte sie leise und ihre freundlichen Augen ruhten besorgt auf ihm. Kiba verschränkte die Arme vor der Brust und schnaubte. »Sicher«, gab er zurück und wich ihrem Blick aus. Kurenai war immer schon zu gut darin gewesen, ihr Team zu durchschauen. Das hatte sie zu einer exzellenten Trainerin gemacht. »Du siehst sehr angespannt aus«, fuhr Kurenai fort. Unter der sanften Hand auf seiner Schulter bröckelte sein Widerstand. Er grummelte leise. »Irgendwas ist mit meinem Geruchssinn nicht ok«, erklärte er unzufrieden mit sich und vor allem mit seiner Nase. Dumpf stellte er fest, dass sein seit neustem widerspenstiges Riechorgan ihm verkündete, dass Shino draußen vor der Tür stand, obwohl er seinen Geruchssinn nicht um diese Information gebeten hatte. »Wann hat das angefangen?«, fragte Kurenai mit gerunzelter Stirn. Das Baby auf ihrem Arm zupfte an den Locken seiner Mutter. Kiba befand, dass es Kurenais Augen hatte. »Auf unserer letzten Mission. Das sollte eigentlich ein Kinderspiel werden. Aber ich hab das Team zweimal in die falsche Richtung geführt und...« Kiba brach ab und rang mit sich. Jetzt, da er es laut aussprach, wurde ihm klar, was Kurenai ihm gleich sagen würde. Und ein unparteiischer Teil in Kibas Kopf wusste, dass sie absolut Recht haben würde. Ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich leicht. »Ich weiß, dass du und wahrscheinlich auch Shino und Hinata dich als Teamführer ansehen. Aber Führung heißt nicht, seinen Willen mit aller Macht durchzusetzen. Schon gar nicht, wenn man merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist und man somit seine Kameraden in Gefahr bringt.« Kiba fühlte sich, als wäre er wieder zwölf und müsste sich erneut von Kurenai tadeln lassen. Shinos Präsenz auf der anderen Seite der Tür fühlte sich beinahe übermächtig an. Kiba fand das seltsam, wo doch seine Nase in letzter Zeit dauernd die verschiedensten Gerüche mischte und ihn in die Irre führte. Er knirschte beschämt mit den Zähnen. Ja, er hatte Hinata und Shino in Gefahr gebracht und sie waren ihm gefolgt, obwohl sie beide gewusst hatten, dass er sie in die falsche Richtung leitete. Und dann... »Sie haben mir das Leben gerettet«, murmelte Kiba. Akamaru hatte sich halb neben ihn und halb auf seine Füße gelegt und gab ein leises Wimmern von sich. Wie immer spürte er jede von Kibas Stimmungen. »Natürlich haben sie das«, sagte Kurenai mit einem liebevollen Lächeln, das sich auch auf ihrem Gesicht zeigte, wenn sie ihren Sohn betrachtete. Sie wuschelte Kiba durch die Haare. »Vielleicht solltest du deine Mutter deswegen um Rat bitten. Oder deine Schwester. Die werden sicher besser über solche Dinge Bescheid wissen als ich«, schlug Kurenai vor und Kiba nickte ergeben. »Und lass die anderen beiden die Richtung angeben, solltet ihr beizeiten noch mal auf eine Mission gehen. Du willst doch mit deinem Teamwork nicht wieder bei null anfangen, oder?« Sie zwinkerte ihm zu, drücke Asuma Junior einen Kuss auf die Wange und verschwand in Richtung Küche, wohl, um ihren Sohn zu füttern. Kiba öffnete die Tür und Shinos Gesicht blickte ihm entgegen. Hinata stand hinter ihm und Kiba verfluchte seine Nase, weil sie ihm Hinatas Anwesenheit vollkommen verschwiegen hatte. Sie lächelte ihm zu. »Alles ok, Kiba-kun?«, fragte sie leise. Kiba wollte schon den Mund öffnen und lautstark verkünden, dass natürlich alles in Ordnung war. Aber er wusste, dass seine Teamkollegen sich im Klaren darüber waren, dass Kiba nicht in seiner üblichen guten Verfassung war. Seine Schultern sackten ein wenig in sich zusammen und er brummte wortlos. Auch wenn man Shinos Augen wie immer nicht hinter seiner Brille sehen konnte, so spürte Kiba trotzdem seinen Blick auf sich ruhen und Shinos Geruch hing ihm nach wie vor überdeutlich in der Nase. »Es wird schon wieder alles gut werden«, murmelte Hinata und lächelte. Kiba musterte ihr langes Haar und ihre blassen Augen. Sie war so weit gekommen, seit er sie damals kennen gelernt hatte. Er fühlte sich momentan so, als würde er sich eher zurück- als weiter entwickeln. »Ja... es wird schon.« Shino sprach so selten, dass Kiba manchmal sogar vergaß, wie seine Stimme klang. Da er sich größtenteils nach seiner Nase richtete, rückten seine anderen Sinne oftmals in den Hintergrund. Verwirrenderweise verkündeten ihm seine Ohren, dass Shinos Stimme besonders angenehm klang. Er sollte wirklich dringend mit seiner Mutter sprechen. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Sie gingen schweigend nebeneinander her, während Akamaru voran lief und an jedem zweiten Grasbüschel schnupperte. Kiba schwankte zwischen dem Bedürfnis mit Akamaru allein zu sein und dem Wunsch den Rest des Tages bei Shino und Hinata zu bleiben. Aber sein Stolz verbot ihm etwas in diese Richtung zu sagen, also schwieg er, als Shino und Hinata sich an einer Kreuzung von ihm verabschiedeten. Er sah ihnen nach und fragte sich, ob diese beiden, wenn sie einmal allein waren, sich überhaupt miteinander unterhielten. Allerdings wirkte es ganz so, als fühlten sie sich wohl miteinander. Kiba wandte sich ab und folgte Akamarus Aufforderung zu einem Wettrennen. Kiba gewann, was ihn ein wenig aufmunterte. Doch er konnte sich nicht sicher sein, ob Akamaru nicht absichtlich verloren hatte, weil er Kibas schlechte Stimmung gespürt hatte und ihn aufheitern wollte. Die Hunde der Familie begrüßten sie zuerst und Kiba fühlte ein nervöses Flattern im Magen angesichts der Tatsache, dass er gleich mit seiner Mutter über ein persönliches Problem reden sollte. Er liebte seine Mutter, aber für gewöhnlich sprachen sie nicht über solche Dinge. Eigentlich, dachte Kiba im Stummen, redete er mit niemandem über solche Sachen, denn seine Teamkollegen sollten ihn schließlich als respektablen Teamführer betrachten. Außerdem war es zweifelhaft, ob Hinata oder Shino ihm überhaupt antworten würden. Kiba beschloss, dass er das Gespräch mit seiner Mutter nicht allzu lang aufschieben sollte, denn sonst konnte er sich womöglich nicht mehr dazu durchringen. Er fand sie hinter dem Haus und ließ sich neben ihr auf der schmalen Veranda nieder. Die Hunde waren ihm gefolgt und tollten nun auf dem Rasen herum. Kibas Nase verschwieg ihm, ob seine Schwester Hana sich irgendwo im Haus aufhielt. Ihre drei Hunde jedenfalls waren hier. »Du riechst nervös. Was ist los?« Kiba seufzte. Seine Mutter hatte noch nie lange um den heißen Brei herum geredet. »Meine Nase funktioniert nicht mehr richtig«, entgegnete er. Je schneller er erfuhr, was das Problem war, desto schneller musste er nicht mehr mit seiner Mutter über diese Dinge reden. Zu seiner Überraschung und Empörung fing seine Mutter an zu lachen. Kiba starrte sie an und sein Blick wurde amüsiert erwidert. »Ich hab mich schon gefragt, wann es losgeht«, sagte seine Mutter und streckte sich. Kiba versuchte ihren Geruch von den anderen um ihn herum zu isolieren, doch es klappte nicht. »Was geht los?« Seine Mutter beobachtete die Hunde auf dem Rasen und Kiba vermutete eine Sekunde lang ungehalten, dass sie einfach nicht antworten wollte. Doch schließlich richtete seine Mutter erneut ihre durchdringenden Augen auf ihn. Kiba fragte sich kurz, ob seine Augen auch so stechend drein blicken konnten, aber er bezweifelte es. »Als ich deinen Vater kennen gelernt habe, war ich siebzehn«, sagte seine Mutter und Kiba schaute sie verwirrt an. Sie sprach so gut wie nie über seinen Vater und er hatte auch keine Ahnung, was sein Vater mit all dem zu tun hatte. Er behauptete gern, dass sein Vater wegen der Art seiner Mutter geflohen war, aber Kiba fand, dass er sie ohnehin nicht verdient hatte, wenn er ein Feigling war. »Ich konnte ihn nicht ausstehen. Er war zu nett, zu weich, zu hilfsbereit. Und er hat meine Nase verwirrt. Wahrscheinlich war es bei mir nicht ganz so schlimm wie bei dir. Deine Nase ist besonders, selbst in unserem Klan...« Es wirkte beinahe so, als schwelgte seine Mutter in seligen Erinnerungen, was Kiba dazu brachte, sich ausgesprochen unwohl zu fühlen. Die Vorstellung von seinen Eltern als verliebte Turteltauben gefiel ihm überhaupt nicht. Er war so damit beschäftigt, nicht allzu sehr darüber nachzudenken, dass er vollkommen vergaß sich darüber zu empören, was seine Mutter mit ihrer Geschichte implizierte. »Tatsache ist, dass unser Klan dazu neigt, in einem gewissen Alter damit anzufangen, sich nach Partnern umzusehen. Es ist eine frustrierende Angelegenheit, weil unsere Nase sich oft für jemanden entscheidet, den man selbst nie als Partner in Betracht gezogen hat... Aber gut, ich denke, dass es bei anderen Leuten mit dem Herzen nicht anders funktioniert, nur dass es bei uns eben mit der Nase anfängt. Es geht irgendwann wieder vorbei, wenn man älter ist. Oder, wenn man seiner Nase nachgibt. Ich hab nachgegeben, deine Schwester zum Beispiel nicht. Es ist alles ok mit dir, mein Sohn«, sagte sie. Kiba starrte sie an. Wieso hatte er noch nie davon gehört? Wieso wusste er nichts davon, dass Hana offensichtlich einen potentiellen Partner abgelehnt hatte, obwohl sie sich sonst alles erzählten? Dann wurde ihm mit einer unheimlichen Plötzlichkeit klar, dass sein Geruchssinn ganz offenbar Shino für eine gute Idee hielt. Das würde er ganz sicher auch niemals jemandem erzählen, soviel stand fest. Er würde es aussitzen und hoffen, dass es bald vorbei ging. Sein Weg des Ninjas stand und fiel mit der Funktion seiner Nase. Er würde sie dazu zwingen, wieder normal zu funktionieren. Jawohl. * Seine Nase ließ sich nicht dazu zwingen, dass Shino keine gute Idee war. »Kiba-kun, es tut mir wirklich sehr leid«, sagte Hinata zum ungefähr hundertsten Mal, nachdem sie Kibas Oberarm mit einem Kunai durchbohrt hatte. Kibas Augen waren verbunden gewesen und er hatte seine beiden Teamkollegen gebeten, ihm alles zu geben, was sie zu bieten hatten. »Es ist ok«, schnaubte Kiba ungehalten und sah dabei zu, wie Hinata die Wunde notdürftig verband, bevor sie ihn zu einem Medic-Nin bringen würden. Er war sicher gewesen, dass er, wenn er sich nur genug konzentrierte, seine Geruchsinnsprobleme in den Griff bekommen konnte. Tatsächlich war er sehr gut gewesen, Shino mit verbundenen Augen zu erschnüffeln. Von ihm hatte er nicht einen einzigen Schlag, einen einzigen Käfer, oder gar ein Kunai abbekommen. Shino wirkte tatsächlich etwas miesepetrig, sofern man das bei seinem halbverdeckten, ausdruckslosen Gesicht sagen konnte. Seine Nase war hypersensibel, wenn es um Shino ging, aber Hinata hatte er nicht bemerkt. Sie hatte ihn öfter getroffen. Seine Chakra-Ausgänge im linken Arm waren blockiert, sein rechter Arm war von dem Kunai durchbohrt. »Ich bin sicher, Sakura-san kriegt das schnell wieder hin«, meinte Hinata und wischte sich die blutigen Finger ab. Kiba gab ein undefinierbares Knurren von sich und wünschte, Shino würde aufhören, ihn so anzustarren. Er konnte seinen Blick auf der Haut spüren und sein Körper fühlte sich kribbelig an – zumindest dort, wo er nicht schmerzte. »Tut mir wirklich le–« »Hinata!«, fuhr Kiba sie an und Hinata zuckte zusammen. »Du warst gut, ok? Es ist Training. Besser jetzt, als auf einer Mission.« Er rappelte sich mühsam auf und hinkte seinen Freunden voran vom Übungsplatz. Für ein paar Momente war er überzeugt gewesen, dass alles wieder ok war, bis ihm klar wurde, dass seine Nase nur so gut für ihn gearbeitet hatte, weil Shino sein Gegner war. Er fragte sich, ob sein Geruchssinn besser funktionieren würde, wenn Shino sich mehrere Kilometer entfernt von ihm aufhielt. Wie ihm das alles auf den Zeiger ging. Er hatte Hinata nicht so anschnauzen wollen, aber er war einfach so wütend auf diese bescheuerten Umstände, in die ihn seine Nase gezwungen hatte. Außerdem war er immer noch wütend auf seine Schwester und seine Mutter, weil sie ihm nie im Vorfeld von so einer Phase berichtet hatten. Und jetzt musste er sich damit herum schlagen und machte sich alle Nase lang – haha – zum Idioten vor seinen Teamkollegen. Wenn sich diese Sache herum sprach, würde nie wieder irgendjemand ihn ernst nehmen und sein Team würde keine Aufträge mehr erhalten, weil der hormongesteuerte Geruchsexperte des Teams leider Gottes seinen jugendlichen Trieben nachgehen und seinen Job als Ninja aufgeben musste, da sein Riechorgan vollkommen durchgedreht war. »Du solltest sie nicht so anfahren.« Kiba hatte Shino gerochen, bevor er ihn gesehen oder gehört hatte, aber er stapfte einfach weiter, seine Hände in den Hosentaschen und Akamaru an seiner Seite, der ebenso wie Kiba niedergeschlagen dreinblickte und kaum am Wegesrand herum schnüffelte. Kiba tat es auch Leid, dass es seinem Hund schlecht ging, aber er konnte vor Akamaru ohnehin nicht so tun, als wäre alles bestens, deswegen versuchte er es erst gar nicht. »Ja, ich weiß«, knurrte Kiba ungehalten und kickte einen Stein vor sich auf dem Weg, sodass er mehrere Meter weit flog. Shino ging neben ihm her und Kiba fragte sich, was er wollte. Der Geruch in seiner Nase war so überwältigend, dass er dringend das Bedürfnis hatte, stehen zu bleiben und ganz dicht an Shino heran zu treten, um seine Nase an dessen Halsbeuge zu vergraben. Verteufelter Mist noch mal, dachte er sich und legte einen Schritt zu, das kann doch nicht wahr sein. »Vielleicht sollte ich mal ein paar Tage Urlaub nehmen«, kam es plötzlich von Shino und Kiba blieb abrupt stehen, um sich zu seinem Teamkollegen umzudrehen. Shinos Gesicht war unlesbar. Wie immer. Aber auch er hatte die Hände in den Hosentaschen und sah alles in allem irgendwie ein wenig… unsicher aus? Shino war nie unsicher. Aber Kibas Nase sagte ihm, dass Shino offenbar schwitzte. Konnte Shino etwas von Kibas Zustand mitbekommen haben? Hatte irgendjemand gepetzt? Er würde Kurenai eigenhändig erwürgen, wenn… »Es sind meine Käfer«, erklärte Shino und Kiba entspannte sich sofort. Es ging also nicht um ihn und seine defekte, auf Shino sensibilisierte Nase. Gott sei– »Sie befinden sich momentan in ihrer Paarungsphase.« Erstens hatte Kiba Shino womöglich noch nie so viele vollständige Sätze hintereinander sagen hören. Zweitens verstand er nicht, was Shino ihm sagte. Wieso hatte er vorher noch nie etwas von Paarungsriten der Käfer gehört? »Es passiert nur zwei oder drei Mal im Leben eines Wirts, aber es scheint so weit zu sein… und…« Shino brach ab und zuckte mit den Schultern, als wäre damit alles klar. Aber Kiba war nichts klar. Nunja, das war nicht richtig. Etwas dämmerte ihm. Wenn sein Nasendefekt und Shinos Situation zusammen fielen, dann hatte dieses Paarungsverhalten der Käfer ja womöglich etwas mit Kibas Nase zu tun. »Und wie äußert sich… dieses Paarungsverhalten so?«, fragte er möglichste lässig und beiläufig und ignorierte Akamaru, der nervös angesichts der angespannten Stimmung seinen eigenen Schwanz jagte. Shino zog seine Schultern noch etwas weiter nach oben, sodass sein Kragen hoch bis zu seiner Brille reichte und man eigentlich nur noch seinen struppigen Haarschopf sehen konnte. Wenn sie das nicht bald geklärt hatten und Kiba sich aus Shinos Reichweite entfernen konnte, dann würde er sich doch noch auf seinen Teamkollegen stürzen. Der Geruch, der von Shino ausging, vernebelte ihm das Gehirn und sein ganzer Körper kribbelte. Die Schmerzen aus dem Training waren beinahe vergessen. Kiba wusste, dass Shino ihn anstarrte. Er konnte zwar die Augen seines Gegenübers nicht sehen, aber er spürte den durchdringenden Blick überdeutlich. Mit einer peinlichen, urplötzlichen Intensität wollte Kiba Shinos Augen sehen. Es hatte ihn nie interessiert, wie Shino unter seiner Maskerade aussah, aber jetzt, mit all diesen neuen Gefühlen, kamen ihm solche unberechenbaren Gedanken immer häufiger. »Die weiblichen Käfer schütten Pheromone aus und–« »PHEROMONE?« Kiba hatte nicht schreien wollen. Er hatte Shino auch nicht an den Schultern packen und schütteln wollen. Aber genau das tat sein Körper. »KEIN WUNDER, DASS MEINE NASE DURCHDREHT! HÄTTEST DU MIR DAS NICHT VORHER SAGEN KÖNNEN, DU SCHWACHKOPF?« Shino stand einfach nur still da und ließ sich schütteln. Er schien nicht überrascht von Kibas Ausbruch und Kiba verfluchte sich noch während seinem Geschrei dafür, dass er Shino gerade auf einem Silbertablett sein Geheimnis serviert hatte. »Du riechst die Pheromone meiner Käfer?«, gab Shino zurück und Kiba ließ ihn abrupt los. Shino klang tatsächlich überrascht und… verlegen? Ja, Kiba roch Verlegenheit. Er hatte den Drang, sich die Nase zuzuhalten, damit er endlich wieder klar denken konnte, aber diese Blöße würde er sich nicht geben. Stattdessen trat er einen Schritt zurück, holte tief Luft und sagte so ruhig wie es ihm möglich war: »Du musst keinen Urlaub machen. Ich werd einfach für ein paar Tage mit Akamaru verschwinden.« Er wartete nicht auf Shinos Antwort, sondern drehte sich um, schwang sich auf Akamarus Rücken und trieb seinen Gefährten zur Eile an. Seine Mutter würde sich garantiert nicht wundern, dass er verschwunden war und Shino konnte Hinata und Kurenai Bescheid sagen. Mit jedem Meter, den er sich entfernte, entspannte sich seine Nase, da Shinos Geruch weniger wurde. Allerdings hing er auch immer noch an seinen Fingern, da Kiba Shino vorhin angefasst hatte. Er und Akamaru hielten am nächstbesten Fluss, damit Kiba sich waschen konnte. Es würden ein paar ruhige Tage werden. Endlich. * Nach drei Stunden hatte Shino ihn eingeholt. Kiba hockte auf einer Lichtung an einen Baum gelehnt und hatte entspannt die Augen geschlossen, als er Shinos Geruch aufnahm. Seine Augen klappten auf und Akamaru bellte. »Was zum Henker…?« Shino würde etwas erleben, wenn er hier ankam, soviel stand fest! Kiba war ihm extra aus dem Weg gegangen, hatte sich zum Idioten vor ihm gemacht und wollte nichts anderes, als endlich seine Ruhe vor dieser ganzen Geruchskrise haben, und jetzt folgte ihm Shino auch noch. Allerdings kam Kiba nicht dazu, auch nur einen Finger zu rühren, denn das, was ihm entgegenkam, war nicht Shino, sondern ein Schwarm Käfer. Eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter und er fuhr herum. Shino stand hinter ihm und Kiba wollte ihm gern eine verpassen, aber als er sah, dass Shino seine Brille abgenommen und seine Jacke ausgezogen hatte, erstarrte er mitten in der Bewegung und blickte hoch in die dunklen Augen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. »Jetzt weiß ich, wie ich dich beim Training kriegen kann«, sagte Shino leise und Kiba beobachtete fasziniert den Mund seines Teamkollegen, der sonst meistens von seinem Kragen verdeckt war. »Ich schick einfach alle weiblichen Käfer los und behalte nur die männlich unter der Haut.« Kiba wollte antworten, aber er konnte nicht sprechen. Er war zu überrascht, zu überwältigt, und peinlicherweise hämmerte sein Herz so laut, dass es sich anfühlte, als würde es auf seinen Kehlkopf drücken und ihm so die Sprache verschlagen. »Dieses Verhalten meiner Käfer macht mich seit ein paar Tagen ziemlich unruhig«, erklärte Shino und seine tiefe Stimme wurde immer leiser. Kiba schluckte und spürte, wie seine Handflächen feucht wurden. Shino war eindeutig zu nah und er war ganz ganz eindeutig viel zu passiv in dieser bescheuerten Situation. Die Worte seiner Mutter schossen ihm durch den Kopf, dass, wenn er nachgeben würde, alles besser werden würde. Sein Geruchssinn hatte Shino ausgesucht. Was für eine absurde Wahl. Aber wahrscheinlich waren es… hoffentlich… waren es nur die Käfer… »Nicht nur dich«, krächzte Kiba. Reiß dich zusammen, dachte er empört über sein Verhalten. Du bist der Rudelführer! Aber als Shino sich zu ihm herunter beugte und die dunklen Augen sich schlossen, fühlte Kiba sich kein bisschen wie der Rudelführer. Er hätte gern panisch gefiept und sich in einer Ecke zusammen gerollt, aber Shinos Lippen legten seine Körperfunktionen für einen Augenblick komplett lahm. Kibas Augen weiteten sich. Die Lippen des anderen waren überraschend weich und der Geruch, der von Shino ausging, machte Kiba wahnsinnig. Er knurrte gegen Shinos Lippen, packte ihn an den Schultern und erwiderte den Kuss voller Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen. Dämlicher Käferfreund. Als würde Kiba sich ihm jemals unterwerfen. Ein Gerangel entstand, in dem jeder der beiden versuchte, die Oberhand zu gewinnen, doch als sie schließlich stolperten und Kiba auf dem Rücken und somit unter Shino landete, gab er auf. Er hätte nie gedacht, dass er das freiwillig tun würde, aber das Gefühl von Shinos Lippen auf seinem Mund war einfach zu gut, als dass er es noch weiter hätte bekämpfen wollen. »ICH bin der Rudelführer«, brummte er gegen Shinos Lippen. Amüsiert funkelnde Augen blickten ihm entgegen. »Natürlich bist du das.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)